Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv > Interview Wöhrl
Ein Erfolg ist aus Sicht von Dagmar Wöhrl der entwicklungspolitische Freiwilligendienst „Weltwärts", über den der Bundestag am Donnerstag, 22. März 2012, voraussichtlich ab 16.25 Uhr eine halbe Stunde lang diskutieren will. Die deutschen Helfer profitierten persönlich vom interkulturellen Austausch und die beteiligten Partnerorganisationen würden bei ihrer Tätigkeit vor Ort in der Dritten Welt unterstützt, so die Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Interview. Die CSU-Abgeordnete plädiert dafür, nicht nur Hochschulabsolventen, sondern vermehrt auch junge Leute mit einer Berufsausbildung für dieses seit 2008 existierende Programm zu gewinnen. Der Debatte liegt ein SPD-Antrag (17/8769) zugrunde, der eine Aufstockung der „Weltwärts"-Gelder im Bundesetat fordert. Das Interview im Wortlaut:
Der „Weltwärts"-Dienst erfreut sich offenbar großer Beliebtheit, ist aber in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Warum wurde dieses Programm eingerichtet, welches sind die Ziele?
Bei dem seit 2008 existierenden Dienst geht es darum, einerseits den Erfahrungshorizont junger Leute zu erweitern und andererseits Organisationen zu unterstützen, die in der Entwicklungsarbeit tätig sind. Die Freiwilligen können vom interkulturellen Austausch profitieren, ihre Sprachkenntnisse vertiefen und sich vor Ort ein konkretes Bild von den Nöten und den Entbehrungen machen, unter denen die Bevölkerung im armen Süden oft leidet. Medienberichte vermitteln davon häufig nur abstrakte Eindrücke. Vielleicht wird der eine oder andere Teilnehmer auch ermuntert, sich langfristig in der Dritten Welt zu engagieren.
Wie läuft denn der „Weltwärts"-Dienst in der Praxis ab?
Es machen über 200 nichtstaatliche Partnerorganisationen mit, deren Aufwendungen für das Entsendeprogramm zum Teil aus dem Bundesetat finanziert werden. Es beteiligen sich etwa Einrichtungen der Diakonie und der Caritas, auch viele Umweltgruppen sind dabei. Die Freiwilligen packen beispielsweise bei der Gewinnung von sauberem Trinkwasser in Indonesien, bei der Arbeit in einem bolivianischen Waisenhaus oder bei der Verbesserung der medizinischen Versorgung in Mosambik mit an. Verbreitet ist auch die schulische Unterstützung von Kindern und Jugendlichen durch Hausaufgabenbetreuung, manchmal geben die deutschen Helfer selbst Unterricht und vermitteln etwa die englische Sprache.
Wie sieht die bisherige Bilanz des „Weltwärts"-Modells aus, lohnt sich der Aufwand?
Nach einer ersten Auswertung sieht die Bilanz positiv aus, jedenfalls sollte dieses Programm fortgesetzt werden. Die Partnerorganisationen freuen sich über die Unterstützung ihrer Arbeit. Die Teilnehmer ziehen einen persönlichen Gewinn aus ihrem praktischen Engagement in der Dritten Welt. Nicht selten münden die Erfahrungen der Helfer in einen langfristig angelegten Einsatz für die Entwicklungshilfe. Auch ansonsten kann die persönliche Berufswahl beeinflusst werden. Was noch verbessert werden sollte, ist die Nachbereitung solcher Tätigkeiten, wenn die Freiwilligen zurückkehren.
Offenbar melden sich für die Teilnahme am „Weltwärts"-Dienst bisher kaum junge Leute mit einer Berufsausbildung. Wie lässt sich das ändern?
In der Tat haben wir zu unserer Überraschung festgestellt, dass über 90 Prozent der Freiwilligen einen Hochschulabschluss haben. Dabei war das Programm nicht zuletzt dafür gedacht, gerade jungen Leuten aus eher einkommensschwachen Schichten ein Engagement in Entwicklungsländern zu ermöglichen. Wir müssen überlegen, wie wir diesen Personenkreis künftig besser ansprechen können. Sinnvoll wäre es, etwa an Realschulen intensiver über den „Weltwärts"-Dienst zu informieren.
Ist es nicht naheliegend, auch Freiwilligen aus der Dritten Welt die Absolvierung eines solchen Dienstes in der Bundesrepublik zu ermöglichen?
Das hat durchaus etwas für sich. Allerdings muss vieles geklärt werden. Wer soll das finanzieren, die Bundesregierung, die Kommunen? Bei welchen Organisationen und Institutionen sollen die jungen Leute tätig werden? Und nicht zuletzt: Wie kann gewährleistet werden, dass sie nach dem Ende ihrer Praktika wieder in ihre Heimat zurückkehren und das hierzulande erworbene Wissen für den Aufbau ihres Landes einsetzen? Ich plädiere dafür, all diese Fragen von einer Arbeitsgruppe prüfen zu lassen.
Die SPD kritisiert, dass wegen einer unzureichenden finanziellen Ausstattung des Programms die Zahl der Teilnehmer 2011 auf 3.000 gegenüber 4.400 im Jahr zuvor gesunken ist, und dies trotz steigender Nachfrage. Unterstützen Sie die Forderung, im Bundesetat die „Weltwärts"-Mittel von 30 Millionen Euro 2011 in diesem Jahr aufzustocken und 2013 auf 70 Millionen zu erhöhen?
Natürlich würde ich mich freuen, wenn wir mehr Geld bekämen. Doch das Wünschbare ist das eine, das Machbare das andere. Wenn die SPD die Mittel in diesem Jahr aufstocken will, dann muss sie auch sagen, wo zur Gegenfinanzierung an anderer Stelle gestrichen werden soll. Eine Erhöhung der „Weltwärts"-Gelder 2013 wäre eine schöne Sache, aber es ist nun mal so, dass der Haushalt einem strikten Konsolidierungskurs unterliegt. Im Übrigen sollten wir die Finanzmittel in der Praxis dieses Programms effizienter einsetzen.
(kos)