Menschenrechtslage in Kambodscha "sehr komplex"

Mr. YANG Sem, Senator

In Südostasien kennt sich Dr. Thomas Gambke richtig gut aus. "Ich hatte lange Zeit in der Region beruflich zu tun", erzählt der Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen. Zwei Jahre lebte er in Tokio. In Singapur arbeitete er vier Jahre lang als Managing-Director. Seit 2009 sitzt der 63-Jährige im Bundestag. "Als gefragt wurde, wer die ASEAN-Parlamentariergruppe leiten möchte, habe ich mich sofort gemeldet", sagt er. "Ich bin schließlich der Region sehr verhaftet." 25 Jahre Erfahrungen im Management – sehr ausgerichtet auf Asien. "Da habe ich ein Interesse daran gehabt, meine Erfahrungen einzubringen."

Abgeordnete aus Kambodscha zu Gast

Als Vorsitzender der Gruppe ist er nun zugegen, wenn Parlamentariergruppen aus Südostasien den Bundestag besuchen, wie unlängst eine Reihe von Abgeordneten der Nationalversammlung und des Senats aus Kambodscha.

"Die waren eine Woche in Deutschland und wollten sich speziell über die Arbeit des Menschenrechtsausschusses informieren", sagt Gambke. Die Lage in dem Land, das zu den ärmsten der Welt gehört, ist in Sachen Menschenrechten "sehr komplex" wie er sich ausdrückt.

Zehn Staaten im ASEAN-Verbund

"Die Probleme rühren von der Herrschaft der Roten Khmer und der nachfolgenden vietnamesischen Besetzung her", erläutert der Bayer aus Landshut. Eine Verfassung immerhin gibt es, sagt er. Die sei aber nicht unbedingt in den parlamentarischen Prozess eingearbeitet. Außerdem fehle es an einer unabhängigen Gerichtsbarkeit. "Zumindest ist die nicht so ausgeprägt, wie es sein sollte", fügt Thomas Gambke hinzu.

Insgesamt zehn Staaten zählen zum ASEAN-Verbund. Neben Kambodscha sind das Thailand, Vietnam, Laos, Indonesien, die Philippinen, Brunei, Myanmar, Malaysia und Singapur. Insbesondere der Stadtstaat Singapur steht für die wirtschaftliche Dynamik der Region. "Das Bruttosozialprodukt pro Kopf liegt über dem Deutschlands", macht Gambke deutlich.

ESM-Vorläufer in Südostasien

Helfen sich denn die Staaten auch innerhalb des ASEAN -Verbundes? "Bei Weitem nicht so wie innerhalb der EU", sagt Gambke. Allerdings habe man jetzt "Gott sei Dank" das Thema Bildung entdeckt und plane einen Bildungsverbund zu schaffen.

Ähnliches gilt auch für den Verkehr und den Ausbau der erneuerbaren Energien. "Es gibt Infrastrukturprojekte, die man gemeinsam macht." Interessant aus europäischer Sicht ist nach Meinung Gambkes, dass der Euro-Rettungsschirm ESM "in Südostasien einen Vorläufer hat".

100-Milliarden-Dollar-Fonds

Als es nämlich in Thailand in den Jahren 1998/1999 ein ernsthaftes Währungsproblem gab, habe man Bedenken gehabt, dass dies auch die umliegenden Staaten treffen könnte.

Der daraufhin aufgelegte 100-Milliarden-Dollar-Chian-Mai-Fund sei nichts anderes als der ESM, sagt er. "Man wollte schwachen Staaten in einer schwierigen Situation helfen." Was also in Europa mit Griechenland passiert, habe es auch dort gegeben.

ASEAN plus drei

Da aber nur Singapur und vielleicht Malaysia hätten in den Fonds einzahlen können, wurde "ASEAN plus drei" geschaffen – mit Korea, Japan und China. "Diese drei Länder haben den Fonds im Wesentlichen finanziert – im Interesse der Stabilisierung Südostasiens." Und auch, damit ihnen die Länder als künftiger Markt und als Produktionsland nicht abhandenkommen, setzt der Asienexperte hinzu.

Wirtschaftlich vielleicht schon ein Vorbild, sieht es in der Frage der Menschenrechte selbst im hochentwickelten Singapur ganz anders aus. Kann man die 500-Singapur-Dollar-Geldstrafe für das Spucken in der Öffentlichkeit vielleicht noch als besonders drastische Maßnahme hinnehmen, um Ordnung und Sauberkeit zu gewähren, gibt es andere Regeln, "die mit unserem Menschenrechtsbewusstsein nicht in Einklang zu bringen sind", sagt Gambke.

"Nur sehr eingeschränkte Rechte"

So hätten etwa Hausangestellte, "die alle von den Philippinen oder aus Sri Lanka kommen", nur sehr eingeschränkte Rechte. Werde etwa eine Hausangestellte schwanger, wird sie ausgewiesen und der Arbeitgeber bestraft, "weil man nicht will, dass sie über die Kindergeburt dort sesshaft werden". Dabei werde ganz sicher eine Grenze überschritten, stellt er fest.

Das Thema Menschenrechte spielt auch in Myanmar eine wichtige Rolle. Zwar sei es sehr zu begrüßen, dass es einen Übergang von einer Militärdiktatur zum Parlamentarismus gibt. "Da sich allerdings das Militär mindestens 25 Prozent der Parlamentssitze ausbedungen hat, ist das sicher nicht die Art von Parlamentarismus, die wir uns vorstellen", kritisierte Thomas Gambke.

Anklage gegen Oppositionsführer Anwar Ibrahim

In Vietnam wiederum gibt es noch immer eine Einparteienregierung, und auch Malaysia, nach Singapur zweitgrößter Wirtschaftsfaktor in der Region, hat Nachholbedarf. Dort nämlich werde versucht, den Oppositionsführer Anwar Ibrahim mit allen möglichen Tricks von der Wahrnehmung seiner politischen Rechte abzuhalten.

"Erst hat man versucht, ihn über angebliche Homosexualität, die in dem islamischen Staat unter Strafe steht, in Haft zu bekommen. Nun wurde er wegen des Verstoßes gegen das Demonstrationsrecht angeklagt", sagt Gambke.

"Parlamentarier können etwas bewirken"

Für den "charismatischen Oppositionsführer" setzt er sich auch im Rahmen des Programms "Parlamentarier schützen Parlamentarier" ein. So auch, als der Vorstand der ASEAN-Parlamentariergruppe, zu dem neben Gambke die stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU), Holger Ortel (SPD), Dr. Jürgen Koppelin (FDP) und Caren Lay (Die Linke) gehören, das Land besucht haben.

"Parlamentarier können da schon etwas bewirken", ist sich Gambke sicher. Und sei es, wenn man darauf hinweist, dass der Umgang mit Anwar Ibrahim Investoren abschreckt. Dass dies tatsächlich der Fall ist, weiß Gambke aus eigener Erfahrung: "Ich habe dort selbst zwei Fabriken aufgebaut."

Rechtssicherheit wichtig für Standortentscheidungen

Rechtssicherheit und politische Stabilität seien sehr wichtig für die Standortentscheidung, sagt er. "Die Frage, ob ich damit rechnen muss, wieder enteignet zu werden, ist bedeutend."

Seit 2009, so erzählt der Vorsitzende, habe der Vorstand der Parlamentariergruppe zwei Reisen unternommen, wobei jeweils drei Länder besucht wurden. "Das ist natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein", räumt er ein.

Ohne offizielle Mission

Dazu komme noch eine weitere Problematik: "Die Gastgeber denken oft, wir hätten eine offizielle Mission." Da das aber nicht der Fall sei, komme es auch immer mal zu Enttäuschungen.

Und dennoch: Würde man ihn zu Beginn der nächsten Legislaturperiode fragen, ob er den Vorsitz wieder übernehmen möchte, würde die Antwort lauten: "Ja, sehr gerne!" (hau/20.12.2012)