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Die Pläne der Bundesregierung zu einem neuen Entgeltsystem für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen schaffen nach Auffassung der Bundespsychotherapeutenkammer die Chance zu einer leistungsgerechteren Vergütung und zu mehr Transparenz bei der Behandlung. "Die Möglichkeiten sind da, deshalb begrüßen wir den Gesetzentwurf", sagte Kammerpräsident Prof. Dr. Rainer Richter am Montag, 23. April 2012, in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Vorsitz von Dr. Carola Reimann (SPD).
Der Psychiater und ehemalige ärztliche Leiter des Klinikums Bremen Ost, Prof. Dr. Peter Kruckenberg, äußerte die Befürchtung, dass die Versorgung psychisch Kranker mit dem Gesetz schlechter und die Kosten "nachhaltig höher" würden.
Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/8986) sollen künftig die voll- und teilstationäre Behandlung psychisch kranker Menschen nicht mehr krankenhausindividuell vereinbart, sondern nach bundeseinheitlichen Entgelten vergütet werden.
Erklärtes Ziel des Regierungsentwurfs ist "ein leistungsorientiertes und pauschalierendes Entgeltsystem" in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen. Das neue Entgeltsystem soll den Angaben zufolge mit einer vierjährigen Einführungsphase (budgetneutrale Phase) und einer fünfjährigen Überführungsphase (Konvergenzphase) bis zum Jahr 2022 eingeführt werden.
In den Jahren 2013 und 2014 können laut Gesetzentwurf die psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen das neue Entgeltsystem freiwillig einführen. Mit der langen Umstellungsphase werde den Einrichtungen ausreichend Zeit gegeben, sich auf die künftige Veränderung ihres Erlösbudgets einzustellen, heißt es in der Vorlage. Kruckenberg sagte, schwer psychisch Kranke benötigten eine "sehr individuelle therapeutische Begleitung". Dem trage der Gesetzentwurf nicht ausreichend Rechnung.
Auch der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Prof. Dr. Jörg M. Fegert, äußerte Bedenken. Gerade in der besonders personalintensiven Kinder- und Jugendpsychiatrie sei es "unabdingbar", dass die personelle Ausstattung in den Einrichtungen auch bei der Überführung in ein neues System gesichert werde.
Der Gesundheitsexperte der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Herbert Weisbrod-Frey, bemängelte, dass die sektorenübergreifende Behandlung nicht konsequenter ausgebaut werde. "Gute Versorgung darf es nicht nur in Modellprojekten geben", betonte Weisbrod-Frey.
Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, sagte, seine Organisation trage die geplante Reform unter der Voraussetzung mit, "dass keine finanziellen Ressourcen verloren gehen".
Aus Sicht des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung ein "wichtiger Schritt". Gleichwohl sagte der Vertreter des GKV-Spitzenverbandes, Wulf-Dietrich Leber, "eigentlich könnte vieles schneller gehen". Zugleich lobte Leber, dass die Regierung Modellprojekte ermöglichen wolle.
Der Anhörung lagen zudem Anträge der Fraktionen Die Linke (17/5119) und Bündnis 90/Die Grünen (17/9169) zugrunde. Die Linksfraktion spricht sich in ihrem Antrag für eine ergebnisoffene Prüfung der Fallpauschalen in Krankenhäusern aus. Die Abgeordneten fordern, zur Überprüfung der diagnosebezogenen Fallgruppen (englisch Diagnosis Related Groups, kurz: DRG) einen eigenen Sachverständigenrat einzusetzen. Dieser solle unter anderem die Qualität der Versorgung sowie Art und Umfang von Leistungsverlagerungen untersuchen. Die Interessen der Patienten sowie der Krankenhaus-Beschäftigten sollten bei der Evaluation im Mittelpunkt stehen.
Nach dem Willen der Grünen soll die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf in einer Reihe von Punkten ändern beziehungsweise ergänzen. So soll laut Antrag etwa im Verfahren zur Einführung eines neuen Entgeltsystems den fachspezifischen Anforderungen und regionalen Besonderheiten der Kinder- und Jugendpsychiatrie Rechnung getragen werden. (mpi)