Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > März 2012 > Experten beraten über Konsequenzen eines Ausstiegs aus dem Euratom-Vertrag
Professor Jürgen Grunwald vom Europa-Institut des Saarlandes hob hervor, dass es sich bei der Frage eines Austritts aus dem Euratom-Vertrag und der Gründung einer Agentur für Erneuerbare Energien um zwei verschiedene Punkte handele. Es gebe kein Junktim zwischen diesen beiden Aspekten: „Ein solcher Effekt kommunizierender Röhren besteht nicht“ erklärte er. Er erläuterte im Gegenteil, dass eine Auflösung der Institution eine Reihe von Nachteilen haben könne etwa für die Strahlensicherheit oder Klagerechte einzelner Staaten. Für ihn bietet der Euratom-Vertrag vielmehr eine Reihe von Chancen: „Bevor man den Euratom-Vertrag verdammt, sollte man ihn genau anschauen“, erklärte er. Zwar hätte ein Austritt aus dem Euratom-Vertrag keine direkten Konsequenzen für einen Verbleib in der Europäischen Union, würde aber eine Reihe ungeklärter juristischer Fragen aufwerfen: „Das sind rechtlich tiefe Wasser“, sagte er.
„Sie können kündigen, sie sollten das bloß nicht tun“, war die Antwort der Expertin für Energiefragen, der Rechtsanwältin Dörthe Fouquet. Sie erläuterte, dass ein Ausstieg rechtlich möglich sei, aber den Wegfall der Geschäftsgrundlage für den Bereich der Atomenergie bedeuten würde. Ein Ausstieg müsste daher von neuen Gesetzen begleitet werden. Sie äußerte die Auffassung, dass heutzutage ein „Sonderrecht für eine Energiequelle“ nicht mehr zu rechtfertigen sei. Die Energieexpertin schlug daher vor, eine zeitliche Grenze für den Euratom-Vertrag zu vereinbaren. In diesem Zeitraum könnten dann die anstehenden Fragen langfristig geregelt werden.
Ein Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag beurteilte Joachim Knebel vom Karlsruher Institut aus wissenschaftlicher Perspektive als kritisch. Aus Forschungssicht lägen die Schwerpunkte des Vertrages auf Themen wie Abfallentsorgung, Strahlenschutz und Fusionsforschung, bei denen man auf eine internationale Zusammenarbeit angewiesen sei, sagte er und fügte hinzu: „Die Sicherheitsphilosophie ist sehr fein gegliedert. Sie kann über Euratom auch in anderen Ländern installiert werden.“ Außerdem werde die Forschung ohne Euratom teurer. So stünde Deutschland bei der Rückholung der Forschungsmittel an zweiter Stelle.
Den positiven Aspekten widersprach Patricia Lorenz von der Organisation Friends of the Earth. „Euratom dient der Förderung der Atomenergie und nicht der Sicherheit“, sagte sie. Die nukleare Sicherheit könne gar nicht Thema von Euratom sein, da für diese Fragen allein die nationalen Behörden zuständig seien. Gleichzeitig warnte sie auch dafür, dass Euratom Kredite an fragwürdige Projekte für Atomkraftwerke in der Ukraine geben würde. Bis heute würden viele Staaten in den Vertrag gezwungen werden, sagte sie und folgerte daraus: „Die Auflösung ist für mich die sinnvollste Variante“.
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