Plenarprotokoll 17/39 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 39. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Peter Hintze und Manfred Nink Begrüßung der neuen Abgeordneten Ewa Klamt Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung Zusatztagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zu den Maßnahmen zum Erhalt der Stabilität der Währungsunion und zu dem bevorstehenden Sondergipfel der Euro-Länder am 7. Mai 2010 in Brüssel in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität in der Währungsunion erforderlichen Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik (Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz - WFStG) (Drucksache 17/1544) Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) Birgit Homburger (FDP) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) Volker Kauder (CDU/CSU) Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU) Otto Fricke (FDP) Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU) Norbert Barthle (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung: Rücknahme der Erklärung der Bundesrepublik Deutschland vom 6. März 1992 zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes; weitere Fragen zur Kabinettssitzung Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Diana Golze (DIE LINKE) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Michaela Noll (CDU/CSU) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Miriam Gruß (FDP) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Ute Granold (CDU/CSU) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Frank Heinrich (CDU/CSU) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Dr. Matthias Miersch (SPD) Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde (Drucksache 17/1534) Mündliche Frage 1 Dr. Barbara Hendricks (SPD) Unterstützung der Vergabe von Landtiteln an die ländliche Bevölkerung in Kambodscha Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Dr. Barbara Hendricks (SPD) Mündliche Frage 2 Dr. Barbara Hendricks (SPD) Institutionelle Zusammenlegung der deutschen technischen und finanziellen Entwicklungszusammenarbeit Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Dr. Barbara Hendricks (SPD) Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Sascha Raabe (SPD) Mündliche Frage 3 Karin Roth (Esslingen) (SPD) Beitrag zum Erreichen des Millenniumentwicklungsziels 5 Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Karin Roth (Esslingen) (SPD) Mündliche Frage 4 Karin Roth (Esslingen) (SPD) Stärkere Berücksichtigung der Problemlagen behinderter Menschen in Entwicklungsländern in der Entwicklungszusammenarbeit und Unterstützung der Partnerländer bei der Integration der Menschen mit Behinderungen Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Karin Roth (Esslingen) (SPD) Mündliche Frage 5 Burkhard Lischka (SPD) Auswirkungen der Kapitalerhöhung bei der Weltbank auf den finanziellen Beitrag Deutschlands Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfrage Burkhard Lischka (SPD) Mündliche Frage 6 Burkhard Lischka (SPD) Austarierung des Einflusses zwischen Industrie- und Schwellenländern bei der Weltbank Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Burkhard Lischka (SPD) Mündliche Fragen 7 und 8 Dr. Sascha Raabe (SPD) Wirkung von gebundener und ungebundener Budgethilfe des BMZ in den Entwicklungsländern; Konkrete Abstimmung innerhalb der EU über die Budgetfinanzierungen Deutschlands, der EU-Partner sowie des Europäischen Entwicklungsfonds Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Dr. Sascha Raabe (SPD) Mündliche Frage 9 Dr. Bärbel Kofler (SPD) Kooperation mit Partnerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Dr. Bärbel Kofler (SPD) Dr. Sascha Raabe (SPD) Mündliche Frage 10 Dr. Bärbel Kofler (SPD) Förderung bilateraler und multilateraler Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien und Verhalten des BMZ zu Anfragen von Partnerländern zur Förderung von Vorhaben im Bereich der Atomenergie Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Dr. Bärbel Kofler (SPD) Mündliche Frage 15 Heike Hänsel (DIE LINKE) Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit Kolumbien erst nach Aufklärung der Enthüllungen über das Vorgehen des kolumbianischen Geheimdienstes DAS gegen Menschenrechtsorganisationen und EU-Abgeordnete Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Heike Hänsel (DIE LINKE) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Mündliche Frage 20 Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ziviler Aufbau in den Provinzen Badakhshan, Kunduz und Baghlan vor Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 21 Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kriterien für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 11 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schutz des Weltkulturerbestatus Speyerer Dom Antwort Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Anlage 3 Mündliche Fragen 12 und 13 Angelika Krüger-Leißner (SPD) Konzept zur Digitalisierung der Kinos Antwort Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Anlage 4 Mündliche Frage 14 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Teilnahme von Vertretern der Bundesregierung an Gedenkveranstaltungen an sowjetischen Gedenkstätten und Kriegsgräbern anlässlich des 65. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 5 Mündliche Frage 16 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Voraussetzungen für den schrittweisen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 6 Mündliche Frage 17 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Priorität sicherheitspolitischer Kriterien für die Einleitung eines schrittweisen Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan gegenüber der Erfüllung von Kriterien im Bereich des zivilen Aufbaus Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 7 Mündliche Frage 18 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kriterien für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 8 Mündliche Frage 19 Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bereitschaft lokaler aufständischer Gruppen in Afghanistan zu Gesprächen für eine politische Lösung des Konflikts Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 9 Mündliche Frage 22 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Orientierung der Kriterien für den schrittweisen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan am Abzugsplan der US-Streitkräfte Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 10 Mündliche Frage 23 Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einberufung einer Sudan-Konferenz im Rahmen der UNO vor dem geplanten Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 11 Mündliche Frage 24 Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutscher Beitrag zur Lösung noch strittiger Fragen vor dem Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 12 Mündliche Frage 25 Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung Taiwans als Beobachter an den Aktivitäten der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 13 Mündliche Frage 26 Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einbindung Taiwans in die Mechanismen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 14 Mündliche Frage 27 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Einspruch des zypriotischen Parlaments gegen die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit dem türkisch besetzten Teil Zypern durch die EU Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 15 Mündliche Frage 28 Martin Dörmann (SPD) Bekämpfung kinderpornografischer Inhalte im Internet sowohl durch Löschen als auch Sperren entsprechender Seiten Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 16 Mündliche Frage 29 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verhinderung der Abschiebung von Roma in den Kosovo Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 17 Mündliche Frage 30 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verhalten von Regierungsmitgliedern in der Diskussion um das Verbot von Waffen in privater Hand Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 18 Mündliche Frage 31 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Beanstandungen bei Kontrollen der Lagerung von Waffen in privaten Haushalten seit der letzten Änderung des Waffengesetzes Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 19 Mündliche Frage 32 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Konsequenzen aus dem Widerruf des sogenannten Schweine-Patents für die Neuverhandlung des EU-Patentrechts Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 20 Mündliche Frage 33 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Bewertung des Anbringens von Kruzifixen in staatlichen Schulen als Verstoß gegen die Religionsfreiheit Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 21 Mündliche Frage 34 Martin Dörmann (SPD) Vorschläge der EU-Kommission zur Bekämpfung kinderpornografischer Inhalte im Internet Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 22 Mündliche Fragen 35 und 36 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Befürwortung einer europaweiten Einführung von Internetsperren zur Bekämpfung der Kinderpornografie, insbesondere im Rahmen eines entsprechenden EU-Richtlinienentwurfs Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 23 Mündliche Frage 37 Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung von Internetsperren für die Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 24 Mündliche Fragen 38 und 39 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Übergabe des Truppenübungsplatzes Wittstock an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sowie Verfügbarkeit für die zivile Nutzung Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 25 Mündliche Frage 40 Fritz Rudolf Körper (SPD) Vorschläge zur Aufspaltung der Kirchensteuer in ein Beitrags- und ein Spendenelement zur Einschränkung des Steuerabzugs Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 26 Mündliche Frage 41 Kirsten Lühmann (SPD) Steuerrückzahlungen infolge der Zustimmung der EU zu den Regelungen der Besteuerung von Rapsöl im Wachstumsbeschleunigungsgesetz Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 27 Mündliche Frage 42 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufhebung der Haushaltssperre für das Marktanreizprogramm bzw. Alternativen zur weiteren Förderung des erneuerbaren Wärmemarktes Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 28 Mündliche Fragen 43 und 44 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung der Banken an der Finanzierung der Hilfen für Griechenland durch die Einführung einer Finanzumsatzsteuer Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 29 Mündliche Frage 45 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berücksichtigung von anderen Faktoren als wirtschaftliche Fundamentaldaten bei der Herabstufung von Portugal und Spanien durch Ratingagenturen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 30 Mündliche Frage 46 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Differenz zwischen dem Anteil Deutschlands an der Wertschöpfung der Euro-Zone und dem anteiligen Abschreibungsbedarf der Banken Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 31 Mündliche Frage 47 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Verhandlungen mit deutschen Banken über einen Beitrag zum Rettungspaket für Griechenland Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 32 Mündliche Frage 48 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Schlussfolgerungen aus der Griechenlandkrise für die Regulierung der Finanzmärkte und deren Umsetzung Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 33 Mündliche Frage 49 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Maßnahmen der Bundesregierung zum Unterbinden von Spekulationsgeschäften deutscher Banken zulasten von Griechenland, Portugal, Spanien und Italien Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 34 Mündliche Fragen 50 und 51 Siegmund Ehrmann (SPD) Berücksichtigung der Interessen der Kultur, der Kulturschaffenden und der Kultureinrichtungen in der Zusammensetzung der Gemeindefinanzkommission und ihren inhaltlichen Beratungen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 35 Mündliche Frage 52 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Veröffentlichung von vier Nichtanwendungserlassen durch das BMF Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 36 Mündliche Frage 53 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Steuermehreinnahmen durch Anwendung des Progressionsvorbehalts bei Kurzarbeitergeld 2009 und 2010 infolge der Verlängerung der Bezugsfrist Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 37 Mündliche Frage 54 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Übernahme sämtlicher Unternehmen auf die Liste der akkreditierten Stellen bei der Deutschen Akkreditierungsstelle ohne vorherige Überprüfung Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 38 Mündliche Fragen 55 und 56 Dr. Eva Högl (SPD) Nationale Ziele im Rahmen der neuen Strategie für Wachstum und Beschäftigung; Einbeziehung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft sowie Unterrichtung des Deutschen Bundestages Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 39 Mündliche Fragen 57 und 58 Andrea Nahles (SPD) Ausbau des barrierefreien Tourismus und Gewinnung kleiner und mittlerer Unternehmen für den Seniorentourismus Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 40 Mündliche Frage 59 Heinz Paula (SPD) Konzeptionelle Gespräche mit den Ländern und der Tourismuswirtschaft über die zu erwartenden Touristenströme in der Sommerferienzeit Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 41 Mündliche Fragen 60 und 61 Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Derzeit finanzierte sowie geplante Projekte zur Förderung der Leistungssteigerung im Tourismusgewerbe und Ergebnisse der Ressortabstimmung Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 42 Mündliche Frage 62 Garrelt Duin (SPD) Anzahl und Ergebnisse der seit März 2010 vom Kreditmediator Hans-Joachim Metternich begleiteten Verfahren Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 43 Mündliche Frage 63 Garrelt Duin (SPD) Berechnungen des Sachverständigenrates und der Bundesregierung über den Beitrag des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes zur Wirtschaftsleistung Deutschlands Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 44 Mündliche Frage 64 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Inhalt des Zwischenberichts zu den Energieszenarien Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 45 Mündliche Fragen 65 und 66 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Forderungen deutscher Rüstungsunternehmen gegenüber Griechenland und Absicherung früherer Exportlieferungen durch Kredite und staatliche Bürgschaften sowie Einfluss der Bundesregierung auf die Entscheidung zu neuen U-Boot-Lieferungen Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 46 Mündliche Frage 67 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Szenarien des Energiekonzepts Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 47 Mündliche Frage 68 Hilde Mattheis (SPD) Fehlende Weitergabe von Steuer- und Sozialversicherungsbeitragssenkungen an Beschäftigte in Altersteilzeit durch den Verzicht auf eine neue Mindestnettobetragstabelle Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 48 Mündliche Frage 69 Hilde Mattheis (SPD) Verbleib des Differenzbetrags zwischen der früheren und der ab 1. Januar 2010 geltenden Lohnsteuer beim Arbeitgeber durch die fehlende Anpassung der Mindestnettobetragstabelle an die neue Rechtslage Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 49 Mündliche Fragen 70 und 71 Jutta Krellmann (DIE LINKE) Sicherstellung der Zusätzlichkeit der Tätigkeiten sowie der Finanzierung in den Plänen zur Bürgerarbeit Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 50 Mündliche Fragen 72 und 73 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Ausgestaltung der geplanten Bürgerarbeit hinsichtlich des Bruttoeinkommens eines Singles ohne Kind, der Anzahl der einzurichtenden Stellen sowie der Finanzierung Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 51 Mündliche Fragen 74 und 75 Werner Dreibus (DIE LINKE) Finanzierung von Bürgerarbeit Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 52 Mündliche Fragen 76 und 77 Günter Gloser (SPD) Schutz des Roten Thunfisches, des Dorn- und Heringshais sowie der Roten Koralle im Rahmen der neuen europäischen Fischereipolitik und der Union für das Mittelmeer Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 53 Mündliche Frage 78 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Hinweise auf thermobarische Sprengköpfe in den Händen von Taliban-Gruppierungen Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 54 Mündliche Frage 79 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Gewährleistung der Kriegsgräberfürsorge gemäß dem Abkommen zwischen Deutschland und der Russischen Föderation vom Dezember 1992 Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 55 Mündliche Frage 80 Caren Marks (SPD) Geplante Veranstaltungen im Jahr 2010 zum Erfahrungsaustausch über familienpolitische Maßnahmen zwischen der Bundesregierung und anderen EU-Staaten Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 56 Mündliche Frage 81 Caren Marks (SPD) Konkretisierung der geplanten Einsparungen im Einzelplan 17 Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 57 Mündliche Frage 82 Dr. Marlies Volkmer (SPD) Ziele der Studie zur Sicherheit der Aufbereitung von Einmalprodukten Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 58 Mündliche Fragen 83 und 84 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Gesetzliche Neuregelungen infolge der Festlegungen der Gesellschafterversammlung der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH zur Zukunft der elektronischen Gesundheitskarte; Einsparpotenzial bei Umsetzung der Festlegungen Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 59 Mündliche Fragen 85 und 86 Steffen-Claudio Lemme (SPD) Personenkreis ohne gesundheitlichen Versicherungsschutz sowie gesetzlich Versicherte mit ruhendem Versicherungsverhältnis aufgrund säumiger Beiträge Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 60 Mündliche Frage 87 Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) Geplante Ausnahmeregelungen für die Kopfpauschale bei Rentnerinnen und Rentnern Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 61 Mündliche Frage 88 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Regelmäßige Genehmigung von Massentierhaltungsanlagen als privilegierte Anlage im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 des Baugesetzbuchs Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 62 Mündliche Frage 89 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schutz des Weltkulturerbestatus Speyerer Dom beim Ausbau des Flughafens Speyer Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 63 Mündliche Fragen 90 und 91 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ursachen für die Baumängel an der Bundesstraße 6n in Sachsen-Anhalt und damit verbundene Kosten für den Bund; Presseartikel zu Hinweisen auf Betrugsverdacht und mangelnder Überprüfung durch Landesbehörden Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 64 Mündliche Frage 92 Hans-Joachim Hacker (SPD) Zulassung des kontrollierten Sichtflugs auf Antrag der Airlines ohne ausreichende Messwerte am 19. April 2010 Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 65 Mündliche Frage 93 Hans-Joachim Hacker (SPD) Schaffung stabiler Informationsstrukturen für Flugpassagiere als Folge der Sperrung des Luftraums aufgrund der Vulkanasche Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 66 Mündliche Frage 94 Kirsten Lühmann (SPD) Bei Testflügen entstandene Schäden an einem Nato-Kampfjet in der Zeit der Sperrung des Luftraums infolge der Vulkanasche Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 67 Mündliche Frage 95 Michael Groß (SPD) Krisenpläne für den Flugverkehr im Fall weiterer Vulkanausbrüche mit Aschewolkenbildung Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 68 Mündliche Frage 96 Michael Groß (SPD) Den Bundesminister Dr. Peter Ramsauer beratende Institutionen in der Zeit der Luftraumsperrung infolge der Vulkanasche sowie durchgeführte Messungen vor dem Flug der "Falcon 20E" Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 69 Mündliche Frage 97 Ulrike Gottschalck (SPD) Einrichtung einer Task Force durch den Bundesminister Rainer Brüderle zum Umgang mit der Einstellung des Luftverkehrs aufgrund der Vulkanasche und Einbeziehung des Bundesministers Dr. Peter Ramsauer Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 70 Mündliche Frage 98 Ulrike Gottschalck (SPD) Staatliche Unterstützung bzw. Entschädigung der Luftverkehrsbranche infolge des gesperrten Luftraums aufgrund der Vulkanasche vor dem Hintergrund unterschiedlicher Äußerungen der Bundesminister Rainer Brüderle und Dr. Peter Ramsauer Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 71 Mündliche Frage 99 Sören Bartol (SPD) Information der Flughäfen über die stundenweise Öffnung des Luftraums am Abend des 18. April 2010 sowie Gründe für die geringe Nutzung durch die Airlines Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 72 Mündliche Frage 100 Sören Bartol (SPD) Initiator und rechtliche Grundlage für die vorzeitige Öffnung des aufgrund der Vulkanasche gesperrten Luftraums Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 73 Mündliche Fragen 101 und 102 Ute Kumpf (SPD) Kriterien für die Einstufung des Luftraums als sicher während der Sperrung infolge der Vulkanasche sowie Gründe für die genehmigten Flüge im kontrollierten Sichtflug Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 74 Mündliche Fragen 103 und 104 Florian Pronold (SPD) Fehlende Einrichtung eines zentralen Krisenstabs beim BMVBS während der Sperrung des Luftraums aufgrund der Vulkanasche sowie Einbindung der Bundesländer in das Krisenmanagement Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 75 Mündliche Fragen 105 und 106 Uwe Beckmeyer (SPD) Zeitpunkt der Information von Bundesminister Dr. Peter Ramsauer und der Bundeskanzlerin über die drohende Sperrung des Luftraums aufgrund der Vulkanasche; durch die Bundesregierung entsprechend eingesetzte Krisenstäbe Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 76 Mündliche Frage 107 Martin Burkert (SPD) Beteiligung von Bundesminister Ramsauer an der Telefon- und Videokonferenz der europäischen Verkehrsminister am 19. April 2010 zu den Auswirkungen der Vulkanasche auf die Flugsicherheit über Europa Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 77 Mündliche Frage 108 Martin Burkert (SPD) Mögliche Beantragung von Sondergenehmigungen für Flüge im kontrollierten Sichtflugverfahren vor dem 19. April 2010 Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 78 Mündliche Frage 109 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung der angekündigten Anhebung des CO2-Reduktionsziels in der EU auf 30 Prozent Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 79 Mündliche Frage 110 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einfluss des Petersburger Dialogs auf die anstehenden Klimaverhandlungen und Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 80 Mündliche Frage 111 Heike Hänsel (DIE LINKE) Fehlen von Vertretern der Bundesregierung beim alternativen Klimagipfel der Völker im bolivianischen Cochabamba Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 81 Mündliche Frage 112 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Menge des zusätzlichen radioaktiven Inventars bei Laufzeitverlängerung sämtlicher in Betrieb befindlicher Atomkraftwerke um 10, 20 bzw. 28 Jahre Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 82 Mündliche Frage 113 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Neuverpackung des in Ahaus zwischengelagerten Atommülls für den Weitertransport ins Endlager Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 83 Mündliche Frage 114 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berechnung der Kosten der Atomkraft für die Energieszenarien der Bundesregierung Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 84 Mündliche Frage 115 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erhöhung des EU-Ziels zur Emissionsreduzierung bis 2020 von 20 auf 30 Prozent und Unterstützung durch die Bundesregierung Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 85 Mündliche Frage 116 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Verstärkung der Forschung zu Diagnostik und Therapie von seltenen oder Waisenkrankheiten Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 86 Mündliche Frage 117 Heinz Paula (SPD) Initiativen zur Entzerrung der Sommerferienzeiten Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 87 Mündliche Frage 118 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pläne für die Organisation des nationalen Stipendienprogramms ausschließlich durch die Hochschulen Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 88 Mündliche Frage 119 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verlust des Stipendiums bei Studienortwechsel im Inland laut Entwurf des Stipendienprogramm-Gesetzes sowie Möglichkeiten einer Mitnahme des Stipendiums ins Ausland Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 89 Mündliche Frage 120 Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Soll-Kriterien bei der Vergabe von Stipendien laut Entwurf des Stipendienprogramm-Gesetzes und Stellenwert einzelner Auswahlkriterien Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 90 Mündliche Frage 121 Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berechnung der den Hochschulen beim nationalen Stipendienprogramm entstehenden Kosten sowie erwartete Steuermindereinnahmen gemäß Entwurf des Stipendienprogramm-Gesetzes Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 91 Mündliche Frage 122 Nicole Gohlke (DIE LINKE) Finanzierung des nationalen Stipendienprogramms Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF 39. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 Beginn: 8.30 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Der Kollege Peter Hintze hat ebenso wie der Kollege Manfred Nink vor wenigen Tagen seinen 60. Geburtstag begangen. Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich dazu auch auf diesem Wege herzlich und wünsche alles Gute. (Beifall) Die Kollegin Astrid Grotelüschen hat am 27. April 2010 auf ihre Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als Nachfolgerin begrüße ich herzlich die Kollegin Ewa Klamt. (Beifall) Herzlich willkommen! Auf eine gute Zusammenarbeit! Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um eine Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zu erweitern, die jetzt gleich zusammen mit der ersten Lesung des Entwurfs des Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetzes aufgerufen werden soll. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe also den Zusatzpunkt 1 sowie den Tagesordnungspunkt 1 auf: ZP 1 Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zu den Maßnahmen zum Erhalt der Stabilität der Währungsunion und zu dem bevorstehenden Sondergipfel der Euro-Länder am 7. Mai 2010 in Brüssel 1 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität in der Währungsunion erforderlichen Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik (Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz - WFStG) - Drucksache 17/1544 - Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung eineinhalb Stunden vorgesehen. - Auch hierzu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat am Montag vor dem Hintergrund der durch Griechenland ausgelösten Krise ein Gesetz zur Stabilisierung der Währungsunion in Europa beschlossen. Die Grundlage für dieses Gesetz ist eine Ultima Ratio, also eine Notsituation. Die Notsituation besteht darin, dass Griechenland faktisch keinen Zugang zu den Finanzmärkten mehr hat. Daraus wären Auswirkungen auf die Stabilität des Euro insgesamt entstanden. Das Vorliegen dieser Notsituation wurde durch die Europäische Zentralbank, die Europäische Kommission und den Internationalen Währungsfonds festgestellt. Dieser Notsituation soll mit einem Programm von IWF, EU-Kommission und EZB begegnet werden. Das Programm hat eine Laufzeit von drei Jahren, wie alle Programme des Internationalen Währungsfonds. Es hat einen Umfang von insgesamt 110 Milliarden Euro. Der Internationale Währungsfonds wird davon 30 Mil-liarden Euro übernehmen. Die Euro-Zone übernimmt 80 Milliarden Euro; der deutsche Anteil daran beträgt 28 Prozent, das bedeutet rund 22,4 Milliarden Euro in drei Jahren. Davon werden im ersten Jahr 8,4 Milliarden Euro anfallen, in den Jahren 2011 und 2012 zusammen insgesamt 14 Milliarden Euro. Das Programm ist so gestaltet, dass Kredite gegeben werden. In Deutschland geschieht das durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Für diese Kredite bürgt der Bund und damit in letzter Konsequenz der Steuerzahler, also wir alle. Das sind die nackten Zahlen, Daten, Fakten des Ihnen heute in erster Lesung vorliegenden Gesetzentwurfes. Diese nackten Zahlen, Daten, Fakten vermögen nicht einmal im Ansatz deutlich zu machen, wozu wir heute hier zusammengekommen sind. Wir sind heute hier zusammengekommen, weil wir in erster Lesung über ein Gesetz entscheiden müssen, das eine enorme Tragweite hat. Es ist - das kann nicht klar genug formuliert werden - von enormer Tragweite für Deutschland und für Europa. Die Überschrift dessen, was wir beraten - "Maßnahmen zum Erhalt der Stabilität der Währungsunion" -, bringt diese Tragweite unzureichend zum Ausdruck. Worum es tatsächlich geht, wenn wir in diesem Hause über Maßnahmen zum Erhalt der Stabilität der Währungsunion beraten, müssen wir unmissverständlich beim Namen nennen: Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft Europas und damit um die Zukunft Deutschlands in Europa. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das erlegt uns allen, die wir im Deutschen Bundestag unser Volk vertreten, sei es in der Regierung, sei es in der Opposition, eine außerordentlich große Verantwortung auf. Selten gibt es solche Situationen. Selten gibt es Situationen, in denen, erstens, ohne historisches Vorbild, zweitens, mit unmittelbarer Wirkung für den Augenblick und, drittens, mit weitreichender Wirkung für die Zukunft unseres Landes und Europas entschieden werden muss. Heute ist ein solcher Tag. Niemand kann uns, den gewählten Vertreterinnen und Vertretern unseres Volkes, diese Verantwortung abnehmen. Noch klarer wird die uns auferlegte Verantwortung, wenn wir uns vor Augen führen: Europa schaut heute auf Deutschland. Ohne uns, gegen uns kann und wird es keine Entscheidung geben. Ohne uns, gegen uns kann und wird es keine Entscheidung geben, die ökonomisch tragfähig ist und den rechtlichen Anforderungen sowohl mit Blick auf europäisches Recht als auch mit Blick auf nationales Recht in vollem Umfang Genüge tut. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Madame No!) In einem Wort: Mit uns, mit Deutschland, kann und wird es eine Entscheidung geben, die der politisch-historischen Dimension der Situation insgesamt Rechnung trägt. (Thomas Oppermann [SPD]: Das hörte sich vor zwei Wochen noch anders an! - Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Sie müssen besser zuhören!) Ich bin fest überzeugt, dass Deutschland dieser Verantwortung gerecht wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir heute, einen Satz zu wiederholen, den ich in meiner Regierungserklärung am 25. März dieses Jahres, also in meiner Regierungserklärung vor dem letzten EU-Rat der Staats- und Regierungschefs, gesagt habe: Ein guter Europäer ist nicht unbedingt der, der schnell hilft. Ein guter Europäer ist der, der die europäischen Verträge und das jeweilige nationale Recht achtet und so hilft, dass die Stabilität der Eurozone keinen Schaden nimmt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Warnungen, Skepsis und Zweifel, ob es richtig war, Griechenland den Zugang zur Euro-Zone zu gewähren, hat es im Jahr der Entscheidung, also im Jahr 2000, zuhauf gegeben. Es wurde auf die schlechte Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands hingewiesen, auf eine Überforderung des Landes insgesamt, unter dem Dach der einheitlichen Währung die notwendigen Anpassungen zu vollziehen. Dennoch muss im Jahr 2000 bereits frühzeitig eine vor allem politische Vorentscheidung zugunsten des Beitritts Griechenlands zur Euro-Zone gefallen sein. Damit kein Missverständnis entsteht: Ich erwähne dies nicht, um in irgendeiner Form in eine Diskussion über Schuldzuweisungen und Verantwortung einzutreten. (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Joachim Poß [SPD]: Wer denkt denn daran?) Ich erwähne dies nicht, um in eine Diskussion einzutreten, die sich hinsichtlich der damaligen Entscheidung etwa an die Adresse der damaligen rot-grünen Regierung richten könnte. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Joachim Poß [SPD]: Nein, überhaupt nicht! - Thomas Oppermann [SPD]: Sie müssen in großer Not sein, wenn Sie so was anführen!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich führe eine solche Diskussion nicht, weil sie, erstens, rückwärts gewandt wäre. Zweitens wäre sie völlig unergiebig; denn sie würde uns in keiner Weise von den Fakten befreien, mit denen die heutige Regierung und die heutigen Abgeordneten des Deutschen Bundestages umzugehen haben. Ich erwähne diese Warnungen, diese Skepsis und die Zweifel aus einem anderen Grund. Ich erwähne sie, weil das hilft, dass wir uns über den Ernst der Lage keinerlei Illusionen mehr machen, dass wir uns dem Ernst der Lage stellen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Das wissen wir schon länger, Frau Bundeskanzlerin! - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Unglaublich!) Dies kann in einem Satz zusammengefasst werden: Europa steht am Scheideweg. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor sechs Wochen auch schon! Das ist unglaublich!) Mit Europa stehen alle 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die 16 Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe am Scheideweg. Europa muss entscheiden, ob es den Weg der Vergangenheit fortsetzen will. Dieser Weg bestand zu oft darin, dass Probleme selten direkt beim Namen genannt wurden, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür, Probleme beim Namen zu nennen, sind Sie ja bekannt!) dass sie in der Folge nicht konsequent genug angegangen wurden, dass zu oft gehofft wurde, es werde sich schon alles regeln und irgendwie gut gehen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!) Gut gemeint war nicht immer gut gemacht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Europa muss sich entscheiden, ob es diesen Weg fortsetzen will, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen sich entscheiden!) dazu noch unter den Bedingungen der Globalisierung des 21. Jahrhunderts, oder ob es erkennt, dass auch für die Union der 27 Mitgliedstaaten ein Zeitpunkt gekommen ist, an dem sie ihre Kräfte vielleicht überschätzen könnte, an dem sie von ihrer Substanz und über ihre Verhältnisse lebt, an dem sie von Fehlentscheidungen der Vergangenheit eingeholt wird, (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Fehlentscheidungen!) die sich nicht mehr verdecken lassen, sondern im Gegenteil nur noch behoben werden können durch ein konsequentes Aufdecken, durch eine schonungslose Analyse der Lage und eine daraus folgende Therapie. (Joachim Poß [SPD]: Jetzt bin ich mal gespannt!) Ich bin der Überzeugung: Dieser Zeitpunkt ist spätestens jetzt gekommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der war schon vor sechs Wochen da! - Joachim Poß [SPD]: Das wollten wir vor drei Wochen hören!) Die Bundesregierung hat sich deshalb für den zweiten Weg entschieden. Sie hat sich für den zweiten Weg entschlossen, weil sie überzeugt ist: Ein guter Europäer ist nicht unbedingt der, der schnell hilft und damit vielleicht nur den Anschein erweckt, als ob er das Problem lösen würde. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Geschichtsklitterung!) Ein guter Europäer ist vielmehr der, der die europäischen Verträge und das jeweilige nationale Recht achtet und so dazu beiträgt, dass die Stabilität der Euro-Zone und der ganzen Europäischen Union keinen Schaden nimmt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Jetzt kommt die Merkel-Legende: Ich war die Beste! Ich habe alles richtig gemacht!) So, aber auch nur so kann es uns gelingen, den Kreislauf sich immer schneller und immer höher auftürmender Probleme zu durchbrechen. So beenden wir das Leben von der Substanz und über die Verhältnisse. So dienen wir dem Wohl Europas und Deutschlands. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Auf dieser Grundlage hat die Bundesregierung in den Verhandlungen mit Europa auf allen politischen Ebenen von Beginn an wieder und wieder deutlich gemacht, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: "Wir warten ab", das ist das, was Sie deutlich gemacht haben!) dass wir Hilfen an Griechenland nur in strikter Übereinstimmung mit dem europäischen Recht und dem deutschen Verfassungsrecht, das heißt, nur unter folgenden vier Voraussetzungen leisten werden und leisten können: Erste Voraussetzung. Der Schlüssel zur Lösung der Krise liegt in Griechenland. Wir haben darauf bestanden, dass Griechenland sich zu einer umfassenden Eigenanstrengung verpflichtet. Eine Konsolidierung ohne maximale Selbsthilfe Griechenlands hätte im Widerspruch zu den bei uns durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und die europäischen Verträge abgesicherten Prinzipien der Stabilitätsgemeinschaft gestanden. So etwas war mit mir nicht zu machen. Das hat die Bundesregierung, ganz gleich, wie stark der Druck in Europa und Deutschland auch immer war, von Beginn an strikt abgelehnt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Seit Sonntag liegen der Bundesregierung die Einzelheiten der geplanten Vereinbarung zwischen dem Internationalen Währungsfonds, den 15 Mitgliedstaaten und Griechenland vor. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Pech gehabt, was?) Aus dieser Vereinbarung wird deutlich: Griechenland verpflichtet sich zu einer umfassenden, zu einer maximalen Eigenanstrengung. Das Land muss alles tun und tut alles, um seine exorbitante Staatsverschuldung abzubauen. Die Vereinbarung sieht einschneidende Maßnahmen vor. Das Programm ist ehrgeizig. Es soll die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands erhöhen, damit das Land seine Verschuldung aus eigener Kraft abbauen kann. Nur so lässt sich das Vertrauen der Kapitalmärkte wiedergewinnen. Dieses Programm erfüllt deshalb unsere erste Voraussetzung. (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD) Ich füge hinzu: Ich traue meinem griechischen Amtskollegen, Ministerpräsidenten Papandreou, zu, dieses Programm, auch wenn es eine wahrhaft gewaltige Aufgabe ist, mit Unterstützung der europäischen Partner und des IWF umzusetzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Peter Altmaier [CDU/CSU], an die SPD gewandt: Können Sie vielleicht auch mal klatschen? Das ist doch richtig!) Zweite Voraussetzung. Der Internationale Währungsfonds muss eingebunden werden. Wir haben darauf bestanden, auch wenn wir mit dieser Haltung in der Europäischen Union zu Beginn in der Minderheit waren. Es ist der Internationale Währungsfonds, der mit seinen Erfahrungen einen wertvollen - ich sage: unverzichtbaren - Beitrag zu einer erfolgreichen Umsetzung des griechischen Sanierungsprogramms leistet. Ohne Deutschland wäre es zu einer Einbeziehung des IWF nicht gekommen. Zur Wahrheit des heutigen Tages gehört ein Weiteres: Auch das Programm Griechenlands mit den notwendigen Eigenanstrengungen hätten wir niemals erreicht, wenn Deutschland zu einem frühen Zeitpunkt, wie von fast allen gefordert, finanziellen Hilfen ohne ausreichende Entscheidungsgrundlage zugestimmt hätte. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vielmehr hätten wir das Gegenteil bewirkt. Eine frühe Hilfe ohne ausreichende Entscheidungsgrundlage hätte nur die Erwartungen gesteigert, dass hochverschuldete Mitglieder der Euro-Zone ohne eigene Konsolidierungsanstrengungen schnell mit großzügigen Hilfen rechnen könnten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch bei der SPD - Joachim Poß [SPD]: Ach was! Die Hilfen hatten wir doch teilweise schon beschlossen! - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Boulevardzeitungsniveau!) Das hätte zu ähnlichen Destabilisierungen geführt wie eine grundsätzliche Verweigerung der Hilfen an Griechenland. Dem hat die Einbindung des IWF mit seiner langjährigen Erfahrung bei der Sanierung von hochverschuldeten Staaten, bei der Erarbeitung eines Sanierungsprogramms und bei der konsequenten Überwachung der Umsetzung des Programms entgegengewirkt. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Warum waren wir denn dann dagegen?) So, aber auch nur so schaffen wir es, in Europa zu den gewohnten Pfaden zu kommen und nicht so schnell zu glauben, ein Problem sei bereits gelöst, wenn es schnell gelöst wird, obwohl es in Wahrheit immer größer wird (Joachim Poß [SPD]: Und sehr teuer! Es wird von Tag zu Tag teurer!) und nachfolgende Generationen, wie heute uns, eines Tages einholt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Sie haben die Spekulation mit angeheizt! - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sagen Sie das mal Herrn Schäuble!) Mit der am 26. März auf dem Rat der EU-Staats- und Regierungschefs beschlossenen Einbeziehung des IWF wurde also auch die zweite Voraussetzung erfüllt. Ich füge hinzu: Sie hat sich, wie wir sehen, schon jetzt bewährt. Dritte Voraussetzung. Griechenland ist nicht mehr in der Lage, sich selbst auf den internationalen Kapitalmärkten zu refinanzieren. Dies ist nicht allein ein Problem Griechenlands, sondern Ausgangspunkt unabsehbarer Folgen für den gesamten Euro-Raum. (Joachim Poß [SPD]: Auch der Spekulation, die Sie angefeuert haben!) Deshalb gilt als vierte Voraussetzung: Die zu beschließenden Hilfen für Griechenland sind alternativlos, um die Finanzstabilität des Euro-Gebietes zu sichern. Wir schützen also unsere Währung, wenn wir handeln. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Und die Spekulanten! - Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Und die Ziele der deutschen Banken! Wie immer! - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das merken Sie erst jetzt?) Dazu haben die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission unmissverständlich dargelegt: Die sofortigen Hilfen sind das letzte Mittel zur Gewährleistung der Finanzstabilität im Euro-Gebiet insgesamt. Sie müssen erfolgen, damit es nicht zu einer Kettenreaktion im europäischen und internationalen Finanzsystem und zu einer Ansteckung anderer Euro-Mitglieder kommt. Nachdem gerade das Gröbste der Finanzkrise des Jahres 2008 überwunden ist und sich das Euro-Gebiet auf dem Weg der Erholung befindet, würden systemgefährdende Störungen der Finanzmärkte diese Erholung zunichtemachen. Eine erneute Finanzkrise würde zu spürbaren Wohlstandsverlusten und zu höherer Arbeitslosigkeit auch in Deutschland führen. Im Übrigen wird klar: So richtig es ist, alles dafür zu tun, dass hemmungslosen Spekulationen an den Märkten Einhalt geboten wird (Zuruf von der LINKEN: Dann tut das doch!) und Ratingagenturen klaren Regeln unterworfen werden, so unabweisbar ist es, der ganzen Wahrheit ins Auge zu sehen. Ursache oder Auslöser für die Lage in Griechenland und die Folgen für den ganzen Euro-Raum waren nicht allein hemmungslose Spekulationen an den Märkten und das Verhalten der Ratingagenturen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch!) Der Tag der ganzen Wahrheit war vielmehr der 22. April dieses Jahres. An dem Tag meldete Eurostat beim griechischen Haushaltsdefizit eine nochmalige Korrektur nach oben an. Es wurde deutlich: Die von Griechenland zu zahlenden Zinsen stiegen in exorbitante Höhe. Eine Refinanzierung Griechenlands am Kapitalmarkt wurde praktisch unmöglich. Damit stand die griechische Zahlungsunfähigkeit unmittelbar bevor. Einen Tag später, am 23. April, hat Griechenland um Hilfe nachgesucht. Meine Damen und Herren, der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs hat am 25. März dieses Jahres Griechenland für eine solche Situation Hilfen unter genau den genannten vier Bedingungen in Aussicht gestellt. Alle vier müssen erfüllt sein; keine einzige dieser vier Voraussetzungen ist entbehrlich. Die Analysen des IWF, der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Union lassen keinen Zweifel zu: Alle vier Voraussetzungen sind jetzt erfüllt. Sie sind die Grundlage unserer Entscheidungen in dieser Woche, und sie markieren politisch wie rechtlich ihren Rahmen. Hinzu kommt die Klärung einer Beteiligung der Gläubiger. Die Bundesregierung will in dieser Woche eine Entscheidung, die auch die Verantwortung der Banken und anderer Gläubiger deutlich werden lässt. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn? Was denn? Wieso? Weshalb? Warum?) Der Bundesfinanzminister hat dazu Gespräche geführt. (Zurufe von der SPD: Oh!) Banken und Gläubiger dürfen sich ihrer Verantwortung nicht entziehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Klingelbeutel! - Joachim Poß [SPD]: Ablasshandel!) Deshalb begrüße ich, dass es hierzu ganz offensichtlich eine Bereitschaft bei Banken und Gläubigern gibt. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie kapitulieren!) Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die Finanzwirtschaft plant, bestehende Kreditlinien an Griechenland und griechische Banken bis 2012 aufrechtzuerhalten. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das Problem ist doch danach!) Ich füge aber hinzu: Wenn sich die Banken von einem solchen freiwilligen Beitrag erhoffen sollten, dass wir sie gleichsam als Gegenleistung bei einer Bankenabgabe oder anderen Maßnahmen entlasten, (Lachen bei Abgeordneten der SPD) dann haben sie sich gründlich getäuscht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) An dieser Stelle auch ein Wort zur internationalen Finanztransaktionsteuer. Der damalige Finanzminister und ich haben uns beim G-20-Gipfel in Pittsburgh dafür eingesetzt, dass eine solche internationale Finanztransaktionsteuer Realität wird. (Thomas Oppermann [SPD]: Wenn sich alle verständigen, sind Sie dafür!) Daraufhin hat es einen G-20-Beschluss gegeben, der den Internationalen Währungsfonds um Vorschläge gebeten hat, (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) in welcher Form man die Banken in die Verantwortung einbeziehen kann. (Zurufe von der LINKEN: Hey!) Inzwischen liegen die Empfehlungen des Internationalen Währungsfonds für die nächste Tagung der G 20 in Kanada vor. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Heiligendamm haben Sie auch schon darüber gesprochen!) Der Internationale Währungsfonds unterstützt, dass wir eine Bankenabgabe erheben, so wie es Deutschland vorsieht. (Zurufe von Abgeordneten der SPD: Oh!) Der Internationale Währungsfonds verwirft die Idee einer internationalen Finanztransaktionsteuer. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Falsch! - Weitere Zurufe) - Ich würde an Ihrer Stelle einfach einmal zuhören. Sie könnten ja vielleicht noch etwas lernen. Wirklich: Einfach einmal zuhören. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie am Kabinettstisch machen! Hier darf man zwischenrufen! Ein bisschen arrogant!) Der Internationale Währungsfonds weist darauf hin, dass eine internationale Finanztransaktionsteuer auch die Realwirtschaft trifft, und empfiehlt stattdessen eine Besteuerung der Gewinne und Gehälter der Banken. (Thomas Oppermann [SPD]: Der Sparkassen!) Ich finde, wir tun gut daran, den Empfehlungen des Internationalen Währungsfonds eine große Beachtung zu schenken. Ich bitte auch die Opposition, sich mit diesen Vorschlägen auseinanderzusetzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich sage auch in Richtung der Banken: Wenn jemand in unserer Gesellschaft eine Gegenleistung erbringen muss, dann ist das nicht der Staat gegenüber den Banken, sondern dann sind das die Banken gegenüber dem Staat und damit gegenüber den Menschen in Deutschland. Aus dieser Verantwortung werden wir sie nicht entlassen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warme Worte!) Deshalb werden wir uns mit Nachdruck für weitere Regulierungsmaßnahmen bei Derivaten, Hedgefonds und Leerverkäufen in Europa und weltweit einsetzen; denn das Primat der Politik gegenüber den Finanzmärkten muss - das ist mein Ziel, das ist das Ziel der Bundesregierung und sicherlich auch dieses Hohen Hauses - wiederhergestellt werden. Daran müssen wir arbeiten, und dabei werden wir nicht ruhen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von den Linken: Das ist doch lächerlich!) Ein Zweites muss klipp und klar sein: Mit den jetzt zu beschließenden Maßnahmen für Griechenland kann es nicht getan sein. Die Stabilität des Euro muss langfristig gesichert werden. Wiederholungen müssen vermieden werden. Die wirtschafts- und finanzpolitische Koordinierung und die gegenseitige Überwachung in Europa müssen verbessert werden. Das muss auch ein Element der neuen Wachstumsstrategie 2020 werden, die wir im Juni verabschieden. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie wir in wenigen Wochen diese Wachstumsstrategie verabschieden, ohne dass sie in konkreter Form in einem Zeitplan und ersten Maßnahmen deutlich macht, dass und wie Europa die Lehren aus dieser Krise zieht. Es wird ein Wille zu stärkerer wirtschafts- und finanzpolitischer Zusammenarbeit notwendig sein. Ich kann auch niemandem ersparen, dass dabei insbesondere die Aufmerksamkeit auf solche Mitgliedstaaten gelenkt wird, die über keine ausreichende Wettbewerbsfähigkeit verfügen. Dabei geht es nicht, um das gleich vorwegzusagen, um Schuldzuweisungen; es geht stattdessen einmal mehr um die Abwendung von Schaden für den gesamten Euro-Raum. Diese Abwehr von Schaden ist - das ist meine Überzeugung - nur durch einen Weg der Offenheit, der Klarheit und auch der Schonungslosigkeit zu erreichen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der SPD: Aber nicht der Verzögerung!) Wir haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Europäische Währungsunion langfristig auf ein stabiles Fundament gestellt wird. Dazu gehört eine schnellere und straffere Anwendung von Sanktionen gegen Euro-Mitgliedstaaten, die ihrer Verpflichtung zur Senkung des Defizits unter 3 Prozent nicht nachkommen. Dazu gehört eine Diskussion um verstärkte und vor allem wirksame Sanktionen bei Verstoß gegen den Stabilitätspakt. Ich sage es unmissverständlich: Teil dieser Sanktionen müssen auch Suspendierungen aus dem EU-Haushalt sein. Wer sich nicht an die Maastricht-Defizitgrenze hält, der verwirkt einen Teil seiner Strukturfonds- oder Agrarmittel. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) In letzter Konsequenz heißt das nichts anderes, als notorischen Defizitsündern zumindest vorübergehend das Stimmrecht zu entziehen. Für den äußersten Notfall muss auch ein Verfahren für eine geordnete Insolvenz eines Mitgliedstaates entwickelt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) In einem Satz zusammengefasst: Wenn zur dauerhaften Erhöhung der Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion Vertragsänderungen unumgänglich sind - das sind sie mit großer Wahrscheinlichkeit -, dann setzt sich die Bundesregierung, dann setze ich mich auch ganz persönlich dafür mit allem Nachdruck ein. Wie mühselig und langwierig ein solcher Prozess auch immer sein mag, das darf uns nicht daran hindern, das Richtige zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt: Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes schuldig, das sind wir unseren nachfolgenden Generationen schuldig. Ich sagte es: Europa steht am Scheideweg. Die Entwicklung in Griechenland hat uns drastisch vor Augen geführt, wohin eine unsolide Haushalts- und Finanzpolitik führen kann. Es beweist sich auch für unser eigenes nationales Vorgehen als wegweisend, dass wir im vergangenen Jahr eine Schuldenbremse in unsere Verfassung aufgenommen haben; sie gilt ab dem nächsten Jahr. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sagen Sie das einmal der FDP!) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der jetzt vorgeschlagene Lösungsweg einschließlich der vierteljährlichen Überprüfungen der Umsetzung des griechischen Programms bietet mehr Chancen als jede andere Alternative. Er bietet die bestmögliche Gewähr dafür, dass der deutsche Steuerzahler, der über den Bund für die Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau bürgt, von einer Inanspruchnahme verschont bleibt. 1997 hat die Bundesregierung von Helmut Kohl, Theo Waigel und Klaus Kinkel darauf bestanden, dass der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt eingeführt wird. Die Aufgabe meiner Regierung und aller Mitglieder dieses Hauses heute ist es, darauf zu bestehen, dass dieser Stabilitätspakt durchgesetzt wird, ihn zu verteidigen und ihn als Lehre aus dieser Krise weiterzuentwickeln. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir müssen ihn so ausgestalten, dass er nicht mehr unterlaufen werden kann, sondern strikt einzuhalten ist. So wie die Regierung Helmut Kohl 1997 größte Widerstände überwinden musste, so muss auch unsere politische Generation heute große Widerstände überwinden. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Kohl war wenigstens Europäer!) Deutschland, der stärksten Wirtschaftsnation Europas, kommt in dieser Lage eine besondere Verantwortung zu, und Deutschland nimmt diese Verantwortung wahr. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Nein!) Die glückliche Geschichte Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, die Entwicklung zu einem freien, einigen und starken Land ist von der parallel verlaufenen Geschichte der Europäischen Union nicht einmal in Gedanken zu trennen. Die europäische Einigung ihrerseits ist ohne die deutsche Beteiligung überhaupt nicht vorstellbar. Deutschland lebt in der Europäischen Union in einer Schicksalsgemeinschaft. Ihr verdanken wir Jahrzehnte des Friedens, des Wohlstands und des Einvernehmens mit unseren Nachbarn. Der Krieg, der - nicht zuletzt durch deutsche Schuld - immer wieder Europa verwüstet hat, verschont unseren Kontinent inzwischen so lange wie nie zuvor in der jüngeren Geschichte. Wir Bürgerinnen und Bürger Europas sind zu unserem Glück vereint. Für diese Überzeugung hat noch jede deutsche Bundesregierung - von Konrad Adenauer bis heute - gearbeitet. Wir arbeiten für ein starkes Europa, das seine Rolle in der Welt geeint und entschieden wahrnimmt, das seine Werte und Interessen selbstbewusst verteidigt. Das war, ist und bleibt Deutschlands und Europas Zukunft. Ich bitte Sie heute um Ihre Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Nein!) Mit ihm schützen wir die Bürger unseres Landes, (Joachim Poß [SPD]: Dafür haben wir keine Gewähr!) mit ihm treffen wir die notwendigen Entscheidungen für Deutschland, für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, und mit ihm leisten wir zusammen mit unseren Partnern in Europa unseren Beitrag für eine gute Zukunft Europas - denn es geht um die Zukunft Europas. Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Dr. Frank-Walter Steinmeier für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Entscheidung, die wir in dieser Woche im Deutschen Bundestag zu treffen haben, ist über die Jahre gesehen vielleicht die folgenreichste und deshalb schwerste Entscheidung, die wir zu treffen haben. Dies ist eine Entscheidung, die die Menschen - wir haben das auf den Straßen erleben können - ganz ohne Zweifel verunsichert und beunruhigt. Was wir hier erleben - das sage ich in Erinnerung an manche Wortbeiträge auch von Beteiligten hier aus diesem Hohen Hause -, ist aber keine Griechenland-Krise, sondern das ist ein bisschen mehr als das: Das ist die größte Belastungsprobe für die europäische Integration seit den Römischen Verträgen. Ich habe bei den Äußerungen in den letzten Tagen nicht immer den Eindruck gehabt, dass das jedem aus den Koalitionsfraktionen hier bewusst war. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Frau Bundeskanzlerin, deshalb verbitten wir uns jede selbstgerechte Belehrung in der Form, wie wir sie eben gehört haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es ist doch eine Frechheit, uns, der SPD-Fraktion, zu erklären, die Beiziehung des IWF sei notwendig gewesen. Wer von den Kolleginnen und Kollegen hat das in der Vergangenheit bestritten? (Joachim Poß [SPD]: Eben!) Sie und die Regierung haben geschwankt wie ein Rohr im Wind und erklären das nachträglich zur Strategie. Das ist doch so durchsichtig wie nur irgendetwas. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Um aber allen Missverständnissen, den gewollten wie den ungewollten, von vornherein den Boden zu entziehen, sage ich, meine Damen und Herren: Jawohl, das europäische Rettungspaket muss sein, die deutsche Beteiligung daran auch. - Wir haben den Weg dafür geöffnet, dass ohne kleinliche Streitereien über das Verfahren hier im Hohen Hause des Deutschen Bundestages in dieser Woche entschieden werden kann. Frau Merkel, wir werfen Ihnen nicht vor, dass Sie handeln. Im Gegenteil: Wir werfen Ihnen vor, dass Sie erst jetzt handeln. Das Unheil, dass Sie bis hierhin angerichtet haben, ist nämlich gewaltig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Hier vorne sitzt der Kollege Poß aus meiner Fraktion. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das habe ich auch schon gehört!) Er hat Ihrem Finanzminister am 11. Februar dieses Jahres geschrieben und ihn gefragt: Was ist los? Was gedenkt die Regierung in der Causa Griechenland zu tun? - Das hat er sich ja nicht selbst ausgedacht, (Joachim Poß [SPD]: Doch!) sondern er hat ein bisschen auf die Finanzmärkte geschaut (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Er war ratlos!) und gesehen: Da ist etwas beunruhigend in Bewegung geraten; da gibt es angriffslustige Hedgefonds, die Spekulationswellen gegen Griechenland losgetreten und den Wert des Euro ins Sinken gebracht haben. Im Februar war doch schon erkennbar, dass Griechenland ganz gefährlich ins Trudeln geriet. Wer das hören und sehen wollte, der konnte einigermaßen wissen, was da auf uns zukommen würde. Das war der Zeitpunkt, zu handeln, und da hätte eine gute Regierung mit einem Krisenmanagement begonnen, das Parlament hier informiert (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und Handlungsoptionen ausgeleuchtet. Das wäre ein vernünftiges Krisenmanagement gewesen. Nichts davon! Ich habe es nicht gesehen. Stattdessen Verschieben, Verschleiern, Schönreden. Erst hieß es: "Es wird schon nicht so schlimm kommen", dann wurde es eine Zeit lang zum griechischen Problem erklärt, dann begann - das habe ich doch in guter Erinnerung - diese merkwürdige Taktiererei rund um den 9. Mai dieses Jahres. Wir haben sehr wohl gespürt, dass viele bei Ihnen gehofft haben, dass der griechische Antrag erst am 14. Mai kommt und nicht bereits Ende des vergangenen Monats. Es kam dann doch anders. Die Krönung - ich kann nicht darauf verzichten, das hier zu erwähnen - war aber doch dieses Theater, bei dem ich bis heute nicht weiß, wer eigentlich die entscheidenden Rollen besetzt hatte: auf der einen Seite die Bundeskanzlerin auf einem Bismarck-Sockel auf Seite 2 der Bild-Zeitung mit dem Motto "Kein Euro für Griechenland" und auf der anderen Seite gleichzeitig das Signal des Finanzministers an die Europäer: Am Ende werden wir bei diesem Rettungspaket von Europa schon mitmachen. - Das ist unanständig. So geht man mit dem Parlament und der Öffentlichkeit nicht um. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU) Frau Merkel, die Regierungserklärung, die Sie gerade abgegeben haben, war keine Werbung für eine breite Zustimmung hier im Parlament. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich bin auch nicht mit dieser Erwartung hierhergekommen; das sage ich ganz ehrlich. Ich hätte aber Verständnis dafür gehabt, wenn Sie gesagt hätten: Für eine Entscheidung von einer solchen Tragweite brauchen wir eine stärkere Mehrheit als nur die Mehrheit der eigenen Koalitionsfraktionen. - Ich unterstelle Ihnen auch durchaus, dass Sie nicht nur deshalb ein Interesse daran haben, weil Sie sich Ihrer eigenen Mehrheit unsicher sind. Denn auch ich sage aus meinem Demokratieverständnis heraus: Es wäre gut, wenn bei Entscheidungen solcher Tragweite die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien nicht Lichtjahre und Galaxien voneinander entfernt wären. Deshalb habe ich öffentlich wie auch in Gesprächen mit Herrn Schäuble und Ihnen gesagt: Ich schließe nicht aus, dass wir am Freitag zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen. Aber ich habe ebenso deutlich und auch das von Anfang an gesagt: Eine Zustimmung zu einer nackten Kreditermächtigung wird es mit der SPD im Deutschen Bundestag nicht geben. (Beifall bei der SPD) Das ist keine Antwort auf die Bedrohung, erst recht keine angemessene. Ich will noch hinzufügen: Das Verhalten der letzten Woche - ich habe es kurz skizziert - hat uns eine mögliche Einigung am Freitag nicht gerade erleichtert. Wenn sich das ändern soll, Frau Merkel, dann müssen Sie Ihr Verhalten und das Verhalten der Regierung ändern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben wochenlang versucht, uns herauszuhalten. Es gab wochenlang nicht den Ansatz eines Versuchs, entweder - das wäre ja auch möglich gewesen - ein Paket mit einer eigenen Konzeption vorzulegen, wie man mit der Causa Griechenland und den Folgen umgehen will, oder uns, die Opposition, einzuladen und sich anzuhören, welche Gedanken, Ideen und Vorschläge wir haben, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Ich habe früher immer gesagt: Eine gute Regierung muss funktionieren wie Brandschutz. Sie muss Gefahren analysieren, vorausschauend handeln und vor allen Dingen entschlossen führen. Diese Regierung ist kein Brandschutz für Deutschland. Sie haben die Dinge treiben lassen und rufen jetzt, wo es lichterloh brennt, nach der Feuerwehr. Ein bisschen spät, würde ich sagen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn es nur das wäre, dann hätte ich darauf verzichtet, dies zu erwähnen. Entscheidender ist, finde ich: Sie beide, Kanzlerin und Vizekanzler, haben auf der Brücke gefehlt, als das Schiff in Seenot geraten ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie haben es einfach laufen lassen, als die Neunmalklugen bei Ihnen gerufen haben: "Mir gebbet nix!", oder: "Sollen die Griechen doch ein paar Inseln verkaufen". - Wo war da Führung? Wo war da Krisenmanagement, Frau Merkel? - Nichts davon. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das war kein Krisenmanagement, sondern es war immer auch - lassen Sie mich das so offen sagen - ein bisschen Schielen auf den Boulevard. (Zuruf von der SPD: Ein bisschen?) Das war das Doppelspiel, das uns in Europa enormes Vertrauen und Ansehen gekostet hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben in den letzten Tagen viel mit Europäern gesprochen. Das habe ich auch getan, und ich sage Ihnen: Keine Bundesregierung hat es geschafft, in so kurzer Zeit so viel Ansehen und Vertrauen zu verspielen wie Sie in diesen Tagen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Beim Verspielen von Vertrauen ist Schröder gar nicht zu erreichen! - Widerspruch der Abg. Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU] und Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]) Ich darf Ihnen jedenfalls versichern: Wir Sozialdemokraten wissen und stehen dazu: Ohne den Euro hätten Europa und Deutschland in der Weltwirtschaft keine Zukunft. Ohne den Euro hätte uns diese Finanz- und Wirtschaftskrise noch sehr viel härter getroffen als jetzt. Es glaube doch bitte niemand, auch nicht in diesem Hause, dass wir nur eines der Probleme, mit denen wir umzugehen haben, gelöst hätten, wenn die Menschen in Griechenland wieder in Drachmen, in Italien in Lira und in Spanien wieder in Peseten zahlten. Nicht ein einziges Problem wäre dadurch gelöst. Aber dies den Menschen zu erklären, Frau Merkel, ist Aufgabe einer Regierung. Das ist Ihre Aufgabe. Das hätten Sie den Menschen sagen müssen. Jetzt steckt die Karre für alle sichtbar im Dreck. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Auf Dauer gesehen - das ist meine feste Überzeugung; sie bleibt es auch bei den gegenwärtigen Schwierigkeiten - ist ein starkes Europa die richtige, mittel- und langfristig vielleicht sogar die einzige Antwort auf eine sich verändernde Weltwirtschaft. Das ist doch - so habe ich es immer verstanden - unser Gegenentwurf zu einer regellosen Welt. Deshalb müssen wir diesen Entwurf aufrechterhalten und Europa stärker machen, statt lästerlich darüber in dieser Weise zu reden, wie das in letzter Zeit geschehen ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Das meine ich politisch, ich meine es aber auch wirtschaftlich. Wir in Deutschland wären doch die Hauptleidtragenden - Sie wissen das alles doch -, wenn die Stabilität in der Euro-Zone dauerhaft in Gefahr geriete. Zwei Drittel unserer Exporte gehen in die Staaten der Europäischen Union. Die deutsche Wirtschaft spart jedes Jahr rund 10 Milliarden Euro, weil sie im Euro-Raum keine Kurssicherungsgeschäfte mehr machen muss. Die Kredite für Griechenland sind deshalb - lassen Sie es mich noch einmal sagen - eben nicht nur eine Frage europäischer Solidarität. Sie sind auch ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft. Das sieht die Sozialdemokratie nicht anders als der eine oder andere hier im Hohen Haus. (Beifall bei der SPD) All das, was ich Ihnen vorgetragen habe, ist wichtig. Aber das trifft noch nicht den Kern; darüber möchte ich jetzt noch reden. Es geht um Griechenland, es geht um die Währungsunion, es geht um Europa. Ja, das stimmt. Aber wir sind in der jetzigen Entscheidungssituation auch an einem Punkt, an dem es um noch mehr geht. Ich kann es nicht kleiner sagen: Es geht um das Vertrauen der Menschen in die Gestaltungskraft der Politik überhaupt. Es geht auch um das Fundament unserer Demokratie. (Beifall bei der SPD) Warum sage ich das? Sie spüren doch genauso wie wir, dass hinter dem ganzen Unbehagen, das uns begegnet, eine tiefe, große Sorge, an der wir nicht vorbeigehen können, steckt, eben die Sorge, dass die Politik die internationalen Finanzmärkte nie und nimmer unter Kontrolle bekommt, dass anonyme Hedgefonds - darüber habe ich bereits gesprochen - nicht nur mit Banken, sondern am Ende auch mit Staaten Monopoly spielen können, weil das Börsenkasino noch immer keine Regeln hat. Viele Menschen zweifeln daran - Sie hören und spüren das doch auch -, dass die Politik am Ende etwas gegen die Macht der Finanzwelt ausrichten kann. Der Kern des Problems ist doch die scheinbare Hilflosigkeit der Politik gegenüber den Finanzmärkten. Das untergräbt das Vertrauen der Menschen. Das ist die Grundsatzfrage der Demokratie, über die wir in einem solchen Zusammenhang auch reden müssen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deshalb sage ich: Wir müssen weiterdenken und mutiger handeln, als die Bundesregierung das gegenwärtig plant. Wir müssen an die Ursachen der Krise herangehen. Wir müssen die Lasten der Krise gerecht verteilen. Ich frage Sie: Wann, wenn nicht jetzt in einer solchen Krise nicht nur der Währungsunion, sondern ganz Europas, sollen wir handeln? Jetzt ist der Zeitpunkt, zu handeln. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Frau Merkel, machen Sie also Ernst! Keine Lippenbekenntnisse mehr! Ich fordere Sie auf: Verbieten Sie ungedeckte Leerverkäufe! Verbieten Sie spekulative Kreditversicherungen! Sorgen Sie für eine strengere Überwachung der Hedgefonds! Regulieren Sie die Ratingagenturen! Schaffen Sie eine europäische Ratingagentur! Sorgen Sie für einen Finanz-TÜV! (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was soll denn das?) - Hören Sie einen Augenblick zu! Sie kommen auch dran. - Ja, wir sind auch mit Ihnen der Meinung: Wir müssen noch einmal an den Stabilitätspakt herangehen. Wir brauchen mehr Transparenz und mehr Effektivität bei der Kontrolle der Haushalte der Mitgliedstaaten. Da haben wir zu wenig getan und durchgesetzt. Wir brauchen - auch davon bin ich überzeugt - einen neuen Krisenmechanismus. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Null Ahnung!) Aber der entscheidende Punkt, auf den ich nun zu sprechen komme, ist: Die Kosten dieser Krise dürfen - das ist unabdingbar - nicht wieder einseitig auf den Steuerzahler abgeladen werden. Da brauchen wir ein anderes Verhalten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Menschen erwarten dringend, dass wir mit dem Versprechen Ernst machen, dass auch die Verantwortlichen beim Tragen der Kosten herangezogen werden. Ich sage Ihnen: Mit ein paar Schautreffen mit Bankern - mehr war das bisher nicht - wird das nicht gelingen. Wir brauchen eine ernsthafte Beteiligung der Banken mit dauerhaften Beiträgen. Dafür kenne ich nur ein Instrument. Das ist die Finanztransaktionsteuer. Über dieses Instrument müssen wir miteinander reden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE] - Widerspruch des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]) Es gibt kein anderes Instrument. Deshalb fordern wir Union und FDP auf: Gehen Sie diesen Weg zur internationalen Finanztransaktionsteuer, zur europäischen Finanztransaktionsteuer. Lassen Sie uns bis Freitag nicht nur darüber reden. Wenn Sie an einer gemeinsamen Entschließung hier im Deutschen Bundestag interessiert sind, dann muss das in dieser gemeinsamen Entschließung stehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich habe Ihre diesbezügliche Argumentation eben nicht so richtig verstanden, Frau Merkel. Ich habe mir Ihre Texte dazu angeschaut. Sie haben im Januar 2010 erklärt: Wir setzen uns für eine internationale Finanztransaktionssteuer ein. Eine solche weltweit eingeführte Steuer kann überbordende Spekulationen dämpfen und einen Beitrag leisten, die finanziellen Lasten der Krisenbewältigung in fairer Weise zu tragen. Recht hatten Sie damals, Frau Merkel! Aber halten Sie sich auch hier im Deutschen Bundestag an diesen Beschluss! Tun Sie als Bundeskanzlerin nicht das Gegenteil von dem, was Sie als Parteivorsitzende fordern! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ein bisschen Erfahrung haben auch wir in den Gesprächen gesammelt. Ich weiß, dass es in den Koalitionsfraktionen unterschiedliche Auffassungen gibt. Es gibt den einen oder anderen, der einem unter der Hand sagt: Eigentlich wären auch wir für die Transaktionsteuer, aber die FDP macht da nicht mit. - Dazu sage ich Ihnen, Frau Merkel: Das sind Fragen, bei denen Führung angesagt ist. Ich rufe Ihnen zu: Geben Sie den Lobbyinteressen nicht nach, auch nicht der FDP! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Glauben Sie nicht denen, die jetzt schon wieder von einer Bedrohung der Finanzmärkte reden bzw. darüber schwadronieren! Diese Bedrohung gibt es nicht bei einer Belastung von 0,05 Prozent pro Transaktionsvorgang. Wir sind es, die bedroht sind, wenn wir nicht handeln. So sieht es aus, Frau Merkel. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Man kann nicht auf der einen Seite, meine Kolleginnen und Kollegen von der FDP, die letzten Möglichkeiten für gestaltende Politik, die wir noch haben in der Klemme, in der wir in Deutschland sind, durch unverantwortbare Steuersenkungen verschenken und auf der anderen Seite auch noch auf mögliche Einnahmen verzichten. Was sollen denn die Leute von uns halten? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Immer nur abkassieren!) - Nein, das ist es nicht. - Was sollen denn die Leute von uns halten? Sie geben doch im Grunde genommen denjenigen recht, die im Augenblick öffentlich erklären: Für alles haben die Geld, aber nicht für eine ordentliche Straße oder eine ordentliche Schule in meiner Gemeinde. - (Volker Kauder [CDU/CSU]: So ein Quatsch! - Widerspruch bei weiteren Abgeordneten der CDU/CSU) Sie müssen doch, wenn die Möglichkeit besteht, dafür eintreten und dafür kämpfen, dass mit dem Instrument einer Finanztransaktionsteuer Geld in die Kasse kommt, mit dem wir in Deutschland Politik machen können. Sie brauchen es und Ihre Nachfolgeregierungen auch. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deshalb meine herzliche Bitte: Denken Sie nicht in den Schablonen von Parteiprogrammen, denken Sie an die Zukunft dieses Landes. (Lachen bei der FDP) - Wir werden uns bei dem Thema wiedertreffen. Es geht um Griechenland, es geht um den Euro. Das wird das Thema bleiben. Vor allen Dingen geht es aber um Handlungsfähigkeit von Politik. Wenn wir jetzt nicht nach vorne denken, wenn wir jetzt nicht bereit sind, mutig zu handeln, dann haben alle diejenigen recht, die sagen: Das Rennen zwischen der Politik und den Märkten findet statt, aber ihr tretet nicht wirklich an. Ihr wollt gar nicht gewinnen. Ihr wartet geduldig ab, bis das nächste Unheil über euch zusammenbricht. (Volker Kauder [CDU/CSU]: So ein Quatsch!) Ich sage: Eine solche Haltung verträgt unsere Demokratie nicht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Da sollten Sie mal vorsichtig sein!) Lasst uns gemeinsam um Spielräume für Handlungsfähigkeit von Politik kämpfen! Lasst uns dafür sorgen, dass wir sie da, wo sie verloren gegangen sind, wo wir sie eingebüßt haben, zurückerobern. Das sind wir den Menschen in Deutschland und der Demokratie in diesem Lande schuldig. Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPD - Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Birgit Homburger für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Jetzt wird es richtig schlecht! - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das Niveau sinkt!) Birgit Homburger (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage Griechenlands stellt Europa vor die bisher größte Herausforderung. Es ist eine Bewährungsprobe für die Euro-Zone, aber auch für die Bundesregierung und für dieses Parlament. Es geht um die Frage, ob die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands und damit eine Destabilisierung des Euro verhindert werden kann. Wir lassen uns bei unseren Entscheidungen von dem Ziel leiten, die Stabilität der Währung zu gewährleisten, und wir lassen uns von den Interessen der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und Europa leiten. Wir spannen einen Schutzschirm für den Euro. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Schutzschirm für die Banken meinen Sie!) Wir sichern die Währungsstabilität und retten damit die Ersparnisse der Bürgerinnen und Bürger. Mit diesem Gesetzentwurf ziehen wir eine Brandmauer, damit die Krise eines Staates nicht auf den gesamten Euro-Raum überspringen kann. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die FDP und die Koalition sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Es ist eine große Verantwortung, und wir handeln im Bewusstsein dieser Verantwortung. Ich sage ganz deutlich: Die Bundesregierung hat überlegt und klug gehandelt. Das, Herr Steinmeier, ist auch öffentlich deutlich geworden, wie man an den Äußerungen in den letzten Tagen und Wochen erkennen kann. Aber das, was Sie gemacht haben, indem Sie der Bundesregierung öffentlich immer wieder vorgeworfen haben, sie betätige sich als Brandbeschleuniger, ist unverantwortlich. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dass Sie hier von der Finanzierung öffentlicher Straßen durch eine Finanzmarkttransaktionsteuer sprechen, ist purer Populismus, Herr Steinmeier. Das müssen Sie sich an dieser Stelle sagen lassen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Viele von uns - auch das gehört zur Wahrheit an einem solchen Tage - tun sich mit der Entscheidung schwer. Jeder von uns weiß um die Tragweite und die Bedeutung dieser Entscheidung. Deshalb ist es gut, dass wir ausführlich und intensiv im Deutschen Bundestag beraten und die Alternativen abwägen. Das haben wir in den Fraktionen getan. Unsere Koalition steht hinter dem Gesetzentwurf. Anders als bei Vorgängerregierungen, Herr Oppermann, müssen wir nicht durch Vertrauensfragen zur Verantwortung gezwungen werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Thomas Oppermann [SPD]: Wir werden sehen!) Wir werden unserer Verantwortung gerecht werden, und wir werden Ihnen keine Hintertür öffnen, durch die Sie sich von Ihrer Verantwortung verabschieden könnten. Wir handeln im Interesse der Menschen in Deutschland und Europa, und wir handeln im Interesse der Stabilität unserer Währung. Wir Freien Demokraten sind unserer Verantwortung übrigens auch in der Oppositionszeit, beispielsweise beim Finanzmarktstabilisierungsgesetz, gerecht geworden. Wenn es in Deutschland um Stabilität für die Bürgerinnen und Bürger geht, dann steht die FDP dafür ein. Diesen Beweis, Herr Steinmeier, müssen andere Fraktionen hier im Deutschen Bundestag in dieser Woche erst noch erbringen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Joachim Poß [SPD]: So ein Quatsch!) Der Präsident der EZB und der zuständige EU-Kommissar haben der Euro-Gruppe am Sonntag das Ergebnis ihrer Prüfungen mitgeteilt. Sie haben festgestellt, dass sich die Finanzmarktentwicklungen in Griechenland, wenn jetzt nicht gehandelt wird, auf die Finanzstabilität des Euro-Gebietes auswirkten. Es ist die Situation der Ultima Ratio eingetreten; Hilfen - das haben wir immer wieder betont - sind das letzte Mittel. Daher müssen wir jetzt konsequent handeln. Damit schützen wir das Vertrauen der Bürger und Unternehmen in unsere gemeinsame Währung und in die Euro-Zone. Der gemeinsame Währungsraum hat wirtschaftlichen Erfolg und Stabilität gebracht und sich gerade in der Wirtschafts- und Finanzkrise wieder einmal bewährt. Deshalb, meine Damen und Herren, war der Euro eine Erfolgsgeschichte. Dieser gemeinsame Währungsraum muss weiter für Stabilität sorgen. Daraus wird die Bedeutung gerade dieser Stabilisierungsbemühungen für den Euro klar, und genau deshalb werden wir entsprechend handeln. Die Koalition hat auch in der richtigen Reihenfolge gehandelt. Wer dieser Bundesregierung, Herr Steinmeier, Blockadehaltung und Verzögerung von Hilfen vorwirft, disqualifiziert sich selbst. Es ist doch so, dass man von einem Land, das in eine solche Situation kommt, zunächst einmal eigene Anstrengungen erwarten muss. Ich frage Sie: Wollten Sie wirklich zu einem Zeitpunkt, als Griechenland öffentlich erklärt hat, es brauche keine Hilfen, Hilfen anbieten? Wozu hätte das denn geführt? (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Es hätte ausschließlich dazu geführt, dass die Hilfen angenommen worden wären, dass aber keinerlei Sanierungsprogramm auf den Weg gebracht worden wäre. Das, Herr Steinmeier, wäre gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land unverantwortlich gewesen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Schwierige Situationen bewältigt man mit Besonnenheit und eben nicht mit Aktionismus. Deshalb sind Hilfen als Ultima Ratio jetzt auch unumgänglich. Ich sage es an dieser Stelle deutlich: Ich bin froh, dass der IWF mit im Boot ist, mit seiner Erfahrung mit solchen Situationen und mit Instrumenten, mit denen er umzugehen weiß, sodass ganz klar wird: Hier wird ein hartes Sanierungsprogramm von Griechenland erwartet. Griechenland ist selbst in der Verantwortung, sich wieder Vertrauen an den Märkten zu erarbeiten. (Beifall bei der FDP) Es ist allerdings in dieser Zeit auch klar geworden, dass man auf europäischer Ebene nicht so weitermachen kann wie bisher. Mit Ihrem Vorschlag, Herr Steinmeier, früher zu handeln, schneller Hilfen zu geben, sorgten Sie, wenn er umgesetzt würde, nur dafür, dass man von der Währungsunion zu einer Transferunion käme. Genau das wollen wir verhindern. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb fordern wir, dass wir von einer Krisenbewältigung direkt zu einer Krisenprävention kommen und dass diese Maßnahmen zur Krisenprävention, Frau Bundeskanzlerin, auf dem Europäischen Rat auch angesprochen und sofort auf den Weg gebracht werden. Dazu gehören die Revitalisierung grundsätzlicher Regeln des europäischen Miteinanders und das Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft, zum Prinzip des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs, aber auch zu einer nationalen Verantwortung für das gesamte Europa, für die gesamte europäische Entwicklung. Das bedeutet, dass von jedem Land der Euro-Zone eine solide Wirtschafts- und Finanzpolitik erwartet werden kann. (Beifall bei der FDP - Zuruf von der SPD: Das wollen wir mal abwarten!) Wir wollen den Stabilitätspakt erneuern und schärfen. In diesen Tagen wird doch deutlich, dass wir harte Regeln brauchen. Die heutige Situation ist doch so, wie sie ist, weil damals, Herr Steinmeier, im Jahre 2005, unter einer rot-grünen Bundesregierung die Stabilitätskriterien gelockert wurden, weil man beschlossen hatte, nicht mehr so genau hinzuschauen, und weil man Sanktionen verzögert hatte. Das wirkt sich jetzt fatal aus, und deswegen müssen wir aus diesen Fehlern lernen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir brauchen klare Kriterien, und es darf auf europäischer Ebene keine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Schulden mehr geben. Es bedeutet auch, dass wir automatische Sanktionsmechanismen einbauen müssen. Es darf bei Sanktionen keine politischen Rabatte mehr geben. Wenn wir den Stabilitätspakt wieder wetterfest machen wollen, dann müssen wir entschieden handeln, und dann ist Klarheit nötig. Sie haben im Deutschen Bundestag die Chance, mit der Zustimmung zum Entschließungsantrag Ihrer Verantwortung gerecht zu werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir wollen eine unabhängige europäische Ratingagentur und eine Kontrolle der Ratingagenturen, die im Übrigen bereits auf den Weg gebracht worden ist. Wir wollen ein Frühwarnsystem etablieren. Wer falsche Angaben macht, untergräbt die Glaubwürdigkeit des gesamten Euro-Raumes. Deswegen müssen Eurostat, also die europäische Statistikbehörde, und der Europäische Rechnungshof weitergehende Befugnisse zur Kontrolle bekommen. Europa darf nicht länger zusehen, wenn vor unserer Nase getrickst und getäuscht wird. Dem muss Einhalt geboten werden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir brauchen eine Ausweitung der Sanktionsmechanismen, den Entzug der Stimmrechte und die Sperrung von EU-Direktzahlungen. Das alles muss auf den Weg gebracht werden, weil deutlich wird, dass die bisherigen Mechanismen für die Stabilisierung nicht ausreichen. Wir brauchen in letzter Konsequenz ein geordnetes Insolvenzverfahren für Staaten. Das bedeutet eben auch Umschuldung zu einem Zeitpunkt, wo dies noch möglich ist. Es braucht den entschiedenen Einsatz für diesen Stabilitätspakt. Ich sage Ihnen, sehr verehrter Herr Steinmeier: Angesichts der Geschichte des Stabilitätspaktes in Europa haben wir Aufforderungen von Ihrer Seite nicht nötig. Sie tun gut daran, Ihrer Verantwortung gerecht zu werden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Widerspruch der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf der Abg. Caren Marks [SPD]) Auch das gehört heute zur Diskussion: Wer Verantwortung trägt, wird auch zur Verantwortung gezogen. Der missbräuchliche Einsatz von Anlageformen wie Kreditversicherungen zulasten der Stabilität von Staaten muss europaweit unterbunden werden. Deshalb gibt es einen freiwilligen Beitrag der Finanzbranche. Ich sage allerdings auch: Das ist der erste und nicht der letzte Schritt, den die Finanzbranche gehen muss. Deshalb werden wir entschieden handeln. Die Koalition hat an dieser Stelle schon einiges auf den Weg gebracht. Sie, Herr Steinmeier, sagen hier, das Einzige, das helfen würde, sei eine Finanzmarkttransaktionsteuer, sie sei das einzige Ihnen bekannte Instrument. Es ist ein Armutszeugnis, wenn Sie nur diese eine Option kennen. Es gibt nämlich bessere. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Joachim Poß [SPD]: Nennen Sie doch mal andere!) Der IWF - das hat die Bundeskanzlerin schon ausgeführt - hat uns deutlich gesagt, dass dieses Instrument nicht treffsicher ist. Deshalb werden wir sicherstellen, dass alle ihrer Verantwortung auf andere Weise gerecht werden: über die Bankenabgabe, die wir bereits auf den Weg gebracht haben, aber eben auch über das Verfahren einer geordneten Insolvenz; denn bei einer Umschuldung werden genau diejenigen zur Verantwortung herangezogen, die die Verantwortung zu tragen haben. Deshalb ist dies das Instrument der Wahl und in seiner Wirkung durchschlagend. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir sind längst an einem Punkt, wo es nicht um technische Abwicklung von Problemen, sondern darum geht, verlorengegangenes Vertrauen wiederzugewinnen. Wenn wir wollen, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise nicht zur Krise unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems auswächst, müssen wir Vertrauen schaffen. Deshalb stehen wir zur sozialen Marktwirtschaft und zum Wettbewerb. Soziale Marktwirtschaft hat auch ein ethisches Fundament. Eigentum ist ein zentrales Ordnungsprinzip der freiheitlichen Gesellschaft. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Eigentum verpflichtet!) Eigentum verlangt aber auch individuelle Verantwortung hinsichtlich der Auswirkungen auf andere Menschen. So weit diese Verantwortung reicht, schuldet der Eigentümer der Gesellschaft Rechenschaft. Dass Unternehmen mit privatem Vermögen für die Folgen ihrer Entscheidungen haften, sorgt für verantwortliches Handeln. Das tun viele Familienunternehmen und der Mittelstand in diesem Land vorbildlich. Das Prinzip der persönlichen Haftung der Handelnden muss auch im Hinblick auf Kapitalgesellschaften und die Finanzmärkte durchgesetzt werden. Dafür stehen wir ein. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir werden den Prinzipien Haftung und Verantwortung durch neue Rahmenbedingungen auf den Finanzmärkten zum Durchbruch verhelfen. Sie, Herr Steinmeier, haben in den letzten Jahren die Chance dazu versäumt. Wir werden unsere Chance nutzen. Diese Koalition ist sich ihrer Verantwortung für die Stabilisierung des Euro, aber auch für die Sicherung des Vertrauens in unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bewusst. Dieser Verantwortung werden wir entschieden und entschlossen gerecht werden. (Anhaltender Beifall bei der FDP - Beifall bei der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gregor Gysi, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin, bei der Bild-Zeitung und anderen "Qualitätsmedien" gingen Sie als die No-Kanzlerin in Bezug auf Hilfe für Griechenland ein. Ich glaube, noch auf dem Parteitag der FDP wurde beschlossen, auf gar keinen Fall Geld für Griechenland vorzusehen. (Zurufe von der FDP: Nein!) Nun wollen Sie Milliarden für Griechenland beschließen und vergessen, zu erwähnen, wie viele Milliarden davon wieder in die Hände der Spekulanten fallen. Das ist nämlich das eigentliche Problem, mit dem wir es zu tun haben. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben im September 2008 hier über eine Finanzkrise geredet, die niemand gesehen hat. Wir haben Ihnen recht frühzeitig gesagt, dass daraus Staatskrisen werden können, und zwar über Schuldenkrisen bestimmter Staaten. Das, was wir jetzt in Griechenland erleben, droht auch anderen Ländern, wie wir wissen, wenn wir an Irland, Italien, Spanien und Portugal denken. Jedes Mal legen Sie Ihre Hände in den Schoß und machen erst einmal nichts, um dann innerhalb einer Woche Milliarden zur Verfügung zu stellen, wie damals bei den Banken 480 Milliarden Euro innerhalb einer Woche. So kann man mit unserer Bevölkerung meines Erachtens nicht umgehen. (Beifall bei der LINKEN) Anlässlich der Finanzkrise, die logischer- und konsequenterweise in die jetzige Krise führen musste, haben wir Ihnen viele Schritte vorgeschlagen, die man gehen muss, um das zu verhindern. Wir waren es, die am 16. März 2010 - Herr Steinmeier, das ist auch für Sie interessant - den Antrag "Eurozone reformieren - Staatsbankrotte verhindern" eingebracht haben. Wir haben darauf hingewiesen, dass das Ganze passieren kann und haben Maßnahmen vorgeschlagen. (Beifall bei der LINKEN) Die erste Lesung war am 25. März. Was haben Sie, Frau Bundeskanzlerin - ich weiß nicht, wohin Sie gegangen sind; ach, in die letzte Reihe; das ist gut -, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) am 25. März 2010 gesagt? Sie haben gesagt: Wir stellen fest: Es ist noch kein Euro und kein Cent für die Unterstützung Griechenlands ausgegeben worden. Bislang ist Griechenland nicht zahlungsunfähig geworden. Auch sind düstere Vorhersagen über die Entwicklung in anderen Mitgliedstaaten nicht Realität geworden. ... Deshalb sage ich - also die Bundeskanzlerin -: Ein guter Europäer ist nicht unbedingt der, der schnell hilft. Ein guter Europäer ist der, der die europäischen Verträge und das jeweilige nationale Recht achtet und so hilft, dass die Stabilität der Euro-Zone keinen Schaden nimmt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Am Freitag wollen Sie nun die Milliardenhilfen beschließen; das ist die Wahrheit. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben Ihnen gesagt: Verbieten Sie die Hedgefonds, die nur herumspekulieren. Sie wurden übrigens von SPD und Grünen zugelassen; damit man auch diese Wahrheit hier einmal erwähnt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP) Wir haben das abgelehnt. Herr Steinbrück hat noch bei Frau Illner erklärt: Wir standen vor der Frage, Kreisklasse zu bleiben oder Weltklasse zu werden. Eine Weltklasse-Krise haben wir dafür bekommen. - Vielen Dank, Herr Steinbrück. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben Ihnen gesagt: Die Zweckgesellschaften der Banken müssen unter Kontrolle gestellt werden. Sie haben es nicht gemacht. Wir haben gesagt: Es gibt drei große private Ratingagenturen, die über alle Werte der Finanzwelt entscheiden, auch über die Werte der Staaten. Die Agenturen waren nachweislich bestechlich. Deshalb haben wir gefordert: Schaffen Sie eine europäische, staatliche Ratingagentur, die verlässlich ist. Sie haben es nicht gemacht. Wir haben gesagt: Verbieten Sie Leerverkäufe! Tatsächlich: Leerverkäufe waren anderthalb Jahre lang verboten. Vielleicht ein paar Worte dazu, was Leerverkäufe sind: Man geht an die Börse und spekuliert darauf, dass Kurse fallen. Das heißt, man macht aus der Börse ein Spielkasino. Dafür war die Börse ursprünglich gar nicht gedacht. Wir haben gesagt: Das sind Spekulationsgewinne, die zur Krise führen; man muss das verbieten. Herr Bundesminister Schäuble, Leerverkäufe waren in Deutschland anderthalb Jahre lang verboten. Warum haben Sie sie zu Beginn dieses Jahres wieder erlaubt? Griechenland hat sie inzwischen verboten. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben gesagt, dass wir die Tobin-Steuer, eine sogenannte Transfersteuer, brauchen. Herr Steinmeier, jetzt reden Sie auch von dieser Steuer, aber als Sie mit den Grünen regiert haben, haben Sie sie nicht eingeführt. Danach haben Sie unsere Anträge zu der Steuer abgelehnt. Es ist schön, dass Sie jetzt in Opposition zu Ihrer Regierung gehen. Es ist schön, dass Sie jetzt nach dem Primat der Politik rufen, das Sie zusammen mit den Grünen in Deutschland abgebaut haben. Lassen Sie uns jetzt gemeinsam dafür streiten, dieses Primat wiederherzustellen! (Beifall bei der LINKEN) Wir haben Ihnen eine Bankenabgabe vorgeschlagen. Morgen werden wir namentlich über diese Bankenabgabe abstimmen. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, nur das zu tun, was Herr Obama vorschlägt, weil wir wissen, dass Sie keine linke Mehrheit sind und damit keine vernünftige Politik machen können. (Lachen des Abg. Dr. Erik Schweickert [FDP]) Wir dachten aber, wir kämen Ihnen damit entgegen; denn wir haben nur gefordert, das zu machen, was Herr Obama macht. Das ist doch nicht zu viel verlangt. Obama ist der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, kein Linker, kein Sozialist. Wir werden aber erleben, dass Sie dazu Nein sagen. Ich sage Ihnen auch, warum: Durch Einführung der Obama-Abgabe bekämen wir von allen privaten Banken, die direkt oder indirekt staatliches Geld erhalten haben, jährlich 9 Milliarden Euro und könnten sie damit an den Kosten beteiligen; aber das wollen Sie nicht. Sie wollen eine klitzekleine Abgabe von allen Banken, auch von den Banken, die gar kein Geld bekommen haben, von den Sparkassen, Volksbanken und Raiffeisenbanken. Das ist überhaupt nicht hinnehmbar. Die müssen nichts zahlen; denn sie haben weder direkte noch indirekte Leistungen vom Staat erhalten. (Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Die Deutsche Bank muss bezahlen?) - Die Deutsche Bank muss bezahlen, andere Privatbanken auch. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, warum?) Was wollen Sie machen? Sie wollen einen Zukunftsfonds bilden. Herr Kauder, ich bitte Sie! Da soll etwas eingezahlt werden, damit wir Geld für die nächste Krise haben. Sie wollen hier jährlich 1,2 Milliarden Euro einnehmen. Denken Sie an die Garantien in Höhe von 480 Milliarden Euro! Man bräuchte über 400 Jahre, um auf den Betrag zu kommen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist keine Lösung. Nein, die Banken und die Spekulanten sollen jetzt an den Kosten beteiligt werden. (Beifall bei der LINKEN) Genau das verweigern Sie. Sie haben nichts gegen die Ursachen der Krise getan. Die Deutsche Bank hat schon wieder einen Gewinn erzielt: 2,8 Milliarden Euro im ersten Quartal 2010. Ackermann bekommt sofort wieder einen Bonus ausgezahlt. Ich weiß, er wird immer zum Essen eingeladen. Ich sage Ihnen, wo das Problem liegt. Wissen Sie, weshalb die Deutsche Bank Gewinn gemacht hat? Das kann ich Ihnen genau sagen: Die Deutsche Bank hatte eine Forderung gegen die HRE in Höhe von 10 Milliarden Euro. Die HRE war aber pleite. Hätte die Deutsche Bank die Forderung abschreiben müssen, hätte sie auch keinen Gewinn gemacht, hätte Ackermann auch keine 10 Millionen Euro bekommen. Nun haben wir, das heißt Sie, die HRE verstaatlicht, aber nur die HRE. Damit haben die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der Bundesrepublik Deutschland es übernommen, die 10 Milliarden Euro an die Deutsche Bank zu zahlen. Deshalb hat die Deutsche Bank Gewinn gemacht. (Beifall bei der LINKEN) Sie schüttet den Gewinn rein privat aus. Wir haben damals gesagt: So geht das nicht. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ach, herrje! Kasperletheater in anspruchsvoller Aufführung!) Deshalb haben wir das schwedische Modell vorgeschlagen: Man muss alle Banken vergesellschaften, damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht nur die Schulden übernehmen, sondern auch die Einnahmen erhalten, zumindest so lange, bis alles zurückgezahlt ist, was an Steuergeldern zur Verfügung gestellt worden ist. (Beifall bei der LINKEN) Damit kommen wir zu Griechenland und Europa. Was macht die Deutsche Bank, was machen alle anderen deutschen Banken? Sie gehen zur Europäischen Zentralbank. Da erhalten sie Kredite, für die sie einen einzigen Prozent Zinsen bezahlen müssen. Dann kaufen sie griechische Staatsanleihen. Für die bekommen sie inzwischen 9 Prozent Zinsen, ein Riesengewinn ohne jede Leistung. Dann gehen sie zu einer Kreditausfallversicherung und schließen eine Versicherung für den Fall ab, dass Griechenland nicht pünktlich zahlt; die Versicherung soll dann das Geld zahlen. Dann rennen viele zur Kreditausfallversicherung und schließen Wetten ab. Sie sagen: Wir glauben, dass Griechenland nicht pünktlich zurückzahlt. Sie können 1 Million Euro einzahlen, und wenn sie recht hatten, bekommen sie 2 Millionen Euro ausgezahlt. Wenn sie nicht recht haben, dann haben sie Pech und sind 1 Million Euro los. Das sind die Spekulationsblasen, die uns nachher um die Ohren fliegen! Deshalb sagen wir: Kreditausfallversicherungen müssen verboten werden. Es ist nicht hinnehmbar, was dort läuft. (Beifall bei der LINKEN) Die größten Gläubiger Griechenlands sind übrigens die Banken Frankreichs, der Schweiz und Deutschlands. Was Sie nie erzählen, ist: Wenn wir Griechenland Geld geben, dann fließt es an die deutschen Banken zurück. Das ist der Weg, der gegangen wird. Das müssen wir ehrlich benennen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Es gab übrigens die Forderung, dass die Banken in Deutschland, in der Schweiz und in Frankreich ihre Forderungen gegenüber Griechenland stornieren könnten. Wenn sie das machten, wäre Griechenland schon fast aus der Krise heraus. Dann müssten keine Hilfspakete in Milliardenhöhe beschlossen werden. Sie haben uns das nicht geglaubt, sie haben das Kurt Biedenkopf nicht geglaubt, der Ihnen das beschrieben hat. Sie haben auch nicht auf ein Schreiben der BaFin vom 20. Februar 2010 reagiert, in welchem die Krise vorhergesagt wurde. Sie haben nichts gemacht. Sie haben das alles verzögert, weil Sie keine Regulierung wollen, weil Sie sich aus ideologischen und lobbyistischen Gründen so sehr dagegen wehren, endlich ein Primat der Politik über die Finanzwelt zu stellen und zu sagen: So darf es gemacht werden, anders lassen wir es nicht mehr zu. (Beifall bei der LINKEN) Sie haben Griechenland einen Weg aus der Krise aufgezeigt, den Sie für Deutschland ausschließen: Renten kürzen, später in Rente gehen, Löhne kürzen, Mehrwertsteuer erhöhen. Das ist nicht nur sozial unerträglich, sondern damit organisieren Sie eine Rezession, eine schwere Wirtschaftskrise. Dann müssen weitere Milliardenhilfen gezahlt werden. Der Weg, den Griechenland beschreiten soll, ist ökonomisch blödsinnig. Ihre Ansichten können wir nicht teilen. (Beifall bei der LINKEN) Ich habe zur Kenntnis genommen, dass so getan wird, als ob es große Unterschiede zwischen CDU/CSU und FDP auf der einen Seite und SPD und Grüne auf der anderen Seite gebe, aber letztlich sind Sie doch dabei, eine gemeinsame Entschließung zu verabschieden. Sie werden auch das Gesetz gemeinsam verabschieden. Wie beim Afghanistan-Krieg, Hartz IV, der Rentenkürzungen schwimmen sie wieder in der alten Konsenssoße. Sie gehen diesen Weg, aber ich sage Ihnen: Er wird nichts bringen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Übrigens ist Deutschland insofern den Weg Griechenlands gegangen, als wir die einzige kapitalistische Industrienation sind, die in den letzten zehn Jahren die Reallöhne um 11,3 Prozent und die Realrenten um 8,5 Pro-zent gekürzt hat. Auch dafür werden wir noch teuer bezahlen. (Beifall bei der LINKEN) Wir fordern - lassen Sie mich das zum Abschluss sagen -: Erstens. Die Spekulationsinstrumente - Leerverkäufe und Kreditausfallversicherungen - müssen verboten werden. (Beifall bei der LINKEN) Zweitens. Hedgefonds, also Heuschrecken, müssen ebenfalls verboten werden. Zweckgesellschaften der Banken sind zu kontrollieren. Wechselkurse müssen festgelegt werden. Drittens. Wir brauchen die Schaffung einer staatlichen europäischen Ratingagentur, die die käuflichen Privaten ins Abseits schiebt. Viertens. Griechenland muss auf Jahre auf jeden Waffenimport verzichten. (Beifall bei der LINKEN) Fünftens. Griechenland und andere EU-Länder müssen endlich gerechte Steuern für Bestverdienende, Vermögende, Banken und große Unternehmen einführen. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Wir brauchen für die Binnenmärkte endlich eine Börsenumsatzsteuer und für die internationalen Finanzgeschäfte endlich eine Tobin- oder Transfersteuer. Sechstens. Zumindest in Deutschland und allen anderen Euro-Ländern muss eine Bankenabgabe eingeführt werden, wie sie Obama für die USA vorgeschlagen hat, damit die Gewinner der Krise endlich für die von ihnen verursachten Schäden bezahlen müssen. Wir werden morgen im Bundestag darüber namentlich abstimmen. Auch Spekulanten und Finanzprofiteure müssen zur Kasse gebeten werden. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Siebtens und letztens. Wir brauchen in Europa eine Wirtschaftsregierung, damit in der EU Schritt für Schritt bestimmte Standards durchgesetzt werden. Wir brauchen eine Abstimmung hinsichtlich der Steuern, der Löhne, der ökologischen und der sozialen Mindeststandards. Wenn es das alles nicht gibt, dann gibt es von uns auch keine Zustimmung für das Gesetz. (Anhaltender Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Volker Kauder ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Volker Kauder (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade nach der Rede von Gregor Gysi (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Gute Rede!) ist es, glaube ich, notwendig, noch einmal zu sagen, worüber wir heute beraten, worum es in dieser Woche geht: Es geht um die Zukunft Europas und damit um unsere eigene Zukunft. Das haben Sie nicht verstanden, Herr Gysi. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der LINKEN - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie verspielen die Zukunft Europas!) Der Euro, den wir eingeführt haben, war und ist eine Erfolgsgeschichte. Er hat dazu geführt, dass wir besser durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen sind, als das bei Finanz- und Wirtschaftskrisen in früheren Jahren, die gar nicht so dramatisch waren wie die letzte, der Fall war. Deshalb geht es jetzt darum, dass wir den Euro in seiner Stabilität stützen. Was wir jetzt, in dieser Woche, im Deutschen Bundestag beschließen, hat sehr viel mit unserer eigenen Zukunft zu tun, und es hat sehr viel damit zu tun, dass wir die Ersparnisse der Menschen in unserem Land sichern. Es geht darum, dass wir nicht nur im Interesse unseres Landes, sondern auch im Interesse der Menschen in unserem Land etwas für die Währung tun. Deswegen werden wir in dieser Woche handeln. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herr Kollege Steinmeier, es geht natürlich auch um die Frage, wie so etwas in Zukunft vermieden werden kann. Ich rate aber dringend, Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln. Ich hatte bei den Diskussionen der letzten Tage manchmal den Eindruck, dass zu wenig über die wirklichen Gründe für das, was jetzt entstanden ist, gesprochen wird, weil das zum Teil sehr unangenehm ist. Wir haben in der Koalition sehr frühzeitig gesagt - ja, ich teile diese Auffassung -, dass wir etwas gegen Spekulanten und insbesondere gegen diejenigen tun wollen, die gegen Währungen spekulieren. Aber zunächst einmal muss doch eine andere Frage gestellt werden: Besteht das Grundproblem bei manchen europäischen Staaten nicht darin, dass ständig über die eigenen Verhältnisse gelebt wird, dass Schulden gemacht werden, die uns nachher in diese Schwierigkeiten bringen? Ohne die hohe Verschuldung hätten Spekulanten doch gar keine Chance, etwas zu unternehmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer lebt denn davon?) Deswegen hätte ich mir schon gewünscht, dass ein bisschen mehr über diese Frage gesprochen wird. Es ist überhaupt keine Schuldzuweisung, wenn wir feststellen: Als die Griechen damals in die Währungs-union aufgenommen wurden, haben sie die Voraussetzungen nicht erfüllt. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!) Im Deutschen Bundestag wurde darauf hingewiesen, dass es für die Griechen sehr schwer, vielleicht sogar unmöglich wird, ihre Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Europäischen Währungsunion voranzubringen. Aus politischen Gründen ist damals so entschieden worden. Ich sage das jetzt nicht als Vorwurf an die rot-grüne Bundesregierung der damaligen Zeit, Herr Kollege Trittin. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Theo Waigel war das!) Ich sage nur, dass eine Konsequenz dessen, was wir jetzt erleben, sein muss, dass es keine politischen Geschenke geben darf, wenn es um die Stabilität unseres Euro geht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Bei der Frage, wer Mitglied der Europäischen Union und wer Mitglied der Europäischen Währungsunion wird, darf nur nach klaren Fakten und nicht nach politischen Überzeugungen entschieden werden. Alles andere schadet der Stabilität unserer Europäischen Union. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erzählen Sie einmal Helmut Kohl! Das hat Helmut Kohl anders gesehen!) Deswegen war es zwingend notwendig, dass man Griechenland diesen Weg, der für Griechenland nicht einfach ist, zumutet. Ich hatte, als schon im März und April über diese Frage gesprochen wurde, den Eindruck, dass sich diejenigen, die sehr schnell, ohne irgendeine Vorbedingung zu formulieren, Geld an Griechenland ausreichen wollten, genau um diese Konsequenzen drücken wollten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Zuruf von der SPD: Das ist nicht wahr!) - Wenn jetzt jemand ruft: "Das ist nicht wahr!", dann kann ich nur sagen: All diejenigen, auch einige Mitglieder des Deutschen Bundestages, die auf der linken Seite des Hauses sitzen, die gesagt haben: "Griechenland muss schnell geholfen werden", haben keine einzige Forderung erhoben, dass in Griechenland endlich Reform- und Sparmaßnahmen durchgeführt werden. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Lügner! - Weitere Zurufe von der SPD: Oh! Oh! - Das stimmt nicht!) Sie hätten den Griechen Geld gegeben, nach dem Motto: Weiter so wie bisher! Das haben wir verhindert, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Erpresst haben Sie das! Das war Erpressung des IWF!) Dass dies nicht so einfach war, wie jetzt mancher behauptet, hat sich in den letzten Tagen gezeigt. Wenn jetzt gesagt wird, man hätte schneller, man hätte sofort helfen sollen, frage ich Sie: Um welchen Preis? Der IWF hat Tage, fast eine ganze Woche gebraucht, um die Griechen davon zu überzeugen, dass es auch in ihrem Interesse ist, wenn sie endlich die Kurve kriegen (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch schon im März klar, Herr Kauder! - Zurufe von der SPD: Oh! Oh! - Na, na!) und einsehen, dass Sparmaßnahmen notwendig sind. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Geschichtsfälschung! Aufpassen, Herr Kollege!) Es hat Tage und Wochen gebraucht, bis wir so weit waren. Nachdem uns der IWF gesagt hat: "Jetzt sind die Voraussetzungen erfüllt, weil Griechenland zugesagt hat; jetzt können wir mit dem Rettungspaket starten", haben wir gesagt: Dann ist jetzt auch der Zeitpunkt, ab dem wir mitmachen. - Es kann keine konditionslose Hilfe geben. Es geht hier nicht um Solidarität, sondern es geht um Stabilität. (Abg. Michael Schlecht [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Dafür müssen wir in diesen Tagen werben und kämpfen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der SPD: Es geht auch um Solidarität!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Kauder, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Volker Kauder (CDU/CSU): Nein. - Es geht auch darum, dass wir jetzt die richtigen Konsequenzen aus der Krise ziehen. Herr Kollege Steinmeier, wir haben uns von Anfang an mit Ihnen darüber unterhalten, dass wir neben dem Gesetzentwurf gemeinsam mit Ihnen auch eine Resolution bzw. Erklärung verabschieden wollen. Jetzt und auch später sprechen wir darüber, ob wir hier zu gemeinsamen Überzeugungen kommen können. Es geht darum, dass wir klar unterscheiden zwischen dem, was wir unternehmen müssen, damit sich so etwas in Zukunft nicht wiederholt, und der Frage: Wer muss mitfinanzieren? Die entscheidende Frage lautet: Was müssen wir tun, damit sich so etwas nicht wiederholt? (Caren Marks [SPD]: Sie haben wohl nichts begriffen!) Erstens. Wir müssen den Stabilitätspakt in Europa neu justieren; ich bin sehr froh, dass auch Sie dies so erklärt haben. Wir dürfen nie mehr zulassen, dass über den Stabilitätspakt so dahergeredet wird, wie es zu Zeiten der rot-grünen Regierung geschehen ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Widerspruch bei Abgeordneten der SPD - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ausgerechnet Sie reden von Stabilität! Ich sage nur: 100 Milliarden Euro neue Schulden! Ist das Stabilität?) Das gehört zur Wahrheit. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass von der damaligen rot-grünen Bundesregierung gesagt worden ist: In Sachen Stabilität lassen wir uns von Europa nicht rügen. Wir rufen die Gremien zusammen. Dann wird mit Mehrheit entschieden: Das lässt sich Deutschland nicht gefallen. - Damit haben Sie den Keim für die Verirrungen beim Stabilitätspakt gelegt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das darf nicht wieder passieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der zweite Punkt. Es muss dafür gesorgt werden, dass schon frühzeitig von der Europäischen Kommission eingegriffen werden kann, und zwar wenn erkennbar ist, dass Verschuldung produziert wird, und das auch noch auf Grundlage falscher Zahlen. Die Bundeskanzlerin hat zu Recht darauf hingewiesen - das muss man deutlich machen, damit keine Märchen entstehen -: Allein die Tatsache, dass die Griechen in Erkenntnis ihrer schweren Notsituation falsche Zahlen genannt haben und dann eine Korrektur durch den IWF erfolgen musste, durch die die Verschuldung noch einmal um 1 Prozent angehoben wurde, hat das ganze Misstrauen an den Finanzmärkten hervorgerufen und dafür gesorgt, dass die Zinssatzentwicklung so eskaliert ist. Deswegen fordern wir, dass es der europäischen Statistikbehörde ermöglicht wird, sich sehr frühzeitig anzuschauen, was in den einzelnen Ländern passiert, sodass es schnell zu Korrekturen kommen kann. Wir dürfen es nicht bis zu einem Zeitpunkt laufen lassen, wie wir ihn jetzt haben. Das wird sich in Zukunft ändern. Wir fordern die Bundesregierung auf - wir unterstützen sie dabei auch -, dafür zu sorgen, dass wir hier schneller zu Erkenntnissen kommen. (Beifall bei der CDU/CSU) Dritter Punkt. Wir wollen, dass diejenigen, die Risikogeschäfte machen, wissen, dass sie zahlen müssen, wenn es schiefgeht. Deshalb fordern wir, ein Verfahren für eine geordnete Insolvenz in Europa einzuführen. Das nennt man auch Umschuldung. Wenn man Geld irgendwo hingibt, muss man damit rechnen, dass es zu einer geordneten Insolvenz kommen kann. Das muss derjenige, der dieses Risiko eingeht, wissen. (Otto Fricke [FDP]: Sehr gut!) Wie bei jedem Insolvenzverfahren ist es dann so, dass Gläubiger einen Teil ihrer Forderungen nicht realisieren können. Es wäre gut, wenn wir dieses Verfahren schon jetzt durchführen könnten; aber diese Möglichkeit hat man damals nicht eingeräumt. Für die Zukunft wollen wir dies jedoch. Damit wir keine falschen politischen Diskussionen führen, sage ich Ihnen, Herr Steinmeier: Diese Maßnahme wird mehr bringen als die Steuer, über die Sie diskutieren. Diese führt angesichts der kleinen Summen nicht dazu, dass Risiken begrenzt werden. Die Risiken werden auf die Sparerinnen und Sparer umgelegt. Das Risiko wird auf die kleinen Leute verteilt und nicht auf diejenigen, auf die das Risiko verteilt werden muss. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deswegen bringt diese Steuer keinen Erfolg. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal den IWF-Bericht dazu!) Man kann darüber reden - Herr Trittin, wir werden es ja nachher machen -, ob diese Steuer Geld in die Kasse bringt. Aber ich bitte Sie, nicht Verirrungen nachzugehen und auch noch zu erklären, dass man mit dieser Steuer das Problem der Risikoverteilung lösen kann. Das funktioniert hinten und vorne nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vierter Punkt. Ich glaube, dass es auch darum geht, dass wir zeigen, dass Politik handelt und nicht getrieben wird. (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) - Ich glaube nicht, dass da Gelächter angebracht ist. Ich möchte ohnehin sagen: Ich bin sehr für die Auseinandersetzung und Diskussion über den richtigen Weg. Aber in dieser Woche geht es um die Stabilität und die Rettung des Euro und Europas, nicht um billige Polemik und Parteitaktik, Herr Gysi. Darum geht es in dieser Woche wirklich nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es geht darum, verantwortlich für unser Land zu handeln und den Menschen in unserem Land zu erklären: Was wir jetzt machen, dient dazu, den Euro zu stabilisieren, die Rettung dessen, was wir alle uns erarbeitet haben, zu ermöglichen und Zukunft für uns in Europa zu realisieren. Das ist das wahre Thema. Ich bitte darum, dass sich die Opposition ihrer Verantwortung bewusst wird. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, Herr Kauder!) Es geht nicht so, wie Sie, Herr Gabriel, formuliert haben: Vielleicht machen wir mit, vielleicht machen wir nicht mit. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagten wir schon, als Sie noch gar nicht wussten, dass Griechenland Probleme hat! Blasen Sie sich nicht so auf!) In dieser Frage kann man nur sagen: Jawohl, es muss gehandelt werden, damit der Euro stabil bleibt. Da kann man nicht sagen: Ein bisschen mache ich mit, ein bisschen mache ich nicht mit. Ich hoffe, dass dies nachher in der Besprechung mit den Fraktionsvorsitzenden gelingen kann. Die zentrale Frage wird sein: Gelingt es uns, die großen Zusammenballungen von finanzieller Macht in den Griff zu bekommen? Ich bitte darum, dass wir uns etwas präziser ausdrücken. Natürlich geht es um Banken; aber es geht vor allem um die Hedgefonds, die bisher nicht kontrolliert werden und auch unter rot-grünen Regierungen eher freigestellt als kontrolliert worden sind. Ich kann die Bundesregierung hier nur unterstützen: Jawohl, da muss etwas getan werden. Wir wissen, wie schwer dies in Europa ist. Ich kann nur jeden in diesem Hause auffordern, auf seinen parteipolitischen Kanälen in Europa dafür zu sorgen, dass beispielsweise die Regierung in England nicht ständig blockiert, wenn es um die Regulierung von Hedgefonds geht. Da muss etwas getan werden. Da darf man nicht wegsehen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie ja besser machen!) Es gibt Dinge, die sich nicht im nationalen Bereich, im nationalen Parlament lösen lassen. Dafür braucht die Bundesregierung Unterstützung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Paket besteht aus drei Elementen: Erstens. Wir werden - das wird die Koalition in dieser Woche beschließen - zur Stabilität der Situation im Euro-Raum die Kreditanstalt für Wiederaufbau ermächtigen, Darlehen an Griechenland zu geben, keine Barzahlungen - und damit keine Belastung des Haushaltes -, sondern einen Kredit, den wir verbürgen. Zweitens. In einem Entschließungsantrag werden wir die Dinge auflisten, die wir zur Vorbeugung, damit so etwas nicht wieder passiert, für notwendig halten. Drittens werden wir den Weg konsequent weitergehen, den wir schon beschritten haben - das ist heute übrigens noch gar nicht gesagt worden -, nämlich durch konkrete Maßnahmen auch diejenigen zu beteiligen, die am Finanzmarkt mit dazu beigetragen haben, dass wir in diese Krise gekommen sind. Wir haben eine Bankenabgabe und ein Gesetz über die Transparenz von Ratingagenturen - das ist fast noch wichtiger als neue Agenturen - in Vorbereitung. Wir werden den Weg einer europäischen Ratingagentur beschreiten, die so selbstständig und transparent sein muss wie die Europäische Zentralbank. All dies werden wir voranbringen. Das zeigt: Wir sind in dieser schwierigen Stunde handlungsfähig, und wir handeln. Die Menschen können sich darauf verlassen, dass alles, was getan werden kann, getan wird, um den Euro und damit ihre Ersparnisse zu sichern. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort hat nun der Kollege Jürgen Trittin, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind ja heute Zeuge einer großen Gemeinsamkeit zwischen Gregor Gysi und Angela Merkel geworden. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Was?) Beide haben reine Rechtfertigungsreden gehalten: Wir haben recht gehabt. - Nun ist das bei Gregor Gysi eher ein esoterisches Problem. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nein, Fakt!) Aber bei Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, hat das schwerwiegendere Konsequenzen; (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Oberlehrer der Nation!) denn das, was Sie hier in den letzten sechs Wochen abgeliefert haben, der Versuch, aus Angst vor der Nordrhein-Westfalen-Wahl, aus Angst vor dem nächsten Sonntag diese Krise auszusitzen, hat die Bundesrepublik Deutschland, hat übrigens auch Europa unglaublich viel gekostet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Teuerster Wahlkampf aller Zeiten!) Sie haben noch im März gemeint, hier die Maggie Merkel geben zu müssen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie heißt Angela!) Und was ist heute? - Das politische Klima in diesem Lande kann man sich jeden Morgen in der Bild-Zeitung angucken. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heute schon wieder!) Die Folgen: Die griechische Botschaft wird mit Hassmails überschwemmt. Vor dem Konsulat von Griechenland in Düsseldorf demonstriert die NPD. Aber das ist nicht nur ihr Privileg. Auch die Leute in Ihren eigenen Reihen sagen, es solle Naxos oder was auch immer verkauft werden. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na ja! - Gegenruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch!) Herr Pinkwart, der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, erklärt auf einem Parteitag, auf dem Sie, Herr Vizekanzler, neben ihm sitzen: Eine Hilfe für Griechenland ist ein Schlag ins Gesicht unserer Bürgerinnen und Bürger. - Wo waren Sie da? Wo sind Sie da aufgestanden und haben gesagt: "So geht das nicht"? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Frau Bundeskanzlerin, Sie werden jetzt sagen: Was habe ich damit zu tun? Ich mache ja nur eine Koalition mit diesem unzuverlässigen Kandidaten. - Ich sage Ihnen: Sie bedienen dieses nationale Ressentiment doch selber. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Zuruf von der CDU/CSU: Das nehmen Sie zurück!) Was sonst ist denn Ihr Vorschlag, den Sie ja auch in einen Entschließungsantrag schreiben wollen, von der Suspendierung der Stimmrechte von Mitgliedstaaten? (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD]) Europa ist eine Gemeinschaft von 27 gleichberechtigten Mitgliedstaaten. Da kann nicht ein Mitgliedstaat einem anderen Mitgliedstaat die Rote Karte zeigen und sagen: Du setzt dich jetzt mal eine Weile auf die Bank! (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wer sich nicht an die Spielregeln hält ...!) Das wird es in diesem gemeinsamen Europa nie geben. Wenn es das nie geben wird, dann sollten Sie das auch nicht fordern, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ihre Politik hat nicht nur zu einem Verlust an Europafähigkeit Deutschlands geführt, kostet uns nicht nur politisch etwas. Dass Sie sich seit Februar/März gegen Hilfe für Griechenland gesperrt haben, (Volker Kauder [CDU/CSU]: War richtig!) hat uns, hat Europa und übrigens auch die Griechen viel Geld gekostet. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Quatsch! - Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: So ein Unfug!) Herr Kauder, Sie haben hier gesagt: Der IWF hat eine ganze Woche gebraucht, um mit den Griechen zu verhandeln. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie hätten das Geld doch schon vorher rausgegeben!) Ich finde, das ist eine ziemliche Leistung. Die Wahrheit ist doch: Sie haben den IWF sechs Wochen daran gehindert, in dieser Frage zu handeln. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: So ein Quatsch!) Wir haben den Direktor des IWF, Herrn Strauss-Kahn, gefragt: Wie war das denn mit dem Faktor Zeit? Er hat gesagt: Wenn der IWF im Februar/März hätte tätig werden können, würden wir über geringere Summen re-den. - Dass wir heute mit 22 Milliarden Euro ins Risiko gehen, haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, mit Ihrer Zögerei und Zauderei zu verantworten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich finde, die Menschen in diesem Lande hätten es verdient, dass man ihnen erklärt, warum man Griechenland auf diese Weise hilft. Es ist nicht so, dass diese Hilfe für Griechenland alternativlos wäre. Selbstverständlich gibt es, wie im wirklichen Leben, Alternativen, über die man entscheiden kann. Wie ist es mit den Vorschlägen, die aus Ihren Reihen gekommen sind? Was würde es heißen, Griechenland aus der Währungsunion auszuschließen, damit die Griechen die Drachme wieder einführen und sie entsprechend abwerten? Das Ergebnis wären eine gigantische Kapitalflucht aus Griechenland und der Zusammenbruch des griechischen Bankensektors - mit allen Folgen für das europäische Bankensystem. Das wären die Folgen der Alternative, die Sie gepredigt haben, lieber Herr Friedrich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wie ist es mit der Alternative - auch das ist gefordert worden -, Griechenland den Staatsbankrott erklären zu lassen? Die Folge wäre keine andere als bei dem vorigen Vorschlag, nämlich eine massive Gefährdung und Zerstörung des Bankensystems. Das System, mit dem wir uns nun einmal herumzuschlagen haben, ist ein Kapitalismus, der sehr stark von Finanzmarktmechanismen geprägt ist. Wenn man das weiß, wenn man weiß, dass man dem Kapitalismus das Spekulieren in dieser Form nicht abgewöhnen kann, wenn man weiß, dass es zyklisch immer wieder Krisen geben wird, dann darf man sich doch nicht, wie Sie es jetzt - zu spät - tun, auf Nothilfe beschränken, dann muss man doch darangehen, künftigen Krisen vorzubeugen (Birgit Homburger [FDP]: Entschuldigung! Das wollen wir doch!) und damit Schadensbegrenzung zu betreiben. Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie bewegen sich an einigen Punkten: Plötzlich darf Eurostat auch in die deutschen Bücher schauen. Plötzlich sind auch Sie der Auffassung - Sie haben das lange Zeit blockiert -, dass wir eine europäische Ratingagentur brauchen. Stellen Sie sich einmal vor, die Steuervorschläge der FDP kämen durch und im Ergebnis würden wir gegen den Stabilitätspakt verstoßen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Würden wir ja auch! - Sigmar Gabriel [SPD]: Tun wir schon!) Ich sehe schon den Jubel in Ihren Reihen, wenn für Deutschland keine Agrarsubventionen und keine Strukturfondsmittel mehr fließen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich habe immer den Eindruck: Das gilt immer nur für die anderen, aber nie für Sie selber. (Birgit Homburger [FDP]: Das ist bei euch so! Der Hintergrund ist, dass Sie es genauso gemacht haben!) Wenn solchen Krisen jetzt vorgebeugt werden soll, muss man zwei Dinge in den Mittelpunkt stellen: Zum einen kann es keine europäische Währungspolitik ohne eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik geben. Das geht eben nur zusammen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Zum anderen kann man sich nicht wie der badische Nationalökonom Kauder (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Baden-Württembergische!) hier hinstellen und erklären, die Griechen hätten über ihre Verhältnisse gelebt. Das stimmt zwar, aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Herr Kauder, den anderen Teil der Wahrheit muss man als guter Europäer auch sagen. Der andere Teil der Wahrheit lautet nämlich: Davon, dass die Griechen über ihre Verhältnisse gelebt haben, haben andere gut gelebt. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na ja!) Ich kann das auch anders ausdrücken: Das Rekorddefizit in Griechenland spiegelt sich im Handelsüberschuss der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Griechenland wider. Das ist die simple ökonomische Wahrheit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Mannomann! - Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das ist Voodoo-Ökonomie! - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Dagegen war Gysi ja seriös! - Zurufe von der FDP) - Meine Damen und Herren, Sie können sich beruhigen. Ich muss Ihnen das vielleicht so erklären, wie man das sonst den Kollegen von der Linkspartei erklärt: (Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Trittin, hören Sie auf! Sie blamieren sich!) Wenn Sie 350 Leopard-Panzer an Griechenland verkaufen, dann ist es unfair, sich darüber aufzuregen, dass sich die Griechen für das Geschäft verschuldet haben. - Ich halte das jedenfalls nicht für einen Vorwurf, den man leichtfertig erheben sollte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Volker Kauder [CDU/CSU]: Mannomann!) Der Kern ist aber ein anderer. Der Kern ist: Wir brauchen einen Abbau der Ungleichgewichte innerhalb der Europäischen Union. Das, was es anderswo zu viel an Binnennachfrage gibt, gibt es hier zu wenig an Binnennachfrage. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie wollen also Deutschlands Wohlstand verringern?) Durch eine europäische Wirtschaftskoordination, eine Koordination der Wirtschaftspolitik innerhalb der Europäischen Union, wird Deutschlands Wohlstand nicht beschädigt, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Doch!) sondern gemehrt, weil das langfristig zu mehr Stabilität und zu mehr Binnennachfrage der Menschen hier führt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist Unsinnswirtschaft!) Wenn Sie die Banken und andere beteiligen wollen, dann müssen Sie eine Finanztransaktionsteuer einführen. Frau Merkel, ich habe es im Bericht des IWF nachgelesen. Darin steht ausdrücklich: Durch diese Steuer werden hochspekulative Geschäfte belastet. - Das ist der Grund, weswegen wir sagen: Sie ist zielgenau - anders als Ihre Bankenabgabe -, und durch sie wird dafür gesorgt, dass Spekulationen verteuert werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich sage Ihnen: Wir kommen in diesem Hohen Hause nicht überein, auch wenn Sie jetzt die Position einnehmen, man müsse Griechenland helfen, was Sie lange Zeit blockiert haben, wenn Sie nicht den Schritt gehen, endlich dafür Sorge zu tragen, dass diejenigen, die mit Spekulationen Geschäfte machen, künftig auch für die Folgen dieser Spekulationen in Haftung genommen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass endlich wieder wirtschaftlich geordnete Verhältnisse in dieses gemeinsame Europa einziehen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Dr. Friedrich ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Joachim Poß [SPD]: Er hat "Griechenland raus!" gefordert!) Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Trittin, dafür, dass Sie 2002, als Griechenland in die Währungsunion geholt wurde, Bundesminister waren, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ablenkungsmanöver!) dass Sie 2004, als der Betrug der Griechen aufgeflogen ist und die Grünen, als Sie noch Bundesminister in dieser Regierung waren, windelweich reagiert haben - ich habe die dpa-Meldung vom 24. September dabei -, (Zuruf von der SPD: Sagen Sie doch mal was zu Ihren Vorschlägen!) und dafür, dass Sie als Bundesminister in diesem rot-grünen Kabinett zugeschaut haben, als Ihr damaliger Finanzminister Hans Eichel den Euro-Stabilitätspakt aufgeweicht hat, riskieren Sie hier eine dicke Lippe. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) In Griechenland sind in den letzten Wochen und Monaten Illusionen geplatzt, und zwar erstens die Illusion, dass Wohlstand schon durch die geografische Lage in Europa garantiert ist, und zweitens die Illusion, dass Wohlstand auch dadurch gewährleistet ist, dass man dem Euro-Raum angehört. Tatsache ist: Jeder Staat, jede Volkswirtschaft ist nur so wohlhabend, wie es die Menschen in dieser Volkswirtschaft durch Fleiß, Ehrgeiz, Disziplin und Leistungskraft ermöglichen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist die Wahrheit, und das müssen die Griechen jetzt lernen, und zwar unabhängig davon, ob in Dollar, Euro oder Gold bezahlt wird. Entscheidend ist: Die Währung ist die geronnene Leistungskraft einer Volkswirtschaft. Dafür, dass es Deutschland in dieser schwierigen wirtschaftlichen Situation gut geht, sind Reformen verantwortlich, die den Menschen in unserem Lande über viele Jahre auferlegt worden sind, begonnen in den 90er-Jahren unter Helmut Kohl und Theo Waigel mit den Reformen zur Sicherung des Standortes Deutschland bis hin zu den Hartz-Reformen, die Sie unter Rot-Grün durchgeführt haben und die unseren Bürgerinnen und Bürgern schwere Belastungen auferlegt haben. Griechenland hat in all dieser Zeit keine Reformen durchgeführt, im Gegenteil. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Die konservative Regierung! Die Sozialdemokraten müssen jetzt aufräumen!) Deswegen muss jetzt die internationale Staatengemeinschaft, vertreten durch den IWF, die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission, Griechenland zwingen, innerhalb kürzester Zeit all die Reformen nachzuholen, die es wieder wettbewerbsfähig machen. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Die die Konservativen nicht gemacht haben! Die werden jetzt nachgeholt!) Steuererhöhungen bei der Mehrwertsteuer und bei Verbrauchsteuern, Kürzung von Löhnen und Gehältern, Verkauf von Staatsvermögen, Reduzierung des öffentlichen Dienstes und Erhöhung des Rentenalters - dieses Programm hat der IWF jetzt den Griechen auferlegt. Damit wird das nachgeholt, was griechische Regierungen versäumt haben. Das macht in etwa deutlich, lieber Herr Gysi, was passiert, wenn Regierungen Freibier für alle versprechen, statt rechtzeitig Reformen durchzuführen. Darum geht es. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Griechenland hat, wie bereits gesagt wurde, über seine Verhältnisse gelebt. Es kann seine staatlichen Verpflichtungen nicht mehr wahrnehmen und keine Zukunftsinvestitionen mehr vornehmen und fragt jetzt bei seinen Partnern nach Krediten. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Sie reden über Ihre intellektuellen Möglichkeiten!) Nun könnte man sagen: "Das ist uns egal. Was geht uns Griechenland an?" Griechenland liegt aber in Europa und ist mit unserer Volkswirtschaft verflochten. Im Jahr 2008 hat die Exportnation Deutschland - Sie haben vorhin darauf hingewiesen, lieber Herr Trittin - Waren und Dienstleistungen im Wert von 8,3 Milliarden Euro nach Griechenland exportiert. Dafür haben deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Leistung erbringen müssen, und dafür haben sie ihren fairen und gerechten Lohn bekommen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) 180 deutsche Unternehmen sind in Griechenland engagiert. Die deutschen Versicherungen und Renten- und Pensionsfonds haben griechische Staatsanleihen gekauft; denn diese Institutionen verfolgen sehr vorsichtige Anlagestrategien, und die vorsichtigste Strategie besteht darin, in Staatsanleihen zu investieren. Deswegen besitzt im Grunde jede Versicherung in Deutschland griechische Staatsanleihen. Insofern ist eine Verflechtung über die Finanzmärkte offensichtlich. Ein griechischer Staatsbankrott hätte deswegen enorme Auswirkungen auf die Wirtschafts- und Finanzbereiche in der gesamten Europäischen Union. Nun kann man einwenden, dass Griechenland sehr klein und seine Volkswirtschaft gegenüber der großen europäischen Volkswirtschaft und der Stärke des Euros unbedeutend ist. Ja, der Euro ist stark, und Europa hat insgesamt eine starke Volkswirtschaft. Dagegen ist Griechenland relativ klein. Aber im September 2008 haben auch viele Lehman Brothers für ein relativ unbedeutendes Finanzunternehmen gehalten, das man ruhig pleitegehen lassen kann. Die Folge war eine unabsehbare Kettenreaktion auf allen Finanzmärkten, die die ganze Welt erschüttert hat. Deswegen rate ich, keine Experimente zu machen, sondern dafür zu sorgen, dass Stabilität in Griechenland und in ganz Europa Einzug hält. (Thomas Oppermann [SPD]: Deshalb haben Sie auch die BayernLB gerettet!) Die europäischen Partner sind bereit - ich sage das ausdrücklich -, Griechenland Kredite, Darlehen zu geben, übrigens nicht nur die Europäer, sondern die Weltgemeinschaft. Im IWF sind viele Staaten vertreten, auch die Amerikaner und die Chinesen sind dabei. Sie alle haben ein Interesse daran, dass Griechenland, dass Europa insgesamt stabil bleibt. Darum geht es. Das Ziel des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union ist es, die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands schnell wiederherzustellen. Was wichtig ist: Es geht hier um Nothilfe. In den 90er-Jahren, in den 80er-Jahren und in den 70er-Jahren hat die Deutsche Bundesbank in vielen Fällen mit Hunderten von Milliarden D-Mark fremde Währungen stützen müssen, um den Aufwertungsdruck von der D-Mark zu nehmen. Die Finanzexperten unter Ihnen wissen das. Damals war diese Nothilfe notwendig, um eine Währung und ein Land zu stabilisieren. Eine solche Nothilfe wird auch jetzt geleistet, aber es muss klar sein: Diese Nothilfe ist die Ultima Ratio. Sie darf nicht dazu führen, dass wir eine Transferunion bekommen. Ich bin der Bundeskanzlerin sehr dankbar dafür, dass sie in den letzten Wochen und Monaten hartnäckig geblieben ist. Es wäre das völlig falsche Signal an die Weltgemeinschaft und an Europa gewesen, wenn wir mit den Milliarden schon bereitgestanden hätten, nur weil die Griechen schreien: Wir brauchen Geld. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Angelika Brunkhorst [FDP]) Ich darf den sozialdemokratischen Außenminister von Spanien, Herrn Moratinos, zitieren - das können Sie übrigens in der Süddeutschen Zeitung vom 30. April nachlesen -, der gesagt hat, wie hilfreich es gewesen sei, dass die Bundesregierung hartnäckig geblieben sei. Er hat gesagt, nur dadurch sei es möglich gewesen, Athen zum Sparen zu zwingen. Ich danke Ihnen, liebe Frau Bundeskanzlerin, dass Sie mit harter Hand gezeigt haben, dass Deutschland zwar zur Solidarität bereit ist, aber nur zur Nothilfe und nicht zu einer Transferunion. Darum geht es. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Lachen bei der LINKEN) Wir wollen, dass die Maßnahmen, die der IWF Griechenland jetzt verordnet hat, klar kontrolliert werden. Der IWF hat das zugesagt. Es gibt regelmäßige Kontrollen. Griechenland bekommt Hilfe nur in dem Maße, in dem es Fortschritte bei der Umstrukturierung seiner Volkswirtschaft erzielt. Eines ist klar: Wir müssen jetzt gemeinsam auf europäischer Ebene dafür sorgen, dass das, was in Griechenland passiert ist, nicht wieder passieren kann. Deswegen braucht der europäische Stabilitätspakt nicht eine Aufweichung, wie sie damals unter der rot-grünen Regierung geschehen ist, sondern er braucht jetzt scharfe Zähne. Der europäische Stabilitätspakt muss für all diejenigen Staaten strafbewehrt sein, die sich nicht an die Ordnung halten. Es sind schon einige Dinge - Volker Kauder hat sie aufgezählt - genannt worden: Zahlungen einstellen, Stimmrecht aussetzen. All diese Möglichkeiten müssen kommen. Dann gibt es einen zweiten Aufgabenkomplex. Dieser betrifft die Finanzmärkte. Die Finanzmärkte sind nicht ursächlich für die Krise, aber sie haben in der letzten Phase die Krise beschleunigt. Das ist vergleichbar mit dem Borkenkäfer, der einem gesunden Baum nicht schaden kann. Aber wenn ein Baum krank ist, dann kommen die Schädlinge. Im Fall Griechenlands waren es die Finanzhaie, die spekuliert haben. Deswegen müssen wir uns gut überlegen, wie wir mit dieser Frage umgehen. Es ist hier des Öfteren über Leerverkäufe gesprochen worden. Ich sage: Ungedeckte Leerverkäufe, also wenn jemand Dinge verkauft, die er nicht hat, darf es nicht geben. Es darf keine Kreditversicherungen geben für Kredite, die es gar nicht gibt. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es ist erforderlich, dass die Regierung das verbietet! Sie sind wieder zugelassen!) Wir sind auf dem richtigen Weg, und es wird alles vorbereitet. Die entsprechenden Maßnahmen sind in Brüssel in der Pipeline. Wir werden auf europäischer Ebene mittels einer Derivaterichtlinie den Spekulanten das Spielgeld aus der Hand schlagen. Aber machen Sie, Herr Steinmeier, den Menschen in Deutschland bitte nicht weis, wir könnten das national regeln. Die Finanzmärkte - das weiß doch jedes Kind - sind international, zumindest aber europäisch. Wir sollten - das ist richtig - den Mut haben, Dinge auf europäischer Ebene auch dann zu machen, wenn unsere amerikanischen und unsere anderen Freunde nicht mitmachen. Ja, das ist wahr. Diesen Mut sollten wir haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das wäre schon mal gut!) Aber erzählen wir den Leuten nicht, dass wir das national machen könnten; denn das ist nicht die Wahrheit. Meine Damen und Herren, das Haus Europa hat ein gutes Fundament. Aber in einigen Stockwerken dieses Hauses ist Unordnung. Jetzt geht es darum, Ordnung zu schaffen. Das kann ein starkes Land wie Deutschland mit einer starken Regierungschefin. Die Bundesregierung und die Koalition sind entschlossen, diese Ordnung in Europa zu schaffen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Otto Fricke von der FDP-Fraktion. Otto Fricke (FDP): Meine Damen und Herren! Bevor man eine Äußerung als falsch zurückweist, Herr Kollege Trittin, sollte man die Zusammenhänge immer prüfen. Deswegen bitte ich um Entschuldigung, dass meine Kurzintervention erst jetzt erfolgt. Ich möchte Ihnen, Herr Trittin, auch im Namen meiner Fraktion die Möglichkeit geben, zu zeigen, dass Sie ein Mann von Ehre sind, jemand, der eine falsche Äußerung auch zurücknehmen kann. Zu Ihren Aussagen bezüglich des Parteitages der FDP, der Worte von Herrn Pinkwart und des angeblichen Danebensitzens von Herrn Westerwelle möchte ich Folgendes sagen: Erstens. Herr Westerwelle war zu dem Zeitpunkt gar nicht auf dem Parteitag. Das wissen Sie ganz genau. Zu diesem Zeitpunkt war er - Sie können gleich richtigstellen, dass das schlicht eine falsche Aussage von Ihnen war - an einem Ort, den wir alle, glaube ich, als sehr schwierig empfinden, nämlich bei der Trauerfeier für die Soldaten. (Thomas Oppermann [SPD]: Am nächsten Tag war er aber da!) Zweitens. Die FDP hat auf dem Parteitag ein Konzept beschlossen, welches Hilfen für Griechenland gerade nicht ausschließt, sondern im Gegenteil beinhaltet: Wir müssen helfen; das muss aber an klare Bedingungen geknüpft sein. Drittens. Was Sie gesagt haben, Herr Trittin, geht weit über das hinaus, was im Wahlkampf in einem gewissen Maße möglich ist. Ich bitte Sie nochmals: Stellen Sie klar, dass die Äußerungen, die Sie hier im Bundestag zu dem gemacht haben, was Herr Pinkwart gesagt hat, schlicht falsch waren. Ich habe mir eben am Telefon noch einmal die Live-Aufzeichnung - wörtlich - angehört - und kommen Sie mir nicht damit, Sie hätten das irgendwo anders gelesen; wenn man andere Leute zitiert und ihnen ihre Worte zum Vorwurf macht, dann sollte man das genau geprüft haben -: Wer Griechenland Milliardenhilfen in Aussicht stellt und dann vor die deutschen Arbeitnehmer und kleinen Betriebe sich stellt und sagt: "Für euch ist kein Geld da", der schlägt dem Bürger ins Gesicht. (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das ist ja noch schlimmer!) Das ist, glaube ich, immer noch ein himmelweiter Unterschied. Ich bitte Sie, jetzt hier klarzustellen, dass die Äußerung von Herrn Pinkwart so gefallen ist und nicht so, wie Sie es gerade behauptet haben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege Trittin, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lieber Herr Kollege Fricke, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das Verhalten Ihres stellvertretenden FDP-Bundesvorsitzenden hier noch einmal zur Sprache bringen. So geht das auch nicht unter. Sie haben eben mein Zitat, dass er dies als Schlag ins Gesicht der Bürger sieht, ausdrücklich bestätigt. (Otto Fricke [FDP]: Nicht "dies"! Sie haben etwas anderes gesagt!) Ich unterstreiche an dieser Stelle: Der gleiche Herr Pinkwart, der sich in dieser Form (Otto Fricke [FDP]: Nein! Stellen Sie es doch klar!) auf dem FDP-Parteitag und in diversen Hörfunkinterviews - ich könnte Ihnen auch Zitate aus dem Deutschlandfunk mitbringen - geäußert hat, wird in seiner Funktion als stellvertretender Ministerpräsident am kommenden Freitag genau diesem - in seinen Worten - "Schlag ins Gesicht" im Bundesrat zustimmen. (Birgit Homburger [FDP]: Das ist eine unglaubliche Verdrehung!) In einem Punkte gebe ich Ihnen aber ausdrücklich recht: Der Herr Außenminister war mit gutem Grund - mit vollem Respekt von meiner Seite - am Samstag nicht auf dem Parteitag der FDP. (Otto Fricke [FDP]: Er hat also nicht danebengesessen! - Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie haben doch gesagt, er hat danebengesessen!) Ich vermute aber, so wie ich den Kollegen Westerwelle kenne, dass er sich die wesentlichen Äußerungen der Reden am Samstag angehört hat (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Bei der Trauerfeier, oder wie?) und auch diese Passage von Herrn Pinkwart kannte. Als Herr Westerwelle am Sonntag auf dem FDP-Parteitag geredet hat, da hätte ich von ihm als Vizekanzler, als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland und als Vorsitzenden der Partei von Hans-Dietrich Genscher erwartet, dass er diese unglaubliche Äußerung von Herrn Pinkwart zurückweist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dieser Erwartung ist Herr Westerwelle leider nicht gerecht geworden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort zu einer Kurzintervention auf die Rede des Kollegen Friedrich erteile ich der Kollegin Viola von Cramon. Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank. - Herr Kollege Friedrich, Sie stellen hier in den Raum, dass es der IWF gewesen sei, der Griechenland zu diesen sehr ambitionierten Sparpaketen getrieben hat. Das ist nicht korrekt. Griechenland arbeitet - bereits im Dezember des letzten Jahres gab es das erste und im Februar dieses Jahres das zweite Sparpaket - ganz ohne die Unterstützung und die Hilfe des IWF und auch ohne den Druck vonseiten des IWF an einer Lösung des Problems. Deutschland hat an dieser Stelle nichts dazu beigetragen, dass Griechenland sich dazu entschlossen hat, sein Defizit zurückzufahren. Am 4. März dieses Jahres wurde das dritte Sparpaket verabschiedet, wieder ohne die Mitwirkung des IWF. Erst in der letzten Woche ist der IWF auf den Plan getreten. Man hat dann darüber diskutiert, was die Griechen bereits selbstständig und eigenverantwortlich ausgearbeitet haben. Laut dem Handelsblatt von Montag dieser Woche sagte der Direktor des IWF, dass er sehr zufrieden ist mit dem, was Griechenland vorgelegt hat. Erwecken Sie also bitte hier nicht den Eindruck, dass es der internationale oder sogar der Druck aus Deutschland gewesen ist, der Griechenland dazu gebracht hat, Sparmaßnahmen vorzunehmen. Das war es ganz bestimmt nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Griechen sind Gott sei dank im Oktober des letzten Jahres, als die neue Regierung ihre Arbeit aufgenommen hat, selbst zu der Erkenntnis gekommen, dass sie radikale Sparmaßnahmen vornehmen müssen. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege Friedrich, bitte. Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU): Frau Kollegin, ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie noch einmal das bestätigt und unterstrichen haben, was die Frau Bundeskanzlerin hier vorgetragen hat. Wir hatten auf europäischer Ebene gemeinsam die Hoffnung, dass das, was Griechenland an Sparmaßnahmen und Schuldenreduzierung auf den Weg bringt, ausreichen könnte, um die Märkte wieder zu beruhigen und das Land tatsächlich aus der Krise zu führen. Diese Hoffnung konnte man haben. Deswegen war es richtig, nicht gleich zu sagen: "Ihr braucht keine Reformen zu machen, hier habt ihr Geld", sondern die Griechen bei ihren ehrlichen und ernsthaften Bemühungen im Rahmen ihrer Regierungsarbeit moralisch zu unterstützen. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Dann kann man sie aber nicht zugleich niedermachen!) Aber dann - auch das ist in der Regierungserklärung deutlich geworden - hat sich plötzlich herausgestellt, dass all die Bemühungen, die Griechenland unternommen hat, nicht ausgereicht haben. Eurostat hat nämlich festgestellt, dass die Nettokreditaufnahme noch höher liegt. Diese Erkenntnis veranlasste die griechische Regierung dazu, zu sagen: Jetzt sind wir mit unseren Möglichkeiten am Ende; jetzt brauchen wir die internationale Staatengemeinschaft. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Nein! Weil Deutschland unklar war auf den Finanzmärkten!) Dann wurde der IWF eingeschaltet. Das ist die tatsächliche Reihenfolge. Frau Kollegin, ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie noch einmal unterstrichen haben, dass das, was die Bundeskanzlerin hier vorgetragen hat, zutreffend ist. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU - Lachen bei Abgeordenten der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kollegen Norbert Barthle von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Norbert Barthle (CDU/CSU): Sehr verehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen heute in dieser historischen Stunde an einer Weggabelung für die Zukunft Europas. Angesichts der Dimension der Entscheidung, die wir in dieser Woche zu treffen haben, finde ich es ein Stück weit bemerkenswert, mit welch teilweise billiger Polemik hier vonseiten der Opposition versucht wird, innenpolitisches Kapital - womöglich mit Blick auf eine Landtagswahl - zu schlagen. (Lachen des Abg. Jürgen Trittin [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN] - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Versuch der Union und der FDP ist gründlich schiefgegangen!) Es besteht Konsens unter allen Euro-Ländern. Es geht nicht um eine einzelne nationale Maßnahme, sondern um ein Gesamtpaket, das in Abstimmung mit dem IWF, mit der EZB und mit allen Euro-Ländern geschnürt worden ist. Aus dieser schwierigen Situation auf diese billige Weise innenpolitisches Kapital schlagen zu wollen, ist schon bezeichnend. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Darum geht es nicht!) Letztendlich geht es uns doch darum, die Stabilität des Euro zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass diese Währung, die Grundlage unseres gemeinsamen Wohlstands ist, auch in Zukunft sicher ist. Auf diese Weise schützen wir den gesamten Euro-Raum. Natürlich geht es primär darum, Griechenland wieder zahlungsfähig zu machen. Es geht auch darum, die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands zu stärken. Ich finde es bemerkenswert, wenn Herr Gysi an dieser Stelle feststellt, dass die international vereinbarten Maßnahmen ökonomischer Blödsinn seien. Denn diese Maßnahmen zielen gerade darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands zu stärken und Griechenland in die Lage zu versetzen, sich auf den Finanzmärkten zu refinanzieren. Das ist schon bemerkenswert. Man kann an dieser Stelle beobachten, was passiert, wenn ein Land leichtfertig über Jahre hinweg - viel zu lange - von fremdem Geld lebt, sich hoch verschuldet und es dabei versäumt, seine Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lassen Sie sich das bei Ihren Steuersenkungsplänen gesagt sein!) Wir sind der Auffassung: Es gibt tatsächlich keine Alternative zu dieser Rettungsmaßnahme, diesem Notfallprogramm, das wir in dieser Woche auflegen wollen. Es ist mir wichtig, zu erklären: Damit tun wir alles, um das Risiko von den deutschen Steuerzahlern so weit als irgend möglich fernzuhalten. Wir übernehmen eine Ausfallbürgschaft für die Kredite der KfW. Diese Kredite sind letztendlich nichts anderes als Hilfe zur Selbsthilfe. Es gibt keinen Blankoscheck - teilweise wurde das formuliert -: Die Hilfe ist an strenge Auflagen geknüpft. Griechenland hat sich zu einem wirklich drastischen Sparkurs verpflichtet, der daraus resultiert, dass Einnahmeverbesserungen erzielt und durchgreifende Strukturreformen vorgenommen werden müssen. Griechenland will sein Defizit bis 2014 unter die 3-Prozent-Grenze senken. Das ist alle Anerkennung wert. Das Memorandum of Understanding, das abgeschlossen und von den Griechen unterzeichnet wurde, sichert uns zu, dass diese Maßnahmen umgesetzt werden. Immer wieder kommt die Frage: Welche Sicherheiten haben wir? Natürlich kann niemand sagen, dass wir endgültige Sicherheit haben. Dennoch möchte ich an dieser Stelle betonen, dass wir für die erfolgreichen, nachdrücklichen Verhandlungen unserer Bundeskanzlerin und unseres Finanzministers dankbar sein müssen, die erreicht haben, dass der IWF beteiligt wird. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das müssen wir nicht! Die haben alles nur verschlimmert durch ihre unklare Haltung!) Durch die Beteiligung des IWF erhalten die Auflagen, die mit dem Paket verknüpft sind, eine wesentlich größere Durchschlagskraft; wir erhalten bessere Kontrollmechanismen. Dass sich der IWF mit 30 Milliarden Euro finanziell beteiligt, zeigt, dass die internationale Gemeinschaft Vertrauen in die Wirksamkeit dieses Pakets hat. Das ist ein ganz wichtiges Signal. Nebenbei bemerkt: Es ist Bestandteil dieses Paketes, dass regelmäßig, vierteljährlich, eine Überprüfung vorgenommen wird. Diese Überprüfung orientiert sich an quantitativen Leistungskriterien und strukturellen Richtwerten, um die erreichten Fortschritte zu bewerten und gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu beschließen. Im Kontext dieser Überprüfungen können wir als deutsches Parlament jederzeit gegensteuern. Vierteljährlich findet eine Unterrichtung durch die Bundesregierung im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages statt. Wir haben die Möglichkeit, regelmäßig zu kontrollieren, ob die entsprechenden Fortschritte erzielt werden. Die Zahlungspraxis des IWF gestaltet sich folgendermaßen: Die Zahlung weiterer Tranchen ist immer daran geknüpft, dass die Maßnahmen erfolgreich sind. Das ist ein wichtiges Signal an die deutsche Öffentlichkeit; denn damit haben wir ein Stück weit Sicherheit, dass das beschlossene Programm wirkungsvoll umgesetzt wird. Es wurde bereits von den Vorrednern betont, dass es über dieses Programm hinaus notwendig sein wird, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um künftige Vorfälle ähnlicher Dimension zu vermeiden. Ich will das unterstreichen. Wir denken da an zwei verschiedene Bereiche. Einerseits müssen wir es schaffen, auf europäischer Ebene dafür zu sorgen, dass bessere Transparenz und bessere Kontrollmöglichkeiten entstehen. Da ist Eurostat gefragt. Wir müssen es Eurostat ermöglichen, schärfer und besser zu kontrollieren, transparentere, klare Zahlen zu bekommen. Wir müssen entsprechende Sanktionen vorsehen. Bisher wurden auf europäischer Ebene noch nie Sanktionen ausgesprochen. Damit sind Sanktionen ein stumpfes Schwert. Wir müssen die Europäische Union in die Lage versetzen, tatsächlich Sanktionen auszusprechen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Unser Fraktionsvorsitzender hat klipp und klar darauf hingewiesen, dass es gelingen muss, ein Insolvenzverfahren vorzusehen. Wir brauchen die notwendigen Instrumentarien, damit es künftig, wenn noch einmal solch ein Fall eintreten sollte, nicht notwendig ist, in einem mühsamen europäischen Abstimmungsverfahren ein Programm zu beschließen. Vielmehr müssen Regularien bestehen, die sofort greifen können. Andererseits wird es darum gehen, die Finanzmärkte in den Blick zu nehmen. Auch dazu hat die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung das Notwendige gesagt. Es wird darum gehen, eine unabhängige europäische Ratingagentur zu installieren; denn die Ratingagenturen - auch darauf hat der Finanzminister immer wieder hingewiesen - haben in diesem Kontext eine ausgesprochen verstärkende Wirkung erzielt. Das muss künftig verhindert werden. Wir sind gerne bereit, über ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe zu sprechen. Das ist in unserem Maßnahmenpaket vorgesehen. Wir sind auch gerne bereit, über ein Verbot der sogenannten Credit Default Swaps zu sprechen, wenn sie ohne Eigenkapitalunterlegung nur zur Spekulation benutzt werden. Das alles sind sinnvolle Maßnahmen, die wir ergreifen wollen, um die Finanzmärkte besser als bisher regulieren zu können. Aber - das muss man immer wieder hinzufügen - das geht nur im internationalen Kontext. Deshalb wünsche ich mir, dass der Deutsche Bundestag in dieser Woche das vorliegende Maßnahmenpaket mit großer Mehrheit verabschiedet und damit der Bundeskanzlerin den Rücken stärkt, damit sie unser Vorhaben auf internationalem Parkett durchsetzen kann. Danke sehr. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 17/1544 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich unterbreche nun die Sitzung bis 13 Uhr. Der Wiederbeginn der Sitzung wird rechtzeitig durch Klingel-signal bekannt gegeben. Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 10.51 bis 13.00 Uhr) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der Kabinettssitzung von Montag mitgeteilt: Rücknahme der Erklärung der Bundesrepublik Deutschland vom 6. März 1992 zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin der Justiz, Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Bitte schön. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Recht herzlichen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 3. Mai 2010 wurde in der Kabinettssitzung der Beschluss zur Rücknahme des Vorbehalts gegen die Kinderrechtskonvention gefasst. Das war ein wirklich guter Tag für die Kinderrechte. Mit der Rücknahme der Erklärung zur Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen haben wir ein jahrelanges Anliegen des Bundestages umgesetzt. Die Koalition hat jetzt, nachdem jahrelang über dieses Thema diskutiert worden ist, den Durchbruch erreicht. 1989 wurde die Kinderrechtskonvention von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen. Im Jahr 1992 wurde sie von Deutschland ratifiziert, wobei aber mit der Interpretationserklärung bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde Anlass zur Diskussion gegeben wurde. Diese Erklärung betraf das Familienrecht, das Jugendstrafrecht sowie das Ausländerrecht und ist seinerzeit auf Wunsch der Bundesländer zustande gekommen. Viele Initiativen und Flüchtlingsorganisationen haben sich seither für die Rücknahme der Erklärung stark gemacht, nicht nur der Bundestag, sondern besonders auch die Kinderkommission, und zwar einstimmig. Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, diesen Vorbehalt zurückzunehmen. Die Länder haben sich mit der Bundesratsentschließung vom 26. März 2010 für die Rücknahme ausgesprochen. Das war ein ganz wichtiges Signal, ein wichtiger Schritt dahin, dass sich jetzt auch die Bundesregierung zur Rücknahme des Vorbehalts entscheiden konnte. Denn - das hat die Debatten in den letzten Jahren geprägt - es sollte nicht gegen den Willen der Länder erfolgen. Warum haben sich so viele für die Rücknahme des Vorbehaltes über Jahre hinweg eingesetzt, und welche konkreten Folgen resultieren aus der Rücknahme? Deutschland hat natürlich immer die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen respektiert. Die Erklärung sollte nicht die Rechte der Kinder einschränken oder außer Kraft setzen, sondern es ging darum, für die genannten Bereiche Gefahren durch mögliche Fehl- oder Überinterpretationen auszuschließen. Diese Sorgen hatten die Länder immer zum Ausdruck gebracht. Dies bezog sich besonders auf Aspekte des Ausländerrechtes. Deshalb hob die Erklärung hervor, dass die Konvention kein Recht auf widerrechtliche Einreise und Aufenthalt gewähre. Aber natürlich brauchen minderjährige Flüchtlinge einen ganz besonderen Schutz. Die Frage, was wir für minderjährige Asylbewerber und Flüchtlinge tun können, stellt sich in jedem Einzelfall. Die Rücknahme der Erklärung ist daher vor allem ein ganz wichtiges politisches Signal für den Vollzug, das heißt: für die Gesetzesanwender. Es sollte den Ländern Anlass geben, ihre Praxis zu überprüfen und zu überlegen, wie das Kindeswohl stärker berücksichtigt werden kann. Ich denke an aktuelle Fälle, in denen Kinder in Abschiebehaft sitzen. Auch wenn die Abschiebehaft nach der Kinderrechtskonvention grundsätzlich zulässig bleibt, muss sie auf die kürzeste noch angemessene Zeit begrenzt werden. Hier sollten die Länder kritisch überprüfen, wie viele Kinder sich wie lange in Abschiebehaft befinden, und dann entsprechend reagieren. Auch im Bereich der medizinischen Versorgung sollte die Bewilligungspraxis der Sozialbehörden auf die besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern und Jugendlichen, für die das Asylbewerberleistungsgesetz gilt, Rücksicht nehmen. Natürlich ist es richtig, im Asylverfahren nicht nur Jugendlichen bis zum 16. Lebensjahr, sondern bis zum 18. Lebensjahr einen angemessenen Rechtsbeistand zur Seite zu stellen und in diesen Verfahren auch besonders geschulte Sachbearbeiter einzusetzen. Insgesamt ist mit der Entscheidung über die Rücknahme ein ganz wichtiges Zeichen gesetzt worden, auch auf internationaler Ebene. Unsere Botschaft ist klar: Für uns steht das Kindeswohl im Mittelpunkt unserer Politik. Vielen Dank. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Danke schön. - Als erste Fragestellerin zu diesem Themenbereich hat Ekin Deligöz, Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, das Wort. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre Ausführungen. In der Tat ist es ein großer Schritt, diese Vorbehalte zurückzunehmen. Es steht Deutschland auch international sehr gut zu Gesicht, das zu tun. Sie haben hinsichtlich der Konsequenzen oft an die Länder appelliert. Mich interessiert, welche Konsequenzen Sie als Bundesministerin daraus ziehen. Das heißt: Was werden Sie konkret tun, sei es gesetzlich oder untergesetzlich, um diese Rechte der Kinder bundesweit durchzusetzen? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Vielen Dank, Frau Deligöz, für die Frage. Ich möchte noch einmal betonen, dass es gerade dieser Regierung gelungen ist, und zwar mit Zustimmung aller Bundesländer, hier weiterzukommen. Das haben andere Regierungen, die sich natürlich auch immer um das Kindeswohl bemüht haben, nicht erreicht. Auf Bundesebene haben wir keinen Gesetzgebungsbedarf. Bei der Erklärung spielte zum einen das Familienrecht eine Rolle. Hier sind nach 1992 mit der Kindschaftsrechtsreform bereits Änderungen erfolgt und Unterschiede zwischen ehelichen und nicht ehelichen Kindern so weit wie möglich beseitigt worden. Nach der Kinderrechtskonvention wird nicht ein ganz bestimmtes Modell vorgegeben. Aber vor dem Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs werden wir die Frage des Sorgerechts von nicht verheirateten Eltern, gerade auch von Vätern, zu beraten haben. Hier arbeiten wir bereits an einem Gesetzentwurf. Im Bereich des Jugendstrafrechts geht es um einen rechtskundigen oder anderen geeigneten Beistand zur Vorbereitung und Wahrnehmung der Verteidigung. Nach dem geltenden Recht besteht die Pflicht zur Bestellung eines Pflichtverteidigers, wenn es keinen Wahlverteidiger gibt und das Kind nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen. Diese Regelung greift unmittelbar. Insofern müssen wir auch hier auf Bundesebene nicht gesetzgeberisch tätig werden. Auch im Bereich des Asyl- und Ausländerrechts sehen wir keinen legislativen Handlungsbedarf auf Bundesebene. Es wird verlangt, gerade Flüchtlingskindern, ob begleitet oder unbegleitet, angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe zu gewähren. Insbesondere in diesem Bereich - ich habe einige Bereiche angesprochen - kommt es auf die Länder an. Die Länder waren im Vorfeld der Befassung des Kabinetts sehr konstruktiv. Sie haben sich in mehreren Bundesratssitzungen damit befasst, ob sie einer Rücknahme der Erklärung zustimmen können bzw. damit einverstanden sind. Die ursprünglichen Vorbehalte der Länder - egal wer in den Ländern in Regierungsverantwortung steht - sind in dieser Form nicht mehr belegt. Aber wir werden natürlich - die nächste Justizministerkonferenz im Juni bietet dazu sicherlich eine gute Gelegenheit - mit den Ländern darüber reden, was passiert und wie sich die Situation nach der Rücknahme des Vorbehaltes und der Zuleitung des Kabinettsbeschlusses an den Generalsekretär der Vereinten Nationen konkret darstellt. Wir werden dann letztendlich zu gewichten haben, ob es hier, an welche Stelle auch immer adressiert, gesetzgeberischen Handlungsbedarf geben sollte. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Die nächste Frage stellt Diana Golze. Diana Golze (DIE LINKE): Vielen Dank. - Frau Ministerin, ich möchte an die Fragen meiner Kollegin Deligöz anschließen. Natürlich begrüße auch ich die bevorstehende Rücknahme des Vorbehalts. Aber ich denke schon, dass sich hier für uns als Bund Handlungsbedarf für Gesetzesänderungen abzeichnet. Ich nenne als Beispiel die ausdrückliche Verankerung des Vorrangs des Kindeswohls im Asylverfahrens- und Asylbewerberleistungsrecht sowie im Aufenthaltsgesetz. Sie haben vorhin gesagt, dass die Abschiebehaft laut UN-Kinderrechtskonvention grundsätzlich zulässig bleibt. Wir könnten es uns doch durchaus erlauben, darüber hinauszugehen und zu sagen: Während des Verfahrens verbieten wir die Aufnahme von minderjährigen Flüchtlingen in Abschiebehaft. Wir verbieten die Abschiebung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge. Hier sehe ich den Bund in der Pflicht. Gerade jetzt, da wir auf die Zustimmung der Länder hoffen können, sollte der Bund auf die Länder in den Fragen zugehen, in denen die Landesgesetzgebungen betroffen sind. Ich denke hier zum Beispiel an den Schulbesuch von Kindern unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Herzlichen Dank, Frau Kollegin, dass Sie noch einmal meine Auffassung bestätigt haben, dass es nach der Konvention jetzt nicht geboten und rechtlich vorgegeben ist, die Abschiebehaft für Jugendliche abzuschaffen. Das ist die richtige juristische Bewertung. Etwas anderes ist die politische Diskussion, die hierüber geführt werden muss. Die Konvention verbietet die rechtswidrige oder willkürliche Inhaftierung und hält die Abschiebehaft als letztes Mittel in der kürzesten angemessenen Zeit für anwendbar. Das ist der rechtliche Rahmen, in dem wir uns bewegen. Die Debatte darüber, ob man über diese Regelungen hinausgeht, ohne dazu durch die Konvention verpflichtet zu sein, ist natürlich den Ländern, aber auch dem Bundestag und den Fraktionen unbenommen. Ich darf auf einen weiteren Punkt hinweisen: Sie haben den Schulbesuch von Kindern ohne Aufenthaltsberechtigung angesprochen, die sich also illegal hier aufhalten. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist - ich glaube nicht, dass das bei den Vorgängerregierungen in den Jahren nach 1998 der Fall war -, im Koalitionsvertrag festzuschreiben, dass gerade die Vorschriften hinsichtlich der aufenthaltsgesetzlichen Übermittlungspflichten öffentlicher Stellen geändert werden, sodass der Schulbesuch von Kindern ermöglicht wird. Ansonsten können Kinder, die sich illegal in Deutschland aufhalten, nicht zur Schule gehen, weil in einem solchen Fall Meldepflicht besteht und dann entsprechende Konsequenzen gezogen werden. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gesundheitsvorsorge!) Genau diesen Punkt haben wir in Verantwortung gegenüber den Kindern und dem Kindeswohl als CDU/ CSU/FDP-Koalition in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Ich glaube, daran sieht man, wie ernst wir gerade diese Frage nehmen und wie konkret wir uns im Gegensatz zu anderen Regierungen auf Verbesserungen verständigt haben. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sehr konkret war das nicht!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollege Peter Tauber. Dr. Peter Tauber (CDU/CSU): Frau Ministerin, zunächst herzlichen Dank für diesen Erfolg. Ich glaube, dass er zu gleichen Teilen der Einsicht der Länder als auch Ihrem Charme geschuldet ist. Mich interessiert nun: Erfüllt die Bundesregierung bereits jetzt, das heißt unabhängig von der Rücknahme der Vorbehaltserklärung, alle sich aus der Kinderrechtskonvention ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtungen? Oft hat man ein bisschen die Sorge, dass in der öffentlichen Debatte aufgrund dieser Rücknahme der Eindruck entstehen könnte, das sei bisher nicht der Fall gewesen. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Deutschland hat sich allen völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nur theoretisch verpflichtet gefühlt, sondern ist diesen Verpflichtungen natürlich auch immer nachgekommen. Hier gab es gerade nach 1992 in manchen Bereichen gesetzliche Änderungen. Ich denke besonders an die 1998 vorgenommene Kindschaftsrechtsreform im Familienrecht, die, wenn sie vorher vorgenommen worden wäre, damals bei Zeichnung der Konvention ohne Abgabe des Erklärungsvorbehaltes eher zu Problemen hätte führen können. Aber wir erfüllen die Verpflichtungen aus der Konvention. Für mich geht es jetzt vorrangig darum, zu klären, was das für die Gesetzesanwendung bedeutet. International stehen wir damit gut da. Zu Recht sind die Organisationen - UNICEF, Pro Asyl und viele andere -, die sich der Situation von Kindern annehmen, mit der Entscheidung des Kabinetts einverstanden. Ich denke, das ehrt diese Koalition. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollegin Katja Dörner. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen herzlichen Dank für Ihre Ausführungen. Ich möchte Sie ganz konkret fragen, ob die Bundesregierung jetzt als Folge der Rücknahme der Vorbehaltserklärung plant, Kinder und Jugendliche aus dem Asylbewerberleistungsgesetz heraus-zunehmen. Sie wissen, dass das erhebliche Folgen hätte, beispielsweise hinsichtlich der Versorgung im Gesundheitswesen und mit Blick auf das Existenzminimum. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Die Regierung hat nicht die Absicht, jetzt das Asylbewerberleistungsgesetz zu ändern. Natürlich können die Länder durchaus gerade für minderjährige Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr Regelungen schaffen, zum Beispiel - in Bayern wird aktuell darüber verhandelt - dass keine Verpflichtung zur Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften besteht. Da ist die Situation in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Aber kaum irgendwo ist vereinbart worden, dass man das - ohne gesetzliche Änderung - im Rahmen von § 53 Asylverfahrensgesetz regelt. Auch hier besteht ganz klar die Möglichkeit, in sehr viel größerem Umfang das Kindeswohl zu berücksichtigen und entsprechend tätig zu werden. Aber wir haben uns auf Bundesebene - das liegt nicht in der Kompetenz des Justizministeriums - nicht darauf verständigt, das Asylbewerberleistungsgesetz zu ändern. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollegin Marlene Rupprecht ist die Nächste. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Frau Ministerin, ich kann es nur begrüßen, wenn die Vorbehalte zurückgenommen werden. Mit diesem Schritt signalisieren wir nach außen, dass wir nicht mehr zwischen 0- bis 15- und 16- bis 18-Jährigen unterscheiden. Das hat uns international immer Rüffel eingebracht. Deshalb begrüße ich diese Rücknahme und bin dankbar, dass wir das geschafft haben. Mit der Rüge war aber immer auch verbunden, dass es Folgen hatte, dass wir 16- bis 18-Jährige nicht als Kinder angesehen haben, wie es die UN-Kinderrechtskonvention eindeutig vorschreibt. Die Vorbehalte, die Sie eben schon erwähnt haben, haben wir mit gesetzlichen Regelungen außer Kraft gesetzt, zum Beispiel beim Kindschaftsrecht und in Bezug auf die Kindersoldaten. Durch diese gesetzlichen Regelungen wurde die Wirkung erzielt, die durch die Vorbehalte verhindert wurde. Wenn wir nun nicht nur eine Wirkung nach außen erzielen wollen, sondern auch nach innen, wenn die Rücknahme der Vorbehalte also nicht nur ein Placebo oder ein Feigenblatt sein soll, müssen wir entsprechende Konsequenzen ziehen, vor allem im Jugendhilferecht. Kinder bis 18 haben nach den internationalen Standards - egal woher sie kommen und wer sie sind - das Recht auf Jugendhilfe, das Recht auf Bildung, das Recht auf Gesundheit, auch das Recht darauf, nicht eingesperrt zu werden. Wenn nun die Vorbehalte nur formal und mit Wirkung nach außen zurückgenommen werden, ändert sich an den Fakten des Rechts nichts. Deshalb ist meine Frage: Wann und wie - da ist der Bund nicht allein zuständig, weil das Jugendhilferecht zum Beispiel auch auf die Schulgesetze durchschlägt und eine entsprechende Umsetzung erfolgen muss - beabsichtigen die Länder, das tatsächlich umzusetzen? Denn sonst ist die Rücknahme ein Placebo, und wir hätten darauf verzichten können. Die bisherige Kritik war eben, dass die Folgen aus den Vorbehalten mit Blick auf die Kinder nicht hinnehmbar sind. Deshalb die Frage an Sie: Wie sind die Länderminister Ihrer Partei aufgestellt? Denn die haben bisher immer gebremst, wenn es ans Eingemachte, nämlich an die tatsächliche Gesetzesänderung, ging. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Ich kann berichten, dass die Länder gerade in den vergangenen Jahren, was zum Beispiel die Schulpflicht anbetraf, das Recht dahingehend geändert haben, den Schulbesuch auch ausreisepflichtigen Flüchtlingen zu gewähren. Das ist im Saarland, in Baden-Württemberg und in anderen Ländern geschehen. Zu meinen, es sei in den vergangenen Jahren nichts passiert, ist nicht richtig. Vielmehr ist mit Druck des Bundestages, der in ständiger Wiederholung deutlich gemacht hat, dass etwas passieren muss, die Gesetzgebung in den Ländern angepasst und die Situation für jugendliche Flüchtlinge verbessert worden. Was das Asylbewerberleistungsgesetz angeht, wird eine Rolle spielen, wie sich nach Rücknahme des Vorbehalts die Bewilligungspraxis in den Ländern gerade im Hinblick auf Kinder, besonders auf traumatisierte Kinder, entwickeln wird. Ich bin froh, dass es gelungen ist, die Länder von diesem Schritt zu überzeugen. Sie haben sich im Bundesrat in eigener Verantwortung in mehreren Sitzungen dazu eingelassen, zu sagen: Jawohl, wir sind damit einverstanden, dass der Vorbehalt zurückgenommen wird. - Jetzt wird auch in den Ländern debattiert - das wird von den jeweiligen Fraktionen und politischen Kräften mit betrieben -, wie man konkret und vielleicht auch durch eine Gesetzesänderung gewisse Dinge auf Landesebene verbessern kann. Dieser Prozess wird jetzt in Gang kommen. Man merkt dies an den Reaktionen der jeweils betroffenen Verbände, Organisationen und Initiativen. Von daher wären wir ohne das Handeln der Bundesregierung, ohne die Unterstützung der Länder und natürlich der Koalitionsfraktionen im Vorfeld und ohne die Koalitionsvereinbarung überhaupt nicht in die Situation gekommen, über die Gesetzesänderungen, die in den letzten Jahren vorgenommen worden sind, hinaus einen möglichen Handlungsauftrag zu sehen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Jetzt Kollegin Michaela Noll. Michaela Noll (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Ministerin, auch von meiner Stelle ein herzliches Dankeschön. Sie haben mit Ihrem Handeln ein deutliches politisches Signal für mehr Kinderfreundlichkeit in Deutschland gesetzt. Ich glaube, es war nicht schädlich, dass dies zwei Mitglieder der Kinderkommission - deswegen auch ein herzliches Dankeschön an meine Kollegin Gruß - mitbegleitet haben. Wir sind seit 2002 Mitglieder der Kinderkommission. Die Zurücknahme des Vorbehalts war einheitlich unser Wunsch. Jetzt haben wir es vollbracht. Es ist tatsächlich die erste Bundesregierung, die dies jetzt auf den Weg gebracht hat. Wir haben zwar vorher viel diskutiert; aber jetzt wird es Tatsache. Ich glaube, dies ist ein wirklich gutes Zeichen für uns hier und meiner Meinung nach auch auf internationaler Ebene, das zeigt: Wir nehmen unsere Vorbildfunktion wahr. Wir wissen, dass es noch ein, zwei Länder gibt, die dies nicht auf den Weg gebracht haben. Vielleicht könnten wir diese mit diplomatischem Geschick anstoßen, unserem guten Weg zu folgen. Es wird oft in den Raum gestellt, dass wir, gerade was das Aufenthalts- und Asylverfahrensrecht von Kindern angeht, den Vorgaben der Kinderrechtskonvention nicht entsprechen. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass schon das jetzige Verfahren, die Art und Weise, wie wir mit Kindern umgehen, den Vorgaben der Kinderrechtskonvention entspricht. Ich würde das gerne von Ihnen dargelegt bekommen. - Danke schön. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Recht herzlichen Dank, Frau Noll. - Ich habe es deutlich gemacht: Ohne die fraktionsübergreifende Unterstützung der Kinderkommission, die sich diesen Fragen aus tiefer Überzeugung und mit großem Nachdruck annimmt, wären nicht dieser ständige Druck und diese Erwartungshaltung aufgebaut worden, die dazu geführt haben, dass wir diesen Vorbehalt als erste Regierung nach 1992, nachdem der Vorbehalt eingelegt worden ist, zurücknehmen. Ich möchte Ihnen bestätigen, dass ich unmittelbar aus der Konvention keine legislative Handlungsnotwendigkeit und keine Verpflichtung, Gesetze zu ändern, konstatieren kann. Unsere Situation entspricht vielmehr den Forderungen der Konvention. Was man in der Praxis, in der Gesetzesanwendung verbessern kann, ist vorrangig Aufgabe der Länder. Weitere Diskussionen müssen dann dort geführt werden, wo man meint, Forderungen erheben zu wollen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Es gibt noch eine ganze Reihe von Fragestellern. Deswegen bitte ich um Kürze bei den Fragen und vielleicht auch um Kürze bei den Antworten, damit wir noch viele Fragesteller befriedigen können. Jetzt Miriam Gruß. Miriam Gruß (FDP): Sehr geehrte Frau Ministerin, auch bei der FDP-Fraktion herrscht große Freude. Der Vorbehalt wäre in diesem Jahr 18 Jahre alt, also erwachsen geworden. Nun ist er vom Tisch. Ich freue mich außerordentlich, dass es dieser Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen gelungen ist, den Vorbehalt aufzuheben. Ich darf daran erinnern: Wir hatten es geschafft, die Rücknahme der Vorbehaltserklärung im Koalitionsvertrag zu verankern. Wir haben später hier im Bundestag eine Debatte dazu geführt, in der zum Ausdruck kam, dass die Opposition es uns nicht zutraut, das zu schaffen. Ein paar Monate später haben wir es schon geschafft. Deswegen wundern mich ein paar Fragen vonseiten der Kolleginnen und Kollegen. Ich will an das große Ziel erinnern, für das wir von der FDP - ich habe in den letzten vier Jahren für meine Fraktion in der Kinderkommission Verantwortung getragen - und viele Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen gekämpft haben: die Aufhebung der Vorbehaltserklärung. Das wäre nicht gelungen, wenn nicht auch von Ihnen, Frau Justizministerin, ein permanenter Druck auf die Länder ausgeübt worden wäre, sich zu bewegen. Dass sich die Länder bewegt haben, merkt man daran, dass der Bundesrat im März die aktuelle Kabinettsentscheidung ermöglicht hat. Mit dieser Entscheidung setzen wir Signale in zwei Richtungen: nach innen, aber auch nach außen. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Rede! Frage!) Es wurden schon viele Fragen dazu gestellt, wie sich die Entscheidung nach innen auswirkt. Mich würde interessieren, wie sie nach außen - - Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, wollten Sie nicht ursprünglich eine Frage stellen? (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Miriam Gruß (FDP): Herr Präsident, ich akzeptiere das; aber just in dem Moment wäre meine Frage gekommen: Wie waren die Reaktionen im Ausland? Wurden schon Reaktionen an Sie herangetragen? Wir haben von UNICEF Deutschland gehört; vielleicht können Sie davon berichten. Ich glaube, dass wir international ein großes Zeichen gesetzt haben. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Vor der heutigen Information des Parlamentes über unseren Beschluss, der am Montag gefasst worden ist, haben wir uns natürlich noch nicht an viele Stellen gewandt. Wir haben die Rücknahme des Vorbehalts noch nicht übermittelt. Das wird jetzt, nach dieser Regierungsbefragung, passieren: Durch Übermittlung an den Generalsekretär der Vereinten Nationen wird die Rücknahme verfahrensmäßig vollzogen. Die E-Mails, die ich als Reaktion auf die Entscheidung erhalten habe, bringen große Freude und Begeisterung darüber zum Ausdruck, dass sich gerade Deutschland, ein wichtiges Land, in den Kreis derjenigen einreiht, die die Achtung der Kinderrechte und des Kindeswohls auf ihre Fahnen schreiben. Wenn ich Gelegenheit dazu erhalte, werde ich gern über weitere Reaktionen berichten. Wir werden hier im Bundestag sicherlich in vielen Bereichen über das Kindeswohl diskutieren. Dann werden Sie erfahren, welche Reaktionen es aus anderen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen gab. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nächste Fragestellerin ist Dagmar Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Frau Ministerin, man könnte in diesem Zusammenhang sagen: Was lange währt ... Nach 18 Jahren wurde der Vorbehalt aufgehoben; die Konvention ist älter. Sie haben auf die Länder abgehoben: Sie schieben die Verantwortung ein Stück weit auf die Länder. Ich möchte dennoch nachfragen - das hat bei anderen Fragen schon eine Rolle gespielt -: Was gedenkt die Bundesregierung, die Justizministerin zu tun, um die Konvention tatsächlich in nationales Recht umzusetzen? Vor allen Dingen: An welchen Punkten will die Bundesregierung im nationalen Recht über die Konvention hinausgehen? Ich nenne das Stichwort Abschiebehaft. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Zunächst einmal möchte ich sagen, dass das nationale Recht den geschriebenen Vorgaben in den Artikeln der Konvention entspricht. Bei der Überlegung, was weiter passieren kann, ist die Bundesregierung zuallererst an das Grundgesetz gebunden. Wir sind ein föderaler Bundesstaat. Deshalb verweise ich zu Recht auf die Länder und ihre Befindlichkeiten. Ich werde hier überhaupt nicht sagen, welche Überlegungen die Länder vielleicht anstellen sollten, welche Gesetzgebung sie in Angriff nehmen könnten. Das ist wirklich zuallererst den Ländern überlassen. Ich habe schon mehrmals betont: Es geht gerade und vor allem um die Gesetzesanwendung in den Ländern. Es ist den jeweiligen Fachleuten und den Länderministern unbenommen, auf den jeweiligen Treffen der Justizminister, der Innenminister, der Familien- und Sozialminister den Austausch zu pflegen und sich dabei mit konkreten Fragen zu befassen. Aus diesen Reihen können Initiativen der Länder hervorgehen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Die Regierung macht also nichts!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nun stellt Ute Granold eine Frage. Ute Granold (CDU/CSU): Frau Ministerin, die Diskussion über die Rücknahme der Vorbehaltserklärung gehört bald der Vergangenheit an. Ich habe eine konkrete Frage zu Art. 18 der UN-Kinderrechtskonvention. Bislang gab es eine Interpretation der Bundesregierung zur gemeinsamen elterlichen Sorge bei Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind. Hat die Rücknahme der Vorbehaltserklärung Auswirkungen auf die aktuelle Arbeit, was die Neuregelung der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern angeht? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Nein, daraus ergibt sich keine unmittelbare Auswirkung auf die Überlegungen der Bundesregierung, die gemeinsame Sorge Nichtverheirateter unter bestimmten Voraussetzungen zu ermöglichen. Die Konvention schreibt kein bestimmtes Modell vor. Vielmehr muss nach dem EGMR die Möglichkeit bestehen, rechtlich durchzusetzen, dass es gemeinsame Sorge gibt. Wie wir das machen wollen, da haben wir nach wie vor Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Ute Granold (CDU/CSU): Danke. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Die nächste Frage stellt Andrea Voßhoff. Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU): Frau Ministerin, auch ich möchte mich dem Dank für die gute Entscheidung der christlich-liberalen Bundesregierung anschließen. Mich würde in diesem Zusammenhang interessieren, wie sich das weitere Verfahren der Rücknahme im Einzelnen gestaltet, insbesondere im Lichte der Beteiligung der Länder nach dem Lindauer Abkommen. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Vielen Dank, Frau Voßhoff. - Zunächst zum formalen Verfahren gegenüber den Vereinten Nationen. Der Kabinettsbeschluss wird dem Generalsekretär der Vereinten Nationen mitgeteilt, und zwar durch das Auswärtige Amt auf dem Wege einer Verbalnote. Zum Lindauer Abkommen. Das Lindauer Abkommen sieht bestimmte Regelungen zur Beteiligung der Länder vor. Es ist aber nicht unmittelbar einschlägig, da es sich bei der Rücknahme des Vorbehalts nicht um einen Akt der Gesetzgebung handelt. Wir müssen kein Gesetz verabschieden - dann hätten wir eine unmittelbare Anwendung des Lindauer Übereinkommens -, sondern wir nehmen den Vorbehalt durch Kabinettsbeschluss und eine Mitteilung an den Generalsekretär der Vereinten Nationen zurück. Wir reagieren so, damit die Konvention in Deutschland in allen Punkten, ohne Einschränkung gilt. Es könnte sich mittelbar aus dem Lindauer Abkommen eine Anwendung ergeben, wenn es um ausschließliche Ländergesetzgebungskompetenz ginge. Das ist aber nicht der Fall. Es hat nichts damit zu tun, ob sich aus der Konvention eine Verpflichtung zur Gesetzgebung ergibt oder nicht. Ich habe klar die Auffassung der Bundesregierung wiedergegeben. Ausländerrecht, Asylbewerberleistungsgesetz, Familienrecht, Jugendstrafrecht oder Kinder- und Jugendhilferecht unterliegen nicht der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder, sondern auch der Bundesgesetzgebung. Deshalb haben wir nach sorgfältiger Prüfung zu dem Ergebnis kommen müssen, dass kein weiteres Verfahren gemäß dem Lindauer Übereinkommen einzuleiten ist. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Als Nächster stellt Frank Heinrich eine Frage. Frank Heinrich (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Ministerin, ich habe eine Frage zum Verfahren, das Sie angesprochen haben. Wann können wir damit rechnen, dass es gültig wird? Ich habe auch noch eine konkrete Frage zum Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen, die möglicherweise als Kindersoldaten eingesetzt waren. Wie ist es um deren Rechtssicherheit bestellt? Sind sie rechtlich geschützt? Denn sie haben Furcht davor, dass sie wegen der Straftaten, zu denen sie gezwungen wurden, belangt werden. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Zu Ihrem ersten Punkt. Ich kann Ihnen kein genaues Datum nennen, weil das Auswärtige Amt die Verbalnote dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zuzuleiten hat, aber aufgrund der Tatsache, dass wir nach Einlegung des Vorbehaltes 18 Jahre gebraucht haben, um die Entscheidung zu fällen, werden wir natürlich dafür sorgen, dass es so zügig wie möglich vonstatten geht. Wir werden Sie entsprechend unterrichten. Zum Thema Kindersoldaten. Es hat sich hinsichtlich der Konvention nichts ergeben. Bei Kindersoldaten, die gezwungen werden, andere Menschen, Angehörige oder Freunde zu bedrohen oder zu schädigen, und die sich wegen entsprechender Altersgrenzen möglicherweise strafbar gemacht haben, kam es in Deutschland meines Wissens noch nie zu Strafverfahren. Ich denke, in einer solchen Notsituation sind andere Aspekte zu berücksichtigen. Deswegen wird keiner daran denken, entsprechende Schritte einzuleiten. Man muss froh über jedes Kind sein - der Ausdruck "Kindersoldat" verharmlost das, was mit diesen Kindern passiert -, das aus dieser Situation herauskommen kann. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Die beiden letzten Fragestellerinnen sind Katja Dörner und Ekin Deligöz. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte konkret nach der Schulpflicht fragen. Ich entnehme dem aktuellen Staatenbericht, dass beispielsweise in Hessen Kinder und Jugendliche, die keinen Aufenthaltsstatus haben, weiterhin nicht schulpflichtig sind. Meine Frage lautet: Stimmen Sie mit mir darin überein, dass das nach der Rücknahme der Vorbehaltserklärung nicht mit der UN-Kinderrechtskonvention übereinstimmt? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Die Länder haben unterschiedliche Regelungen gewählt. Baden-Württemberg knüpft die Schulpflicht an den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthaltsort, aber nicht an den rechtlichen Aufenthaltsstatus. Ich habe schon in mehreren Antworten zum Ausdruck gebracht, dass nun die jeweiligen Länderregierungen genau prüfen müssen, inwieweit sie ihre Landesgesetze anpassen und in welcher Form sie das tun wollen. Aber eines ist klar: Der Aufenthaltsstatus selbst, also die rechtliche Zuordnung, soll nicht dafür ausschlaggebend sein, dass minderjährige Jugendliche von der Schule wegbleiben bzw. dass ihnen der Schulbesuch verwehrt wird. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nun hat Ekin Deligöz das Wort. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Ministerin, ich habe Ihnen sehr genau zugehört und habe Ihren Ausführungen entnommen: Sie nehmen zwar symbolisch die Vorbehalte zurück, sehen aber auf der Bundesebene keinerlei Handlungsbedarf. Sie appellieren an die Länder, ihren Prüfauftrag wahrzunehmen und darüber nachzudenken, ob sie die Möglichkeit sehen, etwas zu verändern. Wenn Sie auf Bundesebene nichts unternehmen wollen und an die Länder appellieren, dann interessiert mich: Haben Sie im Zusammenhang mit der Rücknahme konkrete Vereinbarungen mit den Ländern geschlossen, die darauf abzielen, dass sich etwas verändern soll und muss, oder hat das, was Sie sagen, lediglich Appellcharakter, und wollen Sie das, was Sie vorhaben, auf einer der nächsten Justizministerkonferenzen - womöglich unter "Verschiedenes" - ansprechen? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Frau Deligöz, die Grünen selbst haben Regierungsverantwortung in den Ländern. Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, dass sich die Grünen, als sie selber noch Verantwortung im Bund getragen haben, jemals im Kabinett mit der Rücknahme des Vorbehalts befasst hätten. Mir ist nichts erinnerlich. Es tut mir leid: Aber wir machen es! Das als einen reinen Appell niederzumachen, halte ich in der Sache für überhaupt nicht angemessen und angebracht. Ich kann nicht verstehen, wie nun einige anfangen, das kleinzureden. So viel zum ersten Punkt. Der zweite Punkt ist: Mich freut sehr, wenn ich Vorschläge aus Hamburg bekomme, aus denen hervorgeht, dass man nun dringenden Bedarf an Gesetzesänderungen sieht. Ich warte auf solche Vorschläge und werde gerne mit Herrn Steffen darüber sprechen. Ich mische mich aber angesichts unserer föderalen Struktur nicht in Überlegungen der Länder ein. Diese verbitten sich das zu Recht. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie nichts machen wollen, sagen Sie es einfach!) Deshalb wird das die Bundesregierung auch nicht tun. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie einfach, dass Sie nichts machen wollen!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Danke schön, Frau Ministerin. - Mir liegen bereits seit längerem noch zwei Anmeldungen von Fragen zu anderen Themen der Kabinettsitzung vor. Zuerst Volker Beck und dann Kollege Matthias Miersch. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe eine Frage an das Bundesinnenministerium. In der Liste 1 zur Kabinettsitzung hat die Bundesregierung den Entwurf eines Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 2010/2011 verabschiedet, das eine entsprechende Anpassung der Amts- und Versorgungsbezüge der Mitglieder der Bundesregierung und der Parlamentarischen Staatssekretäre beinhaltet. Können Sie uns bitte sagen, wie hoch diese Erhöhungen für die Bundesminister und die Parlamentarischen Staatssekretäre jeweils ausfallen und warum Sie vonseiten der Bundesregierung, obwohl weder ein Gesetz zur Anpassung der Hartz-IV-Bezüge verabschiedet wurde noch das Hohe Haus bisher über eine Anpassung seiner Bezüge diskutiert hat, einseitig vorpreschen und es anders halten als in der 16. Wahlperiode, als die Bundesregierung festgestellt hat - Drucksache 16/9341 -, dass sie auf die entsprechenden Anpassungen verzichtet? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Für uns ist wichtig, dass die Tariferhöhung bei den Beamten wirkungsgleich umgesetzt wird. Dazu, welche genauen Auswirkungen das hat, kann ich Ihnen zahlenmäßig nichts sagen. Ich würde Ihnen das gerne schriftlich übermitteln. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn das heute noch möglich wäre. Aber wie rechtfertigen Sie diese Maßnahme angesichts dessen, dass in der 16. Wahlperiode anders verfahren wurde? Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Staatssekretär, können Sie darauf noch antworten? Wenn nicht, wäre das erledigt. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Wir würden Ihnen gerne schriftlich mitteilen, welche konkreten Auswirkungen das hat. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wollte die Begründung wissen!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nun Kollege Matthias Miersch. Dr. Matthias Miersch (SPD): Ich habe eine Frage an das Bundesumweltministerium. Wir konnten der öffentlichen Berichterstattung entnehmen, dass es einen Streit zwischen Bundesminister Röttgen und Bundesminister Schäuble über die Frage der Finanzierung vieler Programme, der kommunalen Klimaschutzprogramme, der Marktanreizprogramme, und der damit verbundenen Sperrung der Haushaltsmittel gab. Augenblicklich warten ganz viele in den Kommunen, aber vor allen Dingen auch im Mittelstand darauf, dass die Entsperrung stattfindet. Das Bundesumweltministerium möchte ich fragen, inwieweit dieser Streit noch ausgefochten wird, wann mit der Lösung zu rechnen ist und ob das in den nächsten Wochen der Fall sein kann. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Staatssekretärin. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Miersch, das Bundesumweltministerium streitet immer an vorderster Stelle, wenn es darum geht, sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Darum bemühen wir uns nach wie vor. In der Tat ist es richtig, dass 115 Millionen Euro, die wir für das Marktanreizprogramm dringend brauchten, gesperrt sind. Wir wissen, wie erfolgreich dieses Programm ist. Die 115 Millionen Euro Förderung hätten dazu geführt, dass über 900 Millionen Euro Investitionen ausgelöst würden. Wir sind davon überzeugt, dass diese Argumente und der Erfolg des Programms, der unmittelbar Auswirkungen auf die einheimische Wirtschaft hat, auch das Finanzministerium überzeugen wird, das Programm fortzusetzen. Wir sind noch in Verhandlungen. Ich weiß aber, dass die Haushälter und Fachpolitiker der Koalitionsfraktionen dies mit uns bestreiten. Wir hoffen, dass wir auf einem guten Weg sind. Ein Zusatz sei mir erlaubt: Die Mittel kommen aus dem Verkauf der Emissionszertifikate. Zur Wahrheit gehört es, zu sagen, dass die Wirtschaftskrise auch dazu geführt hat, dass wir nicht mehr in dem Maße über Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten verfügen, wie das in wirtschaftlich guten Zeiten der Fall war, als die Große Koalition sich entschlossen hat, Mittel aus dem Verkauf von Zertifikaten für Klimaschutzmaßnahmen auszugeben. Insofern müssen wir uns der Tatsache gegenübersehen, dass wir nicht die Einnahmen aus dem Verkauf von Zertifikaten zur Verfügung haben, mit denen wir in wirtschaftlich guten Zeiten gerechnet haben. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Fragestunde - Drucksache 17/1534 - Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Dr. Barbara Hendricks auf: Welche Bemühungen wendet die Bundesregierung dafür auf, die Vergabe von Landtiteln an die ländliche Bevölkerung in Kambodscha gerade in den Regionen zu unterstützen, in denen großflächige Zuteilungen von Land an private Investoren durch die kambodschanische Regierung vorgenommen werden - sogenanntes Land-Grabbing - und somit zu befürchten ist, dass dortige ländliche Bevölkerungsteile kaum noch Aussicht auf Landtitel haben? Bitte sehr, Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Dr. Hendricks, ich antworte Ihnen wie folgt: Die großflächige Zuteilung von Land- und Minenkonzessionen ist neben der Flächenfragmentierung durch Bevölkerungswachstum sowie Landverkauf in Notlagen eine wesentliche Ursache für die Zunahme landloser und landarmer Haushalte in Kambodscha. Mit dem Landgesetz von 2001 wurden vier Kategorien von Land festgelegt: privates Land, öffentliches Staatsland, privates Staatsland und Land der Pagoden. De facto hat erst mit der Verabschiedung des Landgesetzes die Ausgabe von Rechtstiteln auf privates Landeigentum begonnen. Die mehrheitlich arme ländliche Bevölkerung nutzt privates Staatsland, das durch die Landtitelvergabe mittelfristig vollständig privatisiert wird. Die Sicherung der Eigentums- und Verfügungsrechte über die Ressource Boden benötigt also leider Zeit und ist heute praktisch noch nicht hinreichend gesichert. Die Landzuteilung an einflussreiche Kreise erfolgt vor allem auf Flächen, die rechtlich als öffentliches Staatsland gelten und zur privaten Nutzung in Form langjähriger Konzessionen an private Nutzer vergeben werden. In diesem Bereich hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer Entwicklungszusammenarbeit keine Möglichkeit der Einflussnahme. Demgegenüber besteht die Bundesregierung aber darauf, dass verstärkt privates Staatsland für die Verteilung an die arme Bevölkerung im Rahmen sozialer Landkonzessionen zur Verfügung gestellt wird. Die deutsche Unterstützung richtet sich deshalb auf die Verbesserung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen durch Beratung bei der Ausgestaltung der Landreformpolitik und bei der Entwicklung von Durchführungsverordnungen. Darüber hinaus werden die institutionellen Voraussetzungen für die systematische Landregistrierung sowie Institutionen für die außergerichtliche Schlichtung bei Landkonflikten gestärkt. Schließlich wird die gezielte Landvergabe an Landarme und Landlose im Rahmen der sozialen Landkonzessionen pilothaft gefördert. Ich füge noch etwas hinzu - es ist zwar sehr lang; aber ich denke, das ist wichtig, um in dieses Thema hereinzukommen -: Im Rahmen des kambodschanischen Landsektorreformprogramms unterstützt die Bundesregierung gemeinsam mit Finnland und Kanada die zuständigen kambodschanischen Behörden dabei, einer signifikanten Anzahl von Haushalten mit Rechtsansprüchen auf Land rechtlich abgesicherte Landtitel zu verschaffen. Langfristig soll ein nationales System der Landadministration eingerichtet werden, um die Landrechte armer Bevölkerungsgruppen insbesondere in den ländlichen Regionen zu sichern. Dazu sollen möglichst schnell an möglichst viele arme ländliche Haushalte private Landtitel vergeben werden. Die Registrierungsaktivitäten fokussieren sich daher auf Regionen mit einer hohen Konzentration von ländlicher armer Bevölkerung auf privatem Staatsland. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nachfragen dazu? - Kollegin Hendricks. Dr. Barbara Hendricks (SPD): Danke schön, Herr Präsident. - Frau Kollegin, ich will insbesondere auf das eingehen, was Sie zuletzt genannt haben. Sie haben den Rechtsrahmen sehr gut geschildert. Es ist ja die bundeseigene Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, die als Ausführungsorganisation tätig ist, um bei der Vergabe von Landtiteln an die Landbevölkerung voranzukommen. Wie kann sichergestellt werden, dass dies auch nachhaltig ist? Nach meinem Kenntnisstand gibt es Anzeichen dafür, dass auch Landtitel, die schon vergeben worden sind, von größeren Investoren, ich sage einmal, begehrlich betrachtet werden. Es ist nicht sichergestellt, dass diese Landtitelvergabe auf Dauer wirklich so nachhaltig ist, wie wir es uns alle wünschen, sondern einmal vergebene Titel sind allem Anschein nach nicht immer ganz sicher bei der Landbevölkerung verblieben. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Dr. Hendricks, Sie sprechen sehr wichtige Bereiche an. Es ist sehr schwierig, im Hinblick auf das Land-Grabbing, also den Landentzug, voranzukommen und die Bevölkerung zur eigenen Versorgung zu ertüchtigen. Ich will Ihnen nur sagen: Die TZ hat für diesen Bereich 4 Millionen Euro eingestellt. Mitte dieses Jahres wird ein Überprüfungsprozess stattfinden. Wenn die Überprüfung dessen, was bisher geschehen ist, wenn die Evaluierung der vier Meilensteine negativ sein sollte, wenn also keine Nachhaltigkeit gegeben ist, dann werden wir über Mittelkürzungen bzw. sogar über den Ausstieg aus solchen Programmen entscheiden. Wenn wir feststellen, dass sie nicht zu mehr Landeigentum für die notleidende Bevölkerung dort führen, dann werden wir sie auch nicht weiter finanzieren. Hier befinden wir uns, wie gesagt, in einem Überprüfungsprozess. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Eine weitere Frage? Dr. Barbara Hendricks (SPD): Ja, ich habe noch eine kurze Nachfrage. - Werden Sie im Rahmen dieses Evaluierungsprozesses auch überprüfen, ob die Durchführungsorganisationen - sowohl die deutsche, aber natürlich auch diejenigen, mit denen wir, wie Sie eben sagten, zusammenarbeiten, nämlich die aus Finnland und Kanada - eng genug mit der Zivilbevölkerung in Kambodscha zusammenarbeiten? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ja, auch das prüfen wir. Wenn Sie nach der Wirksamkeit unserer Instrumente fragen - diese Frage steht ja immer dahinter -: Es wird nach unserer Überzeugung ganz wichtig sein, dass die Geberländer mit einer Stimme sprechen. Das heißt, wir müssen auch den Druck auf die jeweilige Regierung aufrechterhalten; das gilt insbesondere für Kambodscha. Wir haben die größten Erfolgschancen, wenn wir an dieser Stelle zusammenstehen, unsere Forderungen gemeinsam vortragen und im Rahmen dieser Überprüfung einerseits gegenüber der Regierung, andererseits aber auch mit Blick auf die Durchführungsorganisationen sicherstellen, dass in unserem Sinne erfolgsorientiert und im Interesse der armen Menschen gehandelt wird. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Danke schön. - Die nächste Frage, die Frage 2, stammt auch von der Kollegin Hendricks: Hält es die Bundesregierung für sinnvoll, nach Abschluss der sich derzeit in Planung befindlichen Strukturreform der Ausführungsorganisationen der deutschen technischen Entwicklungszusammenarbeit mittel- oder langfristig zusätzlich eine institutionelle Zusammenlegung der deutschen technischen und der deutschen finanziellen Entwicklungszusammenarbeit anzustreben, und, wenn nein, warum nicht? Bitte schön, Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Dazu kann ich Ihnen sagen: Die Bundesregierung sieht die laufende Umstrukturierung der Durchführungsorganisationen der technischen Zusammenarbeit bewusst als offenen Reformprozess. Die Bundesregierung zielt darauf ab, Schritt für Schritt konkrete Reformergebnisse zu erzielen. Somit ist auch die Frage einer Verschmelzung von finanzieller und technischer Zusammenarbeit derzeit offen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, bitte. Dr. Barbara Hendricks (SPD): Das wundert mich etwas, weil es bisher hieß, dass die Organisationen der technischen Zusammenarbeit - die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, der Deutsche Entwicklungsdienst und InWEnt, um die drei zu nennen - zusammengeführt werden sollen. Bisher ist keinerlei Ankündigung gemacht worden, dass etwa auch die KfW Entwicklungsbank oder die entsprechenden Abteilungen der KfW mit den genannten Organisationen der technischen Zusammenarbeit zusammengeführt werden sollen. Aber ich will eine andere Ergänzungsfrage stellen und mich damit wieder auf die technische Zusammenarbeit beziehen: Plant die Bundesregierung im Rahmen der Zusammenlegung der drei von mir genannten Organisationen der technischen Zusammenarbeit einen Personalabbau und, wenn ja, in welchem Umfang? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Sie haben die drei Vorfeldorganisationen, die wir zusammenführen wollen, genannt. Es geht uns darum - in diesem Prozess befinden wir uns -, mit den Organisationen zusammen die Umstrukturierung vorzunehmen. Wir wollen dadurch erreichen, dass die einzelnen Instrumente wirksamer werden. Wir wollen auch erreichen, dass Doppelstrukturen - manchmal sogar Dreifachstrukturen - abgebaut werden. Wir wollen, dass bei der Durchführung von Projekten diejenigen Durchführungsorganisationen, die für das Projekt eine besondere Expertise haben, zum Zuge kommen und hier nicht mehrere Organisationen parallel arbeiten. Das ist die Zielrichtung bei der Umstrukturierung, die wir vornehmen wollen. Diese Restrukturierung ist keine Kleinigkeit: Diese Vorfeldorganisationen sind mit ungefähr 16 000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in 130 Ländern tätig; ihr Umsatzvolumen liegt bei 1,5 Milliarden Euro. Frau Kollegin Hendricks, ich will darauf hinweisen, dass wir bis zur Sommerpause so etwas wie einen Sachstandsbericht haben wollen. Wenn wir zum Jahresende zu einem Ergebnis gekommen sind, wird es darum gehen, ganz konkret in die Umsetzung zu gehen, beispielsweise zu sehen, wie wir die Schnittstellen zwischen finanzieller Zusammenarbeit und technischer Zusammenarbeit abgleichen können. Ich betone noch einmal: Eine Zusammenführung von finanzieller und technischer Zusammenarbeit ist für diese Legislaturperiode nicht geplant; so etwas ist auch nicht Bestandteil unseres Koalitionsvertrages. Ich sage noch einmal: Wir gehen bei der Zusammenführung der drei genannten Organisationen Schritt für Schritt vor. Was die personelle Ausstattung betrifft, sind in dem Prozess, der jetzt begonnen hat, viele Fragen - Fragen der rechtlichen Voraussetzungen, der Verträge, der personellen Ressourcen, der Zusammenführung der Personalverträge der drei genannten Organisationen - überhaupt noch nicht beantwortet. Wir haben aber bei dieser Zusammenführung ein klares Ziel: Wir haben das klare Ziel, die Entwicklungszusammenarbeit im technischen Bereich effektiver und effizienter umzusetzen. Wir haben nicht das Ziel eines Personalabbaus. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Noch eine weitere Nachfrage. Dr. Barbara Hendricks (SPD): Ich habe noch eine Frage zum Thema Personal und weitere Verwendung. Wenn die Zusammenführung der drei Institutionen der technischen Zusammenarbeit gut läuft, dann können damit durchaus auch Synergieeffekte gehoben werden. Ob es gut läuft, wissen wir noch nicht, aber die Zusammenführung müsste mit dem Ziel verbunden sein, Synergieeffekte zu heben. Plant die Bundesregierung, etwa Personal, welches dann nicht mehr unmittelbar in den drei Institutionen gebraucht wird, zum Beispiel im Wege der Abordnung im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit einzusetzen und auf diese Weise die Position des Ministeriums auszubauen und zulasten der Vorfeldorganisationen zu stärken? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ich denke, dass ich diese Bedenken zerstreuen kann. Man muss berücksichtigen, was diese Strukturreform bewirken soll. Sie wissen, Frau Kollegin Hendricks, dass diese Strukturreform längst eingefordert wurde, auch vom Bundesrechnungshof, der festgestellt hat, dass wir an dieser Stelle sehr viel effizienter arbeiten müssen. Wir sehen das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nach einer solchen Strukturreform in der Aufgabe, die politischen und inhaltlichen Vorgaben zu machen, aber wir haben die Vorstellung, dass die neue Durchführungsorganisation, zu der die drei Organisationen zusammengeführt werden, selbstständig arbeiten kann. Wir rechnen auch mit einem Effizienzgewinn bei der Arbeit. Wie sich das später genau verteilt und wer welche Aufgaben übernimmt, kann ich Ihnen derzeit nicht seriös sagen. Das wäre reine Spekulation. Wir gehen davon aus, dass dieser schwierige Prozess der Zusammenführung gut läuft. Wir haben jedenfalls eine Vertrauensbasis aufgebaut. Nach unserer Vorstellung soll nicht irgendeine Institution zu kurz kommen oder sozusagen unter die Wasseroberfläche gedrückt werden. Wir diskutieren auf gleicher Augenhöhe. Wir haben Vorschläge der drei Organisationen dazu erbeten, wie sie sich eine Zusammenführung vorstellen. Das ist ein sehr transparenter und guter Prozess. Ich gehe davon aus, dass er letzten Endes positiv ausgehen wird. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Es gibt noch zwei weitere Nachfragen. Zunächst Kollegin Ute Koczy und dann Kollege Sascha Raabe. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, zur Zusammenlegung von TZ und FZ haben Sie einiges ausgeführt. Wie wir wissen, macht sowohl die KfW oftmals Finanzierungsangebote verbunden mit einem Beratungsangebot als auch die GTZ, die ihre Beratungsangebote mit einer finanziellen Zusammenarbeit verbindet. Beides ist oftmals in einer Art von Wechselwirkung zu finden. Können Sie bestätigen, dass es tatsächlich keinerlei Gespräche mit der KfW darüber gibt, ob im Falle einer Zusammenführung der drei Vorfeldorganisationen Auswirkungen auf die KfW stattfinden? Ich kann mir das schlechterdings nicht vorstellen, weil es in der praktischen Arbeit im Felde durchaus Resonanzen auf die unterschiedlichen Entwicklungen gibt. Ist es tatsächlich so, dass Sie keinerlei Gespräche mit der KfW führen, um die Veränderungen, die Sie bei der technischen Zusammenarbeit vornehmen, zu eruieren und die Auswirkungen auf die KfW zu überprüfen? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Koczy, wir sind derzeit dabei, die Vorschläge der drei Vorfeldorganisationen aufzunehmen und sie dann in einen Konsens umzusetzen, den wir zu erreichen hoffen. Wir sind derzeit noch nicht dabei, irgendwelche Schnittstellen abzugleichen. Es wird sich im Laufe der Zeit ergeben, wie ich schon sagte. Wenn uns bis zur Sommerpause ein Sachstandsbericht vorliegt, wie wir uns aufstellen, was mit den drei Vorfeldorganisationen geschieht und ob der Konsens auch weiterhin besteht, können wir zum nächsten Schritt übergehen. Wenn sich Projekte in der Zuständigkeit überschneiden, werden wir beraten müssen, wie wir damit umgehen. Aber das ist derzeit nicht Gegenstand der Beratungen. Wir müssen im Vorfeld der bevorstehenden Zusammenlegung erst einmal Basisarbeit leisten. Ich denke, dass wir bei dieser Frage sehr schnell weiterkommen werden. Wir gehen Schritt für Schritt vor. Das Ziel sind die Effizienzsteigerung, die Steigerung der Wirksamkeit und der rechtliche Abgleich. Sie können sich vorstellen, dass das noch schwierig genug wird. Wir werden nach der Sommerpause quasi ans Eingemachte gehen und die Rechtsfragen behandeln. Ich hoffe, dass es gelingt, auch an der Stelle möglichst bald ein Einvernehmen herzustellen. Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Sascha Raabe, bitte. Dr. Sascha Raabe (SPD): Frau Staatssekretärin, können Sie mir zustimmen, dass die Experten des Entwicklungsausschusses der OECD und auch die der Wissenschaft immer gesagt haben, wichtig sei es, die finanzielle und technische Zusammenarbeit zusammenzuführen, und dass das zuerst geschehen solle? Wenn dem so ist, würden Sie mir auch zustimmen, dass die Vorgängerin des Ministers, Frau Wieczorek-Zeul, es richtigerweise probiert hat, diesen ersten Schritt zu machen? Frau Staatssekretärin, würden Sie mir auch zustimmen, dass es falsch ist, wenn Minister Niebel es so darstellt, als würde er jetzt eine Reform durchführen, die die Vorgängerin nicht geschafft hat? Ist es nicht eher so, dass ihm der Mut fehlt, diese große Reform anzugehen, und er jetzt eine kleine Reform als großen Erfolg verkaufen möchte? (Manfred Grund [CDU/CSU]: Was ist das für eine Frage?) Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Raabe, ich finde Ihre Äußerung sehr mutig, und zwar insofern, als die Vorgängerregierungen - das muss man sagen - (Manfred Grund [CDU/CSU]: Es nicht hingekriegt haben!) eine institutionelle Reform dieser Vorfeldorganisationen nicht geschafft haben, nicht teilweise und schon gar nicht in vollem Umfang. Ich habe wahrgenommen, dass wir in allen Berichten, seien es die des Bundesrechnungshofs, seien es die der OECD, gelobt und ermuntert wurden, an diese Reform heranzugehen. Ich sage noch einmal: Das ist keine Kleinigkeit. Wir machen uns daran, im Sinne einer besseren Entwicklungszusammenarbeit den ersten konkreten Schritt hin zu mehr Wirksamkeit und höherer Effizienz zu gehen. Ich finde, das ist mindestens die Hälfte dieses Weges. Die vorherige Regierung ist hingegen nicht einen Meter weit gekommen. Ich bitte Sie doch um etwas mehr Mäßigung. Ich bitte auch um Wertschätzung dessen, was wir jetzt auf den Weg bringen werden. Ich lade Sie ein, dabei mitzumachen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Frage 3 der Kollegin Karin Roth: Wie lässt sich nach Ansicht des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der zuletzt in der Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage auf Bundestagsdrucksache 17/1535 von der Bundesregierung immer wieder betonte und gesetzte Schwerpunkt "Gesundheit in den Entwicklungsländern" mit der drastischen Kürzung der Mittel für den Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, UNFPA, und die Internationale Föderation geplanter Elternschaft, IPPF, verbinden, und wie gedenkt die Bundesregierung zur Erreichung des Millenniumentwicklungsziels 5 beizutragen? Bitte schön, Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Roth, ich kann Ihnen bezüglich der Kürzungen antworten, dass UNFPA und IPPF, diese Institutionen der Vereinten Nationen, wichtige Partner für Deutschland bleiben. Trotz der Kürzungen der Beiträge zu den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen wurde, anders als vom BMZ vorgeschlagen, vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags beschlossen, das bilaterale Engagement Deutschlands in einigen Bereichen zu stärken. Sie können sich wahrscheinlich daran erinnern, dass Bundesminister Niebel die Exekutivdirektorin der UNFPA, Frau Obaid, erst vor zwei Wochen in New York getroffen hat. Er hat ihr gegenüber ausdrücklich die Wertschätzung der Arbeit der UNFPA zum Ausdruck gebracht. Er hat betont, dass uns insbesondere im Bereich der reproduktiven Gesundheit die Erreichung der Millenniumentwicklungsziele sehr wichtig ist. Auch die enge Zusammenarbeit mit dem IPPF wird fortgesetzt, zum Beispiel im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung im kommenden Oktober in Berlin. Dort geht es um einen internationalen Dialog der Bevölkerung im Zusammenhang mit der Umsetzung des Menschenrechts auf reproduktive und sexuelle Gesundheit. Seien Sie versichert: Gesundheit ist und bleibt ein Schlüsselsektor der Entwicklungspolitik der Bundesregierung. Das BMZ trägt auf vielfache Art und Weise zur Erreichung des Millenniumentwicklungsziels 5, der Verbesserung der Müttergesundheit, bei. So unterstützen wir die diesjährige G-8-Initiative zur Verbesserung der Kinder- und Müttergesundheit, und wir setzen uns ausdrücklich für ein umfassendes Verständnis von Müttergesundheit ein, was den Zugang zu sexuellen und reproduktiven Gesundheitsdienstleistungen einschließlich Familienplanung umfasst. Darüber hinaus wirken wir in einer Vielzahl internationaler Gremien und Initiativen mit, die die Erreichung dieses Millenniumentwicklungsziels, also die Verbesserung der Kinder- und Müttergesundheit, zum Ziel haben. Ich verweise darauf, dass wir im Haushalt beispielsweise für den Global Fund 204 Millionen Euro zur Aids- und Malariabekämpfung bereitgestellt haben, dass wir den GAVI-Fonds mit 4 Millionen Euro pro Jahr fördern und dass wir weitere Förderung in Aussicht stellen können. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nachfrage? - Bitte. Karin Roth (Esslingen) (SPD): Sehr verehrte Frau Kollegin Kopp, ich verstehe, dass Sie am Ende Ihrer Antwort den Global Fund erwähnen, um zu zeigen, dass die Bundesregierung im Gesundheitsbereich international Unterstützung leistet. Aber Sie haben keine Zahlen genannt. Deshalb möchte ich sie nennen: Für den Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen sind die Mittel um über 20 Prozent, und für entsprechende Vorhaben im Bereich der Internationalen Föderation geplanter Elternschaft sind die Mittel um fast 20 Prozent gekürzt worden. Es ist sehr freundlich, wenn Minister Niebel beim Zusammentreffen mit der Exekutivdirektorin in New York seine Unterstützung für ihre Arbeit zusagt. Aber gleichzeitig werden einige Programmschwerpunkte - zum Beispiel die Familienplanung, die für die Bevölkerungsentwicklung sehr wichtig ist, der Schutz vor Gewalt gegen Frauen und Kinder, die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit - von uns nicht mehr in dem Umfang finanziert, in dem es notwendig wäre. Das Millenniumentwicklungsziel 5, also die Verringerung der Müttersterblichkeit, haben wir nur zu 9 Prozent erreicht. Das Ziel der Verringerung der Kindersterblichkeit haben wir nur zu 32 Prozent erreicht. Dies ist ein Armutszeugnis für die Bundesregierung. Es wird auch nicht besser, wenn Sie in diesem Zusammenhang auf den Haushaltsausschuss und auf das Parlament verweisen. Diese Zahlen hat die Koalition zu verantworten. Angesichts dieser aussagekräftigen Zahlen und der großen Bedeutung der Zuverlässigkeit gegenüber den Vereinten Nationen möchte ich fragen: Ist damit zu rechnen, dass Sie im nächsten Haushalt wenigstens das fortsetzen, was die Große Koalition in der letzten Legislaturperiode gemacht hat, und dass Sie die entsprechenden Mittel wieder bereitstellen? Wenn wir unsere Versprechungen einhalten, können wir unser Gesicht wahren. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Roth, die äußerst geringe Quote von 9 Prozent bei der Erreichung des Millenniumentwicklungsziels Müttergesundheit wurde zum Ende des Jahres 2009 bilanziert. Haben Sie Verständnis dafür, wenn ich sage: Die neue Regierung ist erst Ende letzten Jahres ins Amt gekommen. In den noch verbliebenen zwei Monaten des Jahres 2009 konnten wir die schlechte Quote von 9 Prozent beim besten Willen nicht erhöhen. Das will ich vorweg anmerken. Seien Sie versichert, dass das Thema Gesundheit für unser Ministerium und auch für die Bundesregierung eine exorbitant wichtige Rolle spielt. Es ist überhaupt keine Frage, dass wir in diesem Bereich sehr viel arbeiten müssen. Zur internationalen Zuverlässigkeit will ich Ihnen Folgendes sagen: Es hat in der vergangenen Woche ein Treffen der G-8-Entwicklungsminister in Halifax gegeben, bei dem der diesjährige G-8-Gipfel in Kanada vorbereitet wurde. Minister Niebel hat mir gesagt, dass die Ergebnisse dieser Vorbesprechung zur Vorbereitung des Gipfels in Kanada Bestandteil des Gipfeldokumentes sein werden. Es ist also nicht so, dass über dieses Thema nicht inhaltlich substanziell beraten wird. Die maßgeblichen Punkte werden aufgenommen. Noch einmal: Wir wollen und werden viele bilaterale Projekte im Gesundheitsbereich finanzieren. Die neue Leitung des BMZ hat erstmals im Hinblick auf Südafrika bilateral einen Schwerpunkt HIV-/Aidsbekämpfung - der Umfang der zur Verfügung gestellten Mittel liegt bei insgesamt 10 bis 15 Millionen Euro - geschaffen. Auch dies ist nicht etwa nichts, sondern wirklich bemerkenswert. Ich will das betonen; denn das hat es vorher nicht gegeben. (Zuruf von der SPD: Ach was!) Jetzt noch etwas zu den künftigen Haushaltsplanungen. Auch Sie kennen das Geschäft: Wir als Bundesregierung können Mittel beantragen - das tun wir auch -; aber letzten Endes steht jede Mittelanforderung unter dem Haushaltsvorbehalt und unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Parlaments. Das müssen wir für jede Initiative akzeptieren, die wir auf diesem Gebiet starten. Darüber können wir uns nicht hinwegsetzen. Genauso wenig kann ich Ihnen heute mit Vorgriff auf den Haushalt 2011 oder 2012 sagen, welche Mittelanforderungen von unserem Haus in diesem Bereich kommen werden und ob diese Mittel dann auch eingestellt werden. Das müssen wir sehen. Ich versichere Ihnen noch einmal: Wir sind hier nicht unterschiedlicher Meinung; vielmehr sind wir der Ansicht, dass die Erreichung des Millenniumentwicklungsziels Müttergesundheit ganz obenan steht. Ich schließe dabei immer die Ziele Kindergesundheit und Reduzierung der Kindersterblichkeit ein. Sie wissen, mit welch einfachen Mitteln wir verhindern könnten, dass Kleinstkinder, also Kinder im Alter von null bis einem Jahr, sterben. Allein schon durch mehr Hygienemaßnahmen - durch eine bessere Infrastruktur vor Ort, das heißt durch den Zugang zu sauberem Wasser, durch die Bereitstellung von Toiletten und dergleichen - könnten wir ganz normale, gut behandelbare Krankheiten wie Durchfall oder Atemwegsinfektionen sehr viel besser bekämpfen. In diesem Bereich sind wir ebenfalls aktiv. Wir haben Mittel für diese Zwecke eingestellt. Dies steht bei uns also im Fokus. Wir müssen auf diesem Gebiet noch sehr viel mehr tun. Wir sind dazu auch bereit. Ich bitte Sie und das gesamte Parlament um die entsprechende Unterstützung. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Haben Sie eine weitere Nachfrage, Frau Roth? - Bitte schön! Karin Roth (Esslingen) (SPD): Ja, gern, Herr Präsident. - Frau Kollegin Kopp, für meine Fraktion, die SPD, möchte ich klarstellen, dass wir für die Unterstützung der Vereinten Nationen bei der Bekämpfung der Mütter- und Kindersterblichkeit keine Reduzierung der Mittel im Etat vorgesehen hatten. Darüber hinaus ist es gar keine Frage, dass das Thema Müttersterblichkeit nicht in den letzten sechs Monaten auf die Schnelle hätte bewältigt werden können. Müttersterblichkeit war ein Problem der letzten Jahre und wird auch eines der nächsten fünf Jahre sein; da gebe ich Ihnen recht. Die Frage ist nur: In welcher Weise kommen wir voran? Ohne mehr Mittel für diesen Bereich - entweder aus dem Global Fund oder von den Vereinten Nationen oder durch bilaterale Projekte - wird dies nicht möglich sein. Deshalb äußere ich noch einmal meine dringliche Bitte, dass wir unsere Aufmerksamkeit gerade auf die Millenniumentwicklungsziele 4 und 5 richten, nämlich auf die Verringerung der Müttersterblichkeit - jedes Jahr sterben über 500 000 Mütter - und auf die Verringerung der Kindersterblichkeit; jährlich sterben über 9 Millionen Kinder. Beabsichtigt die Bundesregierung, Aktionspläne aufzulegen, damit wir auf diesen beiden Feldern vorankommen? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ich bestätige Ihnen, Frau Roth, dass das Thema Gesundheit im Zentrum unserer Entwicklungspolitik steht; das ist doch gar keine Frage. Zur Armutsbekämpfung gehört, Folgendes zu sehen: Zunächst ist es wichtig, die Ernährungssituation zu verbessern. Dann geht es darum, die Gesundheit zu fördern. Erst wenn das gewährleistet ist, sind Menschen meines Erachtens in der Lage, Bildung zu erwerben. Diese drei Schritte sind von zentraler Bedeutung. Zur Gesundheitsförderung muss der von Ihnen eben genannte Mix von Maßnahmen umgesetzt werden. Es geht sowohl um multilaterale Förderung als auch um bilaterale Projekte. Der Schlüssel zu mehr Gesundheit der Mütter, zur erfolgreichen Bekämpfung der Kindersterblichkeit und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung insgesamt ist, dafür zu sorgen, dass die Menschen in den ärmsten Ländern weltweit Zugang zu Gesundheitsversorgung bekommen, dass es Schwangerschaftsversorgung und Präventionsmaßnahmen gibt, um Komplikationen oder zumindest unüberwindbare Komplikationen bei der Geburt zu vermeiden. Wir müssen Strukturen schaffen, die es Menschen ermöglichen, Gesundheitsversorgung abzufragen. Wir diskutieren beispielsweise darüber, wie wir Entwicklungsländern helfen können, ein System aufzubauen, das ärmste Menschen berechtigt, solcherlei Gesundheitsangebote abzufragen. Hinsichtlich der Schaffung von Gesundheitssystemen sind wir sehr aktiv; das gehört mit in das Portfolio. Ich kann Ihnen nur sagen: Unter dem Strich ist unser Engagement im Bereich Gesundheit sehr groß. Ich versichere Ihnen: Auch auf internationaler Ebene werden wir dafür sorgen, dass Deutschland, dass die deutsche Bundesregierung die Vorreiterrolle im Entwicklungsbereich behält und weiter ausbaut. Lassen Sie uns alles Weitere evaluieren und auf dessen Umsetzbarkeit in der Realität hin prüfen. Ich bin sicher, dass wir einer Prüfung sehr gut standhalten können. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen damit zur Frage 4, ebenfalls von der Abgeordneten Karin Roth: Wie beurteilt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, anlässlich des Jahrestages des Inkrafttretens der UN-Behindertenrechtskonvention vom 3. Mai 2008 die Bedeutung der besonderen Problemlagen behinderter Menschen in Entwicklungsländern, und welche konkreten Maßnahmen zur stärkeren Berücksichtigung dieser Personengruppe in der Entwicklungszusammenarbeit führt das BMZ zusätzlich zur Einrichtung eines runden Tisches durch, um die Partnerländer bei der Integration der Menschen mit Behinderungen - zum Beispiel im medizinischen, sozialen und rechtlichen Bereich - zu unterstützen? Bitte schön, Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Vielen Dank, Herr Präsident. - Weltweit leben 690 Millionen Menschen mit Behinderungen. Das sind immerhin 10 Prozent der Weltbevölkerung; das ist eine enorm große Zahl. 80 Prozent der behinderten Menschen leben in Entwicklungsländern; das ist eine riesige Herausforderung für uns. Das bedeutet: Jeder fünfte in absoluter Armut lebende Mensch hat eine Behinderung. Die Millenniumsentwicklungsziele können nur erreicht werden, wenn Menschen mit Behinderungen bei der Umsetzung von Maßnahmen entsprechend berücksichtigt werden. Die VN-Behindertenrechtskonvention sieht in Art. 32 vor, "dass die internationale Zusammenarbeit, einschließlich internationaler Entwicklungsprogramme, Menschen mit Behinderungen einbezieht und für sie zugänglich ist ...". Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung misst daher der Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Entwicklungszusammenarbeit einen sehr hohen Stellenwert bei und engagiert sich auf vielfache Weise. Ich will Ihnen ein Event nennen, das kürzlich stattgefunden hat: Am 27. April dieses Jahres, also vor wenigen Tagen, haben sich in Bonn auf Einladung des BMZ Vertreterinnen und Vertreter von 25 Organisationen zu einem runden Tisch zu diesem Thema zusammengefunden. Diese Veranstaltung führte erstmals staatliche wie nichtstaatliche Akteure im Bereich Behinderung und Entwicklung zusammen und machte deutlich, dass die Bundesregierung auch die entwicklungspolitische Dimension der UN-Behindertenrechtskonvention als essenziell betrachtet. Dieser Dialog mit der Zivilgesellschaft soll fortgeführt werden. Darüber hinaus fördert das BMZ über den Titel für private Träger spezifische Vorhaben für Menschen mit Behinderungen. Die Förderung betrug in 2008 - ich nenne Ihnen eine alte Zahl - 1,9 Millionen Euro. Wir als BMZ setzen uns ferner dafür ein, dass sich die Umsetzung der entwicklungspolitischen Dimension der UN-Behindertenrechtskonvention auch im Aktionsplan der Bundesregierung widerspiegelt. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nachfragen? Karin Roth (Esslingen) (SPD): Ja. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Bitte schön. Karin Roth (Esslingen) (SPD): Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Liebe Frau Kollegin Kopp, Sie haben nur eine einzige Zahl genannt - das ist interessant -, nämlich die im Zusammenhang mit laufenden Projekten für soziale Sicherung. Dort gibt es bezogen auf den gesamten Bereich Ausgaben in Höhe von 103,4 Millionen Euro. Die Bundesregierung sieht für den Bereich der Menschen mit Behinderungen 1,2 Millionen Euro vor. Sie können selbst ausrechnen, wie hoch der Anteil ist und was das bedeutet. Das ist angesichts der von Ihnen richtig geschilderten Dramatik bzw. des großen Personenkreises eine sehr geringe Unterstützung. Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben und erkennt damit an, dass die UN eine wichtige Koordinierungsfunktion, auch im Rahmen von Projekten, hat. Welche Möglichkeiten sehen Sie - außer dass Sie im Jahre 2010 1,2 Millionen Euro für die soziale Sicherung von Menschen mit Behinderungen vorsehen -, in den nächsten Jahren Menschen mit Behinderungen in Entwicklungsländern verstärkt zu unterstützen, und welche Aktionen planen Sie außer denen, die Sie bereits genannt haben? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Bezüglich Aktionen kann ich Ihnen sagen, dass der runde Tisch, der dieser Tage erstmals auf internationaler Ebene getagt hat, zum Jahresende ein zweites Mal tagen wird. Dort wollen wir uns mit konkreten Maßnahmen und mit der Umsetzung weiterer Projekte beschäftigen. Lassen Sie mich eine Zahl nachtragen, die ich sehr interessant finde: In den letzten 20 Jahren wurden in 40 Ländern weit mehr als 180 Vorhaben, deren direkte und indirekte Zielgruppe Menschen mit Behinderungen waren, mit insgesamt 70 Millionen Euro gefördert. Die Probleme der Menschen mit Behinderungen gerade in armen Ländern nehmen eher zu. Als Beispiel nenne ich nur Haiti: Viele Menschen, die unter Trümmern lagen, mussten aus der Not heraus Notamputationen über sich ergehen lassen, um ihr Leben zu retten. An diesem Staat - was Haiti angeht, ist es eigentlich nicht seriös, von Wiederaufbau zu sprechen, sondern man muss eher von Aufbau sprechen - sieht man, wie schwierig es ist, zu ermessen, was diese Katastrophe für Menschen mit Behinderungen bedeutet, die so gut wie überhaupt keine Mittel haben, mit denen sie sich helfen können, also Prothesen, Alltagshilfen, Rollstühle, Gehhilfen. Dort Abhilfe zu schaffen, das ist eine Riesenhe-rausforderung. Frau Roth, ich war vor wenigen Wochen bei der Frühjahrstagung der Interamerikanischen Entwicklungsbank. Auf dieser Tagung war die Lage in Haiti ein zentrales Thema: Wie gehen wir mit der Entschuldung um? Wie wollen wir beim Aufbau helfen? - Ich habe dort genau die Frage gestellt, die Sie, Frau Roth, gestellt haben, weil sie zuvor bei der Diskussion und in der Expertenrunde keine Rolle gespielt hatte. Ich habe gefragt, ob bekannt ist, wie viele Menschen mit Behinderungen in Haiti nach dem Erdbeben auf Hilfe und konkrete Hilfsmittel warten. Ich war erschrocken, dass mir niemand eine Zahl nennen konnte. Ich habe also wahrgenommen, dass dieses Thema auch auf internationaler Ebene in vielen Köpfen nicht genügend angekommen ist. Natürlich ist die Not riesengroß. Zahlreiche Menschen sind ohne Obdach. Es gibt viele Kranke und ein unglaubliches Ausmaß an Zerstörung. Es gibt sehr viele Hilfsprogramme, die jetzt aber erst umgesetzt werden müssen. Dazu gehört auch, dass wir alles tun, um auch bei uns Geberländern und darüber hinaus auf internationaler Ebene das Bewusstsein für die Problematik der Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Wir als BMZ sehen es als zentralen Punkt unserer Politik an, Mittel zu geben, um an dieser Stelle mehr zu tun. Aber es geht nicht nur darum, Gelder fließen zu lassen, sondern es geht auch darum, nachzuschauen, wofür diese Gelder ausgegeben werden, wie wirksam sie sind, welche Programme aufgelegt werden und an welchen Programmen wir uns beteiligen. Bei den anstehenden Konferenzen ist es wichtig - ich sagte bereits, dass die nächste im Herbst stattfindet -, zu prüfen, wo wir stehen und wo wir nachlegen müssen. Seien Sie versichert, dass die Themen "Menschen mit Behinderungen" und "Was müssen wir tun, um deren Situation weltweit zu verbessern?" oben auf der Tagesordnung stehen, übrigens nicht nur im BMZ, sondern in der gesamten Bundesregierung, denn dies ist ein übergreifendes Thema. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Weitere Nachfragen? Karin Roth (Esslingen) (SPD): Ja, noch eine, Herr Präsident. - Frau Kopp, ich höre mit Freude, dass Sie dieses Thema auf die Tagesordnung setzen; das ist wunderbar. Die Frage ist: Ist damit zu rechnen, dass es im Rahmen dieser internationalen Verabredungen ein Aktionsprogramm gibt? Man braucht natürlich unterschiedliche Maßnahmen - nicht nur im Bereich der sozialen Sicherung, sondern auch auf anderen Politikfeldern -, um eine Politikkohärenz der Bundesregierung zu gewährleisten. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ich kann Ihnen versichern, dass wir größten Wert auf eine kohärente Politik legen. Diese verfolgen wir; alles andere ergibt keinen Sinn. Sie haben gefragt, ob diese kohärente Politik im Rahmen von Aktionsplänen erfolgt. Ich bin beim Thema Aktionsplan immer ein wenig vorsichtig, weil viele Aktionspläne oder Aktionen auch in ihrer Wirkung kurzfristig sind. Ich möchte gerne, dass wir nachhaltig handeln. Man kann mit einer Aktion, welcher Art auch immer, einen Auftakt machen; aber es muss immer Substanz dahinter sein. Es ist nicht so, dass wir uns kurzfristig einem Thema widmen und dann meinen, wir müssten hierzu einen Aktionsplan ins Leben rufen, sondern uns ist wichtig, nachhaltig vorzugehen, kohärente Politik zu machen und diese auch zu verfolgen. Ob in diesem Zusammenhang ein Aktionsplan kommen wird, kann ich Ihnen derzeit noch nicht sagen. Wichtig ist mir, dass wir eine effiziente und effektive Politik im Sinne der Menschen machen, die Hilfe brauchen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Danke schön. - Wir kommen zur Frage 5 des Kollegen Burkhard Lischka: Was heißt es für den finanziellen Beitrag Deutschlands, dass 5,1 Milliarden US-Dollar der Weltbank durch eine Kapitalerhöhung zufließen sollen, und werden die Einflussmöglichkeiten Deutschlands infolge der Stimmrechtsreform aus Sicht der Bundesregierung beschnitten? Bitte schön, Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Danke schön, Herr Präsident. - Ich muss Sie jetzt zunächst einmal mit ein paar Zahlen quälen und hoffe, es werden nicht zu viele. Bei der zurückliegenden Weltbanktagung, an der ich für den Bundesminister teilgenommen habe, wurde eine Erhöhung des Kapitals der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, IBRD, um insgesamt 86,2 Milliarden US-Dollar vorgenommen. Davon sind 5,1 Milliarden US-Dollar einzuzahlendes Kapital, und der Rest ist Haftungskapital. Von dem einzuzahlenden Kapital entfallen 1,6 Milliarden US-Dollar auf eine selektive Kapitalerhöhung, die durchgeführt wurde, um die Stimmrechte der Weltbank anzupassen. Der Hauptteil wird von den Entwicklungsländern getragen. 3,5 Milliarden US-Dollar entfallen auf eine generelle Kapitalerhöhung. Über die Größenordnung der Beteiligung Deutschlands ist im Rahmen der Aufstellung des Bundeshaushaltes 2011 und des Finanzplanes 2014 zu entscheiden. Der Stimmrechtsanteil Deutschlands sinkt von 4,35 auf 4 Prozent - darauf kommen wir gleich noch -, wodurch auch seine Einflussmöglichkeiten geringfügig reduziert werden. Wir haben diese, wie ich finde, maßvolle Kapitalerhöhung durchgeführt, um wieder ein Gesamtausleihvolumen von 15 Milliarden US-Dollar zu erreichen. Ich will hinzufügen, dass die Weltbank im Rahmen der Wirtschafts- und Finanzkrise vorübergehend nicht in der Lage war, das Volumen, das vor der Krise Bestand hatte, zu erreichen. Wir wollen die Weltbank in die Lage versetzen, wieder über ein solches Volumen zu verfügen. Das Ganze geschieht nicht nur im Rahmen eines Beschlusses über eine Kapitalerhöhung - sie hat Auswirkungen auf unseren Haushalt im Umfang von rund 110 Millionen Euro, verteilt über fünf Jahre -; vielmehr haben wir das mit einem Maßnahmenpaket verknüpft, das die Weltbank zu internen Reformen - sie hat in ihrem Entwurf selber bestätigt, dass sie sie umsetzen wird - und auch zu inhaltlichen Fokussierungen zwingt. Das heißt, die Weltbank wird ihre Projekte auf die Armutsbekämpfung fokussieren. Die Weltbank wird eine Initiative für mehr Transparenz starten. Sie wird ihre Projekte in kürzeren Zeitabläufen als zuvor evaluieren: Wirksamkeit und Sichtbarkeit der gezahlten Gelder sind dabei das Ziel. Wir wollen mehr Transparenz und mehr Effektivität bei der Verwendung der Mittel. Die Weltbank selbst ist auf dem Weg einer weiteren Dezentralisierung, weil sie festgestellt hat - das kann ich gut nachvollziehen; die Weltbank ist derzeit in 120 Län-dern weltweit präsent -, dass sie durch Büros bzw. Außenstellen in Ländern, die Hilfe und Projektförderungen brauchen, näher dran ist und es so viel eher möglich ist, einzuschätzen, welcher Art die Projekte sein müssen, ob sie sinnvoll sind und ob mehr Beratung nötig ist. Es ist also der richtige Weg, näher an den Ländern dran zu sein, die Hilfsprojekte benötigen. Ich habe diesen Weg zusammen mit den Partnern aus den Geberländern, die sonst noch mit am Tisch saßen, unterstützt und auch die Reformen, die ich eben genannt habe, explizit eingefordert, also Erneuerungsbedarf bei der Weltbank und eine stärkere Fokussierung auf mehr Transparenz und Evaluierung. Das ist damit auch verbunden. Ihre nächste Frage haben Sie zur Stimmrechtsreform gestellt. Dazu komme ich dann gleich noch. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Eine Nachfrage zu dieser Frage? - Bitte. Burkhard Lischka (SPD): Herr Präsident, vielen Dank. - Frau Kopp, ich komme auf die künftigen Reformen zu sprechen. Ich habe nach der Frühjahrstagung der Weltbank der Presse entnommen, dass Sie gesagt haben, ein Hauptziel müsse in den nächsten Jahren sein, dass wir ein "nachvollziehbares und transparentes" System der Gewichtsverteilung in der Weltbank bekommen. Verstehe ich das im Umkehrschluss richtig, dass wir dort derzeit ein intransparentes und nicht nachvollziehbares System haben? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Schauen Sie sich einmal an, wie die Stimmrechte bislang verteilt werden - jetzt muss ich auf diesen Punkt zu sprechen kommen, weil man das nicht diskutieren kann, ohne darauf einzugehen -; dies geschah in einer Art und Weise, die, wie ich jedenfalls finde, nicht nachvollziehbar und wenig transparent war. Nehmen Sie nur einmal die Übertragung von gut 3 Prozent der Stimmrechte: Wie kommt man darauf? Wie wurden sie errechnet? Wie erfolgt die Übertragung? Wer wird damit gestärkt? Sie wissen, dass es darum ging, zur Stärkung der Entwicklungs- und Schwellenländer über deren Basisstimmrechte hinaus gut 3 Prozent der Stimmrechte neu zu verteilen. Es ist zwar richtig, diese Stärkung vorzunehmen - deswegen haben wir das auch mitgetragen -, aber wie diese Stimmrechtsverteilung jetzt und auch die in der Vergangenheit erfolgte, war nicht nachvollziehbar und nicht transparent. Wir als Geberländer haben nun gesagt - auch darin waren wir uns, jedenfalls die meisten, einig -: Diese Umverteilung von 3 Prozent machen wir einmalig mit, weil es anders schwierig wäre, einen Kompromiss zu erreichen. Es war nämlich - Herr Lischka, Sie wissen das wahrscheinlich aus der Vergangenheit - ein unglaublich schwieriger Prozess, diese 3 Prozent auf die schwächeren Länder überhaupt zu verlagern. Das wurde ja seit vielen Jahren versucht; aber das scheiterte immer auf internationaler Ebene. Das jetzt Erreichte ist also schon einmal ein Fortschritt. Weil das so ist, habe ich, auch bei der Konferenz, gesagt: Das machen wir diesmal, aber mit der Auflage, dass es ein einmaliger Vorgang ist und sofort nach der jetzigen Weltbanktagung eine Systemreform auf den Weg gebracht wird. Ich glaube, der Webfehler war, dass bislang die Stimmrechte nach der jeweiligen Wirtschaftskraft verteilt wurden, also nach der ökonomischen Potenz. Ich finde, es ist nicht weitreichend genug, das alleine zur Grundlage der Stimmrechtsverteilung zu machen, sondern es muss auch einbezogen werden, welche Beiträge die Geberländer zum IDA-Fonds, dem Fonds für die ärmsten Länder, leisten. Um nur ein Beispiel zu nennen: Ich finde, dass nicht nur die ökonomische Kraft eines Landes, sondern eben auch der Beitrag eines Landes zur Finanzierung dieses Fonds für die Ärmsten mitzählen müsste. Das müsste eigentlich bei der Stimmrechtsverteilung mitberücksichtigt werden. Insofern hat die deutsche Bundesregierung bzw. das BMZ ein Pooling-Modell eingebracht und dargestellt, welche Kriterien nach unserer Auffassung in Zukunft zur Anwendung kommen sollten. Als wir den ersten Entwurf vorgestellt haben, ist dieser auf recht positive Resonanz gestoßen. Momentan ist noch nichts entschieden. Wie gesagt, wir sind im Prozess der Reformierung. Aber unbestritten ist, dass das System dringend verändert werden muss. Sie haben ja lesen können, dass von den 3 Prozent der Stimmrechtsanteile, die an die Schwellen- und Entwicklungsländer verteilt wurden, 2 Prozent China zugefallen sind. China ist in dem Pool der Entwicklungs- und Schwellenländer nun wirklich führend, was die Stimmrechte betrifft. Es verfügt nun über 4,4 Prozent der Stimmrechtsanteile. Deutschland ist auf 4 Prozent zurückgefallen. Wir haben knapp 0,4 Prozent eingebüßt. Die Franzosen und die Briten haben 0,55 Prozent eingebüßt, also mehr als wir. Die Japaner haben sogar mehr als 1 Prozent abgegeben; ansonsten wäre der Kompromiss gar nicht zustande gekommen. Nach der derzeit geltenden Austarierung der Stimmrechte rein nach den Kriterien der Wirtschaftskraft ist es nur logisch, dass China diesen Zuwachs an Stimmenrechten bekommen hat. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Nach Überzeugung meines Hauses ist allerdings mit dem Zuwachs an Stimmrechten auch zwingend mehr Verantwortung verbunden - und mehr Verantwortung heißt auch, mehr Gelder bereitzustellen. Eigentlich hätten wir an China im Rahmen des derzeit geltenden nicht gut nachvollziehbaren, intransparenten Systems noch mehr Stimmrechte übertragen können. Darüber wurde auch diskutiert. Die Chinesen haben aber abgelehnt und gesagt, dass sie das nicht wollen. Denn das hätte natürlich in jedem Fall bedeutet, dass China auch mehr Geld hätte bereitstellen müssen. Es bleibt dabei, dass für mehr Transparenz gesorgt werden muss und wirkliche Reformen durchgeführt werden müssen. Wir wollen das System bis spätestens 2013 neu aufstellen. Ab 2015 - dann steht nämlich die nächste Prüfung der Verteilung der Stimmrechte an - soll bereits nach dem neuen System gehandelt werden. Ziel der Bundesregierung ist es, die Entwicklungs- und Schwellenländer zu stärken. Das ist an dieser Stelle auch geschehen. Ich füge eine persönliche Anmerkung hinzu: Wir werden auch darüber diskutieren müssen, wer in dem Pool der Entwicklungs- und Schwellenländer im Endeffekt auf Dauer bleiben kann; ich hoffe, Sie verstehen, was ich meine. Denn wenn ein Schwellenland irgendwann de facto kein Schwellenland mehr ist, sondern in eine höhere Kategorie aufgestiegen ist - das wünschen wir ja allen -, dann muss zur Stärkung der schwächeren Länder auch eine andere Verteilung der Stimmrechte erfolgen. Aber das ist Zukunftsmusik. Wir müssen erst einmal eine Stimmrechtsreform auf den Weg bringen, und das wird schwierig genug. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Können wir zur Frage 6 kommen? Burkhard Lischka (SPD): Das können wir machen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Dann rufe ich die Frage 6 des Abgeordneten Burkhard Lischka auf: Ist es bei der Frühjahrstagung der Weltbank aus Sicht der Bundesregierung ausreichend gelungen, die Einflussverteilung zwischen Industrie- und Schwellenländern neu auszutarieren, und wie bewertet die Bundesregierung den durch die neue Stimmverteilung festgeschriebenen hohen Machtzuwachs Chinas in der Weltbank? Bitte schön. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Präsident, Herr Lischka, ich hatte die Antwort auf die Frage 6 eigentlich schon gegeben. Denn es geht in dieser Frage um die Stimmrechtsreform. Ich kann gerne noch etwas ergänzen. Aber ich habe Sie jetzt mit so vielen Sätzen bedacht, dass ich erst einmal nachfragen möchte: Haben Sie aus Ihrer Sicht zur Frage 6 noch eine offene Frage? Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Bitte schön. Burkhard Lischka (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank. Ich habe tatsächlich zwei Zusatzfragen, die die Stimmrechtsverteilung betreffen. - Einige Ökonomen haben in der Presse die Befürchtung geäußert, dass es aufgrund der neuen Stimmrechtsverteilung in Zukunft möglicherweise verstärkt zur Bewilligung von wirtschaftlich unsinnigen Projekten kommt. Ist das eine Befürchtung, die Sie teilen, Frau Staatssekretärin? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Diese Befürchtung hege ich nicht aufgrund der neuen Stimmrechtsverteilung. Ich glaube, es ist generell nötig, sehr viel mehr darauf zu achten, wohin die Gelder fließen. Das betrifft das gesamte Engagement und die gesamte Projektarbeit der Weltbank, aber nicht nur der Weltbank. Was unsinnige Projekte sind, das muss man erst einmal definieren. Es kommt natürlich darauf an, aus welchem Blickwinkel Sie das sehen. Ich möchte Ihnen dazu sagen: Ich finde es wichtig, bei jeder Finanzierung dieser Art nachvollziehen zu können, wohin und wofür die Gelder geflossen sind und wie am Ende das Ergebnis aussieht. Das hat bei der Tagung der Weltbank eine Rolle gespielt: Wir, die Geberländer, wollen verstärkt darauf achten, dass beim Einsatz der Mittel mehr Effizienz und Effektivität zu erkennen sind. Ich glaube, die Weltbank hat als Erkenntnis mitgenommen, dass wir kürzere Evaluierungszeiträume fordern. Wir kommen nur weiter, wenn die Evaluierungszeiträume verkürzt werden; denn nur so können wir schnell genug erkennen, ob Mittel sinnvoll eingesetzt werden oder nicht. Die Führung der Weltbank steht jetzt enorm unter Druck, für mehr Wirksamkeit und Effizienz zu sorgen. Ich verspreche Ihnen: Wir werden sehr genau darauf achten. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Weitere Nachfrage? Burkhard Lischka (SPD): Ja, eine kurze Zusatzfrage. - Frau Kopp, dankenswerterweise haben Sie gerade viel zu künftigen Reformen gesagt und uns Ihre Überlegungen zur Stimmrechtsverteilung und zur Stärkung der Mitsprachemöglichkeiten der Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Weltbank mitgeteilt. Es gibt ja den Vorschlag Brasiliens, bei der Weltbank eine Stimmparität zwischen Nehmer- und Geberländern herzustellen. Ist das auch aus Ihrer Sicht ein taugliches Zukunftsszenario? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Das ist im Augenblick realistischerweise überhaupt nicht diskutierbar. Es spielte bei der Tagung der Weltbank keine Rolle. Ich habe bei der Vorbereitung auf die Tagung - es war für mich die erste Weltbanktagung - von diesem Ansinnen gelesen und mir die Stellungnahmen dazu angeschaut. Ich kann Ihnen nur sagen, dass eine Umsetzung auf die Schnelle im Moment nicht realistisch ist. Die Schwellen- und Entwicklungsländer verfügen jetzt bei der Weltbank über einen Stimmrechtsanteil von gut 47 Prozent. Sie wissen selber, welch ein riesiger Kraftakt über Jahre hinweg nötig war, um überhaupt den Transfer eines Teils der Stimmrechte zustande zu bringen, also die Steigerung des Stimmrechtsanteils der Schwellen- und Entwicklungsländer um 3 Prozentpunk-te, von 44 auf 47 Prozent. Ich kann im Moment nicht beurteilen, ob es möglich sein wird, hier einen weiteren Schritt, also eine Steigerung von gut 47 auf 50 Prozent, in Angriff zu nehmen. Ich finde, wir müssen erst einmal das umsetzen, was realistisch ist. Das haben wir mit dem jetzt gefassten Beschluss getan; ich finde das gut. Als Nächstes haben wir eine andere Reform vor uns: Wir müssen nachvollziehbare Kriterien für die Stimmrechtsverteilung einführen. Im Zuge der Umsetzung dieser Reform werden wir uns natürlich mit der Frage beschäftigen, ob es bei der Stimmgewichtung bleibt oder wir sie verändern. Das Thema wird dann auf der Tagesordnung stehen. Wann es dazu kommt, ist im Moment noch nicht zu überschauen; denn auf internationaler Ebene ist es, wie Sie wissen, immer schwierig, eine Einigung zu erreichen. Wir werden aber mit Sicherheit in Zukunft auch über diese Stimmverteilung beraten. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Danke schön. - Wir kommen jetzt zu den Fragen 7 und 8 des Kollegen Sascha Raabe: Wie bewerten der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aufgrund konkreter Beobachtungen und Gespräche bei ihren Auslandsreisen die Wirkung von gebundenen und ungebundenen Budgethilfen in Entwicklungsländern, und sind sie bereit, auf Grundlage dieser Erfahrungen in diesen Ländern Budgethilfen weiterzuführen? Wie und wann erfolgt in der EU die konkrete Abstimmung über Budgetfinanzierungen Deutschlands und der EU-Partner sowie des Europäischen Entwicklungsfonds entsprechend der Pariser Erklärung über Kohärenz und Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit und der Bestätigung dieser Erklärung in Accra? Bitte schön, Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Raabe, Sie sprechen ein Thema an, das immer heiß diskutiert wird. Im Einklang mit dem Koalitionsvertrag vergibt die Bundesregierung Budgethilfen nur nach strengen, transparenten Kriterien und überprüft die entsprechenden Programme fortlaufend. Sie haben nach meinen Beobachtungen und denen des Ministers auf Auslandsreisen gefragt. Die Reisen dienten auch dazu, uns über bestehende Budgethilfeprogramme zu informieren. Die Besuche haben gezeigt, dass allgemeine Budgethilfen in den Ländern, in denen es eine funktionierende parlamentarische Kontrolle, effiziente Rechnungshöfe und eine starke Zivilgesellschaft gibt, durchaus einen Beitrag zu mehr Eigenverantwortung und verbesserter Rechenschaftslegung gegenüber der eigenen Bevölkerung leisten können. Auch müssen die Partner sichtbare Anstrengungen zur Verbesserung der Situation bei den Eigeneinnahmen - Stichwort Steuerquote - vorweisen können. Bundesminister Niebel hat bei seinen Gesprächen deutlich auf die Notwendigkeit hingewiesen, Ergebnisse der Reformen im Rahmen der Zusammenarbeit besser zu dokumentieren. Herr Kollege Raabe, das war heute ja auch im Ausschuss Thema. Ich will betonen, dass wir allgemeine Budgethilfen - davon sprechen wir ja - ohne eine Verknüpfung mit den Zielen von Good Governance, also guter Regierungsführung, und mit der Beachtung von Menschenrechten als sehr problematisch ansehen. Dort, wo es gute Strukturen gibt, kann man durchaus mit Budgethilfen agieren. Wir haben aber, wie Sie wissen, im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir eine neue Gewichtung vornehmen und mehr in bilaterale Projekte investieren möchten, weil sie transparenter sind und ihre Wirksamkeit besser festgestellt werden kann. Wir möchten nicht, dass allgemeine Finanzmittel irgendwo in Haushaltsbudgets von Regierungen landen, die mit dem Geld nicht das finanzieren, was wir uns vorstellen, sondern den eigenen Machterhalt, Korruption und viele Dinge mehr. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nachfragen? - Bitte schön. Dr. Sascha Raabe (SPD): Frau Staatssekretärin, zunächst kann man feststellen, wie auch Sie auf Ihren gemeinsamen Auslandsreisen mit dem Minister beobachtet haben, dass die Budgethilfe, die Deutschland leistet bzw. geleistet hat - wir haben ja auch zuvor nur Budgethilfe geleistet, wenn die Rahmenbedingungen gestimmt haben -, in der Tat zu einer Verbesserung der Situation in den Ländern geführt hat. Es ist auch legitim, von anderen Gebern zu fordern, ihre Programme in Ländern, wo die Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, anzupassen - wohlgemerkt nicht Deutschland; denn wir haben in der Vergangenheit nicht mit solchen Ländern zusammengearbeitet. Aber es gibt doch einen Unterschied zwischen einer derartigen differenzierten Kritik und - ich befürchte, dass Sie mir, wahrscheinlich berechtigterweise, wieder mangelnde Wertschätzung dem Minister gegenüber vorwerfen - einer pauschalen Kritik, wie sie unser Minister leider häufig übt nach dem Motto: Steuergeld wird in irgendwelchen Haushalten von Despoten verschwendet, indem diese sich goldene Paläste bauen. Sind Sie mit mir der Meinung, dass solche pauschalen Verurteilungen unserem gemeinsamen Anliegen, das wir verfolgen sollten, schadet? Weiter frage ich Sie: Warum haben Sie im Koalitionsvertrag eine Reduzierung der entsprechenden Mittel vorgesehen? Gehen Sie etwa davon aus, dass alle Entwicklungsländer immer schlechter und korrupter werden? Sie haben anscheinend nicht die Hoffnung, dass es besser wird. Wenn Sie davon ausgingen, dass die Rahmenbedingungen besser würden, dann müssten Sie es doch offenlassen, ob Sie das Instrument ausweiten oder reduzieren, statt die Stammtischmentalität zu bedienen und zu sagen: Das wird jetzt einfach einmal gekürzt. Vor Ort stellen Sie dann aber fest, dass die Mittel eigentlich weiterhin gezahlt werden sollten. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Raabe, es ist doch unumstritten und auch belegt, dass wir es in der Vergangenheit gerade auf dem afrikanischen Kontinent vielfach erlebt haben, dass allgemeine Budgethilfen nicht transparent und werteorientiert verwendet wurden, sondern in irgendwelchen Kanälen verschwunden sind. In Afrika haben über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg Hilfen in Milliardenhöhe häufig nicht den Nutzen gebracht, den wir uns eigentlich erhofft hatten. Das heißt: Es gibt viele Beispiele dafür, dass allgemeine Budgethilfen ohne Verknüpfung mit Qualitätskriterien und Prüfungen im Vorfeld häufig zum Fenster hinausgeworfenes Geld war, das nicht zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Ärmsten, für die es eigentlich gedacht war, beigetragen hat. Genau das hat auch der Minister gesagt, indem er als Ziel formuliert hat, bessere Verhältnisse zu schaffen. Ich habe doch eben sehr differenziert argumentiert - das meine ich jeden-falls -, als ich ausgeführt habe, dass die Budgethilfen, sofern sie mit der Einhaltung bestimmter Werte verknüpft sind, an der einen oder anderen Stelle auch sinnvoll sein mögen. Im Koalitionsvertrag sagen wir nun bei der Frage der Austarierung von multilateralen und bilateralen Strukturen nicht, dass wir gar keine multilateralen Förderungen mehr wollen, vielmehr haben wir uns dafür ausgesprochen, einen größeren Schwerpunkt im bilateralen Bereich zu setzen. Wir haben nicht gesagt, dass wir ohne multilaterale Strukturen auskommen wollen, vielmehr geht es - das will ich deutlich sagen - um die Gewichtung und um die Verantwortung, die die gesamte Bundesregierung, aber mein Haus ganz besonders, dafür hat, dass die Steuermittel, die wir ausgeben, so verantwortbar wie irgend möglich eingesetzt werden und Wirkung entfalten können, hier also Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Das muss mit Qualitätskriterien verbunden sein. Einfach nur auf Cashflow zu setzen und dann zuzuschauen, was daraus wird, das können wir uns nicht leisten. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Eine weitere Nachfrage? - Bitte schön. Dr. Sascha Raabe (SPD): Frau Staatssekretärin, das ist genau das, was ich meine. Sie reden von Cashflow und darüber, dass man nicht darauf schaut, was passiert. Sie reden reichlich nebulös über Milliarden, die angeblich versickert sind, und über Länder, in denen alles ganz schlimm gelaufen ist. Ich frage Sie konkret - denn es geht um deutsche Steuergelder -: Welches Land hat die Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren mit Budgethilfe unterstützt, bei dem es Ihrer Meinung nach keine Verknüpfung mit Kriterien gab? Wo haben wir nicht reagiert, als die Partnerländer die Bedingungen nicht erfüllten? Wo ist der Cashflow in Ländern, bei denen überhaupt nicht geschaut wurde, was mit dem Geld passiert ist? Ich finde, wenn man so etwas behauptet, ist das auch eine Beleidigung unserer Durchführungsorganisation und der Menschen, die vor Ort arbeiten. Ich frage Sie ganz konkret: In welchen Ländern haben Sie vor Ort die von Ihnen beschriebenen Erfahrungen gemacht? Nennen Sie doch die Namen der Länder, in denen in den letzten Jahren die deutsche Budgethilfe in Form von Cashflow herübergeschoben wurde und dann versickerte bzw. verschwendet wurde, weil man sich nicht darum gekümmert hat. Wir reden nicht über andere Geber, sondern über Deutschland. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ich möchte Ihre Frage positiv beantworten, Herr Raabe, und Ihnen sagen, welchen reformdynamischen Niedrigeinkommensländern Deutschland Budgethilfe leistet. Als Beispiele nenne ich Länder in Subsahara-Afrika: Burkina Faso, Ghana, Mali, Malawi, Mosambik, Ruanda, Sambia, Tansania und Uganda. Die Budgethilfe für Benin ist derzeit ausgesetzt. Wie Sie wissen, beobachten wir auch genau, was in Uganda passiert. Bekanntermaßen gibt es dort eine parlamentarische Initiative, Homosexualität mit der Todesstrafe zu belegen. Bundesminister Niebel hat, wie Sie der Presse sicherlich entnommen haben, den Botschafter Ugandas zu sich bestellt und gesagt, die Bundesregierung erwarte, dass sich die Regierung Ugandas davon distanziere, und über entsprechende Schritte nachdenken werde, wenn dies nicht geschehe. Die Umsetzung dieser Art von Werteorientierung hat schon Wirkung gezeigt. Wie Sie wissen, hat sich die Regierung Ugandas von dieser Initiative distanziert. Wie es dort in dieser Frage weitergeht, müssen wir beobachten. Wir haben jedenfalls die Aufgabe, bei der Finanzierung von Budgets genau darauf zu achten, wohin die Gelder fließen. Es gibt verschiedene Gutachten - ich kann aus ihnen jetzt nicht zitieren, weil ich sie nicht dabeihabe; täte das aber gerne -, die belegen, dass in der Vergangenheit sehr viele Gelder in Kanäle geflossen sind, die zu fördern nicht in unserem Sinne sein kann. Neben der allgemeinen Budgethilfe gibt es ja noch die sektorale Budgethilfe. Aus unserem Programm für die Sektorbudgethilfe erhalten Peru, Ruanda und Äthiopien eine zweckgebundene Unterstützung für die Sicherung sozialer Grunddienste. Für den Senegal und Madagaskar bestehen Budgethilfezusagen. Allerdings ist es hier noch nicht zu einer Auszahlung gekommen. Eine Ausweitung des Länderkreises ist zurzeit nicht geplant. Ich kann Ihnen sagen, dass in Kürze eine erneute Prüfung und Evaluierung betreffend die Fortführung von Budgethilfen und Budgethilfeprogrammen stattfinden werden, um zu sehen, wo wir stehen, ob wir auf dem richtigen Weg sind, wo wir nachjustieren müssen und welche weiteren politischen Schritte wir gehen müssen. Seien Sie versichert: Wir sind darauf aus, die uns anvertrauten Gelder so verantwortlich wie irgend möglich zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in den ärmsten Ländern einzusetzen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Danke schön. - Wir kommen damit zu den Fragen 9 und 10. (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Frage 8 ist noch nicht beantwortet!) - Ich dachte, Frage 8 sei schon mitbeantwortet. (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Nein! Da geht es um Accra und die Pariser Erklärung!) Bitte schön, Frau Kopp, zur Abstimmung über die Budgetfinanzierungen. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Präsident, auch ich meine, dass diese Frage schon teilweise mitbehandelt wurde, wenn auch nur am Rande. Die Mitgliedstaaten stimmen ihre Budgethilfeentscheidungen mit der EU-Kommission und mit anderen Mitgliedstaaten auf Ebene des zentralen, kontinuierlichen Austausches zwischen Länderabteilungen, Expertengruppen und Budgethilfe auf EU-Ebene sowie vor Ort unter Beachtung der jeweiligen nationalen Entscheidungskompetenz ab. Die Koordinierung von Budgethilfeprogrammen ist insbesondere in den Ländern, in denen sich auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit an der Budgethilfe beteiligt, intensiv. Hier bestehen Möglichkeiten zur konkreten gemeinsamen Positionierung als EU in den Budgethilfegruppen vor Ort sowie im Rahmen des Politikdialogs mit den Partnerländern. Beim Europäischen Entwicklungsfonds sind die Mitgliedstaaten ebenso wie bei den anderen Außenhilfeinstrumenten an allen Budgethilfeentscheidungen der EU-Kommission beteiligt. Die Beteiligung der Mitgliedstaaten erfolgt sowohl im Rahmen der jeweiligen Länderprogrammierung in Brüssel als auch im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung vor Ort. Im Zuge der Umsetzung der Schlussfolgerungen des Rates zu Aid Effectiveness vom November 2009 haben Kommission und Mitgliedstaaten insbesondere auf deutsche Initiative hin einen Dialog zur Ausarbeitung eines koordinierten Ansatzes bezüglich Budgethilfen begonnen. Entsprechend der Pariser Erklärung und des Accra-Aktionsplans geht es darum, den gemeinsamen Politikdialog, das konkrete Design von Budgethilfeprogrammen sowie die Evaluierung der erzielten Ergebnisse stärker untereinander abzustimmen mit dem Ziel, ein möglichst einheitliches Auftreten der EU vor Ort zu sichern. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Bitte schön, Kollege Raabe. Wollen Sie nachfragen? Dr. Sascha Raabe (SPD): Gerne, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, die Frage zielte darauf ab, dass wir in der Pariser Erklärung und der Erklärung von Accra auf internationaler Ebene mit ganz vielen anderen Gebern vereinbart haben, dass sich die Geber zur Effizienzsteigerung auf gemeinsame Programme in Entwicklungsländern einigen sollen, und zwar auch im Rahmen allgemeiner und sektoraler Budgetfinanzierung, damit sich nicht 100 oder 150 Geber bei den Ministerien die Klinke in die Hand geben und damit Kräfte gebunden werden, die besser zur Armutsbekämpfung verwendet werden könnten. Ich frage Sie, ob sich diese Bundesregierung noch daran hält. In Ihren Koalitionsvertrag, auf den Sie ja auch eingegangen sind, haben Sie nämlich genau das Gegenteil von dem, was international vereinbart wurde, hineingeschrieben. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass sich Deutschland international immer stärker isoliert, wenn weitere Evaluierungen, die wir meiner Meinung nach gar nicht brauchen, gefordert werden? Oder geht es der Bundesregierung vielleicht eher darum, wieder ganz viele deutsche Fahnen aufzustellen, anstatt das Geld gemeinsam mit anderen wirklich für die Ärmsten der Armen effizient einzusetzen, wie es international vereinbart wurde? Halten Sie sich also noch an diese Vereinbarungen? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Nichts gegen deutsche Fahnen! (Manfred Grund [CDU/CSU]: Richtig!) Herr Kollege Raabe, Ihre Sichtweise kann ich nicht teilen; das sage ich ausdrücklich. Ich habe mehrere Entwicklungsministertreffen auf EU-Ebene mitgemacht, auch zu dem Thema Budgethilfen. Unsere Skepsis, was die transparente und werteorientierte Verwendung von Budgethilfen betrifft, teilt eine große Zahl anderer EU-Partner. Ich war erstaunt, weil auch ich bisher dachte, dass neben uns Deutschen nur einige wenige Partner ein wenig kritischer draufschauen. Nein, das ist nicht so. Es gibt viele Länder in unserer EU, die diese Bedenken teilen. Auch diese Länder sagen: Wir wollen eine größere Effizienz bei der Verwendung der Mittel; wir müssen dringend genauer hinschauen. Genau das Gegenteil von dem, was Sie gesagt haben, ist der Fall. Wir isolieren uns nicht. Es ist vielmehr so, dass die Bedenken, die Minister Niebel und ich formuliert haben, auf EU-Ebene zum großen Teil geteilt wurden. Was nicht sein darf, ist Folgendes - auch darüber wurde gesprochen -: Wenn die Mitgliedstaaten mit Projekten begonnen haben, dann aber zu der Erkenntnis kommen, dass für den verantwortbaren Mitteltransfer die Voraussetzungen fehlen, zum Beispiel, weil die Prinzipien von Good Governance nicht eingehalten werden oder keine einigermaßen verlässlichen Strukturen vor Ort vorhanden sind, dann kann es nicht sein, dass die EU-Kommission die Finanzierung fortsetzt. Ich finde, es kann nicht angehen, dass sie dann zwar die Mittel beispielsweise für zwei Jahre aussetzt, aber den Gesamtbetrag nach drei Jahren plötzlich doch ausbezahlt. Wir sagen, dass uns gute Regierungsführung, Beachtung von Menschenrechten, Transparenz der Mittel, staatliche Strukturen, die einen verantwortlichen Umgang mit dem Geld überhaupt vermuten lassen, und viele Dinge mehr wichtig sind. Wenn all das aber nicht gegeben ist, kann man in solche Projekte eigentlich nicht einsteigen. Dann muss man sich sehr genau überlegen, was man tut. Wir sind auch mit der EU-Kommission sehr kritisch umgegangen. Wir haben gesagt: Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass ein bestimmtes Projekt nicht förderfähig ist, weil es nicht werteorientiert ist, möchten wir nicht, dass die EU-Kommission dann anders handelt. Kohärentes Handeln auf EU-Ebene ist uns wichtig. Dafür treten wir auch ein. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Dr. Sascha Raabe (SPD): Frau Staatssekretärin, die Abgeordneten und das Publikum haben das Anrecht auf eine wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen. Sie haben es eben so dargestellt, als habe in der Paris-Deklaration und in der Erklärung von Accra - ich selbst war bei der Konferenz in Accra dabei - die Meinung vorgeherrscht, dass das Instrument der Budgethilfe nicht ausgeweitet werden soll. Natürlich muss dieses Instrument kontrolliert werden. Aber ich frage Sie - ich kann übrigens gut lesen -: Wollen Sie allen Ernstes behaupten, dass in der Erklärung der EU von Paris und in der Accra-Erklärung steht, wir sollen das Instrument der Budgethilfe zurückfahren und beschneiden, wie Sie es in Ihrem Koalitionsvertrag formuliert haben? Das, was Sie jetzt angeblich in Gesprächen auf EU-Ebene erfahren haben, ist jedenfalls nicht der Stand dieser Erklärungen. Ich würde Sie bitten, mir diese Passagen zu nennen. Dabei muss es sich um ein Geheimpapier handeln, aber nicht um den offiziellen Text der Erklärungen von Accra und Paris. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Raabe, weil auch ich bei der Wahrheit bleiben möchte, will ich darauf hinweisen, dass die Erklärungen, die Sie gerade zitiert haben, auch und insbesondere auf bestimmten qualitativen Werten beruhen. Das heißt, es steht nirgendwo, dass Geld gezahlt werden soll, ohne dass die notwendigen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Ganz im Gegenteil, es gibt genügend korrupte Regierungen, die mit Geldern, die eigentlich entwicklungsorientiert eingesetzt werden sollen, Armeen finanzieren. Das wollen wir nicht. Da kann man doch nicht sagen: Das ist vielleicht eine Petitesse. Wir wollen so weitermachen. - Nein, es muss so sein, dass die Gelder, die wir geben, wirklich bei denen ankommen, die sie nötig haben. Wir dürfen durch unsere Finanzierung nicht die Beibehaltung von Strukturen, die eigentlich längst nicht mehr gefördert werden dürften, mitverantworten. Wir brauchen Regierungen, die sich gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung verantwortlich verhalten, um deren Existenz zu sichern und nicht die eigene Macht. Ich kann Ihnen nur sagen: Hier wird und wurde in der Vergangenheit häufig genug falsch gehandelt. Wir wollen dieser Fehlentwicklung, ob Sie es richtig finden oder nicht, mit aller Macht entgegenwirken. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen nun zur Frage 9 der Kollegin Dr. Bärbel Kofler: Welche zusätzlichen Anstrengungen bzw. inhaltlichen Änderungen hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Vergleich zu den Vorjahren im Themenschwerpunkt "Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz" unternommen, und mit welchen Partnerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit kooperiert es derzeit in diesem Themenschwerpunkt? Bitte, Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Kofler, das Thema "Erneuerbare Energien in der Entwicklungszusammenarbeit" ist ein sehr wichtiges. Die Bundesregierung und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung planen in 2010 bedeutende zusätzliche finanzielle Anstrengungen zur Förderung von Klima- und Umweltschutz einschließlich der Unterstützung von Entwicklungsländern bei der Anpassung an die unvermeidlichen Folgen des Klimawandels. Als Teil der von der Bundesregierung auf dem Kopenhagener Klimagipfel zugesagten Fast-Start-Finanzierung von insgesamt 1,26 Milliarden Euro im Zeitraum von 2010 bis 2012 werden für diese Zwecke im Einzel-plan 23 - Sie kennen das sicher - Mittel vorgesehen, welche in 2010 im Vergleich zum Basisjahr 2009 um 205 Millionen Euro steigen. Inhaltliche Änderungen für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit werden sich vor allem durch die im Juli 2009 beschlossene Einführung der obligatorischen Klimaprüfung für Maßnahmen der bilateralen finanziellen und technischen Zusammenarbeit ergeben. Die Leitlinien orientieren sich an den internationalen Vorgaben der OECD. Umweltpolitik, Schutz und nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen sind derzeit - Stand: Januar 2010 - Schwerpunkt der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit mit 19 Partnerländern, mit weiteren neun Ländern im Rahmen regionaler thematischer Kooperationsprogramme. Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen: im Bereich Mittelmeer, Naher Osten und Mittlerer Osten Ägypten und Marokko; im Rahmen regionaler thematischer Kooperationsprogramme Algerien und Tunesien; in Afrika südlich der Sahara Benin, Kongo, Kamerun, Madagaskar und Mauretanien; in Asien und Ozeanien Indien, Indonesien, die Mongolei und Vietnam; in Lateinamerika Brasilien, Ecuador und Honduras. Hinzu kommen viele weitere Länder. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Dr. Bärbel Kofler (SPD): Danke. - Frau Staatssekretärin, ich möchte noch einmal auf die zusätzlichen Mittel, die im Einzelplan 23 sein sollen, zu sprechen kommen. Sie haben den Kopenhagen-Akkord zitiert, nach dem - zu Recht - in den Haushalten für die nächsten drei Jahre und damit auch im Haushalt 2010 jeweils ungefähr 400 Millionen Euro vorzusehen sind. Jetzt sprechen Sie von 205 Millionen Euro, die im Einzelplan 23 zusätzlich vorhanden sein sollen. Deshalb meine Nachfrage: Wo finden sich diese 205 Millionen Euro? Können Sie mir im Bereich der finanziellen und technischen Zusammenarbeit Vergleichszahlen aus dem Jahre 2009 nennen, damit wir sehen können, wie sich die Zahlen entwickelt haben? Der eine Titel, den es im Einzelplan 23 gibt - Klimaschutz in den Entwicklungsländern -, umfasst 35 Millionen Euro, aber nicht 205 Millionen Euro. Also müssten die übrigen 170 Millionen Euro in anderen Titeln versteckt sein. Daher hätte ich zum Vergleich gerne die Zahlen aus dem Jahre 2009. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Kofler, ich kann Ihnen Zahlen aus dem Haushalt für 2010 nennen. Ich sprach eben davon, dass Mittel im Umfang von 205 Millionen Euro eingestellt sind. Diese Mittel verteilen sich wie folgt: jeweils rund 85 Millionen Euro für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit sowie für die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit, hier vor allem für die Klimainvestitionsfonds bei der Weltbank. Mit der Entscheidung des Haushaltsausschusses vom März dieses Jahres - neugeschaffene Titel für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern - finden Sie im Kap. 2302 Tit. 687 05 Mittel in Höhe von 35 Millionen Euro, die sich noch in der Programmierung befinden. Diese Mittel sollen vor allem für bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit verwendet werden. Zielgröße für das bilaterale Engagement 2010 im Klimabereich Minderung und Anpassung sind laut BMZ-Planung 930 Millionen Euro. Hinzu kommen die multilateralen Mittel. Bereits im letzten Jahr hat das BMZ im Anschluss an die Zusage von Bundeskanzlerin Merkel auf der UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt im Juni 2008 in Bonn 223 Millionen Euro für Biodiversität und Walderhalt zugesagt. Damit wurde das deutsche Engagement gegenüber 2008 um rund 30 Prozent gesteigert. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage, bitte. Dr. Bärbel Kofler (SPD): Ich finde die Frage der Zusätzlichkeit so nicht beantwortet. Es erstaunt mich schon, dass Sie, wenn ich nach dem Vergleich der Zahlen von 2009 und 2010 frage, nur Zahlen des Jahres 2010 nennen. Die spannende Frage wäre doch, in welchem Bereich die Mittel erhöht wurden. Es gab Anfang des Jahres Aussagen des Ministers, in denen er sich von dem Kopenhagen-Akkord nicht übermäßig begeistert gezeigt hat, und auch in der Presse war nicht von einem großen Engagement in diesem Bereich, von Mittelaufwüchsen im Einzelplan 23, zu lesen. Wie wollen sich das BMZ und der Minister, aber auch Ihre Person engagieren? Werden Sie die Mittel für den Klimaschutz im Haushalt 2011 erhöhen, und wie soll das ausgestaltet werden? Wie werden die Mittel explizit für den Klimaschutz in Entwicklungsländern steigen? Bei 400 Millionen Euro im letzten Jahr - Vergleichszahlen wurden gerade nicht genannt - liegt für mich ehrlich gesagt der Schluss nahe, dass wir in diesem Bereich mehr als diese Summe einbringen müssten. Ich würde auch gerne wissen, wie die Abstimmung mit dem Umweltressort in diesem Bereich erfolgt. Denn in beiden Ausschüssen wird immer wieder auf den jeweils anderen Ausschuss verwiesen und darauf hingewiesen, dass neue Mittel nicht allein im eigenen Ressort eingestellt werden. Mich interessiert deshalb die Gesamtsumme und die Zusammenschau. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Kofler, die Vergleichszahlen 2009 würde ich Ihnen gerne nachliefern, wenn Sie einverstanden sind. Denn ich habe sie jetzt nicht parat. Aber ich liefere sie Ihnen gerne nach. Selbstverständlich gleichen wir unsere Initiativen auch ressortübergreifend ab. Das heißt, Klimaschutzmaßnahmen sind sowohl im BMU als auch bei uns im BMZ entsprechend verankert. Dabei gibt es auch ein kohärentes Verfahren. Unabgestimmte Maßnahmen gibt es nicht. Was den Klimagipfel in Kopenhagen und die, wie Sie es ausgedrückt haben, sehr zögerlichen oder eher negativen Äußerungen von Minister Niebel betrifft, sind wir uns, glaube ich, einig, dass dieser Klimagipfel enttäuschend verlaufen ist. Wir sind doch davon ausgegangen, dass es ein substanzielles Ergebnis im Sinne eines Vertrages geben könnte, an dem alle mitwirken können. Dies war aber nicht möglich. Das haben wir zur Kenntnis genommen. Ich finde, wir sollten nicht weiter zurückblicken. Dieser Tage hat in Bonn die Petersberger Konferenz stattgefunden, bei der Vertreter von rund 50 Ländern mit am Tisch saßen, um den Klimagipfel im November in Cancún vorzubereiten. Das Ergebnis liegt mir noch nicht vor, aber ich glaube, dass alle teilnehmenden Länder durch internationalen Druck auf uns alle zu einem wie auch immer gearteten Ergebnis mit Substanz beitragen wollen. Ich denke, dass wir im November erneut die Möglichkeit haben, das, was in Kopenhagen nicht optimal gelaufen ist, entsprechend zu korrigieren, ohne die Erwartungen zu hoch zu schrauben. Wie gesagt, es kommt auf internationaler Ebene darauf an, dass sich alle einig sind. Das ist immer die Schwierigkeit. Man muss am Ende meist Kompromisse schließen und kann nie 100 Prozent erreichen. Lassen Sie uns nach vorne blicken und uns bemühen, gemeinsam zu einem substanziellen Ergebnis zu kommen. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingen kann. Vizepräsidentin Petra Pau: Bevor ich die nächste Nachfrage aufrufe, gestatten Sie mir einen Hinweis. In Anbetracht der Tatsache, dass wir noch ganze 25 Minuten für die Fragestunde haben, bitte ich die Kolleginnen und Kollegen um kurze, präzise Fragestellungen, (Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE]) sodass es dann wiederum der Bundesregierung ermöglicht wird, kurz und präzise zu antworten, damit wir auch den anderen Kolleginnen und Kollegen noch die Möglichkeit zu einer Nachfrage geben können. Zu einer Nachfrage hat der Kollege Raabe das Wort. Dr. Sascha Raabe (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich will eine kurze Frage stellen, die auch einfach mit Ja beantwortet werden kann, Frau Staatssekretärin. Es hielt mich nicht mehr auf dem Stuhl, als Sie sagten, der Klimaschutzgipfel in Kopenhagen sei ein Erfolg gewesen, und falls nicht, dann habe es daran gelegen, dass international keine Einigkeit erzielt wurde. Stimmen Sie mir zu, dass die Bundeskanzlerin auf diesem Gipfel 420 Millionen Euro für Klimaschutzmaßnahmen versprochen und dieses Versprechen in diesem Haushalt eiskalt gebrochen hat, indem nur 70 Millionen Euro eingestellt wurden? Sie hat also die Weltgemeinschaft um 350 Millionen Euro belogen. Stimmen Sie mir auch zu, dass dies genauso ein Wortbruch ist, der internationale Glaubwürdigkeit kostet, wie die Tatsache, dass sie das Versprechen gebrochen hat, die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit in diesem Jahr auf 0,51 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern? Sie können einfach mit Ja antworten. Dann können wir weitermachen. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ich wähle die Freiheit, schlicht und ergreifend Nein zu sagen. Nein, Sie haben nicht recht. Vizepräsidentin Petra Pau: Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Kofler auf: Welche bilateralen und multilateralen Programme/Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit werden im Bereich der erneuerbaren Energien gefördert, und wie verhält sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu Anfragen von Partnerländern zur Förderung von Vorhaben im Bereich der Atomenergie? Bitte, Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Vielen Dank. - Ich will es etwas abkürzen. Das BMZ unterstützt derzeit im Bereich der erneuerbaren Energien 83 Programme in 40 Ländern. Das Volumen der in Durchführung befindlichen Erneuerbare-Energien-Programme beträgt 773 Millionen Euro. Mit 16 Ländern hat das BMZ einen Energieschwerpunkt vereinbart. Diese Länder sind Afghanistan, Albanien, Bangladesch, Bosnien-Herzegowina, Georgien, Indien, Kosovo usw. Bei den Regierungsverhandlungen mit Südafrika am 9. April 2010 in Pretoria hat das BMZ beispielsweise 60 Millionen Euro für Maßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien zugesagt. Diese Liste könnte ich erweitern, erspare mir es jetzt aber aufgrund der knappen Zeit. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Dr. Bärbel Kofler (SPD): Ich möchte meine Nachfrage gern zu dem Bereich stellen, den Sie in Ihrer Antwort jetzt elegant umgangen haben. Es geht um die Haltung des BMZ zur Atomenergie und zur Förderung von Projekten im Bereich der Atomenergie. Der Hintergrund ist: In der letzten Legislaturperiode hatten wir bereits die Diskussion über die Hermesbürgschaften zum Beispiel für brasilianische Atomkraftwerke. Das BMZ hat sich damals vehement gegen solche Hermesbürgschaften gestemmt. Mich würde interessieren, wie sich das BMZ in solchen Fragen in Zukunft verhält oder auch in den letzten Wochen schon verhalten hat und wo es einen Konflikt mit der eben beschriebenen Förderung der erneuerbaren Energien sieht. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Das kann ich mit dem einfachen Satz beantworten, dass dem BMZ keine formellen Anforderungen vorliegen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage, bitte. Dr. Bärbel Kofler (SPD): Dann frage ich nach: Hat das BMZ zu den beschlossenen Ausfallbürgschaften für das brasilianische Atomkraftwerk eine Meinung, und äußert es diese Meinung auch im Kabinett? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Natürlich haben wir Meinungen, und die äußern wir auch. Das ist völlig klar. (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Welche sind das?) Noch einmal: Das Projekt, das Sie eben erwähnt haben, ist kein neues. Wir haben im Augenblick keinerlei Diskussions- oder gar Entscheidungsbedarf, weil uns keinerlei Anfragen vorliegen. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Frau Staatssekretärin. - Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramts. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Eckart von Klaeden zur Verfügung. Die Frage 11 der Kollegin Tabea Rößner und die Fragen 12 und 13 der Kollegin Angelika Krüger-Leißner werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht die Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verfügung. Die Frage 14 des Kollegen Dr. Ilja Seifert wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 15 der Kollegin Heike Hänsel: Wie verhält sich die Bundesregierung zu der Empfehlung von Menschenrechtsorganisationen und EU-Abgeordneten, die anlässlich der jüngsten Enthüllungen über das Vorgehen des kolumbianischen Geheimdienstes DAS gegen Menschenrechtler, Nichtregierungsorganisationen und EU-Politiker, welche die Menschenrechtssituation in Kolumbien anprangern (siehe taz vom 27. April 2010, "Geheimdienst gegen Menschenrechtler"), fordern, dass das EU-Freihandelsabkommen mit Kolumbien auf keinen Fall unterzeichnet werden darf, bevor diese Affäre vollständig aufgeklärt ist? Bitte. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Abgeordnete, die Bundesregierung hat sich unabhängig von den jetzt vorgebrachten Vorwürfen seit längerem dafür eingesetzt, dass das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kolumbien sowie Peru und gegebenenfalls später auch Ecuador und Bolivien klare Menschenrechtsverpflichtungen enthält, deren Verletzungen sanktionierbar sind. Das Abkommen erklärt bereits in seinem ersten Artikel die Einhaltung der Allgemeinen Menschenrechtserklärung und der allgemeinen Rechtsstaatsprinzipien zu einem essenziellen Element. Es ist eigentlich ungewöhnlich, so etwas in ein Freihandelsabkommen aufzunehmen, aber das macht deutlich, dass es der Bundesregierung in diesem Fall sehr wichtig war. Die Bundesregierung hat daher keine Bedenken gegen die Paraphierung des Abkommens durch die Europäische Kommission. Zu den im genannten Artikel der taz beschriebenen Aktivitäten des DAS liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke schön, Frau Staatsministerin. - Soll das heißen, dass Sie keinerlei Information haben, während eine Zeitung ausführlich berichtet, dass der kolumbianische Geheimdienst ein Büro in Europa unterhält und systematisch die Arbeit von Europaparlamentariern überwacht, gleichzeitig gezielt mit Propaganda versucht, die Menschenrechtsarbeit im Europäischen Parlament zu beeinflussen, und dies nach Kolumbien rückmeldet? Diesen Informationen müssen Sie doch in irgendeiner Weise nachgehen. Meine konkrete Frage lautet: Wie reagiert die Bundesregierung auf diese Meldungen? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: In der Tat nehmen wir solche Meldungen ernst. Wir sind ihnen nachgegangen. Ich kann Ihnen sagen: Die Bundesregierung hat keinerlei Hinweise darauf, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der DAS in Ländern der Europäischen Union nachrichtendienstliche Operationen gegen Zivilpersonen, Nichtregierungsorganisationen oder Einrichtungen der Europäischen Union durchgeführt hat. Im Übrigen ist uns das Thema Menschenrechte sehr wichtig. Das habe ich hier schon zum Ausdruck gebracht. Die Bundesregierung weiß natürlich, dass der zivile kolumbianische Nachrichtendienst DAS nach einer Entscheidung der Regierung Uribe unter anderem auch aufgrund eines seit Monaten anhaltenden Abhörskandals aufgelöst und unter Beschränkung auf die Kernkompetenzen Aufklärung, Spionageabwehr und Migrationskontrolle neu aufgebaut werden soll. Wir unterstützen natürlich diese Reformbestrebungen der kolumbianischen Regierung, die wir positiv beurteilen. Die Regierung selbst hat das Büro der VN-Hochkommissarin für Menschenrechte in Bogota gebeten, diese Reform zu begleiten. Für die Fortsetzung dieser Reformen durch die neue Regierung sorgen neben der Beteiligung regierungsunabhängiger Stellen wie der obersten Disziplinarbehörde auch das große Interesse der Medien vor Ort und nicht zuletzt die erfolgreiche Einbeziehung internationaler Akteure wie die bereits erwähnte Hochkommissarin für Menschenrechte. Frau Abgeordnete, die Zeitungsmeldungen beunruhigen Sie zu Recht. Aber ich bitte Sie darum, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir ihnen nachgegangen sind, und sich auch auf die Ergebnisse der Recherche der Bundesregierung zu stützen. Wir alle im Parlament handeln verantwortungsvoll und sollten uns daher nicht einseitig nur auf Zeitungsberichte, gerade was die deutsche Außenpolitik anbelangt, stützen, sondern eine genaue Recherche vornehmen. Uns allen sind die Menschenrechtsfragen weltweit wichtig. Deswegen wird die Bundesregierung die Entwicklung weiter beobachten. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage, bitte. Heike Hänsel (DIE LINKE): Mich würde noch interessieren, in welchem Umfang Sie recherchiert haben. Haben Sie zum Beispiel auch recherchiert, ob der kolumbianische Geheimdienst in Deutschland in ähnlicher Weise agiert und auch hier die Arbeit von Parlamentarierinnen und Parlamentariern dokumentiert? Gibt es von Ihrer Seite diesbezüglich irgendwelche Erkenntnisse? Sind Sie in irgendeiner Weise aktiv geworden? Wenn nein, würde mich interessieren, weshalb nicht. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich kann nur sagen, dass die Bundesregierung allumfassend keine Hinweise hat, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der DAS in Ländern der Europäischen Union - dazu gehört auch Deutschland - nachrichtendienstliche Operationen gegen Zivilpersonen, Nichtregierungsorganisationen usw. durchgeführt hat. Ich bitte Sie einfach, dies zur Kenntnis zu nehmen. Die Ergebnisse im Detail vorzutragen, ginge aus meiner Sicht zu weit. Ich bitte Sie daher noch einmal, Frau Abgeordnete, sich nicht nur auf Zeitungsmeldungen zu berufen, sondern im Detail dem zu vertrauen, was wir Ihnen hier vorlegen. Wir sind sehr daran interessiert, dass die Reformen in Kolumbien vorangehen. Dazu gehört auch die Reform des Geheimdienstes DAS. Wir sind zuversichtlich, was die Entwicklung in diesem Land anbelangt. Sie wissen, dass in Kolumbien demnächst, am 30. Mai 2010, Präsidentschaftswahlen anstehen und dass Präsident Uribe unter anderem die Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 26. Februar 2010 gegen ein Referendum respektiert hat, das ihm ein drittes Mandat ermöglicht hätte. Das Verhalten der Regierung zeigt, dass es dort inzwischen relativ stabile Verhältnisse gibt und dass man Vertrauen in die demokratischen Institutionen des Landes gewinnen kann. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer Nachfrage hat der Kollege Ströbele das Wort. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Kollegin, ich will Sie und schon gar nicht die Bundesregierung auf Zeitungsrecherchen reduzieren. Deshalb rate ich der Bundesregierung, über ihre Botschaft in Bogota mit der Staatsanwaltschaft in Kolumbien Kontakt aufzunehmen. Die Staatsanwaltschaft in Kolumbien, die das Büro des Geheimdienstes DAS durchsucht hat, beschlagnahmte dort eine ganze Reihe von Unterlagen. Auf einer dieser Unterlagen findet sich ein handschriftlicher Vermerk, der auf deutsche Nachrichtendienste Bezug nimmt. Ich frage Sie: Ist die Bundesregierung bereit, sich auf diesem Wege richtig zu informieren und dem Deutschen Bundestag dazu Auskunft zu erteilen, in welcher Weise es Verbindungen des DAS, der in Kolumbien wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen unter die Räder gekommen und sogar einer Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft ausgesetzt gewesen ist, zu bundesdeutschen Nachrichtendiensten gibt, was Inhalt dieser Verbindungen war und welchen Inhalts diese Zusammenarbeit gewesen ist? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Nach derzeitigem Kenntnisstand, Herr Abgeordneter, so kann ich nur wiederholen, liegen uns dazu keine Erkenntnisse vor. Wir haben großes Vertrauen in die Auslandsvertretungen und natürlich auch in die Botschaft in Kolumbien. Ich werde gern Ihren Hinweis aufgreifen, dem noch einmal nachgehen und Ihnen die entsprechenden Informationen persönlich zukommen lassen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht mir, dem Deutschen Bundestag!) Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Daðdelen. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatsministerin Pieper, ich will daran anknüpfen, dass Sie im Vorfeld die Frage meiner Kollegin Hänsel so beantworteten, die Regierung habe sich allumfassend informiert und umfassend recherchiert. In diesem Zusammenhang frage ich noch einmal nach: Was heißt "umfassend" konkret? Heißt dies: aus öffentlich zugänglich Quellen, aus nachrichtendienstlichen Quellen, aus bilateralen Gesprächen? Wie informiert sich die Bundesregierung ihrer Meinung nach umfassend? Der Kollege Ströbele hat gesagt, dass es eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft gegeben hat und ein Vermerk mit Bezug auf den BND dort gefunden worden ist. Oder wird die Bundesregierung vom BND nicht allumfassend informiert? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Daðdelen, ich sagte schon auf die Frage des Abgeordneten Ströbele: Allumfassend heißt, dass wir natürlich alle Quellen nutzen, die uns zur Verfügung stehen, und die Recherche dementsprechend vornehmen. Ich werde das jetzt nicht im Einzelnen darlegen; das ginge zu weit. Aber ich betone noch einmal ausdrücklich, dass ich den Hinweis des Abgeordneten Ströbele durchaus sehr ernst nehme, auch im Namen der Bundesregierung, und dass ich dies selbstverständlich noch einmal aufgreifen und nicht nur Herrn Ströbele, sondern den Bundestag darüber informieren werde. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Fragen 16 und 17 des Kollegen Nouripour, die Frage 18 der Kollegin Keul und die Frage 19 des Kollegen Dr. Frithjof Schmidt werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Ute Koczy auf: Welche konkreten Kriterien müssen im Bereich des zivilen Aufbaus in den Provinzen Badakhshan, Kunduz, Baghlan erfüllt sein, um mit der Einleitung eines schrittweisen Abzugs der Bundeswehr zu beginnen? Bitte, Frau Staatsministerin. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Koczy, der Bundeswehreinsatz in Afghanistan bettet sich in die internationale Sicherheitsunterstützungstruppe für Afghanistan ein und orientiert sich daher an den im NATO-Rahmen gebilligten Grundsätzen und Zielen. Dies gilt für die sogenannte Transitionsphase, deren Kern die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte ist. Entscheidendes Kriterium für die Einleitung eines schrittweisen Abzugs ist neben der Sicherheitslage vor allem die Fähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte, die Sicherheitsverantwortung zu übernehmen. Hinzu kommen die Fähigkeit der afghanischen Regierung zu guter Regierungsführung sowie das Vorhandensein grundlegender Voraussetzungen für eine tragfähige sozioökonomische Entwicklung. Daher soll auf der für den 20. Juli 2010 geplanten Konferenz in Kabul ein zwischen der afghanischen Regierung, der internationalen Gemeinschaft, der Unterstützungskommission der Vereinten Nationen in Afghanistan, UNAMA, und ISAF abgestimmter Plan zur Durchführung der Verantwortungsübergabe beschlossen werden, der auch Kriterien im zivilen Bereich umfasst. Diese Kriterien werden dann mit Blick auf die Lage in den einzelnen Provinzen durch die afghanische Regierung, UNAMA, ISAF und die Führungsnationen des jeweiligen regionalen Wiederaufbauteams weiter konkretisiert. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke. - Frau Staatsministerin, Ihrer Antwort ist zu entnehmen, dass es dringend notwendig ist, diese Kriterien zu konkretisieren. Ich habe erwartet, dass sich die Bundesregierung aufgrund des Wissens, dass der Abzug der Truppen wahrscheinlich im Juli 2011 anfangen soll, zügig darauf vorbereitet und Kriterien für diese Maßnahmen entwickelt. Dabei geht es vor allem darum, die Bevölkerung im zivilen Bereich darin zu unterstützen, Verantwortung zu übernehmen. Es ist schlichtweg unerträglich, dass hier überhaupt noch keine konkreten Kriterien vorliegen. Ich möchte deshalb nachfragen. In den Provinzen Badakhshan und Kunduz gibt es zu wenig Polizei, die Polizisten werden schlecht bezahlt, und wir wissen, dass Arbeitsplätze fehlen. Machen wir es einmal an diesen drei konkreten Kriterien fest. Was gedenkt die Bundesregierung in dieser Hinsicht zu tun? Werden die Gelder, die im Auswärtigen Amt, aber auch im BMZ zur Verfügung stehen, dafür ausgegeben und die Maßnahmen aufgestockt, die dringend erforderlich sind? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Abgeordnete, Sie fragen, was die Bundesregierung im zivilen Bereich konkret tut, um die von ISAF entwickelten Kriterien im Norden des Landes zu erfüllen. Ein zentraler Bestandteil der Strategie der Bundesregierung bleiben der Aufbau und die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte in Nordafghanistan. Daneben fokussiert die Bundesregierung ihre zivile Unterstützung im Rahmen ihrer Entwicklungsoffensive noch stärker auf Nordafghanistan und richtet neue flexible Programme ein, zum Beispiel einen Stabilisierungsfonds, einen Regionalentwicklungsfonds und Infrastrukturfazilität. Dadurch soll die lokale Verwaltung bei der eigenständigen Planung und Umsetzung von Wiederaufbau- und Entwicklungsmaßnahmen unterstützt werden. So wird zum einen die Wahrnehmung der afghanischen Verwaltung als Dienstleister gegenüber der eigenen Bevölkerung gestärkt; zum anderen vermitteln solche Maßnahmen der Bevölkerung vor Ort eine spürbare Entwicklungsdividende. Erlauben Sie mir, eines noch kurz zu ergänzen, weil es zu meinem Aufgabenbereich gehört. Die verstärkte Ausbildung der Polizei- und Sicherheitskräfte in Afghanistan liegt uns zu Recht am Herzen, weil dadurch ermöglicht wird, dass das Land seine Geschicke zukünftig selbst in die Hand nehmen kann. Uns allen ist bewusst, dass die Analphabetenrate gerade unter den Polizei- und Sicherheitskräften sehr hoch ist; sie liegt bei 70 Prozent. Die Bundesregierung hat seit 2009 ein Alphabetisierungsprogramm auf den Weg gebracht. Ich persönlich glaube, dass wir für die Polizei- und Sicherheitskräfte - aber nicht nur für diese - mehr tun müssen; wir müssen mehr in Bildung investieren. Deswegen haben wir im Auswärtigen Amt dafür gesorgt, dass die Mittel für die Bildungsinitiative Afghanistan, die natürlich die Ausbildung der Polizei- und Sicherheitskräfte einschließt, verdoppelt werden und in diesem Jahr bei rund 11 Millionen Euro liegen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage, bitte. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Daran kann ich anschließen. Es geht mir um die drei Provinzen, die ich explizit genannt habe, weil sich daran konkret zeigt, wie die Übergabe in Verantwortung aussehen kann. Welche der von Ihnen vorgeschlagenen Punkte werden in Badakhshan, in der Provinz Kunduz und in Baghlan umgesetzt werden? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Alle Punkte. Vizepräsidentin Petra Pau: Damit kommen wir zur Frage 21 der Kollegin Koczy: In welcher Hinsicht bedingen sich die Abzugskriterien im zivilen Bereich und beim Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte? Bitte, Frau Staatsministerin. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Abgeordnete Koczy, meine Antwort für die Bundesregierung lautet: Die von der Internationalen Sicherheits- und Unterstützungstruppe, ISAF, entwickelten Kriterien für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung beruhen auf einer umfassenden Bewertung der Lage in der jeweiligen Provinz. Dies trägt der Erkenntnis Rechnung, dass auch gut funktionierende afghanische Sicherheitskräfte alleine nicht dauerhaft für Stabilität sorgen können. Funktionale Verwaltungsstrukturen, gute Regierungsführung und die Aussicht der jeweiligen Provinz auf eine tragfähige sozioökonomische Entwicklung werden daher als Kriterien in die Lagebewertung einbezogen. Ich habe das schon erwähnt, als ich Ihre vorherige Frage beantwortet habe. Ich glaube, dass die beiden Fragen zusammengehören und Sie damit auf die Kriterien insistieren wollen. Sie hatten dazu ja schon Nachfragen gestellt. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre Nachfrage, bitte. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gehen wir noch einmal konkret auf die Provinz Kunduz ein. Ich habe Informationen, dass es dort ein großes Misstrauen gegenüber dem Gouverneur und der dortigen Provinzverwaltung gibt. Zwei der Kriterien müssen natürlich die Korruptionsbekämpfung und eine gute Regierungsführung durch die Gouverneursverwaltung sein. Wenn wir nun Unterstützung leisten und es eine Provinzregierung gibt, die nicht das Vertrauen der Bevölkerung und meines Wissens auch nicht das der deutschen Bundesregierung hat, dann stellt sich natürlich die Frage, wie die Kriterien, die Sie vorhin in Bezug auf den Abzug genannt haben, umgesetzt werden können. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Sie werden wahrscheinlich verfolgt haben, dass die NATO-Außenministerkonferenz bei ihrem Treffen in Tallinn das Verfahren zur Identifizierung übergabefähiger Provinzen beschlossen hat. Die Übergabe soll in zwei Stufen erfolgen. Die erste Stufe ist die Identifizierung von übergabefähigen Provinzen in einem monatlich stattfindenden Assessment Process. Dabei wird die Lage in der jeweiligen Provinz hinsichtlich der Sicherheit, der Fähigkeit der afghanischen Regierung zu guter Regierungsführung sowie der Nachhaltigkeit der sozioökonomischen Entwicklung analysiert. In der zweiten Stufe entwickelt ein Transition Board Empfehlungen für die mögliche Übergabe der Sicherheitsverantwortung in bestimmten Provinzen, über die die afghanische Regierung und natürlich der NATO-Rat beschließen werden. Die Kabuler Konferenz wird die in London beschlossene Strategie der internationalen Gemeinschaft zur Übergabe in Verantwortung präzisieren und mit konkreten Zielen und Vereinbarungen unterfüttern. ISAF beabsichtigt, die Grundlage für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung bis zum NATO-Gipfel in Lissabon im November 2010 vorzulegen und dort die erste Tranche der zu übergebenen Provinzen zu verkünden. Dass besonderes Vertrauen der Bevölkerung in die Verwaltung und zu den politisch dort agierenden Personen erst noch gewonnen werden muss, ist uns allen bekannt. Diese Kriterien werden natürlich bei der zukünftigen Auswahl, die ja auch durch die afghanische Regierung erfolgen soll, berücksichtigt. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage, bitte. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Staatsministerin. - Ihre Antwort lässt mich sehr nervös werden, und zwar hinsichtlich der Zeitschiene, die Sie gerade beschrieben haben. Ist denn, wenn man analog der Obama-Strategie mit dem Abzug im Juli 2011 beginnen will, diese Zeitschiene nicht fahrlässig lang in Bezug darauf, dass wir der Bevölkerung in Deutschland klarmachen, dass wir einen Abzug beginnen wollen? Alle diese Maßnahmen können ja erst beginnen, wenn der Juli und, wenn ich Sie richtig verstanden habe, auch der November 2010 vorüber sind. Das bedeutet, dass wir ein halbes Jahr Zeit haben, die Kriterien umzusetzen, um dann mit dem Abzug im Juli 2011 zu beginnen. Das finde ich für die Menschen vor Ort schlichtweg gefährlich. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Abgeordnete, es gibt keinen Grund für Ihre Nervosität. Wichtig ist, dass die Übergabe der Sicherheitsverantwortung nicht gleichzusetzen ist mit dem Abzug von ISAF-Kräften aus der jeweiligen Provinz, aber ein wichtiger Schritt dazu ist. Was die Obama-Strategie anbelangt: Obama hat sich eindeutig zur ISAF-Strategie bekannt, und die Amerikaner haben diese auch zu ihrer Grundlage gemacht. Vizepräsidentin Petra Pau: Frau Staatsministerin, herzlichen Dank! Die übrigen Fragen zu Ihrem Geschäftsbereich werden schriftlich beantwortet, ebenso wie alle anderen nicht aufgerufenen Fragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 6. Mai 2010, 10 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 15.38 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Behm, Cornelia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 05.05.2010 Binder, Karin DIE LINKE 05.05.2010 Bleser, Peter CDU/CSU 05.05.2010 Bockhahn, Steffen DIE LINKE 05.05.2010 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 05.05.2010 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 05.05.2010 Connemann, Gitta CDU/CSU 05.05.2010 Groschek, Michael SPD 05.05.2010 Höger, Inge DIE LINKE 05.05.2010 Hörster, Joachim CDU/CSU 05.05.2010 Klöckner, Julia CDU/CSU 05.05.2010 Lindner, Christian FDP 05.05.2010 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 05.05.2010 Philipp, Beatrix CDU/CSU 05.05.2010 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 05.05.2010 Schnieder, Patrick CDU/CSU 05.05.2010 Werner, Katrin DIE LINKE 05.05.2010 Zapf, Uta SPD 05.05.2010Anlage 2 Antwort des Staatsministers Eckart von Klaeden auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 11): Was unternimmt die Bundesregierung, nachdem nun der Internationale Rat für Denkmalpflege, ICOMOS, eine Überprüfung des Weltkulturerbestatus angekündigt hat, um den Status Weltkulturerbe für den Speyerer Dom zu schützen? Die Erhaltung und Pflege von Weltkulturerbestätten ist nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes eine Angelegenheit des Denkmalschutzes und damit vorrangig eine Aufgabe der Länder, welche die Annahme der Stätten in die UNESCO-Weltkulturerbeliste beantragt haben. Da nach Kenntnis der Bundesregierung ICOMOS eine Gefährdung des Weltkulturerbestatus für den Dom zu Speyer nicht zu erkennen vermag, ist nach Ansicht der Bundesregierung kein Handlungsbedarf ersichtlich. Anlage 3 Antwort des Staatsministers Eckart von Klaeden auf die Fragen der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner (SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 12 und 13): Wie ist es in so kurzer Zeit gelungen, eine Einigung bei den Gesprächen über das am 6. Mai 2010 von der Bundesregierung zu präsentierende neue Konzept zur Digitalisierung der Kinos herbeizuführen, nachdem es anlässlich der Beratung des Antrags der SPD-Fraktion "Für eine Kinodigitalisierung, die den Erhalt unserer Kinolandschaft sichert" in der Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien am 21. April 2010 von Ihrer Seite keinen Hinweis auf einen bevorstehenden Abschluss der Gespräche insbesondere mit den Verleihern gab? Wird das am 6. Mai 2010 zu präsentierende Konzept, ohne den Details vorgreifen zu wollen, der Vorgabe des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und FDP gerecht, wonach die Digitalisierung der Kinos flächendeckend erfolgen soll? Zu Frage 12: Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann, wird am 6. Mai 2010 auf Einladung der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag erstmals seine Überlegungen für ein Modell zur Digitalisierung der Kinos in Deutschland vortragen und mit Vertretern der Film- und Kinowirtschaft diskutieren. Von einem bereits erfolgten Abschluss der Gespräche und Diskussion dazu kann keine Rede sein. In den Diskussionsprozess wird selbstverständlich auch der Ausschuss für Kultur und Medien einbezogen. In der letzten Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien am 21. April 2010 war ein Antrag der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag Beratungsgegenstand. Ein Sachstandsbericht der Bundesregierung zur Digitalisierung der Filmtheater war nicht Gegenstand der Tagesordnung und der Beratungen, Herrn Staatsminister Bernd Neumann wurde deshalb in der Sitzung zum Antrag der SPD-Fraktion auch nicht das Wort erteilt. Zu Frage 13: Die Überlegungen für ein Modell, die der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann, am 6. Mai 2010 auf Einladung der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vortragen wird, gehen aus von der Aussage des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und FDP: "In einer Gemeinschaftsaktion von Filmwirtschaft, Filmförderanstalt, FFA, Bund und Ländern soll schrittweise die flächendeckende Digitalisierung der Kinos erfolgen, um die kulturelle Vielfalt in Deutschland zu erhalten." Daher stehen Programm- und Filmkunstkinos sowie herkömmliche Kinos mit besonderen strukturellen Komponenten im Fokus der Bundesregierung, die den Umrüstungsprozess von analoger auf digitale Projektionstechnik finanziell nicht aus eigener Kraft bewältigen können. Anlage 4 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 14): An welchen Gedenkveranstaltungen und Kranzniederlegungen oder anderen Feierlichkeiten an sowjetischen Gedenkstätten und Kriegsgräbern anlässlich des 65. Jahrestages der Befreiung Deutschlands vom Faschismus nehmen Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung teil? Der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, hat am 30. April 2010 an einer Gedenkfeier an der Kriegsgräberstätte Zeithain teilgenommen; dort sind 15 000 russische Kriegsgefangene bestattet. Von russischer Seite waren Vertreter des Generalkonsulats Leipzig bei der Gedenkfeier vertreten. Bundespräsident Professor Dr. Horst Köhler hat am 2. Mai 2010 anlässlich des 65. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau, in dem auch sowjetische Kriegsgefangene ermordet wurden, an einem Gedenkakt in der KZ-Gedenkstätte Dachau teilnehmen. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel wird am 9. Mai 2010 am zentralen Festakt zum 65. Jahrestag des Kriegsendes in Moskau teilnehmen. Welche weiteren hochrangigen Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung an dieser Veranstaltung teilnehmen werden, steht noch nicht fest. Der Koordinator für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit, Dr. Andreas Schockenhoff, MdB, hat den Botschafter der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland sowie Vertreter aller Fraktionen des Deutschen Bundestages und weitere Gäste zu einer Gedenkveranstaltung und Kranzniederlegung am 9. Mai 2010 im ehemaligen Kriegsgefangenenlager StaLag III A bei Luckenwalde eingeladen. Darüber hinaus planen verschiedene politische Stiftungen, Organisationen, Museen und Gedenkstätten entsprechende Gedenkveranstaltungen in Deutschland. Von russischer Seite sind sowohl in Deutschland als auch in Russland und vielen anderen Staaten ebenfalls Gedenkveranstaltungen vorgesehen. Wer von russischer Seite zu diesen Veranstaltungen über das jeweilige Diplomatische Korps hinaus im Einzelnen eingeladen wird, ist nicht bekannt. Soweit eine deutsche Auslandsvertretung eine Einladung erhält, wird der jeweilige Missionsleiter oder ein Vertreter an der Veranstaltung teilnehmen. Anlage 5 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 16): Welche konkreten Kriterien müssen hinsichtlich des Aufbaus der afghanischen Sicherheitskräfte auf Distriktebene erfüllt sein, um mit der Einleitung eines schrittweisen Abzugs der Bundeswehr zu beginnen? Die gemeinsam von der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe, ISAF, und der afghanischen Regierung noch im Detail zu entwickelnden Kriterien für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung werden auf die Lage in der jeweiligen Provinz abstellen. Hinsichtlich der Kriterien zur Sicherheitslage hat die Fähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte, gegenwärtigen oder zukünftigen Bedrohungen durch Aufständische entgegenwirken zu können, eine zentrale Bedeutung. Konkret geht es um die Fähigkeit der afghanischen Armee, Afghan National Army, ANA, und der afghanischen Polizei, Afghan National Police, ANP, effektive Operationen zu führen und hierzu entsprechende Befehls- und Kommunikationsstrukturen vorzuhalten. Der Ausbildungsstand der afghanischen Sicherheitskräfte unterliegt einer regelmäßigen Bewertung durch ISAF. Anlage 6 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 17): Inwiefern sind sicherheitspolitische Kriterien für die Einleitung eines schrittweisen Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan prioritär gegenüber der Erfüllung von Kriterien im Bereich des zivilen Aufbaus? Die gemeinsam von der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe, ISAF, und der afghanischen Regierung noch im Detail zu entwickelnden Kriterien für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung werden auf eine umfassende Bewertung der Lage in der jeweiligen Provinz abstellen. Dabei geht es, neben der Sicherheitslage und der Fähigkeit der afghanischen Regierung zur guten Regierungsführung, auch um die Schaffung von Grundlagen für eine eigenständige sozio-ökonomische Entwicklung. Die Erfüllung von Kriterien im Bereich des Wiederaufbaus, etwa die Grundversorgung der Bevölkerung und Voraussetzungen für eine sich selbst tragende lokale Wirtschaft, werden somit bei der Einleitung der Übergabe von Sicherheitsverantwortung mit berücksichtigt. Die Entscheidung über die Übergabe der Sicherheitsverantwortung in einer Provinz werden von der afghanischen Regierung und vom NATO-Rat getroffen. Grundlage dafür werden Empfehlungen sein, die ein sogenanntes "transition board", bestehend aus COMISAF, dem Hohen Zivilen Repräsentanten der NATO in Afghanistan, dem Leiter der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan, UNAMA, dem Botschafter der jeweiligen Führungsnation des Regionalen Wiederaufbauteams, PRT, und der afghanischen Regierung, gemeinsam entwickelt haben. Anlage 7 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 18): Welche Kriterien definiert die Bundesregierung für den schrittweisen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, und inwiefern unterscheiden sich diese von denen des Kommandeurs der ISAF, Stanley McChrystal, für die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan, ISAF? Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan erfolgt im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe für Afghanistan, ISAF. Grundsätzlich gelten die von ISAF entwickelten und im NATO-Rahmen gebilligten Grundsätze und Ziele der Operationsführung auch für die Bundeswehr. Dies gilt auch für die von ISAF entwickelten Grundsätze für die nächste Operationsphase, die sogenannte Phase IV, "Transition", deren Kern die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an afghanische Sicherheitskräfte ist. Die gemeinsam von ISAF und der afghanischen Regierung noch im Detail zu entwickelnden Kriterien für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung werden auf die Lage in den jeweiligen Provinzen abstellen. Konkret geht es um die Sicherheitslage, die Verbesserung der Regierungsführung afghanischer Stellen insbesondere auf subnationaler Ebene sowie um die Schaffung von Grundlagen für die sozio-ökonomische Entwicklung. Die Entscheidung über die Übergabe der Sicherheitsverantwortung in einer Provinz werden von der afghanischen Regierung und vom NATO-Rat getroffen. Grundlage dafür werden Empfehlungen sein, die ein sogenannte "transition board", bestehend aus COM ISAF, dem Hohen Zivilen Repräsentanten der NATO in Afghanistan, dem Leiter der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan, UNAMA, dem Botschafter der jeweiligen Führungsnation des Regionalen Wiederaufbauteams, PRT, und der afghanischen Regierung, gemeinsam entwickelt haben. Anlage 8 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 19): Ist es richtig, dass in einem Bericht über die Stimmungslage in den neun nördlichen Provinzen Afghanistans, den General Frank Leidenberger in Auftrag gegeben hat (Die Welt vom 23. April 2010), auf eine Bereitschaft der lokalen aufständischen Gruppen, namentlich von Maulawi Wakil Ahmed Muttawakil, Ex-Außenminister der Taliban, zu Gesprächen über eine politische Lösung hingewiesen wird, und welche politischen Schritte will die Bundesregierung ergreifen, um diese Gesprächsbereitschaft vor Ort im Norden weiter auszuloten und im Sinne einer politischen Lösung des Konflikts zu nutzen? Der Bundesregierung liegt kein entsprechender von General Frank Leidenberger in Auftrag gegebener Bericht vor. Bei dem in der Presse zitierten Bericht handelt es sich um einen Reisebericht des Leutnants zur See Marco Hellgrewe, dessen Inhalt sich die Bundesregierung nicht zu eigen macht und nicht kommentiert. Anlage 9 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 22): Inwieweit orientieren sich die Kriterien, die die Bundesregierung für den schrittweisen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan aufstellt, am Abzugsplan der US-Streitkräfte, bzw. sind sie von diesem unabhängig? Der Bundeswehreinsatz und der Einsatz der US-Streitkräfte in Afghanistan erfolgen im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe für Afghanistan, ISAF. Grundsätzlich gelten die von ISAF entwickelten und im NATO-Rahmen gebilligten Grundsätze und Ziele der Operationsführung für die Bundeswehr wie auch für die US-Streitkräfte. Dies gilt auch für die von ISAF entwickelten Grundsätze für die nächste Operationsphase, die sogenannte Phase IV, "Transition", deren Kern die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an afghanische Sicherheitskräfte ist. Die afghanische Regierung ist an der Entwicklung dieser Kriterien beteiligt. Zudem ist es ein Ziel der für Ende Juli angesetzten Kabuler Konferenz, die in London beschlossene Strategie der internationalen Gemeinschaft zur "Übergabe in Verantwortung" zu präzisieren und mit konkreten Zielen und Vereinbarungen insbesondere im sozio-ökonomischen Bereich zu unterfüttern. Die Entscheidung über die Übergabe der Sicherheitsverantwortung in einer Provinz werden von der afghanischen Regierung und vom NATO-Rat getroffen. Grundlage dafür werden Empfehlungen sein, die ein sogenanntes "transition board", bestehend aus COM ISAF, dem Hohen Zivilen Repräsentanten der NATO in Afghanistan, dem Leiter der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan, UNAMA, dem Botschafter der jeweiligen Führungsnation des Regionalen Wiederaufbauteams, PRT, und der afghanischen Regierung, gemeinsam entwickelt haben. Anlage 10 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln) (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 23): Was unternimmt die Bundesregierung, damit vor dem Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudan im Januar 2011 eine Sudan-Konferenz im UN-Rahmen stattfindet, wozu der Deutsche Bundestag in seinem interfraktionellen Antrag (Bundestagsdrucksache 17/1158) die Bundesregierung aufgefordert hat? Die Bundesregierung steht im ständigen Dialog mit ihren Partnern, insbesondere in der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten von Amerika und in Afrika zur Abstimmung des weiteren Vorgehens im Bezug auf den Sudan. Es werden gegenwärtig verschiedene Ansätze zur Bestimmung einer gemeinsamen Position und Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft erörtert. Die Afrikanische Union, AU, hat das AU-High Implementation Panel unter Vorsitz des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten, Thabo Mbeki, mit der Begleitung des Referendums über die Umsetzung des Umfassenden Friedensabkommens für Sudan, Comprehensive Peace Agreement - CPA, beauftragt. Ein Koordinierungstreffen in Addis Abeba ist für den 8. Mai 2010 geplant. Die USA planen eine CPA-Folgekonferenz, möglicherweise in Kairo. Die Bundesregierung ist in diese Diskussionsprozesse involviert und unterstützt dabei konsensfähige Maßnahmen, die vor allem den Wünschen der Beteiligten im Sudan entsprechen und eine starke aktive Rolle der Vereinten Nationen vorsehen. Anlage 11 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln) (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 24): Was unternimmt die Bundesregierung, damit vor dem Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudan im Januar 2011 die strittigen Fragen wie die Aufteilung der Ölfelder, die Nutzung von Öltransportwegen, die Aufteilung der Öleinnahmen und sonstigen staatlichen Vermögen, die mangelnde Transparenz des Unity Fund, die Landverteilung, Wasser- und Weiderechte, Handelsbeziehungen, das Staatsangehörigkeitsrecht oder der Minderheitenschutz umfassend gelöst werden, wozu sie der Deutsche Bundestag in seinem interfraktionellen Antrag (Bundestagsdrucksache 17/1158) aufgefordert hat? Die südsudanesische Regierung hat am 8. April 2010 offiziell bei den Vereinigten Staaten von Amerika und der EU und ihren Mitgliedstaaten, unter anderem auch Deutschland, um technische Beratung zu den in Ihrer Frage genannten Themen gebeten. Die sudanesische Regierung in Khartum unterstützt dies, erwartet aber auch die Einbeziehung des Nordsudan in Entwicklungsprogramme. Die Regierung im Südsudan hat eine Taskforce eingerichtet, die mithilfe internationaler Experten Lösungen für diese strittigen Fragen erarbeiten soll. Im Moment lotet die internationale Gemeinschaft, konkret das "Joint Donor Comittee" - alle Vertretungen und Entwicklungsorganisationen vor Ort -, im Sinne einer Arbeitsteilung Unterstützungsmaßnahmen aus. Die Bundesregierung ist aktiv durch die Deutsche Botschaft in Khartum, die Außenstelle Dschuba und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit daran beteiligt. Darüber hinaus erarbeitet die Bundesregierung ein umfassendes Konzept für den Sudan, welches gegenwärtig zwischen den Ressorts abgestimmt wird. Der Ressortkreis zivile Krisenprävention wird am 12. Mai 2010 diese Fragen ebenfalls erörtern. Sudan wird damit einen konkreten Anwendungsfall für unseren neuen Ansatz der vernetzten Sicherheit im Afrikakonzept der Bundesregierung darstellen. Anlage 12 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Wieland (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 25): Welche Position vertritt die Bundesregierung bezüglich des Wunsches Taiwans, sich als Beobachter an den Aktivitäten der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, ICAO, zu beteiligen, und welche Schritte will die Bundesregierung unternehmen, um die sachlich gebotene Partizipation Taiwans zu ermöglichen? In Übereinstimmung mit der großen Mehrheit der Staatengemeinschaft erkennt Deutschland Taiwan nicht als souveränen Staat an. Die Bundesregierung hält unverändert an ihrer Ein-China-Politik fest. Die Bundesregierung ist fest davon überzeugt, dass die Taiwan-Frage friedlich und im konstruktiven Dialog zwischen den Beteiligten gelöst werden muss. Deshalb hat die Bundesregierung pragmatische Lösungen für die Mitarbeit Taiwans in internationalen Organisationen bisher unterstützt und beabsichtigt, das auch in Zukunft zu tun. Das gilt auch für die Mitarbeit Taiwans in der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, ICAO. Anlage 13 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Wieland (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 26): Welche Position vertritt die Bundesregierung bezüglich des Wunsches Taiwans, in die Mechanismen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, UNFCCC, eingebunden zu werden, und inwiefern widerspricht nach ihrer Ansicht der Ausschluss des weltweit 22 größten CO2-Produzenten dem Geist und den Zielen der Konvention? Die Bundesregierung ist fest davon überzeugt, dass die Taiwan-Frage friedlich und im konstruktiven Dialog zwischen den Beteiligten gelöst werden muss. Die Bundesregierung unterstützt pragmatische Lösungen für die Mitarbeit Taiwans in internationalen Organisationen, auf die sich die beiden Seiten geeinigt haben, und beabsichtigt, dies auch in Zukunft zu tun. Taiwan bemüht sich zurzeit erneut um einen Beobachterstatus bei Konferenzen der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention, UNFCCC. Die Bundesregierung würde Gespräche zwischen Taiwan und der Volksrepublik China über konkrete Schritte einer sinnvollen Mitarbeit Taiwans bei UNFCCC begrüßen. Beiträge Taiwans zum Klimaschutz tragen zur Erreichung des klimapolitischen Ziels bei, den Anstieg der globalen Temperaturen auf zwei Grad zu begrenzen. Anlage 14 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 27): Inwieweit teilt die Bundesregierung die im Brief des zypriotischen Parlaments vom 12. April 2010 geäußerte Feststellung, dass die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit dem türkisch besetzten Teil Zyperns durch die EU internationalem Recht widerspricht, nach dem ein souveräner Staat - in diesem Fall durch die völkerrechtlich anerkannte Regierung der Republik Zypern - das Recht hat, Häfen zu schließen - in diesem Fall im türkisch besetzten Teil Zyperns - und sich Dritte an diese Entscheidung zu halten haben, und inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit dem türkisch besetzten Teil Zyperns die aktuellen Friedensbemühungen der Regierung konterkariert? Zu Teil 1 der Frage, ob die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit dem Nordteil von Zypern internationalem Recht widerspricht: Vor dem Hintergrund der Ablehnung des Annan-Plans durch die griechisch-zyprische Volksgruppe am 24. April 2004 hat die EU am 26. April 2004 beschlossen, der faktischen Isolierung des nördlichen türkisch-zyprischen Teils der Insel entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck wurden mehrere Verordnungsvorschläge durch die EU-Kommission ausgearbeitet, von denen die Trennungslinien- und die Finanzhilfeverordnung in den Jahren 2004 bzw. 2006 in Kraft getreten sind. Der ebenfalls 2004 vorgelegte Entwurf einer Direkthandelsverordnung konnte dagegen bisher nicht verabschiedet werden, da insbesondere die Republik Zypern hiergegen juristische und politische Bedenken erhob. Mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages war die EU-Kommission verpflichtet, sämtliche schwebende Verfahren, die nach neuem Recht dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren - Mitbestimmung durch das Europäische Parlament - unterlagen, an das Europäische Parlament weiterzuleiten. Darunter fiel nach Auffassung des juristischen Dienstes der EU-Kommission auch der Entwurf für die Direkthandelsverordnung. Aus Sicht der Kommission widerspricht die Möglichkeit des Direkthandels grundsätzlich nicht völkerrechtlichen Vorgaben. Die Bundesregierung teilt diese Auffassung. Zu Teil 2 der Frage, inwieweit hierdurch aktuelle Friedensbemühungen konterkariert würden: Die Bundesregierung unterstützt jegliche Bemühungen, die einen Fortschritt der laufenden Zypern-Verhandlungen ermöglichen. Der Friedensprozess bedarf neuer Impulse, um die Chancen auf eine dauerhafte Lösung zu verbessern. Aus Sicht der Bundesregierung gehört hierzu auch der Direkthandel mit dem nördlichen Teil Zyperns. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 28): Sind alle Ressorts der Bundesregierung der Auffassung, die Bekämpfung kinderpornografischer Inhalte im Internet sollte sowohl durch das Löschen als auch das Sperren entsprechender Seiten erfolgen, oder ist dies eine Einzelmeinung des Bundesministers des Innern, der entsprechend in der Presse zitiert wurde? Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf die Koalitionsvereinbarung. Danach besteht Einigkeit, dass es notwendig ist, kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Zunächst für ein Jahr sollen kinderpornografische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes nicht gesperrt werden. Stattdessen werden die Polizeibehörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen Internetbeschwerdestelle sowie dem Beschwerdestellennetzwerk INHOPE die Löschung kinderpornografischer Seiten betreiben. In der Koalitionsvereinbarung ist ferner festgelegt, dass dies nach einem Jahr im Hinblick auf Erfolg und Wirksamkeit evaluiert und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewertung vorgenommen werden soll. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 29): Wird die Bundesregierung der Aufforderung des Menschenrechtskommissars des Europarates, Thomas Hammarberg, nachkommen, der in seiner Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates am 28. April 2010 die europäischen Regierungen dazu aufforderte, keine Roma in den Kosovo abzuschieben, insbesondere weil aus Deutschland abgeschobene Roma zum Teil in bleiverseuchten Lagern untergebracht wurden? Nein. Die deutschen Ausländerbehörden schieben ausreisepflichtige Roma und Personen anderer Ethnien aus dem Kosovo, die der vorausgegangenen Aufforderung zur freiwilligen, von Bund und Ländern auch finanziell in beachtlicher Höhe unterstützten Ausreise aus dem Bundesgebiet nicht nachgekommen sind, nicht in eine bestimmte Kommune oder "Lager" im Kosovo ab. Vielmehr sind ab dem Zeitpunkt ihrer Einreise die kosovarischen Stellen für die Aufnahme, Unterbringung und Reintegration der Rückkehrer verantwortlich. Darüber hinaus steht es den rückgeführten Personen im Rahmen der verfassungsmäßig garantierten Freizügigkeit bzw. der nationalen Gesetzgebung der Republik Kosovo frei, über ihren Aufenthaltsort selbst zu bestimmen. Unabhängig davon unterstützt die Bundesregierung zusammen mit den Ländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt mit dem Rückkehrprojekt URA in beachtlichem Umfang die Reintegration der Rückkehrer. Zu dem vielfältigen Leistungsangebot dieses Projekts gehören auch die Wohnraumvermittlung und die Gewährung von Mietkostenzuschüssen. Bisher konnte im Rahmen dieses Projekts jeder interessierte Rückkehrer in Wohnraum vermittelt werden - im Jahr 2010 bis Ende Februar 37 Personen, darunter 21 Angehörige ethnischer Minderheiten, hiervon 15 Roma. Im Februar 2010 startete das Umsiedlungsprogramm der EU Mitrovica Support Initiative, EUMSRI, für die durch Umweltgifte kontaminierten Roma-Siedlungen in Nord-Mitrovica, Osterode und Cesmin Lug. Im ersten Projektabschnitt begannen zu diesem Zeitpunkt die Bauarbeiten für die Errichtung von 90 Häusern in der Siedlung Roma-Mahalla; in einem zweiten Abschnitt sollen weitere 50 Häuser errichtet werden. Derzeit sind im Camp Osterode noch 99 und in Cesmin Lug 46 Roma-Familien untergebracht. Bereits seit Mitte 2008 besteht für beide Camps ein Zuzugsverbot für Neuankömmlinge. Ausnahmen gelten nur in Einzelfällen für nahe Angehörige, die wegen ihrer im jeweiligen Camp wohnenden Familienangehörigen um Aufnahme bitten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat anlässlich der Unterzeichnung des deutsch-kosovarischen Rückübernahmeabkommens am 14. April 2010 in Berlin betont, dass Deutschland das seit Jahren bewährte Konzept der schrittweisen Rückführung in das Kosovo auch künftig fortsetzen wird. So wurden im Jahr 2009 von circa 14 000 ausreisepflichtigen Kosovaren durch die Ausländerbehörden nur 541 Personen abgeschoben, darunter 76 Angehörige der Roma. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 30): Wie bewertet es die Bundesregierung, wenn Mitglieder von Regierungen in Bund und Ländern - wie in den vergangenen Tagen etwa in Baden-Württemberg; siehe Süddeutsche Zeitung vom 29. April 2010 - in der Diskussion über die vollständige Umsetzung des gesetzlichen Verbots von Waffen in privaten Händen und Haushalten vom Besitz von Waffen in eigener Hand und ihren Erfolgen beim Übungsschießen schwärmen, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den Besitz von Schusswaffen in Ministerhand einzuschränken und damit zur Abrüstung auch in Landesteilen zu kommen, in denen die Waffenlobby verankert ist und die besonders vom Waffenhandel profitieren? Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, Pressemeldungen zu waffenrechtlichen Sachverhalten in den Bundesländern zu kommentieren. Dies gilt auch, soweit in den Pressemeldungen Mitglieder von Landesregierungen genannt oder zitiert werden. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 31): Wie häufig - absolut und relativ - wurden welche Beanstandungen bei Kontrollen der Lagerung von Waffen in privaten Haushalten in den einzelnen Bundesländern seit der letzten Änderung des Waffengesetzes festgestellt? Der Bundesregierung liegen zu festgestellten Beanstandungen bei den Kontrollen der Lagerung von Waffen in privaten Haushalten keine statistischen Daten vor. Die Länder sind nicht verpflichtet, statistische Daten zu erheben oder dem Bund zu berichten. Eine Abfrage bei den Ländern war in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 32): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Widerruf des als "Schweine-Patent" bekannt gewordenen Patents EP 1651777, und wie wird die Bundesregierung die Neuverhandlung des EU-Patentrechts zum Schutze der Nichtpatentierbarkeit von Tieren, Pflanzen und Lebensmitteln voranbringen? Das Europäische Patentamt hat das Europäische Patent 1651777 mit Entscheidung vom 20. April 2010 widerrufen, nachdem der Patentinhaber Newsham Choice Genetics im Einspruchsverfahen mit Schreiben vom 31. März 2010 erklärt hatte, das Patent nicht aufrecht erhalten zu wollen. Weitere Informationen liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Bundesregierung prüft derzeit das weitere Vorgehen in Bezug auf tier- und pflanzenbezogene Patente. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 33): Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Migrantinnen und Migranten, die die Meinung vertreten, dass Kruzifixe in Klassenräumen staatlicher Schulen gegen die Religionsfreiheit verstoßen, nicht nur in Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes stehen, das 1995 mit Blick auf Bayern festgestellt hat, ein Schulkreuz verstößt gegen die weltanschauliche Neutralität des Staates, sondern auch mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom November 2009, und ist diese Meinung nicht Ausdruck von Toleranz und einer europäischen Gesinnung im Geiste der Aufklärung, ganz im Gegensatz zu jenen, die mittels des Kruzifixes eine einseitige Bezugnahme auf das Christentum erzwingen wollen? Nach dem sogenannten Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1995 verstößt das Anbringen eines Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, dann gegen die Religionsfreiheit, Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes, wenn die Schülerinnen und Schüler dem Kruzifix zwangsweise ausgesetzt werden. In ähnlicher Weise hat eine Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, EGMR, 2009 in der Sache Lautsi gegen Italien entschieden, es verstoße gegen das Recht auf Bildung, Art. 2 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, in Verbindung mit dem Recht auf Religionsfreiheit, Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention, wenn Schülerinnen und Schüler in öffentlichen Schulen zwangsweise dem Anblick eines Kruzifixes ausgesetzt würden. Diese Entscheidung ist noch nicht endgültig, da Italien die Große Kammer des EGMR angerufen hat. Die Auffassung, dass Kruzifixe in Klassenräumen staatlicher Schulen generell gegen die Religionsfreiheit verstoßen, trifft somit nicht zu. Das Anbringen von Kruzifixen ist nach wie vor möglich, allerdings nicht gegen den erklärten Widerspruch der Schülerinnen und Schüler beziehungsweise ihrer Erziehungsberechtigten. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 34): Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber Vorschlägen der EU-Kommission zur Bekämpfung kinderpornografischer Inhalte im Internet, und welche gesetzliche Regelung strebt sie selbst an? Die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie haben in der vergangenen Woche mit einer ersten Sitzung auf Ratsarbeitsgruppenebene begonnen. Art. 21 des Richtlinienvorschlags war bislang nicht Gegenstand der Verhandlungen. Es ist derzeit auch nicht absehbar, wann diese Norm erstmals Gegenstand von Abstimmungsgesprächen auf Ratsarbeitsgruppenebene sein wird. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Fragen 35 und 36): Wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene, auch vor dem Hintergrund des zwischen den Koalitionsfraktionen vereinbarten Grundsatzes "Löschen statt Sperren", gegen den in dem Entwurf einer Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie, KOM(2010) 94, der EU-Kommission angelegten Vorschlag einer europaweiten Einführung von Internetsperren aussprechen? Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die im Vorschlag der EU-Kommission vorgesehene Verpflichtung der Mitgliedstaaten, eine Sperrung von Internetseiten vorzunehmen, hinsichtlich der Notwendigkeit eines effektiven Kampfes gegen derartige Inhalte im Netz zielführend ist, oder vertritt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass Netzsperren für eine effektive Bekämpfung der Verbreitung der Darstellung von Kindesmissbrauch im Internet nicht nur völlig ungeeignet, sondern letztlich sogar kontraproduktiv sind, da die betreffenden Inhalte im Netz verbleiben? Zu Frage 35: Die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie haben in der vergangenen Woche mit einer ersten Sitzung auf Ratsarbeitsgruppenebene begonnen. Art. 21 des Richtlinienvorschlags war bislang nicht Gegenstand der Verhandlungen. Es ist derzeit auch nicht absehbar, wann diese Norm erstmals Gegenstand von Abstimmungsgesprächen auf Ratsarbeitsgruppenebene sein wird. Zu Frage 36: Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf die Koalitionsvereinbarung. Danach besteht Einigkeit, dass es notwendig ist, kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Zunächst für ein Jahr sollen kinderpornografische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes nicht gesperrt werden. Stattdessen werden die Polizeibehörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen Internetbeschwerdestelle sowie dem Beschwerdestellennetzwerk INHOPE die Löschung kinderpornografischer Seiten betreiben. In der Koalitionsvereinbarung ist ferner festgelegt, dass dies nach einem Jahr im Hinblick auf Erfolg und Wirksamkeit evaluiert und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewertung vorgenommen werden soll. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Hönlinger (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 37): Welche Position vertritt die Bundesregierung, auch vor dem Hintergrund der Debatte um das zurzeit per Ministererlass ausgesetzte deutsche Zugangserschwerungsgesetz, bezüglich der Einführung von Netzsperren als Instrument im Kampf gegen die Darstellung von Kindesmissbrauch im Internet sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene? Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf die Koalitionsvereinbarung. Danach besteht Einigkeit, dass es notwendig ist, kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Zunächst für ein Jahr sollen kinderpornografische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes nicht gesperrt werden. Stattdessen werden die Polizeibehörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen Internetbeschwerdestelle sowie dem Beschwerdestellennetzwerk INHOPE die Löschung kinderpornografischer Seiten betreiben. In der Koalitionsvereinbarung ist ferner festgelegt, dass dies nach einem Jahr im Hinblick auf Erfolg und Wirksamkeit evaluiert und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewertung vorgenommen werden soll. Die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie haben in der vergangenen Woche mit einer ersten Sitzung auf Ratsarbeitsgruppenebene begonnen. Artikel 21 des Richtlinienvorschlags war bislang nicht Gegenstand der Verhandlungen. Es ist derzeit auch nicht absehbar, wann diese Norm erstmals Gegenstand von Abstimmungsgesprächen auf Ratsarbeitsgruppenebene sein wird. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fragen der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Fragen 38 und 39): Bis wann wird der Truppenübungsplatz Wittstock vom Bundesministerium der Verteidigung, BMVg, an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen, BMF, übergeben? Ab wann wird das Gelände für die zivile Nutzung zur Verfügung stehen? Zu Frage 38: Das Bundesministerium der Verteidigung hat mit Schreiben vom 30. März 2010 das Bundesministerium der Finanzen darüber informiert, dass nach einem Verzicht auf die Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock als Luft-Boden-Schießplatz ein Bedarf für eine anderweitige militärische Nutzung nicht besteht. Aufgrund ihrer Zuständigkeit prüft die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben derzeit die Modalitäten einer Übernahme der Liegenschaft. Zu Frage 39: Über den Zeitpunkt einer zivilen Nutzung des Geländes des Truppenübungsplatzes Wittstock lassen sich gegenwärtig noch keine Aussagen treffen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Fritz Rudolf Körper (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 40): Wie ist die Haltung der Bundesregierung zum Vorschlag des Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, Professor Dr. Clemens Fuest, angesichts hoher Staatsschulden Kirchenmitglieder durch eine Reform der Kirchensteuer am Sparen zu beteiligen, indem durch eine Aufspaltung in ein Beitrags- und ein Spendenelement nur die Hälfte des Kirchensteuerbetrages als Spende steuerlich abzugsfähig sein soll (Interview in der Financial Times Deutschland vom 21. April 2010)? Es ist nicht beabsichtigt, den Abzug der gezahlten Kirchensteuer als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nummer 4 des Einkommensteuergesetzes zu verändern. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Kirsten Lühmann (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 41): Wie und an wen - Mühlenbesitzer oder Endverbraucher - gedenkt die Bundesregierung nach der am 23. April 2010 erfolgten Zustimmung der EU zu den Regelungen der Besteuerung von Rapsöl im Wachstumsbeschleunigungsgesetz die überzahlten Steuern zurückzuzahlen? Die im Wachstumsbeschleunigungsgesetz für Biodiesel und Pflanzenölkraftstoff festgelegte Fortschreibung der Steuerentlastungssätze des Jahres 2009 für die Jahre 2010 bis 2012 ist aufgrund der beihilferechtlichen Genehmigung der EU-Kommission vom 21. April 2010 rückwirkend ab dem 1. Januar 2010 in Kraft getreten. Die zuständigen Behörden der Zollverwaltung sind bereits mit Erlass des BMF vom 22. April 2010 angewiesen worden, nunmehr ausschließlich die aktuellen Steuerentlastungssätze anzuwenden und die notwendigen Korrekturen für die zurückliegenden Monate des Jahres 2010 von Amts wegen vorzunehmen. Die noch ausstehenden Beträge können aus rechtlichen Gründen nur an die Steuerentlastungsberechtigten ausgezahlt werden. Steuerentlastungsberechtigt sind die Steuerschuldner, also in der Regel diejenigen Unternehmen, die den Bioreinkraftstoff in den Verkehr gebracht haben - zum Beispiel die Ölmühlenbesitzer. Endverbraucher sind nicht steuerentlastungsberechtigt. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 42): Befürwortet die Bundesregierung eine Aufhebung der Haushaltssperre für das Marktanreizprogramm, MAP, und, wenn nein, welche alternativen Überlegungen existieren zur weiteren Förderung des erneuerbaren Wärmemarktes? Im Haushalt des BMU wurden beim Titel "Förderung von Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien" - zu dem auch das Marktanreizprogramm zählt - 115 Millionen Euro qualifiziert gesperrt, weil die Einnahmenentwicklung des Bundes aus dem Handel mit CO2-Emissionszertifikaten mit erheblichen Unsicherheiten behaftet war. Nach derzeitigem Stand hat sich keine wesentliche Verbesserung gezeigt. Eine Aufhebung der qualifizierten Sperre kommt somit derzeit aus Haushaltssicht nicht in Betracht. Alternative Überlegungen zur Förderung des erneuerbaren Wärmemarktes außerhalb des Marktanreizprogramms gibt es derzeit nicht. Diese wären gegebenenfalls im Rahmen des Energiekonzepts zu entwickeln. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fragen der Abgeordneten Lisa Paus (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Fragen 43 und 44): Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, die Banken an der Finanzierung der Hilfen für Griechenland durch die Einführung einer Finanzumsatzsteuer zu beteiligen, wenn bereits ein Steuersatz in Höhe von 0,01 Prozent auf europäischer Ebene Einnahmen von mindestens 90 Milliarden Euro generieren könnte? Wird die Bundesregierung eine neue Initiative zur Einführung einer Finanzumsatzsteuer anregen vor dem Hintergrund der nicht erfolgten Einigung zur Bankenabgabe beim letzten G-20-Gipfel in Washington und der Tatsache, dass nun auch Russland die Einführung einer Finanzumsatzsteuer erwägt (Financial Times Deutschland vom 28. April 2010)? Zu Frage 43: Vor dem Hintergrund der in den letzten Wochen auf europäischer Ebene geführten Diskussionen schätzt die Bundesregierung die Möglichkeit als gering ein, auf EU-Ebene Einstimmigkeit für die Einführung einer Finanztransaktionsteuer herzustellen. Zu Frage 44: Die Diskussion der G-20-Finanzminister und Notenbankgouverneure am 23. April 2010 in Washington hat gezeigt, dass es international noch keinen Konsens für eine - wie auch immer geartete - Beteiligung des Finanzsektors an den Krisenkosten gibt. Wichtige Schwellenländer, aber auch Kanada und Australien, sind in dieser Frage sehr zurückhaltend. Noch größer ist die Ablehnung bei einer Finanztransaktionsteuer im engeren Sinne. Die Bundesregierung schätzt daher die Möglichkeit als gering ein, im Kreis der G 20 Einstimmigkeit für die Einführung einer Finanztransaktionsteuer herzustellen. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 45): Inwiefern liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass die jüngsten Herabstufungen durch Ratingagenturen der Länder Portugal und Spanien auf andere Faktoren als die Veränderung wirtschaftlicher Fundamentaldaten - zum Beispiel Absprachen mit Investoren - zurückzuführen sind, und, falls nein, beabsichtigt die Bundesregierung, in dieser Richtung untersuchend tätig zu werden? Die Ratingagentur Standard & Poor's hat zuletzt die Bewertung portugiesischer Staatsanleihen am 27. April 2010 um zwei Stufen auf "A-" und die Bewertung spanischer Staatsanleihen am 28. April 2010 um eine Stufe auf "AA" mit jeweils negativem Ausblick heruntergestuft. Zur Begründung ihrer Herabstufungen verweist die Agentur jeweils unter anderem auf vergrößerte haushaltspolitische Risiken, schlechte Wachstumsaussichten und den aus Sicht der Agentur bestehenden Bedarf an zusätzlichen Sparanstrengungen. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass die Entscheidungen der Ratingagentur auf andere Faktoren als die Veränderungen von wirtschaftlichen- und finanzpolitischen Fundamentaldaten zurückgeführt werden könnten. Die Bundesregierung beabsichtigt daher nicht, in dieser Richtung untersuchend tätig zu werden. Grundsätzlich gilt darüber hinaus, dass Ratings immer nur die Meinung der Ratingagenturen darstellen und sich Investoren bzw. Marktteilnehmer ein eigenes Bild von der Kreditwürdigkeit eines Landes machen müssen. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 46): Wie erklärt die Bundesregierung, dass Deutschland mit einem Anteil von rund 30 Prozent an der Wertschöpfung - Brutto-inlandsprodukt - der Eurozone mit 47 Prozent einen - gemessen an der Wertschöpfung - weit überproportionalen Anteil an Abschreibungen der Banken verzeichnen muss - vergleiche IWF, Global Financial Stability Report, April 2010, 1. Kapitel -, und inwiefern sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf? Die Finanzierungsstruktur in Deutschland ist traditionell bankbasiert; deshalb hat der deutsche Finanzsektor ein verhältnismäßig hohes Gewicht. Die bankbasierte Finanzierung sorgt in Verbindung mit dem Hausbankenprinzip und der dezentralen Bankenstruktur für eine sichere Unternehmensfinanzierung auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Außerdem wurde Deutschland als exportorientiertes Land von der Wirtschaftskrise in besonderem Maße betroffen und hatte einen besonders starken Einbruch der Wirtschaftsleistung zu verzeichnen. Die Bundesregierung unterstützt die Bemühungen auf Ebene der G 20, des Financial Stability Boards und des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 47): Hat die Bundesregierung mit den deutschen Banken, die griechische Anleihen halten, über ihren Beitrag zum Rettungspaket für Griechenland verhandelt und, wenn nein, warum nicht? In Abstimmung mit den Eurozonen-Finanzministern sucht die Bundesregierung gegenwärtig den Dialog mit Vertretern der Finanzwirtschaft. Vertreter der deutschen Finanzwirtschaft haben sich in einem Gespräch mit dem Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, am 4. Mai 2010 bereit erklärt, nach aller Möglichkeit, bestehende Kreditlinien und des Anleihenengagement gegenüber Griechenland für die Laufzeit des Hilfsprogramms aufrechterhalten zu wollen. Außerdem haben die Vertreter der Finanzwirtschaft ihre Bereitschaft erklärt, KfW-Anleihen zu zeichnen, die zur Finanzierung des deutschen Beitrages ausgegeben werden. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 48): Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus der Griechenlandkrise für die Regulierung der Finanzmärkte gezogen, und wann beginnt die Bundesregierung mit der Umsetzung dieser Schlussfolgerungen? Die Finanzkrise hat gezeigt, dass die Regulierung der Derivatmärkte auf europäischer Ebene noch stärker vorangetrieben werden muss. Hierbei sollen insbesondere die Abwicklung standardisierter Derivate über zentrale Clearingstellen und die Transparenz von Derivatetransaktionen verbessert werden. Hierzu hat die Europäische Kommission im Oktober 2009 eine entsprechende Mitteilung veröffentlicht und plant, Mitte 2010 einen Rechtsetzungsvorschlag vorzulegen. Ferner ist es erforderlich, die Qualität von Ratingagenturen zügig zu verbessern. Aus diesem Grund ist es von großer Bedeutung, dass die operative Aufsicht über Ratingagenturen nach den Vorgaben der EU-Ratingverordnung wie geplant im Sommer 2010 ihren Anfang nimmt. Die Bundesregierung ist durch das derzeit im Bundestag verhandelte Ausführungsgesetz auf einem guten Weg, die Voraussetzungen für die operative Aufsicht zeitnah zu schaffen. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Fra-ge 49): Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass deutsche Finanzhilfen jetzt für Griechenland und später vielleicht für Portugal, Spanien, Italien letztlich nicht wieder den deutschen Großbanken zugutekommen und zufließen, die die Finanzkrise wesentlich mitverursacht haben und jetzt durch Beteiligung an der Spekulation zulasten der genannten Staaten von deren verzweifelter Finanzlage ohnehin profitieren, und welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung, um die Beteiligung deutscher Banken am Spekulationsgeschäft zulasten etwa von Griechenland auszuschließen? Das Eingreifen zur Rettung Griechenlands liegt zuallererst in unserem eigenen nationalen Interesse. Ohne ein Handeln des Internationalen Währungsfonds und der 15 Staaten des Euro-Währungsgebiets käme es zur Zahlungsunfähigkeit Griechenlands, die nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission die Finanzstabilität in der gesamten Europäischen Währungsunion gefährden würde. Bundeskanzlerin Merkel hat in einem gemeinsamen Schreiben mit Präsident Sarkozy, dem luxemburgischen Premierminister Juncker und dem griechischen Ministerpräsidenten Papandreou vom 10. März 2010 die EU-Kommission aufgefordert, möglichst rasch auf europäischer Ebene eine Untersuchung bezüglich der Rolle und Auswirkungen von Spekulationen mit CDS-Geschäften mit Staatsanleihen europäischer Länder durchzuführen und bei Verdacht auf einen maßgeblichen Einfluss spekulativer Geschäfte auf die Entwicklung der Renditen entsprechende Maßnahmen zu prüfen und gegebenenfalls Rechtsakte zu entwerfen. In Abstimmung mit den Euro-Zonen-Finanzministern sucht die Bundesregierung den Dialog mit Vertretern der Finanzwirtschaft, um sich über die aktuelle Lage und die jeweiligen Verantwortlichkeiten auszutauschen. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fragen des Abgeordneten Siegmund Ehrmann (SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 50 und 51): Werden die Interessen der Kultur, der Kulturschaffenden und der Kultureinrichtungen in der Zusammensetzung der Gemeindefinanzkommission und ihren inhaltlichen Beratungen berücksichtigt - bitte begründen - und, wenn ja, in welcher Form? Welche Vorschläge, Konzepte oder Modelle hat die Bundesregierung zum Erhalt und zur Sicherung von Kultureinrichtungen und kulturellen Projekten, die aufgrund der immensen Herausforderungen und Sparzwänge, denen die öffentlichen Haushalte aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise, aber auch der Steuerpolitik der Bundesregierung aktuell gegenüberstehen, von Einsparungen und Schließungen bedroht sind vor dem Hintergrund, dass die Kommunen neben den Ländern die Hauptförderer der Kultur - in Nordrhein-Westfalen tragen die Kommunen fast 80 Prozent der gesamten öffentlichen Kulturfinanzierung - sind? Zu Frage 50: Die Gemeindefinanzkommission steht unter dem Vorsitz des Bundesministers der Finanzen. Weitere Mitglieder sind die Bundesminister des Innern und für Wirtschaft und Technologie, die Finanzminister der Länder Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie die Innenminister der Länder Brandenburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Der Kommission gehören weiterhin die Präsidentin des Deutschen Städtetages, die Präsidenten des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Deutschen Landkreistages - also der Träger der von Ihnen angesprochenen Kultureinrichtungen - an. Die Erarbeitung von Alternativen bei der Gemeindefinanzierung hat Auswirkungen auf eine Vielzahl von Handlungsfeldern, auch auf den Kulturbereich. Bereits im Rahmen der Kabinettbefassung zur Einsetzung der Gemeindefinanzkommission hat der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien daher nachdrücklich auf die Bedeutung einer Restrukturierung der kommunalen Finanzen für den Kultursektor hingewiesen. Die Bundesregierung ist sich der mittelbaren Auswirkungen von Neuordnungen auf alle Bereiche kommunaler Infrastruktur - auch auf die Kultur - bewusst und wird sie nicht außer Acht lassen. Zu Frage 51: Die Bundesregierung ist sich sehr wohl bewusst, dass bei einer andauernden finanziellen Schieflage der Kommunen ihre zentrale Funktion als Träger vielfältigster kultureller Einrichtungen beeinträchtigt wird und die Kulturlandschaft in Deutschland Schaden nehmen kann. Mit der Einsetzung der Gemeindefinanzkommission hat die Bundesregierung die notwendigen Schritte zur Bewältigung der aktuellen Finanzprobleme der Kommunen eingeleitet. Zuerst sind allerdings die Länder gefordert, die nach der Finanzverfassung für eine angemessene Finanzausstattung ihrer Kommunen verantwortlich sind. Sie besitzen im kommunalen Finanzausgleich das geeignete Instrument, ihre Kommunen mit den Finanzmitteln auszustatten, die es ihnen erlauben, das gebotene Niveau an kulturellen Angeboten aufrechtzuerhalten. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 52): Wie rechtfertigt die Bundesregierung die bisherige Veröffentlichung von vier Nichtanwendungserlassen durch das Bundesministerium der Finanzen gegenüber dem im Koalitionsvertrag selbst gesetzten Ziel zu der Praxis der Nichtanwendungserlasse, und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des Bundesfinanzhofes, BFH, vom 18. März 2010 (IX B 227/09), in welchem der BFH entgegen dem Nichtanwendungserlass vom 15. Februar 2010 seine Rechtsauffassung erneut bestätigt? Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag enthält den Auftrag, sich in BMF-Schreiben auf die Auslegung der Gesetze zu beschränken und die Praxis der Nichtanwendungserlasse zurückzuführen. Die seit Beginn der 17. Legislaturperiode im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ergangenen vier Nichtanwendungserlasse haben die Auslegung der Gesetze zum Gegenstand, wenn auch mit einem von der Auffassung des Bundesfinanzhofs, BFH, abweichenden Ergebnis. Sie waren aus den in den BMF-Schreiben jeweils angeführten Gründen geboten. Das BMF wird aber auch in Zukunft weiterhin darauf hinwirken, dass BFH-Urteile grundsätzlich allgemein angewandt werden und damit der Vereinbarung im Koalitionsvertrag entsprochen wird. In Ausnahmefällen kann es aber auch künftig erforderlich sein, ein BFH-Urteil nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 53): Welche steuerlichen Mehreinnahmen infolge des Progressionsvorbehalts auf Kurzarbeitergeld erwartet die Bundesregierung für das Kassenjahr 2009/2010 durch die Verlängerung der Bezugsfrist auf 24 Monate, und wie sieht die Bundesregierung das Leistungsfähigkeitsprinzip gewahrt, wenn das Kurzarbeitergeld dem Progressionsvorbehalt unterworfen ist, hingegen per Doppelbesteuerungsabkommen freigestellte Mieterträge aus dem europäischen Ausland nach § 32 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes von diesem ausgenommen sind? Durch die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes sind keine Steuermehreinnahmen zu erwarten, da Kurzarbeitergeld steuerfrei ist. Hingegen ist mit Steuermindereinnahmen zu rechnen, soweit steuerpflichtige Löhne durch steuerfreies Kurzarbeitergeld ersetzt werden. Der Progressionsvorbehalt auf Kurzarbeitergeld ist gerechtfertigt, weil er den Grundsätzen einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entspricht. Bezieht beispielsweise ein Steuerpflichtiger während des Kalenderjahres nur steuerpflichtigen Lohn und ein anderer Steuerpflichtiger sowohl steuerpflichtigen Lohn als auch Kurzarbeitergeld in gleicher Gesamthöhe, so wäre der Steuersatz ohne Progressionsvorbehalt für beide Steuerpflichtige unterschiedlich. Der Progressionsvorbehalt bewirkt, dass bei gleichen Gesamteinnahmen der gleiche Steuersatz auf die Löhne angewandt wird. Beim Progressionsvorbehalt für das Kurzarbeitergeld und ausländische Mieterträge liegen unterschiedliche Sachverhalte vor. Kurzarbeitergeld wird weder im Inland noch im Ausland steuerlich belastet. Hingegen sind die in Rede stehenden Mieteinkünfte in Deutschland nur dann steuerfrei und vom Progressionsvorbehalt ausgenommen, wenn sie nach den Doppelbesteuerungsabkommen im Ausland steuerpflichtig und gegebenenfalls auch steuerbelastet sind. Nach geltendem Recht kommt für ausländische Verluste aus Vermietung und Verpachtung kein negativer Progressionsvorbehalt zur Anwendung. Die Gesetzesänderung entspricht der auch unter EU-Gesichtspunkten anerkannten Symmetriethese. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE ) (Drucksache 17/1534, Frage 54): Wie ist zu erklären, dass sämtliche Unternehmen auf die Liste der akkreditierten Stellen bei der Deutschen Akkreditierungsstelle ohne vorherige Überprüfung übernommen wurden, und wie stellt die Bundesregierung sicher, dass diese Unternehmen in den nächsten fünf Jahren ihren Verpflichtungen und Auflagen bei Zertifizierungen nachkommen? Die Unternehmen auf der Liste verfügen über gültige Akkreditierungen, die von Mitgliedern des Deutschen Akkreditierungsrates, DAR, und/oder von staatlichen Einrichtungen, zum Beispiel Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik, Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, Kraftfahrtbundesamt, vor Inkrafttreten des Akkreditierungsstellengesetzes ausgestellt wurden. Die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH, DAkkS, führt diese Akkreditierungen gemäß den Vorgaben der Verordnung, EG Nr. 765/2008 in Verbindung mit den Regelungen des Akkreditierungsstellengesetzes fort. Die Akkreditierung trifft lediglich eine Kompetenzfeststellung, also eine Aussage darüber, ob eine Konformitätsbewertungsstelle technisch dazu in der Lage, das heißt kompetent ist, eine bestimmte Konformitätsbewertungstätigkeit durchzuführen. Mit der Akkreditierung durch die DAkkS ist nicht verbunden, dass die jeweilige Konformitätsbewertungsstelle ihre Tätigkeit ausüben und zum Beispiel am Markt anbieten darf. Hier bestehen verschiedene gesetzliche Regelungen, nach denen eine Konformitätsbewertungsstelle zusätzlich zur Kompetenzbestätigung, das heißt der Akkreditierung, eines weiteren formalen Aktes bedarf, um in bestimmten Bereichen tätig werden zu dürfen, zum Beispiel Anerkennung, Zulassung, Benennung, Notifizierung. Das Akkreditierungsstellengesetz verwendet für diesen formalen Akt den Begriff der Befugniserteilung. Ausgesprochen werden die Befugniserteilungen durch unterschiedliche Behörden des Bundes oder der Länder, im Bereich der Medizinprodukte ist dies die ZLG, auf der Grundlage des jeweiligen Fachrechts, das mit der Schaffung des Akkreditierungsstellengesetzes nicht geändert wurde. Die zuständigen Behörden überwachen im Rahmen der Befugniserteilung die Einhaltung von Verpflichtungen und Auflagen. Die befugniserteilenden Behörden sind ferner in den Akkreditierungsprozess mit einbezogen, vgl. § 2 Abs. 3 sowie § 10 Abs. 1 Nr. 3 Akkreditierungsstellengesetz. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Eva Högl (SPD) (Drucksa-che 17/1534, Fragen 55 und 56): Welche werden die nationalen Ziele, vor allem in den Bereichen Wirtschaft, Umwelt, Soziales und Beschäftigung, sein, die sich die Bundesregierung im Rahmen der neuen Strategie für Wachstum und Beschäftigung setzt? Wie werden dabei die Sozialpartner und die Zivilgesellschaft einbezogen, und in welcher Form wird der Deutsche Bundestag darüber informiert? Zu Frage 55: Im Unterschied zur auslaufenden Lissabon-Strategie wird die neue Strategie "EU 2020" dadurch geprägt, dass sie fünf EU-weite Kernziele enthalten wird. Zu diesen Kernzielen hat der Europäische Rat am 25./26. März Eckpunkte beschlossen, aber noch keine abschließende Entscheidung getroffen. Allerdings sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, ihre nationalen Beiträge zur Erfüllung der EU-weiten Ziele bis zum Europäischen Rat im Juni zu definieren. Dies sind bekanntermaßen Ziele zur Beschäftigung, Forschung und Entwicklung sowie Klima und Energie. Für die Ziele "Bildung" sowie "Förderung der sozialen Integration, insbesondere der Verminderung der Armut", sind noch geeignete EU-weite Zieldefinitionen zu finden. Hierzu wie auch zu dem Teilziel "Verbesserung der Energieeffizienz in Richtung auf 20 Prozent" ist die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung bzw. zwischen Bundesregierung und Ländern noch nicht abgeschlossen. In dieser Woche findet ein erster Gedankenaustausch mit der Kommission darüber statt, wie und in welchem Umfang Deutschland zu den EU-weiten Zielen beitragen kann. Zu Frage 56: Das BMWi hat am 18. März 2010 eine Informationsveranstaltung mit Vertretern der Zivilgesellschaft und den Sozialpartnern durchgeführt. Alle Beteiligten hatten Gelegenheit, ihre Position zur geplanten Strategie "EU 2020" darzulegen. Des Weiteren findet ein kontinuierlicher Informationsaustausch zu Einzelaspekten zwischen den jeweils dafür federführenden Ressorts und den entsprechenden Teilen der Zivilgesellschaft statt. Eine gesonderte Unterrichtung des Bundestages zur Beteiligung der Zivilgesellschaft ist nicht vorgesehen. Schon bisher hat aber eine intensive Befassung aller relevanten Bundestagsausschüsse zum Komplex "EU 2020" stattgefunden. Die Bundesregierung wird diese Unterrichtung selbstverständlich fortführen. In diesem Kontext erinnere ich daran, dass die Bundeskanzlerin zugesagt hat, vor einer abschließen Entscheidung im Europäischen Rat die Rückendeckung des Bundestages einzuholen. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fragen der Abgeordneten Andrea Nahles (SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 57 und 58): Wie ist der Sachstand der Arbeit der Initiative "Wirtschaftsfaktor Alter" und des RLW-Arbeitskreises Tourismus - RLW: Richtlinien für den ländlichen Wegebau - insbesondere hinsichtlich der Frage zum aktuellen Stand der Umsetzung des barrierefreien Tourismus und zur Gewinnung kleiner und mittlerer Unternehmen in der Tourismusbranche für den Seniorentourismus? Wie wird die Bundesregierung die Barrierefreiheit im Tourismus konkret kurzfristig erreichen, und welchen Stand hat die Umsetzung der Leitlinien für den Tourismus für diesen Bereich? Zu Frage 57: Im Rahmen der Initiative "Wirtschaftsfaktor Alter" fanden bisher zwei Fachforen "Wirtschaftsfaktor Alter" statt. Das zweite Fachforum am 28. April 2010 im BMWi hatte das Ziel, Erkenntnisse zum Wirtschaftsfaktor Alter in die kleinen und mittleren Unternehmen zu tragen. Zu diesem Zweck wurden im Rahmen von Vorträgen und einer Ausstellung in sehr plastischer Form die heterogenen Bedürfnisse einer älteren Kundschaft dargestellt. Außerdem wurden konkrete Umsetzungsstrategien von Unternehmen vorgestellt, Good Practice. Der Arbeitskreis Tourismus tagte bisher einmal im Oktober 2009. Die Teilnehmer waren sich einig, dass das Thema "Wirtschaftsfaktor Alter" nicht auf das Thema Barrierefreiheit verkürzt werden sollte. Zentrales Thema bei der Zielgruppe 50+ sei der Service. Der Arbeitskreis Tourismus wird sich im Herbst 2010 ein zweites Mal treffen. Das Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e. V., RKW, das die Arbeitskreise organisiert, erarbeitet gerade eine Broschüre für kleine und mittlere Hotelbetriebe, gastronomische Betriebe und Freizeiteinrichtungen mit besonderem Fokus auf den Themen Service und Marketing. Des Weiteren sind regionale Aktivitäten rund um den Tourismus geplant, zum Beispiel Veranstaltungen für Unternehmen und - gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund - für die Bürgermeister als wichtige Promotoren des Themas Wirtschaftsfaktor Alter. Zu Frage 58: Das Ziel der Barrierefreiheit ist auch im Tourismus ein gesellschaftspolitisches Ziel, das alle Lebensbereiche umfasst und sich auf eine Vielzahl von Maßnahmen gründet. Mit Blick auf die grundsätzlich gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben sollen auch Urlaub und Reisen für behinderte Menschen zur Selbstverständlichkeit werden. Dieses Ziel kann nur schrittweise erreicht werden und bedarf des Engagements aller am Tourismus beteiligten Unternehmen und Einrichtungen, Länder, Regionen, Kommunen, touristische Unternehmen, insbesondere das Gastgewerbe, Freizeitparks, Architekten, das Bauwesen, der Verkehrsbereich usw. Die Bundesregierung kann hierzu nur Anstöße geben. Die Tourismuspolitischen Leitlinien der Bundesregierung sehen vor, das Ziel der Barrierefreiheit als Querschnittsaufgabe in allen Politikbereichen stärker zu verankern. Die Bundesregierung fördert kontinuierlich Projekte der Nationalen Koordinationsstelle Tourismus für Alle e. V., NatKo. Die Zahl der behindertenfreundlichen und behindertengerechten touristischen Angebote steigt deutlich an. Auch viele private Anbieter berücksichtigen bei Ausbau und Modernisierung die Anforderungen der Barrierefreiheit. Die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie "Barrierefreier Tourismus für alle in Deutschland - Erfolgsfaktoren und Maßnahmen zur Qualitätssteigerung", 2008, hat eine Bestandsanalyse vorgenommen und Handlungsempfehlungen herausgearbeitet. Viele in der Tourismusplanung tätige Akteure haben den Handlungsbedarf erkannt und setzen ihn bereits um. Sie verstärken ihre Angebote für einen barrierefreien Tourismus. Im Ergebnis der Arbeit an der oben genannten Studie hat sich die Arbeitsgemeinschaft "Barrierefreie Reiseziele in Deutschland" gebildet. Ihr gehören inzwischen sieben Städte und Tourismusregionen an, die sich der Entwicklung des barrierefreien Tourismus in Deutschland in besonderem Maße verschrieben haben - siehe: http:// barrierefreie-reiseziele.org Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 59): Hat die Bundesregierung im Vorfeld der anstehenden Sommerferienzeit mit den Ländern und der Tourismuswirtschaft konzeptionelle Gespräche geführt, um sich einen Überblick über die zu erwartenden Touristenströme in Deutschland zu verschaffen, und, wenn nein, aus welchen Gründen ist dies nicht erfolgt? Die Bundesregierung steht im regelmäßigen Informations- und Meinungsaustausch mit den Bundesländern wie auch mit der Tourismuswirtschaft und ihren Verbänden. Beispielsweise befasste sich der Bund-Länder-Ausschuss Tourismus am 26. und 27. April 2010 mit aktuellen gegenseitig interessierenden Belangen der Tourismuspolitik. Eine Einflussnahme auf die Touristenströme in Deutschland ist ausschließlich über die Ferienstaffelung im Rahmen der langfristigen Sommerferienregelung möglich, die derzeit bis zum Jahr 2017 festgelegt ist. Weitere Informationen hierzu enthält die Antwort auf Frage Nr. 117. Insoweit besteht derzeit kein aktueller Handlungsbedarf. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fragen der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm (SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 60 und 61): Welche Projekte zur Förderung der Leistungssteigerung im Tourismusgewerbe werden derzeit finanziert, welche Projekte sind darüber hinaus für diese Legislaturperiode in der Planung, und wie stellt sich der jeweilige Beratungsstand mit den Antragstellern, insbesondere der Deutschen Zentrale für Tourismus und dem Deutschen Tourismusverband, dar? Welche Ergebnisse hat die Ressortabstimmung mit den anderen Bundesministerien erbracht, die ebenfalls tourismuspolitisch relevante Projekte finanzieren und planen? Zu Frage 60: Eine aktuelle Übersicht über die Leistungssteigerungsprojekte des BMWi wurde dem Tourismusauschuss des Deutschen Bundestages zuletzt mit Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Ernst Burgbacher vom 24. März 2010 zur Verfügung gestellt. Zu den laufenden Vorhaben gehören unter anderem gemeinsam mit dem Deutschen Tourismusverband, DTV, ein Projekt zum Gesundheitstourismus und ein Pilotprojekt zum Radtourismus. In der Planungsphase befindet sich zum Beispiel gemeinsam mit der Deutschen Zentrale für Tourismus, DZT, ein Projekt zur Fußball-Frauen-WM 2011. Zu Frage 61: Der Beauftragte der Bundesregierung für Mittelstand und Tourismus wird in naher Zukunft Gespräche mit anderen Ressorts führen. Dabei wird es auch um die verstärkte Koordination tourismusrelevanter Projekte in den einzelnen Ressorts gehen. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 62): Wie viele Mediationsverfahren hat der seit dem 1. März 2010 von der Bundesregierung beauftragte Kreditmediator, Hans-Joachim Metternich, der laut Medienberichten ein Jahresgehalt von 200 000 Euro bezieht sowie samt Mitarbeiterstab den Bundeshaushalt mit jährlich rund 5 Millionen Euro belastet, begleitet, und mit welchen Ergebnissen konnten diese Verfahren abgeschlossen werden? Das Kreditmediationsverfahren wurde zum 31. März 2010 bei allen am Verfahren Beteiligten vollständig implementiert. Seitdem können mittelständische Unternehmen, deren Finanzierungsbemühungen bislang ohne Erfolg geblieben sind, einen Antrag auf Kreditmediation stellen. Auf die Homepage des Kreditmediators wurde bereits über 63 000 Mal zugegriffen. Der Antrag auf Eröffnung des Kreditmediationsverfahrens wurde über 2 000 Mal abgerufen. Bis Ende April sind davon 26 Anträge mit einem angegebenen Volumen in Höhe von 44 Millionen Euro eingegangen. Hiervon mussten 8 Anträge mit einem bei der Hausbank beantragten Kreditvolumen in Höhe von insgesamt 1,34 Millionen Euro aufgrund fehlender Antragsvoraussetzungen abgelehnt werden. Die übrigen Anträge werden gemäß dem definierten Verfahren derzeit bearbeitet. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 63): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung bezüglich der negativen Auswirkungen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, die Mitarbeiter des Sachverständigenrates mit Modellrechnungen nachgewiesen haben, da das Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Wirtschaftsleistung Deutschlands maximal um lediglich 0,07 Prozent erhöht und gleichzeitig - durch die Steuermindereinnahmen - sogar negative Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt erwartet werden, und zu welchen Ergebnissen ist die Bundesregierung bei ihren eigenen Berechnungen über die Wirkungsweise des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes gekommen? Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz setzt an vielen Stellen Impulse: Die Steuerlast von Unternehmen wurde gesenkt. Unternehmen können außerdem unter erleichterten Bedingungen vererbt werden. Mit der Erhöhung des Kinderfreibetrags von 6 024 Euro auf 7 008 Euro und des Kindergeldes um 20 Euro je Kind ab 1. Januar 2010 werden Familien mit Kindern gezielt unterstützt. Gemeinsam mit den Einkommensteuersenkungen, die bereits in der letzten Legislaturperiode beschlossen wurden, ist damit ein Sofortprogramm mit einem Entlastungsvolumen von rund 24 Milliarden Euro in Kraft getreten. Dies stärkt insgesamt die verfügbaren Einkommen, die in diesem und im nächsten Jahr um 1 Prozent bzw. 1,4 Prozent zunehmen dürften, und stimuliert auf diese Weise die privaten Konsumausgaben. Isolierte Berechnungen zu den Wachstums- und Beschäftigungswirkungen von einzelnen Politikmaßnahmen führt die Bundesregierung grundsätzlich nicht durch. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 64): Wie konkret soll der Zwischenbericht der Energieszenarien für das Energiekonzept der Bundesregierung - Projekt Nr. 12/10 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie - nach dem Willen der Bundesregierung ausgestaltet sein, und sollen insbesondere die Ergebnisse der verschiedenen Szenarien bereits darin enthalten sein? Im Auftragsschreiben ist vorgegeben, dass der Zwischenbericht der beauftragten Institute erste Ergebnisse enthalten soll. In den begleitenden Arbeitsgesprächen werden die erzielten Fortschritte regelmäßig diskutiert. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fragen der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN) (Drucksache 17/1534, Fragen 65 und 66): Wie hoch beziffert die Bundesregierung die insgesamt ausstehenden Forderungen deutscher Rüstungsunternehmen gegenüber Griechenland, und in welcher Höhe sind frühere Exportlieferungen durch Kredite und staatliche Bürgschaften von Deutschland abgesichert? Kann die Bundesregierung Berichte bestätigen, nach denen Griechenland bei der Begleichung von U-Boot-Lieferungen gegenüber ThyssenKrupp neue Lieferungen in Auftrag gegeben hat, und welchen Einfluss hat die Bundesregierung auf diese Entscheidung genommen (Financial Times Deutschland, "Deutsche U-Boote, griechischer Zorn" vom 20. April 2010)? Zu Frage 65: Umfassende Informationen über ausstehende Forderungen deutscher Rüstungsunternehmen gegenüber Griechenland liegen der Bundesregierung nicht vor. Die ihr bekannt gemachten Forderungen einzelner Unternehmen liegen in einer Größenordnung von 750 bis 800 Millionen Euro. Zwischen den Jahren 1983 und 2003 wurden Exporte von Rüstungsfirmen in Höhe von rund 428 Millionen Euro abgesichert. Es bestehen Überfälligkeiten aus einer Schlussrate in Höhe von 5,9 Millionen Euro. Zu Frage 66: Der Bundesregierung ist bekannt, dass ThyssenKrupp Marine Systems, TKMS, mit der griechischen Regierung Verhandlungen über die Begleichung von Restforderungen aus U-Boot-Lieferungen führt und dass die griechische Regierung die unter Vertrag befindliche Modernisierung zweier älterer U-Boote stornieren und stattdessen zwei weitere neue U-Boote bei TKMS bestellen will. Auf diese Absicht der griechischen Regierung hat die Bundesregierung keinen Einfluss genommen. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 17/1534, Frage 67): Beinhalten die Szenarien, welche die Bundesregierung sich zur Erarbeitung ihres Energiekonzeptes erarbeiten lässt, auch dynamische Simulationen, welche die Fluktuationscharakteristik von Wind- und Solarenergie mit stündlicher Auflösung für die Zieljahre unter realen meteorologischen und hydrologischen Bedingungen berücksichtigen, und, falls ja, werden daraus Rückschlüsse auf die jeweiligen Jahresvolllaststunden konventioneller Kraftwerke - Atomkraftwerke, Kohlekraftwerke, Erdgaskraftwerke, Ölkraftwerke - im Betrachtungszeitraum gezogen? Alle Szenarien werden durch dynamische Simulationsrechnungen gestützt. Im verwendeten Modell sind die Fluktuationscharakteristiken von Wind- und Solarenergie hinterlegt und an empirische Zahlen kalibriert. Diese Fluktuationen übertragen sich auf den Strombedarf, der nach Berücksichtigung von "must-run-Kapazitäten" noch verbleibt und durch konventionelle Kraftwerke gedeckt werden muss, die "residuale Last". Dies hat Auswirkungen auf die Fahrweise der konventionellen Kraftwerke und somit auf die Volllaststunden. In der langen Frist passt sich durch diesen Mechanismus auch der Kraftwerkspark an, was ebenfalls in den Simulationen berücksichtigt wird. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Hilde Mattheis (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 68): Hält die Bundesregierung es für gerechtfertigt, dass Beschäftigte in Altersteilzeit durch den Verzicht auf eine neue Mindestnettobetragstabelle im Gegensatz zu den aktiv Beschäftigten nicht von den Senkungen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen profitieren? Auch Arbeitnehmer in Altersteilzeit sind aktiv beschäftigt und profitieren von den Senkungen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Für Arbeitnehmer, die ihre Altersteilzeit ab dem 1. Juli 2004 begonnen haben, gilt eine Bruttoaufstockung. Die bis zum 30. Juni 2004 gesetzlich geltende Mindestnettoaufstockung ist abgelöst worden. Steuer- und Beitragssenkungen kommen danach allen Personen in Altersteilzeit, für die eine Bruttoaufstockung entsprechend der gesetzlichen Regelung im Altersteilzeitgesetz vereinbart wurde, zugute. Die gesetzlichen Mindestnettobeträge gelten lediglich noch für Altersteilzeitverhältnisse, die vor dem 1. Juli 2004 begonnen wurden. Da die maximale Förderdauer sechs Jahre beträgt, läuft die Förderung dieser Altfälle grundsätzlich spätestens zum 30. Juni 2010 aus. Nach Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit gab es zu Beginn des Jahres 2010 höchstens noch etwa 1 000 Fälle. Die Bundesregierung appelliert an alle Betriebspartner und (Tarif-)Vertragsparteien, bei ihren Vereinbarungen zur Altersteilzeit die vom Gesetzgeber im Jahr 2003 vorgenommene Umstellung auf Bruttoaufstockungen nachzuvollziehen und so alle Personen in Altersteilzeit an Steuer- und Beitragssenkungen teilhaben zu lassen. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Hilde Mattheis (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 69): Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass solange die Mindestnettobetragstabelle nicht an die geltende Rechtslage angepasst wird - der Differenzbetrag zwischen der früheren Lohnsteuer und der neuen, ab 1. Januar 2010 geltenden Steuer - durch die Zahlung eines geringeren Aufstockungsbetrags - beim Arbeitgeber verbleibt? Die Vereinbarung von Mindestnettobeträgen kann dazu führen, dass infolge von Steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Entlastungen ein geringerer Aufstockungsbetrag gezahlt werden muss. Das Altersteilzeitgesetz wurde bereits im Jahr 2003 geändert und auf diese Weise die schon damals von vielen als ungerecht empfundene Rechtsfolge vermieden. Steuer- und Beitragssenkungen kommen seitdem allen Personen in Altersteilzeit, für die eine Bruttoaufstockung entsprechend der gesetzlichen Regelung im Altersteilzeitgesetz vereinbart wird, zugute. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/1534, Fragen 70 und 71): Wie soll nach den Plänen der Bundesregierung zur Bürgerarbeit die Zusätzlichkeit der Tätigkeiten sichergestellt werden, und ist dazu die verpflichtende Einrichtung von Beiräten oder ähnlichen Einrichtungen vorgesehen? Soll es nach den Plänen der Bundesregierung zur Bürgerarbeit auch möglich sein, passive Leistungen zur Finanzierung heranzuziehen, also die entsprechenden Haushaltstitel - Arbeitslosengeld II, Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung - mit einem Haushaltsvermerk zu versehen, und mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung bei der Bürgerarbeit verhindern, dass es zu starken Creaming-Effekten kommt? Zu Frage 70: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat ein Interessenbekundungsverfahren zur Durchführung von Modellprojekten "Bürgerarbeit" eingeleitet. Das Interessenbekundungsverfahren wurde am 30. April 2010 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Im Rahmen der Modellprojekte "Bürgerarbeit" können Arbeitgeber gefördert werden, die Arbeitsplätze für zusätzliche und im öffentlichen Interesse liegende Arbeiten im Sinne der Vorschrift des § 261 Drittes Buch Sozialgesetzbuch einrichten. Danach sind Arbeiten zusätzlich, wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden. Arbeiten, die aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung durchzuführen sind oder die üblicherweise von juristischen Personen des öffentlichen Rechts durchgeführt werden, sind nur förderungsfähig, wenn sie ohne die Förderung voraussichtlich erst nach zwei Jahren durchgeführt werden. Die verpflichtende Einrichtung von Beiräten oder ähnlichen Einrichtungen ist nicht vorgesehen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales geht davon aus, dass bei einer sorgfältigen Anwendung der Kriterien und der freiwilligen Einbindung der maßgeblichen Akteure des regionalen Arbeitsmarktes die Zusätzlichkeit der Arbeiten gewährleistet werden kann. Zu Frage 71: Die Zuschüsse für die vierte Stufe der Modellprojekte "Bürgerarbeit", der befristeten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit zusätzlichen und im öffentlichen Interesse liegenden Arbeiten, sollen aus den Eingliederungsmitteln und ESF-Mitteln des Bundes finanziert werden. Ein Deckungsvermerk zu anderen Haushaltstiteln ist nicht vorgesehen. Das Interessenbekundungsverfahren des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales macht deutlich, dass ein möglichst hoher Anteil der arbeitslosen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen durch qualitativ gute und konsequente Aktivierung in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden soll und nur diejenigen arbeitslosen Hilfebedürftigen in "Bürgerarbeit" einmünden sollen, deren Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich ist. Interessierte Grundsicherungsstellen müssen im Antrag für eine Teilnahme an den Modellprojekten auch Aussagen zur Qualitätssicherung machen. Durch ein sorgfältig erarbeitetes und nachhaltig umgesetztes Konzept für ein Modellprojekt "Bürgerarbeit" können Creaming-Effekte weitgehend vermieden, jedoch nicht vollständig ausgeschlossen werden. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/1534, Fragen 72 und 73): Stellen die Pläne der Bundesregierung zur Bürgerarbeit sicher, dass Regelleistungsbezieher - Singles ohne Kind - damit aus dem Leistungsbezug Arbeitslosengeld II herauskommen, und wie hoch soll das Bruttoeinkommen eines Singles ohne Kind sein? Wie viele Stellen sollen im Rahmen der Bürgerarbeit eingerichtet werden, und über welche arbeitsmarktpolitischen Instrumente soll die Bürgerarbeit - bitte konkrete Instrumente mit Sozialgesetzbuch und einzelnen Paragrafen bzw. Unterparagrafen angeben - finanziert werden? Zu Frage 72: Gefördert werden sollen in der vierten Stufe der Modellprojekte "Bürgerarbeit" befristete sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mit 30 Wochenstunden mit einem Zuschussbetrag zum Arbeitsentgelt in Höhe von 900 Euro monatlich, zusätzlich wird der Sozialversicherungsaufwand des Arbeitgebers, ohne Arbeitslosenversicherungsbeitrag, mit bis zu 180 Euro monatlich gefördert. Die Beschäftigungsverhältnisse sollen nicht der Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung unterliegen. Für Personen, denen eine Beschäftigung mit 30 Wochenstunden nicht möglich ist, können alternativ auch Beschäftigungen mit 20 Wochenstunden und einem Zuschuss von 600 Euro monatlich und bis zu 120 Euro monatlich für den Sozialversicherungsaufwand des Arbeitgebers, ohne Arbeitslosenversicherungsbeitrag, gefördert werden. Bei einem Arbeitnehmerbruttoeinkommen von 900 Euro monatlich würde eine Single-Bedarfsgemeinschaft die Hilfebedürftigkeit nicht vollständig überwinden, diese aber deutlich reduzieren. Die Beschäftigungsstufe der Modellprojekte "Bürgerarbeit" ist jedoch keine Vollzeitarbeitsstelle und nicht isoliert zu betrachten, sondern das Modellprojekt "Bürgerarbeit" im Interessenbekundungsverfahren des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales beschreibt einen Prozess aus den Komponenten Beratung/Standortbestimmung, Vermittlungsaktivitäten, Qualifizierung/Förderung und der eigentlichen "Bürgerarbeit", einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Es soll erreicht werden, einen möglichst hohen Anteil der arbeitslosen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen durch qualitativ gute und konsequente Aktivierung, Mindestdauer sechs Monate, in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren und nur die arbeitslosen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bürgerarbeit zu beschäftigen, deren Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt während der Aktivierungsphase nicht gelingt oder in absehbarer Zeit nicht möglich erscheint. Zu Frage 73: Über das Fördervolumen der Modellprojekte wird nach Auswertung des am 30. April 2010 im Bundesanzeiger veröffentlichten Interessenbekundungsverfahrens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales entschieden. Die Aktivierungsstufen, bestehend aus den Komponenten Beratung/Standortbestimmung, Vermittlungsaktivitäten, Qualifizierung/Förderung, werden im Rahmen der Dienstleistungen, zum Beispiel Beratung, Vermittlung, und Eingliederungsleistungen, zum Beispiel § 16 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Leistungen zur Eingliederung - in Verbindung mit den Leistungen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch, zum Beispiel Förderung aus dem Vermittlungsbudget, Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, Förderung der beruflichen Weiterbildung, aus dem Gesamtbudget SGB II finanziert. Die Phase der befristeten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung "Bürgerarbeit" soll aus Mitteln des Eingliederungstitels SGB II und Bundes-ESF-Mitteln finanziert und fördertechnisch im Wege der Zuwendung durch das Bundesverwaltungsamt abgewickelt werden. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen des Abgeordneten Werner Dreibus (DIE LINKE ) (Drucksache 17/1534, Fragen 74 und 75): Woraus und in welcher Höhe ist nach den Plänen der Bundesregierung zur Bürgerarbeit gegebenenfalls eine Trägerfinanzierung vorgesehen? Soll nach den Plänen der Bundesregierung zur Bürgerarbeit die Maßnahmezuweisung im Rahmen der Bürgerarbeit über eine Eingliederungsvereinbarung erfolgen? Zu Frage 74: Im Rahmen der im Interessenbekundungsverfahren zur Durchführung von Modellprojekten "Bürgerarbeit" vorgesehenen Förderung durch den Bund ist eine Trägerfinanzierung im Sinne der Kosten für die Einrichtung des Arbeitsplatzes, Overhead, nicht vorgesehen. Zu Frage 75: Das Modellprojekt "Bürgerarbeit" im Interessenbekundungsverfahren des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales beschreibt einen Prozess aus den Komponenten Beratung/Standortbestimmung, Vermittlungsaktivitäten, Qualifizierung/Förderung und der eigentlichen "Bürgerarbeit", einer befristeten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Die ersten drei Komponenten, die Aktivierungsphase, werden im Rahmen des Regelinstrumentariums des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch durchgeführt. Die Einmündung in die Beschäftigungsphase soll daher auch im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung gemäß § 15 Zweites Buch Sozialgesetzbuch erfolgen. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Fragen des Abgeordneten Günter Gloser (SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 76 und 77): Welche Schritte wird die Bundesregierung im Hinblick auf die Verhandlungen zur neuen europäischen Fischereipolitik nach dem Scheitern der Verhandlungen der 15. Vertragskon-ferenz zum Washingtoner Artenschutzabkommen zum Schutz des Roten Thunfisches, des Dorn- und des Heringshais unternehmen? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung im Rahmen der Union für das Mittelmeer, Maßnahmen zum Schutz des Roten Thunfisches und der Roten Koralle im Mittelmeer zu erreichen? Zu Frage 76: Die Bundesregierung setzt sich in Brüssel dafür ein, dass die Europäische Union in der zuständigen Internationalen Kommission für die Erhaltung des atlantischen Thuns, der ICCAT, eine weitere Reduzierung des Fischereidrucks auf den Roten Thun fordert. Die nächste ICCAT-Tagung findet im November 2010 statt. Im November 2009 haben die ICCAT-Vertragsparteien bereits eine Reihe wichtiger Beschlüsse dazu gefasst. Dazu zählen eine drastische Verringerung der Fangmengen für 2010 um rund 40 Prozent, die Verpflichtung zur Reduzierung der Fangkapazitäten mit doppelt so hohen Reduzierungssätzen wie im Vorjahr und die Verkürzung der Fangsaison von zwei Monaten auf einen Monat. Hinzu kommt eine Notfallklausel, wonach ein Fangverbot für Roten Thun erlassen wird, falls Wissenschaftler im Laufe des Jahres 2010 feststellen, dass ein unmittelbarer Bestandskollaps droht. Nach Auffassung der Bundesregierung sind jedoch noch rigorosere Bewirtschaftungsmaßnahmen nach Maßgabe wissenschaftlicher Empfehlungen, gegebenenfalls auch ein mehrjähriges Fangverbot, notwendig. Bei der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die EU unter anderem in den durch internationale Abkommen begründeten Regionalen Fischereiorganisationen, wie zum Beispiel der ICCAT, eine aktivere Rolle bezüglich einer nachhaltigen wissenschaftlich basierten Bewirtschaftung der weltweiten Fischbestände, zu denen auch der Rote Thun gehört, unter Anwendung des Ökosystem- und Vorsorgeansatzes, übernimmt. Bezüglich des Schutzes von Dorn- und Heringshai im Nordostatlantik konnte Deutschland für 2010 ein Fangverbot für Heringshai auf EU-Ebene durchsetzen. Beim Dornhai wurde die Fangmenge ebenfalls auf deutschen Druck hin auf null gesetzt, allerdings konnte im Rat das Verbleiben einer geringen Beifangquote bis 2011 nicht verhindert werden. Zu Frage 77: Die Bundesregierung sieht die Union für das Mittelmeer als Rahmen für konkrete projektorientierte Zusammenarbeit, insbesondere auf Gebieten wie erneuerbare Energien und Wasserfragen. Für den Schutz der Meeresfauna bieten sich andere Foren an. Die Verantwortung für die Erhaltung und den Wiederaufbau der Thunfischbestände im Atlantik, einschließlich Mittelmeer, liegt bei der Internationalen Kommission für die Erhaltung des atlantischen Thunfischs, ICCAT. Die Bundesregierung setzt sich in Brüssel dafür ein, dass die Europäische Union in dieser Kommission eine weitere Reduzierung des Fischereidrucks auf den Roten Thun fordert, siehe Antwort auf die vorherige Frage. Die Rote Koralle ist in den vergangenen 50 Jahren in ihren Verbreitungsgebieten im Mittelmeer und Pazifik rapide zurückgegangen. Als Ursache gelten unter anderem die Übernutzung der Arten, der Beifang und die Beschädigung der Riffe durch Fischerei. Zum Schutz der Roten Koralle existiert bisher kein international bindendes Abkommen. Der Antrag der EU und der USA, die Rote Koralle in Anhang II des CITES-Artenschutzabkommens aufzunehmen, wurde von der letzten Vertragsstaatenkonferenz abgelehnt. Die Bundesregierung prüft derzeit, wie in dieser Sache weiter vorgegangen werden kann. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 78): Hat das Bundesministerium der Verteidigung Hinweise über thermobarische Sprengköpfe in den Händen von Taliban-Gruppierungen, und kann die Bundesregierung die Darstellung von Spiegel Online ("Das Gesicht des Feindes" vom 12. April 2010), wonach "Aufständische" in Afghanistan im Besitz von "Aerosol-Panzergranaten" sein sollen, bestätigen? Dem Bundesministerium der Verteidigung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass sich funktionsfähige thermobarische Munition in den Händen von Taliban-Gruppierungen bzw. "Aerosol-Panzergranaten" im Besitz von Aufständischen in Afghanistan befinden. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 79): Auf welche Art und Weise wird die Erfüllung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über Kriegsgräberfürsorge in der Bundesrepublik Deutschland vom 16. Dezember 1992 gewährleistet, um die Gräber und Gedenkstätten, die an die Zehntausende sowjetischer Soldaten erinnern, die den Kampf um die Befreiung Deutschlands vom Faschismus mit ihrem Leben bezahlt haben und nun in deutscher Erde ruhen, würdig zu erhalten und zu pflegen? Die Gräber sowjetischer Soldaten, die im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu Tode gekommen sind, fallen unter das Gräberrecht. Das heißt, dass diese Gräber dauernd bestehen bleiben. Die Pflege und Instandsetzung aller Gräber, die unter das Gräberrecht fallen, wird von den jeweiligen Friedhofsträgern wahrgenommen. Dies können Kommunen, Landkreise, Kirchengemeinden oder auch Länder sein. Der Bund stellt zurzeit knapp 22 Millionen Euro jährlich für die Pflege und Instandsetzung der Gräber zur Verfügung. Dieser Betrag wird nach der Gräberpauschalverordnung anteilig auf die Bundesländer verteilt, die ihrerseits die Gelder an die jeweiligen Friedhofsträger weiterreichen. Um notwendige größere Sanierungsarbeiten durchführen zu können, sind die Länder berechtigt, aus den Pauschalen Rücklagen zu bilden. Dieses System hat sich in den vergangenen Jahren bewährt. Die eigentliche Pflege der Gräber ist und bleibt Sache der Friedhofsträger, die diese Aufgabe bisher sehr ernst genommen haben. Die Bundesregierung hatte bisher keinen Grund, sich über die Arbeit der Friedhofsträger zu beklagen. Gedenkstätten, die außerhalb von Kriegsgräberstätten gelegen sind oder auf Kriegsgräberstätten keinen unmittelbaren Bezug zur den dort liegenden Toten haben, fallen nicht unter das Gräberrecht. Diese werden zu den Denkmälern gezählt. Der Denkmalschutz ist Angelegenheit der Länder und Gemeinden. Die Pflege erfolgt in der Regel durch die Gemeinden, auf deren Territorien diese Denkmäler stehen. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 80): Welche Kontakte finden im gesamten Jahr 2010 zwischen der Bundesregierung und anderen EU-Staaten statt, bei denen es um einen Erfahrungsaustausch über familienpolitische Maßnahmen - bitte genaue Aufführung der Termine, der beteiligten Staaten, der anvisierten Gesprächsthemen, der jeweils beteiligten Arbeitsebenen wie zum Beispiel Referate und Abteilungen im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der beteiligten Politikerinnen und Politiker - geht? Zum Erfahrungsaustausch über familienpolitische Themen zwischen Deutschland und anderen EU-Staaten haben im Jahr 2010 bereits folgende Veranstaltungen stattgefunden: internationale Fachtagung am 29. Januar 2010 in Berlin: Familienunterstützende Dienstleistungen in Europa: aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen, veranstaltet von DV, ISS und BMFSFJ, Austausch mit: Belgien, Schweden Frankreich, Italien, Spanien, Litauen, UK, Polen; internationale Fachtagung am 11. und 12. Februar 2010 in Berlin: Förderung der Elternkompetenz in Europa - Instrumente und Effekte, veranstaltet von ISS, DV und BMFSFJ, Austausch mit: Spanien, Schweiz, Österreich, Frankreich, Ungarn, UK, Belgien, Portugal, Malta, Finnland, Niederlande, Irland, Griechenland, Rumänien, Estland; hochrangige Gruppe für Fragen der Demografie der EU-Kommission am 22. Februar 2010 in Brüssel zum Thema Europäische Allianz für Familien und Demografischer Wandel mit allen Mitgliedstaaten; Seminar der EU-Kommission am 23. Februar 2010 in Brüssel zum Thema "Familienpolitik in der Wirtschaftskrise" mit verschiedenen Mitgliedstaaten und Informationsveranstaltung am 4. März 2010 in Brüssel zur "Familyplatform", Austausch mit: Niederlande, Belgien, Irland, UK, Spanien, Tschechien, Polen, Österreich, Frankreich, Finnland, Zypern, Kroatien. Geplant sind im Jahr 2010 unter anderem noch folgende Termine: 1. Konferenz der Familyplatform im Auftrag der EU-Kommission in Lissabon am 25. bis 27. Mai 2010: Research on Families in Europe - Critical Review. Es wird der Stand der Forschung in Europa in zentralen familienpolitischen Themenfeldern aufbereitet, unter anderem Familienstrukturen und Familienformen, staatliche Familienpolitik, außerdem werden wichtige "policy issues" einbezogen, Mutterschaft und Vaterschaft in Europa, Vereinbarkeit etc.; Best Practice Workshop der EU-Kommission am 2. Juni 2010 in Brüssel zum Thema "Alleinerziehende im Rahmen der Europäischen Allianz für Familien"; Treffen des europäischen Expertennetzwerks für Familienpolitik am 25. Juni in Brüssel auf Einladung der EU-Kommission im Rahmen der Europäischen Allianz für Familien: Policies for families: focus on child well-being or promotion of employment; Treffen der Deutsch-Französischen-Kontaktgruppe, BMFSFJ, Ministère du travail, des relations sociales, de la famille, de la solidarité et de la ville und Ministère de la santé et des sports, im Juni in Paris und im Herbst in Berlin geplant, Themen sind noch nicht abgestimmt; 2. Konferenz der Familyplatform am 4. und 5. November 2010 in Brüssel, Themen noch nicht abgestimmt; Demografieforum der Europäischen Kommission, am 22. und 23. November 2010 in Brüssel, bislang geplante Schwerpunktthemen: "Aktives Altern" und "Europäische Allianz für Familien" sowie hochrangige Gruppe zu Fragen der Demografie der Kommission, voraussichtlich im Juni und November 2010, Themen noch nicht bekannt gegeben; alle Mitgliedstaaten. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 81): Wann genau ist mit der Konkretisierung der geplanten Einsparungen im Einzelplan 17 des Bundeshaushalts - bitte exakten Termin nennen - zu rechnen? Ihre Frage lässt vermuten, dass die Notwendigkeit von Einsparungen im Einzelplan 17 bereits festgestellt ist. Diese Annahme ist nicht zutreffend. Soweit sich Ihre Anfrage auf Presseberichte zu einer angeblich geplanten Kürzung des Elterngeldes bezieht, können solche Berichte nicht bestätigt werden. Entsprechend dem Koalitionsvertrag prüft die Bundesregierung eine Weiterentwicklung, Flexibilität und Entbürokratisierung des Elterngeldes. Danach sollen die Partnermonate gestärkt und ein Teilelterngeld bis zu 28 Monaten eingeführt werden. Ob es in diesem Rahmen zu einer Veränderung der Haushaltsansätze kommen wird, kann derzeit noch nicht beurteilt werden. Anlage 57 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Frage der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 82): Mit welchen Zielen hat die Bundesregierung die Studie zur Sicherheit der Aufbereitung von Einmalprodukten in Auftrag gegeben, wenn die Bundesregierung gesetzliche Änderungen bereits vor Abschluss der Studie ausschließt (Nachfrage zu Frage 87, Fragestunde des Deutschen Bundestages am 21. April 2010, Bundestagsdrucksache 17/1388)? Die Bundesregierung hat mit der Antwort auf die Frage 87 der Fragestunde am 21. April 2010 lediglich darauf hingewiesen, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM, den Auftrag zur Durchführung der Studie nicht erhalten hat, um mit deren Ergebnissen gesetzliche Änderungen vorzubereiten. Der Studieninhalt orientiert sich vielmehr unter anderem am Ergebnis des "Erfahrungsberichts zur Aufbereitung von Medizinprodukten in Deutschland" vom März 2008. Zitat aus Teil III des Berichts "Schlussfolgerungen und Maßnahmen", Seite 18: Die Diskussionen in den vergangenen Monaten haben gezeigt, dass keine belastbaren Daten zur Qualität aufbereiteter Medizinprodukte in Deutschland vorliegen. So gibt es zwar vereinzelt Gutachten zur Qualität von aufbereiteten, sogenannten Einmalprodukten, die aber lediglich auf punktuellen, zum Teil von Fernsehmagazinen initiierten Stichproben basieren. Bundesweite valide Daten, die Handlungsbedarf in der einen oder anderen Richtung begründen könnten, liegen nicht vor. Zahlreiche Länder haben daher das BMG gebeten zu prüfen, ob unter Federführung des BfArM eine breit angelegte Studie zur Qualität aufbereiteter Medizinprodukte durchgeführt werden könnte. Auch wenn, wie bereits gesagt, die Feststellung, ob im Bereich der Gesetz- oder Verordnungsgebung Handlungsbedarf besteht, nicht zur Zielstellung der Studie gehört, wird die Bundesregierung selbstverständlich auch gesetzgeberische Konsequenzen ziehen, sollten die Ergebnisse der Studie dazu Anlass bieten. Anlage 58 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Fragen der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE ) (Drucksache 17/1534, Fragen 83 und 84): Welche gesetzlichen Neuregelungen erachtet die Bundesregierung für notwendig angesichts der Festlegungen der Gesellschafterversammlung der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH, Gematik, vom 19. April 2010 zur Zukunft des Projektes "elektronische Gesundheitskarte", und wann könnten diese erfolgen? Welches Einsparpotenzial erwartet die Bundesregierung durch eine Umsetzung der Festlegungen der Gesellschafterversammlung der Gematik vom 19. April 2010, die eine Beschränkung der Entwicklung und Einführung der elektronischen Gesundheitskarte auf drei Kernbereiche vorsehen? Zu Frage 83: Die Bundesregierung unterstützt die heute dazu im Ausschuss für Gesundheit von den Fraktionen der CDU/ CSU und FDP eingebrachten Änderungsanträge zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften (Bundestagsdrucksache 17/1297). Zum einen wird mit praktikableren Regelungen zu den Schiedsverfahren sichergestellt, dass Leistungserbringer ihre im Zusammenhang mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und dem Aufbau der Telematikinfrastruktur entstehenden Ausstattungs- und Betriebskosten zeitnah ersetzt bekommen. Zum anderen werden Regelungen zur Erstattung der beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik im Zusammenhang mit dem Aufbau der Telematikinfrastruktur anfallenden Kosten aufgenommen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Sicherheit der Daten zunehmend an Bedeutung gewinnt. Da der Aufbau der Telematikinfrastruktur Aufgabe der Selbstverwaltung ist, sind die damit zusammenhängenden Kosten auch grundsätzlich von ihr zu tragen. Ob darüber hinaus - entsprechend der Bitte der Kostenträger in der Gesellschafterversammlung der Gematik am 19. April 2010 - weiterer Regelungsbedarf besteht, wird derzeit geprüft. Zu Frage 84: Es war von Beginn an beabsichtigt, die Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte schrittweise einzuführen. Die Selbstverwaltungspartner haben sich in der vorgenannten Gesellschafterversammlung darauf verständigt, zunächst einen Notfalldatensatz, ein modernes Versichertenstammdatenmanagement sowie eine adressierte Kommunikation zwischen den Leistungserbringern einzuführen. Andere Anwendungen haben ihre Praxisreife noch nicht erreicht und müssen deshalb noch überarbeitet und weiter getestet werden. Es haben sich also nicht die Anwendungen, sondern die Schrittfolgen der Einführung der Anwendungen verändert. Die Details der weiteren Projektplanung sind jetzt von der Selbstverwaltung zu erarbeiten. Ob sich daraus finanzielle Auswirkungen ergeben, kann erst nach Abschluss der Arbeiten beurteilt werden. Anlage 59 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Fragen des Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme (SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 85 und 86): Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung bezüglich des derzeitigen Personenkreises ohne gesundheitlichen Versicherungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland? Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Umfang von in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen, deren Versicherungsverhältnis aufgrund säumiger Beitragszahlung gemäß § 5 Abs. 3 a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ruht? Zu Frage 85: Die Zahl der Personen, die nach eigenen Angaben keine Krankenversicherung haben, wird alle vier Jahre aus Erhebungen des Statistischen Bundesamtes zum Krankenversicherungsschutz im Rahmen des Mikrozensus hochgerechnet. Die aktuellste Erhebung hierzu stammt aus dem Jahr 2007. Für den Jahresdurchschnitt 2007 bezifferte das Statistische Bundesamt die Zahl der nicht Krankenversicherten damals auf 196 000. Mit Wirkung vom 1. April 2007 wurden Nichtversicherte, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und der gesetzlichen Krankenversicherung, GKV, zuzuordnen sind, versicherungspflichtig in der GKV. Personen ohne Absicherung im Krankheitsfall, die der privaten Krankenversicherung, PKV, zuzuordnen sind, konnten sich im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2008 im sogenannten modifizierten Standardtarif der PKV versichern. Seit 1. Januar 2009 greift für diesen Personenkreis eine Versicherungspflicht in der PKV gemäß § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz. Im Rahmen der Statistik der GKV wird monatlich die Zahl sogenannter Rückkehrer erfasst. Demnach waren im März 2010 rund 110 000 Mitglieder aufgrund der Neuregelung für Personen ohne anderweitigen Anspruch im Krankheitsfall (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V) in die GKV zurückgekehrt. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Zahl beitragsfrei mitversicherter Ehegatten und Kinder ist davon auszugehen, dass insgesamt rund 154 000 Personen über diese Regelung wieder einen Versicherungsschutz in der GKV erlangt haben. Die PKV verzeichnete nach aktuellen Branchenangaben seit dem Jahr 2007 einen Zugang von 53 000 Personen aus der Nichtversicherung. Zu Frage 86: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wie viele Personen von einem Ruhen nach § 16 Abs. 3 a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betroffen sind. Die Statistiken der gesetzlichen Krankenversicherung sehen eine entsprechende gesonderte Erfassung nicht vor. Anlage 60 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 87): Ist es richtig, dass die Regierungskommission zum Gesundheitswesen über Ausnahmeregelungen zur Kopfpauschale bei Rentnerinnen und Rentnern nachdenkt (Süddeutsche Zeitung vom 30. April 2010), und zu welchen Ergebnissen kam das für den 30. April 2010 geplante Treffen der Fachleute für die Lösung der verwaltungstechnischen Probleme bei der Erhebung der Kopfpauschale bei Rentnerinnen und Rentnern? Die Regierungskommission zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung des Gesundheitswesens hat in ihrer Sitzung auf Ebene der Staatssekretäre am 21. April 2010 vornehmlich verfahrenstechnische Fragen erörtert. Darüber hinaus wurden die derzeit geltenden beitragsrechtlichen Gegebenheiten der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung angesprochen. Entscheidungen sind nicht getroffen worden. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 88): Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass Massentierhaltungsanlagen regelmäßig nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 des Baugesetzbuchs als privilegierte Anlagen im Außenbereich genehmigt werden? Es entspricht der derzeitigen Praxis, dass gewerbliche Tierhaltungsanlagen, sogenannte Massentierhaltungsanlagen, sofern es sich um ortsgebundene Anlagen handelt, nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 des Baugesetzbuchs und unter Beachtung sonstiger gesetzlicher Vorgaben, insbesondere umweltrechtlicher Vorgaben, genehmigt werden können. Aus dieser Praxis erwächst für die Bundesregierung derzeit kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 89): Wie beurteilt die Bundesregierung den Ausbau des Flughafens in Speyer unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass beim Genehmigungsverfahren die Höhe des Speyerer Doms um circa 13 Meter zu niedrig angegeben wurde und nun der Status des Weltkulturerbes in Gefahr ist, und teilt die Bundesregierung die Auffassung der Genehmigungsbehörde, dass die Differenz in der Höhenberechnung des Doms für die Genehmigung des Flugplatzausbaus keine Rolle spielt? Die Zuständigkeit für den Ausbau des Verkehrslandeplatzes Speyer liegt bei der Luftfahrtbehörde des Landes Rheinland-Pfalz. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Fragen 90 und 91): In welcher Weise bemüht sich die Bundesregierung um Aufklärung der Ursachen für die Baumängel an der Bundesstraße 6 n in Sachsen-Anhalt bzw. der damit verbundenen Kosten, die der Bund tragen muss, und welche neuen Informationen hat die Bundesregierung seit der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 6. Januar 2010 (Bundestagsdrucksache 17/396) zu diesem Thema erhalten? Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den aktuellen Presseartikeln, die darauf hinweisen, dass beim Bau der Bundesstraße 6 n erheblich betrogen worden sein soll und die Landesbehörden das nicht ausreichend überprüft haben sollen, und wie bewertet die Bundesregierung die Handlungsweise der Landesbehörden, insbesondere die Begleitung der Baumaßnahmen sowie die Informationen gegenüber dem Bund? Die Fragen werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat das Land Sachsen-Anhalt, welches gemäß den Art. 90 und 85 des Grundgesetzes die Bundesfernstraßen plant, baut und betreibt, aufgefordert, zu den aufgetretenen Schäden, deren Ursachen sowie dem seitens des Landes Veranlassten kurzfristig detailliert Stellung zu nehmen. Parallel hierzu wurde die Staatsanwaltschaft Magdeburg gebeten, zur Verifizierung der erhobenen Vorwürfe und zur Festlegung der seitens der Bundesregierung einzuleitenden Prüfschritte Akteneinsicht zu gewähren. Eine Bewertung der Vorfälle beim Bau der auch mit EFRE-Mittel-kofinanzierten Bundesstraße 6 n ist der Bundesregierung vor Vorlage und Auswertung der angeforderten Unterlagen nicht möglich. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 92): Wie begründet die Bundesregierung, dass die Entscheidung, den kontrollierten Sichtflug, CVFR, auf Antrag der Airlines und nach Genehmigung durch das Luftfahrt-Bundesamt zuzulassen, am Montag, dem 19. April 2010, erfolgte, ohne dass das Forschungsflugzeug des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Falcon 20E bereits gestartet war und entsprechende Messwerte über die Konzentration der Asche im deutschen Luftraum vorlagen? Die Bundesregierung war bemüht, solche Flüge zu ermöglichen, um gestrandete Fluggäste so rasch wie möglich zurückzuholen. Die Ergebnisse mehrerer Testflüge deutscher Luftfahrtunternehmen und die sehr guten Wetterbedingungen boten günstige Voraussetzungen hierfür. Die Falcon des DLR konnte erst am späten Nachmittag des 19. April starten, nachdem die Einrüstung mit den Messgeräten und deren Kalibrierung abgeschlossen und die vorläufige Verkehrszulassung erteilt war. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 93): Plant die Bundesregierung nach den offensichtlichen Informationsdefiziten für Reisende in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als Überflüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deutschen Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, die Schaffung stabiler Informationsstrukturen für Passagiere, und wird für ähnliche Ereignisse die Einrichtung einer kostenlosen Hotline für Betroffene erwogen? Die gigantische Aschewolke nach dem Vulkanausbruch auf Island stellte den gesamten europäischen Luftverkehr vor eine historisch bisher einmalige Herausforderung. Die Bewältigung war für alle Beteiligten im Luftverkehr Neuland. Bei der Krisenbewältigung wurde im Interesse aller, insbesondere auch der Passagiere, eine Herangehensweise gewählt, die der Sicherheit Vorrang einräumt. Diese Priorität ist auch in Zukunft ohne Alternative. Aufgrund der in dieser Krisensituation gemachten Erfahrungen wird für die Zukunft bereits an Maßnahmen gearbeitet, um bei ähnlichen Ereignissen optimal reagieren zu können. Dies wird sicherlich auch den Bereich der Information von Fluggästen betreffen. Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Abgeordneten Kirsten Lühmann (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 94): Wurden die Schäden, insbesondere am Triebwerk des Nato-Kampfjets F-16, der in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als Überflüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deutschen Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, zu Testzwecken über Europa geflogen ist, ausführlich analysiert und, wenn ja, mit welchem Ergebnis? Die Bundesregierung hat Kenntnis über militärische Flüge, die am 21. April 2010 über Deutschland stattgefunden haben. Nach Aussage der US-Streitkräfte wurden dabei keine unmittelbar auf Vulkanasche zurückzuführenden Schäden festgestellt. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Michael Groß (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 95): Hat die Bundesregierung Krisenpläne für den Fall eines weiteren Vulkanausbruchs mit Aschewolkenbildung, vergleichbar mit der Situation in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als Überflüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deutschen Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, und, wenn ja, wie sehen diese Krisenpläne aus, und wann greifen sie? Die Bundesregierung hat unverzüglich die grundlegenden Arbeiten zur Vorsorge im Luftverkehr bei künftigen Krisenfällen im Zusammenhang mit Vulkanasche aufgenommen. Bundesminister Dr. Ramsauer hat am 27. April 2010 mit Vertretern der Wirtschaft und der zuständigen deutschen sowie europäischen Behörden erörtert, wie das bereits vorhandene Regelwerk anzupassen beziehungsweise fortzuentwickeln ist. An dieser Expertenrunde nahm auch der Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Parlamentarischer Staatssekretär Hintze, teil. Zu den laufenden Aktivitäten dieser Expertengruppe gehört auch die Ausarbeitung von Krisenplänen für eventuelle zukünftige Ereignisse dieser Art. Sobald konkrete Maßnahmen ausgearbeitet worden sind, wird die Bundesregierung diese bekannt geben. Bundesminister Brüderle hat am 19. April 2010 mit Vertretern der betroffenen Wirtschaftszweige die Einrichtung einer Task Force vereinbart. Ziel der Task Force ist es, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Flugverbots zu ermitteln und Strategien zu erarbeiten, wie in vergleichbaren Fällen Unterbrechungen in der Wertschöpfungskette vermieden werden können. Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Michael Groß (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 96): Von welchen Institutionen und Experten hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als Überflüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deutschen Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, fachkundigen Rat eingeholt, und welche deutschen Messungen der Aschekonzentration in der Luft wurden in diesem Zeitraum vor dem Flug der Falcon 20E durchgeführt? Herr Bundesminister Dr. Ramsauer hat fachkundigen Rat bei den am Krisenstab direkt und indirekt Beteiligten eingeholt. In diesem Krisenstab waren Experten aus den verschiedensten Bereichen der Luftfahrt eingebunden. Bereits seit dem 16. April 2010 wurden in Deutschland von verschiedenen Institutionen Messungen der Vulkanaschekonzentration in der Atmosphäre vorgenommen, so zum Beispiel durch die deutschen LIDAR-Stationen des Instituts für Troposphärenforschungen in Leipzig, IFT, der Ludwig-Maximilians-Universität in München und auf der Zugspitze. Der Deutsche Wetterdienst hat mithilfe seines neuen Ceilometermessnetzes, bestehend aus 52 Systemen in ganz Deutschland, die Vulkanaschewolke flächendeckend registriert. Da sich die Vernetzung noch im Aufbau befindet, standen diese Daten nicht unmittelbar zur Verfügung. Die Warnungen vor Vulkanasche bis zum 21. April 2010 wurden generell im Einklang mit ICAO-Vorschriften und nationalen Betriebsvorschriften vom DWD, auf der Grundlage der Warnempfehlungen des VAAC London, in Warnungen für den Luftverkehr umgesetzt. Dies entspricht den internationalen gültigen Regelungen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, ICAO, festgelegt im ICAO DOC EUR 019. Anlage 69 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Abgeordneten Ulrike Gottschalck (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 97): Wann hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, von der Einrichtung einer Task Force zum Umgang mit der Einstellung des Luftverkehrs in Deutschland aufgrund der Aschewolke durch den Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle, erfahren, und auf welche Art und Weise war der Bundesminister Dr. Peter Ramsauer in die Vorbereitung und Durchführung des ersten Treffens am Montag, dem 19. April 2010, involviert und hat Empfehlungen des Treffens, die den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung betreffen, wie zum Beispiel das temporäre Aussetzen des Nachtflugverbots und des Sonntagsfahrverbots für Lkws, erarbeitet? Zwischen den Bundesministerien fand und findet eine enge Abstimmung statt. Es ist selbstverständlich, dass die einzelnen Bundesminister dringliche Anliegen, die im Rahmen ihrer Ressortzuständigkeit an sie herangetragen werden, aufgreifen und mit den Beteiligten erörtern. Die Bundesministerien nehmen hierzu eine gegenseitige Unterrichtung sowie Beteiligung der anderen Ressorts vor; dies ist regelmäßig und fortlaufend auch während und nach den Tagen der Beeinträchtigung des Luftverkehrs durch Vulkanasche geschehen. Anlage 70 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Abgeordneten Ulrike Gottschalck (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 98): Wie bewertet die Bundesregierung die widersprüchlichen Äußerungen des Bundesministers Rainer Brüderle - "Brüderle schloss ... staatliche Hilfen nicht aus", in Hamburger Abendblatt vom 19. April 2010 - und des Bundesministers Dr. Peter Ramsauer - "Ich wehre mich gegen jeden Ruf an den Staat", in Hamburger Abendblatt vom 19. April 2010 - bezüglich der Frage, ob es staatliche Unterstützung für die Airlines wegen der wirtschaftlichen Verluste infolge der Sperrung des deutschen Luftraums aufgrund des Ausbruchs des Vulkans Eyjafjallajökull geben soll, und wird die Bundesregierung finanzielle Entschädigungen bzw. finanzielle Unterstützungen für die Airlines wie auch für die Flughäfen und von den Flugausfällen betroffenen deutschen Fluggäste zur Verfügung stellen? Die Bundesregierung läßt sich im Hinblick auf mögliche Forderungen von folgenden Überlegungen leiten: Bei den bisherigen Gesprächen ist nicht über Hilfen, sondern über Krisenmanagement gesprochen worden. Anträge auf Staatshilfe liegen dementsprechend zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vor. Die Bundesregierung ist im Übrigen der Ansicht, dass der Staat nicht für unternehmerische Risiken in die Pflicht genommen werden darf. Eine staatliche Hilfeleistung kann nur ultima ratio sein und muss zudem EU-weit koordiniert erfolgen. Die Situation ist nicht vergleichbar mit der in der Folge des 11. Septembers 2001. Damals war für die europäischen Luftverkehrsunternehmen durch die massiven Subventionen der US-Regierung für die dortigen Luftverkehrsunternehmen ein erheblicher Nachteil im Wettbewerb entstanden, den es auszugleichen galt. Dies ist nun nicht der Fall. Anlage 71 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Sören Bartol (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 99): Auf welche Art und Weise wurden die Flughäfen - und hier besonders die Regionalflughäfen - über die stundenweise Öffnung des Luftraums am Sonntagabend, dem 18. April 2010, informiert, und was waren die Gründe dafür, dass die zeitweise Öffnung des Luftraums durch die Airlines nur in äußerst begrenztem Rahmen genutzt wurde? Die Information über die Gebiete mit von Asche kontaminierten Lufträumen erfolgte durch den Deutschen Wetterdienst auf der Basis von sogenannten SIGMETs, Significant Meteorological Information. Derartige Luftfahrtinformationen stehen allen am Luftverkehr Beteiligten rund um die Uhr zur Verfügung. Aus den SIGMETs ist ersichtlich, für welches Gebiet das kontaminierte Gebiet vorhergesagt wird. Am 18. April 2010 änderte sich die Lage der kontaminierten Gebiete für einen kurzen Zeitraum so, dass Flüge nach Instrumentenflugregeln durchführbar waren. Das kurze Zeitfenster ermöglichte nur wenigen Fluggesellschaften, ihre Passagiere zu informieren, den Flug vorzubereiten und durchzuführen. Gleiches gilt für die Internationalen Verkehrsflughäfen und die Regionalflughäfen. Anlage 72 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Sören Bartol (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 100): Wer hat den Auftrag an die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH und Vertreter der deutschen Airlines erteilt, einen Lösungsweg zu finden, der eine schnellere Öffnung des deutschen Luftraums, der aufgrund der Aschewolke in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, weitestgehend geschlossen war, ermöglichen sollte und dann konkret das Zulassen von Sondergenehmigungen für Flüge im kontrollierten Sichtflugverfahren, CVFR, beinhaltete, und auf welcher rechtlichen Grundlage haben die DFS Deutsche Flugsicherung und die Airlines den Auftrag erhalten? Der Anspruch der Bundesregierung bestand darin, unter Wahrung größtmöglicher Sicherheit, gemeinsam mit allen Beteiligten eine Lösung zur Schadensminimierung zu finden. Alle Beteiligten haben innerhalb der gesetzlichen und internationalen Rahmenbedingungen an der Erarbeitung einer Lösung mitgewirkt. Anlage 73 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen der Abgeordneten Ute Kumpf (SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 101 und 102): Wie bewertet die Bundesregierung die Feststellung, dass der Luftraum entweder sicher sei oder er es eben nicht sei, und welche technischen und/oder wissenschaftlichen Gründe gab es für die Entscheidung der Bundesregierung, die Genehmigung von Flügen im kontrollierten Sichtflugverfahren, CVFR, zu erteilen? Welche Vorteile im Hinblick auf die Sicherheit der Passagiere boten die durch die Bundesregierung in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, genehmigten Flüge im kontrollierten Sichtflugverfahren, CVFR, vor dem Hintergrund, dass es in weiten Teilen des deutschen Luftraums keine mit bloßem Auge sichtbare Aschewolke gab, und warum wurden vor diesem Hintergrund in ein und demselben Luftraum Flüge im kontrollierten Sichtflugverfahren, aber nicht im Instrumentenflugverfahren genehmigt? Die Fragen werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die gigantische Aschewolke nach dem Vulkanausbruch auf Island stellte für den gesamten europäischen Luftverkehr ein historisch erstmaliges Phänomen und damit eine bisher erstmalige Herausforderung dar. Es war deshalb bei Vorliegen erster Erkenntnisse absolut richtig und alternativlos, unverzüglich Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen und am 15. April 2010 erhebliche Einschränkungen des Flugverkehrs vorzunehmen. Sicherheit und die Befolgung klarer internationaler Regeln waren oberstes Gebot. Die Bundesregierung hielt sich bei allen ergriffenen Maßnahmen deshalb an die Vorgaben der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, ICAO. Das internationale Regelwerk untersagt Freigaben für Flüge nach Instrumentenflugregeln in mit Vulkanasche kontaminierten Lufträumen. Flüge nach Sichtflugregeln werden in dieser Vorschrift nicht adressiert. Flüge wurden im Einklang mit diesem Regelwerk geduldet, die nach den Kriterien des kontrollierten Sichtfluges durchgeführt wurden, selbstverständlich unter bestmöglicher Nutzung der zur Verfügung stehenden Instrumente und unter Wahrung der gebotenen Sicherheit. Kontrollierte Sichtflüge setzen gute Sichtverhältnisse voraus, sowie eine geringe Inanspruchnahme. Sollte die Verkehrssituation es nicht zulassen, kann die Flugsicherung Freigaben für entsprechende Flüge verweigern. Am 17. April 2010 erfolgten auf diese Weise eine Reihe von Überführungsflügen unter anderem deutscher Luftverkehrsgesellschaften, um die Flugzeuge für den Normalbetrieb an ihren Bedarfsstandorten zu positionieren. Diese Flüge erfolgten ohne Passagiere und lieferten zudem als technische Überführungsflüge der Bundesregierung und den zuständigen Fachbereichen wertvolle Erkenntnisse. Am darauffolgenden Montag folgten erste Passagierflüge unter den Bedingungen des oben beschriebenen kontrollierten Sichtflugs, um die seit Tagen im Ausland auf Flughäfen gestrandeten Urlauber nach Deutschland zurückholen zu können. Grundsätzlich gilt: Ein regelmäßiger, kommerzieller Flugbetrieb nach den Regeln des Sichtflugverkehrs ist im dicht belasteten europäischen und deutschen Luftraum sowie im Hinblick der herrschenden Wetterbedingungen nicht möglich. Auch bei dieser Frage offenbaren sich die offenkundigen Defizite des bisherigen ICAO-Regelwerks, welches die Bundesregierung nunmehr unter Hochdruck weiterentwickeln will. Anlage 74 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des Abgeordneten Uwe Florian Pronold (SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 103 und 104): Was war der Grund dafür, dass in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als Überflüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deutschen Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, neben den unter Leitung der Deutschen Flugsicherung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst und Eurocontrol ergriffenen Maßnahmen kein zentraler Krisenstab beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung angesiedelt wurde, in dem auch Vertreter der Airlines, der Flughäfen, der Bundesländer, der Triebwerks- und Flugzeughersteller sowie der Bundesministerien in den Bereichen Wirtschaft, Verbraucherschutz, auswärtige Angelegenheiten sowie des Kanzleramtes eingebunden waren? Auf welche Art und Weise und zu welchem Zeitpunkt waren in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als Überflüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deutschen Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, die deutschen Bundesländer, die für die Luftverkehrsverwaltung und damit unter anderem auch für Themen wie die temporäre Aufhebung des Nachtflugverbots verantwortlich sind, in das Krisenmanagement eingebunden? Zu Frage 103: Die Bundesregierung hat unmittelbar am 15. April 2010 bei der DFS Deutschen Flugsicherung den zentralen Krisenstab aktiviert, durch den das BMVBS die Aktivitäten koordiniert hat. Ein Austausch mit anderen betroffenen Stellen wie Bundesressorts, Fluggesellschaften, Flughäfen, den Bundesländern sowie der Herstellerindustrie hat regelmäßig und anlassbezogen durch den Krisenstab oder im Rahmen der vorhandenen Strukturen stattgefunden. Der Krisenstab hat stets im engen Kontakt mit der Leitung des BMVBS gestanden, die vertreten durch den zuständigen Staatssekretär und Abteilungsleiter persönlich auch vor Ort präsent waren. Zusätzlich fanden mehrere Gespräche auf nationaler und europäischer Ebene statt. Die deutschen Fluggesellschaften waren ebenfalls eng eingebunden. Zu Frage 104: Die Koordinierung mit den Bundesländern wurde durch eine Telefonkonferenz des Bundesverkehrsministers Dr. Ramsauer mit den zuständigen Länderministern am 18. April 2010 eingeleitet. Zur Nutzung von Zeitfenstern erging ein Appell an die für die Genehmigung zuständigen Landesluftfahrtbehörden in Abhängigkeit von der Wetterlage und der Vulkantätigkeit eine Lockerung bzw. Aussetzung von Nachtflugverboten, insbesondere zur Unterstützung der Rückführung von Fluggästen, beizutragen. Anlage 75 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) (Drucksache 17/ 1534, Fragen 105 und 106): Wann hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, von der drohenden Gefahr erfahren, dass Überflüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deutschen Flughäfen aufgrund der Aschewolke verboten werden müssen und damit der Luftverkehr in Deutschland weitestgehend eingestellt werden muss, und wann hat er die Bundeskanzlerin informiert und Kontakt zu seinen EU-Kollegen aufgenommen, um die notwendigen Maßnahmen zu koordinieren? Welche Krisenstäbe, geleitet durch Bundesminister, sind in Zusammenhang mit den Auswirkungen der Vulkanasche auf den Luftverkehr von der Bundesregierung zu welchem Zeitpunkt im Rahmen des Krisenmanagements in der Zeit vom 15. April 2010 bis zum 21. April 2010 eingesetzt worden, um unter anderem die Kommunikation und Entscheidungsfindung zwischen den inhaltlich betroffenen Bundesministerien für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, für Wirtschaft und Technologie, für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem Auswärtigen Amt herzustellen? Zu Frage 105: Herr Bundesminister Dr. Ramsauer wurde am Donnerstag, den 15. April 2010 gegen Mittag zum Ende der Verkehrsministerkonferenz mit den Bundesländern über Warnmeldungen wegen der Aschewolke informiert. Eine Information der Bundeskanzlerin und der EU-Kollegen fand regelmäßig statt. Zu Frage 106: Die Bundesregierung hat unmittelbar am 15. April 2010 bei der DFS Deutschen Flugsicherung den zentralen Krisenstab aktiviert, durch den das BMVBS die Aktivitäten koordiniert hat. Ein Austausch mit anderen betroffenen Stellen wie Bundesressorts, Fluggesellschaften, Flughäfen, den Bundesländern sowie der Herstellerindustrie hat regelmäßig und anlassbezogen durch den Krisenstab oder im Rahmen der vorhandenen Strukturen stattgefunden. Der Krisenstab hat stets im engen Kontakt mit der Leitung des BMVBS gestanden, die vertreten durch den zuständigen Staatssekretär und Abteilungsleiter persönlich auch vor Ort präsent waren. Zusätzlich fanden mehrere Gespräche auf nationaler und europäischer Ebene statt. Die deutschen Fluggesellschaften waren ebenfalls eng eingebunden. Die angesprochenen Ressorts Wirtschaft und Auswärtiges Amt wurden fallweise beteiligt. Daneben hat Bundesminister Brüderle am 19. April 2010 mit Vertretern der betroffenen Wirtschaftszweige die Einrichtung einer Task Force vereinbart. Ziel der Task Force ist es, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Flugverbots zu ermitteln und Strategien zu erarbeiten, wie in vergleichbaren Fällen Unterbrechungen in der Wertschöpfungskette vermieden werden können. Anlage 76 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Martin Burkert (SPD) (Drucksache 17/ 1534, Frage 107): Ist der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, der Urheber des von den europäischen Verkehrsministern am Montag, dem 19. April 2010, in einer Telefon- und Videoschaltung beschlossenen Lösungsweges für den Umgang mit den Auswirkungen der Aschewolke auf die Flugsicherheit über Europa, und sollte er an der Telefon- und Videoschaltung nicht persönlich teilgenommen haben, was war der Grund für seine Verhinderung? Bereits am Wochenende 17./18. April 2010 hat Bundesverkehrsminister Dr. Ramsauer mehrere Gespräche mit dem spanischen Verkehrsminister Blanco - EU-Ratspräsidentschaft -, mehreren EU-Verkehrsministern sowie mit dem EU-Kommissar Kallas geführt. Unter spanischem Vorsitz hat dann am 19. April 2010 eine Telefon- und Videokonferenz der Verkehrsminister der EU-Mitgliedstaaten stattgefunden. Ziel war die Abstimmung über ein koordiniertes europäisches Vorgehen, um den Flugverkehr unter sicheren Bedingungen wieder aufnehmen zu können. Der spanische Verkehrsminister hat in Wahrnehmung der Ratspräsidentschaft Bundesverkehrsminister Dr. Ramsauer informiert; dieser war per Telefon von unterwegs direkt zugeschaltet. Vor-Ort-Teilnehmer an der Videokonferenz war sein Vertreter Staatssekretär Professor Scheurle. Anlage 77 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Martin Burkert (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 108): Ist die Feststellung richtig, dass die Beantragung von Sondergenehmigungen für das Fliegen von Passagiermaschinen im kontrollierten Sichtflugverfahren, CVFR, beim Luftfahrt-Bundesamt bereits vor Montag, dem 19. April 2010, möglich gewesen wäre, und, wenn ja, was sind die Gründe dafür, dass die Airlines entsprechende Anträge nicht gestellt haben? Die Luftverkehrsgesellschaften hätten bereits vor dem 19. April 2010 entsprechende Anträge beim Luftfahrtbundesamt stellen können. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, warum sie dies nicht getan haben. Anlage 78 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann Ott (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 109): Auf welche Weise setzt die Bundesregierung die Ankündigung des Bundesministers Dr. Norbert Röttgen um, sich innerhalb der EU für die unkonditionierte Anhebung des EU-CO2-Reduktionszieles auf 30 Prozent starkzumachen? Die Bundesregierung unterstützt ein konditioniertes EU-Emissionsreduktionsziel bis 2020 von 30 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 im Rahmen der Beschlusslage des Europäischen Rates vom 10./11. Dezember 2009. Sie wird sich im Rahmen der auf europäischer Ebene anstehenden Diskussionen über die künftige Klimaschutzstrategie der EU auch mit der Frage befassen, ob die EU ihr Emissionsreduktionsziel auf 30 Prozent erhöhen soll. Anlage 79 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann Ott (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 110): Welche Ergebnisse und Impulse hat der Petersberger Klimadialog vom 2. bis 4. Mai 2010 aus Sicht der Bundesregierung für die kommenden Klimaverhandlungen gebracht, und wie ist vor dem Hintergrund der auf dem Petersberger Dialog diskutierten Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern durch die Industrieländer die Tatsache aufgenommen worden, dass es sich bei den durch die Bundesregierung versprochenen Mitteln nur in kleinen Teilen um nicht bereits zuvor für andere Projekte und Maßnahmen versprochene Mittel handelt? Der Petersberger Klimadialog fand vom 2. bis 4. Mai 2010 auf gemeinsame Einladung von Deutschland und Mexiko statt. Die Eröffnungsvorträge wurden von Bundeskanzlerin Merkel und dem Mexikanischen Präsidenten Calderon gehalten. Geleitet wurde die Sitzung von Bundesumweltminister Röttgen und dem mexikanischen Umweltminister Elvira. Mit der Konferenz ist es gelungen, mit den zentralen Akteuren der internationalen Klimapolitik ein gemeinsames Verständnis für die notwendigen Schritte bis zur Klimakonferenz in Cancun und darüber hinaus zu entwickeln. Auf der Konferenz wurde von vielen Ministern auf die Bedeutung der "fast start"-Finanzierung für den weiteren Prozess hingewiesen. Die Bundesregierung hat auf dem Petersberg angekündigt, dass Deutschland 10 Millionen Euro in den UN-Anpassungsfonds einzahlen wird und nochmals die "fast start"-Zusage von 1,26 Milliarden Euro 2010 bis 2012 unterstrichen. Hiervon sollen mindestens 350 Millionen Euro, rund 30 Prozent der Gelder, für Projekte zur Reduzierung von Entwaldung in Entwicklungsländern zur Verfügung stehen. Mehr als 30 Prozent der Gelder sollen zudem in Anpassung fließen. Anlage 80 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 111): Weshalb hat die Bundesregierung keine Regierungsdelegation zum alternativen Klimagipfel der Völker - auch: Weltkonferenz der Völker über Klimawandel und die Rechte der Mutter Erde - im bolivianischen Cochabamba vom 19. bis 22. April 2010 geschickt, welcher als alternative Folgekonferenz des gescheiterten UN-Klimagipfels ausgerichtet wurde? An der Weltkonferenz der Völker über Klimawandel und die Rechte der Mutter Erde vom 19. bis 22. April 2010 in Cochabamba, Bolivien, wurde die Bundesrepublik Deutschland durch die deutsche Botschaft La Paz vertreten. Auf diese Ebene der Wahrnehmung hatten sich die EU-Mitgliedstaaten verständigt. Anlage 81 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 112): Um welche Menge würde sich das radioaktive Inventar in Bezug auf Radionukleide mit einer Halbwertzeit von zehn Jahren erhöhen, wenn die Laufzeit sämtlicher in Betrieb befindlicher Atomkraftwerke um 10, 20 bzw. 28 Jahre - bitte die Mengen sowohl für die 10, 20 als auch 28 Jahre getrennt angeben - erhöht würde? Bei einer Verlängerung der Laufzeiten sämtlicher in Betrieb befindlicher Kernkraftwerke um zehn Jahre würde sich bei der zurzeit jährlich anfallenden mittleren Entlademenge von etwa 370 Tonnen die Gesamtmenge an bestrahlten Brennelementen um 10 x 370 = 3 700 Tonnen erhöhen. Damit ergibt sich bei einer Laufzeitverlängerung um zehn Jahre eine Erhöhung des Aktivitätsinventars um rund 1,5 x 1020 Bq (Becquerel). Bei einer Verlängerung der Laufzeiten sämtlicher in Betrieb befindlicher Kernkraftwerke um 20 Jahre würde sich die Gesamtmenge an bestrahlten Brennelementen um 20 x 370 = 7 400 Tonnen erhöhen. Für die Aktivität ergibt sich eine Erhöhung um rund 3 x 1020 Bq. Bei einer Verlängerung der Laufzeiten sämtlicher in Betrieb befindlicher Kernkraftwerke um 28 Jahre würde sich die Gesamtmenge an bestrahlten Brennelementen um 28 x 370 = 10 360 Tonnen erhöhen. Für die Aktivität ergibt sich eine Erhöhung um rund 4,2 x 1020 Bq. Anlage 82 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 113): Wo soll die Neuverpackung des Atommülls nach der Zwischenlagerung in Ahaus erfolgen, wenn es zutrifft, dass der schwach- und mittelradioaktive Abfall, der im Brennelementezwischenlager Ahaus zwischengelagert werden soll, vor dem Transport von Ahaus in das Endlager Schacht Konrad neu verpackt werden muss, und war den zuständigen Behörden die Tatsache der erforderlichen Neuverpackung bei der Genehmigung der Zwischenlagerung des Atommülls in Ahaus bekannt? Die Bezirksregierung Münster hat am 9. November 2009 eine Genehmigung nach § 7 Strahlenschutzverordnung erteilt, im westlichen Lagerbereich, Lagerbereich I, des Transportbehälterlagers Ahaus radioaktive Reststoffe und Abfälle sowie ausgebaute oder abgebaute radioaktive Anlagenteile bis zu ihrem Abtransport zum Endlager Konrad oder zum Abtransport in eine Einrichtung zur Behandlung oder zur weiteren Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle und Reststoffe zu lagern. Die Abfälle stammen in der Regel aus dem laufenden Betrieb und der Stilllegung kerntechnischer Anlagen in Deutschland. Es handelt sich um eine Pufferlagerung von radioaktiven Abfällen in der Regel für die Betriebsstätte der Gesellschaft für Nuklear-Service mbH, GNS, in Duisburg. Im Übrigen wurde diese Nutzung des Transportbehälterlagers Ahaus bereits in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen vom 17. Dezember 2009 behandelt. Anlage 83 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 114): Wie sollen die Gutachter, die derzeit die Energieszenarien der Bundesregierung berechnen, realistische Werte für die Kosten der Atomkraft ansetzen, wenn sie nach Aussage der Bundesregierung vom 28. April 2010 noch keine verlässlichen Vorgaben der Bundesregierung zu den Kosten für Sicherheitsnachrüstungen, zur Besteuerung von Brennelementen oder zur Kostenbeteiligung der Betreiber bei der Sanierung der Schachtanlage Asse haben - vergleiche Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 17/1531? Die Bundesregierung und die Gutachter tauschen sich ständig über die den Energieszenarien zugrunde liegenden Annahmen aus. Die relevanten Aspekte werden in den Ergebnissen der Gutachter Berücksichtigung finden. Anlage 84 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 115): Unterstützt die Bundesregierung auf europäischer Ebene eine Erhöhung des EU-Ziels zur Emissionsreduzierung bis 2020 von 20 Prozent auf 30 Prozent, angesichts der Tatsache, dass die Europäische Kommission in ihrer jüngsten Kommunikation "Unlocking Europe's potential in clean innovation and growth" die geringen Kosten und erheblichen wirtschaftlichen Chancen eines solchen Schritts hervorgehoben hat? Die Bundesregierung unterstützt ein konditioniertes EU-Emissionsreduktionsziel bis 2020 von 30 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 im Rahmen der Beschlusslage des Europäischen Rates vom 10./11. Dezember 2009. Anlage 85 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 116): Wie wird die Bundesregierung der Forderung des Gutachtens 2009 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen nachkommen, die Forschung zu Diagnostik und Therapie von seltenen oder Waisenkrankheiten, Orphan Diseases, und insbesondere für die Amyotrophe Lateralsklerose, ALS, zu verstärken, und inwieweit werden Forschungsschwerpunkte des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen im Bereich von Orphan Diseases und insbesondere von ALS gesetzt? Die Bundesregierung fördert im Rahmen des Gesundheitsforschungsprogramms Forschung zu Krankheitsursachen, Diagnostik und Therapie von seltenen Erkrankungen mit einer Fördermaßnahme, die darauf abzielt, nationale Kompetenzen zu Gruppen von seltenen Erkrankungen in Forschungsnetzen zu bündeln, 30 Millionen Euro für den Förderzeitraum 2003 bis 2009, 70 Millionen Euro vorgesehen für 2009 bis 2018. Die internationale Netzwerkbildung von Wissenschaftlern wird durch ein internationales Konsortium von Förderorganisationen - unter Beteiligung des BMBF - derzeit mit 20 Millionen Euro gefördert. Diese Maßnahmen sollen konsequent weiterentwickelt und die klinische Forschung ausgebaut werden. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass Anträge zur Erforschung seltener Erkrankungen auch bei allgemeinen Maßnahmen zur Forschungsförderung durchaus konkurrenzfähig, das heißt erfolgreich, sind. Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, DZNE, befindet sich noch im Aufbau, sodass derzeit noch keine abschließenden Aussagen über die konkreten Projekte des Instituts möglich sind. Das DZNE hat seinen Forschungsschwerpunkt bei altersbezogenen neurodegenerativen Volkskrankheiten wie zum Beispiel Parkinson, der Alzheimer-Erkrankung und anderen Formen der Demenz. Seltenere Formen der neurodegenerativen Erkrankungen wie Prionen-Erkrankungen, Chorea Huntington oder die Amyotrophe Lateralsklerose, ALS, sind explizit Teil des Themenspektrums des DZNE. Um eine national abgestimmte Strategie zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Menschen mit seltenen Erkrankungen auszuarbeiten, wurde im März 2010 unter der Federführung des BMG ein Nationales Aktionsbündnis ins Leben gerufen, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Empfehlung des Rates der Europäischen Union umzusetzen. Dazu gehört unter anderem die Erstellung eines Nationalen Aktionsplans für seltene Erkrankungen und die Förderung der Bildung von Fachzentren. Wesentliche Akteure der Regierung, des Gesundheitswesens und der Forschung sind aktiv eingebunden. Anlage 86 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 117): Welches Engagement hat die Bundesregierung mit den Ländern/der Kultusministerkonferenz aufgebracht, die Sommerferienzeiten zu entzerren, und wie ist die mittelfristige Einschätzung hierzu? Auf ihrer 194. Amtschefskonferenz hat die Kultusministerkonferenz am 15. Mai 2008 die "Langfristige Sommerferienregelung 2011 bis 2017" beschlossen. Die Regelung der Sommerferientermine fällt in die Kultuszuständigkeit und damit in die alleinige Verantwortung der Länder. Hierzu stimmt sich die Kultusministerkonferenz mit der Wirtschaftsministerkonferenz ab. In Vorbereitung der letzten Beschlussfassung hatte sich der Beauftragte der Bundesregierung für Tourismus im Zusammenwirken mit der Wirtschaftsministerkonferenz mit großem Nachdruck für eine noch stärkere Entzerrung der Ferienzeiten eingesetzt, frühzeitig den Kontakt zum Sekretariat der KMK aufgenommen und sich unter anderem auch direkt an die Ministerpräsidenten der Länder gewandt. Anlage 87 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 118): Wie plant die Bundesregierung - unter anderem personell und finanziell -, die Hochschulen in die Lage zu versetzen, die komplette Organisation und Verwaltung ihres nationalen Stipendienprogramms zu übernehmen, und welche Vorschläge will die Bundesministerin für Bildung und Forschung der Hochschulrektorenkonferenz angesichts des erheblichen Aufwands für die Einwerbung und Administration von privaten Mitteln und der Erfahrungen aus anderen Ländern wie etwa Großbritannien - wo mehr als ein Drittel der eingeworbenen Beträge allein durch diese Bürokratiekosten aufgebraucht wurde - unterbreiten? Artikel 104 a Abs. 5 Grundgesetz (GG) schreibt vor, dass der Bund und die Länder die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben tragen. Anlage 88 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 119): Wieso hat laut dem Entwurf eines Stipendienprogramm-Gesetzes der Studienortwechsel eines Stipendiaten im Inland einen Verlust des Stipendiums zur Folge, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich diese Regelung mobilitätsfeindlich auswirken dürfte, und unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen können Stipendien aus dem nationalen Stipendienprogramm mit ins Ausland genommen werden? Es wird davon ausgegangen, dass die privaten Mittelgeber gezielt Studierende derjenigen Hochschule fördern möchten, der sie Mittel zur Verfügung stellen. Zudem soll die Herstellung eines Kontakts zwischen Stipendiatinnen und Stipendiaten und privaten Mittelgebern möglich sein. Im Falle eines Hochschulwechsels, sei es im Inland, sei es im Ausland, gibt ein Übergangssemester, während dessen das Stipendium von der abgebenden Hochschule fortgezahlt wird, die Gelegenheit, sich an der aufnehmenden Hochschule erneut um ein Stipendium zu bewerben oder eine andere Möglichkeit der Studienfinanzierung zu suchen. Während eines Auslandsaufenthalts wird das Stipendium in gleicher Höhe fortgezahlt. Alternativ kann das Stipendium unterbrochen werden, zum Beispiel um eine Fördermöglichkeit des DAAD zu nutzen. Voraussetzung ist jeweils, dass der oder die Studierende nicht für den Rest des Studiums an die ausländische Hochschule wechselt, sondern weiterhin an der Hochschule immatrikuliert ist, die das Stipendium bewilligt hat, oder dass ein beabsichtigter Verbleib an der Hochschule auf andere Weise deutlich gemacht wird. Anlage 89 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 120): Wie definiert die Bundesregierung die im Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms, Stipendienprogramm-Gesetz, StipG, (unter § 1 Abs. 1) genannten Kriterien "Begabung und Leistung", und warum sind "gesellschaftliches Engagement, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, oder besondere soziale, familiäre oder persönliche Umstände" anders als "Begabung und Leistung" als Sollkriterien geführt (unter § 3 StipG)? Die Stipendien dienen der Förderung begabter Studierender. Bisher erbrachte besondere Leistungen in Schule, Studium oder Beruf sind für die Begabung ein wichtiges Indiz. Besondere Leistungen werden vor dem Hintergrund der jeweiligen persönlichen Biografie gewürdigt. Zusätzliche Kriterien, die das Begabungskriterium ergänzen, aber nicht ersetzen, sind gesellschaftliches Engagement und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, sowie besondere soziale, familiäre oder persönliche Umstände. Ihre Berücksichtigung ist der Regelfall. In atypischen Fällen, zum Beispiel bei der Würdigung besonderer künstlerischer Begabungen, ist es denkbar, dass Zusatzkriterien keine Rolle spielen. Durch diesen Begabungsbegriff ist gewährleistet, dass die gesamte Persönlichkeit und ihr Hintergrund betrachtet werden. Anlage 90 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn) (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 121): Wie kommt die Annahme der Bundesregierung zustande, den Hochschulen im Rahmen des nationalen Stipendienprogramms entstünden maximal 30 Millionen Euro Mehrausgaben, obwohl es Hinweise zum Beispiel aus Großbritannien gibt, wonach der Aufwand allein für Einwerbung privater Mittel unter anderem für Stipendien ein Drittel der eingeworbenen Mittel beträgt, und auf welchen Annahmen basiert die Feststellung aus dem Entwurf eines Stipendienprogramm-Gesetzes, dass im Endausbau des nationalen Stipendienprogramms 100 Millionen Euro an Steuermindereinnahmen durch mögliche Steuererleichterungen für private Stipendiengeber zu erwarten seien? Für die Mittelaquisekosten im Rahmen des nationalen Stipendienprogramms sind der Bundesregierung keine geeigneten internationalen Vergleichswerte bekannt. In der Projektförderung ist ein Verwaltungskostenanteil von fünf Prozent üblich. Die Annahmen zu den voraussichtlichen Steuermindereinnahmen beruhen auf Schätzungen des Bundesministeriums für Finanzen anhand ähnlicher Konstellationen. Anlage 91 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Nicole Gohlke (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 122): Warum spricht die Bundesregierung von einer hälftigen Finanzierung des nationalen Stipendienprogramms durch private Geldgeberinnen und Geldgeber, wenn in der Endausbaustufe rund 430 Millionen Euro - Zuschuss, Verwaltungskosten, Steuermindereinnahmen - von Bund und Ländern, jedoch nur 200 Millionen Euro von privater Seite getragen werden, was einem Anteil von lediglich 31,75 Prozent entspricht und nicht den im Gesetzentwurf benannten und in der Öffentlichkeit suggerierten 50 Prozent? Die von den Hochschulen vergebenen Stipendien werden, wie der Gesetzentwurf richtig ausführt, zu jeweils 50 Prozent aus privaten und öffentlichen Mitteln finanziert. Die Steuermindereinnahmen entstehen durch Steuererleichterungen, die im Nachhinein für Spenden in Anspruch genommen werden können. Darin liegt kein Widerspruch zu der Aussage über die Zusammensetzung der Stipendienmittel. 3776 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 39. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 39. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3777 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 3810 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 39. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 39. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3809