Plenarprotokoll 17/44 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 44. Sitzung Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 I n h a l t : Begrüßung des neuen Abgeordneten Holger Krestel Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung Zur Geschäftsordnung Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Peter Altmaier (CDU/CSU) Thomas Oppermann (SPD) Jörg van Essen (FDP) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 13: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Drucksachen 17/1685, 17/1740, 17/1741) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 27: a) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stabilisierung des Finanzsektors - Eigenkapitalvorschriften für Banken angemessen überarbeiten (Drucksache 17/1756) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie (Drucksachen 17/1720, 17/1803) c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie (Drucksache 16/13741) Dr. Michael Meister (CDU/CSU) Nicolette Kressl (SPD) Otto Fricke (FDP) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) Dr. Barbara Hendricks (SPD) Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sigmar Gabriel (SPD) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Dr. Barbara Hendricks (SPD) Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU/CSU) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU/CSU) Namentliche Abstimmungen Ergebnisse Zusatztagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Axel Troost, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit von Städten, Gemeinden und Landkreisen (Drucksache 17/1744) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Britta Haßelmann, Lisa Paus, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Gewerbesteuer stabilisieren - nicht abschaffen (Drucksache 17/1764) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 28: Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Axel Troost, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine Verstetigung der Kommunalfinanzen - Die Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickeln (Drucksachen 17/783, 17/1783) Katrin Kunert (DIE LINKE) Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) Bernd Scheelen (SPD) Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) Dr. Volker Wissing (FDP) Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) Dr. Carsten Sieling (SPD) Dr. Birgit Reinemund (FDP) Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Peter Aumer (CDU/CSU) Antje Tillmann (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 29: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP: Steuerhinterziehung wirksam und zielgenau bekämpfen (Drucksache 17/1755) b) Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Steuerhinterziehung wirksam bekämpfen (Drucksache 17/1765) Manfred Kolbe (CDU/CSU) Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Martin Gerster (SPD) Manfred Kolbe (CDU/CSU) Dr. Volker Wissing (FDP) Martin Gerster (SPD) Richard Pitterle (DIE LINKE) Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 30: a) Antrag der Abgeordneten Anton Schaaf, Anette Kramme, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Das Risiko von Altersarmut durch veränderte rentenrechtliche Bewertungen von Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit und der Niedriglohn-Beschäftigung bekämpfen (Drucksache 17/1747) b) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Schutz bei Erwerbsminderung umfassend verbessern - Risiken der Altersarmut verringern (Drucksache 17/1116) c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Risiken der Altersarmut verringern - Rentenbeiträge für Langzeiterwerbslose erhöhen (Drucksache 17/1735) Josip Juratovic (SPD) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) Paul Lehrieder (CDU/CSU) Anton Schaaf (SPD) Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/ CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes (Drucksache 17/1749) Tagesordnungspunkt 32: a) Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Krista Sager, Priska Hinz (Herborn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gute Lehre an allen Hochschulen garantieren - Eine dritte Säule im Hochschulpakt verankern und einen Wettbewerb für herausragende Lehre auflegen (Drucksache 17/1588) b) Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Qualitätsoffensive für die Lehre starten - Einheit von Forschung und Lehre sichern (Drucksache 17/1737) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Zusatztagesordnungspunkt 13) Veronika Bellmann (CDU/CSU) Thomas Dörflinger (CDU/CSU) Alexander Funk (CDU/CSU) Josef Göppel (CDU/CSU) Dr. Lutz Knopek (FDP) Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU) Paul Lehrieder (CDU/CSU) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) Frank Schäffler (FDP) Dr. Hermann Otto Solms (FDP) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Steffen Bockhahn und Dr. Barbara Höll (beide DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Zusatztagesordnungspunkt 13) Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms und Bettina Herlitzius (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Zusatztagesordnungspunkt 13) Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler, Manfred Kolbe und Klaus-Peter Willsch (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Zusatztagesordnungspunkt 13) Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes (Tagesordnungspunkt 31) Gustav Herzog (SPD) Dr. Erik Schweickert (FDP) Alexander Süßmair (DIE LINKE) Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin BMELV Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: - Gute Lehre an allen Hochschulen garantieren - Eine dritte Säule im Hochschulpakt verankern und einen Wettbewerb für herausragende Lehre auflegen - Qualitätsoffensive für die Lehre starten - Einheit von Forschung und Lehre sichern (Tagesordnungspunkt 32 a und b) Monika Grütters (CDU/CSU) Tankred Schipanski (CDU/CSU) Swen Schulz (Spandau) (SPD) Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) Nicole Gohlke (DIE LINKE) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 8 Amtliche Mitteilungen 44. Sitzung Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 Beginn: 9.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich teile Ihnen mit, dass der Kollege Hellmut Königshaus aufgrund seiner Ernennung und gestrigen Vereidigung zum Wehrbeauftragten auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet hat. Als Nachfolger begrüße ich den Kollegen Holger Krestel. (Beifall) Herzlich willkommen und gute Zusammenarbeit! Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, müssen wir einen Geschäftsordnungsantrag behandeln. Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP haben fristgerecht beantragt, die heutige Tagesordnung um die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus zu erweitern. Die Vorlage soll heute als Zusatzpunkt 13 in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 27 als erster Punkt mit einer auf zwei Stunden verlängerten Debattenzeit beraten werden. Dazu gibt es kein Einvernehmen. Deswegen wollen wir darüber in einer Geschäftsordnungsrunde diskutieren und dann über diesen Antrag befinden. Gegen diesen Aufsetzungsantrag hat sich die Kollegin Dagmar Enkelmann zu Wort gemeldet, der ich hiermit das Wort erteile. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion Die Linke stimmt der Aufsetzung des genannten Gesetzentwurfes auf die Tagesordnung nicht zu. Kommen Sie mir jetzt nicht mit der Verantwortung, die wir für Europa zu übernehmen haben! (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein! - Peter Altmaier [CDU/CSU]: Genau damit kommen wir Ihnen!) Das Verfahren in dieser Woche ist verantwortungslos. (Beifall bei der LINKEN) Sie haben in dieser Woche in einem Schnellverfahren über die Vergabe von über 100 Milliarden Euro entschieden. Das Parlament wird erneut zu einer Abstimmungsmaschinerie degradiert. Die Linke sagt: Damit muss endlich Schluss sein. (Beifall bei der LINKEN) Wir teilen ausdrücklich Ihre Kritik, Herr Präsident, an diesem Verfahren, am Umgang der Regierung mit dem Parlament. Wir, das Parlament, sind nicht das Marionettentheater der Regierung. (Beifall bei der LINKEN) Im Übrigen will ich die Fraktionsvorsitzenden daran erinnern, dass die Kanzlerin im Gespräch mit ihnen versprochen hat, dass die abschließende Lesung hier im Bundestag erst stattfindet, wenn der europäische Vertrag vorliegt. Der Vertrag liegt bis heute nicht vor. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) Sie, meine Damen und Herren, geben sich jetzt mit Eckpunkten zufrieden. Wie diese Eckpunkte im Vertrag tatsächlich geregelt werden, ist bis heute völlig offen. Es ist also die Frage, inwieweit die nationalen Parlamente beteiligt werden, inwieweit eine Kontrolle erfolgt. Das alles sind Fragen, die bis heute offen sind. Sie meinen möglicherweise, das sei unwichtig. Die Linke sagt: Das ist wichtig für die Entscheidung in diesem Hohen Hause. (Beifall bei der LINKEN) Wir wollen nicht die Katze im Sack kaufen. Das ist auch nicht durch Ihren im Ausschuss vorgelegten Änderungsantrag geheilt, in dem Sie sagen: Na gut, wenn der Vertrag nächste Woche da ist, dann werden wir mal den Haushaltsausschuss informieren. - Hier entscheidet heute dieses Parlament, der gesamte Bundestag, nicht der Haushaltsausschuss, der irgendwann mal informiert wird. Es wäre durchaus möglich, zum Beispiel eine Sondersitzung einzuberufen, wenn der Vertrag da ist. Das hätten wir diskutieren können. Das haben Sie abgelehnt. Sie wollen dieses Schnellverfahren innerhalb von einer Woche. Nein, von einem seriösen Verfahren kann hier keine Rede sein. Es war keine Zeit, wirklich über Alternativen zu beraten. Heribert Prantl hat in der Süddeutschen Zeitung völlig zu Recht festgestellt: Die Regierung behauptet, dieses Milliardenpaket sei alternativlos, und wir glauben das alles. - Das heißt: Die Regierung stellt das Parlament de facto kalt, und das Parlament oder, sagen wir mal so, eine Mehrheit in diesem Parlament lässt sich auch noch kaltstellen. Es war auch keine Zeit, die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes zu prüfen. Die ersten Verfassungsklagen sind angekündigt. Es war auch keine Zeit, die Folgen oder die langfristigen Auswirkungen des heute vorliegenden Gesetzentwurfes zu prüfen, unter anderem zu prüfen, welche Belastungen künftig auf die Bürgerinnen und Bürger zukommen. Es wird noch schlimmer! Schauen Sie sich den Gesetzentwurf einmal an! Darin steht nämlich: Die mittelbaren finanziellen Auswirkungen sind nicht bezifferbar. Das hätten wir als Linke mal in einem Antrag formulieren sollen! Das hätten Sie uns um die Ohren gehauen! Die Regierung darf das ungestraft tun. (Beifall bei der LINKEN) Nein, meine Damen und Herren, ein so unsolides, unseriöses Gesetzgebungsverfahren ist mit der Linken nicht zu machen. Da wächst kein Vertrauen in die Stabilisierung des Euro, und da wächst auch kein Vertrauen in diese Regierung. Das haben Sie längst verspielt. Ich finde, Sie können einpacken. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die CDU/CSU-Fraktion erhält der Kollege Peter Altmaier das Wort. Peter Altmaier (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten und entscheiden heute über eines der wichtigsten Gesetzgebungsvorhaben der letzten Jahre. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) Gerade weil dies so ist, sollten wir im Interesse der Legitimation und der Legitimität dieses Parlaments gemeinsam das zum Ausdruck bringen, was über jeden Zweifel erhaben ist: dass das Gesetzgebungsverfahren zwar zügig, aber in Punkt und Komma in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften und den Vorgaben der Geschäftsordnung durchgeführt worden ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben es mit einem ganz normalen, regulären Gesetzgebungsvorhaben zu tun, wie es in der Geschichte dieses Parlaments schon häufig vorgekommen ist. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Plus Wortbruch der Kanzlerin!) Darum geht es Ihnen ja auch nicht, Frau Enkelmann. Tun Sie nicht so! Führen Sie die Leute nicht hinter die Fichte, indem Sie irgendwelche Quisquilien und technischen Argumente anführen! Ich will Ihnen etwas vorlesen: Vertrag von Maastricht, 1992: CDU/CSU, SPD, FDP: ja, Linke: nein. Vertrag von Amsterdam, 1997: CDU/CSU, SPD, FDP: ja, Linke: nein. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Vertrag von Nizza: CDU/CSU, SPD, FDP: ja, Linke: nein. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Verfassungsvertrag - da hatten Sie keinen Fraktionsstatus, es waren nur zwei MdBs vertreten -: Stimmverhalten: nein. Vertrag von Lissabon: ebenfalls nein. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Heute reden wir über ein weiteres europäisches Vorhaben ersten Ranges, und Sie sagen wieder Nein. Sehr geehrter Herr Gysi, sehr geehrte Frau Enkelmann, wir haben eine Partei vor uns, die zutiefst antieuropäisch empfindet und sich destruktiv verhält. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Solange Sie diese Haltung nicht ändern, werden wir Sie im parlamentarischen Verfahren nicht als Partner akzeptieren. (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herr Präsident, meine Damen und Herren, soweit ich weiß, wird sich Bündnis 90/Die Grünen heute Morgen dem Antrag der Linkspartei anschließen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil wir der Kanzlerin geglaubt haben!) Ich will hier in aller Deutlichkeit sagen, Herr Trittin: Im Gegensatz zur Linkspartei ist die europäische Überzeugung von Bündnis 90/Die Grünen über jeden Zweifel erhaben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das haben Sie in den letzten Jahren in diesem Parlament wiederholt bewiesen, zuletzt bei der Verabschiedung des Griechenland-Paketes. Das ist auch ein Beweis für demokratische Reife. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nur, Herr Trittin, ich habe nicht verstanden, wie Sie bei der Frage des Griechenland-Paketes ein mutiges Signal Ihrer europäischen und demokratischen Reife geben konnten und jetzt, 14 Tage später, so tun können, als hätten Sie mit all dem nichts zu schaffen, und dies unter Berufung auf zugegebenermaßen wichtige, aber technische Fragen im Zusammenhang mit diesem Gesetzgebungsvorhaben. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Technisch?) Wir haben im Haushaltsausschuss mit Ihrer Unterstützung die Beteiligungsrechte des Parlamentes verschärft. Die Bundesregierung ist ihrer Verpflichtung nachgekommen. Wir haben Ihnen die Eckpunkte der Zweckgesellschaft vorgelegt. Wir haben darauf hingewiesen, dass es in der Sache keine Änderungen und keine Regelungen geben wird, die dem Parlament nicht vorher mitgeteilt werden. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist nicht entscheidend! - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Parlament ist mehr als ein Haushaltsausschuss!) Ich kann Ihnen sagen, was seit der Entscheidung zu Griechenland geschehen ist: Die SPD hat sich damals in die Büsche geschlagen, und nun hoppeln Sie in die Büsche hinterher. Nur - das sieht man in Nordrhein-Westfalen - ist die SPD schon längst einen Busch weiter. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber müssen Sie ja selber lachen!) Deshalb sage ich Ihnen: Sie sollten sich an Ihrem Altmeister Joschka Fischer orientieren. Ich bin davon überzeugt, dass Joschka Fischer, wenn er in dieser Situation Vorsitzender der Grünenfraktion wäre, sagen würde: Wir können doch in einer politischen Gestaltungsfrage ersten Ranges nicht über eine haushaltsrechtliche Einzelfrage den Kurs der Grünen bestimmen. (Lachen des Abg. Jürgen Trittin [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]) Wenn er heute Morgen vor dem Fernsehschirm sitzt, wird er Ihnen - wahrscheinlich nicht der Fraktion, aber den beiden Fraktionsvorsitzenden - vermutlich seinen Lieblingsspruch zurufen: Avanti Dilettanti! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich bin am Ende meiner Ausführungen. Herr Steinmeier ist nicht da, Herr Gabriel ist nicht da. (Thomas Oppermann [SPD]: Der ist da! Er ist hinten!) - Wunderbar. - Ich will am Ende noch einmal einen Appell an die sozialdemokratische Partei in diesem Hause richten. Wir haben seit den 50er-Jahren alle grundlegenden Fragen der europäischen Integration bei vielerlei Unterschieden im Detail gemeinsam diskutiert und gemeinsam entschieden. Sie haben sich bei der Griechenland-Frage für Enthaltung entschieden. Sie haben gesagt: Wir wollen ein klares Signal, dass die Märkte und die Banken an den Kosten der Krise beteiligt werden. Das war auch unser Anliegen. (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir - CDU/CSU und FDP gemeinsam - sind Ihnen in dieser Frage mit einer klaren Aussage entgegengekommen. Die Märkte haben das realisiert. In ganz Europa wird die Bundesrepublik Deutschland als Vorkämpferin für eine bessere Regulierung und eine vernünftige Eindämmung der Spekulationen angesehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nur Sie wollen das nicht wahrhaben, weil Sie glauben, dass Sie damit die eine oder andere Stimme gewinnen können. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist Pfingsten, nicht Karneval!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir entscheiden heute über sehr viel Geld. Es ist eines der wichtigsten Gesetzgebungsvorhaben, nicht nur, weil es um Geld geht, sondern weil es im Kern um die Frage geht, ob wir es schaffen, unser Modell der sozialen Marktwirtschaft in einer globalen Welt zu verteidigen. Dazu sind wir bereit, und dafür möchte ich Sie noch einmal um Ihre Unterstützung bitten. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Thomas Oppermann erhält nun für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt die SPD aus dem Busch, um Herrn Altmaier zu zitieren!) Thomas Oppermann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Altmaier, natürlich ist das Verfahren nicht irregulär. Sie halten die Fristen ein, und Sie haben das Recht, diesen Punkt heute auf die Tagesordnung zu setzen. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Sie enthalten sich!) Wir werden dem nicht widersprechen. Wenn die Regierungsmehrheit heute über diese Frage entscheiden will, dann sollen Sie darüber nach unserer Überzeugung auch entscheiden dürfen. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das ist der Vorsprung der Kanzlerin!) Aber das ist noch lange kein angemessener Umgang mit diesem Parlament. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir sollen heute über Bürgschaften in Höhe von 148 Milliarden Euro entscheiden, aber wir kennen noch nicht die vertraglichen Grundlagen, nach denen diese Kredite bzw. Bürgschaften vergeben werden. Ich finde, das ist für jeden Abgeordneten in diesem Haus eine Zumutung. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir sollen schnell entscheiden. Ich frage Sie, Frau Bundeskanzlerin: Warum haben Sie denn nicht gemeinsam mit den Regierungen in Europa schneller gearbeitet? (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Otto Fricke [FDP]: Das geht nicht noch schneller! - Zurufe von der CDU/CSU: Oh! Oh!) Ist es denn unzumutbar, dass die Regierungen zwei Wochen lang Zeit haben, eine vertragliche Regelung herbeizuführen, damit die Parlamente entscheiden können? Das ist doch das Selbstverständlichste von der Welt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es fällt auf, dass ohnehin mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten gearbeitet wird, (Iris Gleicke [SPD]: So ist es!) je nachdem, welcher Gegenstand betroffen ist. Heute sollen wir innerhalb einer Woche entscheiden. Aber in Ihrer Vorhabenplanung, Frau Bundeskanzlerin, steht: Umsetzung der Bankenrichtlinie: geplant für September 2010; (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! 2010, nicht 2011! - Zurufe von der SPD: Oh!) Gesetz zur Verstärkung des Anlegerschutzes: geplant für Februar 2011; (Zurufe von der SPD: Oh!) Bankenabgabe: Verabschiedung geplant für Februar 2011. (Joachim Poß [SPD]: Vorkämpfer!) Es fällt, wie gesagt, auf, dass mit verschiedenen Geschwindigkeiten gearbeitet wird, je nachdem, ob es darum geht, Banken zu retten oder nervöse Finanzmärkte zu beruhigen, oder ob es darum geht, die Bürgerinnen und Bürger durch Finanzmarktregulierungen vor diesen Finanzmärkten zu schützen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich sage Ihnen, Frau Bundeskanzlerin: Wir werden es nicht hinnehmen, dass Sie aus dem Deutschen Bundestag ein Parlament der zwei Geschwindigkeiten machen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Glauben Sie nicht, dass den Bürgerinnen und Bürgern nicht auffällt, dass das eine ganz schnell geht und das andere unendlich lange dauert?! Es ist in der Tat so: Wir haben heute eine der schwierigsten Entscheidungen zu treffen, die der Deutsche Bundestag jemals treffen musste. Dies ist die vierte gravierende Entscheidung in dieser Wahlperiode. Ich muss Ihnen das einmal in Erinnerung rufen: Die erste Entscheidung war das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz, mit dem 1 Milliarde Euro für die Hotelketten bewilligt wurde; das war die Mövenpick-Milliarde. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Widerspruch bei der FDP) Die zweite gravierende Entscheidung war der Haus-halt 2010. Wir haben einen Haushalt mit einer Nettokreditaufnahme in Höhe von 80 Milliarden Euro verabschiedet, der höchsten Nettokreditaufnahme in der Geschichte der Bundesrepublik. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Steinbrück wollte 86 Milliarden! - Otto Fricke [FDP]: Ihr wolltet doch fast 90 Milliarden! - Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Das ist immer noch weniger, als in Ihrem Etatentwurf geplant war!) - Ganz ruhig. Nur weil Sie eine Tu-nichts-Regierung sind, sind wir noch lange kein Abnickparlament. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Bei der dritten gravierenden Entscheidung ging es um die 22 Milliarden Euro, die wir vorvergangene Woche für Griechenland bewilligt haben. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Auch da habt ihr euch enthalten!) Heute geht es um 148 Milliarden Euro. Ich sage Ihnen: Über insgesamt mehr als 250 Milliarden Euro haben Sie in den ersten sechs Monaten dieser Wahlperiode zusätzlich entschieden. (Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Wollen Sie etwa die Kurzarbeit abschaffen?) Das ist eine Viertelbillion Euro, Frau Bundeskanzlerin. Damit sind Sie schon heute die Schuldenregierung, die Regierung, die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die meisten Schulden gemacht hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das ist eine Frechheit!) Ich bitte Sie: Machen Sie jetzt endlich Ihre Hausaufgaben, damit Sie nicht schon bald das nächste Rettungspaket schnüren müssen. Sie haben Ihr Konto maßlos überzogen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das ist typisch SPD! Ihr findet einfach keine Haltung!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Jörg van Essen für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Jörg van Essen (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine schwere Entscheidung zu treffen. Wir alle sind in der Verpflichtung, auch in der Diskussion dieser besonderen Situation gerecht zu werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich werbe nachdrücklich dafür, dass wir das auch nach außen hin deutlich machen. Es ist doch schon erstaunlich: Über Wochen wirft die Opposition der Regierung vor, dass sie nicht schnell genug entscheidet, dass sie bestimmte Entscheidungen nicht schnell genug herbeigeführt hat. Jetzt geht auf einmal alles viel zu schnell. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Gerade in schwierigen Zeiten ist es gut, wenn man dem Rat folgt, den jemand gibt, der insgesamt großes Ansehen genießt, und zwar berechtigt. In dieser Woche - ein Kollege hat es mitgeschrieben - ist in der Anhörung des Haushaltsausschusses vorgetragen worden: "Es ist unabdingbar, am Freitag" - am heutigen Tage also - "das Gesetzgebungsverfahren abzuschließen. Es ist unabdingbar. Man muss daher ohne Wenn und Aber in dieser Woche zu Ende kommen, um weitere Skepsis und weitere Verunsicherungen zu vermeiden." - Das war die Empfehlung des Präsidenten der Bundesbank. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie das auf Französisch sagen, Herr van Essen?) Wir sollten genau dieser Empfehlung folgen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Damit werden wir der Verpflichtung unseres Parlaments gerecht. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Volker Beck hat nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion widerspricht der Aufsetzung des Gesetzentwurfes auf die Tagesordnung am heutigen Freitag, und zwar nicht, weil wir gegen den geplanten Stabilisierungsmechanismus wären, sondern weil wir ihn sorgfältig beraten und in Kenntnis aller Unterlagen und Grundlagen beschließen wollen. Diese Grundlagen liegen nicht vor. Was uns vorliegt, ist ein kleiner Zettel mit ein paar Kriterien für den Vertrag über die Zweckgesellschaft. Herr van Essen, Sie verlangen heute von uns - und das ohne Not -, dass wir unsere Rechte auf Mitwirkung in der Europäischen Union und unser Budgetrecht aufgeben und an die Regierung delegieren. Das ist hochgefährlich. (Jörg van Essen [FDP]: Ihr habt doch den Antrag selbst eingebracht!) Es gibt bereits einen Abgeordneten von der Union, der angekündigt hat, gegen das Gesetz zu klagen. Was bewirkt es für die Stabilisierung der Finanzmärkte, wenn der Abgeordnete am Ende zu Recht die Verletzung seiner Organrechte vom Bundesverfassungsgericht bestätigt bekommt und Ihnen das Ganze um die Ohren fliegt? Dann haben Sie mit Zitronen gehandelt und ein Desaster für die Europäische Union angerichtet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das Gesetzgebungsverfahren hat schon auf der Ebene der Europäischen Union mit einem ersten Verfassungsbruch begonnen: Am 7. Mai wurden Sie darüber unterrichtet, dass man dringend einen solchen Mechanismus schaffen muss. Frau Bundeskanzlerin, haben Sie den Deutschen Bundestag unverzüglich darüber unterrichtet? Nein. Am 9. Mai waren nämlich Wahlen in Nordrhein-Westfalen. Sie haben abgewartet; Sie haben dieser Verordnung zugestimmt, ohne dem Bundestag das Recht zur Stellungnahme zu geben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Damit haben Sie die Rechte dieses Parlamentes verletzt. Heute wollen Sie eine Blankovollmacht für die weiteren Verhandlungen. Warum sollte die Opposition Ihnen eine Blankovollmacht ausstellen? Sie sind uns am Anfang der Woche entgegengekommen und haben gesagt, dass am Freitag die Grundlagen vorliegen; sie liegen nicht vor. Sie haben versucht, uns mit der Zusage zu locken, eine Finanzmarktsteuer einzuführen. Hinterher haben Sie uns dann gesagt: Das könnte die Finanzaktivitätsteuer, die Finanztransaktionsteuer oder eine Kombination aus beidem sein. Sie sind nicht entscheidungsfähig. Sie sind die Bremse in Europa, wenn notwendige Maßnahmen rechtzeitig verabschiedet werden müssen. Das war bei der Griechenland-Hilfe so, das ist bei der Finanzmarktsteuerung so. Warum sollten wir Ihnen hier einen Blankoscheck ausstellen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Meine Damen und Herren, zahlreiche Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem geplanten Mechanismus stellen, sind in dieser Woche nicht geklärt worden. Die Kommission handelt hier - auf Wunsch der Bundesregierung - außerhalb des EU-Vertrages und offenbar im Sinne der Unterstützung der Nationalstaaten. Wer kontrolliert die Europäische Kommission bei dieser Tätigkeit? Wenn wir Ihnen heute hinsichtlich dieser Fragen einen Blankoscheck ausstellen, haben wir unsere Rechte abgegeben; das Europäische Parlament ist nicht zuständig. Zu der zwischenstaatlichen Vereinbarung zur Errichtung einer Zweckgesellschaft - wir kennen sie nicht, und auf dem Zettel steht dazu nichts - stellen sich einige Fragen: Soll dies eine zivilrechtliche Vereinbarung nach luxemburgischem Recht sein, bei der die Bundesregierung den Bundestag nicht konsultieren muss? Oder ist nicht doch eine völkerrechtliche Vereinbarung nötig und vorgesehen? Dann muss sie hier im Deutschen Bundestag beraten werden. All diese Fragen haben Sie nicht geklärt, und Sie wollen die Klärung an die Bundesregierung delegieren. Das ist fahrlässig und entspricht nicht der Seriosität dieses Parlamentes. Wir schlagen vor, den Gesetzentwurf heute von der Tagesordnung abzusetzen und den Bundestagspräsidenten zu bitten, dann, wenn die Grundlagen hierfür vorliegen, unverzüglich den Deutschen Bundestag, auch in der Pfingstpause, einzuberufen, damit wir die notwendigen Entscheidungen treffen. Andere Länder wie Frankreich haben in dieser Woche auch nicht entschieden. Sie wissen doch: Der Mechanismus greift erst, wenn alle entschieden haben, die Vereinbarungen stehen und die Satzung für die Zweckgesellschaft vorliegt. Vorher kann nichts greifen. (Jörg van Essen [FDP]: Ganz ruhig!) Bis dahin ist bereits eine Regelung in Kraft: 60 Mil-liarden Euro der Europäischen Union stehen für notwendige Maßnahmen unmittelbar zur Verfügung. Deshalb droht, wenn wir die heutige Entscheidung vertagen, keine Unsicherheit für die Finanzmärkte, es droht insbesondere keine verfassungsrechtliche Krise bei der Verabschiedung dieses Paketes, und wir, der Deutsche Bundestag, können diese Frage seriös in Verantwortung gegenüber unseren Wählerinnen und Wählern sowie den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern beraten und entscheiden und die Verantwortung für diese schwierige Entscheidung dann gemeinsam tragen. Sie wollen die Opposition daran hindern, hier mitzumachen. Aber darum geht es Ihnen gar nicht; das haben wir am Mittwoch erlebt. Die FDP-Fraktion sagt uns ja: Es ist uns egal, ob die Opposition dafürstimmt oder dagegenstimmt, (Nicolette Kressl [SPD]: Ja!) Hauptsache, wir bekommen das durch. - Dies liegt nur an einem: Sie glauben, dass Sie Ihre Mehrheiten in der nächsten oder übernächsten Woche womöglich gar nicht mehr zusammenbekommen; denn das Misstrauen Ihrer Fraktionen gegenüber der eigenen Regierung in diesen Fragen ist ja sinnfällig; das hören wir aus Ihren Fraktionssitzungen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Deshalb, aus Angst davor, dass Ihnen der Laden auseinanderläuft, drücken Sie das Ganze hier mit aller Gewalt und gegen die Rechte des Deutschen Bundestages durch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: In der Schule würde man sagen: Setzen, sechs!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Wir kommen nun zur Abstimmung über den Aufsetzungsantrag. Wer für den Aufsetzungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Aufsetzungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion angenommen. (Nicolette Kressl [SPD]: Für Überheblichkeit ist eigentlich kein Platz mehr!) Ich rufe nun den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 13 sowie die Tagesordnungspunkte 27 a bis 27 c auf: ZP 13 Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus - Drucksache 17/1685 - Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) - Drucksache 17/1740, 17/1741 - Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Carsten Schneider (Erfurt) Otto Fricke Roland Claus Alexander Bonde 27 a) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Stabilisierung des Finanzsektors - Eigenkapitalvorschriften für Banken angemessen überarbeiten - Drucksache 17/1756 - Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie - Drucksachen 17/1720, 17/1803 - Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Rechtsausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz c) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie - Drucksache 16/13741 - Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP liegen zwei Entschließungsanträge der SPD-Fraktion sowie je ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Ich mache schon jetzt darauf aufmerksam, dass wir am Schluss dieser Debatte insgesamt vier namentliche Abstimmungen durchführen werden, zunächst über den Gesetzentwurf, dann über die beiden Entschließungsanträge der SPD-Fraktion und schließlich über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Dr. Michael Meister für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir als christlich-liberale Koalition wollen ein lebendiges und funktionierendes Europa, und wir stehen für einen stabilen Euro. Diese Verantwortung werden wir heute früh im Deutschen Bundestag wahrnehmen. Ich würde mich freuen, wenn auch die Kollegen der Opposition bereit wären, Verantwortung für Deutschland und unsere gemeinsame Währung zu übernehmen, und nicht davonlaufen würden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Herr Oppermann, Sie sollten sich die Frage stellen, wie Ihre Absicht, sich zu enthalten, von Ihren Kollegen im Europäischen Parlament und von den Regierungen, die von mit Ihnen befreundeten Parteien in anderen europäischen Ländern gestellt werden, wahrgenommen wird. Ich glaube, Sie geben ein Bild ab, das als schwer erträglich empfunden wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wenn wir einen stabilen Euro haben wollen, dann müssen wir aus meiner Sicht drei Maßnahmen ergreifen: Erstens. Wir müssen den Euro wetterfest machen. Wir haben festgestellt, dass die Regelungen, die der Vertrag von Maastricht enthält, zwar auf dem Papier stehen, aber bedauerlicherweise nicht eingehalten werden. Deshalb brauchen wir eine Stärkung des Maastrichter Vertrages. Dazu hat gestern Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble seinen Kollegen in der Euro-Gruppe Vorschläge gemacht. Heute Nachmittag wird damit begonnen, über Änderungen am Vertrag zu sprechen. Wir als Fraktion wünschen ausdrücklich, dass diese Dinge energisch und zeitnah vorangetrieben werden, damit wir in Zukunft ein festeres Fundament für den Euro gewährleisten können. (Beifall bei der CDU/CSU) Zweitens. Wir brauchen eine Stärkung der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften in der Euro-Gruppe. An dieser Stelle müssen wir eine Debatte nach dem Motto "Alle müssen stärker werden" führen. Wir dürfen keine Debatte nach dem Motto "Wie kann der Stärkere schwach werden?" führen. Wir müssen gemeinsam unsere wirtschaftliche Leistungskraft steigern. In diesem Sinne müssen wir die Debatte bestreiten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist nicht ganz einfach, weil nicht alle dieselbe Philosophie haben. Deshalb sagen wir Ja zu mehr Koordination in der Wirtschaftspolitik, aber in richtig verstandenem Sinne. Wir müssen auch in Zukunft wettbewerbsfähig sein, nicht nur in, sondern auch über Europa hinaus, also gegenüber China, Indien und den USA. Deshalb müssen wir gemeinsam unsere wirtschaftliche Leistungskraft stärken. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Drittens. Wir haben es gesehen: Wenn jemand schwach ist, wird das von den Kapitalmärkten entdeckt. Sie versuchen, Schwächen auszunutzen. Mit Blick auf die Finanzkrise, die wir erlebt haben, und mit Blick auf die Schuldenkrise, die wir gegenwärtig erleben, müssen wir deshalb für eine bessere Regulierung der Kapitalmärkte sorgen. Für diese drei Aufgaben brauchen wir zeitnahe Lösungen. Heute wird es keine Lösungen geben, aber wir müssen darum ringen, dass sie möglichst schnell kommen. Damit wir die Zeit haben, Lösungen auf den drei Problemfeldern zu erreichen, brauchen wir das Nothilfepaket, das heute auf dem Tisch liegt. Deshalb möchte ich Sie alle bitten, dieses Paket zu unterstützen, damit wir die Zeit haben, die richtigen Weichenstellungen in Europa treffen zu können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Die Schuldenkrise in Europa hat aus meiner Sicht zwei Ursachen. Eine Ursache ist die Finanz- und Wirtschaftskrise, in der die Staaten zum einen durch die Rettung der Finanzinstitute und zum anderen durch die Stabilisierung der Konjunktur mittels staatlich finanzierter Programme versucht haben, diese Krise abzumildern. Die zweite Ursache liegt allerdings in der Struktur. Über viele Jahre hinweg wurde in fast allen europäischen Staaten mehr Geld ausgegeben als eingenommen. Deshalb müssen wir eine Veränderung des Verhaltens herbeiführen. Ich bin der Meinung, wir sollten nicht auf andere schauen, sondern wir sollten bei uns beginnen. Wir sollten ein Vorbild sein, eine positive Rolle spielen und versuchen, unser Budgetdefizit strukturell auszugleichen. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Ich bin sehr einverstanden mit unserer Position, die die Frau Bundeskanzlerin vor zwei Tagen hier vorgetragen hat. Wir sprechen heute über die Frage: Sind wir mit anderen Ländern in der EU solidarisch, die möglicherweise noch nicht vollständig das realisiert haben, was wir ab 2005 getan haben? Wir haben in Deutschland ab 2005 unseren Haushalt konsolidiert und dadurch dafür gesorgt, dass wir heute in der Lage sind, Antworten auf Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise geben zu können. Wenn wir diese Konsolidierungsleistung nicht erbracht hätten, könnten wir diese Antwort heute nicht geben. Andere Länder haben diese Anstrengungen nicht ganz in dem Umfang wie wir unternommen. Deshalb muss man jetzt an dieser Stelle sagen: Solidarität mit anderen, ja, aber notwendigerweise verbunden mit der Forderung nach Solidität, damit das Ganze nicht zu einer bedingungslosen Hilfsaktion wird, die dann letzten Endes dazu führt, dass wir alle nicht mehr leistungsfähig sind. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass die jetzt geleistete Solidarität dazu führt, dass alle miteinander die Chance haben, leistungsfähiger zu werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Nun haben einige Kollegen kritisiert, dass eine wesentliche Vereinbarung bezüglich dessen, worüber wir heute entscheiden, nicht vorliegt. Ich will zum einen festhalten, dass es eine hervorragende Leistung von Thomas de Maizière, Wolfgang Schäuble und der Bundeskanzlerin war, klare Eckpunkte dazu aufzustellen, wie diese Zweckgesellschaft ausgestaltet werden soll. (Nicolette Kressl [SPD]: Seit heute!) Es ist wichtig, dass der deutsche Wunsch nach Stabilität in diesen Eckpunkten deutlich zum Ausdruck gebracht wird. So gibt es keine gesamtschuldnerische Haftung. Die Nothilfen werden zeitlich befristet und eben nicht als ein dauerhaftes Instrument eingerichtet. Die Auszahlung der Tranchen muss jeweils einstimmig erfolgen. Schließlich wird sie an Konsolidierungsauflagen für die betroffenen Länder gebunden. Ein entscheidender Punkt aus meiner Sicht ist auch, dass wir den Internationalen Währungsfonds für die operationelle Umsetzung mit eingebunden haben. Zum anderen sind die Auflagen in dem Gesetzentwurf, den wir heute debattieren, strenger als in dem Gesetz, das wir vor 14 Tagen mit Blick auf Griechenland beschlossen haben. (Zurufe von der LINKEN) Im vorliegenden Gesetzentwurf steht drin, dass eine unverschuldete Notlage eingetreten sein muss. Bei Griechenland stellte sich die Lage ja anders dar. Hier haben wir also eine strengere Formulierung als bei dem, was vor zwei Wochen in diesem Hohen Hause beraten worden ist. Das sind die Eckpunkte. Jetzt kann man natürlich fordern: Wir wollen den genauen Text sehen. - Zu dieser Forderung will ich klar und deutlich sagen: In dem Gesetzentwurf, den wir heute beraten, steht drin, dass es nicht zu einer Auszahlung kommen wird und keine Garantien gegeben werden, bevor nicht der Vertragstext dem Deutschen Bundestag bekannt ist. Das ist doch eine klare Zusage. Wir kennen also, bevor das Gesetz zur Anwendung kommt, den genauen Text. Es ist eine Ausrede, wenn einige von Ihnen, meine Damen und Herren, sich auf diesen Punkt stützend versuchen, Ihre Nichtzustimmung oder Enthaltung zu rechtfertigen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich möchte einen weiteren Punkt aufgreifen. Dabei geht es um die Frage, inwieweit das Ausräumen von Vorbehalten des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages zur Bedingung dafür gemacht wird, dass Zahlungen geleistet werden. Bei dieser Fragestellung geht es zunächst einmal darum, ob denn nun das Paket, das wir heute beschließen, für diejenigen, für die es gedacht ist, glaubwürdig ist; das heißt, die Kapitalmärkte müssen überzeugt werden, nicht weiter gegen den Euro zu spekulieren. Deshalb sollten wir aufhören, zu viele Konditionalitäten zu setzen. Sonst legen wir schon in dem Gesetz dessen eigenes Scheitern an. Zum Zweiten ist es natürlich berechtigt - ich bin überzeugter Parlamentarier -, zu sagen: Wir können über solche Summen nicht entscheiden, wenn sie in Form von Blankoschecks ausgereicht werden sollen. Ich glaube jedoch, es ist den Haushältern bei ihren Beratungen in sehr kluger Weise gelungen, eine gute Formulierung zu finden: Man hat sich dabei nämlich an den Mitwirkungsrechten des Deutschen Bundestages bei europapolitischen Fragen orientiert und eine Formulierung gefunden, die auch im Zusammenhang mit dem Lissabon-Vertrag und seiner Umsetzung hier gewählt worden ist. Das ist aus meiner Sicht eine optimale Konstellation; denn jetzt werden die Mitwirkungsrechte des Parlaments gegen die eigentliche Zielsetzung dieses Gesetzes gewogen, nämlich eine glaubwürdige Antwort zu geben und damit Spekulation zu beenden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Ich will einen weiteren Punkt aufgreifen: Es wird jetzt die Mär erzeugt, als müssten wir in Deutschland ob der Griechenland-Hilfe und ob des Gesetzes, das wir heute beschließen wollen, nun anfangen, zu sparen. Nein, wir geben hier zunächst einmal Garantien. Diese sind nicht der Grund, warum wir sparen müssen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wir müssen sparen, damit wir nicht irgendwann selbst in die Lage kommen, von anderen Solidarität und Nothilfe einfordern zu müssen, damit wir selbst als Staat handlungsfähig bleiben und damit künftigen Generationen noch ein finanzieller Handlungsspielraum verbleibt. Deshalb müssen wir in Deutschland sparen und nicht, weil wir hier Rettungspakete beschließen. Es geht hier um unser Eigeninteresse und um ein eigenes Ziel. So sollten wir das auch begründen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Einige haben es noch nicht begriffen!) Meine Damen und Herren, ich habe darauf hingewiesen, dass das vorliegende Gesetzespaket auch das Thema Finanzmarktreform beinhaltet. Es ist richtig - wir müssen diesen Punkt ernst nehmen -, dass wir bezüglich des Themas Finanzmarktreform technisch und administrativ keine einfachen Antworten finden werden. Denn es ist ein hochkomplexes Thema, und es ist ungeheuer schwer, es so zu kommunizieren, dass das, was richtig und notwendig ist, von den Menschen draußen verstanden wird. Aber wir sollten uns dieser Aufgabe stellen und versuchen, klarzumachen, was wir tun. In diesen Tagen ist doch auf der Finanzmarktkonferenz, die Mitte dieser Woche im Bundesfinanzministerium in Vorbereitung auf den G-20-Gipfel im Juni stattfand, deutlich geworden, dass die Bundesregierung an dieser Stelle das Thema inhaltlich nach vorne treiben will. Durch die Verabschiedung der AIFM-Richtlinie, nach der jetzt auch Hedgefonds in Europa beaufsichtigt werden, ist deutlich geworden, dass Deutschland die Entwicklung vorantreibt. Wir sollten allerdings beachten, dass nicht alle dieselbe Sichtweise auf diese Themen haben. Hier erinnere ich zum Beispiel an die Stellungnahme des kanadischen Vertreters auf der Konferenz im Bundesfinanzministerium, die gezeigt hat, dass Kanada eine ganz andere Sichtweise hat. Es löst doch nicht unsere Probleme, wenn wir als Besserwisser auftreten, sondern wir müssen versuchen, mit Argumenten zu überzeugen und klarzumachen, dass wir in Europa und weltweit eine bessere Regulierung brauchen. Dafür müssen wir entsprechend streiten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jörg van Essen [FDP]) Wenn unsere Freunde von der Sozialdemokratie immer darauf hinweisen, (Zurufe von der SPD: Oh! - Joachim Poß [SPD]: Das ist gefährlich!) wie wichtig es ist, zu entsprechenden Steuern und besseren Regulierungen zu kommen, dann mache ich darauf aufmerksam, dass es die Labour-Regierung in Großbritannien und auch die sozialistische Regierung in Spanien waren, die am stärksten die Umsetzung dieser Maßnahmen behindert haben. Sprechen Sie also nicht mit uns! Wir sind doch nicht das Hindernis! Wir wollen die Dinge beschleunigen. Sprechen Sie mit Ihren eigenen Parteifreunden in der Sozialistischen Internationale, damit die Regulierung der Finanzmärkte endlich vorangeht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Sören Bartol [SPD]: Abenteuerlich!) Liebe Freunde, zum Abschluss rufe ich Sie dazu auf: Bedenken Sie Ihre Verantwortung für den Euro und für die Menschen in Deutschland. Stimmen Sie deshalb diesem Nothilfepaket zu, damit die Möglichkeit besteht, strukturelle Maßnahmen, Stärkung des Euro-Vertrages, bessere Finanzmarktregulierung und Maßnahmen für eine bessere Wirtschaftskraft in der Euro-Zone durchzusetzen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die nächste Rednerin ist die Kollegin Nicolette Kressl für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Nicolette Kressl (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ausdrücklich begrüße ich auch den Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz. Wir finden es gut, dass er dieses Thema für so wichtig hält, hier anwesend zu sein. (Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU/ CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, es ist notwendig, eine Brandmauer gegen einen bewusst gewollten oder in Kauf genommenen Zusammenbruch der Euro-Zone aufzustellen. Und es ist richtig, diese oder ähnliche Instrumente dafür zu beschließen. Es ist richtig, durch die Bereitstellung von Krediten allen, die gegen Europa spekulieren, deutlich zu machen: Wir werden uns entschieden wehren. Aber: Allein dieses dürre Skelett einer Kreditermächtigung, allein dieses technokratische Instrument ist eben nicht im Geringsten ausreichend, um das Vertrauen der Menschen in Europa zu sichern. Auch darum muss es heute gehen. (Beifall bei der SPD) Sie sind in der Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen und in der Regierung, den Menschen ein Gesamtkonzept vorzulegen, in dem klare Führung deutlich wird. Es braucht Initiativen, die sicherstellen, dass die Menschen und nicht die Märkte in Europa Vorrang haben. (Beifall bei der SPD) Dass Sie dies immer wieder betonen, hilft uns allen nicht, weil Sie es nicht mit entsprechenden Taten unterlegen. Als die Kanzlerin in der letzten Debatte zu diesem Thema am Mittwoch gesagt hat, wir müssten den Worten endlich auch Taten folgen lassen, mussten Sie, die beiden Regierungsfraktionen, zum Applaus aufgefordert werden. Das ist typisch für die Debatte, wie sie im Moment läuft. (Beifall bei der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Europa braucht doch beides: Europa braucht ein aktuelles Krisenpaket, aber eben auch eine gradlinige, klar erkennbare Entschlossenheit, alles dafür zu tun, dass die Länder der Euro-Zone nicht Gefahr laufen, von einer Krise in die andere zu schlingern. Das ist die Sorge, die wir hören, wenn wir mit den Menschen reden. Bei diesem zweiten Teil des Konzepts für den von Ihnen so oft zitierten Vorrang der Politik vor den Märkten versagen Sie völlig. Heute liegt kein Gesamtkonzept vor. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich will Ihnen einmal deutlich machen, warum Sie die Grundlagen für Vertrauen in Ihre Politik in den letzten Tagen und Wochen fahrlässig verspielt haben. Fatalerweise haben Sie das Vertrauen gleichzeitig bei den europäischen Partnern, bei den Bürgerinnen und Bürgern und hier im Parlament verspielt. In wenigen Tagen haben Sie in dem Bereich alles kaputt gemacht. (Beifall bei der SPD) Die Regierung, vor allem die Bundeskanzlerin, hat es nicht vermocht, von Anfang an mit ruhiger, klarer Entschiedenheit zu sagen: Ja, wir wollen diesen Nothilfeplan, aber wir setzen uns auch mit aller Kraft dafür ein, die Kosten nicht allein den Bürgern aufzubürden. Am Anfang wollten Sie die Verursacher - in der Hoffnung, dass niemand merkt, dass es nur Symbolpolitik ist - mit einer Alibi-Bankenabgabe beruhigen. Das hat Ihnen niemand geglaubt. (Beifall bei der SPD) Dann haben Sie - das war die Krönung - diesen lächerlichen freiwilligen Beitrag der Banken als den großen Durchbruch gefeiert. Auch das hat Ihnen niemand geglaubt. (Beifall bei der SPD) Ich will Ihnen sagen: Wir Sozialdemokraten wollen, dass auf jedes spekulative Geschäft eine Steuer erhoben wird, nämlich die Finanztransaktionsteuer. Dazu hätten Sie sich von Anfang an klar bekennen können. (Beifall bei der SPD - Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Ihr Junktim ist unverantwortlich!) Stattdessen haben Sie Ihre Kraft damit vergeudet, hier Ihren Eiertanz aufs Parkett zu legen. Vor ganz langer Zeit nannte die Bundeskanzlerin die Spekulationsbesteuerung eine charmante Idee. Dann - ich habe es schon gesagt - hofften Sie, dass die Menschen nicht erkennen, dass diese Alibi-Bankenabgabe keine Lösung ist. Noch am Wochenende hat die Bundeskanzlerin auf, wie ich finde, schon fast herablassende Art den Gewerkschaften gesagt: Sorgt ihr doch einmal auf internationaler Ebene dafür, dass es durchgesetzt wird. Dann machen wir es mit. - Was ist das für eine Führung? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dann wurden Sie von der eigenen Fraktion zur Unterstützung dieser Finanztransaktionsteuer gedrängt. Jetzt, in der Angst vor dem Koalitionspartner, trauen Sie sich wieder nicht, es hier gemeinsam zu Papier zu bringen. Was soll das eigentlich? Sie haben das Vertrauen verspielt. Das ist peinlich für die Regierung. (Beifall bei der SPD) Auf diese Weise kann kein Vertrauen in Führung und Geradlinigkeit entstehen. Wer das Hin und Her in dieser Woche beobachten konnte, dem ist klar geworden: Der Ursprung des momentanen Bekenntnisses der Bundeskanzlerin zur Finanztransaktionsteuer beruht nicht auf einer tiefen inhaltlichen Überzeugung, sondern nur auf den äußeren Umständen. Sie laviert so, wie es gerade erforderlich ist. Deshalb können wir Ihrem Wort, Frau Bundeskanzlerin, allein nicht mehr vertrauen. Deshalb erwarten wir, dass gemeinsam schriftlich fixiert wird, dass Sie sich zur Finanztransaktionsteuer bekennen. Ich frage Sie: Welchen Grund sollte es dafür geben, dies hier nicht gemeinsam schriftlich zu fixieren? Haben Sie eventuell vor, sich in zwei oder drei Tagen von diesem Bekenntnis wieder zu verabschieden? Wir haben ja bereits genügend Kehrtwenden erlebt. (Beifall bei der SPD) Zur Verlässlichkeit gehört auch, nicht verbale Nebelkerzen zu werfen, indem Sie - ich zitiere die Süddeutsche Zeitung - irgendeine "Finanzdingsbumssteuer" in die Diskussion bringen. Es gehört eine eindeutige inhaltliche Klarheit in der Analyse dazu. Die von Ihnen immer wieder ins Spiel gebrachte Finanzaktivitätsteuer setzt nicht daran an, dass Billionen Euro am Tag durch Spekulationen umgesetzt werden, sondern sie setzt an der Lohnsumme an. Es ist also eine Lohnsummensteuer. (Otto Fricke [FDP]: Sie wollen es doch selbst! - Weiterer Zuruf von der FDP) Soll diese Finanzaktivitätsteuer, die an der Lohnsumme ansetzt, wirklich das richtige Instrument für unser deutsches Bankensystem sein, in dem viele Mitarbeiter beschäftigt sind? Darüber sollten Sie noch einmal ernsthaft nachdenken. Sie verweisen auf unseren Antrag. Darin ist ausdrücklich die Prüfung dieser Möglichkeit enthalten, weil wir wissen, dass die Finanztransaktionsteuer bei den Spekulationen ansetzt. Alles andere müsste sehr genau an die deutschen Verhältnisse angepasst werden. Dazu sind Sie offensichtlich nicht in der Lage. Sie werfen nur mit Vokabeln um sich. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Weil Ihnen dieser inhaltliche Kompass fehlt und weil Ihnen im Übrigen offensichtlich auch der ehrliche Wille fehlt, die Opposition davon zu überzeugen, bei Ihrem Vorgehen mitzumachen, ist Folgendes passiert: Am Mittwoch letzter Woche hat Sie unser Fraktionsvorsitzender, Frank-Walter Steinmeier, gefragt: Wollen Sie denn, dass die Opposition mitmacht? - Da es in diesem Moment zufälligerweise ruhig war, konnte man aus der FDP ein trotziges Nein hören. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war Fricke!) Es wäre für die Regierung ein Leichtes gewesen, deutlich zu machen, dass dies eine Einzelmeinung ist. Aber noch nicht einmal dazu hat Ihre Führungskraft gereicht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie mich zusammenfassen: Die SPD war und ist offen dafür, sich an Maßnahmen zu beteiligen, damit die Menschen wieder mehr Zuversicht in das große und wichtige Projekt Europa aufbringen können. Aber dafür müssen Sie ein klares Signal geben, dass Sie den Menschen wirklich Vorrang vor den Märkten geben wollen, dass sie nicht für die entstandenen Kosten aufkommen müssen und dass die Wirtschaft in Zukunft durch einen Rahmen zu einem vernünftigeren Wirtschaften gezwungen werden kann. Das können wir nicht erkennen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Kein Vertrauen, kein Gesamtkonzept, keine Linie, keine Führungskraft - dazu können Sie unsere Zustimmung nicht ernsthaft einfordern. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Otto Fricke für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zurufe von der SPD: Oh! - Thomas Oppermann [SPD]: Das ist aber mutig!) Otto Fricke (FDP): Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Versuchen wir es doch heute einmal mit Zuhören. Vielleicht klappt das ja. (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Man muss den Bürgern sagen, dass dieser Weg, den wir heute beschreiten werden, schwer ist und dass die Zustimmung zu diesem Schritt keinem leichtfallen wird. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! Wir müssen uns eine Rede von Ihnen anhören!) Aber wir wissen genau, dass alle anderen Alternativen - insofern muss man aufhören, zu sagen, dass dieser Schritt alternativlos sei - wie Verschieben und Abwarten, was mit den Ländern passiert, um ein Vielfaches schwerer durchzuführen wären. Wir sind uns sicher, dass alles andere um ein Vielfaches schlimmer wäre: für unsere Währung, für den Kleinsparer, für die Wirtschaft, für mittelständische Familienunternehmen, für Arbeitsplätze, für unsere Sozialsysteme und damit letztlich für unser Land. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) In den Briefen, die wir bekommen, und in den Gesprächen, die wir mit den Bürgern führen, ist eine Sorge groß: Haben denn die Märkte jetzt mehr Macht als die Politik? (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Ja, klar!) Bei dem, was wir in den vergangenen Wochen und Monaten erlebt haben, könnte man dieses Gefühl haben. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Es ist so!) Wenn man der Meinung ist, dass das so ist, geschätzte Opposition, dann muss man doch alles tun, um der Politik in einer Demokratie und damit dem Bürger die Macht zurückzugeben. (Joachim Poß [SPD]: Wem sagen Sie das! - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das sagen wir schon seit Monaten!) Dazu dient dieses Gesetz. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die zweite Frage, die oft von Bürgern gestellt wird, will ich ebenfalls gerne beantworten: Wie konnte es denn sein, dass Märkte so viel Macht hatten und haben? Sie bemühen dann immer Verschwörungstheorien. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das Wort hat keiner benutzt!) Ich sage Ihnen nur eines: Verschwörungstheorien können Sie nicht als Basis für politisches Handeln nehmen, sondern Sie müssen Folgendes sehen: Ein Staat, eine Europäische Union, eine Euro-Zone, die sich mit ungeheuren Summen bei den Märkten verschuldet, begibt sich in die Hände dieser Märkte. Es gilt, zu unterbinden, dass wir uns selber durch Verschuldung in die Hände derjenigen begeben, von denen wir uns das Geld ausleihen müssen. Die Verschuldung ist die Ursache für das Übel. Dieses Übel gilt es abzustellen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will auch deutlich sagen: Es sind die Verschuldung und vor allen Dingen auch die Aufweichung des Stabilitätspaktes, die diese Schwäche noch verstärkt und erst erkennbar gemacht haben. Es ist dieses Aufweichen der Grundeinstellung, dass Sparen etwas Richtiges und Gutes ist. Schließlich sagen viele: Was soll's! In schlechten Zeiten gebe ich ein bisschen mehr Geld aus und hoffe darauf, dass in guten Zeiten gespart werden kann. - Das funktioniert nicht. Wer sparen will, der muss das konsequent tun, und zwar ohne jegliche Möglichkeit, dem auszuweichen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen deswegen zwei Dinge tun. Erstens. Wir müssen die Verschuldung abbauen. Das wird schwierig werden und nicht einfach sein. Aber wir müssen das Sparen, das wir begonnen haben, weiter fortsetzen. (Joachim Poß [SPD]: Begonnen?) Ich darf ausdrücklich sagen, Herr Finanzminister: Ich begrüße das Schreiben Ihres Staatssekretärs, in einem ersten Schritt bei allen Ressorts an die flexiblen Ausgaben heranzugehen. Weitere Schritte werden dem folgen müssen, um all das zu erreichen, was wir gemäß Verfassung erreichen müssen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Sie wollten doch Steuern senken!) Zweitens müssen wir dem Finanzmarkt klare Grenzen aufzeigen. (Beifall bei der FDP - Lachen und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die nehmen Sie nicht ernst!) - Wenn Sie lachen, zeigt das nur, dass Sie das nicht ernst nehmen. Es stimmt: Sie haben diese Frage elf Jahre lang einfach nicht ernst genommen, auch Ihre Finanzminister nicht. Sie haben elf Jahre lang nichts getan, gar nichts. (Beifall bei der FDP - Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will das für die Bürger draußen an einem Beispiel aus dem Bereich des Fußballs veranschaulichen - die Frauen waren gestern übrigens mal wieder erfolgreich -: (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Es kann doch nicht sein, dass wir auf nationaler Ebene mit Schiedsrichtern spielen, es auf europäischer Ebene nur noch einen Schiedsrichter gibt und wir auf internationaler Ebene keine Schiedsrichter haben. Es wird die Aufgabe sein, das auf internationaler Ebene hinzukriegen. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Herr Fricke, wir legen Ihnen einmal Ihre Anträge vor, die Sie gestellt haben! - Joachim Poß [SPD]: Noch mehr Deregulierung haben Sie gefordert!) Das ist die Verantwortung, die alle Regierungen, alle Nationen dieser Welt haben, weil sie nur dann auf Dauer mit dem Finanzmarkt klarkommen werden. (Beifall bei der FDP - Joachim Poß [SPD]: Weniger Steuern! Weniger Deregulierung! Nichts anderes haben Sie hier gebetet!) Als Opposition Verantwortung zu übernehmen, hieß für die FDP immer, dass man auch in schwierigen Zeiten, wie bei der Frage des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Wir haben damals zugestimmt und im Rahmen der Beteiligung des Parlamentes gegenüber der Großen Koalition noch einiges erreicht. Ich sage das jetzt bewusst an die Adresse der Grünen: Ich lobe ausdrücklich den Einsatz der Haushälter für mehr Beteiligung und insbesondere für die Aufnahme der Pflicht der Bundesregierung zur Vorlage des umstrittenen Vertrages beim Haushaltsausschuss. Dafür haben sich die Grünen effektiv eingesetzt und haben den Antrag mitgezeichnet. Ich begrüße das ausdrücklich; denn es ist essenziell, dass wir diese Vorlagepflicht bekommen und eine starke Beteiligung des Haushaltsausschusses haben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich bin mir sicher, dass der Finanzminister uns jederzeit, so, wie er es in den vergangenen Wochen und Tagen getan hat, Unterlagen vorlegen wird, die Aufschluss über den Zwischenstand geben. Das war ein sehr transparentes Verfahren. Die englischen Vorlagen erhielten wir schon vor der Übersetzung. Ich muss ausdrücklich sagen: Der Vorwurf, alles sei geheim, stimmt nicht. Herr Trittin, Herr Oppermann, fragen Sie einmal Ihre Haushälter, was sie alles bekommen haben. Dann werden Sie das schon erkennen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie doch einmal die Bundeskanzlerin, warum sie ihr Wort gebrochen hat! Das ist doch eine interessante Frage!) Dennoch will ich den Grünen eines nicht ersparen: Herr Trittin, Sie haben gesagt, wir sollten froh sein, dass Rot-Grün den Stabilitätspakt damals aufgeweicht hat, weil wir sonst Ärger mit Brüssel bekommen hätten. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie! Mit Ihren Hotel-Milliarden!) Herr Trittin, ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich hätte lieber Ärger mit Brüssel bekommen als diese Finanzkrise, die wir jetzt haben. Das ist der eigentliche Grund. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Renate Künast [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: 80 Milliarden Neuverschuldung! - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie halten doch den Stabilitätspakt nicht ein! Ist es diese Regierung, die den Stabilitätspakt nicht einhält, oder wer?) Ich finde die Widersprüchlichkeit der Grünen sehr schade. Im Haushaltsausschuss sind sie konstruktiv, hier aber destruktiv. Vorher sagten sie: "Oh, das, was die Bundeskanzlerin da gemacht hat, hat alles viel zu lange gedauert", aber jetzt sagen sie auf einmal: "Nein, so schnell wollen wir das auch nicht machen." Das sind doch Krokodilstränen, Herr Trittin. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Warum sind es Krokodilstränen? Nicht nur, weil Krokodile grün sind, sondern auch, weil Sie das grundsätzlich nicht wollen. Sie wollen Ihre Verantwortung an dieser Stelle nicht wahrnehmen. Ich komme zum Schluss. Der Kollegin Kressl will ich ausdrücklich Folgendes sagen - Frau Kollegin Kressl, nicht nur Sie haben das noch einmal angesprochen, sondern auch Herr Steinmeier und der Kollege Schneider versuchen immer wieder, das Thema hochzuziehen -: Erstens. Bei der Griechenland-Hilfe bleibt es bei 22,4 Milliarden Euro. Das wissen wir. Das Gesetz ist beschlossen. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Abwarten!) Versuchen Sie nicht, hier irgendwelche ... Ich sage es lieber nicht. Zweitens, und das ist mein letzter Satz. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Fricke, Sie wollten zum Schluss kommen. Das wird durch den Beginn einer Aufzählung von offenkundig zahlreichen, vorbereiteten Punkten nicht sonderlich plausibel. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Präsident spickt nämlich!) Otto Fricke (FDP): Herr Präsident, da haben Sie vollkommen recht. Deswegen gibt es ja auch nur noch einen Punkt. Meine Damen und Herren von der SPD, nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr, (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Oh! - Joachim Poß [SPD]: Dieses falsche Pathos!) und zwar nicht, weil eine andere Fraktion das will - das wäre ein falsches Verständnis von Demokratie -, sondern weil Sie zu der Erkenntnis gekommen sind, dass das, was wir machen, heute richtig ist. Auf dieser Enthaltung kann man kein europäisches Haus bauen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN], an die SPD gewandt: Würden Sie von diesem Mann ein Derivat kaufen?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Gregor Gysi ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Altmaier, ich habe Ihnen sehr genau zugehört und war einigermaßen erstaunt. Wenn ich das richtig verstehe, ist man Ihrer Meinung nach proeuropäisch, wenn man für Aufrüstung, für Sozialabbau und für eine falsche Verschuldung ist, und antieuropäisch, wenn man für Frieden, Abrüstung und jeden Verzicht auf Sozialabbau ist. Ich kann dem nicht folgen, überhaupt nicht. (Beifall bei der LINKEN) Wir sind für die europäische Integration, aber für eine vernünftige. (Beifall der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]) Wahr ist, dass wir heute über eine Schicksalsfrage entscheiden, und zwar für unsere Gesellschaft und für Europa. Ich darf Sie daran erinnern, dass dieser Bundestag bei der Finanzkrise innerhalb einer Woche entschieden hat, einen Rettungsschirm für Banken und Versicherungen im Umfang von 480 Milliarden Euro aufzuspannen, ich darf Sie daran erinnern, dass dieser Bundestag innerhalb einer Woche beschlossen hat, einen Rettungsschirm für Griechenland im Umfang von 110 Milliarden Euro mit einem deutschen Anteil von über 22 Milliarden Euro aufzustellen, (Florian Pronold [SPD]: Keinen Cent mehr!) und ich darf Sie daran erinnern, dass heute, wieder innerhalb einer Woche, dieser Bundestag eine Euro-Rettung im Umfang von 750 Milliarden Euro mit einem deutschen Beitrag von 148 Milliarden Euro beschließen will. - Frau Bundeskanzlerin, Sie lesen meine Rede nachher sowieso heimlich; hören Sie doch lieber gleich zu. (Beifall bei der LINKEN - Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Einbildung ist auch eine Bildung!) Einmal abgesehen davon würde ich Ihnen gerne eines sagen: Wenn wir hier im Bundestag einmal um 1 Million Euro für einen sozialen oder einen kulturellen Zweck kämpfen, dann dauert es neun Monate, bis wir das "Nein" hören. Wenn es aber um zig Milliarden Euro geht, dann wird in diesem Bundestag alles innerhalb einer Woche entschieden. Das müssen Sie der Bevölkerung einmal erklären. (Beifall bei der LINKEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Übertreibungen!) In diesen Wochen wurde zwar immer über viel Geld entschieden, aber es wurde nie entschieden, endlich eine Regulierung der Finanzmärkte einzuführen. Die Leerverkäufe, die spekulativen Kreditausfallversicherungen, die Hedgefonds: Alles lief weiter wie vorher auch. Damit haben Sie die Spekulanten und Banker doch animiert, auf erhöhte Staatsschulden zu wetten. Die gegenwärtige Krise ist die logische Konsequenz aus der Finanzkrise vom Oktober 2008 und Ihrer falschen Bewältigung, weil Sie eine riesige Staatsverschuldung organisiert haben, die jetzt von den Spekulanten und den Bankern wieder genutzt wird. (Beifall bei der LINKEN) Das erste Opfer in der EU war übrigens gar nicht Griechenland, sondern die ersten Opfer waren Ungarn, Rumänien und Lettland. Sie waren am Ende, und dann gab es Milliarden vom Internationalen Währungsfonds und von der EU. Lettland hat daraufhin genau den Kurs beschritten, den Sie jetzt auch Griechenland, Spanien und Portugal vorschreiben. Dort wurden die Löhne um 25 Prozent gekürzt - in der Privatwirtschaft sogar um 30 Prozent -, die Mehrwertsteuer erhöht und die Zuschüsse für Krankenhäuser um 43 Prozent gesenkt. Die Folge ist ein Rückgang der Nachfrage im Einzelhandel um 30 Pro-zent, ein Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 22 Prozent - das ist der höchste Stand in der EU - und ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung. Hier stellt sich die Frage - man muss sie der Bevölkerung einmal beantworten -, warum wir uns hier trotzdem nicht mit Ungarn, Rumänien und Lettland beschäftigt haben. Das geschah aus einem Grund nicht: Sie haben keinen Euro und konnten ihre Währungen uns gegenüber abwerten. - Das funktioniert bei Griechenland, Spanien und Portugal nicht; denn wir haben eine Binnenwährung gemeinsam mit ihnen. Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, dass wir hier Schilder mit der Aufschrift "Euro - so nicht" hochgehalten haben. Wir haben niemals "Euro - nein" gesagt. Wir haben "Euro - so nicht" gesagt, weil wir vorher eine Steuerharmonisierung und eine Harmonisierung der sozialen und ökologischen Standards sowie der Löhne gefordert haben. Sie alle waren aber schlauer und haben gesagt: Das alles brauchen wir nicht. Wir führen den Euro gleich ein. - Jetzt bekommen wir die Quittung dafür. Sagen Sie hier doch einmal ehrlich: Die Linken hatten recht, und wir hatten unrecht. - Das müssten Sie einmal über Ihre Lippen bringen. (Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Wenn es einmal so wäre, dann würde ich es sagen!) Jetzt verlangen Sie von Griechenland, Portugal und Spanien - das habe ich ja schon gesagt -, dass sie den Weg gehen, den Lettland schon falsch gegangen ist. Wissen Sie, wie das Ganze aussieht? - Ein Beispiel: Ein Bäckermeister, der fast pleite ist, bittet um einen Kredit. Sie sagen: Ja, du bekommst den Kredit, aber unter zwei Bedingungen: Erstens musst du deine beiden Verkäuferinnen entlassen, und zweitens musst du von deinen zwei Backöfen einen verkaufen. - Hinterher ist er dann noch mehr pleite als vorher. Das ist die Art von Politik, die Sie betreiben, und das kann nicht gut gehen; denn der Sozialabbau ist nicht nur ungerecht, sondern dadurch wird auch die Wirtschaft gedrosselt. Was ist denn, wenn sich ein Land immer stärker verschuldet? - Man braucht dann doch Wachstum, um die Schulden zurückbezahlen zu können. Wenn Sie die Wirtschaft aber drosseln, dann heißt das, dass Sie gar nicht in der Lage sind, die Schulden zurückzubezahlen, es sei denn, Sie nehmen neue Schulden auf. Wenn Sie dann neue Schulden aufnehmen, dann wird die Verschuldung immer größer, und die Spekulanten und Banken wetten und zocken dann gegen dieses Land, wie wir es jetzt erleben. Wir kennen das auch aus Mexiko und aus anderen Ländern. Was passiert dann? - Dann wird der Weg beschritten, die Schulden teilweise zu erlassen. Das ist auch interessant: Darüber sprechen ja nur Josef Ackermann, Thomas Mayer, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, und wir, die Linken. - Es ist auch interessant, warum das so ist. Ich kann Ihnen den Grund dafür erzählen: Das geschieht, weil schon durch die öffentliche Debatte darüber eine neue Spekulationswelle ausgelöst werden kann und weil Ackermann und andere durchaus daran interessiert sind, dass es eine neue Spekulationswelle gibt. Warum? Wenn die Staatsverschuldung sozusagen gestrichen wird, dann bekommen sie ihre Verluste voll erstattet, weil sie Kreditausfallversicherungen abgeschlossen haben. Selbst wenn sie keine Kreditausfallversicherung haben, haben sie etwas davon, weil sie zusammen mit anderen bei den Staatsanleihen darauf gewettet haben, dass Griechenland und andere Länder nicht pünktlich zurückzahlen. Auch dann kriegen sie ihre Marge. In beiden Fällen nutzt es ihnen, aber nur ihnen. Insofern kann ein Schuldenerlass zwar sinnvoll sein, aber nur unter der Bedingung, dass wir vorher eine Regulierung vornehmen, die ausschließt, dass solche Spekulationsgewinne entstehen. Genau das muss passieren, und das fordern wir ein. (Beifall bei der LINKEN) Denn alles andere bedeutete, dass die Mittel, die wir heute beschließen, wieder nur zugunsten der Banken und Spekulanten fließen. Genau das können wir nicht zulassen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Frau Bundeskanzlerin, Sie müssen doch merken, dass Sie am Nasenring durch die Manege geführt werden. Man muss sich das klarmachen: Die EU-Finanzminister müssen bis zu einer bestimmten Uhrzeit eine Entscheidung treffen, weil dann die Tokioter Börse öffnet. Merken Sie denn nicht, dass das die Demokratie beschneidet? (Beifall bei der LINKEN) Warum sind wir von einer Börse abhängig? Warum können wir nicht wieder die Herrschaft der Politik über die Finanzwelt begründen? (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Die Linke hätte die Öffnungszeiten verschoben!) - Nein, die Linke hätte Regulierungsmaßnahmen beschlossen, die uns längst aus der Situation herausgebracht hätten. (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Genau!) Im Unterschied zur FDP hätten wir darauf geachtet, durch ein Primat der Politik über die Wirtschaft und Finanzwelt die Demokratie wiederherzustellen. (Beifall bei der LINKEN) Ich komme aber noch auf die Alternativen zurück. FDP und Union haben in einem Punkt recht: Die Hedgefonds, die Leerverkäufe und die gesamte Deregulierung des Finanzmarktes sind von SPD und Grünen eingeführt worden. (Jörg van Essen [FDP]: So ist es!) Die ehemalige Staatssekretärin Hendricks hat uns dafür kritisiert, dass wir das sagen, ohne hinzuzufügen, dass die Hedgefonds in Deutschland besonders reguliert sind, während das in Großbritannien nicht der Fall ist. Liebe Frau Hendricks, dazu muss ich Ihnen sagen, dass Ihr damaliger Parteivorsitzender Müntefering hinsichtlich der deutschen Hedgefonds darauf hingewiesen hat, dass diese wie Heuschrecken wirken. Die Kritik kam gar nicht von uns. So toll war Ihre Regulierung keineswegs. (Beifall bei der LINKEN - Joachim Poß [SPD]: Reden Sie hier nicht so einen Stuss!) Sie sind noch einen anderen falschen Weg gegangen. Sie sind nämlich den Weg der Staatsverschuldung durch falsche Steuersenkungen gegangen. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie die Körperschaftsteuer von 45 auf 25 Prozent gesenkt haben. Sie haben den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer von 53 auf 42 Prozent gesenkt. Sie haben keine Börsenumsatzsteuer eingeführt, und Sie haben auf die Vermögensteuer verzichtet. Das alles hat zu einer gigantischen Verschuldung geführt. Die Große Koalition von Union und SPD ist diesen Weg weitergegangen. Sie haben die Körperschaftsteuer von 25 auf 15 Prozent gesenkt. (Joachim Poß [SPD]: Machen Sie mal eine Pause!) Nun macht Ihre Koalition das Wachstumsbeschleunigungsgesetz und schenkt den Hotels und Unternehmen weitere 2,4 Milliarden Euro. Genau so haben Sie die Staatsverschuldung verursacht. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Gysi, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hendricks? Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Ja, selbstverständlich. Dr. Barbara Hendricks (SPD): Das, was Sie gerade zu den Steuersenkungen im Hotelgewerbe gesagt haben, ist völlig richtig. Darin stimme ich Ihnen vollständig zu. (Beifall bei der LINKEN) Ich darf Ihnen aber trotzdem einen kleinen Hinweis geben: Die Finanzmarktsituation ist vielfältig und kaum durchschaubar. Deswegen will ich Sie darauf hinweisen, dass sich der Begriff Heuschrecken, der in diesem Zusammenhang von Franz Müntefering geprägt wurde und der sich völlig zu Recht durchgesetzt hat, nicht auf Hedgefonds, sondern auf Private Equity Fonds bezogen hat. Franz Müntefering hat darauf hingewiesen, dass die Private Equity Fonds kommen, die mittelständischen Unternehmen aussaugen, um sie dann fallenzulassen und weiterzuziehen. Das sind nicht die Hedgefonds, sondern die Private Equity Fonds. Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Schönen Dank für Ihren Hinweis. Aber die Hedgefonds betreiben genau dasselbe. Auch dass die Situation unübersichtlich ist, verdanken wir übrigens Ihnen. Ihr damaliger Bundesfinanzminister hat mir gegenüber gesagt (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immer, wenn du nicht durchblickst, sind andere schuld!) - ich bin gleich fertig mit der Antwort -, dass es bei der Zulassung von Hedgefonds und Leerverkäufen nur um die Frage ging, ob wir Kreisklasse bleiben oder Weltklasse werden. Nun sind wir in einer Weltklassekrise. (Beifall bei der LINKEN - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber deine Rede ist nicht mal Kreisklasse!) Ob Rot-Grün, Schwarz-Rot oder Schwarz-Gelb: Deutschland wurde zu einem Niedrigsteuerland und liegt nun am Ende der Europäischen Union beim Steueraufkommen. Hätten wir nur Steuereinnahmen im EU-Durchschnitt, hätten wir 120 Milliarden Euro jährlich mehr. Dann kamen die Milliardenbeschlüsse für Banken und Versicherungen. Diese haben dann eine gigantische Staatsverschuldung ausgelöst, auf die nun Banker und Spekulanten setzen. Nun gibt es eine neue neoliberale These. Frau Bundeskanzlerin, Frau Bundeskanzlerin! Sie sagen im Ernst, Jahrzehnte hätten wir über unsere Verhältnisse gelebt, und erklären den Satz gar nicht. Was meinen Sie eigentlich? Was glauben Sie, wie ein solcher Satz auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auf Renterinnen und Rentner, auf Arbeitslose, auf Hartz-IV-Empfängerinnen und Hartz-IV-Empfänger wirkt? Wen meinen Sie denn: die Rentnerinnen und Rentner, die in den letzten fünf Jahren real über 8,5 Prozent an Rente verloren haben? Meinen Sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in den letzten zehn Jahren real 11,3 Prozent an Löhnen verloren haben? Meinen Sie die Beschäftigten in prekären Beschäftigungsverhältnissen, also die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, die befristet Beschäftigten, die Teilzeitbeschäftigten, die Aufstockerinnen und Aufstocker oder die Minilohnbeschäftigten? Meinen Sie die 1-Euro-Jobberinnen und -Jobber, oder meinen Sie die 7 Millionen Hartz-IV-Empfängerinnen und Hartz-IV-Empfänger? Ich finde es einen Skandal, diesen Menschen zu erklären, dass sie über ihre Verhältnisse gelebt hätten. (Beifall bei der LINKEN) Was mich wirklich ärgert, Frau Bundeskanzlerin, ist, dass Sie nicht einmal sagen: Die Bestverdienenden, die Vermögenden, die Banker und die Spekulanten haben über ihre Verhältnisse gelebt. Das ist doch unser Problem und nichts anderes. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen bei uns - genauso wie in der gesamten EU - Steuergerechtigkeit. Es gibt heute nicht nur mehr Armut. Auch der Reichtum ist angewachsen. Wer bezahlt das Ganze? Die durchschnittlich Verdienenden tragen die Hauptlast. Das sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das sind die Handwerksbetriebe. Das sind kleine und mittelständische Unternehmen. Ich nenne nur den Steuerbauch als Beispiel. Unsere Einkommensteuerbelastung verläuft nicht geradlinig, sondern sie hat einen Bauch. Die durchschnittlich Verdienenden müssen mehr zahlen, weil Sie den Spitzensteuersatz gesenkt haben. Genau das ist nicht hinnehmbar. Lassen Sie uns den Steuerbauch überwinden! Aber dann müssen wir den Spitzensteuersatz erhöhen, weil es sich anders überhaupt nicht rechnet. (Beifall bei der LINKEN) Jetzt haben Sie ungedeckte Leerverkäufe verboten. Dazu habe ich eine Frage. Die ungedeckten Leerverkäufe sind zuerst von Rot-Grün erlaubt worden. Dann waren sie verboten. Dann, lieber Herr Bundesfinanzminister, waren sie ab Januar aus mir unerklärlichen Gründen wieder erlaubt. Jetzt haben Sie sie wieder verboten, aber befristet. Warum denn nicht endgültig? Sagen Sie doch endlich: Schluss, wir wollen diese Art der Spekulation nicht; sie ist für immer verboten. (Beifall bei der LINKEN) Nun wird über eine Finanztransaktionsteuer geredet; das ist wirklich spannend. Zuerst haben nur wir sie vorgeschlagen. Inzwischen sind alle für eine Finanztransaktionsteuer. (Widerspruch bei der SPD) - Ja, ich weiß, Attac hat einen Teil vorgeschlagen. Ich freue mich für Attac. Aber die SPD stand bei dieser Frage ganz hinten, um das hier ganz offen zu sagen. (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte aber von der Bundeskanzlerin wissen: Ist das nur Gerede, oder kommt diese Steuer tatsächlich? Wenn sie tatsächlich kommt: Kommt dann die Variante der FDP? Eine reine Gewinnsteuer können Sie doch vergessen. Da wird doch dann geschummelt, was das Zeug hält. Oder erheben wir endlich eine Steuer auf alle nationalen und internationalen Finanzgeschäfte? Dann sind auch die Börsenumsatzsteuer und die Tobin-Steuer einbezogen. Dann haben wir eine sehr vernünftige Finanztransaktionsteuer, die nicht nur hohe Einnahmen bringt, die wir dringend benötigen, sondern auch die Spekulation endlich begrenzt. Das muss unser Ziel sein. (Beifall bei der LINKEN) Nun kommt das bekannte Gegenargument, das gehe nur, wenn es weltweit oder zumindest in ganz Europa geschehe. Der österreichische Bundeskanzler Faymann hat dazu Folgendes gesagt - ich darf zitieren, Herr Präsident -: Aber man soll die internationale Ebene nicht als Ausrede verwenden, nur weil man verschleiern will, dass man nichts aus der Krise gelernt hat und Spekulanten verschonen will. Recht hat der österreichische Bundeskanzler in dieser Frage! Recht hat er! (Beifall bei der LINKEN) Ich werde Ihnen auch begründen, warum. Die Finanzwelt kann weder die Börse in New York noch die in Tokio noch die in London noch die in Frankfurt am Main ignorieren. Bekanntlich verlässt die internationale Finanzwelt auch nicht die Schweiz; darin werden Sie mir sicherlich recht geben. Ich nenne Ihnen zwei Länder, die eine Börsenumsatzsteuer eingeführt haben: Großbritannien und die Schweiz. Das Gerede, dass deshalb die Finanzwelt verschwindet, ist einfach albern; es stimmt nicht. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Es kommt noch etwas hinzu: Wenn eine Bank mit Euro handeln will, dann braucht sie eine Lizenz der Europäischen Zentralbank. Wenn Banken Europa also Richtung Japan und USA verlassen sollten, dann entziehen wir ihnen einfach die Lizenz. Was glauben Sie, wie schnell sie zurück sind! Das ist ganz einfach. (Beifall bei der LINKEN) Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder lässt sich die Bundesregierung weiterhin von den Bankern und Spekulanten treiben, oder sie begründet endlich wieder eine politische Herrschaft über die Finanzwelt, das heißt, die Demokratie wird gestärkt. Entweder Sie haben endlich den Mut, die Banken, die großen Unternehmen, die Bestverdienenden und die Vermögenden gerecht zu besteuern, oder Sie sorgen dafür, dass auch in Deutschland eine Politik des sozialen Kahlschlags betrieben wird, eine Politik, die nicht nur grob ungerecht ist, sondern auch die Nachfrage so zurückgehen lässt, dass die Binnenwirtschaft unermessliche Schäden erleidet. Die Folgen für die Gesellschaft sind überhaupt nicht absehbar. Nur wenn Sie die Finanzmärkte regulierten und garantierten, weder die Mehrwertsteuer zu erhöhen noch Sozialabbau zu betreiben, könnte man über eine Zustimmung zu Ihren verschiedenen Paketen nachdenken. Solange es aber dabei bleibt, dass nicht Sie, sondern die Banker und Spekulanten regieren, solange Sie sich weder trauen, gerechte Steuern zu erheben, noch Sozialabbau auszuschließen, kann es von uns nur ein Nein geben. (Beifall bei der LINKEN) Wie gesagt: Es geht heute um eine Schicksalsfrage für unsere Gesellschaft und für Europa. Sie entscheiden heute mit darüber, ob es wieder eine Herrschaft der Politik gibt, ob wieder Demokratie herrscht oder ob es bei der Herrschaft der Spekulanten und Banken bleibt, sodass es kaum Demokratie gibt. Das ist die Frage, um die es heute hier geht. Danke. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Fritz Kuhn, Bünd-nis 90/Die Grünen. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man Politik - wie wir Grünen - europäisch ausrichtet, dann muss man feststellen, dass dieser Krisenfonds ein wichtiger Schritt zur Abwehr der Spekulationen und zur Verteidigung Europas ist. Dieser Krisenfonds ist ein richtiger Schritt in Richtung eines Europäischen Währungsfonds. Auch wenn dies ein Fonds der nationalen Regierungen ist, gilt: So kann man Spekulationen abwehren. Aus diesem Grund unterstützen wir im Grundsatz, dass dieser Fonds jetzt eingerichtet wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Das bisherige Verfahren ist gründlich schiefgelaufen. Wir finden gut - das möchte ich ausdrücklich feststellen -, dass im Haushaltsausschuss die reine Unterrichtungspflicht in eine Einvernehmensbemühung verwandelt worden ist; deswegen haben wir dabei mitgewirkt. Ansonsten hat die Regierung bei der Vorlage dieses Gesetzentwurfs und im parlamentarischen Verfahren grobe Fehler gemacht, die ein Parlament einfach nicht hinnehmen kann: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Erstens. Die Bundeskanzlerin hat einen Verfassungsbruch begangen. Sie hat am vorletzten Wochenende Art. 23 Grundgesetz eindeutig verletzt. Sie hätte dem Bundestag die Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen, ehe sie an einem Rechtsetzungsakt der Europäischen Union mitwirkt. Dies hat sie nicht gemacht. Zweitens. Sie hat den Fraktionsvorsitzenden am darauffolgenden Montag versprochen, den Vertrag über die Zweckgesellschaft vor der zweiten Lesung vorzulegen. Herr Altmaier, ich sage Ihnen klar und deutlich - man kann nicht darüber streiten, ob es sich um Formfehler oder um technische Fragen handelt; Sie haben sich entsprechend geäußert -: In einer Demokratie sind das korrekte Verfahren, der korrekte Umgang mit der Verfassung, die Frage, ob man sich auf das Wort der Bundeskanzlerin verlassen kann, (Peter Altmaier [CDU/CSU]: Das können wir!) keine technischen Petitessen, sondern elementare Angelegenheiten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Trotz inhaltlicher Akzeptanz und sogar Zustimmung zu dem Krisenfonds kommen die grünen Parlamentarier zu der Auffassung, dass für sie eine Enthaltung das Beste ist. Das ist keine Drückebergerenthaltung; vielmehr wird dadurch darauf reagiert, dass die Bundesregierung im Verfahren mit diesem Parlament schäbig umgeht. So etwas habe ich eigentlich noch nicht erlebt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Dazu gehört, wie wenig sich die Bundeskanzlerin in Reden wie ihrer Regierungserklärung tatsächlich um die Zustimmung des Parlaments bemüht hat. Ich meine dieses nicht in dem Sinn: "Mutti, sei nett zu uns Kindern; dann werden wir schon zustimmen", sondern in einem politischen Sinn: Wer von diesem Parlament heute eine Ermächtigung für Bürgschaften im Umfang von 148 Milliarden Euro bekommen und mit diesen Risiken die Politik zukünftiger Generationen einschränken will - wir reden ja nicht über kleine Beträge -, der muss in einer anderen Weise, als die Kanzlerin es getan hat, um die Zustimmung des Parlaments werben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Da die Kanzlerin schon wieder nicht auf der Regierungsbank sitzt, sondern herumrennt, will ich an dieser Stelle sagen: In dieser Debatte, die Herr Altmaier und andere als die wichtigste seit vielen Jahren beschrieben haben, ist ein solcher Umgang mit dem Parlament (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist sie?) - wenn ich sehe, wie sie da hinten steht und hektisch telefoniert, habe ich Angst, dass das nächste Krisenpaket heranrollt -, in einem demokratischen Verfahren nicht angemessen. Richten Sie ihr das aus, wenn sie das nächste Mal per Telefon eine Bürgersprechstunde oder eine Abgeordnetensprechstunde durchführt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Frau Merkel ist die Regierungschefin. Deswegen kann sie sich an einem Tag wie heute der Kritik nicht entziehen. Ich will drei Punkte ansprechen: Erstens. Sie hat zu lange gezögert, als die Finanzmarktkrise auf uns zugerollt ist. Sie hat die Probleme verdrängt. Dies kostet die Steuerzahler viele Milliarden Euro. Zweitens - ein ganz wichtiger Punkt -: Es fehlt ihr die elementare europäische Grundüberzeugung, die Überzeugung von der europäischen Idee. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wer etwas von Europa will, liebe Kolleginnen und Kollegen, der muss für Europa auch etwas tun. Die Haltung der Bundeskanzlerin ist eher: Deutsche Interessen sind verwirklicht, wenn man Deutschland vor Europa schützt; so hat sie in den letzten Wochen agiert. Wir haben die Haltung: Europa liegt im deutschen Interesse. Das ist ein fundamentaler Unterschied zu der Ängstlichkeit und Zögerlichkeit der Bundeskanzlerin. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Bundeskanzlerin lässt sich gerne als Physikerin, als analytisch, vom Ende her denkende Frau darstellen. In diesem Fall muss man klar feststellen: Sie hat die Dinge nicht vom Ende her durchdacht. Zum Beispiel hat sie das Ansinnen, einen Europäischen Währungsfonds einzurichten - die Einrichtung eines solchen Fonds hat der Finanzminister früh vorgeschlagen -, zunächst abgewehrt. Deswegen war sie in der Brüsseler Sitzung unvorbereitet, als es um den Europäischen Währungsfonds ging und dieser, zumindest im Kern, entstanden ist. Die Bundeskanzlerin hat sich auf diese Situation nicht vorbereitet. Das war ein schwerer Fehler, den man ihr an dieser Stelle vorhalten muss. Drittens. Wer in Europa etwas erreichen will, muss seinen eigenen Laden im Griff haben. Dies richtet sich an die Koalitionsfraktionen: Wer sich getrieben sieht von Koch auf der einen Seite und von Seehofer auf der anderen Seite - (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und von Mappus! - Otto Fricke [FDP]: Aber nicht von den Grünen!) - doch, von den Grünen auch -, (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) wer sich im Umgang mit der FDP vor den Wahlen eingegrenzt sieht, der hat keine Möglichkeit, in Europa vernünftig und richtig zu agieren. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Ihren Umgang mit der Finanzmarkttransaktionsteuer. Wie wollen Sie nach dem Herumgeeiere der Kanzlerin in Europa - ich rede jetzt nicht von der Runde der G 20 - eine Finanzmarkttransaktionsteuer durchsetzen, wenn Ihre Regierung nicht einmal in Deutschland in der Lage ist, eine klare Konzeption zu entwickeln? Nach der Sitzung des Koalitionsausschusses vom 18. Mai hat Herr Kauder vorgetragen - ich zitiere -: Wir haben im Koalitionsausschuss vereinbart, die Bundesregierung aufzufordern, sich über die Bankenabgabe hinaus für eine europäische, globale Beteiligung der Finanzmärkte einzusetzen, das heißt, für Finanztransaktionsteuer oder Finance Activities Tax. - Wie wollen Sie, wenn Sie hier einen Katalog ganz unterschiedlicher Steuerarten vorlegen, damit in Europa irgendeine Durchschlagskraft entfalten, Herr Kauder? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Botschaft dieses Textes und Ihrer Redeweise in den letzten Wochen ist: Sie wissen nicht, was Sie wollen; aber Sie wollen es in Europa durchsetzen. Damit machen Sie sich lächerlich und schwächen Ihre Glaubwürdigkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Herr Kauder, Sie schütteln den Kopf. Die Leute draußen im Land fragen: Wann kommt der nächste Finanzmarktrettungsschirm? Wie geht es eigentlich weiter? Habt ihr die Dinge noch im Griff? - Sie verlangen zu Recht von der Regierung, dass sie endlich Maßnahmen ergreift, damit dieser Spekulationswahnsinn aufhört und nicht die kleinen Leute die Zeche für den Unsinn, den Sie angerichtet haben, bezahlen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Da können Sie nicht mit Sätzen wie "Ich weiß nicht genau, wie meine Steuer heißen soll" kommen. Da wird entschlossene, inhaltlich klare Politik gefragt sein, die Sie in den Tagen, die wir hinter uns haben, nicht geliefert haben. Eine Bemerkung zum Abschluss: Es geht wirklich um die Frage, ob wir von den Märkten getrieben werden oder ob wir klare Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte setzen können, damit diese wiederum ihre Aufgabe, nämlich der wirtschaftlichen Investition zu dienen, wahrnehmen können. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Eine breite Zustimmung wäre dafür notwendig!) Dazu ist es jetzt notwendig, dass wir uns auf einen langen Weg machen und eine vernünftige, langfristige Politik betreiben. Das heißt auch Sparpolitik, aber wenn ganz Europa jetzt spart - das ist wichtig -, dann gehen wir wirtschaftlich in die Knie. Wir haben die Botschaft: Wir müssen sparen und investieren, und zwar an den richtigen Stellen, sonst machen wir haushaltspolitisch einen Stich, aber wirtschaftspolitisch verlieren wir und vergrößern die Arbeitslosigkeit. Ich finde, dass wir über Konzeptionen und darüber, dass die Politik das Primat über die Märkte bekommt, jetzt hier reden müssen, aber nicht unverbindlich, Herr Kauder, sondern mit dem klaren Willen, der Bevölkerung zu sagen: Die Politik macht sich daran, wieder die Hoheit über die Finanzmärkte zu bekommen. Dazu sind das, was Sie vorgelegt haben, und die Diskussion der letzten Wochen nicht geeignet. Aber wir werden Sie nicht in Ruhe lassen. Eine allerletzte Bemerkung: Ich habe mir gestern Abend noch einmal Ihren Koalitionsvertrag durchgelesen. (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh! - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Jeden Tag! - Volker Kauder [CDU/CSU]: Dann haben wir noch Hoffnung bei Ihnen!) - Freuen Sie sich nicht zu früh. - Ich kann Ihnen nur sagen: Dieses Ding ist acht Monate alt. Aber wenn Sie es auf die heutigen Probleme beziehen, dann kommen Ihnen die Tränen, wenn Sie sehen, welche Ignoranz dieser Vertrag gegenüber den heutigen Problemen offenbart. Sie sollten eine ganz andere Geschäftsgrundlage wählen. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Bundesregierung erhält nun der Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist jetzt genau die richtige Antwort auf den Kuhn!) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werbe dafür, dass wir angesichts der Bedeutung, der Tragweite und der Schwierigkeiten dieser Entscheidung nicht den Eindruck erwecken, als seien die taktischen Finessen das eigentlich Dominierende. Herr Kollege Kuhn, wenn Sie so überzeugend sagen, dass dieses Programm und diese Maßnahmen im Grunde richtig sind, dann würde ich doch dafür werben, dass Sie überlegen, ob Sie nicht mehr der Substanz als den taktischen Argumenten, die ich verstehen kann, Rechnung tragen. Ich will gleichwohl Ihre Hauptargumente, warum Sie trotz Ihrer Zustimmung in der Sache glauben, heute nicht zustimmen zu können, aufgreifen, so gut ich kann. Der erste Punkt ist: Sie sagen, die Bundesregierung habe der Unterrichtungspflicht gegenüber dem Parlament nicht ausreichend Rechnung getragen. Ich will Sie auf Folgendes aufmerksam machen: Sie wissen, wie die Entscheidungsfindung von Freitag bis Sonntagnacht und Montagmorgen abgelaufen ist. Am Freitag haben wir über das Griechenland-Paket diskutiert, anschließend gab es Telefonkonferenzen der G-7-Finanzminister. Wir waren mit einer Situation konfrontiert, dass es beim Treffen der Staats- und Regierungschefs am Freitagabend schon gar nicht mehr in erster Linie um die Finalisierung und die abschließende Inkraftsetzung des Griechenland-Pakets ging, weil es inzwischen äußerst deutliche Signale gab, dass unmittelbar eine weltweite Krise der Finanzmärkte droht. Deswegen war rasches Handeln über das Wochenende unausweichlich. Die formelle Entscheidung über die Rechtsverordnung des Rates - sie bezieht sich auf die 60 Milliarden Euro, nicht auf die 440 Miliarden Euro; das muss man auch einmal sagen - ist am Dienstag in einem Europäischen Rat getroffen worden. Am Montag sind die Fraktionsvorsitzenden durch die Bundesregierung unterrichtet worden. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erstens sind wir nicht der Bundestag, und zweitens haben Sie nicht gesagt, dass erst am nächsten Tag entschieden wird! - Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt seien Sie mal ruhig! - Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Frau Kollegin Künast, der Kollege Thomas de Maizière, der mich dankenswerterweise in diesen Tagen vertreten hat, hat mir eben noch einmal bestätigt, dass bei der Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden am Montag in keinster Weise irgendeine Einwendung gegen die Prozedur erhoben worden sei. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, oh, oh! - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee, nee, nee!) Ich bin nicht dabei gewesen; Sie können das untereinander ausmachen. Das ist ein nachgeschobenes Argument. Sie müssen das gegen sich gelten lassen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Trittin? Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Bitte, ja. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Schäuble, ich will Ihnen zugutehalten, dass Sie an dem Termin ja nicht teilnehmen konnten. Ich will Sie deswegen davon unterrichten - und Sie fragen, ob Ihnen das niemand gesagt hat -, dass auf die Frage, wie wir verfahren, ich die Bundeskanzlerin gefragt habe: Werden wir vor der Beschlussempfehlung das Vertragswerk über die Zweckgesellschaft vorgelegt bekommen? - Die Bundeskanzlerin hat dies in Anwesenheit von mir und den anderen Fraktionsvorsitzenden ausdrücklich zugesagt. Bevor Sie hier unterstellen, dass wir - - (Zurufe von der Regierungsbank - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor der zweiten Lesung!) - Vor der zweiten Lesung, Frau Bundeskanzlerin. - Das heißt, das war das Verfahren, und dieses Verfahren ist von dieser Bundesregierung nicht eingehalten worden. Das heißt, die Bundeskanzlerin hat ihre Zusage gegenüber den Fraktionsvorsitzenden nicht eingehalten. (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Das ist doch etwas völlig anderes, Herr Trittin!) Wollen Sie bitte zweitens zur Kenntnis nehmen, dass nach dem Grundgesetz - Sie waren mal Verfassungsminister - und nach einfachgesetzlichen Regelungen die wichtige und richtige Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden - für die bin ich auch dankbar; das habe ich der Bundeskanzlerin sogar geschrieben - eine Beteiligung des Deutschen Bundestages nicht ersetzt? Das ist die verfassungsrechtliche Realität in diesem Lande. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Trittin, Sie machen jetzt wieder den Trick, dass Sie zwei Dinge verwechseln, vermischen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Was heißt hier "Trick"? Das ist eine Unterstellung!) - Entschuldigung! Ich erkläre es Ihnen. - Der Vorwurf des Verfassungsverstoßes kann sich nur auf die Rechtsverordnung des Europäischen Rates bezüglich der europäischen Fazilität in Höhe von 60 Milliarden Euro beziehen. Sie reden jetzt von den 440 Milliarden Euro Kreditermächtigung bzw. Gewährleistungsermächtigung. Das sind zwei verschiedene Dinge. Nehmen Sie den Vorwurf des Verfassungsverstoßes zurück, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) dann können wir darüber reden, ob die Bundeskanzlerin, ob wir aus welchen Gründen - - (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist ja schon zugegeben worden von der Kanzlerin!) - Nein, er ist nicht zugegeben worden; ich habe ihn gerade widerlegt, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) weil ich Ihnen gesagt habe, dass die Unterrichtung vor der Beschlussfassung im Europäischen Rat stattgefunden hat. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nicht des Bundestages! Fraktionsvorsitzende sind etwas anderes!) Jetzt kommt der zweite Punkt, den ich Ihnen in der Sache sagen wollte. Ich bin wirklich dafür, dass wir die Dinge in der Sache so gut wie möglich klären, damit Klarheit auch bei unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern herrscht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Sie sagen: Wir wissen nicht wirklich, worüber wir entscheiden. - Das ist doch vorgeschoben, mit Verlaub. Es ist in dem Beschluss doch klar angelegt, dass wir - zunächst einmal - auf der Grundlage von Art. 122 Abs. 2 des europäischen Vertrags 60 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, unter den Voraussetzungen, die genau definiert worden sind. Die europarechtliche und verfassungsrechtliche Begründung dieser Maßnahme ist einwandfrei: weil sich durch das Überschwappen der Wirkungen aus der Griechenland-Krise auf andere Länder eine von den einzelnen Mitgliedsländern im Sinne von Art. 122 Abs. 2 des Vertrages nicht verschuldete Situation ergeben hat. Deswegen befinden wir uns bei diesen 60 Milliarden Euro auf einer einwandfreien rechtlichen Grundlage. Das ist der Beschluss des Europäischen Rats. Darüber hinaus haben die Mitgliedsländer der Euro-Gruppe verabredet - - Das muss man rechtlich unterscheiden; das ist für die Bevölkerung vielleicht nicht ganz so wichtig, aber wenn Sie so argumentieren, will ich das doch ganz korrekt darlegen, damit klar ist: Im Verfahren ist es so korrekt, wie es in der Sache notwendig ist, was wir heute entscheiden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Also, zu dieser Maßnahme haben sich die Euro-Länder intergouvernemental verabredet: bis zu 440 Milliarden Euro Finanzfazilitäten für notleidende Länder zur Verfügung zu stellen, unter den Voraussetzungen, die in dem Beschluss sehr genau definiert sind und die im Übrigen in unserem Gesetzentwurf, den wir jetzt verabschieden wollen, wofür wir um Ihre Zustimmung bitten, genau enthalten sind, und zwar in § 1. Voraussetzungen: Es muss erstens festgestellt werden, dass ein Land der Euro-Zone notleidend ist; an diesem Beschluss wirkt dieses Land nicht mit. Es muss zweitens klargestellt sein, dass die Mittel aus der Europäischen Kommission, also die 60 Milliarden Euro, nicht ausreichen. Es müssen drittens Konditionalitäten wie bei Griechenland vereinbart sein. Es müssen viertens EU-Kommission, EZB und IWF genauso beteiligt sein wie bei Griechenland. Unter diesen Voraussetzungen stellen die Euro-Länder über eine zu gründende Gesellschaft - die hat aber nur den Auftrag der technischen Durchführung und keinen Auftrag der materiellen Gestaltung - Kreditfazilitäten in einer Höhe von bis zu 440 Milliarden Euro zur Verfügung, die pro rata bei den einzelnen Anleihen durch die Mitgliedstaaten garantiert werden. Das ist der Regelungsgehalt. Dafür haben Sie alle genauen Eckpunkte zur Verfügung gestellt bekommen, durch mich persönlich übermittelt. Wir haben auch unmittelbar nach meiner Rückkehr aus Brüssel am Dienstag miteinander telefoniert; ich glaube, sogar schon auf der Fahrt zum Flughafen in Brüssel. Deswegen sollten Sie die Dinge nicht falsch darstellen. In der Sache ist klar, was zur Entscheidung ansteht. Natürlich ist dieser Gesellschaftsvertrag noch nicht abschließend formuliert. Wir haben die Eckpunkte Montag-nacht in der Euro-Gruppe genau vorgegeben. Das muss politisch entschieden werden. Wir haben den Auftrag erteilt. Wir werden heute Mittag am Rande unseres Treffens in der Van-Rompuy-Gruppe sehen, wie weit man dort gekommen ist. Ich habe zugesagt, dass ich zu jedem Standpunkt jede mir zugängliche Information auch allen Fraktionen des Bundestags zur Verfügung stelle. Aber Sie haben keine Ausrede, um in der Sache eine Entscheidung zu verweigern; das haben Sie nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nun will ich eine dritte Bemerkung machen. Es wird gesagt: Warum machen wir das so schnell? Ja, wir sind dieses Mal das erste Land, das, soweit parlamentarische Entscheidungen notwendig sind - die sind nicht in allen Ländern notwendig; in Deutschland sind sie notwendig -, entscheidet. Aber es ist nun einmal so: Wir haben ja gesehen - bei Griechenland, aber auch nach der Entscheidung des Europäischen Rats -, dass zwar am Montag die Märkte ein wenig reagiert haben; aber seit Dienstag haben wir wieder eine Entwicklung gehabt, dass der Euro rückläufig gewesen ist. Deswegen ist eben entscheidend, dass wir zwei Dinge machen: Erstens müssen wir wirklich dafür sorgen, dass die Ursachen der Spekulationen bekämpft werden, das heißt die Reduzierung der Defizite durch alle Länder der Euro-Zone. (Beifall bei der CDU/CSU) Dafür haben Spanien, Portugal und andere Länder Maßnahmen beschlossen, und auch wir werden unseren Teil dazu beizutragen haben. Die Debatten darüber, wie sich die Schuldenbremse des Grundgesetzes im Haushalt 2011 und im mittelfristigen Finanzplan auswirkt, stehen uns bevor. Wir müssen unseren Beitrag leisten. Alle sind dazu entschlossen. Zweitens. Wir müssen das Instrumentarium des Stabilitäts- und Wachstumspakts schärfen. Dazu sind Vorschläge gemacht auf Anstoß der Bundesregierung. Ich habe Vorschläge veröffentlicht. Die Bundeskanzlerin hat im Europäischen Rat am 25. März durchgesetzt, dass die Arbeitsgruppe der Finanzminister unter dem Vorsitz des Ratspräsidenten eingesetzt wird. Das hat den Sinn, dass wir nicht nur innerhalb der europäischen Verträge reden können, sondern dass wir in der Van-Rompuy-Gruppe auch über Vertragsänderungen sprechen können. Darüber haben wir noch keinen Konsens mit allen Mitgliedstaaten; das ist wahr. Aber heute Mittag um 14 Uhr fangen wir an. Wir haben Vorschläge gemacht. Die Kommission hat Vorschläge gemacht - die wir lange eingefordert hatten -, wie man das Instrument des Stabilitäts- und Wachstumspaktes schärft. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist: Wir müssen in Kraft setzen, was wir im Europäischen Rat verabredet haben. Denn die Märkte vertrauen erst, wenn das tatsächlich in Kraft ist. Es ist eine Realität, dass die Märkte stärker auf Deutschland schauen als auf Zypern oder Malta, die auch Mitglied der Euro-Zone sind. Deswegen ist es richtig - um Vertrauen auf den Märkten zu gewinnen, damit die Maßnahmen wirken -, dass wir so schnell entscheiden, wie wir es uns vorgenommen, wie wir es verabredet haben. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ja! Das haben alle Sachverständigen so dargestellt!) Deswegen ist das nicht Taktik oder irgendetwas anderes, sondern es ist in der Sache geboten, wenn wir das erreichen wollen, was Sie ja im Prinzip als richtig erklärt haben, nämlich das Paket zur Stabilisierung der europäischen Währung. Nehmen Sie das also nicht als Argument, um nicht zuzustimmen, sondern stimmen Sie zu. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Übrigens will ich Ihnen in diesem Zusammenhang sagen: Wir hatten gestern im Finanzministerium eine Finanzmarktkonferenz, um einen Beitrag zur Vorbereitung des G-20-Gipfels im kommenden Monat in Kanada zu leisten. Das hat insofern gut gepasst, als wir von allen anwesenden G-20-Staaten gehört haben, dass auch Asien mit großer Besorgnis darauf schaut, dass es gelingt, die Krise um den Euro zu stabilisieren, weil die Gefahr von Folgewirkungen auf das gesamte Weltwährungs- und -finanzsystem bestanden hätte. Deswegen haben wir diese große Verantwortung. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wieland zu? Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Bitte, Herr Wieland. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Bundesminister, da Sie uns ja vorgeworfen haben bzw. an uns appelliert haben, nicht wegen taktischer Mätzchen das Ja zu verweigern, frage ich Sie: Stimmt es, dass Sie in Brüssel dafür geworben haben - sich bei Ihren Kolleginnen und Kollegen aber nicht durchgesetzt haben -, dass der Bundestag vor der Übernahme einer jeden Garantie ein Veto bekommt, und können Sie es mit Ihrem Verständnis des Parlamentes vereinbaren, dass das Parlament sein Budgetrecht so weit auf die Exekutive überträgt, dass nur noch eine Bemühenszusage der Bundesregierung herausgekommen ist? Ich frage jetzt ganz zugespitzt, gerade weil der Kollege van Essen vorhin den Bundesbankpräsidenten zitiert hat: Sollen die Finanzmärkte dann auch noch die Demokratie bestimmen? Sollen sie auch noch über unser Budgetrecht bestimmen? Ist ein Parlament noch ein Parlament, wenn es sich insoweit seines vornehmsten Rechtes entäußert? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Wieland, es ist genau gegenteilig. Ich habe mich in der Sitzung der Euro-Gruppe dafür eingesetzt, dass wir dieses Instrument so gestalten, dass es auf den Finanzmärkten seine Wirkung erzielt. Was dazu erforderlich ist, hat Bundesbankpräsident Weber - Herr van Essen hat es zitiert - in der Anhörung des Finanzausschusses gesagt. Sie könnten Herrn Trichet fragen, Sie könnten Herrn Strauss-Kahn fragen, wen immer Sie wollen. Die werden Ihnen alle das Gleiche sagen. Die Wahrheit ist umgekehrt. Als ich von Bemühungen, die ich sehr respektiere, gehört habe, jede einzelne Entscheidung von der Zustimmung des Parlaments abhängig zu machen, habe ich sehr darum gebeten, dass wir diesen Weg nicht gehen. Das hat uns ein paar zusätzliche Gespräche eingebracht; das ist immer gut. Jetzt haben wir uns auf eine Regelung verständigt - sie steht in der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses -, der Ihre Fraktion im Haushaltsausschuss zugestimmt hat: (Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!) dass wir genau die Regelung übernehmen, die wir in dem Gesetz über die Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und dem Bundestag in europäischen Fragen am 25. September 2009 festgelegt haben. Besser kann man es gar nicht machen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich würde gerne noch eine Bemerkung zu dem Thema "Besteuerung des Finanzsektors" machen. Ich finde, wenn wir ehrlich mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern umgehen, dann können wir erstens zugeben, dass es unterschiedliche Meinungen über die Wirkungsweise und Wirkungskraft einer Finanztransaktionsteuer gibt. Die gibt es in der Welt, die gibt es immer. (Joachim Poß [SPD]: Die Anhörung war ziemlich eindeutig!) - Ja, einverstanden. Wir können zweitens sagen, dass es jedenfalls eine Übereinstimmung gibt. Die Bundeskanzlerin hatte mich im Übrigen beauftragt. Hören Sie sich doch einmal bei Ihren Kollegen in der Euro-Gruppe, im Ecofin, um, wie sie diese Fragen beurteilen. Die Antwort habe ich auch im Haushaltsausschuss sehr präzise gegeben und dort berichtet. Es gibt niemanden, der in Europa national eine Finanztransaktionsteuer einführen will - kein Land. (Christian Lindner [FDP]: Nur die SPD!) - Nein, kein Land, kein Staat, kein Mitgliedstaat der Europäischen Union - das ist meine Antwort auf den Unterrichtungsauftrag der Bundeskanzlerin -, weil sie alle sagen: Das macht keinen Sinn. Alle sagen mehr oder minder: Ja, wenn es global geht, ist das gut. Das ist übrigens seit langem die Position der Christlich-Demokratischen Union, insbesondere auch ihrer Vorsitzenden, der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wenn es global geht: Ja. Die Frage: "Geht es global?", wird von vielen sehr skeptisch beurteilt; das wissen auch Sie. (Joachim Poß [SPD]: Wir doch auch!) - Ja, das wissen wir auch. Ich gehe gerade Schritt für Schritt vor. Seien Sie ganz geduldig! So wie ich im Haushaltsausschuss präzise war, will ich es auch hier sein. Die Staats- und Regierungschefs haben im G-20-Prozess in Pittsburgh verabredet: Bis zum nächsten Gipfel im Juni 2010 - er findet demnächst in Kanada statt - wollen wir geklärt haben: Gibt es eine Chance, die Steuer weltweit einzuführen? Wenn es diese Chance gibt, wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Thomas Oppermann [SPD]: Wenn es die Chance gibt?) Wenn nach dem G-20-Gipfel in Kanada im Juni feststeht, dass es diese Chance auf absehbare Zeit nicht gibt, dann - und nur dann - besteht eine reale Chance, in Europa eine Antwort von den anderen Staaten zu bekommen: Gibt es eine Chance auf eine europäische Finanzmarkttransaktionsteuer? Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Thomas Oppermann [SPD]: Ohne Wenn und Aber?) So ist es gesagt, und so ist es geklärt. Damit Sie nicht hinterher sagen, das hätten wir nicht gesagt, sage ich Ihnen eines vorher. Es wird dann in Europa eine ganz zentrale Frage sein: Geht eine solche Steuer nur unter Einschluss des größten Finanzplatzes, London, oder geht sie notfalls, wenn es europaweit kein Einvernehmen gibt, auch ohne ihn? Die Haltung des Vereinigten Königreichs - es hat eine ganz neue Regierung; dort gab es vor kurzem Wahlen - ist in der Frage nicht völlig klar. Besser wäre eine Regelung für ganz Europa. Aber wenn eine Regelung für ganz Europa nicht möglich ist, werden wir über die Frage zu entscheiden haben: Gibt es eine Chance, das im Euro-Bereich einzuführen? Auch dafür werden wir uns einsetzen; (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) aber ob wir dafür eine Mehrheit im Euro-Bereich bekommen, kann ich Ihnen heute nicht versprechen. Das ist die Haltung der Bundesregierung; so ist es präzise. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Joachim Poß [SPD]: So klar war Frau Merkel nicht in den letzten Tagen!) - Entschuldigung! Um diese Frage so klar zu beantworten, hat sie ihren Finanzminister beauftragt, das erst einmal zu klären; (Joachim Poß [SPD]: Ah!) er gibt Ihnen jetzt die Antwort. Das können Sie nicht der Bundeskanzlerin vorwerfen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt könnt ihr ja zustimmen!) Nachdem dies alles geklärt ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen, können wir doch jetzt zur Sache zurückkehren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) SPD wie Grüne sagen: Eigentlich ist es richtig; eigentlich ist jede andere Alternative - die gibt es immer - viel schlechter und viel gefährlicher, also müssen wir es machen. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns wieder gemeinsam unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern sagen, warum wir dies tun. Wir tun dies eben nicht aus Großzügigkeit gegenüber anderen, sondern wir tun es in unserem besten, wohlverstandenen nationalen Interesse. Dieses nationale Interesse heißt: eingebunden bleiben in das weiter zusammenwachsende Europa. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die gemeinsame europäische Währung und die Wirtschaftsgemeinschaft sind für Deutschland von ganz überragendem Vorteil. Man muss sich einmal die Zahlen anschauen: Wenn man Exporte und Importe zusammenrechnet, dann erkennt man, dass der Anteil unserer Verflechtung in den globalisierten Welthandel doppelt so groß ist wie beim nächsten großen Welthandelsland Japan; so stark sind wir davon abhängig. Fast zwei Drittel unserer Exporte gehen in die Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion. Hätten wir keine gemeinsame Währung, hätten wir eine viel geringere wirtschaftliche Leistungskraft, weniger Wohlstand und weniger soziale Sicherheit. Deswegen ist die Verteidigung des Euro, der Stabilität unserer europäischen Währung, ein Akt unserer eigenen Verantwortung für unser gemeinsames Europa. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Im Übrigen: Wenn wir Defizite reduzieren, dann ist das nicht etwas, was uns Brüssel auferlegt, sondern es ist im Interesse der Nachhaltigkeit unvermeidlich. Deswegen fangen manche Mitgliedstaaten an, darüber nachzudenken, ob die deutsche Schuldenbremse im Grundgesetz nicht auch deswegen klug ist. Natürlich kann man den Stabilitätspakt auch so ausgestalten, dass er eine europäische Schuldenbremse ist. Aber die nationale Verankerung in der nationalen Verfassung hat den Sinn, der Bevölkerung klarzumachen: Wir tun das nicht für andere; wir tun es für uns selbst, im Interesse künftiger Generationen, im Interesse der Nachhaltigkeit unserer Finanzpolitik. Auch dies muss man sehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das, was wir entscheiden, ist keine Kleinigkeit. - Im Übrigen geben wir nicht Steuergelder aus, sondern wir ermächtigen für die Garantie von Krediten. Das ist schon ein Unterschied. Die Haushaltsprobleme für den Haushalt 2011, für die Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung und für die Einhaltung der Schuldenbremse bestehen völlig unabhängig von dem, was wir heute zu entscheiden haben, und sie sind groß genug. Das will ich nicht kleinreden. Wir sollten das nicht vergessen. - Es ist keine Kleinigkeit. Aber das ist die Konsequenz einer Entscheidung, mit der wir sagen: Wir setzen auf ein handlungsfähiges, starkes Europa, und wir setzen auf die Stabilität unserer gemeinsamen europäischen Währung. Dafür sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen. Ich hoffe, das gilt nicht nur für die Koalition, sondern auch für alle anderen, die sich in diesem Hause für europäische Politik einsetzen. Herzlichen Dank. (Lang anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU - anhaltender Beifall bei der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Sigmar Gabriel für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD - Abg. Sigmar Gabriel [SPD] begibt sich humpelnd zum Rednerpult - Volker Kauder [CDU/CSU]: Die SPD ist angeschlagen! - Gegenruf des Abg. Thomas Oppermann [SPD]: Das hättet ihr gerne!) Sigmar Gabriel (SPD): Das müssen Sie doch verstehen; die rechte Seite ist ein bisschen angeschlagen. Damit kennen Sie sich doch aus, oder nicht? (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Bei Ihnen, innerhalb Ihrer Fraktion!) Herr Präsident! Frau Bundeskanzlerin! Meine Damen und Herren! (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Gute Besserung! - Herr Westerwelle wünscht mir gute Besserung; politisch wünsche ich Ihnen das auch. (Heiterkeit bei der SPD - Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das entspricht nicht dem Ernst der Lage!) Aber im Ernst, Herr Schäuble: Was sollen wir Ihnen denn nun eigentlich glauben? Sie sagen im März: Es gibt keine Chance zur Einführung einer Finanztransaktionsteuer. Am 18. Mai im Deutschlandfunk machen Sie die Einführung noch völlig davon abhängig, dass sie weltweit erfolgt, weil sonst die Gefahr einer Abwanderung in die USA und nach Asien bestehe, und heute erklären Sie nun, Sie seien - ich habe genau zugehört - sogar bereit, es nur im Euro-Raum zu versuchen. Meine Frage an Sie ist: Wenn dies ein ernsthafter Meinungswandel bei Ihnen ist, warum, Herr Kollege Schäuble, beschließen wir es dann nicht einfach heute hier im Deutschen Bundestag? Warum? (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben vor zwei Wochen hier im Haus der SPD ein Zitat aus der Bergpredigt entgegengehalten: "Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein." Herr Kollege Schäuble, so richtig bekomme ich Ihre 180-Grad-Wendung mit diesem Zitat nicht zur Deckung; das muss ich offen sagen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Zuruf von der CDU/CSU: Scheinheilig!) So ist das, wenn man die Bergpredigt ins Parlament einführt: Irgendwann schlägt sie zurück. (Zuruf von der FDP: Es geht um den Euro!) Also, Herr Kollege Schäuble, mich würde wirklich interessieren: Was ist denn nun eigentlich die Position der Regierung und der Koalitionsfraktionen, und warum beschließen wir die Steuer heute nicht? Ich kann ja verstehen, dass inzwischen selbst in Ihren eigenen Reihen große Zweifel - übrigens auch an Ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit, Herr Schäuble - existieren. (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Unverschämtheit!) - Sie sagen "Unverschämtheit". Das müssen Sie Herrn Seehofer sagen. Er sagt das heute in der Süddeutschen Zeitung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist auch unverschämt!) - Das sagen wir doch nicht. Wenn Sie danach rufen, dann zitiere ich ihn. Es ist doch Ihr Ministerpräsident. Er fragt heute in der Süddeutschen Zeitung, warum Finanzminister Schäuble die Finanztransaktionsteuer infrage stellt, obwohl die Koalition sie doch will. Seehofer: Wenn der Koalitionsausschuss sagt, die Steuer kommt, und der Finanzminister gleichzeitig sagt, sie kommt nicht, dann fühlt sich doch die Bevölkerung verhöhnt. ... Ich muss mich - so Seehofer - schon manchmal sehr zurückhalten, um nicht aus der Haut zu fahren. Das geht uns auch so, meine Damen und Herren. Das geht uns ganz genauso. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ein paar von Ihnen haben eben dazwischengerufen: die Haltung der SPD zum Euro. Jetzt sage ich Ihnen mal eins: Ein Teil Ihrer eigenen Koalition klagt gegen Ihre Gesetze vor dem Verfassungsgericht und ein anderer erklärt, Sie seien führungsschwach und wüssten nicht, wie das Ganze zusammengehen soll. Sie haben ein Problem in der europäischen Debatte, nicht wir! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aber so geht das ja nun schon seit Monaten. Vor genau zwei Wochen berieten wir im Deutschen Bundestag nach wochenlangen Dementis von Wolfgang Schäuble, Angela Merkel und vielen anderen Koalitionären über 22,4 Milliarden Euro Garantierahmen für Griechenland - und keinen Cent mehr, so der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Herr Fricke. (Otto Fricke [FDP]: Für Griechenland!) - Darauf habe ich gewartet, Herr Kollege Fricke. Ich will nicht sagen: dümmere - - Aber es wird Ihrer intellektuellen Fähigkeit nicht gerecht, sich mit der Ausrede zufriedenzugeben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Joachim Poß [SPD]: Die hat er doch gar nicht!) Wir haben hier im Deutschen Bundestag und in der Öffentlichkeit die Frage diskutiert: Kann das eigentlich Folgewirkungen in anderen Ländern haben? Wann kommen die Nächsten? Da haben Sie gesagt: Keinen Cent mehr, und zwar ohne die Einschränkung zu Griechenland. Das ist Ihre Position, die Sie hier eingenommen haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Fricke, Sie sollten sich nicht davon distanzieren. Sie sind, jedenfalls nach Ihrer Auffassung, in guter Gesellschaft; denn Herr Brüderle hat am 5. März auf ntv bereits verkündet: Wir haben nicht die Absicht, Griechenland einen Cent zu geben. - Am gleichen Tag, als wir hier entschieden haben, als Herr Fricke für keinen Cent weitere Zugeständnisse machen wollte, flog Frau Merkel nach Brüssel, um über 123 Milliarden Euro - Herr Fricke, das sind 12,3 Billionen Cent - mehr zu verhandeln. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ist das ein ernsthaftes Argument?) Jetzt gibt es zwei Rückschlüsse. Entweder die Regierung hat am Freitagmorgen vor 14 Tagen dem Parlament gegenüber nicht die ganze Wahrheit gesagt, oder - und das ist vermutlich die weitaus schlimmere Nachricht und Wahrheit - sie hat wirklich nicht gewusst, was auf sie in Brüssel zukommt. Die Kanzlerin der größten Volkswirtschaft Europas, die Regierungschefin eines der wichtigsten Motoren der Europäischen Union, kommt auf einen EU-Gipfel und wird von Frankreich und allen anderen Mitgliedstaaten (Joachim Poß [SPD]: Italien! Berlusconi!) vor vollendete Tatsachen gestellt. Das ist die Realität, die Sie uns heute hier versuchen, zu erklären. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorsicht, wenn Sie das bestreiten! Dann bleibt nur die Alternative, dass Sie es wussten, uns es aber nicht gesagt haben. Das hatte einen anderen Grund - das muss man einmal aussprechen -: Die anderen EU-Staaten hatten die Nase gestrichen voll von Ihrer Taktiererei, Frau Bundeskanzlerin. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Staats- und Regierungschefs wollten den Euro nicht ein zweites Mal aufs Spiel setzen, nur um Ihren taktischen Winkelzügen in der Innenpolitik folgen zu müssen. Sie hatten es satt. Das ist der Grund, warum sie Sie vor vollendete Tatsachen gestellt haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Frau Bundeskanzlerin, seit Konrad Adenauer ist nie ein deutscher Bundeskanzler in Europa so vorgeführt worden. Seit Konrad Adenauer hat noch niemand die deutsch-französische Achse so grundlegend ruiniert, wie Sie das in den letzten Monaten getan haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU/ CSU - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Niemand genießt höheren Respekt in Europa als unsere Bundeskanzlerin!) Nun kommen Sie in den Deutschen Bundestag und fordern all das, was Sie vor der Blamage in Brüssel hier im Parlament und in der Öffentlichkeit noch vehement abgelehnt haben. Ich frage Sie nur mal eins: Wer soll eigentlich der immer schnelleren Folge Ihrer Regierungserklärungen noch Glauben schenken? Das machen doch offensichtlich, siehe Seehofer, nicht einmal Ihre eigenen Leute. Aber ich will ja von Herrn Schäuble und anderen nicht mehr Überzeugungsfähigkeit erwarten, als ihrer eigenen Kanzlerin zur Verfügung steht. Von daher waren meine Erwartungen an die heutige Debatte nicht allzu groß. Aber was Sie sich am letzten Sonntag, Frau Bundeskanzlerin, beim DGB-Bundeskongress erlaubt haben, ist schon einmalig. Es war Ihnen offensichtlich nicht einmal peinlich, den DGB-Vorsitzenden bei der Debatte, wie man die Kapitalmärkte endlich zur Kasse bittet, damit die Kosten bezahlt werden, die dort angerichtet wurden, aufzufordern, er möge doch dafür sorgen, dass alle 20 Gewerkschaftsbünde der G-20-Industriestaaten ihre Staats- und Regierungschefs dazu bringen, die Forderung nach einer Finanztransaktionsteuer zu unterstützen. (Joachim Poß [SPD]: Ja, das ist politische Führung!) Dann seien auch Sie dafür und würden die Steuer fordern. Frau Dr. Merkel, Sie haben wirklich ein seltsames Rollenverständnis: Sie müssen kämpfen, nicht andere. Sie müssen vorgehen, nicht andere. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie sind doch nicht Deutschlands oberste politische Animateurin, die andere auffordert. Sie selber müssen doch führen und handeln. Aber genau hier liegt der Unterschied zwischen Ihnen und anderen Regierungschefs in der Europäischen Union. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn Sie das jetzt kurz nach dem DGB-Kongress wirklich ernst meinen und für die Finanztransaktionsteuer kämpfen wollen, wenn Sie für diese Steuer auf einmal sogar - ich zitiere Sie noch einmal - "Rabatz machen" wollen, wie Sie vorgestern erklärt haben, dann frage ich Sie: Warum beschließen wir das nicht heute hier im Parlament? (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie sind ja nicht einmal bereit, dem sehr knapp gefassten Entschließungsantrag der SPD zuzustimmen, der in großen Teilen wörtlich Ihrer Regierungserklärung vom Mittwoch - für den Fall, dass Sie sich daran nicht mehr erinnern - entnommen ist. In ihm wird ohne große Schnörkel gefordert - Herr Schäuble, hören Sie genau zu -: Zuerst soll die Bundesregierung bei G 20 für die Beteiligung der Kapitalmärkte kämpfen und, wenn die nicht mitziehen, es in Europa alleine machen. Das hatten Sie doch eben hier versprochen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das ist doch das Versprechen der Bundeskanzlerin. Warum wehren Sie sich eigentlich so heftig, dass das deutsche Parlament dieses beschließt und Ihnen damit den Rücken stärkt? Warum sind Sie eigentlich dagegen? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Antwort ist einfach: weil Sie in Wahrheit nichts als einen faulen Formelkompromiss mit Ihrem Wunschpartner FDP hinbekommen haben, ohne substanziellen Willen der gesamten Bundesregierung, auch wirklich dafür einzutreten. Herr Westerwelle ist als Außenminister auch bei diesem Kampf für eine angemessene Beteiligung der Kapitalmärkte ein Totalausfall für Deutschland und Europa. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Haben Sie nicht zugehört?) Da lobe ich mir wahrhaft standhafte Konservative wie Jean-Claude Juncker aus Luxemburg. Er sagt öffentlich: Ja, er ist bereit, wenn zum Beispiel die Briten nicht mitmachen, es dann alleine in der Euro-Zone zu machen. Der hat Mumm. Der kuscht nicht vor ein paar Drohungen dieser Nieten in Nadelstreifen, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) denen immer ein neues Argument einfällt, wenn es darum geht, sich selbst davor zu schützen, dass sie die Kosten tragen, die sie selber zu verantworten haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Luxemburg ist ja auch furchtbar groß!) - Es geht nicht um einen Luxemburger, es geht um den Vorsitzenden der Finanzminister des Euro-Rates. Scheinbar scheint Ihnen der nichts wert zu sein. (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Das ist eine schlechte Rede, Herr Gabriel, sehr schlecht!) - Wir sollten die Zwischenrufe, die hier ja aufgezeichnet werden, einmal den Kollegen in Europa zuschicken. Mal sehen, wie die darauf reagieren. Frau Bundeskanzlerin, ich habe Sie in der Umweltpolitik als mutig erlebt. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!) Glauben Sie wirklich, dass es den Emissionshandel in Europa gäbe, wenn Deutschland dazu nicht Ja gesagt hätte, wenn wir nicht gegen die Lobbyisten im eigenen Land, gegen die Zauderer und Zögerer während unserer EU-Ratspräsidentschaft Druck gemacht und den Emissionshandel verschärft hätten? Ich sage Ihnen: Nichts anderes erwarten wir auch von Ihnen. Wir müssen mutiger sein und in Europa vorangehen. Aber Sie waren wohl nur so lange eine mutige Kanzlerin, solange Sie von Sozialdemokraten bewacht wurden. (Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU/ CSU und der FDP - Volker Kauder [CDU/ CSU]: Da haut es einem die Brille von der Nase!) - Man kann sich auf Ihre Zwischenrufe verlassen. In den letzten zwei Regierungserklärungen, Frau Bundeskanzlerin, haben Sie sich ins Pathos geflüchtet. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo leben Sie denn?) Aber wie sieht eigentlich die Realität aus? Was haben Sie eigentlich in den letzten sieben, acht Monaten bei der Finanzmarktregulierung getan? (Zuruf von der SPD: Gar nichts!) Vor lauter internem Streit und Taktieren vor der Landtagswahl in NRW hat Ihre schwarz-gelbe Wunschkoalition in den sieben, acht Monaten genau drei Vorhaben auf den Weg gebracht, die sich mit dem Thema Finanzmarktregulierung befassen. Alle drei beschränken sich auf die Umsetzung von EU-Recht, und, übrigens, keines dieser Verfahren ist abgeschlossen. Nur zum Vergleich: Zwischen Ende 2008 und Sommer 2009 hat der sozialdemokratische Finanzminister Peer Steinbrück - übrigens meistens gegen energische Widerstände aus der Union - ein Gesetz zur Regulierung der Vorstandsvergütung, zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, zur bilanziellen Aufdeckung der Zweckgesellschaften, zur Verschärfung der Haftung der Manager, zur Erhöhung der Transparenz bei Unternehmensbeteiligungen sowie Maßnahmen zur Begrenzung der Vergütung in der Finanzbranche durchgesetzt und dazu zahlreiche Maßnahmen auf EU-Ebene vorangebracht, (Beifall bei der SPD) übrigens immer gegen den erbitterten Widerstand der FDP. Das, Frau Bundeskanzlerin, ist die Bilanz, wenn man wirklich handelt. Was haben Sie in Ihrer Regierungserklärung gesagt? - "Es ist Zeit zum Handeln." Das finden wir auch. Wir haben es getan. Wann tun Sie das endlich, anstatt immer nur Ankündigungen zu verbreiten? (Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU/ CSU) - Ich weiß gar nicht, was die Zwischenrufe sollen. Sie sind doch selber stolz auf die Zeit, als Sie mit uns regiert haben. Sie haben in dieser Woche die Broschüre "Deutschland gestärkt aus der Krise führen - Jahresbericht der Bundesregierung" an die Abgeordneten verschickt. (Abg. Sigmar Gabriel [SPD] zeigt ein Papier) Schlagen wir sie auf. Wer ist zu sehen? - Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU/CSU: So ist die Regierung! So ist die Bundeskanzlerin!) Frau Merkel sagt gerade, das waren noch schöne Zeiten. Da haben Sie recht, Frau Merkel. Ich verstehe, dass Ihnen der Kollege zur Rechten inzwischen auf den Geist geht, aber dann lösen Sie sich irgendwann von ihm! Das verstehe ich ja alles. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) Herr Westerwelle, angesichts des Fotos würde ich mir ernsthafte Sorgen machen. (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Mache ich!) Im Ernst: Wir haben eine Menge geleistet, und jetzt wird nur angekündigt. Frau Bundeskanzlerin, einen Tag vor der ersten Lesung des Gesetzentwurfs - ein Schelm, wer Böses dabei denkt - erklären Sie, dass die BaFin angewiesen worden sei, die Leerverkäufe zu verbieten. Ich frage Sie genau wie der Kollege Gysi und andere: Warum haben Sie eigentlich Leerverkäufe, deren Verbot Peer Steinbrück schon durchgesetzt hatte, überhaupt erst wieder erlaubt? Offensichtlich brauchen Sie immer öffentlichen Druck und den Druck der Opposition, damit Sie überhaupt irgendetwas machen. Alleine bringt diese Regierung nichts zustande. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Frau Bundeskanzlerin, bis heute haben Sie von sich aus kein Konzept für die Überwindung der Krise vorgelegt. Stattdessen passen Sie sich immer den neuen Stimmungen in der Koalition an, anstatt klar Stellung zu beziehen und verbindliche Vorstellungen über Ihr beabsichtigtes Engagement im Parlament vorzulegen und beschließen zu lassen. So jedenfalls kann man kein Land regieren, und so führt man auch kein Land aus der Krise heraus, sondern immer tiefer hinein. Stattdessen erleben wir Sie und Ihr Kabinett in Zeitlupe. Seit September letzten Jahres führen Sie Tag für Tag neue Koalitionsverhandlungen. Seit Jahresbeginn eilen Sie der Realität an den Märkten hinterher. Sie sind längst zur Getriebenen geworden, zur Getriebenen der Märkte, der europäischen Partner, Ihres liberalen Wunschpartners, inzwischen sogar Ihrer eigenen Fraktion und am Ende notfalls durch die Medien. Sie haben keine Linie, Sie haben kein Ziel, und Sie wissen nicht, wohin mit diesem Land und mit Europa. Das ist die Bilanz Ihrer Regierung nach sieben bis acht Monaten in diesem Land. (Beifall bei der SPD) Frau Bundeskanzlerin, Sie haben vorgestern unzählige Male eine neue Stabilitätskultur in Europa angemahnt, offenbar ein neues Lieblingswort Ihrer Redenschreiber. Wir haben gar nichts gegen eine neue Stabilitätskultur, aber uns würde es schon reichen, wenn Sie diese zunächst in Ihrer eigenen Koalition einführen würden. Nur am Rande: Sie tun jetzt öffentlich so, als ob das Taktieren, das Abwarten keine Folgen hätte. Sie erklären sogar mokant, Langsamkeit sei eine Tugend. Das liegt natürlich daran, dass Sie die Kosten dieser Langsamkeit nicht zu bezahlen haben. Sie kündigen ja schon ein eisernes Sparprogramm an. Für wie dumm halten Sie die Menschen eigentlich? Erst versprechen Sie monatelang gemeinsam mit der FDP Milliardensteuergeschenke bei gleichzeitiger Entschuldung des Landes, und kaum ist die Landtagswahl in NRW am 9. Mai vorbei, da kassieren Sie alle Steuersenkungsvorhaben und kündigen stattdessen entschiedene Sparprogramme an. Mich würde es übrigens nicht wundern, wenn das Versprechen eines milliardenschweren Steuersenkungsprogramms kurz vor der nächsten Bundestagswahl wieder als Hauptforderung von Union und FDP das Licht der Welt erblickt. Ich sage Ihnen: Zweimal die gleiche Wahllüge, das geht mit Sicherheit schief. Darauf können Sie sich verlassen, Frau Bundeskanzlerin. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wie war das mit der Mehrwertsteuer?) Dann versuchen Sie auch noch dreist, die Verantwortung zu verschieben. Auf dem Kirchentag sagten Sie, die Deutschen würden über ihre Verhältnisse leben, man lebe auf Pump. Ich weiß nicht, in welchem Land Sie leben. Meinen Sie mit denen, die laut Ihnen über ihre Verhältnisse leben, die Bevölkerung Ihres Landes? In Deutschland gibt es 5 Millionen Menschen, die für weniger als 8 Euro in der Stunde arbeiten. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wie viele Kredite haben wir aufgenommen?) 1,3 Millionen Menschen gehen nach der Arbeit zum Sozialamt. Wenn Sie über Kredite und Schulden reden, möchte ich Ihnen einmal sagen, wer hier Schulden macht. Das sind zum Beispiel die Studenten, deren Eltern nicht genug Geld haben, die durch Ihre Studiengebühren 20 000 oder 30 000 Euro Schulden machen müssen und nach dem Studium keinen Job bekommen. Das sind die, die in Deutschland auf Pump leben müssen, weil Sie die Politik so gestalten. Das ist der eigentliche Hintergrund dessen, was hier passiert. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Billiger geht es nicht!) Wir in diesem Land sitzen nicht alle in einem Boot. Es gibt einige, denen steht das Wasser bis zum Hals, und ein paar wenige sind mit der Luxusyacht unterwegs. Das ist die Realität, die Sie verdrängen wollen. Hier haben nur ganz wenige über ihre Verhältnisse gelebt. Das sind die, die permanent öffentlich erklären: "Privat vor Staat" und sich hemmungslos mit Ihrer Hilfe weiter bedienen dürfen. Das sind die, die hier über ihre Verhältnisse gelebt haben. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wissen Sie, Ihre Forderung, wir müssten den Gürtel enger schnallen, und Ihr Nichtstun gegenüber den Finanzmärkten sind ja nicht nur ungerecht, sondern vor allen Dingen politisch falsch. Denn eine der zentralen Ursachen für die gegenwärtige Krise ist, dass wir die Geburtsfehler der Währungsunion, nämlich das Fehlen einer echten Zusammenarbeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, nicht endlich beseitigen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Man stelle sich einmal vor, die damals existierenden Bundesländer hätten 1948, als in Westdeutschland die Währungsreform durchgeführt wurde, komplett auf eine gemeinsame Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik verzichtet. So verrückt ist damals niemand gewesen. Jetzt haben wir die Chance, diesen Geburtsfehler zu korrigieren. Aber Sie, Frau Kanzlerin, sind die Erste, die wieder einmal "Madame No" gespielt hat, als der spanische Ministerpräsident Zapatero zu Beginn seiner EU-Ratspräsidentschaft genau diese Koordinierung gefordert hat. (Beifall bei der SPD) Dafür, dass Sie das nicht wollen, gibt es einen Grund. Denn wenn man über diese Koordinierung reden würde, würde natürlich auch der deutsche Anteil an der Krise deutlich werden. Darüber müssen wir hier offen reden. Der deutsche Anteil besteht darin, dass wir in Deutschland eben nicht über unsere Verhältnisse leben. Das Gegenteil ist der Fall: Wir leben seit Jahren wirtschaftspolitisch unter unseren Verhältnissen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Seit Jahren hält die Lohnentwicklung in Deutschland nicht Schritt mit der Produktivitätsentwicklung. 10 Prozent der Bevölkerung besitzen weit mehr als 60 Prozent des Vermögens, und 27 Prozent unserer Bevölkerung besitzt gar kein Vermögen. So hat sich Ludwig Erhard die soziale Marktwirtschaft nicht vorgestellt. Wer wie CDU/CSU und FDP auf Mindestlöhne verzichtet, Leih- und Zeitarbeit zu Armutslöhnen weiter ausbauen möchte und jetzt auch noch bei Bildung, Sozialausgaben und Investitionen sparen will, der, Frau Bundeskanzlerin, bringt einen Treibsatz in diese Entwicklung und übrigens auch einen Sprengsatz in unsere Gesellschaft. Das ist die Wahrheit, die sich hinter Ihrem unsinnigen Satz verbirgt, wir alle müssten sparen, wir lebten auf Pump und über unsere Verhältnisse. Das, was Sie da vorhaben, geht schief. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das Gegenteil wäre richtig: Wir brauchen endlich wieder eine angemessene Lohnentwicklung orientiert an der Produktivitätsentwicklung unseres Landes. Der Wettbewerb um niedrige Steuern, niedrige Löhne zwingt die anderen Länder geradezu, mitzumachen, wenn sie überhaupt eine Chance haben wollen. Im Ergebnis versuchen sie dann, sich über Verschuldung den Wohlstand zu kaufen, den wir ihnen nicht ermöglichen, weil wir permanent den Druck auf die Löhne in Europa erhöhen. Das müssen wir ändern. Darum geht es in Wahrheit in der Auseinandersetzung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Gabriel, achten Sie bitte auf das Signal. Sigmar Gabriel (SPD): Ja. - Wenn wir über die Finanzmarkttransaktionsteuer streiten, dann streiten wir nicht über ein Instrument, sondern über die Frage, in welche Richtung wir Europa führen möchten. Wir wollen ein gemeinsames und soziales Europa, ein Europa, das mehr ist als der Binnenmarkt. Deshalb brauchen wir mehr und nicht weniger Europa. Wir sind nicht gegen das Rettungspaket, schon deshalb nicht, weil es nicht Ihre Idee ist. Es ist ja gegen Sie durchgesetzt worden. Aber weil der Rest Ihrer Politik nicht verlässlich ist, weil sie unklar ist und aus Ankündigungen besteht, weil Ihre ganze Richtung weiterhin falsch ist, können wir Ihnen heute nicht zustimmen. Deshalb, Herr Kollege Schäuble, geht es bei unserer Nichtzustimmung zu Ihrem Gesetzespaket nicht um Taktik und auch nicht um Verfahrensfehler. (Lachen bei Abgeordneten der FDP) - Nein, taktiert haben Sie vor der Nordrhein-Westfalen-Wahl. Das hat Ihnen jeder in Deutschland bestätigt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Uns geht es darum, dass wir endlich in der Europapolitik und in der deutschen Wirtschaftspolitik eine andere Richtung einschlagen. Dafür streiten wir. Das ist ein langer Weg. Er ist schwierig. Aber wir sind bereit, ihn zu gehen. Wir wollen jedoch nicht den Weg gehen, der an seinem Ende zu sozialen Kürzungsmaßnahmen quer durchs Land führt, weil Sie sich nicht trauen, die wahrlich Schuldigen in Deutschland endlich zur Kasse zu bitten. Viele Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPD - Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Billig! Ganz billige Nummer!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Frau Präsidentin! Herr Kollege Gabriel, noch einmal in aller Form: Gute Besserung! Das ist an den Menschen adressiert. Da Sie frisch operiert sind, dürfen Sie das kollegial hinnehmen, ohne gleich so zu reagieren, als wäre in diesem Hohen Hause alles politisch gemeint. (Sigmar Gabriel [SPD]: Ich war nicht sicher, wie das gemeint war!) Herr Kollege Gabriel, Ihre heutige Rede war für die Motivlage Ihrer Entscheidungsfindung sehr erhellend, und zwar für alle hier im Hause und für alle, die uns zuschauen. (Beifall bei der FDP) Sie haben hier eine innenpolitische Generalabrechnung mit der Bundesregierung gemacht. Das ist Ihr Recht als Opposition. Das ist auch Ihre Pflicht als Opposition. Aber es geht doch heute nicht darum, ob Sie die Regierung gut finden. Es geht darum: Wie stehen Sie zu Europa? Darüber wird heute entschieden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sie haben hier wunderbare Argumente eingeführt, etwa dass im Jahresbericht der Regierung 2009 das Foto von Herrn Steinmeier und nicht meines zu sehen ist. Ich hätte Sie einmal sehen und hören wollen, wenn im Jahresbericht 2009 mein Foto zu sehen gewesen wäre. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Dann hätten Sie uns Steuergeldverschwendung vorgeworfen. (Sigmar Gabriel [SPD]: Das gilt auch für 2010!) Herrgott noch mal! Ich kann Sie aber trösten: All das sind doch Lappalien. Dann haben Sie Bilanz gezogen. Sie haben gesagt: Das Land ist in Armut, die Löhne sinken, die Spaltung der Gesellschaft wird immer größer. - Entschuldigen Sie bitte, Herr Kollege Gabriel. Was ist das für eine entsetzliche Bilanz für den Vorsitzenden einer Partei, die Deutschland elf Jahre lang regiert hat! (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich sitze seit ein paar Monaten auf der Regierungsbank und soll für Ihre elf Jahre Regierungszeit haften. Das geht zu weit. (Heiterkeit und Beifall bei der FDP - Beifall des Abg. Sigmar Gabriel [SPD] - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der arme Guido!) Ich möchte auf eine Sache eingehen, nämlich auf die Frage des Verfahrens selber. Ich habe die letzten elf Jahre hier als Abgeordneter im Deutschen Bundestag die ehrenwerte Aufgabe der Opposition wahrnehmen dürfen, denn zu jeder Demokratie gehört beides. Beide Aufgaben, Regierung und Opposition, sollte man ernst nehmen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie in einer anderen Art von Opposition? Seit wann regieren Sie denn?) Ich kann Ihnen aber sagen: Ich habe hier in mehreren Situationen erlebt, dass eine Regierung schnell handeln musste. Ich erinnere mich beispielsweise auch daran - ich bin damals Vorsitzender der FDP-Fraktion in der Opposition gewesen -, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich denke, Sie sind immer noch in der Opposition!) wie im Bundestag am 15. Oktober 2008 über das große Bankenrettungspaket verhandelt worden ist. (Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Eine Woche!) - Ja, es ist richtig: Eine Woche ging das Verfahren; Herr Kollege Gysi erinnert sich auch. Es war genauso wie heute. Wir haben gemerkt: Das ist eine unglaublich ernste Situation. Wir haben in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai, morgens um halb drei die letzte Telefonkonferenz gemacht, weil wir schnell entscheiden mussten. Wir haben unverzüglich, am nächsten Tag, nachmittags, die Partei- und Fraktionsvorsitzenden eingeladen und sie unterrichtet. Wenn Sie behaupten, Sie seien nicht informiert worden, ist das nichts anderes als eine Täuschung der Öffentlichkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Herr Kollege Trittin, damals ist genau das verteilt worden. (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister, zeigt ein Papier) Vier von Ihren Repräsentanten saßen damals da, zwei Parteivorsitzende und zwei Fraktionsvorsitzende. Zu viert sind Sie angefahren. Jeder von Ihnen hat dieses komplette Heft mit den Unterlagen bekommen. Zwei Erklärungen sind abgegeben worden. Staatssekretär Asmussen hat auf die Frage: "Können Sie sicherstellen, dass die Verträge über die sogenannte Zweckgesellschaft dann schon schriftlich vorliegen?" gesagt: Das kann ich nicht sicherstellen, weil die Verhandlung mit allen Staaten geführt werden muss. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zitieren Sie doch einmal die Kanzlerin, bevor Sie irgendwelche Staatssekretäre nennen! - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was hat die Kanzlerin gesagt?) Bezüglich der Richtlinie ist die Frage gestellt worden: Haben Sie das? Daraufhin ist das verteilt worden. Es ist verteilt worden. Wenn Sie sagen, die Verfassung sei verletzt worden, dann ist das nichts anderes als die Suche nach einem innenpolitischen Grund, weil Sie heute keine Verantwortung übernehmen wollen. Das ist in Wahrheit der eigentliche Grund. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich möchte einmal das zitieren, was der damalige Finanzminister als Vertreter der Regierung gesagt hat. Ich war damals ebenso wie die Kollegen von den Grünen und von der Linkspartei in der Opposition. CDU/CSU und SPD hatten eine riesige Mehrheit im Deutschen Bundestag. Wir haben das damals verstanden. Wir haben dem Bankenpaket zugestimmt. Wir haben gesagt: Wir wissen, dass das notwendig ist. Auch wir waren damals mit Ihrer Regierungspolitik nicht einverstanden, aber wir haben gewusst: Es geht um Deutschland; jetzt muss man stehen. Enthaltung ist aber kein Stehen. Das ist wankelmütig. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Zu den Abläufen hat der damalige Finanzminister gesagt: (Manfred Zöllmer [SPD]: Sie wollten keine innenpolitische Debatte!) Ich weiß, das ist eine Zumutung; aber in ungewöhnlichen Zeiten, in denen wir sind, und bei dem Problemdruck, unter dem wir stehen, sind ungewöhnliche Verfahren erforderlich. Ja, wir wissen, das ist auch für das Parlament eine ganz schwere Belastung. Deshalb hat der Haushaltsausschuss gemeinsam entsprechende Regeln verabschiedet. Sie suchen aber nach Ausflüchten, weil Sie in Wahrheit innenpolitisch mit der Regierung abrechnen wollen. Dies ist aber nicht die Stunde, um uns zu sagen: Frau Merkel ist furchtbar, Herr Schäuble ist furchtbar, ich bin furchtbar! (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Sönke Rix [SPD]: Doch!) Darum geht es überhaupt nicht. Es geht darum: Finden Sie, dass Europa stehen soll, oder finden Sie, dass es fallen soll? Darum geht es heute. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) In welche Gesellschaft haben Sie sich begeben? (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Blasen Sie sich doch nicht so auf!) In ganz Europa gibt es in allen Parlamenten Gruppen, die das Vorgehen im Augenblick ablehnen, Linkspopulisten und Rechtspopulisten. Das ist Ihre Gesellschaft. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist eine traurige Entwicklung. Sie sind in ganz Europa isoliert, und Sie wissen das auch. Die anderen kämpfen für Europa, während Sie es heute fallen lassen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) In Ihren gestrigen Reden hörte man noch, zum Beispiel zu KFOR, wie wichtig Europa für den Frieden und den Wohlstand ist. Das, worüber wir hier reden, ist kein Altruismus. Es geht nicht darum, dass wir anderen Ländern einen Gefallen tun. Es geht darum, dass wir unsere Währung schützen, dass wir unser Land schützen, dass wir Europa als große Friedens- und auch Wohlstandsregion schützen. Darum geht es. Es ist so oft die Rede von den Ländern in der Welt, aber wer weiß denn eigentlich, dass der Wirtschaftsaustausch mit den Niederlanden ein größeres Volumen als der mit ganz China hat? (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wissen es! Schön, dass Sie es auch endlich merken!) Der Wohlstand in Europa hängt auch von unserer Entscheidung heute ab. Der Wohlstand der Deutschen hängt an einer klaren europäischen Stabilität, und um die gilt es heute zu ringen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Guten Morgen, Herr Westerwelle!) Sie müssen sich entscheiden. Suchen Sie nicht nach Gründen, warum Sie Nein sagen, sondern bekennen Sie sich endlich zu einer Haltung. Wir erwarten von Ihnen nicht, dass Sie die Regierung unterstützen, aber Europa müssen Sie heute beispringen. Das ist das Einzige, worum es geht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Europa liegt im deutschen Interesse, und es geht auch um die Arbeitsplätze in unserem Land. Von Herrn Kollegen Schäuble und auch von anderen Rednern ist das, wie ich finde, sehr gut auf den Punkt gebracht worden: Natürlich gibt es Exzesse auf den Märkten, und natürlich müssen wir sie gemeinsam bekämpfen. Wir wollen aber eines nicht vergessen: Die Hauptursache dafür, dass diese Spekulationswelle überhaupt greifen konnte, ist, dass zu viele Staaten in Europa in zu kurzer Zeit zu viele Schulden gemacht haben. Die Spekulationswelle konnte überhaupt nur deshalb verfangen, weil die Fundamente durch zu viel Schulden sandig geworden sind. Deswegen haben wir zwei Aufgaben, um aus dieser Krise zu lernen: Aufgabe Nummer 1. Wir müssen in ganz Europa zu einer stabilen Haushaltspolitik zurückkehren. Aufgabe Nummer 2. Wir müssen die Finanzmärkte regeln und für entsprechende Regeln sorgen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Zuruf von der SPD: Sie haben die Steuersenkung vergessen! - Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wenn Sie nicht wären, hätten wir nicht so viel Zeit verloren!) Ich komme jetzt noch einmal zur Aufgabe Nummer 1. Da Sie damit angefangen haben, will ich das hier noch einmal ganz klar sagen: Wir haben in Europa zu viele Staaten, die zu viel Schulden gemacht haben. Dadurch sind sie zu wackelig geworden. Eines wollen wir hier aber festhalten: Das ist nicht nur das Ergebnis von einigen Ländern, die unsolide gewirtschaftet haben, sondern dafür trägt auch Deutschland eine Verantwortung. Das kann man ganz einfach sagen: Die Aufweichung des Stabilitätspaktes, die unter der rot-grünen Bundesregierung beschlossen worden ist, war ein historischer Fehler. Dass Sie sich heute weigern, die Folgen dieses Fehlers mit zu beheben, wiegt aber doppelt schwer. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir haben in Europa - das können wir gar nicht im Alleingang - selbstverständlich auch Maßnahmen ergriffen. Deswegen ist es die richtige Entscheidung der Bundesregierung gewesen, dass wir nicht einfach einen Scheck ausgestellt und gesagt haben, wir lösen die Probleme mit Geld, sondern dass wir gesagt haben: Wer unter den Schutzschirm will, der muss auch bereit sein, seine Hausaufgaben zu erledigen und zu einer soliden Haushaltspolitik zurückzukehren. Sie waren diejenigen, die uns vor ein paar Wochen gefragt haben, warum wir Griechenland nicht gleich Geld gegeben haben. Das wäre ein Fehler gewesen. Man gibt jemandem, der sich überschuldet hat, kein Geld, wenn man nicht gleichzeitig von ihm verlangt, die Ursachen seiner Misere zu beseitigen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Bei der Regulierung hat doch diese Regierung Tempo gemacht. (Lachen des Abg. Sigmar Gabriel [SPD]) Ich muss dazu einmal festhalten, was gerade auch von Frau Hendricks und auch von anderen noch einmal eingeführt worden ist: Die Hedgefonds, die in Ihren Augen ja kein Problem sind - das wollen wir hier doch bitteschön einmal festhalten -, (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Die in Deutschland regulierten Hedgefonds!) sind unter Ihrer Regierungszeit, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, zugelassen worden, und zwar unreguliert. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Nein! Lüge!) Wir haben in unserer Regierungszeit dafür gesorgt, dass es jetzt eine europäische Richtlinie gibt. (Sigmar Gabriel [SPD]: Sie sagen die Unwahrheit! - Nicolette Kressl [SPD]: Lüge!) Innerhalb von wenigen Monaten ist eine Regulierung gelungen, die Ihnen in elf Jahren nicht ein einziges Mal gelungen ist. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Herr Bundesaußenminister, Sie sagen bewusst die Unwahrheit! Sie lügen!) Auch über das Verbot der ungedeckten Leerverkäufe muss klar gesprochen werden. Das Verbot, das ausgesprochen worden ist - hier können Sie einmal auf Herrn Gysi hören; Sie hören mittlerweile ja sowieso immer mehr auf ihn -, war ein von Ihnen befristetes Verbot. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Es lief zum 31. Dezember 2009 aus. Wir haben in dieser Regierung - auch der Finanzminister - mit Unterstützung der gesamten Koalition dafür gesorgt, dass dieses Verbot der ungedeckten Leerverkäufe jetzt wieder eingeführt worden ist. Wir haben gehandelt und den Schaden beseitigt, den Sie angerichtet haben. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Thomas Oppermann [SPD]: Ein halbes Jahr später!) Ich komme zum Schluss. Herr Kollege Gabriel, das ist heute eine Entscheidung von einer wahrscheinlich historischen Dimension, (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Das merkt man an Ihrer Rede!) und zwar weniger in der Frage des Geldes und der Garantien als vielmehr in der Frage: Was ist uns Europa wert? Und: Ist unsere Generation, die den Krieg nicht mehr erlebt hat, bereit, Europa auch in schweren Zeiten zu verteidigen? Das wird die eigentliche Bewährungsprobe von Europa und für Europa sein. Wir haben jedes Mal in den letzten zehn Tagen einen Schritt auf Sie zugemacht. Sie sind jedes Mal einen Schritt zurückgegangen. (Zurufe von der SPD: Was?) Das war am Freitag, dem 7. Mai, so. Es war in dieser Woche so, und es ist auch heute noch einmal durch die Rede des Bundesfinanzministers deutlich geworden. Wir gehen jedes Mal einen Schritt auf Sie zu. Sie wollen sich heute nicht entscheiden, weil Sie wissen, dass es zu Hause wegen der verantwortungsvollen Entscheidung Ärger geben könnte. (Lachen bei der SPD) Aber in solchen Stunden geht es darum, dass man darauf achtet, was für Deutschland und Europa richtig ist, statt darauf, ob man zu Hause ein paar Stimmenvorteile kriegen kann. (Thomas Oppermann [SPD]: Das musst du gerade sagen!) Innenpolitik ist Ihr Motiv, aber nicht die Verantwortung für unser Land. (Lang anhaltender Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Jürgen Trittin das Wort. (Jörg van Essen [FDP]: Schlechter Verlierer!) Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Lieber Herr Westerwelle, Sie hätten gar nicht so laut sprechen müssen. Es ist aber das erste Mal, dass Sie öffentlich wahrnehmbar etwas zu dieser Krise sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Lachen bei der FDP) Sie sind der erste Bundesaußenminister, der es fertiggebracht hat, im Angesicht der historischen Bedrohung des Euro - da zitiere ich Ihre Kanzlerin - über Wochen hinweg sprachlos gewesen zu sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie haben bei den antieuropäischen Ausfällen Ihres Stellvertreters Pinkwart geschwiegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie haben geschwiegen, als Ihr ehemaliger finanzpolitischer Obmann als Ratschlag zur Behebung der Griechenland-Krise erklärt hat, dann sollten doch die Griechen ihre Inseln verkaufen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Zu all dem war der bekennende Europäer Guido Westerwelle nicht zu hören, zu keinem Zeitpunkt. Ich habe mich aber deshalb zu Wort gemeldet, weil Sie mir etwas unterstellen, was ich mir nicht gerne unterstellen lasse. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Warum schreien Sie jetzt so? - Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Warum schreien Sie eigentlich so?) Ich habe bei der Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden durch die Bundeskanzlerin nicht Herrn Asmussen, sondern die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Angela Merkel, gefragt: Ist das so, dass wir vor der zweiten Lesung die Verträge bekommen? Sie hat gesagt: Ja. Das, was Sie mit lautem Getöse zu verstecken versuchen, ist der Wortbruch der Kanzlerin. Das kann man nicht mit Lautstärke überdecken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie müssen aufpassen bei den Vorwürfen, die Sie anderen gegenüber erheben. Ich will das nur an einem Beispiel deutlich machen. Sie haben hier die Opposition bezichtigt, wir würden uns vor Europa verstecken, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) weil wir mit dem Argument, es lägen nicht alle Fakten auf dem Tisch, nicht beschließen wollten. Schauen Sie doch einmal auf das Europäische Parlament. Dort haben die Liberalen zusammen mit den Konservativen gerade eine Beschlussfassung genau aus diesem Grund abgesetzt. Sind auch Ihre liberalen Parteifreunde in Europa Antieuropäer? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Letzte Bemerkung. Wer wie Sie von der FDP in einer Situation, in der wir schon im Januar die Maastricht-Kriterien verletzt hatten, eine Steuersenkung mit einem Umfang von 8,6 Milliarden Euro zugunsten von Besserverdienenden durchsetzt, von dem lassen wir uns über Haushaltskonsolidierung und Sparpolitik nicht belehren. Das ist, als ob der Blinde von der Farbe spricht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Westerwelle, Sie haben gleich das Wort. Ich verrate Ihnen aber schon: Es gibt eine weitere Kurzintervention, und zwar der Kollegin Hendricks, nur damit Sie sich darauf einstellen können. Bitte schön. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Vielen Dank. - Herr Kollege, zuerst zur Tonalität: Sie haben gesagt, ich sei Ihnen in meiner Rede zu laut gewesen. Ich glaube, wir beide haben gerade feststellen können: Wenn wir engagiert sind, sind wir beide möglicherweise etwas lauter, als es vielleicht im normalen Gespräch der Fall ist. Ich ahne, dass Sie mir das nach Ihrer Kurzintervention nie wieder vorwerfen werden. (Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine zweite Bemerkung betrifft die Fachfrage. Sie haben gesagt, ich hätte als Außenminister zur Politik geschwiegen. Es ist Ihr gutes Recht, das zu sagen. Das entspricht aber nicht den Tatsachen. Ich habe in beiden dritten Lesungen hier - am Freitag, dem 7. Mai, und heute - gesprochen. Ich habe in der letzten Woche in der Sendung Was nun? beim ZDF Rede und Antwort gestanden. Genauso werde ich es weitermachen, nämlich dort zu reden, wohin es gehört. Ich glaube, solche Debatten gehören in den Deutschen Bundestag. Deswegen ist es richtig, dass ich hier als Außenminister das Wort ergreife. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Renate Künast [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben geredet, aber nichts gesagt, Herr Westerwelle! Das ist das Problem!) Herr Kollege Trittin, ich möchte Sie übrigens gar nicht von mir überzeugen. (Sigmar Gabriel [SPD]: Das ist schlechterdings unmöglich!) Ich möchte Sie davon überzeugen, heute zuzustimmen, nicht weil es um mich, Frau Merkel, Herrn Schäuble oder die Regierungskoalition geht, sondern weil es um die Frage geht: Stehen Sie heute zu Europa? Um nichts anderes geht es. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Letzte Bemerkung zu den Abläufen. An der angesprochenen Sitzung hat der Kollege Schäuble nicht teilgenommen. Aber die Frau Bundeskanzlerin, Herr de Maizière, meine Person und andere haben daran teilgenommen. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Absolut. - Herr Asmussen hat dort ausdrücklich als Staatssekretär auf Bitten der Bundeskanzlerin die Frage beantwortet - das ist wichtig für alle Abgeordneten im Umgang miteinander; das ist keine Kleinigkeit; für die Bürger draußen ist es vielleicht nur eine Randnotiz; aber für die Abgeordneten und das Parlamentsverständnis ist das eine wichtige Erklärung -: Können wir sicherstellen, dass das in dieser Woche auch schriftlich vorliegt? Er hat gesagt: Es handelt sich hier um einen Vertrag zwischen mehreren nationalen Regierungen; ich kann das nicht sicherstellen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht diese Woche! Das war letzte Woche! Das bezog sich auf die letzte Woche!) Genauso ist es geschehen, und genauso ist es dort gesagt worden. Vielleicht haben Sie das Ihren Leuten gesagt, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das bezog sich auf die letzte Woche!) damit sie sich heute ihrer Stimme enthalten und nicht wie beim letzten Mal mit Ja stimmen. Aber mit der Wahrheit hat das nichts zu tun; darauf lege ich hier Wert. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer Kurzintervention hat das Wort die Kollegin Barbara Hendricks. Dr. Barbara Hendricks (SPD): In der Tat, Herr Bundesaußenminister, Ihre Rede war nicht nur engagiert, sondern auch laut. Sie hat dadurch aber nicht an Wahrheitsgehalt gewonnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Da Sie mich persönlich angesprochen haben, möchte ich auf das, was Sie gesagt haben, eingehen. Selbstverständlich sind im Jahre 2004 in Deutschland Hedgefonds per Gesetz zugelassen worden; das bestreitet niemand. Wären die Hedgefonds in der Welt und in Europa so reguliert, wie sie es in Deutschland von Anfang an waren, dann hätten wir jetzt kein Problem mit Hedgefonds. Das, was die europäischen Finanzminister in dieser Woche zur Regulierung der in Europa ansässigen Hedgefonds auf den Weg gebracht haben, bleibt im Regelungsgehalt hinter dem zurück, was in Deutschland schon immer gegolten hat. Ich weiß, Sie sind kein Finanzpolitiker; Sie müssen das nicht unbedingt wissen. Aber wenn Sie es nicht wissen, behaupten Sie nicht einfach das Gegenteil. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich darf im Übrigen daran erinnern, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Gleneagles im Jahre 2005 die Regulierung der Finanzmärkte angemahnt hat und dass unsere angelsächsischen Freunde - damals hatten die Briten den Vorsitz - noch nicht einmal bereit waren, über dieses Thema auch nur zu reden. Da wir im Jahre 2007 den Vorsitz der G 7/G 8 hatten, hat Bundesfinanzminister Steinbrück in den beiden vorbereitenden Treffen mit den Finanzministern in Potsdam und in Essen die Weichen dahin gehend gestellt, dass bei der Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs der G 7/G 8 in Heiligendamm - Frau Bundeskanzlerin Merkel, Sie erinnern sich an den wunderbaren Strandkorb - über die Regulierung der Finanzmärkte zumindest gesprochen wurde; schließlich hatte Deutschland die Hoheit über die Tagesordnung. Aber es wurden gleichwohl noch keine wirklich bindenden Beschlüsse gefasst - unsere angelsächsischen Freunde waren nämlich immer noch nicht so weit -, sondern es wurden Prüfungsaufträge an das Financial Stability Forum, das mittlerweile in "Financial Stability Board" umbenannt worden ist, erteilt. Dieses Gremium hat mittlerweile in der Tat etwas mehr Einflussmöglichkeiten. Die sind noch dabei bedauerlicherweise, international voranzukommen. Der Präsident der Bundesbank, Herr Professor Weber, hat noch in dieser Woche öffentlich gesagt, Ende dieses Jahres werde man Vorschläge machen können und er hoffe, das 2012 implementieren zu können. Das beruht in der Tat auf den Vorarbeiten der Großen Koalition und der ihr vorausgegangenen rot-grünen Koalition. So lange dauert es. Herr Bundesaußenminister in Ihrer Eigenschaft als FDP-Vorsitzender, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass Ihrer Fraktion in all den Jahren jedes Finanzmarktgesetz nicht liberal genug war. Was Ihre Fraktion stets wollte, war die bloße Deregulierung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Franz Thönnes [SPD]: Westerwelle tut nichts, weiß nichts, kann nichts!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Gerhard Schick für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig, dass der Bundesaußenminister heute gesprochen hat. Aber was hat er denn zu Europa gesagt? (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts!) Was hat er denn dazu gesagt, was die heutige Entscheidung für die Zukunft Europas bedeutet? Schließlich wissen wir, dass es Vertragsänderungen brauchen wird und dass jetzt eine Frist von drei Jahren beginnt, in der Europa das bereitgestellte Zeitfenster nutzen muss, um endlich stabile Strukturen zu schaffen. Was haben wir von Ihnen, Herr Bundesaußenminister, dazu gehört? Nichts haben wir dazu gehört, obwohl es Ihre Aufgabe gewesen wäre, dazu heute Stellung zu nehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es ist doch müßig, dass Sie jetzt als Parteivorsitzender hier die Schlachten der Vergangenheit schlagen. Wir brauchen jetzt einen Bundesaußenminister, der die Regelsetzung für die Finanzmärkte in Europa vorantreibt. Tun Sie das? Nein, Sie tun es nicht! Wie können Sie angesichts der Beschlusslage Ihrer Partei jetzt für das, was Mehrheitsmeinung in diesem Hause und in der Bevölkerung ist, nämlich für eine Finanztransaktionsteuer, eintreten? Sie treten dafür nicht ein. Sie tun so, als seien Sie jetzt für eine bessere Regelsetzung in Europa. Die Fakten sprechen gegen diese Bundesregierung und gegen diesen Bundesaußenminister. Nehmen Sie das zur Kenntnis! Bei der Regulierung von Hedgefonds hat sich der Rat diese Woche verständigt; aber er hat sich - unter Mitwirkung dieser Bundesregierung - auf etwas verständigt, was weiter zulässt, dass Hedgefonds von den Cayman Islands aus hier in Europa ohne Regeln ihre Geschäfte machen können und dass Hedgefonds aus Europa im Ausland in unregulierte Konstrukte investieren können. Sie setzen gerade nicht die Regeln, die wir brauchen. Wenn Sie dies tun wollten, müssten Sie sagen: Die Bundesregierung unterstützt die Position des Europäischen Parlaments. Doch das Gegenteil ist der Fall. Ich fordere Sie auf, im jetzt stattfindenden Trilog in Europa die Position des Europäischen Parlaments zu stützen und sich von der bisherigen Position der Bundesregierung zu verabschieden: Legen Sie die Hedgefonds endlich an die Leine! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Wo ist diese Bundesregierung, wenn es darum geht, die Finanzmärkte, die Hedgefonds an die Kette zu legen, bessere Regeln zu setzen? Wo ist diese Bundesregierung, wenn es darum geht, eine europäische Finanzaufsicht zu schaffen, die in der Lage ist, grenzüberschreitende Institute zu regulieren? Der entscheidende Blockierer in dieser Frage ist diese Bundesregierung. Machen Sie den Menschen nicht vor, Sie seien für eine Regulierung der Finanzmärkte! In Brüssel tun Sie immer das Gegenteil. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Wir diskutieren hier auch über neue Regeln für die Banken; diesen Punkt haben wir sozusagen mit auf der Tagesordnung. Sie reden immer davon, dass wir eine Schuldenbremse für die Staaten brauchen. Genauso brauchen wir eine Schuldenbremse für die Banken. Doch auch im Hinblick auf neue Regeln für die Banken steht die Bundesregierung bei den Verhandlungen in Basel auf der Bremse. Nicht nur die Schulden der Staaten müssen kontrolliert werden, sondern auch die Überschuldung im Bereich der Finanzmärkte, die uns diese Krise eingebrockt hat. Ich fordere Sie auf: Machen Sie endlich den Weg frei für eine klare Schuldenbremse für die Banken! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte ein Letztes sagen, zum Verfahren. Wissen Sie, es ist ja nicht so, dass die Finanzmärkte nicht wüssten, was eine stabile Regelung ist und was nicht. Die Frage ist doch: Wann steht die Zweckgesellschaft? Solange die Zweckgesellschaft nicht steht, können Sie uns nicht vorwerfen, wenn wir sagen: Das müssen wir uns erst anschauen. - Es kommt nun einmal darauf an, wie die Regel wirklich aussieht. Solange das nicht klar ist, gibt es keinen Druck für den Bundestag, zu entscheiden. Sie instrumentalisieren die Finanzmärkte, um Ihre Fraktionen zu disziplinieren. Das ist eine ganz schofelige Geschichte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Eines geht auch nicht - das muss man auch einmal ganz klar sagen -: Sie tun hier so, als sei das mit dem Vertrag eine Petitesse. Darum möchte ich für meine Fraktion deutlich sagen: Es geht nicht an, dass Sie einerseits schimpfen, dass die Banker Produkte gekauft haben, die sie nicht kannten, und Zweckgesellschaften in Irland gegründet haben, die sie nicht im Griff hatten, andererseits aber von uns verlangen, der Errichtung einer Zweckgesellschaft in Luxemburg zuzustimmen, deren Vertragswerk wir nicht kennen. So etwas geht nach unserer Meinung mit diesem Bundestag nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Bartholomäus Kalb für die Unionsfraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuallererst möchte ich meine größte Hochachtung für die Leistung zum Ausdruck bringen, die Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble in einer gesundheitlich schwierigen Situation im Dienste unseres Landes erbracht hat. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Petra Merkel [Berlin] [SPD] und Dr. Barbara Hendricks [SPD]) Wir verbinden damit alle guten Wünsche für die Gesundheit und wünschen viel Kraft für alles, was in nächster Zeit zu bewältigen sein wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist bereits von vielen Rednern gesagt worden: Wir befinden uns wieder in einer Situation, in der wir sehr schnell entscheiden müssen und sehr weitreichende Entscheidungen zu treffen haben, ähnlich wie vor zwei Wochen und ähnlich wie im Jahre 2008, als wir in kürzester Zeit mit intensivsten Beratungen das Finanzmarktstabilisierungsgesetz auf den Weg gebracht haben. Das sind weitreichende Entscheidungen. (Joachim Poß [SPD]: Sagen Sie mal was zu Seehofer!) Auch die dramatische Entwicklung vor 14 Tagen hat dieses schnelle Handeln erforderlich gemacht. Trotz dieser schwierigen Situation müssen wir gründlich arbeiten. Wir dürfen nicht die Grundpfeiler der europäischen Währungsunion infrage stellen. (Joachim Poß [SPD]: Was sagen Sie zu Seehofer?) Deswegen ist es wichtig, dass es dabei bleibt, dass jedes Mitgliedsland die Verantwortung für seine eigene finanzielle Situation übernimmt. Es ist wichtig, dass wir daran festhalten, dass es zu keiner Transferunion kommt. Es ist auch wichtig, dass der Europäischen Union oder der Europäischen Kommission keine Verschuldungskompetenz eingeräumt wird. Darüber hinaus - darauf legen wir ganz besonderen Wert - darf nicht in geringster Weise an der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank gezweifelt werden. (Joachim Poß [SPD]: Was sagt denn Seehofer dazu?) Ich denke, jedes Mitglied dieses Hauses macht sich diese Entscheidungen nicht leicht, unabhängig davon, welche Entscheidung letztlich getroffen wird. Es ist auch nicht leicht, den Bürgern diese Entscheidung zu erklären. Wir müssen aber deutlich machen, so wie es vorhin auch der Bundesaußenminister getan hat: Es geht um unser Land, es geht um unsere Währung, es geht um die Währung unserer Bürger und damit auch um den Schutz all dessen, was die Menschen in unserem Lande geleistet haben, was sie erarbeitet und gespart haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Jörg van Essen [FDP]) Alle Fachleute haben uns in der Anhörung bestätigt, dass es um nicht mehr und nicht weniger als darum geht - lieber Kollege Barthle, so hat es Professor Weber zum Ausdruck gebracht -, den Bestand und die Stabilität der Währung zu sichern. Alle haben uns geraten, so zu handeln, wie es vorgesehen ist, und schnell zu handeln, also heute zum Abschluss zu kommen. (Beifall des Abg. Norbert Barthle [CDU/ CSU]) Es muss noch einmal erklärt werden, dass wir, auch wenn große Summen im Spiel sind, keine Zahlungen aus diesem 480-Milliarden-Programm leisten, sondern dass wir eine Gewährleistung geben, also einen Rettungsschirm aufspannen. Wir hoffen, dass durch die Maßnahmen, die Grundlage für die Inanspruchnahme dieser Gewährleistungen sind, Vorsorge dafür getroffen wird, dass dieser Schirm hält und dass diese Risiken für die Mitgliedstaaten und Gewährleistungsgeber nicht schlagend werden. Deswegen ist es auch so wichtig, dass der Internationale Währungsfonds eingebunden ist, dass die Maßnahmen konditioniert sind und dass die Mitgliedstaaten selber bereit sind, einen Stabilitäts- und Konsolidierungskurs einzuschlagen. Ich freue mich über die Meldung, die ich eben bekommen habe, dass auch Spanien gerade ein sehr strammes Sparpaket im Parlament verabschiedet hat. Natürlich müssen die Maßnahmen streng überwacht werden und weitere Leistungen an die Fortschritte gekoppelt werden. Wir kommen nicht umhin, dass alle europäischen Mitgliedstaaten, aber besonders die von der Krise betroffenen Staaten, wieder zu einem überzeugenden Stabilitäts- und Wachstumskurs zurückkommen. Dann sind wir insgesamt weniger angreifbar. Das ist das Erste. Das Zweite ist: Es ist nicht zu leugnen, dass es diese Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten gab und dass viele Akteure, die sehr weit weg waren, mit sehr viel Geld unser System infrage gestellt haben. Dem ist Einhalt zu gebieten. Einer der Experten hat in den Anhörungen von einem Angriffskrieg gegen den Euro gesprochen. Diesen Mitteln und Methoden und diesen Akteuren muss Einhalt geboten werden. Die Bundesregierung hat dazu sehr viel auf den Weg gebracht, im Gegensatz zu dem, was Herr Oppermann vorhin gesagt hat, und zwar auf der europäischen Ebene und auf der Ebene der G 20. Wenn Herr Gabriel den Eindruck erweckt, wir hätten seinerzeit das Verbot der Leerverkäufe aufgehoben, so muss ich ihn berichtigen. Die seinerzeitige Allgemeinverfügung, von der BaFin unter dem damaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück erlassen, war zeitlich befristet. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!) Ich gebe zu, dass auch er sich an Recht und Gesetz, nämlich das Wertpapierhandelsgesetz, halten musste. Man sollte aber nicht den Eindruck erwecken, diese Bundesregierung hätte das frühere Verbot aufgehoben. Ganz im Gegenteil: Jetzt gab es wieder Anlass, eine neue Allgemeinverfügung zu erlassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, wir haben heute eine schwierige Entscheidung zu treffen, aber wir haben keine wirklich bessere Alternative, weil nach meiner festen Überzeugung das Scheitern und der Zerfall des Euro und damit in weiten Teilen auch der Zerfall des geeinten Europas keine Alternative ist, die man mit Blick auf die Interessen der Menschen und vor dem Hintergrund der europäischen Geschichte verantworten könnte. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Joachim Poß [SPD]: Was sagt Seehofer dazu?) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Bernhard Schulte-Drüggelte für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte das Ziel dieses Gesetzes noch einmal deutlich beschreiben. Das Ziel des Gesetzes ist, die Stabilität der Währungsunion zu sichern. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass ein betroffener Mitgliedstaat zusammen mit dem IWF, der EU-Kommission und der EZB ein Konsolidierungsprogramm erarbeitet. Das Ziel dieses Programms ist, dass das betroffene Land wieder kapitalmarktfähig wird. Das ist das Ziel, das wir in dieser Zeit haben. Das ist auch die Chance dieser Krise. Ich will es deutlich sagen: Die Chance dieser Krise ist, dass durch strikte Maßnahmen finanz- und wirtschaftspolitischer Natur die Staaten wieder zu einer soliden Haushaltspolitik zurückkehren können. Ich will auch noch eine andere Bedingung nennen, die ich wichtig finde. Wichtig ist für mich, dass das Programm zeitlich befristet ist und dass wir nicht gesamtschuldnerisch handeln und haften. Ich weiß nicht, wer von Ihnen das Motto der Musketiere noch in Erinnerung hat. Es gilt nur zur Hälfte. "Alle für einen oder für zwei oder drei", das mag noch angehen, aber nicht - das will ich ganz deutlich sagen - "einer für alle". (Beifall bei der CDU/CSU) Es geht nicht nur um einzelne Länder, es geht auch nicht nur um Innenpolitik - das hat hier nämlich gerade stattgefunden -, sondern es geht auch um die Zukunft Europas. Die Ursachen sind angesprochen worden. Ich will es noch einmal sagen. Es geht darum, die Staatsverschuldung aller Länder in Europa zu verringern, konsequent Gegenmaßnahmen einzuleiten und konsequent zu konsolidieren. (Beifall bei der CDU/CSU) Aber Europa braucht auch Solidarität, eine Solidarität, die nicht nur auf Rechten, sondern auch auf Pflichten fußt. Man muss es noch einmal sagen: Europa ist keine Schönwettergemeinschaft. Ich will an ein Wort unseres Bundespräsidenten Köhler erinnern: Um den Teufelskreis immer größerer Finanzkrisen zu durchbrechen, braucht man in bestimmten Fragen mehr Europa und nicht weniger. Ich will bekennen, dass wir uns hier in Deutschland aber auch an unsere eigene Nase fassen müssen. Wenn Vertrauen der Grundstock für die Märkte ist, dann hat allein schon die Vorstellung, die Währungsunion könne zerbrechen, zu Verunsicherung geführt. Deshalb wäre es auch gerade nach der vergangenen Diskussion ein starkes Signal für Europa, wenn das vorliegende Gesetz mit einer großen Mehrheit verabschiedet werden könnte und die Ausreden wegfallen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wir müssen auch einmal ganz klar sagen, dass Deutschland vom Euro enorm profitiert hat. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will kurz an die Geschichte erinnern. Vor zehn Jahren waren wir fast das Schlusslicht in Europa, und jetzt stehen wir im Vergleich ganz oben. Ich will auch sagen, welche Leistungen dafür maßgeblich waren: Es waren die Leistungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch von tüchtigen Unternehmern, weitsichtigen Gewerkschaften und - ich will das überhaupt nicht abstreiten - der Politik. Aus der Mitte des Parlaments heraus hat sich in zehn Jahren Deutschland stark verändert. Die Relationen zwischen den Volkswirtschaften haben sich verändert. Diese Veränderung hat natürlich auch zu Spannungen geführt; das hat Herr Trittin übrigens auch in einem Redebeitrag bei der ersten Lesung deutlich gemacht. Als führendes Land in Europa haben wir, auch im nationalen Interesse, Verantwortung für andere. Aber dann müssen auch Fragen beantwortet werden: Erstens. Gibt es in den Demokratien Europas eine Kultur der Stabilität? Zweitens. Gibt es eine Nachhaltigkeit bei der Finanzierung der Staaten? Drittens. Gibt es - das müssen wir auch für uns beantworten - eine Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen? - Diese Fragen müssen wir uns stellen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Vor gut zwei Wochen haben wir in einem ersten Schritt Kreditgarantien ausgesprochen, um das Konsolidierungsprogramm in Griechenland zu unterstützen. Das war dringend geboten. Heute soll in einem zweiten Schritt ein Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen verabschiedet werden. Das hat folgenden Grund: Es soll eine unkontrollierte Eigendynamik verhindert werden, die die Stabilität der Währungsunion insgesamt gefährdet. Das nämlich hätte erhebliche Konsequenzen für die gesamte Weltwirtschaft. So kam es in der Stellungnahme der Bundesbank bei der Anhörung im Haushaltsausschuss am vergangenen Mittwoch zum Ausdruck. Das ist die Lage, in der wir entscheiden müssen. Wir müssen auch respektieren, dass viele Menschen Angst haben, dass sie sich zu Recht Sorgen machen um die Stabilität der Währung, die Stabilität und Solidität der Staatsfinanzen. Aber ich will auch eines sagen, an uns und ebenso an die Opposition gerichtet: Die Parlamente sind dafür verantwortlich; sie haben die Pflicht, die Währung zu schützen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Allen Unkenrufen zum Trotz sage ich ganz deutlich: Der Euro ist stark, und das soll auch so bleiben. Ein stabiler Euro ist in unserem nationalen Interesse. Ich will im Rahmen dieser Debatte im Deutschen Bundestag den früheren italienischen Botschafter in Berlin, Antonio Puri Purini, zitieren, der am 12. Mai dieses Jahres in der Zeit Folgendes geschrieben hat - damit bekommen wir eine andere Sicht auf die Dinge -: ... ich denke, dass Ihr Deutschen noch immer bereit seid, an ein gemeinsames europäisches Ziel zu glauben. Ich denke auch, dass Ihr mehr als andere in der Lage seid, Gefühl und Verstand zu vereinen: Europa braucht beides ... Ich hoffe, dass das noch für dieses ganze Haus gilt. Jetzt ist die Zeit, gemeinsam verantwortlich zu handeln, entschlossen und - das möchte ich hinzufügen - zuversichtlich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Gregor Gysi. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Herr Kollege Schulte-Drüggelte, ich habe eine Sache satt, die auch Sie wiederholt haben, obwohl Sie gar nicht dabei waren; deshalb will ich das einmal richtigstellen. Sie werfen der Opposition hier faule Ausreden beim Abstimmungsverhalten vor. Da ich an der Beratung mit der Bundeskanzlerin teilgenommen habe, will ich Ihnen drei Dinge sagen: Der erste Punkt. Damals wurde uns gesagt, es sei nicht so eilig. Es war nie die Rede davon, dass innerhalb einer Woche alles entschieden wird. Es hieß: die erste Lesung in der Woche, und dann sehen wir einmal weiter, wann die zweite Lesung stattfindet. - So war die Atmosphäre. Das Zweite war, dass nicht nur der Kollege Trittin, sondern alle Fraktionsvorsitzenden, übrigens auch Sie, Herr Kauder, und auch Frau Homburger, darauf bestanden haben, dass wir den Vertrag zur Gründung der Zweckgesellschaft zu lesen bekommen, bevor in zweiter Lesung entschieden wird. (Beifall bei der LINKEN - Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) Damals, Herr Kauder - erinnern Sie sich! -, wollten Sie das auch, und auch Frau Homburger wollte das. Warum Sie sich jetzt haben umstimmen lassen, ist mir völlig schleierhaft; das muss ich hier einmal sagen. Ich finde, wir haben einen Anspruch darauf, zu erfahren, auf welcher vertraglichen Grundlage das Ganze läuft. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Manfred Zöllmer [SPD]) Zum dritten Punkt. Mit diesem Gesetz geben wir der Bundesregierung das Recht, ohne Befragung des Parlaments, nur mit nachträglicher Information über 120 Milliarden Euro zu entscheiden - das ist doch keine Kleinigkeit! -, (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Blanker Unsinn!) und wir wissen nicht einmal, auf welcher vertraglichen Grundlage. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Lesen Sie doch mal den Text!) Deshalb sind das keine Ausreden, sondern gewichtige Argumente. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zur Erwiderung Herr Schulte-Drüggelte, bitte. Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU/CSU): Ich bedanke mich. - Ich freue mich, dass Sie einigermaßen gut zugehört haben. Aber das, was Sie behaupten, habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass Sie sich vor einer Sache drücken wollen. Vor einer wichtigen Frage, die ganz Europa betrifft, wollen Sie sich mit formalen Argumenten drücken. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Das machen wir nicht mit, und das werden wir Ihnen immer vorhalten. Das Zweite. Als Mitglied des Haushaltausschusses sage ich Ihnen: Wir haben intensiv beraten, und es ist dafür gesorgt worden, dass das Parlament bei allen Verfahren eingebunden ist. Dabei werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, wie das Parlament mit der Regierung in europäischen Fragen zusammenzuarbeiten hat, beachtet. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) So ist die Lage. Da können Sie nicht erzählen, dass das nicht der Fall ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, Drucksachen 17/1740 und 17/1741, den Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/ CSU und FDP auf Drucksache 17/1685 in der Ausschussfassung anzunehmen. Zunächst kommen wir zur einfachen Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Es ist beantragt, dass dazu eine namentliche Abstimmung stattfindet. Sind an allen Wahlurnen Schriftführer platziert? - Das scheint der Fall zu sein. Ich eröffne die Abstimmung und bitte Sie, Ihre Stimmkarten in die Wahlurnen zu werfen. Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimmkarten eingeworfen? - Das ist offenkundig der Fall. Dann schließe ich den Wahlgang und bitte, auszuzählen. Ich muss nachtragen, dass eine Reihe von persönlichen Erklärungen nach § 31 GO vorliegen, die wir zu Protokoll nehmen.1 Wir kommen nun zur Abstimmung über vier Entschließungsanträge, wobei über drei Entschließungsanträge namentlich abgestimmt werden soll. Als Erstes kommen wir zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1809. - Ich sehe, die Plätze an den Urnen sind besetzt. Ich eröffne die Abstimmung. Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimmkarte eingeworfen? - Das scheint der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte, auszuzählen.2 Wir stimmen nun über einen weiteren Entschließungsantrag der Fraktion der SPD namentlich ab. Es handelt sich um den Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1810. Ich eröffne die Abstimmung und bitte, die Stimmkarten einzuwerfen. Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimmkarte eingeworfen? - Das scheint der Fall zu sein. Ich schließe die Abstimmung und bitte, auszuzählen.3 Als Nächstes kommen wir zur Abstimmung mit Handzeichen über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/1811. Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist eindeutig abgelehnt. Wir kommen jetzt zur vierten namentlichen Abstimmung, und zwar über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es handelt sich um den Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1808. Ich eröffne die Abstimmung und bitte, die Stimmkarten einzuwerfen. Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimmkarten eingeworfen? - Das scheint der Fall zu sein. Dann schließe ich den Wahlgang und bitte, auszuzählen. Die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen werden Ihnen später bekannt gegeben.4 Ich kann Ihnen schon das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf bekannt geben: abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben gestimmt 319, mit Nein haben gestimmt 73, Enthaltungen 195. Der Gesetzentwurf ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 587; davon ja: 319 nein: 73 enthalten: 195 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Gitta Connemann Leo Dautzenberg Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Florian Hahn Holger Haibach Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Julia Klöckner Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Nadine Müller (St. Wendel) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Lucia Puttrich Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Christian Lindner Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabi Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Nein CDU/CSU Alexander Funk Dr. Peter Gauweiler Manfred Kolbe Klaus-Peter Willsch SPD Wolfgang Gunkel FDP Dr. Lutz Knopek Frank Schäffler DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Herbert Behrens Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Daðdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Andrej Konstantin Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Neškovic Thomas Nord Petra Pau Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Katrin Werner Sabine Zimmermann Enthalten CDU/CSU Veronika Bellmann Josef Göppel Karl-Georg Wellmann SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Uwe Beckmeyer Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groß Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoðuz Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Dr. Hermann Otto Solms BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Alexander Bonde Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Priska Hinz (Herborn) Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Elisabeth Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Tagesordnungspunkt 27 a bis 27 c. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/1756, 17/1720, 17/1803 und 16/13741 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen beschlossen. Ich rufe die Zusatzpunkte 11 und 12 sowie den Tages-ordnungspunkt 28 auf: ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Axel Troost, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit von Städten, Gemeinden und Landkreisen - Drucksache 17/1744 - Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Haushaltsausschuss ZP 12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Britta Haßelmann, Lisa Paus, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN Gewerbesteuer stabilisieren - nicht abschaffen - Drucksache 17/1764 - Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Haushaltsausschuss 28 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Axel Troost, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Für eine Verstetigung der Kommunalfinanzen - Die Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickeln - Drucksachen 17/783, 17/1783 - Berichterstattung: Abgeordnete Antje Tillmann Dr. Birgit Reinemund Dr. Axel Troost Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin Katrin Kunert von der Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Katrin Kunert (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedauere, dass die Situation in den Kommunen nicht mindestens genauso wichtig ist wie die Rettung des Euros. In Quickborn leihen Bürgerinnen und Bürger ihrer Stadt Geld. In der Gemeinde Niederzimmern in Thüringen werden über 250 Schlaglöcher verkauft, damit die Straßen saniert werden können. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Lassen Sie Thüringen aus dem Spiel!) Die Stadt Remscheid hat bei einem Verwaltungshaushalt mit einem Volumen von 320 Millionen Euro ein aufgelaufenes Defizit von 100 Millionen Euro. Selbst wenn die Stadt ihr ganzes Personal entließe, würde sie auf 10 Millionen Euro Schulden sitzen bleiben. Darüber hinaus hat man der Stadt verboten, auszubilden, da das eine freiwillige Leistung sei. Die Stadt Köln hat im März dieses Jahres eine Bettensteuer beschlossen, um den Haushalt etwas aufzumöbeln. Sie rechnet mit jährlichen Zusatzeinnahmen in Höhe von 21 Millionen Euro. - Nun könnten einige ganz Schlaue sagen: Na, seht mal, die Kommunen lassen sich ja etwas einfallen und sind sehr kreativ beim Finden von rechtlich zulässigen Steuern. Diese Beispiele belegen jedoch die blanke Finanznot der Kommunen. Hier müssen wir endlich tätig werden. (Beifall bei der LINKEN) Milliarden zur Rettung von Banken, zur Rettung von Griechenland und zur Rettung von ganz Europa werden ganz schnell und ohne ausreichende Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte beschlossen. Städten, Gemeinden und Landkreisen wird ständig vorgeschrieben, was sie zu tun und zu lassen haben. Von kommunaler Selbstverwaltung kann überhaupt nicht mehr die Rede sein. 480 Milliarden Euro für die Banken, 22 Milliarden Euro für Griechenland und jetzt über 140 Milliarden Euro für die Rettung Europas: Den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort und den kommunalen Mandatsträgern ist es überhaupt nicht mehr zu vermitteln, warum lebensnotwendige Dienstleistungen für die Leute vor Ort wie zum Beispiel der öffentliche Personennahverkehr nicht mehr finanzierbar sind. Bisher haben Sie, meine Damen und Herren, hier immer eine sehr abstrakte Debatte über die Kommunalfinanzen geführt. Erinnern möchte ich nur an Ihre Einsparungsrhetorik bei den Kosten der Unterkunft. Sie haben immer gesagt: Die Kommunen werden um 2,5 Milliarden Euro entlastet. Das Defizit in Höhe von 15 Milliarden Euro in diesem Jahr spricht eine eigene Sprache. Zur Entlastung ist es nie gekommen. Bisher stehen die Kommunen in der Finanzierungskette in Deutschland ganz hinten. Aber müssten nicht die Kommunen der eigentliche Ausgangspunkt im Finanzgefüge sein? Die Kommunen sind keine Behörde an sich; sie sind vielmehr die einzige staatliche Ebene, wo Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger entsteht. Dafür sind Sie hier verantwortlich. (Beifall bei der LINKEN) In den Städten und in den Gemeinden gehen die Kinder in die Kindertagesstätten, sie lernen in den Schulen, sie lernen Schwimmen, sie lernen Kultur und Sport selbst kennen. Außerdem gibt es ein Netz von vielfältigen Beratungsangeboten. Was aber, wenn Schwimmbäder geschlossen werden, Bibliotheken oder Musikschulen ihre Preise erhöhen? Die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge müssen der Ausgangspunkt für eine solide und auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen sein. Ich will auf zwei Aspekte eingehen. Zum einen haben sich das Tempo und die Dynamik der Sozialausgaben in den Kommunen rasant entwickelt. Während zwischen 1992 und 2002 die Sozialausgaben 6 Milliarden Euro betrugen, lagen sie im Zeitraum von 2003 bis 2009 schon bei 10 Milliarden Euro, also fast eine Verdopplung der Kosten in nahezu der Hälfte der Zeit. Hier müssen wir endlich einmal wach werden. (Beifall bei der LINKEN) Dafür tragen alle bisherigen Regierungskoalitionen in diesem Hause die Verantwortung. Ich will ein Zweites sagen: Die Dramatik besteht darin, dass die Kommunen, die schon mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben, auch die meisten Sozialausgaben schultern müssen. Die Kommunen sind daran nicht schuld. Man muss auch hier sagen, dass die bisherigen Regierungskoalitionen daran die Schuld tragen und noch nicht einmal im Ansatz den Versuch unternommen haben, die Finanzierung wieder geradezurücken. Wir schlagen Ihnen fünf konkrete Maßnahmen vor, die sofort umgesetzt werden können. Erstens: Rücknahme der beschlossenen Unternehmensteuersenkungen und Verzicht auf weitere Steuersenkungen. An die FDP gerichtet, sage ich: Sie haben doch auf Ihrem Bundesparteitag einen Antrag auf Senkung der Mitgliedsbeiträge mit der Begründung abgelehnt, dass sich durch Senkung des Mitgliedsbeitrages das Problem der Parteifinanzkrise nicht lösen ließe. Sehen Sie also bitte auch in Zukunft von weiteren Steuersenkungen einfach ab. (Beifall bei der LINKEN - Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Was ist denn das für eine abenteuerliche Argumentation?) Zweitens. Wir sind für die Entschuldung der hochverschuldeten Kommunen. Drittens sind wir für die Entwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer. Viertens wollen wir, dass der Anteil des Bundes an den Kosten der Unterkunft, der Grundsicherung im Alter und auch bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz für Kinder unter drei Jahren erhöht wird. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Fünftens wollen wir ein verbindliches und einklagbares Mitwirkungsrecht für die Kommunen bei der Gesetzgebung des Bundes. Ich wünsche mir wirklich, dass Sie sich genauso emotional und verantwortungsbewusst, wie Sie hier für Europa gesprochen haben, für die Kommunen einsetzen; denn hier findet das Leben statt. Hier ist auch die Demokratie in Gefahr. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Mathias Middelberg für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kommunen sind - das ist unbestreitbar - tatsächlich in einer sehr ernsten Lage, aber die Schnellschüsse, die Sie uns heute auf den Tisch gelegt haben, sind kein Beitrag zur Lösung dieser kritischen Lage. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Im Grunde handelt es sich um nichts anderes als um ein schlichtes Steuererhöhungspaket. Es werden neue Steuern für die gesamten Freiberufler in dieser Republik erfunden. Darüber hinaus fordern Sie Steuererhöhungen zulasten des Mittelstands, vieler kleiner und mittlerer Unternehmen und damit letzten Endes auch zulasten der Arbeitsplätze in diesem Land. Sie schreiben in Ihren Anträgen, dass Sie durch Erweiterung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer und durch verschiedene Hinzurechnungen die Situation der Kommunen verbessern würden. Das mag sogar kurzfristig der Fall sein. Auf längere Sicht wird das jedoch viele Unternehmen erdrosseln. Denn letzten Endes wollen Sie Kostenpositionen, Mieten, Pachten, Zinsen und anderes, stärker besteuern. Dann kommen wir in eine Situation, in der Betriebe Steuern zahlen müssen, obwohl sie gar keine Gewinne machen. Das müssen Sie einmal unseren Zuschauern hier heute erklären, wie das funktionieren soll, dass Unternehmen, die unter dem Strich keine Gewinne machen, trotzdem zur Zahlung der Gewerbesteuer herangezogen werden. Hier entstünde sogar die abstruse Situation, dass die Unternehmer, die an zwei verschiedenen Betriebsstandorten tätig sind, im Hinblick auf die Gewerbesteuer noch nicht einmal ihre Verluste und Gewinne miteinander verrechnen könnten, weil die Gewerbesteuer ja eine Realsteuer ist, die eben am Ort erhoben wird. Ein kleiner Handwerksbetrieb würde dann unter dem Strich Verluste machen, weil er an dem einen Standort bei null und an dem anderen Standort unter der Wasserlinie arbeitet. Dieser würde nach Ihrem Modell unter dem Strich Gewerbesteuer zahlen. (Katrin Kunert [DIE LINKE]: Wer kommunale Infrastruktur nutzt, muss sie auch mit bezahlen! - Manfred Zöllmer [SPD]: Der zahlt keine Gewerbesteuer! - Weitere Zurufe von der SPD) - Sie können ja gleich darauf eingehen, Herr Sieling. Wenn Gewinne und Verluste an verschiedenen Standorten also bei der Gewerbesteuer nicht miteinander verrechnet werden könnten, entstehen solche abstrusen Situationen. Gerade in dieser wirtschaftlich angespannten Situation - deshalb haben wir ja über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz gegengesteuert - würden Sie damit viele Unternehmen in den Ruin treiben und massiv Arbeitsplätze vernichten. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Selbstrechtfertigung eines Fehlers!) Schon alleine deswegen können wir Ihren Anträgen hier und heute nicht zustimmen. Unternehmen, die pleite sind, kommen nämlich auf Dauer für Gewerbesteuerzahlungen nicht mehr in Betracht. Sie hätten dann die Steuerbasis zerstört. Wir haben mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz - das haben Sie gerade kritisch angemerkt, Frau Kunert - dem Mittelstand in dieser kritischen Situation Liquidität verschafft. Das hat viele mittelständische Unternehmen vor dem Exitus gerettet. Dies wird auf Dauer die kommunale Steuerbasis nicht schwächen, sondern stärken. Deswegen wird das Wachstumsbeschleunigungsgesetz die kommunale Steuerbasis auf Dauer stärken und erhärten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Manfred Zöllmer [SPD]: Märchen!) Ungefähr die Hälfte des Volumens des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes betrifft Kindergeld und Kinderfreibeträge, davon der ganz große Teil Kindergeld. Auch das ist ein Beitrag, um die Kommunen zu entlasten. Denn gerade kinderreiche Familien sind gefährdet, in die Grundsicherung abzudriften. Das verhindern wir auch durch die Zahlung des erhöhten Kindergeldes. Insofern entlastet das viele Kommunen. Sie haben ja zu Recht erwähnt, dass die Sozialausgaben für die Kommunen ein zunehmend größeres Problem darstellen. Die Leistungen zur Grundsicherung machen mittlerweile 24 Prozent der sozialen Ausgaben der Kommunen aus. Vor diesem Hintergrund ist die Erhöhung des Kindergeldes ein ganz konkreter Beitrag, um die Kommunen zu entlasten. Die weiteren Beiträge sind - das haben wir gerade gemacht - die Einigung bezüglich der Jobcenter, an der Sie mitgewirkt haben, (Manfred Zöllmer [SPD]: Was heißt "mitgewirkt"?) und die Verlängerung der Zahlung des Kurzarbeitergeldes. Die Kollegen von der SPD werden sicherlich gleich sehr selbstgefällig gute Ratschläge geben, wie wir das schon heute Morgen erlebt haben. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Aber das war jetzt nicht selbstgefällig?) Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur daran, dass Sie es unter Rot-Grün waren, die die Gewerbesteuerumlage, die ja jetzt abgeschafft werden soll, erhöht haben. Darüber hinaus erinnere ich daran, dass Sie 2005 hier den Antrag eingebracht haben, den Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft rückwirkend auf Null zu setzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Bernd Scheelen [SPD]: Das war nur ein Platzhalter! Das wissen Sie ganz genau! So ein Schwachsinn!) Daran wollen wir - wir haben ja heute mehrfach von verschiedener Seite Aufforderungen zur Ehrlichkeit bekommen - der Ehrlichkeit halber erinnern. Die Kommunen sind in einer kritischen ökonomischen Situation. Dazu haben auch Bundesgesetze beigetragen; das dürfen wir nicht in Abrede stellen. Auch das Bürgerentlastungsgesetz hat dazu beigetragen, dass sich die Situation in den Kommunen verschärft hat. Die Gewerbesteuer ist ein weiteres Element. Auch die konjunkturelle Situation hat dazu beigetragen. Das ist die andere Seite der Medaille, die im Moment für ungefähr 50 Prozent des Wegfalls der Einnahmen bei den Kommunen verantwortlich ist. Die Einnahmen durch die Gewerbesteuer sind in den verschiedenen Kommunen um 30, zum Teil auch um 50 Prozent eingebrochen. Es ist wichtig, jetzt nicht nur kosmetische Lösungen zu finden, sondern eine Lösung aus einem Guss. Wir brauchen eine strukturelle Veränderung. Es ist richtig, jetzt nicht den Weg über Ihre Schnellschüsse zu gehen, sondern über die Kommission, die der Bundesfinanzminister eingerichtet hat und an der die Länder und die kommunalen Spitzenverbände richtigerweise beteiligt sind. Wenn man nach dauerhaften stabilen Einnahmen für die Kommunen sucht, sollte man auch sehr ernsthaft dem Vorschlag nachgehen, die Gewerbesteuer durch einen Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer (Katrin Kunert [DIE LINKE]: Was soll denn da rauskommen?) und durch einen Zuschlag auf Einkommen- und Körperschaftsteuer mit eigenem Hebesatzrecht zu ersetzen. Das sollten wir ernsthaft und sorgfältig prüfen. Diese Kommission hat einen weiteren Vorteil. (Katrin Kunert [DIE LINKE]: Die arbeitet nicht so schnell!) Sie nimmt auch die Kostenseite in den Blick. Das haben Sie hier noch nicht erwähnt. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Standardabsenkung!) Es ist mir aber sehr wichtig, dass wir auch über die Kosten, also über das Sparen, reden. Wir dürfen nicht nur darüber reden, wo man zusätzliche Einnahmen generieren kann, wie man womöglich die Bürger zusätzlich belasten kann, sondern wir müssen auch darüber reden, wo gespart werden kann. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Kinderbetreuungsquote absenken!) Deswegen ist es wichtig, dass sich die Kommission auch mit den Ausstattungsstandards befasst. Das ist der richtige Weg, um zu einer nachhaltigen strukturellen Verbesserung zu kommen. Wir unterstützen die Kommission des Bundesfinanzministers und werden über die Vorschläge, die sie vorlegen wird, sachlich und entspannt diskutieren. Ihre Schnellschüsse von heute lehnen wir ab. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Katrin Kunert [DIE LINKE]: Aber Milliarden innerhalb einer Woche beschließen!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Bernd Scheelen für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Bernd Scheelen (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute, wie wir es eigentlich in jeder Sitzungswoche tun, mit der Situation der Gemeinden. Ich finde es gut, dass das so ist. Im Finanzausschuss haben einige das bemängelt. Sie meinen, man müsse ja nicht jede Woche darüber reden. Ich glaube, die Lage der Kommunen ist so dramatisch, dass es sich lohnt, jede Woche hier im Hohen Hause darüber zu sprechen. (Zuruf von der FDP: Handeln!) Wir haben das auch in der letzten Sitzungswoche, also vor zwei Wochen, getan. Das war der Freitag vor der NRW-Wahl. Ich habe an diesem Pult gestanden und Ihnen am Ende meiner Rede ein Zitat über die Steuersenkungspartei FDP vorgelesen. Leider reichte meine Redezeit nicht ganz aus, um das Zitat bis zum Ende vorzutragen. Deswegen nutze ich jetzt die Gelegenheit, das nachzuholen. (Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Ärmlich!) Ich erspare Ihnen den Anfang. Aber es ist schon ganz wichtig, zu wissen, was der Kommentator der Süddeutschen Zeitung vor zwei Wochen zu der Steuersenkungspartei FDP geschrieben hat. Er hat geschrieben: Die Partei des Guido Westerwelle verspricht Steuersenkungen, wenn es dem Staat gut geht, weil dann genug Geld dafür da sei. "Bürger am Aufschwung beteiligen", heißt das dann. Und sie verspricht Steuersenkungen, wenn es dem Staat schlecht geht, weil das angeblich die Wirtschaft massiv ankurbele. Bis dahin war ich gekommen. Jetzt kommt der Teil, der noch gefehlt hat. Den finde ich auch wichtig: Einen Grund, gegen Steuersenkungen zu sein, gibt es für die FDP nicht. Wenn es darauf ankäme, würde sie mit Steuersenkungen auch den internationalen Terrorismus oder isländische Vulkane bekämpfen. Ich finde, der Kommentator hat völlig recht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Die Antwort der SPD ist Mindestlohn!) Das habe ich hier zwei Tage vor der NRW-Wahl vorgetragen. Jetzt wurde Ihnen bei der NRW-Wahl die rote Karte gezeigt, und die schwarz-gelben Steuersenker sind vom Platz geschickt worden. Das ist gut und richtig so. (Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Wie viel haben Sie verloren?) Die Menschen haben gemerkt, was Ihre Steuersenkungsfantasien vor Ort anrichten. Dass wir über die Schließung von Theatern, von Schwimmbädern, von Büchereien und Ähnlichem reden müssen, dass, wie ich gerade hörte, eine kleine Gemeinde im Münsterland - bisher ging man davon aus, dass es denen noch gut geht - darüber nachdenkt, in der nächsten Ratssitzung eine Erhöhung der Grundsteuer um 50 Prozent beschließen zu müssen, zeigt die Dramatik der Situation vor Ort. Daher ist eine Diskussion über die Haupteinnahmequelle der Kommunen eine Gelegenheit, die man nutzen sollte. (Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Das hätten Sie elf Jahre lang machen können!) Ich will Ihnen bei dieser Gelegenheit einen Hinweis auf eine kleine Broschüre geben. Diese hat uns allen vor zwei Tagen der Städtetag zukommen lassen. Sie heißt: "Sozialleistungen der Städte in Not". Das ist doppeldeutig, weil sich das "in Not" sowohl auf Sozialleistungen wie auch auf Städte beziehen kann. Ich glaube, das ist auch so gedacht. Es soll sich auf beides beziehen. Es soll deutlich machen, dass die Städte in Not sind und dass mit Städten in Not die Sozialleistungen nicht mehr gewährt werden können. In der Broschüre wird sehr deutlich darauf hingewiesen, dass die Soziallasten der Kommunen in den letzten Jahren dramatisch angestiegen sind. Sie betragen mittlerweile über 40 Milliarden Euro, und zwar bei sinkenden Einnahmen. Das ist das Problem. Bis vor zwei Jahren liefen die Steigerungen der Ausgaben mit denen der Einnahmen in etwa parallel. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Gilt das auch für die Jahre 2000 bis 2008?) In den Jahren 2007 und 2008 hatten die Kommunen in Deutschland unterm Strich, alle zusammengenommen, Überschüsse von knapp 8 Milliarden Euro. Im letzten Jahr hatten die Städte ein Defizit zu verzeichnen. (Abg. Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage) - Wie ich sehe, möchte der Kollege Middelberg eine Zwischenfrage stellen. Vizepräsidentin Petra Pau: Wenn Sie gestatten, dann hat der Kollege Middelberg jetzt das Wort. Bernd Scheelen (SPD): Ja, gerne, Herr Kollege Middelberg. Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Kollege Scheelen. - Sie listen einige Fakten auf, die teilweise gar nicht bestreitbar sind und die wirklich einen dramatischen Zustand kennzeichnen. Aber was uns natürlich interessiert, ist, was Sie bzw. Ihre Fraktion - Sie haben schließlich in diesem Hause elf Jahre lang den Finanzminister gestellt - konkret dazu beigetragen haben, um die Finanzsituation der Kommunen zu verbessern, oder was Sie vielleicht auch beigetragen haben, um diese dramatische Situation, die Sie eben beschrieben haben, mitzuerzeugen. Ich denke hier an die Sozialausgaben und die zusätzlichen Lasten der Kommunen. Bernd Scheelen (SPD): Herr Kollege Middelberg, Sie selber haben in Ihrer Rede auf Dinge hingewiesen, die in den elf Jahren der Regierungsbeteiligung der SPD beschlossen wurden. Ich will Ihnen sagen, dass wir in den elf Jahren eine ganze Menge für die Kommunen getan haben. (Beifall des Abg. Dr. Carsten Sieling [SPD] - Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das habe ich aber nicht gemerkt!) Wir haben die Gewerbesteuer erhalten und ausgebaut, und zwar mit Ihnen gemeinsam. Wir haben zum Beispiel die Elemente eingeführt, die Sie hier beklagen. (Beifall bei der SPD) Sie haben sich eben hier hingestellt und gesagt, man müsse den Leuten erklären, wieso man auf eine Miete eine Steuer zahlen solle. Das Argument kenne ich. Das klingt plausibel, aber man muss wissen, warum das so ist. Das will ich Ihnen gerne ganz kurz erklären. Wenn sich ein Unternehmen in eine Betriebs- und eine Besitzgesellschaft aufteilt und die Betriebsgesellschaft an die Besitzgesellschaft Miete bezahlt, dann bezahlt sie sie aus ihren Gewinnen. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Beantworten Sie die Frage!) Sie zahlt sich sozusagen ihren eigenen Gewinn als Miete in die eigene Tasche. Auf Mieten - das wissen Sie - werden keine Gewerbesteuern erhoben. Das heißt, das sind Steuersparmodelle, von denen in den letzten Jahren und Jahrzehnten massiv Gebrauch gemacht wurde. Dem haben wir einen Riegel vorgeschoben. Das ist bei den Kommunen sehr gut angekommen. Deswegen ist es ihnen bis 2007/2008 sehr gut gegangen. Das ist Folge von rot-grüner, aber auch von schwarz-roter Politik. (Beifall bei der SPD - Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU - Ingbert Liebing [CDU/ CSU]: Das glauben Sie doch selbst nicht!) - Liebe Kollegen von der Union, ich darf auf Folgendes hinweisen: Wir standen vier Jahre gemeinsam in der Verantwortung. Ich höre jetzt immer von der FDP, dass die SPD an allem schuld ist, was in den letzten vier Jahren passiert ist. Dabei vermisse ich, dass Sie sich zu Wort melden. Im Grunde werden auch Sie kritisiert, aber Sie trauen sich nicht, etwas dagegen zu sagen, weil Sie die Koalition nicht gefährden wollen. Aber die Kritik der FDP richtet sich genauso gegen Sie. (Zurufe von der FDP: Nein, nein!) Ich erwarte, dass Sie das, was wir gemeinsam sinnvollerweise beschlossen haben, hier verteidigen und dazu stehen. (Beifall bei der SPD - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Nur Mut!) In dieser Broschüre wird darauf hingewiesen, dass die Soziallasten auf mittlerweile über 40 Milliarden Euro mit einer kräftigen Dynamik in vielen Bereichen angestiegen sind. Ich will kurz vier Bereiche ansprechen, die eine ganz besondere Dynamik aufweisen. Der erste Bereich sind die auch von Ihnen erwähnten Kosten der Unterkunft. Ich glaube, dabei sind wir noch nicht am Ende der Diskussion. Das ist eine relativ neue Geschichte. Wir haben diese Regelung vor fünf Jahren eingeführt. Wir haben den Bund an den Kosten der Unterkunft beteiligt. In diesem Jahr zeigt sich, dass die Krise dazu führt, dass die Zuschüsse des Bundes für die Kosten der Unterkunft sinken werden, während gleichzeitig die Lasten für die Kommunen steigen. Deswegen haben wir am 23. März dieses Jahres den Antrag "Rettungsschirm für Kommunen" in dieses Hohe Haus eingebracht. Er enthält die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen, nämlich Zurücknahme Ihres Beschlusses, also der Absenkung des Kostenbeitrages um 400 Mil-lionen Euro. Diesen Beschluss sollten wir als Erstes zurücknehmen, um den Kommunen die Gelegenheit zu geben, über die Krise hinwegzukommen, weil diese Mindereinnahmen der Krise geschuldet sind. Dem haben Sie leider nicht zugestimmt. Die zweite dynamische Ausgabenposition ist die Grundsicherung im Alter. Sie ist in den letzten fünf Jahren um 170 Prozent gestiegen. Das können wir nicht einfach abtun, sondern das müssen wir zur Kenntnis nehmen, um die Situation der Kommunen beurteilen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen zu können. Der dritte Bereich ist die Eingliederungshilfe für Behinderte. Das ist eine sinnvolle Maßnahme. Es geht beispielsweise darum, Integrationshelfer in Schulen zu finanzieren. Die Frage ist nur, ob die Kommunen das bezahlen müssen. Ist das nicht möglicherweise eine Länderaufgabe? Das ist ein Posten, der 11 Milliarden Euro ausmacht und dramatische Steigerungsraten aufweist. Auch da sind Antworten gefragt. Dasselbe gilt - viertens - auch für die Erziehungshilfe für Kinder und Jugendliche, die ebenfalls eine dramatische Steigerungsrate - 35 Prozent - aufweist. Das heißt, die Schere zwischen steigenden Lasten und sinkenden Einnahmen geht immer weiter auseinander. Ihre Antwort darauf ist, eine Kommission einzusetzen. Gegen das Einsetzen einer Kommission kann man zunächst einmal nichts sagen. Das kann ja durchaus sinnvoll sein. Wenn der Auftrag der Kommission aber so lautet, wie er in der Koalitionsvereinbarung niedergelegt ist - Ersatz für die Gewerbesteuer prüfen -, dann haben wir große Bedenken und befürchten, dass dabei am Ende nichts Sinnvolles und Richtiges herauskommen kann. Bisher gibt es kein überzeugendes Modell, mit dem die Gewerbesteuer ersetzt werden könnte. Nach außen erwecken Sie den Eindruck, dass es Modelle gibt, die man überprüfen muss. Die Modelle sind alle nicht neu. Sie sind alle seit 10 oder 15 Jahren auf dem Markt. Sie sind alle schon mehrfach überprüft worden, unter anderem von der Kommission, die Hans Eichel 2002/2003 einberufen hat. Diese Kommission hat all das schon überprüft, was Sie jetzt noch einmal überprüfen wollen. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen: Trotz aller Mängel, die die Gewerbesteuer hat, gibt es keine bessere Möglichkeit zur Finanzausstattung der Kommunen. Sie hat nämlich viele Vorteile, die die anderen Modelle nicht haben. Ich will einen Hauptkritikpunkt an den Modellen, die Sie prüfen wollen, kurz ansprechen. Jedes Modell, das die Last der Gewerbesteuerzahlung von der Wirtschaft wegnimmt und auf Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verteilt, wird unsere Zustimmung nicht finden. Es ist mit Sozialdemokraten nicht zu machen, dass die Wirtschaft entlastet wird und die Bürgerinnen und Bürger im Gegenzug als Verbraucherinnen und Verbraucher oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer belastet werden. Das geht mit uns auf gar keinen Fall. (Beifall bei der SPD) Ein weiteres Problem wird sein, dass diese Modelle zu Verschiebungen bezüglich des Steueraufkommens in Deutschland führen. Die Verlierer werden eindeutig die Kernstädte, die hohe Soziallasten zu tragen haben, sein, aber auch der ländliche Raum; das haben die Untersuchungen 2003 schon gezeigt. Das heißt, wir werden innerhalb der Bundesrepublik Deutschland den verfassungsmäßigen Auftrag der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse mit diesen neuen Modellen nicht erfüllen können. Die Kommunen sind das Fundament der Demokratie. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Wohl wahr!) Einige glauben, sie seien das Kellergeschoss. In das Kellergeschoss geht man nicht so gerne, weil es dort muffig, kalt und feucht ist. Nein, sie sind nicht das Kellergeschoss. Sie sind das Fundament. Wenn das Fundament eines Hauses brüchig ist, dann ist es um das Haus über kurz oder lang nicht gut bestellt. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das Dach ist entscheidend beim Haus!) Deswegen sind wir gut beraten, zu gewährleisten, dass die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können. Zu rot-grüner Zeit hatten wir diese Diskussion schon einmal. Ich darf daran erinnern, da Sie, Kollege Middelberg, da noch nicht hier waren. Damals hatten wir durchaus ernstzunehmende Kräfte in der Regierung, die die Gewerbesteuer auch abschaffen wollten. Wer schon länger hier im Hohen Hause ist, weiß, dass Rot-Grün, die Fraktionen, die Kraft gefunden hat, der eigenen Regierung das Stoppschild vorzuhalten und zu sagen: So nicht. Wir haben die Gewerbesteuer gerettet und gemeinsam mit der CDU/CSU weiter ausgebaut. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Aber nicht verbessert!) Warum Sie das alles jetzt über Bord werfen wollen, kann ich nicht verstehen. Mein Appell an Sie lautet: Haben Sie den Mut, den Rot-Grün damals hatte. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich komme zurück zu den namentlichen Abstimmungen und gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmungen bekannt. Ich komme zuerst zum ersten Entschließungsantrag der SPD-Fraktion zum Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus, Drucksache 17/1809: abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben 131, mit Nein haben 328 gestimmt. Enthalten haben sich 128 Kolleginnen und Kollegen. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 587; davon ja: 131 nein: 328 enthalten: 128 Ja CDU/CSU Josef Göppel SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Uwe Beckmeyer Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoðuz Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Stefan Schwartze Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Nein CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Gitta Connemann Leo Dautzenberg Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Florian Hahn Holger Haibach Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Julia Klöckner Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Kristina Schröder Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Nadine Müller (St. Wendel) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Lucia Puttrich Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Christian Lindner Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Sevim Daðdelen Heike Hänsel Enthalten CDU/CSU Karl-Georg Wellmann DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Herbert Behrens Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Andrej Konstantin Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Neškovic Thomas Nord Petra Pau Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Katrin Werner Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Alexander Bonde Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Priska Hinz (Herborn) Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Zweiter Entschließungsantrag der SPD-Fraktion zum Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus, Drucksache 17/1810: abgegebene Stimmen 582. Mit Ja haben gestimmt 128, mit Nein haben gestimmt 330, und 124 Kolleginnen und Kollegen haben sich enthalten. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 582; davon ja: 128 nein: 330 enthalten: 124 Ja SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Uwe Beckmeyer Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoðuz Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Stefan Schwartze Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Nein CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Gitta Connemann Leo Dautzenberg Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Florian Hahn Holger Haibach Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Julia Klöckner Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Kristina Schröder(Wiesbaden) Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Nadine Müller (St. Wendel) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Lucia Puttrich Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Josef Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Christian Lindner Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Alexander Bonde Priska Hinz (Herborn) Enthalten DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Herbert Behrens Steffen Bockhahn Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Daðdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Andrej Konstantin Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Neškovic Thomas Nord Petra Pau Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Katrin Werner Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus, Drucksache 17/1808: abgegebene Stimmen 583. Mit Ja haben gestimmt 59, mit Nein 393. 131 Kolleginnen und Kollegen haben sich enthalten. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 582; davon ja: 59 nein: 392 enthalten: 131 Ja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Elisabeth Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Nein CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Gitta Connemann Leo Dautzenberg Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-TheodorFreiherr zu Guttenberg Olav Gutting Florian Hahn Holger Haibach Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Julia Klöckner Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Nadine Müller (St. Wendel) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Lucia Puttrich Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Christian Lindner Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabi Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Herbert Behrens Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Daðdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Andrej Konstantin Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Neškovic Thomas Nord Petra Pau Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Katrin Werner Sabine Zimmermann Enthalten CDU/CSU Veronika Bellmann SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Uwe Beckmeyer Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoðuz Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Stefan Schwartze Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Alexander Bonde Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat der Kollege Dr. Volker Wissing für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Dr. Volker Wissing (FDP): Besten Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir uns heute Morgen schon sehr intensiv mit finanzpolitischen Problemen in Europa beschäftigt haben, ist es gut, dass wir heute auch einen Blick auf die finanzpolitischen Probleme unserer Kommunen werfen. Insofern begrüße ich diese Debatte. Was ich nicht begrüße, sind die Anträge, die Sie vorgelegt haben. Aber dazu komme ich gleich noch. Herr Kollege Scheelen, Sie haben sich hier hingestellt und ernsthaft gesagt: Jetzt sehen Sie, was Sie mit Ihrer Steuerpolitik unter der christlich-liberalen Koalition bei den Kommunen angerichtet haben. (Bernd Scheelen [SPD]: Die Hälfte des Defizits geht auf Ihre Steuersenkung zurück!) Sie müssen erkennen, wie abwegig und falsch dieser Satz ist. (Bernd Scheelen [SPD]: Überhaupt nicht! Der Städtetag belegt das!) Er ist so abwegig, dass noch nicht einmal Sie selber ihn glauben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Bernd Scheelen [SPD]: Das hätten Sie gerne!) Von 2008 bis 2010 sind die Einnahmen der Kommunen aus der Gewerbesteuer unter Verantwortung sozialdemokratischer Finanzminister (Bernd Scheelen [SPD]: 2009!) um 14 Prozent gesunken; das war der Einbruch. 2008 hatten wir noch Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 41 Milliarden Euro, und Ende 2009 betrugen die Gewerbesteuereinnahmen nur noch 35 Milliarden Euro. Es wäre doch anständig, zu sagen: Wir haben es nicht geschafft, mit der Gewerbesteuer die Einnahmen der Kommunen zu stabilisieren. (Beifall bei der FDP - Bernd Scheelen [SPD]: 35 Milliarden Euro sind nichts?) Das wäre doch anständig gewesen; das wäre auch die Wahrheit und richtig gewesen. Stattdessen lassen Sie sich zu diesem Satz darüber herab, was wir mit unserer Finanzpolitik angerichtet haben sollen. Es gibt überhaupt keinen Zusammenhang zwischen der Finanzpolitik dieser Bundesregierung und der Situation der Kommunen. (Beifall bei der FDP - Bernd Scheelen [SPD]: Das ist ja lächerlich!) Es gibt einzelne Kommunen, die massive Probleme haben. (Katrin Kunert [DIE LINKE]: Einzelne? 50 Prozent der Städte und Gemeinden!) Manche haben sehr schwere und manche haben sogar massive Einbrüche zu verzeichnen. Es gibt auch Kommunen, wie München und Frankfurt, die weniger starke Probleme haben. Deswegen ist es auch gar nicht so klug, dass, wenn es um die Reform der Kommunalfinanzen geht, die Wortführer immer aus diesen Kommunen kommen. Wenn man sehr satt ist, dann ist man kein guter Anführer der Hungrigen. (Beifall bei der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Wissing, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sieling? Dr. Volker Wissing (FDP): Nein, das brauchen wir jetzt nicht. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Weil Sie sie nicht beantworten können!) - Nein, wir können das nachher machen, Herr Sieling; denn sonst wird diese falsche Darstellung der SPD nie richtiggestellt. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Ihre falsche Darstellung!) Deswegen möchte ich Ihnen das einmal klar sagen. (Bernd Scheelen [SPD]: Das wollte er ja gerade machen!) Einzelne Kommunen erlitten durch die Finanzpolitik, die Sie, Herr Scheelen, mit hinterlassen haben, einen Einnahmeeinbruch von teilweise 60 Prozent. (Bernd Scheelen [SPD]: Mit den Brüdern und Schwestern der schwarzen Seite zusammen!) Was sind die Ursachen dafür? - Ich unterstelle Ihnen noch nicht einmal, dass Sie den Kommunen etwas Böses wollten. Die Ursachen sind, dass die Gewerbesteuereinnahmen in konjunkturellen Schwächephasen stark sinken, die Ausgaben der Kommunen aber latent eher steigen. (Bernd Scheelen [SPD]: Deswegen müssen sie ja stabilisiert werden!) Deswegen ist die Gewerbesteuer als Jo-Jo-Steuer keine sichere Einnahmequelle für die Kommunen. Das erzählen wir Ihnen schon seit Jahren, Sie wollen es aber nicht glauben. Sie haben sich hier hingestellt und gesagt, sie müsse durch gewinnunabhängige Elemente verstetigt werden. (Bernd Scheelen [SPD]: Ja! Das ist auch richtig!) Das ist Ihre Lösung; sie wurde schon angesprochen. Die Kosten der Unternehmen haben Sie dabei in der Bemessungsgrundlage berücksichtigt. Die Unternehmen müssen jetzt für ihre Ausgaben Gewerbesteuer bezahlen. (Bernd Scheelen [SPD]: Das sind getarnte Gewinne!) Das war eine schlechte Lösung; das haben wir Ihnen von Anfang an gesagt. (Bernd Scheelen [SPD]: Das war eine gute Lösung!) Als sich die Krise zugespitzt hat, haben Sie selbst gemerkt, was Sie angerichtet haben. Sie haben nämlich Insolvenzbeschleuniger geschaffen. Dabei sollten Sie doch die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertreten. (Beifall bei der FDP) Deswegen sind Sie mit Ihrem Konzept dafür, wie man den Jo-Jo-Effekt der Gewerbesteuer abmildert, gescheitert. Setzen, sechs! (Beifall bei der FDP - Bernd Scheelen [SPD]: Das darf nur Frau Piltz sagen! - Dr. Carsten Sieling [SPD]: 6 Prozent ist Ihre Zahl!) Jetzt stellt sich die Frage, welche andere Lösung es dafür gibt, stabile Kommunalfinanzen zu schaffen, nachdem der sozialdemokratische Weg nachweislich gescheitert ist. Herr Scheelen, Sie haben sich hier hingestellt und gesagt, was alles nicht gehe. Deswegen - das muss ich Ihnen leider sagen - sind die Kommunen, wenn es um ihre finanziellen Interessen geht, bei den Sozialdemokraten in schlechten Händen. (Beifall bei der FDP) In dieser christlich-liberalen Koalition sind sie in guten Händen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerade bei Ihnen!) Denn wir haben gesagt, dass mit diesem Jo-Jo-Effekt, den wir nicht abmildern können, Schluss sein muss. Wir brauchen eine solide Einnahmequelle. Deswegen haben wir eine Kommission eingesetzt, die sehr intensiv an einer Alternative zur Gewerbesteuer arbeitet. Hier sind schon gute Vorschläge genannt worden. Es gibt Alternativvorschläge wie eine stärkere Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer oder Hebesatzrechte bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer. Dabei geht es nicht, wie Sie gleich wieder unterstellen, um eine Verlagerung der Steuerlast von den Unternehmen hin zu den Bürgerinnen und Bürgern. (Bernd Scheelen [SPD]: Wie denn sonst? Das ist genau der Effekt!) - Darum geht es nicht, Herr Scheelen. Das hat auch nie jemand gefordert. Hören Sie auf, ein völlig falsches Bild darzustellen! Sie sind doch selbst in der Kommunalpolitik aktiv und wissen, wie wichtig die Situation für die Kommunen ist. (Katrin Kunert [DIE LINKE]: Sie leider scheinbar nicht! Das ist Ihr Problem!) - Ihre Vorschläge, Frau Kollegin, mit Mitgliedsbeiträgen der Parteien Kommunalfinanzierung zu betreiben, sind wirklich eine bemerkenswerte Expertise. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Scheelen, lassen Sie uns dieses Thema ernst nehmen. Wirken Sie bei den anstehenden Beratungen konstruktiv mit! Wir wollen in dieser Legislaturperiode eine Reform der Kommunalfinanzen ins Bundesgesetzblatt schreiben. Sie fordern immer wieder, mit den Steuerreformen aufzuhören. Im Bereich der Gemeindefinanzen wird deutlich, wie notwendig Steuerreformen in der Bundesrepublik Deutschland sind. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber keine Steuersenkungen zulasten der Kommunen!) Wir haben eine Regierungskommission eingesetzt, die ernsthafte Alternativvorschläge erarbeiten wird, die Sie nicht haben. Mit Ihrer Lösung sind Sie gescheitert. Zu allem anderen sagen Sie nur Nein. (Katrin Kunert [DIE LINKE]: Das ist die kommunalpolitische Kompetenz der FDP!) Wenn uns ein Alternativvorschlag vorliegt, dann kann den Kommunen geholfen werden. Ich hoffe, dass die Kommission unter Leitung des Bundesfinanzministers zügig vorankommt und gute Ergebnisse erzielt, sodass wir dann das dringende Problem der Gemeindefinanzen, das Sie nie in den Griff bekommen haben, in dieser Legislaturperiode bald lösen können. Das sind wir all den Menschen schuldig, die vor Ort mit den Problemen konfrontiert sind. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Britta Haßelmann für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wissing, ich möchte zunächst an Ihren Beitrag anknüpfen. Wenn man in der Analyse davon ausgeht, dass es sich bei einer strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen um ein Problem einzelner Kommunen handelt, dann hat man das Problem nicht verstanden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Ich versuche, das ganz sachlich zu sagen, obwohl ich fast betroffen bin, dass Sie das als Vorsitzender des Finanzausschusses so analysieren. In Nordrhein-Westfalen hat ein Drittel aller Kommunen Nothaushalte aufgestellt. Die Kassenkredite betragen mittlerweile 36 Milliarden Euro bei steigender Tendenz. Davon entfallen allein 15,9 Milliarden Euro auf NRW. Ich werde in dieser Debatte versuchen, die Frage zu vermeiden, wer in den letzten fünf Jahren in NRW mitregiert hat und gerade wegen seiner kommunenfeindlichen Politik abgewählt worden ist. Das war nämlich die FDP. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Die Kommunen haben mehr Geld bekommen!) - Die Kommunen haben nicht mehr Geld bekommen, Herr Flosbach. Wir können das gerne diskutieren. Beim Landesverfassungsgericht sind mehrere Konnexitätsklagen anhängig. Auch das wissen Sie. Deshalb bitte ich Sie an dieser Stelle, die Debatte etwas ernsthafter zu führen und aufzuhören, so zu tun, als hätte die Situation der Kommunen mit der "Farbenlehre" der letzten ein oder zwei Jahre zu tun. Widmen wir uns einmal einer ausgewiesenen Analyse. Es geht den Kommunen doch nicht deswegen schlecht, weil wir, die Grünen, die SPD und auch die Linken eine Verstetigung der Gewerbesteuer fordern, die gerade einbricht. Mein Gott, auf welchem Niveau diskutieren wir hier? Wir haben zurzeit die Situation, dass bei den Kommunen drei Faktoren kumulieren. Das ist die dramatische Situation aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise, die die Kommunen voll erfasst. Sie erfasst auch die Gewerbesteuer. Das ist doch völlig klar. Der Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen fällt zwar unterschiedlich aus - bei manchen Kommunen sind es 60 Prozent, bei anderen vielleicht nur 10 Prozent -, aber der Bundesdurchschnitt liegt bei 19 Prozent. Das ist dramatisch; das wissen wir. Aber daraus abzuleiten, dass wir uns für die Abschaffung der Gewerbesteuer einsetzen sollten, ist ein völliger Trugschluss. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Ersatz!) Es gibt einen zweiten Faktor, der ganz erheblich zu einer strukturellen Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden beigetragen hat, und zwar nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in der ganzen Republik: Das sind die steigenden und nicht gegenfinanzierten Sozialausgaben. Schauen Sie sich an, was Sie allein in den letzten Jahren veranlasst haben. Wie wir wissen, sind die Kosten der Unterkunft gestiegen. Gleichzeitig haben Sie den Bundesanteil gesenkt, und zwar mit Hinweis darauf, dass wir irgendwann einmal unter Rot-Grün einen bestimmten Verteilungsschlüssel für die Kosten der Unterkunft in den Hartz-IV-Gesetzen beschlossen haben. Nun will niemand mehr über den Verteilungsschlüssel reden. Wer sagt Ihnen denn, Sie dürften über den Verteilungsschlüssel nicht reden? Wir sagen seit vier Jahren im Parlament: Lassen Sie uns den Verteilungsschlüssel ändern. Er ist nicht adäquat und führt nicht zu einer tatsächlichen Übernahme der Kosten. Das ist ein Grund, das zu ändern. Aber Sie tun so, als ginge das nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Einen weiteren Faktor stellen die Auswirkungen der Steuersenkungsgesetzgebung dar. (Dr. Volker Wissing [FDP]: Welche denn?) Es tut mit leid, aber ich kann Ihnen das nicht ersparen. So zu tun, als wäre das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der Beschleuniger für Geldvermehrung in den Kommunen gewesen, grenzt an Hohn. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Allein die Kommunen haben Mindereinnahmen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro durch die Beschlüsse zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz zu verzeichnen. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: In den letzten zwei Monaten, oder was?) Das sage nicht nur ich Ihnen. Das zeigen auch die Zahlen des Bundesfinanzministeriums. Schauen Sie sich die Zahlen doch einfach an! Die Zahlen stammen nicht von mir, sondern aus dem Bundesfinanzministerium. Wenn man die finanziellen Auswirkungen Ihrer Beschlüsse zu Steuergesetzgebung, Bürgerentlastung und anderen Bereichen berechnet, dann stellt man fest, dass die Kommunen allein in den letzten zwei Jahren ein Minus in Höhe von 6,5 Milliarden Euro durch Steuersenkungsbeschlüsse zu verzeichnen hatten. Ich bin heilfroh, dass die Kanzlerin und Herr Schäuble mittlerweile erklärt haben, es werde mit der Union keine Steuersenkungen - obwohl das der einzige Programmpunkt der FDP auf Bundesebene ist - mehr geben. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Sprechen Sie doch mal zum Thema!) Hoffen wir, dass sich die Union an dieser Stelle durchsetzt und es zu keinen weiteren Steuersenkungen mehr kommt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Nun zu Ihrem Vorschlag. Ich bin gespannt, wie Sie die Quadratur des Kreises durchhalten wollen. Wir brauchen - darin weiß ich mich mit vielen in diesem Hause einig - eine Verstetigung der Gewerbesteuereinnahmen. Herr Middelberg, über die Einbeziehung der Freiberufler wird mittlerweile selbst in der Wirtschaft offensiv diskutiert. Niemand kann heute mehr erklären, warum es Ausnahmen gibt und gerade Anwaltskanzleien, Steuerberatungsbüros und viele Freiberufler keinen Beitrag zur Daseinsvorsorge des Gemeinwesens über die Gewerbesteuer leisten. Das ist nicht vermittelbar; das wissen Sie auch. Darüber wird längst in der Wirtschaft diskutiert. Wir sind für eine Verstetigung der Gewerbesteuereinnahmen und nicht für eine Abschaffung der Gewerbesteuer. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Nun zu der vielgelobten Kommission und ihrem Auftrag. Es gibt wieder eine Kommission, und alles soll neu erfunden werden. Wieder einmal wird über die Abschaffung der Gewerbesteuer diskutiert. Es geht um einen aufkommensneutralen Ersatz der Gewerbesteuer. Das heißt, es geht nicht um eine wundersame Geldvermehrung und auch nicht darum, dass der Bund den Ländern oder den Kommunen mehr Geld zur Verfügung stellen will. Hören Sie mit dieser Mär auf! Das müssen auch die Städte und Gemeinden wissen. Der aufkommensneutrale Ersatz der Gewerbesteuer soll durch Anteile an den Einnahmen aus der Umsatzsteuer und Zuschläge auf die Körperschaft- und Einkommensteuer erreicht werden. Sie verweisen immer darauf, dass die Einnahmen aus der Gewerbesteuer so konjunkturanfällig seien. Deshalb wollen Sie sie durch die Körperschaftsteuer ersetzen. Aber bei den Einnahmen aus der Körperschaftsteuer sind in der jetzigen Krisensituation Einbrüche in Höhe von über 50 Prozent zu verzeichnen. Angesichts dessen können Sie die Gewerbesteuer nicht abschaffen mit der Begründung, die Einnahmen brächen ein und bestimmte Kommunen seien besonders betroffen, und durch die Körperschaftsteuer ersetzen, deren Einnahmen um 50 Prozent gesunken sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Sie wollen die Körperschaftsteuer von 15 auf 25 Prozent erhöhen. Das bringt maximal 13 Milliarden Euro. Wenn Sie die Gewerbesteuer ersetzen wollen, sind aber 29 Milliarden Euro erforderlich. Woher kommen die fehlenden 16 Milliarden Euro, etwa aus Anteilen an den Einnahmen aus der Umsatzsteuer? Das Ganze soll doch aufkommensneutral erfolgen. Die Anteile müssten von 2,2 auf 19 Prozent steigen, um diesen Fehlbetrag auszugleichen. Wem in den Städten und Gemeinden wollen Sie das eigentlich erklären? Ich verstehe das nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Raum steht auch ein kommunaler Zuschlag auf die Einkommensteuer mit eigenem Hebesatz. Dadurch würde der Wettbewerb der Kommunen doch nur angeheizt! Erklären Sie einmal den Kommunen, die Nothaushalte verabschiedet haben, in dieser schwierigen Situation, wie sie mit kommunalen Hebesätzen ihre Wettbewerbsposition verteidigen sollen. Wissen Sie, was die Städte im Bergischen Land und im Ruhrgebiet schon heute sagen? Sie sagen: Wir sind durch die Hebesätze für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer am Ende der Fahnenstange; der kommunale Wettbewerb darf nicht noch angeheizt werden. Mit diesem Modell treiben Sie die Kommunen noch mehr in den Ruin. Deshalb sollten Sie überlegen, was Sie da tun. Notwendig ist, dass in dieser Angelegenheit sachlich diskutiert wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Andreas Mattfeldt für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die öffentlichen Haushalte befinden sich in einer schwierigen Situation; wer wollte das bestreiten. Durch die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg und die damit verbundenen Einnahmeausfälle bei den Steuern stehen alle - ich betone: alle - öffentlichen Haushalte vor besonderen Herausforderungen. Dabei trägt der Bund die Hauptlast der Krise. Das lässt sich am vor kurzem verabschiedeten Haushalt 2010 ablesen. Als verantwortlicher Bürgermeister war mir bereits Ende 2008 klar, dass diese Krise auch an den Kommunen nicht spurlos vorübergehen wird. Bereits den Gemeindehaushalt 2009 habe ich - wie viele andere Kollegen - mit erheblichen Einnahmeverlusten und Unsicherheiten aufstellen müssen. Ich darf sagen: Wieder einmal bedeutete diese Zeit für uns kommunale Vertreter nichts Neues. Denn bereits die Jahre 2002 bis 2005 waren an finanziellen Grausamkeiten nicht zu überbieten - auch ohne Weltwirtschaftskrise, Herr Scheelen. (Bernd Scheelen [SPD]: Was war mit der geplatzten Internetblase 2001?) Die finanzielle Situation in diesen Jahren unter rot-grüner Regierung war im Übrigen nicht nur für meine Gemeinde, sondern auch für viele andere weitaus schwerer als das Jahr 2009. Noch etwas darf ich Ihnen mit auf den Weg geben: Mit starken Argumenten wurde 2002 von den Spitzenverbänden, auch von mir ganz persönlich als Kreisvorsitzenden eines Spitzenverbandes, an Ihre damalige Regierung und auch an meinen damaligen Ministerpräsidenten Gabriel appelliert, die Kommunen nicht ausbluten zu lassen. Ich weiß, Frau Haßelmann, Sie hören das jetzt nicht gerne: Ich habe seinerzeit von Rot-Grün noch nicht einmal eine Antwort bekommen. An die Kollegen der SPD gerichtet, sage ich: Wenn ich heute Ihren Parteivorsitzenden Gabriel als selbsternannten Retter der Kommunen zu diesem Thema sprechen höre, dann macht mir das Angst. Das Ganze ist einfach nur peinlich. Denn dieser Mann hat mich, zumindest in meiner damaligen Funktion - ich war damals Bürgermeister -, noch nicht einmal wahrgenommen, noch nicht einmal angehört. Wenn man sich seine heutigen Worte anhört, dann wirkt das fast schon heuchlerisch. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Heute sieht es zum Glück anders aus. Zum ersten Mal finden die Kommunen in einer schweren Krise Gehör. Mit der Einberufung der Gemeindefinanzkommission unter Führung von Bundesfinanzminister Schäuble wird heute mit den und nicht über die Kommunen gesprochen. Dabei spielt deren Einnahme- und Ausgabensituation eine genauso wichtige Rolle wie mögliche Einsparungen durch Veränderungen von Verwaltungsverfahren. Denkverbote in die eine oder andere Richtung führen uns dabei überhaupt nicht weiter. Deshalb ist es unredlich, Frau Kollegin Haßelmann, hier zu suggerieren, die Kommunen würden durch den Ersatz der Gewerbesteuer Einnahmeverluste erleiden. Noch einmal: Wir als Union sprechen vom Ersatz, von der Veränderung der Gewerbesteuer und nicht von einem Ausfall der Einnahmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Aus Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass das derzeit bei vielen Kommunen häufig erheblich schwankende Gewerbesteueraufkommen für deren Finanzsituation nicht nur nicht hilfreich, sondern vielfach langfristig sogar schädlich sein kann. Meine Damen und Herren, wenn wir über die Finanzsituation der Gemeinden sprechen, gehört es zur Wahrheit, darauf hinzuweisen, dass die Einnahmen im Jahr 2008 so hoch wie nie zuvor seit Bestehen der Bundesrepublik waren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Bernd Scheelen [SPD]: Dank Rot-Grün!) In den Jahren 2005 bis 2008 konnte die Verschuldung sogar zurückgeführt werden. Ich denke, auch das sollte einmal erwähnt werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Bernd Scheelen [SPD]: Da haben wir ja auch noch regiert!) Ich gebe zu: Die Kommunen hätten weitere Jahre zur Gesundung brauchen können. (Bernd Scheelen [SPD]: Ja!) Nötig ist aber auch eine gewisse Selbstkritik der Kommunen. Ich finde es bemerkenswert, dass ausgerechnet die Bürgermeisterkollegen, die im Supereinnahmejahr 2008 ihre Haushalte nicht ausgleichen konnten, heute versuchen, alle Schuld, auch die für eigenes Versagen und mangelnde Ausgabendisziplin, auf Bund und Länder abzuwälzen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Auch wenn das nicht gerne gehört wird: Wer seinen Haushalt schon 2008 nicht ausgleichen konnte, hat grundlegendere Probleme als die, die sich aus der derzeit zugegebenermaßen schwierigen Finanzsituation ergeben. Meistens ist ein Ausgabenproblem der Grund. Zur Politik gehört - das predige ich seit Jahren -, häufiger ehrlich zu sagen, warum wir nicht alle Wünsche - und seien sie noch so berechtigt - erfüllen können. In der Politik muss häufiger Nein gesagt werden. Der Weg weg von investiven Ausgaben hin zu immer mehr konsumtiven Ausgaben ist ein Irrweg und kann nicht gutgehen. Ich bin dankbar, dass sowohl die alte Regierung als auch die christlich-liberale Koalition (Bernd Scheelen [SPD]: Sie meinen Schwarz-Gelb!) die richtigen Maßnahmen zur Bewältigung der Krise ergriffen haben. Diese richtigen Entscheidungen haben sich positiv auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt und wirken sich immer noch positiv aus. Ich denke, wir sind uns alle einig: Es hätte vor allem am Arbeitsmarkt vieles schlimmer kommen können. Als langjähriger Bürgermeister möchte ich der Bundesregierung danken, dass sie den Kommunen im Rahmen des Konjunkturpakets mit über 10 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen hat. (Katrin Kunert [DIE LINKE]: Die den Kommunen vorher entzogen worden sind!) Zahlreiche Sanierungsmaßnahmen, die mit Sicherheit erst in späteren Jahren oder gar nicht hätten umgesetzt werden können, wurden so realisiert. Hierdurch wurden nicht nur Arbeitsplätze gesichert, es wurden sogar Arbeitsplätze geschaffen. Wichtig ist vor allem, dass dieses Paket erhebliche Einsparungen im energetischen Bereich ermöglicht. Dies hat den Kommunen dauerhaft finanzielle Spielräume verschafft. Meine Damen und Herren, jetzt, vor Abschluss der Arbeit der Gemeindefinanzkommission, einzelne Maßnahmen zu beschließen, wäre töricht; denn eine positive Veränderung der Finanzsituation der Kommunen sollte auch - ich betone das noch einmal - durch eine Vereinfachung der Verwaltungsverfahren und der Aufgabenwahrnehmung erfolgen. Dafür braucht es aber ein Gesamtpaket. Deshalb möchte ich Sie ermuntern, in den kommenden Monaten gemeinsam mit uns, den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden mit guten und pragmatischen Ideen die Situation der Kommunen zu verbessern. Lassen Sie die Kommunen nicht zum Spielball der tagespolitischen Auseinandersetzungen werden! Strengen wir uns an, kluge Lösungen zur Überwindung der kommunalen Probleme zu finden! Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Carsten Sieling für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Carsten Sieling (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich knüpfe an das Ende der Rede des Kollegen Mattfeldt an. Den Appell, die Kommunen nicht zum Spielball der Politik zu machen, haben Sie offensichtlich an die eigene Koalition gerichtet. Ich kann das nur unterstützen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn Sie das durchsetzen wollen, müssen Sie allerdings viele Dinge und viele Pläne, die Sie haben, ändern. Ich möchte Ihnen - dies richtet sich besonders an die Koalitionsfraktionen - zwei Zitate vortragen. Das erste Zitat lautet: Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. ... Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle. Das zweite Zitat ist etwas kürzer. Es lautet schlicht: Wir werden ... den Ersatz der Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer ... prüfen. Sie haben wahrscheinlich erkannt, woher die Zitate stammen. Das erste Zitat ist aus dem Grundgesetz, Art. 28, das zweite Zitat findet sich auf Seite 14 des Koalitionsvertrages dieser Regierungskoalition. Wer die beiden Zitate nebeneinanderlegt, der sieht, dass mit der Passage des Koalitionsvertrags das Grundgesetz zumindest verdreht wird, wenn sie nicht sogar im Widerspruch zum Grundgesetz steht. Denn wenn Sie an die Gewerbesteuer herangehen, werden Sie diese wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle mit eigenem Hebesatz angreifen. Das geht nicht. Auch dieser Aspekt muss in die Diskussion eingeführt werden. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Ich will die Frage der Bedeutung der Gewerbesteuer aufgreifen. Darauf will ich mich konzentrieren, weil das der Kern Ihres Vorhabens ist. Sie wollen schon lange an die Gewerbesteuer, und jetzt glauben Sie, dass Sie die Chance haben. Kollege Wissing hat mir vorhin leider nicht erlaubt, mit einer Zwischenfrage auf sein falsches Argument hinzuweisen. Die Einnahmen aus der Erhebung der Gewerbesteuer sind - Frau Kollegin Haßelmann hat das schon angesprochen - laut Steuerschätzung in der Tat gewaltig weggebrochen - um 8 Milliarden Euro -, und zwar als Folge der Krise, aber auch als Folge von Steueränderungen. Man muss die Zahlen einmal nebeneinanderstellen: Schon die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind kräftig eingebrochen, und zwar um 19 Prozent; das ist überhaupt keine Frage. Sie sind von 41 Milliarden Euro auf 33 Milliarden Euro gesunken. Die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer sind aber um exakt 55 Prozent eingebrochen; Kollegin Haßelmann hat das schon gesagt. (Beifall bei der SPD - Bernd Scheelen [SPD]: 2001 waren sie bei null!) - So ist es. - Sie sehen also, welche gewaltigen Unterschiede es gibt. Kollege Wissing, genau diesen Punkt haben Sie nicht benannt. Sie haben über den Einbruch bei der Gewerbesteuer in Höhe von 19 Prozent gesprochen, aber die Körperschaftsteuer nicht erwähnt. Das geht nicht. So kann man nicht argumentieren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wir diskutieren zurzeit viel über die Finanzmärkte. Ich will einen gängigen Begriff aus dieser Diskussion aufnehmen: Die Volatilität, also die Schwankungen, auf den Finanzmärkten wollen wir abschwächen. Bei den Einnahmen aus der Gewerbesteuer ist diese Volatilität erheblich geringer als bei den Einnahmen aus der Körperschaftsteuer. Wir richten unsere Politik darauf aus, die Volatilität möglichst gering zu halten. Ich sage deutlich: Die Gewerbesteuer ist eine Stabilitätssteuer im Verhältnis zur Körperschaftsteuer. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sie wurde auch deshalb zu einer Stabilitätssteuer, weil die Maßnahmen, die von Rot-Grün angegangen worden sind, von Schwarz-Rot fortgesetzt wurden. Mit politischen Maßnahmen ist dafür gesorgt worden, dass diese Stabilität erreicht wurde. Natürlich war es richtig, dass 2008 hier im Deutschen Bundestag beschlossen wurde, die Finanzierungsanteile von Mieten, Pachten und Leasingraten hinzuzurechnen. Damit wurde die Verstetigung der Gewerbesteuer erreicht. Ich würde mich freuen, wenn ich heute einen Redner oder eine Rednerin der CDU/ CSU hören würde, der bzw. die sagt: Wir sind stolz darauf. Das war eine richtige Entscheidung, weil das dazu führt, dass die Kommunen wenigstens etwas Stabilität haben. (Beifall bei der SPD) Was hören wir stattdessen? Wir hören, dass Sie mit Ihren Plänen nicht nur die Einnahmeseite ins Auge fassen, sondern jetzt auch die Ausgabenseite. Kollege Middelberg sprach davon, dass auch die Kosten ins Auge gefasst werden. Vielleicht diskutieren Sie das einmal mit dem Kollegen Mattfeldt. Er verfügt als ehemaliger Bürgermeister über Kenntnisse auf diesem Gebiet. Sein Nachfolger ist wieder ein Sozialdemokrat, was mich persönlich sehr freut. Er ist, so glaube ich, noch besser. Herr Mattfeldt ist im Bundestag gut untergebracht. Erklären Sie bitte dem Kollegen Middelberg - in Ihrer Rede haben Sie das angesprochen -, wie eng die Handlungsspielräume der Kommunen sind. Wer hier an die Ausgabenseite herangehen will, der will weitere Schwimmbäder und Bibliotheken schließen, der will Theater schließen und kein Geld mehr für Jugendarbeit und Kindergärten ausgeben. Wollen Sie das? Wollen Sie die Linie Ihres Herrn Koch auch in der Kommunalpolitik einführen? Ich bitte Sie: Lassen Sie die Finger von solchen Überlegungen und Plänen! (Beifall bei der SPD) Ich möchte in der verbleibenden Zeit auf das eingehen, was Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung konzeptionell ins Auge fassen und was Sie angehen wollen. Es sind unterschiedliche Modelle in der Diskussion. Ich will an dieser Stelle vorwegnehmen, dass das Modell des BDI und des VCI schon unter Rot-Grün geprüft worden ist. Kollege Mattfeldt, wenn Sie sagen, diesmal würden die Kommunen beteiligt, will ich zumindest darauf hinweisen, dass natürlich auch damals die Kommunen an der Kommission beteiligt worden sind. Es bestand sogar ein wesentlicher Unterschied. Es gab nämlich die politische Festlegung in dieser Kommission: keine Entscheidung gegen die Kommunen. Das erwarte ich auch diesmal: keine Entscheidung gegen die Kommunen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Setzen Sie das durch! Das wäre ein richtiger und wichtiger Schritt. Schon damals ist dieses eine Modell gescheitert und als nicht vernünftig beurteilt worden. Natürlich ist auch damals richtig gerechnet worden. Der Herr Staatssekretär hat im Finanzausschuss vorgetragen, jetzt würde endlich mal richtig gerechnet. (Nicolette Kressl [SPD]: Behauptet!) - Behauptet oder vorgetragen. Ich habe den Zettel gesehen. Es ist vorgetragen worden, dass dies so sei. Wie gesagt, natürlich ist auch damals gerechnet und mit viel wissenschaftlichem Sachverstand diskutiert worden. Das Modell trägt sich nicht. Es wäre ein schwerer Fehler, wenn die Steuerpflicht - das ist ein Element der Vorschläge - vom Ort der Betriebsstätte zum Wohnsitz der jeweiligen Gesellschafter eines Unternehmens verlagert würde. Das wäre eine gefährliche Strukturverzerrung. (Beifall bei der SPD - Bernd Scheelen [SPD]: Eine Zeitbombe!) Das alles sind Detailpunkte und wichtige Elemente, die Sie an der Stelle sehen müssen. Die Kollegin Haßelmann hat schon auf einige Punkte hingewiesen. Sie wissen doch, was Sie an Erhöhungen und Aufschlägen bei den Hebesätzen durchsetzen müssten, wenn Sie das alles aufkommensneutral gestalten wollen. Ich verstehe das nicht. Da weiß wieder die rechte Hand nicht, was die linke Hand tut. Wenn Sie das so machen, wie Sie es jetzt planen, müssen Sie die Mehrwertsteuer deutlich erhöhen, auf bis zu 25 Prozent. Das hat Herr Zimmermann vom DIW gerade vorgeschlagen. Herr Kampeter, Staatssekretär im Finanzministerium, hat dazu gesagt: Nicht mit uns! - Recht hat er, der Herr Kampeter. Wenn das so ist, dann lassen Sie bitte die Finger von diesem Unsinn und schlagen Sie nicht vor, die Mehrwertsteuer auf 25 Prozent zu erhöhen! Das wäre für die wirtschaftliche Entwicklung in ganz Deutschland schädlich. Das wäre nicht solide. Das müssen wir lassen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ihre Vorschläge - ich finde, wir müssen früh darüber diskutieren - haben nicht nur negative quantitative Effekte auf der Einnahmeseite, sondern auch Struktureffekte, und zwar äußerst gefährliche. Ich will zwei davon ansprechen. Erstens. Der Wechsel vom Betriebsstätten- zum Wohnsitzprinzip wird dazu führen, dass die großen Städte weitere Einbußen bei ihren Einnahmen aus der Erhebung der Gewerbesteuer erleiden. Die großen Städte werden Probleme haben, höhere Hebesätze gegen die Kommunen in eher ländlichen oder kleinstädtischen Bereichen drumherum durchzusetzen. Weil die großen Städte aber höhere Lasten haben und Infrastrukturleistungen für die gesamte Region erbringen, ist das eine Verzerrung. Frau Roth, CDU, Frankfurt, hat dies schon deutlich gesagt. Das ist ein negativer Struktureffekt und nicht vertretbar. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Patrick Döring [FDP]: Es gibt sogar schon große Städte, die schuldenfrei sind!) Ich will Sie als Zweites auf Folgendes hinweisen: Wenn Sie das so machen und von diesen Prinzipien abgehen, wird es sich für keine Kommune mehr lohnen, aktive wirtschaftspolitische Standortpolitik zu machen. Sie haben nämlich keinen Anreiz mehr, Gewerbe anzusiedeln. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Sieling, bitte. Dr. Carsten Sieling (SPD): Wenn dieser Anreiz fehlt, wird das dazu führen, dass die wirtschaftliche Entwicklung abgeschwächt wird. Deshalb: Lassen Sie das sein! Die Gewerbesteuer ist eine stabile Steuer. Sie ist für die Kommunen erprobt und sicher. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Sieling, Ihre Redezeit ist lange abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluss. Dr. Carsten Sieling (SPD): Herr Präsident, ich bedanke mich für Ihre Geduld und sage: Lassen Sie uns die Gewerbesteuer in Deutschland erhalten! (Beifall bei der SPD - Dr. Daniel Volk [FDP]: Ein Bremer SPDler erklärt die Finanzpolitik!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat die Kollegin Dr. Birgit Reinemund von der FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Dr. Birgit Reinemund (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Oppositionsfraktionen beschäftigen uns Woche für Woche mit mehr oder weniger gleichlautenden Anträgen zur Situation der Gemeindefinanzen. Natürlich werden wir dieselben Anträge immer wieder gerne debattieren. Die Lage der Kommunen ist katastrophal. Genau deshalb haben wir die Gemeindefinanzreform als dringlich auf die Tagesordnung gesetzt. Dazu hatten Sie jahrelang Zeit. Die Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen wird am 8. Juli dieses Jahres ihren Zwischenbericht vorlegen. Ich erwarte, dass die Kommissionsmitglieder vorurteilsfrei ihre Aufgabe erfüllen. (Katrin Kunert [DIE LINKE]: Ganz vorurteilsfrei!) Alle heute vorgebrachten Argumente sind bedenkenswert und nicht von vornherein falsch. Wir werden sie intensiv beraten, sobald das Konzept vorliegt. Vorfestlegungen, wie Sie sie jetzt wieder fordern, werden wir auch heute nicht zustimmen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Katrin Kunert [DIE LINKE]: Sie sind doch Stadträtin! Wie ist denn die Situation bei Ihnen im Stadtrat?) - Ich bin Stadträtin in Mannheim. Da ist die Situation ganz klar: Seit 2005 sind wir nah an der Zwangsverwaltung. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Also die besten Jahre schon! - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Bei Ihnen wären wir nach zwei Jahren schon so weit gewesen!) Alle vorliegenden Anträge setzen auf den alleinigen Ausbau ausgerechnet der extrem konjunkturanfälligen Gewerbesteuer. Das löst aber nicht die strukturellen Probleme. Diese Achterbahnsteuer ist, neben den rapide wachsenden Ausgaben, gerade das Hauptproblem der Gemeinden. (Manfred Zöllmer [SPD]: Gucken Sie sich doch mal die Zahlen an!) Wir sind uns doch alle in einem einig: Die Kommunen brauchen eine verlässlichere Einnahmequelle, als es die Gewerbesteuer in den letzten Jahrzehnten war. Übrigens zahlen nur 38,8 Prozent aller Gewerbesteuerpflichtigen überhaupt Gewerbesteuer; (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Wohl wahr!) die übrigen 61,2 Prozent erwirtschaften keinen Gewinn oder fallen schon heute unter die Freibetragsgrenze. Gerade einmal 0,1 Prozent dieser Gewerbesteuerzahler generieren über 50 Prozent des Gewerbesteueraufkommens. Mit einer erweiterten Bemessungsgrundlage und gleichzeitiger Erhöhung der Freibeträge würde dieses Missverhältnis nicht kleiner. Viele Kommunen sind bereits heute von einzelnen großen Gewerbesteuerzahlern abhängig und damit vom Wohl und Wehe einzelner Branchen. Ich nenne nur die VW-Stadt Wolfsburg, SAP in Walldorf und BASF in Ludwigshafen. Das erhöht nicht gerade die Planbarkeit kommunaler Einnahmen. Die Vorschläge von den Fraktionen der Linken und der Grünen kennen nur zwei Stoßrichtungen: Erstens. Wir lassen alles beim Alten und fordern einfach mehr Geld von Bund und Land. - Das funktioniert nicht. Vielleicht haben Sie es schon bemerkt: Alle Ebenen kämpfen mit Haushaltsdefiziten. Zweitens. Wir gehen immer stärker in die Substanzbesteuerung, also Hinzurechnung von Kreditzinsen, Mieten, Leasingraten usw. - Sie besteuern damit Ausgaben und nicht Erlöse. Dies widerspricht einem Fundamentalprinzip der deutschen Besteuerung: dem Prinzip der Leistungsfähigkeit. Jeder sollte nach Maßgabe seiner individuellen ökonomischen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung staatlicher Leistungen beitragen. Das erfolgt durch die Besteuerung von Unternehmensgewinnen, aber doch bitte nicht durch die Besteuerung von Ausgaben und Verlusten. Sie wollten vielleicht die Konzerne treffen, Herr Scheelen; getroffen haben Sie aber den Mittelstand, den großflächigen Einzelhandel, innovative Unternehmen, die auf Fremdmittel angewiesen sind. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hält keiner Analyse stand!) Damit provozieren Sie, dass Unternehmen ohne Gewinn steuerpflichtig werden. Sie schwächen das Eigenkapital und verschlechtern die Kreditwürdigkeit. Sie verhindern Investitionen und gefährden den Wirtschaftsaufschwung und Arbeitsplätze, und zwar Arbeitsplätze vor Ort, in den Kommunen. Glauben Sie, so die Finanzlage der Kommunen verbessern zu können? Die Gefahr ist groß, dass eher Steuerausfälle aufgrund von Insolvenzen und damit weniger Sozialversicherungsbeiträge und höhere Kosten bei den Sozialausgaben verursacht werden. (Katrin Kunert [DIE LINKE]: Gehen Sie mal von der Stadt Mannheim aus!) Die Kuh, die man melken will, sollte man nicht schlachten. Das weiß jeder Bauer. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wer die Gemeindefinanzen zukunftsfest gestalten will, muss offen in die Diskussion der vorgeschlagenen Modelle gehen. Ich weise in diesem Zusammenhang auf die Modellrechnungen der Stiftung Marktwirtschaft hin. Entgegen aller Erwartungen hätte ein Ersatz der Gewerbesteuer zum Beispiel für die Großstadt Stuttgart keine negativen Auswirkungen. Stuttgart hätte nach diesem Modell im Jahr 2002 sogar 255 Millionen Euro mehr zur Verfügung gehabt. Andere Kommunen haben in diesem Modell schlechter abgeschnitten; auch das will ich nicht verschweigen. Hier muss ein Ausgleich geschaffen werden. Das zeigt doch klar: Wir brauchen eine differenzierte Betrachtung der Gemeindetypen und eine für alle tragbare Lösung. Festgefahrene Denkmuster verschleiern den Blick in die Zukunft. Denkverbote darf es nicht geben. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Axel Troost von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn im Hinblick auf die vorliegenden Anträge von Schnellschüssen die Rede ist, ist diese Aussage sehr stark zu relativieren. Die Diskussion über die Gewerbesteuer ist sehr alt. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium hat 1980 ein Gutachten vorgelegt, in dem er empfohlen hat, die Gewerbesteuer zu einer Wertschöpfungsteuer weiterzuentwickeln, also im Prinzip in die Richtung, über die wir seither diskutieren. Um was geht es? Es ist eine neue Koalition gebildet worden. Die FDP, die schon immer strikt für die Abschaffung der Gewerbesteuer war, ist Teil dieser Koalition. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Für die Ersetzung!) - Sie wollen sie abschaffen und durch etwas anderes ersetzen; das ist klar. Darauf komme ich gleich zu sprechen. Aber zunächst einmal wollen Sie die Abschaffung der Gewerbesteuer. - Diese Forderung konnte man natürlich nicht in dieser Form in den Koalitionsvertrag aufnehmen, weil es dagegen auch Widerstände gab. Also hat man gesagt: Wir setzen eine Kommission ein. Dort darf es keine Denkverbote geben. Alle Vorschläge müssen geprüft werden. Am Schluss müssen wir entscheiden, was zu tun ist. Es sind schon einige Zahlen genannt worden. Herr Schaidinger, Ihr Kollege von der CSU, der Oberbürgermeister von Regensburg und gleichzeitig Präsident des Bayerischen Städtetages ist, hat einmal ausgerechnet, was es Regensburg kosten würde, den Verlust seiner Gewerbesteuereinnahmen zu kompensieren. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Stadt Regensburg die gleichen Einnahmen wie bisher nur dann erzielen würde, wenn der Mehrwertsteuersatz nicht mehr 19 Prozent, sondern 24,3 Prozent betragen würde. Als er dieses Ergebnis auf die Einnahmen aus der Einkommensteuer übertragen hat, kam er zu dem Ergebnis, dass je Einkommensteuerzahlerin und -zahler im Durchschnitt 2 000 Euro mehr im Jahr aufzubringen wären. Das sind die Größenordnungen, über die wir reden. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Genau! So ist es!) Weil das dem einen oder anderen vielleicht noch nicht schlimm genug erscheint, möchte ich erwähnen: In irgendeiner Konstellation wird man sicherlich auch wieder an die Einkommensteuer herangehen und den Waigel-Buckel abschaffen. Wir wissen, dass dies mit Rieseneinnahmeverlusten verbunden wäre. Das würde die Kommunen, wenn sie ausschließlich von den Einnahmen aus der Einkommensteuer abhängig wären, massiv treffen. Insofern darf man in allen Berechnungen, die man anstellt, nicht nur vom Istzustand ausgehen, sondern muss auch fragen: Was wird im Einkommensteuerrecht zukünftig passieren, und welche Konsequenzen hat das für die Einnahmen der Kommunen? Mit unserem Antrag orientieren wir uns im Wesentlichen an den Vorstellungen des Deutschen Städtetages. Es geht wohlgemerkt nicht - das ist ja der Witz - um den Erhalt der Gewerbesteuer, weil wir wissen, wie schwach sie ist, (Katrin Kunert [DIE LINKE]: Richtig!) sondern es geht um eine Weiterentwicklung der Gewerbesteuer. Wir wollen gewährleisten, dass die Einnahmen aus der Gewerbesteuer nicht mehr so konjunkturabhängig sind und dass man nicht von einzelnen Betrieben abhängig ist. Im Prinzip geht es um die Ausweitung der Bemessungsgrundlage und um die Einbeziehung aller unternehmerisch Tätigen in der Bevölkerung. (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte betonen: In der Finanzwissenschaft gab es, zumindest zu meinen Studienzeiten, nicht nur das Prinzip der Leistungsfähigkeit, sondern es gab im Kommunalbereich auch ein zweites Prinzip: das Prinzip der Äquivalenz. Unternehmen nutzen öffentliche Leistungen, zum Beispiel Straßen, und dafür müssen sie als Äquivalent einen steuerlichen Beitrag leisten. Ich glaube, dass unser Antrag in genau die richtige Richtung zielt. Wir wollen alle unternehmerisch Tätigen, einschließlich freier Berufe wie Ärzte, Anwälte und vieler anderer, in die Steuerpflicht einbeziehen, natürlich mit steuerlichen Freigrenzen; das ist völlig klar. Für den Einzelnen hat das übrigens nur eine bedingte Mehrbelastung zur Folge, weil die steuerlichen Beiträge, die in Form der Gewerbesteuer bzw. der Gemeindewirtschaftsteuer geleistet werden, mit der Einkommensteuer verrechnet werden. Die zusätzliche Belastung ist also gar nicht so hoch. Ich glaube, dass die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer der einzige Weg ist, zu einer wirklichen Stabilisierung der Kommunalfinanzen beizutragen. (Beifall bei der LINKEN) Über den letzten Punkt, den ich ansprechen möchte, wurde im Finanzausschuss besonders kritisch diskutiert: Er hat dazu geführt, dass sich Grüne und SPD enthalten haben. Die Antwort auf die Frage, was der Bund ganz kurzfristig tun kann, um die katastrophale Finanzlage der Kommunen zu verbessern, kann aus unserer Sicht nur lauten: Wir müssen die Aussetzung der Gewerbesteuerumlage an den Bund beschließen. Das ist kurzfristig zu beschließen. Das bedeutet, dass sofort mehr Geld bei den Kommunen bleibt. (Beifall bei der LINKEN - Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Vorschlag für die Gegenfinanzierung auf Bundesebene?) Man muss das vielleicht nicht auf Dauer machen; aber in der jetzigen Situation würde es erst einmal die katastrophale Lage der Kommunen wenigstens ein bisschen verbessern. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Aumer von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Peter Aumer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir alle haben das gleiche Ziel. (Katrin Kunert [DIE LINKE]: Das glaube ich nicht!) - Sie glauben es nicht. - Das Ziel ist das Wohlergehen unserer Kommunen. Wenn Sie von den Linken das ideologisch sehen, dann kommen wir nie zu einer guten Lösung zusammen. Wir ringen in der Regierungskommission darum, eine tragfähige, zukunftsfähige Lösung zu finden. Deswegen hilft Populismus in solchen Diskussionen nichts. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Ist der Regensburger Oberbürgermeister Populist?) - Ich komme aus Regensburg. Ich rede über die Anträge, die Sie gestellt haben. Das Bundeskabinett hat am 24. Februar eine Regierungskommission eingesetzt. Wir arbeiten daran, dass wir bis zum Sommer zukunftsfähige Vorschläge auf den Weg bringen. Sie kommen aber mit Vorschlägen, die nicht durchgerechnet und nicht durchdacht sind. Ich denke, damit legen Sie ein Stück weit Populismus an den Tag. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Auf der Tagesordnung der eingesetzten Kommission findet man - anders als in Ihren Anträgen - nicht nur punktuelle Ad-hoc-Lösungen: Die Kommission kümmert sich im Gesamtzusammenhang um unsere Kommunen. Sie will - das ist ihr grundsätzlicher Ansatz - die Grundlagen der kommunalen Finanzen stärken, und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht. Es geht in diesem Zusammenhang um die kommunalen Finanzquellen, um größere Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume bei der Erfüllung der kommunalen Aufgaben sowie um größere Beteiligung der Kommunen an der Gesetzgebung. Genau das brauchen unsere Kommunen. Entsprechende Vorschläge zu entwickeln, ist der Auftrag dieser Kommission. Für die Kommunalfinanzen gilt: Viele Probleme sind eine Folge der tiefgreifenden Finanz- und Wirtschaftskrise; wir haben aber auch ein strukturelles Problem, das sich über eine längere Zeit entwickelt hat. Gerade deswegen ist es wichtig und richtig, dass die Aufarbeitung dieser Probleme und die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen gemeinsam mit Vertretern der Länder und Kommunen sowie der kommunalen Spitzenverbände erfolgen; das ist das Ziel. Herr Dr. Troost, die kommunalen Spitzenverbände sind daher dabei. Die Einwände des Regensburger Oberbürgermeisters sind berechtigt und richtig. Wir müssen eine gute Reform auf den Weg bringen. Es ist die Stärke der Gemeindefinanzkommission, dass die Sachnähe und Kompetenz der Kommunen und der kommunalen Spitzenverbände genutzt werden. Die Gemeindefinanzkommission hat ihre Arbeit mit hoher Dringlichkeit aufgenommen. Schon im Sommer sollen erste Ergebnisse zur Neuordnung der Kommunalfinanzen vorgelegt werden. Schnelligkeit darf aber nicht vor Sachlichkeit und Sorgfalt gehen. Ziel der Arbeit der Gemeindefinanzkommission ist es, zum einen für die Kommunen stabile und planbare Einnahmen zu schaffen. Zum anderen soll und muss das kommunale Selbstverwaltungsrecht erhalten bleiben. Bei der ganzen Debatte um die Kommunalfinanzen ist es aber auch wichtig, dass die lokale Bindung zwischen Wirtschaft und Kommunen - Herr Dr. Troost, Sie haben das Äquivalenzprinzip angesprochen - erhalten bleibt. Dabei müssen zwei Anforderungen erfüllt werden: Zum einen müssen die Einnahmen der Kommunen unabhängiger von der konjunkturellen Entwicklung gemacht werden als bisher. Die Gewerbesteuereinnahmen sind für die kommunalen Haushalte nicht immer planbar und verlässlich. Deswegen müssen wir eine beständige und verlässliche Grundlage schaffen. Zum anderen dürfen aber Kapital und Liquidität der Unternehmen in Verlustjahren nicht zusätzlich belastet werden. Deswegen werden in der Kommission auch Maßnahmen zur Aufkommensstabilisierung unter Fortbestand der Gewerbesteuer geprüft und erarbeitet, die nicht zugleich die Attraktivität unseres Standorts beeinträchtigen. In der Kommission werden alle Vorschläge auf ihre Realisierbarkeit hin geprüft, und sie müssen gemeinsam mit den Kommunen mit Blick auf die Umsetzbarkeit beraten werden. Wir, die CSU, haben uns festgelegt: Gegen den Willen der Kommunen wird eine Neuordnung der Kommunalfinanzen nicht Gesetz werden. (Beifall des Abg. Dr. Carsten Sieling [SPD]) Dies halte ich für unseren Auftrag. Zuvor hat Herr Scheelen über das Fundament gesprochen, das die Kommunen bilden. Ich habe vorhin im Kürschner nachgeschaut, wie viele Kommunalpolitiker in unserer Fraktion tätig sind. Ich halte es für unser aller Anliegen, geordnete Verhältnisse der kommunalen Haushalte gewährleisten zu können. Deswegen ist diese Art des Populismus, des Aufeinandereindreschens und des Streits, wer denn da die besseren Lösungen findet, nicht der richtige Weg. Wir sollten um die besten Lösungen streiten. Dafür sind wir gewählt worden; dazu werden die Kommission und auch wir einen Beitrag leisten. Ich hoffe, dass wir dabei konstruktiv zusammenarbeiten und die besten Lösungen finden können. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Machen Sie doch Bürokratieabbau! Lassen Sie die Kommission ganz sein!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Abschließend hat die Kollegin Antje Tillmann von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Antje Tillmann (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuhörer! Herr Kollege Troost, Frau Kollegin Kunert! Jetzt hätte ich gern noch den Kollegen Scheelen angesprochen; der hat aber anscheinend keine Lust mehr, über Kommunalfinanzen zu sprechen. Insgesamt fällt auf, dass die SPD prozentual bei dieser Debatte am schlechtesten vertreten ist. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Peinlich! Sehr beschämend!) Das zeigt ein bisschen, wie Ihr Interesse an den Kommunalfinanzen ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Lieber Kollege Troost, ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass Ihrem Titel "Abgeordneter" das Wort "Bundestag" - Sie sind Bundestagsabgeordneter - vorangestellt ist? Sie sind vorrangig Abgeordneter des Bundestages, und das sage ich nicht deshalb, weil ich Ihnen vorwerfen will, dass Sie sich für Kommunen engagieren. Nein, das ist gut und richtig, das tun unsere Kolleginnen und Kollegen auch. Ich selber bin über lange Jahre Kommunalpolitikerin gewesen. Es ist absolut richtig, auf die Situation der Kommunen hinzuweisen. Ein Schuldenstand von 110 Milliar-den Euro bei den Kommunen ist bedrohlich. Es ist in vielen Reden darauf hingewiesen worden, wie die finanzielle Situation ist. Ihr Engagement werfe ich Ihnen nicht vor. Allerdings halte ich es für bedenklich, dass Sie die Situation des Bundes in Ihrem Antrag mit keinem einzigen Wort erwähnen. Ihr Antrag tut so, als könne der Bund aus seinem großen Füllhorn von Einnahmen alle Probleme der Kommunen ohne weiteres lösen, was aber allein daran scheitere, dass wir böswillig die Kommunen schlecht dastehen lassen wollen. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Wir haben auch andere Anträge mit anderen Steuervorschlägen! - Katrin Kunert [DIE LINKE]: Wir könnten ja die Millionärssteuer einführen, zum Beispiel!) - Über das alles können wir gerne diskutieren; auch das können wir in dieser Kommission gern bereden. In Ihrem Antrag steht das alles aber nicht. In Ihrem Antrag steht in fünf Punkten, was Sie dem Bund zumuten wollen, damit die Situation der Kommunen verbessert wird. Genau da werden wir uns nicht einig, Frau Kollegin Kunert. Sie wissen doch selbst, dass der Bund bei einem Defizit von 5 Prozent in diesem Jahr und bei einem Gesamtschuldenstand von 73 Prozent in einer noch sehr viel schlechteren Situation ist als die Kommunen. (Katrin Kunert [DIE LINKE]: Bei der Besteuerung wundert mich das nicht!) Daher meine ich: So einfach, wie Sie es in Ihrem Antrag schreiben, ist es eben nicht. Ich hätte dem Kollegen Scheelen auf seine Frage, ob wir auf irgendetwas aus der Zeit der Großen Koalition stolz sind, gern noch geantwortet: Ja, das bin ich. Dass wir die Schuldenbremse zusammen beschlossen haben, halte ich für eine gute Entscheidung. Aber die Schuldenbremse ist bisher nur Papier, und Sie müssen natürlich mit uns gemeinsam diesem Papier auch Taten folgen lassen. Wir werden mit dem Haushalt 2011 in die Schuldenbremse einsteigen. Ich hoffe sehr, dass Sie sich noch daran erinnern, dass wir das gemeinsam geschafft haben, und dass Sie dann auch bei den Taten entsprechende Beschlüsse folgen lassen. Der Antrag der Linken steht jedenfalls unter dem Motto "Der Bund wird es schon richten". Das beginnt bei den Kosten der Unterkunft, bei denen Sie behaupten, der Bund ziehe sich aus der Verantwortung. Tatsächlich zahlen wir 26 Prozent der Kosten. Das ist der Anteil, für den der Bund die arbeitsmarktliche Verantwortung trägt. Wir sind zuständig für den Anteil, der sich an den Bedarfsgemeinschaften orientiert. Aber Sie wissen auch, dass das Thema noch nicht gegessen ist. Im Vermittlungsverfahren werden wir selbstverständlich auch über die Verteilung dieser Kosten noch einmal reden müssen. Sie erwähnen als zweiten Punkt Soforthilfen für Kommunen. Sie nennen aber keine Summe. Ich nehme einfach einmal den Betrag aus dem Konjunkturprogramm, den wir den Kommunen als Soforthilfe zur Verfügung gestellt haben. Die Kommunen haben im letzten Jahr 10 Milliar-den Euro aus diesem Programm bekommen; diese Mittel wurden um den Anteil der Länder, 3 Milliarden Euro, ergänzt. Sollten wir das erneut tun, würden wir unsere Verschuldung von 80 auf 90 Milliarden erhöhen. Das ergäbe einen Anteil von 0,3 Prozent, den wir noch hinzurechnen müssten. Dies bedeutete ein Scheitern bei der Schuldenbegrenzung, die wir zugesagt haben und wofür wir in der Europäischen Union auch in der Verpflichtung stehen. Ich bin auch sicher, dass es den Kommunen darauf gar nicht ankommt. Die Kommunen wollen keine Zusatzprogramme des Bundes, bei denen wir im Deutschen Bundestag festlegen, was sie mit diesen Mitteln tun müssen. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Richtig!) Selbstverständlich sind wir uns mit den kommunalen Vertretern auch einig geworden, dass der Schwerpunkt auf kindliche Bildung und Infrastruktur sinnvoll ist. Aber tatsächlich wollen die Kommunen gerne selbst entscheiden - das können sie auch, weil sie näher an den Menschen sind -, was sie mit ihren Einnahmen machen. Sie brauchen eine Einnahmequelle, die nicht mit Programmen verbunden ist. So können sie vor Ort selber verantwortlich reagieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ein weiterer Punkt ist die Altschuldenhilfe. Welch intensive Mühe Sie sich bei der Erarbeitung Ihres Antrags gegeben haben, kann man auch in diesem Punkt erkennen; denn es wird keine Zahl genannt. Sie schreiben mit keinem Wort, wie Sie sich die Umsetzung vorstellen. Sie schreiben nicht, ob es eine Zinshilfe oder eine Entschuldung sein soll. Soll der Bund nach Ihrer Auffassung die Schulden der Kommunen in Höhe von 110 Milliarden Euro übernehmen? In diesem Jahr hätten wir damit ein Defizit von 200 Milliarden Euro und ein prozentuales Defizit in Höhe von 9 Prozent, gemessen am BIP. Da ist Griechenland nicht mehr weit. Zu den völlig unüberlegten Vorschlägen, die Sie in Ihrem Antrag machen, gehört auch die Abschaffung der Gewerbesteuerumlage von den Gemeinden an die Länder. Das ist der vierte Vorschlag in Ihrem Antrag. Ihnen ist entgangen, dass der Deutsche Bundestag nicht auf Einnahmen der Länder verzichten kann. Es geht also schon rein rechtlich nicht, was Sie da verlangen. Ich würde gerne Ihren Blick auf das Jahr 1970 lenken. Im Jahr 1970 ist die Gewerbesteuerumlage nämlich nicht auf Antrag des Bundes eingeführt worden, sondern auf Antrag der Kommunen, die schon damals festgestellt haben, dass die Gewerbesteuer sehr schwankungsanfällig ist. Damals haben die Kommunen darum gebeten, einen Anteil an der Einkommensteuer zu bekommen, die weitaus weniger schwankungsgefährdet ist. Wenn wir die Gewerbesteuerumlage abschaffen wollten, dann müssten wir nicht nur sagen, wie die Mindereinnahmen in Höhe von 2 Milliarden Euro kompensiert werden sollen, sondern wir müssten auch gleichzeitig die Kommunen darüber informieren, dass ihr Anteil an der Einkommensteuer mit dieser Vereinbarung obsolet ist. Ich nenne Ihnen ein praktisches Beispiel für die Folgen einer Abschaffung der Gewerbesteuerumlage. Da sie prozentual aus den Einnahmen bestritten wird, sind natürlich jene Städte besonders bevorzugt, die am wenigsten Probleme mit der Gewerbesteuer haben. Wer die höchsten Gewerbesteuereinnahmen hat, zahlt auch die höchste Gewerbesteuerumlage. Ein kleiner Vergleich: Die Stadt Coburg hat ein Gewerbesteueraufkommen von 2 668 Euro pro Einwohner und die Stadt Weimar von 191 Euro. Ich sehe nicht, dass die Stadt Weimar weniger finanzielle Probleme hat als Coburg. Sie wollen mit der Abschaffung der Gewerbesteuerumlage nur den reichen Städten Geld zurückgeben. Das ist keine Lösung des Problems. (Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Sie wollen gar nichts tun! Das ist der Unterschied! - Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr gutes Argument!) Mein letzter Punkt sind die Hinzurechnungen. Ich hätte auch da gerne den Kollegen Scheelen angesprochen, weil bei den Hinzurechnungen nicht das Problem der Steuertrickserei und auch nicht das Problem der Gestaltungsmodelle existieren. Ein Ladenlokal, das vorübergehend Umsatzeinbrüche zu verzeichnen hat, aber trotzdem die Mieten und Pachten zahlen muss, zahlt die Gewerbesteuer aus der Substanz. Wenn man kein Geld mehr nachschießen kann, dann ist die einfachste Lösung die Entlassung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Deshalb bin ich beim Vorschlag, die Substanzbesteuerung auszudehnen, sehr vorsichtig. Ich will nicht verhehlen, dass es kurzfristig ein Erfolg sein kann, aber langfristig sollten wir Unternehmen nur dann mit Steuern belasten, wenn Gewinne tatsächlich eingefahren werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Aus meiner Sicht ist Ihr Antrag keiner, den man aus Sicht eines Bundestagsabgeordneten verantwortlich diskutieren kann. Das ist anders beim Antrag der Grünen. - Frau Haßelmann hört gar nicht, dass ich ihren Antrag gerade lobe. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Das habe ich gehört!) - Gut. - Im Antrag der Grünen gibt es selbstverständlich Punkte, denen ich zustimmen kann. Ja, die Körperschaftsteuer ist ähnlich schwankungsanfällig wie die Gewerbesteuer. Ich kann sehr gut damit leben, dass wir überprüfen, ob Freiberufler in die Gewerbesteuer aufzunehmen sind. Aber das Problem ist - Herr Troost hat eben darauf hingewiesen -, dass eine Anrechnung auf die Einkommensteuer erfolgt. Mir als Steuerberaterin tut das nicht weh, mich kostet die Gewerbesteuer keinen Cent. Ich kann das bei der Einkommensteuer wieder abziehen. Es kommen also auch in dieser Hinsicht erhebliche Mindereinnahmen bei der Einkommensteuer auf uns zu. Wir sollten das diskutieren. Dafür haben wir diese Kommission auf Bundesebene eingesetzt. Zum Ergebnis habe ich noch keine Meinung. Ich glaube, die Gewerbesteuer auch nach sieben Jahren zum fünften oder sechsten Mal zu diskutieren, ist richtig. Falls wir mit den Kommunen zu keinem gemeinsamen Ergebnis kommen - das steht bereits im Kommissionsbericht -, wird keine Veränderung vorgenommen. Ich halte es für schwierig, für die Gewerbesteuer einzutreten, aber immer dann, wenn es Probleme gibt, den Bund aufzufordern, etwas Geld nachzuschießen; denn das ist meist dann der Fall, wenn dem Bund das Wasser ähnlich bis zum Halse steht. Ich kann sehr gelassen den Bericht abwarten, der hoffentlich noch vor der Sommerpause als Zwischenbericht veröffentlicht wird. Die Kommission hat gegenüber der Debatte in diesem Haus den großen Vorteil, dass die Gemeinden mitreden können. Hier reden wir über die Gemeinden und nicht mit den Gemeinden. Ich würde sehr gerne mit der Kommission und den Kommunen über die Probleme reden. Ich glaube, wir sollten den Bericht abwarten. Wir werden die Vorschläge sehr intensiv diskutieren und feststellen, ob nicht der eine oder andere Vorschlag aus Ihrem Antrag, Frau Haßelmann, umzusetzen ist, aber jeweils unter Berücksichtigung der Auswirkung auf den Bundeshaushalt. Dazu gehört ehrlicherweise, dass wir dann bei den Beratungen für den Haushalt 2011 für diese 3 Milliarden Euro, die im Bundeshaushalt wegfallen, eine Gegenfinanzierung finden müssen, damit wir die Schuldenbremse, die bisher ja nur auf dem Papier steht, auch tatsächlich mit Leben erfüllen. Ich glaube, dass uns hier das Ergebnis der Kommission die richtige Richtung weist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/1744 und 17/1764 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel: "Für eine Verstetigung der Kommunalfinanzen - Die Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickeln". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/1783, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/783 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a und 29 b auf: a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und der FDP Steuerhinterziehung wirksam und zielgenau bekämpfen - Drucksache 17/1755 - Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Steuerhinterziehung wirksam bekämpfen - Drucksache 17/1765 - Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Rechtsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich erteile als erstem Redner dem Kollegen Manfred Kolbe von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Manfred Kolbe (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Taxes are what we pay for a civilized society - Steuern sind unser Beitrag für eine zivilisierte Gesellschaft. Das steht über dem Eingang der amerikanischen Steuerbehörde IRS. Meines Erachtens könnte diese Aussage auch über jedem deutschen Finanzamt stehen: Steuern sind die finanzielle Grundlage unseres Gemeinwesens. (Ute Kumpf [SPD]: Das sieht der Herr Solms aber nicht so!) Das heißt auch: Eine zivilisierte Gesellschaft muss sich gegen diejenigen wehren, die sie ausnutzen und schädigen, sowohl durch Steuerhinterziehung auf der Einnahmenseite als auch durch Leistungsbetrug auf der Ausgabenseite. Die unionsgeführte Große Koalition und die jetzt regierende christlich-liberale Koalition haben deshalb zahlreiche gesetzgeberische Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung auf den Weg gebracht, deutlich mehr als die rot-grünen Vorgängerregierungen von 1998 bis 2005. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben durch den neuen § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 Abgabenordnung endlich eine wirksame Strafverfolgung bei der bandenmäßigen Hinterziehung von Umsatz- und Verbrauchsteuern. Das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung nimmt erstmals diesen qualifizierten Tatbestand in den Katalog des § 100 a Strafprozessordnung auf, womit ohne Wissen der Betroffenen eine Telekommunikationsüberwachung und -aufzeichnung ermöglicht wird. Damit haben wir erstmals im Steuerstrafrecht die Möglichkeit der Telekommunikationsüberwachung für besonders schwere Steuerhinterziehungstatbestände. Das hat es vorher nicht gegeben. Wir haben die Verjährungsfrist für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung auf zehn Jahre erhöht. Neben dem Gesetzgeber war auch die Steuerfahndung in Deutschland erfolgreich. Jahr für Jahr haben wir rund 40 000 Verfahren, davon 17 000 Strafverfahren, und Mehreinnahmen in Milliardenhöhe. Auch die Rechtsprechung bekämpft die Steuerhinterziehung energisch. Der Bundesgerichtshof hat jetzt die Strafzumessungsregelungen bei der Steuerhinterziehung präzisiert. Der Strafrahmen von zehn Jahren ist nach Ansicht unserer Fraktion ausreichend; aber bei dem einen oder anderen Urteil empfindet man mitunter dessen Ausschöpfung als etwas unzureichend. Der Bundesgerichtshof hat deshalb jetzt entschieden, dass Freiheitsstrafen bereits ab Hinterziehungssummen von 50 000 Euro möglich sind, ab Hinterziehungssummen von 100 000 Euro unerlässlich sind, allerdings beim Ersttäter noch zur Bewährung ausgesetzt werden. Bei Hinterziehungen in Millionenhöhe schließt der Bundesgerichtshof künftig die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung aus. Wer also Steuern in Millionenhöhe hinterzieht, sitzt tatsächlich. Steuerhinterziehung findet nicht nur im nationalen Bereich, sondern auch im internationalen Bereich statt, weil grenzüberschreitend steuerliche Sachverhalte natürlich schwieriger zu erfassen sind und sogenannte Steueroasen dies bisher durch eine Verweigerung der Zusammenarbeit begünstigt haben. Zentrales Ziel aller Bundesregierungen war es deshalb, den sogenannten OECD-Standard möglichst weitgehend durchzusetzen, wonach für die Besteuerung relevante Informationen auf Ersuchen ausländischer Steuerbehörden zur Verfügung gestellt werden müssen. Zwar akzeptierte die Mehrzahl der Steueroasen den OECD-Standard, verweigerte dann jedoch dessen Umsetzung. Hier haben wir auf dem G-20-Gipfel im April 2009 einen Durchbruch erzielt. Durch die Androhung "schwarzer" bzw. "grauer" Listen haben sich jetzt alle bedeutenden internationalen Finanzzentren bereit erklärt, diesen OECD-Standard anzuerkennen. So weit unser Tätigwerden auf internationaler Ebene. Ich sage Ihnen auch, was wir auf internationaler Ebene im Gegensatz zum vorherigen Finanzminister nicht tun werden. Wir werden nicht mehr völlig Unschuldige und an Steuerhinterziehung völlig Unbeteiligte wie etwa die Indianer oder die Republik Burkina Faso mit ihrer Hauptstadt Ouagadougou beleidigen. Das ist - das sagen wir ganz deutlich - nicht unsere Politik. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Suaviter in modo, fortiter in re - maßvoll im Ton, hart in der Sache: So ist die Politik der christlich-liberalen Bundesregierung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gerade in jüngster Zeit haben die Bundeskanzlerin und auch der Bundesfinanzminister beim Ankauf der Steuersünder-CD sofort energisch gehandelt. Sofort nachdem dies bekannt geworden ist, hat die Bundeskanzlerin am 1. Februar gesagt - ich zitiere -: Vom Ziel her sollten wir, wenn diese Daten relevant sind, auch in ihren Besitz kommen. Jeder vernünftige Mensch weiß, dass Steuerziehung geahndet werden muss. So weit das Zitat der Bundeskanzlerin. Hier wurde also nicht moderiert, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, sondern Führungsstärke bewiesen. Der Ankauf dieser CD ist natürlich nicht ganz unproblematisch. Die Frage, ob fehlerhaft gewonnene Beweise, hier ein rechtswidrig gewonnenes Beweisstück, prozessual verwertet werden dürfen oder ob wir zu einem sogenannten Beweisverwertungsverbot kommen, ist natürlich eine schwierig zu beantwortende Frage des Strafrechts und des Strafprozessrechts. Aber wir haben diese Frage entschieden, und zwar richtig. Mittlerweile werden die deutschen Finanzämter aufgrund dieser ersten CD sowie weiterer angebotener CDs mit Selbstanzeigen geradezu überflutet. Seit Jahresbeginn sind knapp 20 000 Selbstanzeigen eingegangen. Diese sollen bisher zu Mehreinnahmen von rund 4 Milliarden Euro geführt haben. Nur rund 15 Prozent dieser Selbstanzeigen stehen im direkten Zusammenhang zu den angekauften CDs. 85 Prozent sind reine Folgewirkungen aufgrund der Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige. Damit ergibt sich unserer Ansicht nach auch ganz klar die Antwort auf die Frage, wie wir mit dem Gesetzentwurf der SPD verfahren sollen, der ja die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 Abgabenordnung ersatzlos abschaffen will. Dies lehnen wir ab. Wir meinen, der Gesetzentwurf ist etwas schlicht. Man muss sich Gedanken machen (Manfred Zöllmer [SPD]: Aber die richtigen! - Ute Kumpf [SPD]: Und nicht zu lange, Herr Kollege!) über die strafbefreiende Selbstanzeige, über die kriminalpolitischen Zielsetzungen einerseits und die fiskalpolitischen Zielsetzungen andererseits. Diese stehen - das sei zugegeben - zum Teil im Widerspruch. Aber einfach zu sagen "Weg damit!", damit machen Sie es sich etwas zu einfach. Das ist nicht unser Weg. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich möchte kurz an die Historie erinnern - Frau Kressl, Sie werden es noch wissen -: Als Rot-Grün noch regierte, wurde ein völlig anderer Weg gegangen. Ich erinnere an die Brücke in die Steuerehrlichkeit. Das war die Amnestie aus dem Jahre 2003. (Nicolette Kressl [SPD]: Anders als Sie lernen wir dazu!) Auch Herr Schick sollte hier einmal zuhören. (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich höre Ihnen stets zu!) Das war eine Maßnahme der rot-grünen Regierung. Damals wollte man Steuerhinterziehern bei einer strafbefreienden Erklärung einen ermäßigten Steuersatz von 25 bzw. 35 Prozent einräumen. Wenn wir das jetzt vorschlagen würden, würden Sie uns in der Luft zerreißen. Das war rot-grüne Steuerhinterziehungsbekämpfungspolitik. Meine Fraktion geht seit jeher den richtigen Mittelweg. (Lachen bei der SPD - Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Egal, wo die Mitte ist!) Wir treten einerseits für die grundsätzliche Beibehaltung der strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 Abgabenordnung ein, möchten aber andererseits dort, wo die Selbstanzeige mit krimineller Energie von Anfang an bereits Teil einer Hinterziehungsstrategie ist, engere Schranken setzen. Die strafbefreiende Selbstanzeige ist der verfassungsrechtlich anerkannte Weg zurück in die Steuerehrlichkeit. Die Regelungen des § 371 Abgabenordnung beruhen sowohl auf fiskalpolitischen als auch auf kriminalpolitischen Zielsetzungen. Fiskalpolitisch wollen wir damit bisher verheimlichte Steuerquellen erschließen, die auch eine verstärkte Finanzverwaltung nicht aufspüren könnte. Kriminalpolitisch wird damit dem Prinzip der tätigen Reue Rechnung getragen. Wer die Wirkung einer Tat rückgängig macht, wird milder behandelt. Die strafbefreiende Selbstanzeige ist kein deutsches Sonderrecht, sondern es gibt sie in ähnlicher Form auch in den meisten anderen europäischen Staaten und den USA. So weit zur grundsätzlichen Bejahung des § 371 Abgabenordnung. Wir sagen aber auch: Die Flut der Selbstanzeigen - gerade nach dem Ankauf der CD mit Daten über Steuersünder - zeigt, dass nicht immer, um es vorsichtig zu sagen, nur ehrliche Reue der ausschlaggebende Grund für die Steuerehrlichkeit war. Vielmehr war es oft die Angst vor Entdeckung oder das Nichtaufgehen einer kühl kalkulierten Hinterziehungsstrategie. Wir wollen die Erkenntnisse aus den letzten Monaten dazu nutzen, das Institut der strafbefreienden Selbstanzeige zu überprüfen. Wir wollen dieses Institut erhalten, aber es darf nicht mehr als Mittel einer Hinterziehungsstrategie missbraucht werden. Deshalb haben wir in unserem Antrag einige Prüfwünsche und mögliche Änderungen aufgezeigt. Wir bitten die Bundesregierung, diese Vorschläge mit ihrem Sachverstand, sicherlich gemeinsam mit den Ländern, zu prüfen. Erstens. Wir wollen die Teilselbstanzeige ausschließen. Wer Selbstanzeige erstattet, muss sich vollständig offenbaren. Er darf nicht scheibchenweise nur die Taten nennen, deren Entdeckung er möglicherweise befürchtet, sich beispielsweise, wenn das Land A gerade besonders im Fokus ist, nur für das dort deponierte Geld erklären, das Geld in Land B und C aber weiterhin verheimlichen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Montag, Herr Kolbe? Manfred Kolbe (CDU/CSU): Jawohl. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kolbe lässt die Zwischenfrage zu. - Bitte. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. - Herr Kollege, ich habe über Ihre Idee mit Interesse gelesen. Da Sie sie jetzt wiederholen, habe ich sie nun auch mit Interesse gehört. Ich wollte Sie fragen, wie sich Ihre Fraktion die Lösung dieser Problematik vorstellt. Ich nenne eine ganz klare Konstellation: Jemand hat Steuern hinterzogen, indem er Geldbeträge in zwei ausländischen Staaten deponiert hat. Jetzt macht er eine Selbstanzeige und zeigt den Sachverhalt A an. Von dem Sachverhalt B weiß niemand. Er erklärt, dass es eine vollständige und richtige Anzeige ist. Dann wird er so behandelt, als habe er eine vollständige umfängliche Selbstanzeige gemacht. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Strafbefreiung in einer solchen Konstellation nicht gewährt wird, wenn der zweite Sachverhalt weder den Ermittlungsbehörden noch den Finanzbehörden noch sonst jemandem bekannt ist? Manfred Kolbe (CDU/CSU): Herr Kollege, erstens tun Sie mir und meiner Fraktion zu viel der Ehre an, wenn Sie sagen, das sei unsere Idee. Hierbei handelt es sich um eine in der Literatur heftig umstrittene Frage. Wir wollen überprüfen, ob dies helfen kann, Hinterziehungsstrategien einzugrenzen. Denn es ist ganz klar kein Fall von tätiger Reue, wenn jemand Schwarzgelder in den Ländern A, B und C hat, A erklärt, aber B und C für sich behält. Wie weit das im Einzelnen geht und ob wir da eventuell Probleme mit der Rechtskraft bekommen, soll im Rahmen des Prüfauftrags detailliert geprüft werden. Wir legen heute keinen abschließenden Gesetzentwurf vor. Wir zeigen Wege auf, wie man zu einem sachgerechten Mittelweg kommt, also Erhaltung des Instituts, aber Verhinderung des Missbrauchs. - Danke für die Frage. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gern geschehen!) Zweitens. Wir wollen über den Zeitpunkt der Tatentdeckung nachdenken. Wann ist eine Tat entdeckt? Ist dazu die vollkommene Ausermittlung des Sachverhaltes erforderlich, wie es derzeit die Rechtsprechung fordert, oder reicht dazu ein tatsachengestützter Anfangsverdacht? Ein anderer Fall ist die Betriebsprüfung. Muss der Betriebsprüfer erst erscheinen - dazu gibt es nette Klausurfälle, denn manchmal wird ihm am Gartentor die entsprechende Selbstanzeige übergeben und je nach dem, ob die Selbstanzeige vor oder hinter dem Gartentor stattfand, ist zu entscheiden, ob die Strafbefreiung eintritt oder nicht -, oder reicht der Zugang der Betriebsprüfungsanordnung aus? Drittens. Wir denken auch über einen Zuschlag zu den Hinterziehungszinsen nach, (Beifall des Abg. Jerzy Montag [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]) damit derjenige, der hinterzieht, nicht besser als derjenige behandelt wird, der zwar deklariert, aber aus irgendwelchen Gründen nicht zahlt. Das ist eine Reihe von Prüfaufträgen an das BMF, die uns in den nächsten Monaten beschäftigen wird, aber die eine gute Lösung dieses Problems in Aussicht stellt. Lassen Sie mich abschließend sagen, dass natürlich trotz internationaler Finanzkrise ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem ein Beitrag zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung ist. (Beifall bei der FDP) Ich zitiere den deutschen Nationalökonomen Hans-Karl Schneider, der einmal gesagt hat: Wer mehr als die Hälfte seines Einkommens an das Finanzamt abführen muss, ist mehr darauf bedacht, Steuern zu sparen, als darauf, Geld zu verdienen. Auch daran ist etwas Wahres. Zu einer Bekämpfung der Steuerhinterziehung gehört deshalb auch ein Steuersystem, das von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert wird, in dem sie zwar nicht gerne ihre Steuern zahlen - das wäre vielleicht zu viel verlangt -, in dem sie aber den Sinn und Zweck einsehen, nämlich die finanzielle Grundlage unseres Gemeinwesens zu schaffen. In diesem Sinne werden wir unseren Antrag beraten und hoffen auf eine möglichst breite Zustimmung. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Martin Gerster von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Martin Gerster (SPD): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man dem Kollegen Kolbe zuhört, dann gewinnt man den Eindruck, dass die schwarz-gelbe Koalitionszusammenarbeit eine neue Speerspitze im Kampf gegen Steuerhinterziehung ist. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Das ist nicht nur ein Eindruck!) Aber wenn man nicht nur kurz hinschaut, sondern auch ein bisschen am Lack kratzt, also sich die vorliegenden Anträge genauer ansieht, dann stellt man fest: große Erwartungen, große Ziele. Aber was steckt dahinter? In der Gemengelage der parlamentarischen Initiativen sehen wir: Die SPD-Fraktion legt einen Gesetzentwurf vor, in dem ganz konkret etwas gefordert wird. Von den anderen Fraktionen gibt es Anträge. Die Fraktion Die Linke hat ihren Antrag mit den Worten überschrieben: "Den Kampf gegen Steuerhinterziehung nicht dem Zufall überlassen". Wie in einem Überbietungswettbewerb heißt es als Überschrift in dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: "Steuerhinterziehung wirksam bekämpfen". Sie von der Koalition setzen noch eins drauf und titeln in Ihrem Antrag: "Steuerhinterziehung wirksam und zielgenau bekämpfen". (Dr. Daniel Volk [FDP]: Genau!) Wenn man sich aber Ihren Antrag anschaut, dann wird sehr schnell deutlich, dass die Wunschehe von Union und FDP zerrüttet ist. Es gibt kein Thema, bei dem das so deutlich wird wie beim Thema Steuern und Steuerhinterziehungsbekämpfung. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das ist Unsinn!) Deswegen sage ich: Das, was Sie hier machen, ist Schaumschlägerei. Herr Kolbe, Sie selber haben das Thema Steuer-CD angesprochen. Das, was in Baden-Württemberg veranstaltet wird, ist wirklich nicht toll. Zuerst sagt die Landesregierung: Wir wollen die Steuer-CD erwerben. Dann erklärt der FDP-Justizminister Goll: Das wollen wir doch nicht machen. Bis heute ist noch nicht geklärt, was mit der angebotenen Steuer-CD und den darauf befindlichen Daten von Steuerhinterziehern passieren soll. Auf die Frage, ob sie nun erworben wird oder nicht, sind Sie die Antwort schuldig geblieben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konkret zu Ihrem Antrag "Steuerhinterziehung wirksam und zielgenau bekämpfen" sage ich: Je ambitionierter die Überschrift, desto weniger Inhalt. Zwar ist Ihr Antrag umfangreich und umfasst viele Seiten, Herr Kolbe, aber eigentlich ist das ein Nichtantrag. Viel von dem Wenigen, das Sie darin formulieren, kennen wir aus der letzten Legislaturperiode. Motor war dabei aber nicht die Unionsfraktion, sondern die SPD-Fraktion mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. (Beifall bei der SPD) Sie von der Union waren die Bremser, und die FDP-Fraktion hat immer dagegen gestimmt. Insofern verstehe ich gar nicht, wie Sie sich überhaupt darauf einigen konnten, dies als Pluspunkte in Ihren Antrag zu schreiben. In der Tat ist es so, dass Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und die SPD-Fraktion einiges Gute auf den Weg gebracht haben. Ich denke an das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, an die Durchsetzung der OECD-Standards und die Austrocknung der Steueroasen, aber auch an die Veränderung der Fristen für die Verjährung in Bezug auf die Verfolgung, die wir im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2009 vorgenommen haben. Deswegen sage ich an dieser Stelle: Sie schmücken sich in diesem Antrag mit fremden Federn. Es wäre schön gewesen, wenn Sie gesagt hätten, wer bei dieser Entwicklung Motor und wer Bremser war. Herr Kolbe, wenn man schaut, was konkret in Ihrem Antrag steht, dann wird es wirklich dünn. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Gerster, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kolbe? Martin Gerster (SPD): Ja, gerne. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte schön. Manfred Kolbe (CDU/CSU): Herr Gerster, Sie haben zugegeben, dass wir eine lange Liste mit dem füllen können, was unionsgeführte Bundesregierungen seit 2005 zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung unternommen haben. Können Sie aus dem Stegreif eine ebenso lange Liste mit den Maßnahmen anfüllen, die Rot-Grün in der Regierungszeit von 1998 bis 2005 zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung ergriffen hat? Martin Gerster (SPD): Da ist ebenfalls einiges passiert, Herr Kolbe. (Manfred Kolbe [CDU/CSU]: Dann schießen Sie mal los!) Ich sage Ihnen ganz deutlich: Im Rahmen der Großen Koalition kamen die Initiativen von Herrn Steinbrück und von der SPD-Fraktion. Sagen Sie doch einmal, welche Initiative in der Zeit der Großen Koalition aus der Feder des Wirtschaftsministers gekommen ist. Von dort habe ich Initiativen vermisst. Von dort ist gar nichts gekommen. (Manfred Kolbe [CDU/CSU]: Die Frage haben Sie nicht beantwortet!) - In der Anhörung, die ja noch ansteht, können wir gerne noch einmal darüber beraten. Da gibt es einiges, das ich Ihnen dann sicherlich mitteilen kann. (Manfred Kolbe [CDU/CSU]: Da müssen Sie erst scharf nachdenken!) Schauen wir doch einmal konkret in Ihren Antrag. Er ist Beratungsgegenstand und nicht die Vergangenheitsbewältigung. Das, was Sie da vorschlagen, ist wirklich dünn. Ich halte es für abenteuerlich, wenn Sie im Antrag behaupten, dass Steuersenkungen als Maßnahme gegen Steuerhinterziehungen gelten können. Es ist ja wirklich unglaublich, dass hier das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz aufgeführt wird und ganz gezielt darauf verwiesen wird, dass es als Maßnahme gegen Steuerhinterziehung gelten soll. Ich frage mich, ob die Zusatzsubventionen für Hoteliers die Steuerehrlichkeit in Deutschland fördern können. Wie soll denn das funktionieren? Das steht in Ihrem Antrag. Das ist doch ein zusätzlicher Aufbau von Steuerbürokratie und lädt geradezu dazu ein, keine richtigen Angaben zu machen. Insofern sage ich: Das, was Sie in Ihren Antrag geschrieben haben, ist lachhaft. Ansonsten enthält der Antrag eine Reihe von Prüfaufträgen. Herr Kolbe, Sie haben darauf hingewiesen, dass die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straffreiheit bei Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung eingebracht hat. Ich bin überrascht, dass Sie das nicht aufgreifen; denn noch im Februar hieß es in der Augsburger Allgemeinen Zeitung wie folgt: Die momentane Entwicklung der Selbstanzeigen "pervertiere den Sinn des Gesetzes" ... - so Ihr Fraktionskollege Michelbach wörtlich - Sie zeige, dass Selbstanzeigen nicht aus Reue, sondern aus Angst vor Entdeckung vorgenommen würden. Michelbach forderte daher die Abschaffung der Regelung. Ehrlich gesagt vermisse ich das in Ihrem Antrag. Schade, dass Sie die Anregung vom Kollegen Michelbach nicht aufgenommen haben. In der Anhörung werden wir die Experten, beispielsweise von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, hören. Sie werden uns sagen, wie wir an dieser Stelle vorgehen sollen. (Antje Tillmann [CDU/CSU]: Die fordern das auch nicht mehr!) Wir von der SPD-Fraktion stehen dazu: Wir wollen die Straffreiheit bei Selbstanzeige abschaffen. Wir wollen die Steuerfahndung ausbauen. Letztendlich wollen wir - ich glaube, das ist in diesem Zusammenhang wichtig - den Verfolgungsdruck auf diejenigen erhöhen, die systematisch und mit krimineller Energie Steuern hinterziehen. Das ist unser Auftrag. Deswegen sage ich: Wir von der SPD-Fraktion sind mit unserem Gesetzentwurf aus meiner Sicht auf dem richtigen Weg. Ihr Antrag besteht aus vielen Prüfaufträgen - aus einem bunten Kessel -, und eigentlich ist nicht wirklich etwas dabei, was man greifen kann. Aber es gibt ja noch die Anhörung Ende Juni. Dort werden wir ein paar Stunden lang beraten und die Sachverständigen hinzuziehen. Ich freue mich auf diese Diskussion und natürlich auch auf die Diskussion im Finanzausschuss. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Volker Wissing von der FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Volker Wissing (FDP): Ich danke Ihnen. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man eine so angespannte Haushaltslage hat, wie wir sie gegenwärtig haben, (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann muss man Steuern senken!) dann haben die Bürgerinnen und Bürger ein Recht darauf, dass unser Steuerrecht stringent vollzogen wird. Weil hier im politischen Raum immer wieder die Behauptung laut wird, dass Steuerhinterziehung nicht bekämpft und viel Populismus mit diesem Thema betrieben wird, (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach ja!) haben die Koalitionsfraktionen einen Antrag vorgelegt, damit die Bürgerinnen und Bürger auch einmal sehen, was dieser Staat in der Vergangenheit alles getan hat, um Steuerhinterziehung stringent zu verfolgen; denn das sind wir den ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schuldig. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Gleichwohl gibt es das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige, und viele verstehen nicht, warum es das gibt. Wir verzeichnen 18 000 Selbstanzeigen, mit denen Steuermehreinnahmen in Höhe von 1,25 Milliarden Euro verbunden sind. Das spricht eine klare Sprache. Deswegen kann man sagen, dass sich die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige im deutschen Steuerrecht bewährt hat. Deswegen wollen wir daran festhalten. Wir wollen die Verfolgung von Steuersündern nicht erschweren, sondern wir wollen sie vereinfachen. Kaum dass Sie jetzt in der Opposition sind, stellen Sie sich, nachdem Sie die strafbefreiende Selbstanzeige elf Jahre lang, als Sie die Regierungsverantwortung hatten, aus guten Gründen nicht abgeschafft haben, hier hin und schreien laut: Das muss weg. (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so wie mit Ihrem Steuerkonzept!) Herr Kollege Gerster, in unserem Steuerrecht wird auf Kooperation gesetzt. Das ist ein sehr kompliziertes Steuerrecht. Das ist etwas, was man an anderer Stelle diskutieren muss. Es setzt auf Kooperation, die nicht nur freiwillig ist. Die Steuerbürger müssen den Steuerbehörden alle Informationen mitteilen, auch wenn sie in der Vergangenheit falsche Angaben gemacht haben. Wir haben ein Strafrecht, das besagt, dass sich niemand selbst belasten muss. Wenn Sie jetzt die strafbefreiende Selbstanzeige abschaffen und die Kooperationspflicht im Steuerrecht beibehalten, dann frage ich: Können Sie mir einmal sagen, wie das gehen soll? (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deswegen gibt es nicht nur Gründe der Vereinfachung und fiskalpolitische Gründe dafür, dass die strafbefreiende Selbstanzeige richtig und wichtig ist. Es gibt auch verfassungsrechtliche Gründe dafür, warum wir sie brauchen. Deswegen wollen wir sie auch nicht infrage stellen. Jetzt sind Sie also doppelt des Populismus entlarvt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Wissing, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gerster? Dr. Volker Wissing (FDP): Ja. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte schön, Herr Gerster. Martin Gerster (SPD): Herr Kollege Wissing, ich bin jetzt doch etwas überrascht, dass Sie die strafbefreiende Selbstanzeige als bewährtes Instrument bezeichnen. Mir liegt hier ein Artikel aus dem manager magazin vom 19. Februar 2010 vor. Darin war zu lesen: Auch der Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses, Volker Wissing (FDP), stellt ... das Instrument der Selbstanzeige infrage. Wissing beklagt demnach, das Gesetz werde - so wörtlich - "oft missbraucht", es bestehe eine "krasse Gerechtigkeitslücke". Können Sie mir Ihre Rolle rückwärts in diesem Punkt erklären? (Manfred Zöllmer [SPD]: Das war vor der Wahl!) - Das war vor der NRW-Wahl. Dr. Volker Wissing (FDP): Das kann ich Ihnen erklären, und das hätte ich jetzt auch noch weiter ausgeführt. Im Übrigen können Sie das auch dem Antrag entnehmen, in dem ganz klar steht - das steht auch in dem Artikel, den Sie zitiert haben; wenn sie ihn vollständig zitiert hätten, dann hätten Sie das auch vorgelesen -, dass ich das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige nicht aufgeben möchte. Wir sind es den Menschen aber schuldig, kontinuierlich zu überprüfen, ob es einen Reformbedarf, einen Verbesserungsbedarf oder einen Präzisierungsbedarf gibt, weil es immer das Ziel sein muss, die Einhaltung der Steuergesetze stringent zu beachten und diejenigen, die sie nicht beachten, stringent zu verfolgen. Nichts anderes habe ich in der Öffentlichkeit gesagt, und nichts anderes sage ich heute an diesem Mikrofon. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Kollege Gerster, Sie sind in doppelter Hinsicht des Populismus entlarvt: zum einen, weil Sie in elf Jahren Regierungsverantwortung nicht umgesetzt haben, was Sie heute fordern, und zum anderen, weil es nicht sinnvoll ist. Deswegen sagen auch die noch verbliebenen SPD-Finanzminister in den Ländern - es gibt ja nicht mehr viele -, dass erst die Straffreiheit Steuersündern einen Anreiz bietet, auf den Pfad der Tugend zurückzukehren. Durch die Straffreiheit eröffnet sich für den Staat die Chance, Einnahmen zu erzielen. Das sagt Ihr Finanzminister in Rheinland-Pfalz, Carsten Kühl, und er hat recht. Aus diesem Grund haben auch die Bundesfinanzminister der SPD diesem Mann nie widersprochen, sondern sie haben genau dasselbe getan wie der Finanzminister in Rheinland-Pfalz, nämlich sich für den Erhalt der strafbefreienden Selbstanzeige eingesetzt. Also bleibt festzuhalten: Die Sozialdemokraten haben elf Jahre lang an dem Instrument festgehalten. Die sozialdemokratischen Finanzminister halten an diesem Instrument fest. Es passt in unsere Rechtsordnung, und deswegen hält auch diese Koalition an diesem Instrument fest. Das heißt noch lange nicht, dass man nicht die Diskussionen verfolgt, die sich um die Anwendung dieses Rechtsinstruments drehen. Der Kollege Kolbe hat bereits darauf hingewiesen, dass darüber diskutiert wird, ob es im Einzelfall ausreicht, die strafbefreiende Selbstanzeige an der Gartentür abzugeben, oder ob man das noch an der Wohnungstür machen kann bzw. ob der Vorgarten oder der Pfad zwischen Vorgarten und Haustür die entscheidende Schwelle ist, und dass überlegt wird, diese Situation abzuschaffen, weil sie unwürdig ist. Denn hinter der strafbefreienden Selbstanzeige verbirgt sich auch eine gewisse Großzügigkeit. Wir wollen nicht, dass jemand eine strafbefreiende Selbstanzeige neben der Haustür liegen hat, um sie schnell zu holen, wenn er erwischt wird, und sich Straffreiheit zu verschaffen; einstweilen genießt man die Vorteile der Steuerhinterziehung. Das wollen wir nicht, weil wir immer dafür eingetreten sind, die Steuergesetze stringent zu vollziehen und weil es für uns eine zentrale Frage für die Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft ist. Aber man muss eine kluge und sinnvolle Regelung finden, die auch rechtsstaatlich in Ordnung ist und die fiskalpolitischen Interessen des Staates wahren muss. Das macht diese Koalition. Wenn Sie regieren würden, dann hätten Sie einen solchen Antrag niemals vorgelegt. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Richard Pitterle von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Richard Pitterle (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! "Nur zwei Dinge auf Erden sind uns ganz sicher: der Tod und die Steuer", sagte einst der amerikanische Präsident Benjamin Franklin. Mit dem ersten Punkt hatte er recht. Beim zweiten konnte er sich offensichtlich nicht vorstellen, dass es Zeitgenossen geben würde, die eine ungeheure Fantasie und Energie entfalten, ihrer staatsbürgerlichen Verpflichtung zur Zahlung der Steuer zu entgehen. Diese handeln nach dem Motto "Steuern zahlen nur die Dummen" und hoffen darauf, dass man zu dumm ist, um ihnen auf die Schliche zu kommen. Meistens haben sie leider recht. Die Ausmaße der Steuerhinterziehung sind im Zuge der Affäre um den Ankauf der Steuer-CD aus der Schweiz mehr als deutlich geworden. Laut Medienberichten haben sich bis jetzt mehr als 18 000 Steuer-kriminelle selbst angezeigt und dem Fiskus 1,25 Mil-liarden Euro zurückgezahlt. Dabei ist die Schweiz auch nur eine der sogenannten Steueroasen auf dieser Welt. Wir müssen endlich alle Steueroasen austrocknen, wenn wir mehr Steuergerechtigkeit erreichen wollen. (Beifall bei der LINKEN) In Anbetracht dieser immensen Summen aus der Steuerhinterziehung und der dramatischen Situation der öffentlichen Haushalte - wir haben heute schon über die Kommunalfinanzen diskutiert - begrüßen wir grundsätzlich alle Initiativen, die das Ziel haben, Steuerhinterziehung effektiv zu bekämpfen. Bei der Regierungskoalition bleibt die Frage, warum sie nicht schon früher mehr unternommen hat und ob tatsächlich mehr herauskommt als vollmundige Ankündigungen. Denn es reicht nicht, immer nur den Mund zu spitzen. Wer den Mund spitzt, muss auch pfeifen. (Beifall bei der LINKEN) Hellhörig werde ich, wenn im Antrag der Regierungskoalition davon die Rede ist, dass zur Umsetzung der OECD-Standards bestehende Doppelbesteuerungsabkommen nicht angepasst werden müssten. Die bestehenden Regelungen zum Informationsaustausch seien ausreichend, heißt es in Ihrem Antrag, soweit der Abkommenspartner in Bezug auf den Zugang zu Bankinformationen keinen Beschränkungen aufgrund seines nationalen Rechts unterliege. Das Problem dabei ist jedoch, dass die Bestimmungen im OECD-Musterabkommen zum Informationsaustausch nicht geeignet sind, unserer Steuerverwaltung die notwendigen Informationen über die Geldanlagen der Steuerkriminellen zu verschaffen. Da liegt doch der Hund begraben. Die Länder, die als Steueroasen genutzt werden, können nämlich OECD-Standards akzeptieren und gerade so weitermachen wie bisher; denn sie können sich darauf berufen, dass ihre Verwaltungen gar keine Informationen von den Banken erheben und sie durch Art. 26 Abs. 3 des OECD-Standards explizit davon enthoben sind, ihre Verwaltungspraxis ändern zu müssen. Das wissen Sie doch ganz genau. Sie wollen uns und den Menschen im Land Sand in die Augen streuen. Das ist doch ein Skandal. (Beifall bei der LINKEN) Die Linke fordert, die betreffenden Staaten nicht nur zur Umsetzung der OECD-Standards zu verpflichten, sondern mit ihnen zu vereinbaren, funktionierende innerstaatliche Mechanismen zu schaffen, die zur Erlangung der von unserer Steuerverwaltung angefragten Informationen unerlässlich sind. Kommt der betreffende Staat dieser Vereinbarung nicht nach, so ist das Abkommen mit ihm zu kündigen, dieses Land als nicht kooperativer Staat zu definieren und die Verordnung zur Steuerhinterziehungsbekämpfung anzuwenden. Zum Thema der strafbefreienden Selbstanzeige. Kaum hatte eine Oppositionsfraktion hier im Haus den Antrag gestellt, diese abzuschaffen, kommt die Regierungskoalition mit ihrem Prüfauftrag an die Regierung, wie die Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige verschärft werden könnten. Das kennen wir schon aus der Märchenwelt: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann prüfen sie noch heute. (Beifall bei der LINKEN) Damit Sie mich nicht missverstehen: Aus meiner juristischen Sicht und Praxis sind vernünftige Vorschläge dabei. Aber warum soll geprüft und nicht sofort umgesetzt werden? Sie selber haben doch auf die vielen Vorschläge in der juristischen Literatur hingewiesen. Ich habe kein Vertrauen, dass Sie das zügig umsetzen. Auch die Menschen im Land glauben Ihnen nicht. Es gäbe noch viel zu diesem Thema zu sagen. Aber ich sehe, dass meine Zeit abgelaufen ist - die Zeit der Steuerhinterzieher hoffentlich auch bald. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat das Wort der Kollege Dr. Gerhard Schick von Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegen heute zwei Anträge - einer von den Koalitionsfraktionen und einer von Bündnis 90/Die Grünen - vor. Der Gesetzentwurf der SPD steht heute nicht zur Diskussion. Über ihn werden wir demnächst im Ausschuss diskutieren. Was den Antrag der Koalitionsfraktionen betrifft: Sie waren sehr fleißig und haben auf zehn Seiten eine umfassende Zusammenschau gemacht. Ich wünschte mir, dass auch Kleine Anfragen so ausführlich beantwortet würden. Aber Sie schreiben eigentlich nichts Entscheidendes zu dem, was die Bundesregierung auf nationaler Ebene vorhat. Dort, wo es um nationale Angelegenheiten geht, schreiben Sie plötzlich etwas über Umsatzsteuerbetrug. Das hat mit Einkommensteuerhinterziehung überhaupt nichts zu tun. Im Endeffekt handelt es sich bei Ihrem Antrag um eine Fleißaufgabe mit angehängtem Prüfauftrag. Das ist für Regierungsfraktionen schwach. Ihr Antrag geht aber auch inhaltlich an der Sache vorbei. Die strafbefreiende Selbstanzeige hat sich in der vorhandenen Form doch nicht bewährt. Sie hat vielmehr falsche Anreize gesetzt und dazu geführt, im Zweifelsfall zuzuwarten. Bevor der Ermittler vor der Tür steht, erhalten die Betreffenden häufig Hinweise von den geprüften Kreditinstituten oder - wie bei den Steuer-CDs - aus der Öffentlichkeit. Die Möglichkeit, Reue zu zeigen, wird häufig instrumentalisiert, um noch besser Steuern zu hinterziehen. An dieser Stelle besteht Korrekturbedarf. Als wir vor kurzem eine Kleine Anfrage gestellt haben, war noch nicht die Rede davon, dass Sie korrigieren wollen. Nun wollen Sie das prüfen. Ich sage an die Adresse der Bundesregierung: Es ist notwendig, hier sehr genau zu präzisieren. Es reicht nicht aus, wie Herr Wissing zu argumentieren, dass es ein gewisses Aufkommen durch die strafbefreiende Selbstanzeige gibt. Vielmehr muss man schauen, wo die strafbefreiende Selbstanzeige vielleicht dem guten Anreiz entgegensteht, steuerehrlich zu sein. Diese beiden Sachverhalte sind gegeneinander abzuwägen. Wir jedenfalls sehen erheblichen Korrekturbedarf. In unserem Antrag geht es allerdings nicht nur darum. Wir schlagen darüber hinaus eine ganze Reihe von Maßnahmen vor, von denen bei Ihnen nicht die Rede ist, obwohl an den entsprechenden Stellen dringend etwas getan werden müsste. Erstens. Das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz ist immer noch ein stumpfes Schwert, ein Schwert, das nicht wirkt, weil Sie es nicht anwenden. Das muss korrigiert werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zweitens. Was die Bundessteuerverwaltung angeht, ist es nicht so, wie Sie es schreiben: dass steuerlich relevante Informationen ohne Mithilfe der Beteiligten nicht aufgeklärt werden können. Die Frage ist, ob wir unsere Verwaltungen in die Lage versetzen, Aufklärung zu betreiben. Die Vorkommnisse in Hessen zeigen uns, wie CDU/FDP-Regierungen manchmal mit denjenigen umgehen, die Aufklärung leisten wollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Steffen Bockhahn [DIE LINKE]) Auch die CDU/FDP-Regierung in Baden-Württemberg will Möglichkeiten, eine Sache ohne die Mithilfe der Betroffenen aufzuklären, anscheinend gar nicht nutzen, weil es nicht in ihrem politischen Interesse ist. Ich will noch auf einen anderen Punkt eingehen. Alle schweigen zu der Rolle deutscher Banken in dieser Frage. Wir Grüne tun es nicht. Ich glaube, es täte uns in der Diskussion mit unseren Nachbarstaaten gut, einmal zu sagen, dass deutsche Banken mit ihren Tochtergesellschaften auf diesem Gebiet ebenfalls aktiv sind. Dann wäre man ehrlich, und dann müsste man in Deutschland beim Kreditwesengesetz ansetzen. Man sollte dafür sorgen, dass es sowohl bei uns als auch in anderen Staaten unmöglich ist, mithilfe unserer Kreditinstitute Steuern zu hinterziehen. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Auch an dieser Stelle zeigt sich, ob man dem Sachverhalt ernsthaft gegenübertritt oder ob es nur darum geht, der Aufregung in der Bevölkerung und sinkenden Umfragewerten kurzfristig etwas entgegenzusetzen. In unserem Antrag werden weitere Vorschläge gemacht. Der Ausschuss wird eine Anhörung zu dem Gesamtkomplex durchführen. Ich glaube, das ist nötig. Ich fordere Sie auf, ehrlich der Frage nachzugehen, was in unserem Land eigentlich passiert. Gerade die Eliten, gerade die Leistungsträger entziehen sich häufig über Jahre in großem Umfang der Beteiligung an unserem Gemeinwesen. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Das ist schon übertrieben!) Es passiert das Gegenteil dessen, was Sie, Herr Kolbe, gesagt haben. Häufig schreien manche Personen, auch aus Ihren Fraktionen und Parteien. Sie sind zwar hart im Ton, aber leider sehr moderat in der Sache. Wir wollen das ändern und in der Sache klar vorankommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/1755 und 17/1765 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a bis 30 c auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Anton Schaaf, Anette Kramme, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Das Risiko von Altersarmut durch veränderte rentenrechtliche Bewertungen von Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit und der Niedriglohn-Beschäftigung bekämpfen - Drucksache 17/1747 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Schutz bei Erwerbsminderung umfassend verbessern - Risiken der Altersarmut verringern - Drucksache 17/1116 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Risiken der Altersarmut verringern - Rentenbeiträge für Langzeiterwerbslose erhöhen - Drucksache 17/1735 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Finanzausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Kollegen Juratovic von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Josip Juratovic (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Heute hat der Deutsche Bundestag Maßnahmen zur Sicherung des Euro und der Finanzwelt beschlossen. Es wird behauptet, dass die Finanzkrise alle Staaten des Euro-Raums verursacht haben, weil sie über ihre Verhältnisse gelebt haben. Für Staaten mag dies zutreffen, aber für alle Bürger auf keinen Fall. Wir dürfen eines nicht vergessen: Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise war möglich, weil Spekulanten im internationalen Finanzkasino Geld verjubelten, das von Arbeitnehmern unter größten Anstrengungen erwirtschaftet worden war. (Anton Schaaf [SPD]: So ist das!) Immer mehr Menschen arbeiten in Deutschland für Hungerlöhne, während ihr Arbeitsleben immer stärker gekennzeichnet ist durch Leistungsverdichtung, Stress und Lohnzurückhaltung. Andere Menschen wiederum haben ihren Arbeitsplatz verloren, weil Heuschrecken ihr Unternehmen aufkauften und große Rendite machten, indem sie Massenentlassungen vornahmen. Wir stehen nicht nur in der Verantwortung, dass wir künftig luftige Finanzspekulationen unterbinden, sondern auch, dass wir den Menschen Sicherheit geben, die für den Wohlstand hier in Deutschland hart arbeiten oder die trotz größter Anstrengungen und Weiterbildungen für mehrere Jahre keinen Job finden. (Beifall der Abg. Gabriele Hiller-Ohm [SPD]) Das bedeutet einerseits, dass wir für mehr Fairness auf dem Arbeitsmarkt sorgen müssen. Um prekären Löhnen einen Riegel vorzuschieben, brauchen wir so schnell wie möglich einen flächendeckenden Mindestlohn. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das bedeutet andererseits, dass wir die Menschen, die von prekärer Beschäftigung und Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind, vor unwürdiger Altersarmut bewahren müssen. Die Erwerbsbiografien sind heute anders als vor 20 Jah-ren: Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass Arbeitnehmer von der Lehre bis zur Rente im selben Betrieb arbeiten. Es wird für die Arbeitnehmer zu einer allgemeinen Erfahrung, dass man im Erwerbsleben auch Zeiten der Arbeitslosigkeit und Zeiten prekärer Beschäftigung hat. Deswegen muss der Staat eingreifen. Wir Sozialdemokraten fordern in unserem Antrag, dass die Bundesregierung Maßnahmen ergreift, um die Altersarmut von morgen zu vermeiden. Das bedeutet, dass wir rückwirkend Änderungen bei der Rentenberechnung brauchen. Erstens müssen Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit besser bewertet werden, und zwar unabhängig davon, ob Leistungen nach dem SGB II bezogen wurden. Wer aufgrund des Einkommens des Partners keine Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhält, darf bei der Rente nicht bestraft werden. Konkret fordern wir, dass Zeiten nach dem 1. Januar 2000, in denen Arbeitslosenhilfe oder Grundsicherung bezogen wurde, in der gesetzlichen Rentenversicherung als beitragsgeminderte Zeiten gewertet werden. Zweitens wollen wir, dass die Rentenansprüche von Arbeitnehmern, deren Einkommen unter 75 Prozent des Durchschnittsverdienstes liegt, angehoben werden, wie es für Beitragszeiten von vor 1992 gilt. Konkret soll dafür die Regelung über die Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt bis zum Ende dieses Jahres verlängert werden. Diese Änderungen werden nicht für umsonst zu haben sein. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das würde mich interessieren: Was kostet das, und wie soll das finanziert werden? - Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Geld ist genug da, Herr Kolb!) Es geht dabei jedoch nicht nur um den Schutz von Einzelschicksalen, sondern auch um die Bewahrung des sozialen Friedens. Ist es den Menschen in unserem Land zu vermitteln, dass Bankenmanager trotz Finanzkrise wieder Millionengehälter einstreichen, während der rechtschaffene Arbeitnehmer immer mehr leisten muss und dennoch den Gürtel immer enger schnallen soll? Ist es gerecht, dass immer mehr Menschen zu Dumpinglöhnen beschäftigt werden oder unverschuldet arbeitslos sind und einer Armutsrente entgegensehen? Nein, werte Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen gegensteuern: Wir müssen die Arbeitswelt humanisieren. Dazu gehören gute Löhne und eine gute Altersabsicherung. Dazu gehören auch bessere und gesündere Arbeitsbedingungen. Meine Kollegen am Fließband können unter den heutigen Umständen nicht bis 67 arbeiten, häufig auch nicht bis 65 und oft auch nicht bis 60. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die SPD hat doch die Rente mit 67 beschlossen! - Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Da hat er recht, der Herr Kolb!) Deshalb werden wir Sozialdemokraten dieses Jahr ganz genau hinschauen, wenn die Bundesregierung aufgrund der Überprüfungsklausel über die Rente ab 67 berichtet. Wir werden es nicht hinnehmen, wenn aus der Anhebung des Renteneintrittsalters eine indirekte Rentenkürzung wird. Wir stehen für eine solidarische Gesellschaft, die jedem Menschen ein würdiges Leben - während der Beschäftigung wie während der Rente - gewährleistet. Werte Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, bekennen Sie Farbe! Unterstützen Sie unseren Antrag, um nicht nur ein leistungsstarkes, sondern auch ein sozial gerechtes Deutschland zu ermöglichen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Weiß von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, zuerst muss man etwas feststellen, was auch im SPD-Antrag erfreulicherweise ganz vorne steht: Es ist eine großartige Leistung unseres deutschen Rentensystems, dass heute nur 2,3 Prozent der Rentnerinnen und Rentner wegen zu geringer Alterseinkünfte auf zusätzliche staatliche Unterstützung angewiesen sind. (Beifall bei der CDU/CSU - Anton Schaaf [SPD]: Das stimmt!) Zur Erinnerung: Vor dem Jahr 1957, in dem - eine der großen Leistungen Konrad Adenauers - die dynamische Rente eingeführt worden ist, waren in Deutschland über 70 Prozent der Rentnerinnen und Rentner auf Sozialhilfe angewiesen, weil sie zu wenig zum Leben hatten. Es ist eine erstaunliche Entwicklung, die wir in den Jahrzehnten seitdem hinbekommen haben, auf die wir Deutsche zu Recht stolz sein können. (Beifall bei der CDU/CSU) Aber richtig ist auch: Wenn wir diese großartige Leistung unseres Sozialstaats für die Zukunft erhalten wollen, dann müssen wir auch die Gefahren sehen, die uns drohen. Sie drohen uns deswegen, weil die Langzeitarbeitslosigkeit zunimmt, weil zu wenig in der Rentenkasse angespart wird, weil nicht gesicherte Selbstständigkeit zunimmt und weil unterbrochene Erwerbsbiografien zunehmen, und das bei einem sinkenden Niveau der gesetzlichen Rente. Deshalb haben wir, CDU, CSU und FDP, in unserem Koalitionsvertrag für die neue Bundesregierung festgeschrieben - ich zitiere -: Wir verschließen die Augen nicht davor, dass durch veränderte wirtschaftliche und demographische Strukturen in Zukunft die Gefahr einer ansteigenden Altersarmut besteht. Deshalb wollen wir, dass sich die private und betriebliche Altersvorsorge auch für Geringverdiener lohnt und auch diejenigen, die ein Leben lang Vollzeit gearbeitet und vorgesorgt haben, ein Alterseinkommen oberhalb der Grundsicherung erhalten, das bedarfsabhängig und steuerfinanziert ist. Ich halte das für das zentrale und wichtigste rentenpolitische Vorhaben dieser Koalition, das wir zum Erfolg führen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU) Altersarmut muss auch für künftige Generationen weitestgehend ein Fremdwort bleiben. Das ist das Ziel unserer Alterssicherungspolitik. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) Um nun eine zielgerichtete und bedarfsgerechte Lösung zu finden, bedarf es aber nicht der Umsetzung vieler Einzelanträge, wie sie uns jetzt vorliegen, sondern eines Gesamtkonzepts. Deshalb haben wir vereinbart, dass wir dazu eine Regierungskommission einsetzen, auch mit wissenschaftlicher Unterstützung. Wir sind mit Frau Bundesministerin Ursula von der Leyen übereingekommen, dass diese Kommission zu Beginn des Jahres 2011 eingesetzt wird, sodass wir im kommenden Jahr aufgrund eines konkreten, wissenschaftlich fundiert erarbeiteten Vorschlags ein Gesamtkonzept zur Sicherung gegen Altersarmut hier im Parlament beraten und beschließen können. Das braucht einen gewissen Vorlauf, und man braucht dafür, wie man neudeutsch sagt, Manpower. Deshalb möchte ich mich bei Frau Ministerin Ursula von der Leyen ausdrücklich dafür bedanken, dass sie bereits im Frühjahr dieses Jahres in ihrem Haus ein neues Referat mit dem Titel "Bekämpfung von Altersarmut" eingerichtet hat. Das zeigt wieder einmal: Die Regierung ist etwas schneller, als die Opposition erlaubt. (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Tosender Beifall! - Gegenruf von der CDU/CSU: Das war auch für uns zu schnell! - Beifall bei der CDU/CSU - Anton Schaaf [SPD]: Die Ministerin hat gesagt, sie kann in diesem Jahr nur noch SGB II machen! Sie ist ausgelastet!) Ich möchte ausdrücklich für die Kommission sagen, dass wir selbstverständlich all die Vorschläge, die jetzt in Oppositionsanträgen als Wünsche an die Regierung herangetragen werden, damit sie in die Gesetzgebung einfließen, unvoreingenommen prüfen werden. Aber der wichtigste Punkt - er wird durch die Vorschläge leider nicht erfasst - ist, wie wir wirklich zielgenau und bedarfsgerecht helfen. Zum Beispiel: Natürlich ist die Rente nach Mindesteinkommen mit einer Höherwertung von Entgeltpunkten etwas, mit dem man dem einen oder anderen Arbeitnehmer hilft, über das Grundsicherungsniveau hinauszukommen; aber einige bleiben trotzdem zurück. Natürlich ist die Zahlung eines höheren Beitrags für Langzeitarbeitslose in die Rentenkasse eine Möglichkeit, die dem einen oder anderen hilft, über das Grundsicherungsniveau hinauszukommen; aber viele andere bleiben dahinter zurück, sie müssen trotzdem Grundsicherung im Alter beantragen. Deshalb sollten wir genau prüfen, wie wir wirklich sicherstellen können, dass jemand, der sein ganzes Leben fleißig gearbeitet und Beiträge gezahlt hat, sicher sein kann, dass er am Schluss, wenn er in Rente geht - das ist der wichtige Punkt -, von diesem Alterseinkommen, das er insgesamt hat, leben kann und nicht Grundsicherung beziehen muss. Das ist unser Ziel. (Beifall bei der CDU/CSU) Diese Zielsetzung darf sich aber nicht allein auf die gesetzliche Rente beschränken; denn, verehrte Kolleginnen und Kollegen vor allen Dingen von der SPD und den Grünen, in Ihrer Regierungsverantwortung haben Sie massiv die Veränderung des deutschen Alterssicherungssystems hin zu einem Dreisäulensystem vorangetrieben. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Kapitalgedeckte Alterssicherung!) Dazu gehört, dass in Zukunft die Alterssicherung nicht allein aus der gesetzlichen Rente, sondern genauso aus der betrieblichen Altersvorsorge und der privaten, kapitalgedeckten Altersvorsorge erfolgen soll. Deshalb müssen wir in ein Gesamtsystem auch die Leistungsfähigkeit der betrieblichen und der privaten, kapitalgedeckten Altersvorsorge einbeziehen. Diese beiden Säulen müssen ebenfalls einen Beitrag zur Verhinderung von Altersarmut leisten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Das gilt auch für den Antrag, der zur Erwerbsminderungsrente vorgelegt wird. Selbstverständlich, wir müssen etwas tun, damit jemand, der erwerbsgemindert ist, angesichts des sinkenden Rentenniveaus nicht automatisch in die Grundsicherung - früher nannte man das "Sozialhilfe" - für Ältere fällt. Aber dazu müssen auch die private, kapitalgedeckte und die betriebliche Altersvorsorge eine zusätzliche Leistung erbringen. Das gehört in ein Gesamtkonzept, das wir einführen wollen. Ein solches Gesamtkonzept rät uns letztlich auch der Präsident der Deutschen Rentenversicherung. Ich darf aus einem Aufsatz von Herrn Dr. Herbert Rische vom Beginn dieses Jahres zitieren: Die Zahlen verdeutlichen, dass die Lebensstandardsicherung bei Eintritt der vollen Erwerbsminderung - ebenso wie bei der Altersrente - vor dem Hintergrund der Entwicklung des Rentenniveaus künftig im Regelfall nicht mehr allein durch die Leistungen der gesetzlichen RV gewährleistet werden kann, auch wenn die gesetzliche RV die stärkste Säule der Sicherung bei Alter und Erwerbsminderung bleiben wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch der Ansatz bei den Minirenten, deren Zahl in der Tat zunimmt, führt uns nicht in die richtige Richtung; denn Minirenten entstehen nicht nur, weil jemand sein ganzes Leben lang wenig in die Rentenkasse eingezahlt hat, sondern Minirenten entstehen in zunehmendem Maße auch dadurch, dass Menschen ihre Beschäftigungsverhältnisse verändern, nach einigen Jahren als Angestellte oder Arbeiter selbstständig werden und sich dort eine gute Altersversorgung aufbauen oder nach einigen Jahren in ein Beamtenverhältnis wechseln oder vielleicht auch aus einem Beamtenverhältnis ausscheiden. Deshalb ist die entscheidende Frage nicht: "Ist bei der Deutschen Rentenversicherung nur eine Minirente notiert?", sondern: Hat jemand außer dieser Minirente keine andere Form von Altersversorgung? "Bedarfsgerecht" heißt für mich: Demjenigen, der im Alter tatsächlich zu wenig hat, wollen wir zielgerichtet helfen, damit er möglichst nicht auf Grundsicherung im Alter angewiesen ist. Die Rente desjenigen, der aus anderen Versorgungssystemen schon genug oder ausreichend hat, brauchen wir nicht noch zusätzlich aufzuwerten. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) Genau dies wird in den Oppositionsanträgen leider nicht bedacht. Wir wollen eine bedarfsgerechte und damit zielgenaue Sicherung gegen Altersarmut. Das ist die Aufgabenstellung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Anton Schaaf [SPD]: Das ist doch Quatsch! Was wir vorhaben, ist zielgerichtet - genau für diesen Personenkreis!) Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, um es zusammenzufassen: Wir werden die Vorschläge, die gemacht worden sind, in der Kommission, die wir nächstes Jahr einsetzen werden, allesamt aufgreifen. Wir von der christlich-liberalen Koalition wollen - das ist ein zentrales Anliegen unserer Rentenpolitik - das deutsche Alterssicherungssystem mit einer zusätzlichen Sicherung gegen Altersarmut versehen. Das ist notwendig und richtig. Das wird eine der großen Aufgaben dieser Koalition werden, und ihr werden wir uns stellen. So darf ich heute zum Schluss Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Pfingstfest wünschen. Noch ein Tipp: Weichen Sie dem Heiligen Geist nicht aus! Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Matthias Birkwald von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gute Arbeit, gute Löhne, gute Rente - das ist der Dreiklang, an dem wir Linken unsere Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ausrichten. Altersarmut ist - leider - wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen: als Mangel an Einkommen und als Angst um die Zukunft. Schon heute sind die Menschen im Osten stärker von Armut betroffen als die im Westen, und das wird auch künftig so bleiben, wenn wir nicht gegensteuern. Ob in der Kindheit, im Erwerbsleben oder im Alter: Armut zu vermeiden, muss für eine demokratische Sozialpolitik selbstverständlich sein, und dafür kämpft die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Der Schlachtruf, mit dem die neue Sozialdemokratie ihren Angriff auf den Sozialstaat ritt, war - ich zitiere -: "Jede Arbeit ist besser als keine Arbeit." Der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder hier in Deutschland und Tony Blair in Großbritannien wollten Ende der 90er-Jahre einen dritten Weg, und sie ebneten die Fläche für Niedrigstlöhne. Sie behaupteten fälschlicherweise - ich zitiere -: Teilzeitarbeit und geringfügige Arbeit sind besser als gar keine Arbeit, denn sie erleichtern den Übergang von Arbeitslosigkeit in Beschäftigung. Das heißt, die Hungerpeitsche treibt die Menschen in mies bezahlte und darüber hinaus sinnentleerte Arbeit. Wer Minijobs sät, wird Altersarmut ernten. Dieser Weg ist eine Sackgasse. (Beifall bei der LINKEN) An ihrem Ende stehen unwürdige Jobs und Altersarmut. Ich sage Ihnen: Arbeit darf nicht arm machen. Von Arbeit muss man leben können - jetzt und im Alter. (Beifall bei der LINKEN) Wir Linken wollen eine Rente, die den Lebensstandard sichert und die vor Altersarmut schützt. Liebe Kolleginnen und Kollegen in der SPD, Armut und Rentenklau sind nicht das Ergebnis von Naturgewalten, sondern das Ergebnis politischer Irrwege. Die können und müssen wir schleunigst verlassen. (Beifall bei der LINKEN) Wir Linken fordern deutlich höhere Rentenansprüche für Langzeiterwerbslose. Noch Mitte der 90er-Jahre wurden in der Arbeitslosenhilfe pro Kopf durchschnittlich 236 Euro an die Rentenkasse gezahlt. Heute, unter Hartz IV, sind es klägliche 40 Euro. Nach einem Jahr Hartz IV ergibt das einen Rentenanspruch von 2,09 Euro. Hier wird ein gesellschaftliches Problem schamlos auf die Betroffenen abgewälzt. Das ist höchst unanständig. (Beifall bei der LINKEN) Gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund fordern wir, für Langzeiterwerbslose statt 40 Euro künftig 250 Euro in die Rentenkasse zu zahlen. Das ergibt dann nach aktuellen Rentenwerten 13,60 Euro im Westen und 12,10 Euro im Osten Deutschlands. Das ist übrigens ein weiterer Grund, endlich die Rentenwerte Ost auf Westniveau anzuheben. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns nichts vor: Höhere Beiträge für Langzeiterwerbslose sind nur ein Baustein für einen neuen, sozial gerechten Weg in der Alterssicherung. Niedrige Einkommen müssen aufgewertet werden. Geringe Einkommen müssen nach unten begrenzt werden. Der Gewerkschaftsvorsitzende Klaus Wiesehügel von der IG BAU hat den richtigen Weg gewiesen. (Anton Schaaf [SPD]: Guter Mann!) Er fordert einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro. Folgen Sie einem Mann, der weiß, wovon er spricht! (Beifall bei der LINKEN) 10 Euro Mindestlohn sind ein durch nichts zu ersetzender Baustein, um Altersarmut wirklich und wirksam zu vermeiden. Lassen Sie die Rentnerinnen und Rentner nicht die Suppe auslöffeln, die ihnen Ihre verfehlte Politik eingebrockt hat! Den Lebensstandard sichern und Armut vermeiden, das muss selbstverständlich für alle gelten. Das gilt auch für all die, die aus gesundheitlichen Gründen nicht oder nicht mehr arbeiten können. Gegen das Schicksal der Erwerbsminderung abzusichern, war schon immer eine Hauptaufgabe der Rentenversicherung. Rot-Grün hat hier ebenfalls die Lage der Betroffenen auf eine Weise verschlechtert, die gegen jegliches Gerechtigkeitsempfinden verstößt. Wer aus gesundheitlichen Gründen vor dem 63. Lebensjahr nicht mehr arbeiten kann, wird mit Rentenkürzungen bis zu 11 Prozent bestraft. Das ist falsch und nicht zu rechtfertigen. Das ist schlicht ungerecht. Ändern wir das! Damit Sie sich hier nicht einfach schön zurücklehnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und der FDP: Sie haben das im Bundesrat alles mitbeschlossen; also stecken Sie genauso mit drin wie Rot-Grün. Diese Irrwege müssen wir verlassen. Nur einzelne Schlaglöcher auszubessern, reicht nicht. Der ganze Weg ist falsch. Die Richtung müssen wir ändern. Links herum, bitte! (Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU/CSU: Bloß nicht! - Das hättet ihr wohl gerne!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Heinrich Kolb von der FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Linksverkehr, Herr Birkwald, ist gefährlich, wenn er nicht koordiniert stattfindet. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Machen wir koordiniert!) Dann gibt es nämlich Frontalzusammenstöße in großer Zahl. Deswegen, meine ich, sollten wir vorerst bei den bestehenden Verkehrsregeln bleiben; die sind so schlecht nicht. Ich werte die Anträge, die von der gesamten Opposition heute hier vorliegen, so, dass das Thema Altersarmut jetzt auch von der aktuellen Opposition bearbeitet wird, nachdem die Koalition sich dieses Thema in ihrem Koalitionsvertrag angenommen hat. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Passiert ist aber noch nichts!) Ich will auch darauf hinweisen, dass die FDP-Bundestagsfraktion als erste Fraktion in diesem Haus in der letzten Legislaturperiode schon sehr intensiv an diesem Thema gearbeitet und auch Anträge dazu eingebracht hat. Wenn wir jetzt diesen Diskussionsprozess anfangen, sollten wir uns noch einmal vor Augen führen, was Armut eigentlich bedeutet. Wir haben zum einen den Begriff der absoluten Armut. Absolute Armut im Alter wird mit der Grundsicherung - das war ja damals auch der Ansatz von Rot-Grün - in Höhe von etwa 660 Euro im Monat vermieden. Zum anderen haben wir eine Armutsrisikogrenze; diese liegt höher, und zwar bei 60 Prozent des bedarfsgewichteten Medianeinkommens, also bei 880 Euro. Ich glaube, wenn wir darüber reden, wie Altersarmut zu vermeiden ist, dann geht es darum, die Lücke zwischen absoluter Armut und Armutsrisikogrenze möglichst zu schließen und dafür zu sorgen, dass das Gesamtalterseinkommen der Menschen über dieser Grenze liegt. Es darf gerne auch mehr sein; das will ich ganz deutlich sagen. Aber die Aufgabe des Staates kann nur sein, das Risiko der Armut im Alter und natürlich auch während der Erwerbsphase zu vermeiden. Ich denke, es ist wichtig, dies vorab sehr deutlich zu sagen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Wir können feststellen - das ist ein Erfolg unseres Sozialstaates -, dass Altersarmut heute kein verbreitetes Phänomen ist. Im Gegenteil, das Armutsrisiko für Ältere ist zwischen 1984 und 2003 sogar deutlich zurückgegangen. Der Anteil der Menschen im Alter von 65 Jahren und darüber, der auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angewiesen ist, beträgt 2,3 Prozent; das sind, in absoluten Zahlen, 371 000 Menschen. Jeder Einzelfall ist relevant und muss uns sorgen. Wir müssen diese Armut ernst nehmen. Weil der Kollege Birkwald gesagt hat, Altersarmut sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen, will ich darauf hinweisen: Ich glaube, dass die Altersarmut zunehmen wird, und zwar aus den Gründen, die bereits genannt worden sind; dazu gehören beispielsweise gebrochene Erwerbsbiografien insbesondere in den neuen Bundesländern. Aber ich glaube auch, wir können glücklicherweise davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Menschen in unserer Gesellschaft künftig ein ausreichendes Alterseinkommen hat. Es ist wichtig, dass wir in dieser Diskussion nicht nur auf die Alterseinkommen abstellen. An dieser Stelle ist das richtig, was der Kollege Weiß gesagt hat: Nicht jeder, der eine niedrige Rente hat, hat im Alter auch ein niedriges Gesamteinkommen, sondern viele Menschen haben nur deshalb relativ geringe Anwartschaften in der Rentenversicherung, weil sie im Laufe ihres Arbeitslebens in andere Alterssicherungsformen gewechselt sind, beispielsweise in berufsständische Versorgungswerke. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen: Das Einkommen im Alter sollte nicht losgelöst von dem Vermögen, das Menschen im Alter aufgebaut, das sie geerbt und das sie anderweitig zur Verfügung haben, betrachtet werden. Deswegen ist es wichtig, zielgenau anzusetzen und zielorientiert zu handeln, sodass nur derjenige, der ein niedriges Einkommen hat und nicht aufgrund eigenen Vermögens in der Lage ist, sein Auskommen zu gestalten, vom Staat eine ergänzende Hilfe bekommt. Ich glaube, wir können durchaus sagen: Die Gefahr der Altersarmut lässt sich auf bestimmte Personengruppen typisierend eingrenzen. Vor allen Dingen sind es alleinerziehende Frauen, Soloselbstständige, Menschen, die in ihrer Erwerbsbiografie Phasen der Langzeitarbeitslosigkeit hatten, und Menschen, die von Erwerbsunfähigkeit betroffen sind. Wir müssen jeden Einzelfall sehr differenziert betrachten. Das vermisse ich bei Ihnen. Was beispielsweise die Soloselbstständigen angeht, so glaube ich nicht, dass man das Problem lösen kann, indem man einem Menschen, der selbstständig erwerbstätig sein will, vorschreibt, wie er für sein Alter vorsorgen soll; ich bin also nicht für eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung. Aber es muss eine Pflicht zur Versicherung geben. In jedem Jahr, in dem jemand arbeitet, muss er einen Teil seines Einkommens für seine Altersvorsorge verwenden, damit er am Ende seines Erwerbslebens nicht der Gesellschaft zur Last fällt. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, den jungen Menschen müssen wir das Signal geben: Eigene Vorsorge muss sich lohnen. Das heißt, jedem, der heute mit 16 oder 17 Jahren in einen Betrieb kommt und sich fragt: "Soll ich einen Riester-Vertrag abschließen: ja oder nein? Soll ich in eigener Anstrengung etwas für meine Altersvorsorge tun?", muss man sagen: Tu das auf jeden Fall. Denn erstens ist die gesetzliche Rentenversicherung keine Lebensstandardsicherung mehr, sondern sie sichert das Existenzminimum. Zweitens wird es sich auf jeden Fall für dich lohnen, selbst dann, wenn du in deinem weiteren Erwerbsleben Schwierigkeiten haben solltest. Wir von der FDP haben Vorschläge vorgelegt, was zu tun ist, damit sich die Altersvorsorge lohnt. Wir wollen sagen: Auf jeden Fall wirst du von dem, was du an eigener Vorsorge geleistet hast, einen höheren Betrag behalten dürfen. - Wir wollen einen Freibetrag in Höhe von 100 Euro und darüber hinaus nur eine Teilanrechnung dessen, was jemand aus privater und betrieblicher Vorsorge zur Verfügung hat. Das ist ein Element, mit dem die Lücke, von der ich am Anfang gesprochen habe, geschlossen werden kann. Herr Kollege Schaaf - Sie werden noch nach mir sprechen -, ich glaube, dass die Vorschläge, die die Opposition hier heute auf den Tisch gelegt hat, nicht wirklich zielführend sind, weil sie nicht ausreichend differenzieren. Die Anträge sind ein Stück weit Ausdruck Ihres schlechten Gewissens. Ich finde es interessant, dass Sie heute die Anwartschaften von Langzeitarbeitslosen verbessern wollen, nachdem Sie die Beiträge für Langzeitarbeitslose in Zeiten der rot-grünen Koalition halbiert haben, mit dem Ergebnis - Herr Birkwald hat das gesagt -, dass ein Langzeitarbeitsloser aktuell für ein Jahr der Langzeitarbeitslosigkeit 2,09 Euro Rente erhält. Übrigens, Herr Kollege Birkwald, lagen Sie an einer Stelle falsch: Für Sozialhilfeempfänger wurden nach meiner Kenntnis nie Rentenversicherungsbeiträge gezahlt; das muss man an dieser Stelle deutlich machen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das habe ich nie gesagt!) Herr Kollege Schaaf, ich glaube, Sie werden ein Stück weit von Ihrem schlechten Gewissen getrieben. Man muss Ihrem Ansatz an einer Stelle widersprechen. Sie wollen einen nachsorgenden, kompensatorischen Ansatz zur Vermeidung der Altersarmut; wir wollen einen präventiven, vorsorgenden Ansatz. Mit der Rente nach Mindestentgelt wollen Sie hier am Ende nichts anderes als einen Reparaturbetrieb einführen. Das kann man aber nicht wirklich und tatsächlich der Rentenversicherung auferlegen. Die Rentenversicherung ist mit guten Gründen eine beitragsfinanzierte, äquivalenzorientierte Leistung. Das, was Sie wollen, ist Umverteilung in einem beitragsfinanzierten System. Das kann nicht funktionieren. Sie organisieren prozentuale oder auch absolute Erhöhungen. Dabei läuft man aber immer Gefahr, dass im System Überholprozesse stattfinden. Das heißt, die Umsetzung der Vorschläge, die Sie auf den Tisch gelegt haben, könnte immer wieder zu neuen Ungerechtigkeiten führen. Ich glaube deswegen, dass die Anträge, die Sie von der Opposition hier heute eingebracht haben, nicht der Weisheit letzter Schluss sind. Sie sind gut beraten, auf das zu warten, was Herr Weiß schon angekündigt hat: die Ergebnisse der Arbeit der Regierungskommission. Das wird uns endlich voranbringen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Strengmann-Kuhn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer mit offenen Augen durch das Land, durch die Großstädte geht, der sieht, dass die Altersarmut schon da ist; sie ist nicht nur ein Problem der Zukunft. Man sieht schon jetzt zunehmend ältere Menschen, die in Altglascontainern und Mülleimern herumstochern. Wir haben schon jetzt eine zum Teil extreme Altersarmut. Die Zahl der Grundsicherungsbezieher im Alter ist tatsächlich noch nicht sehr hoch; aber sie ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Das ist nur die Spitze des Eisbergs: Trotz der Verbesserungen, die wir unter Rot-Grün in diesem Bereich herbeigeführt haben, ist der Anteil der verdeckten Armut im Alter immer noch hoch. In dieser Altersgruppe ist die Spanne zwischen der Quote der relativen Einkommensarmut und der Quote der Grundsicherungsbezieher - das kann man im Antrag der SPD nachlesen - sehr groß. Schätzungen gehen davon aus, dass auf eine Person, die im Alter Grundsicherung bezieht, immer noch - früher waren es mehr - zwei bis drei weitere Personen kommen, die unter Altersarmut leiden. Dann ist man nicht mehr bei 300 000, sondern bei 1 Million betroffenen Menschen. Wenn man die Einkommensarmutsgrenze berücksichtigt, kommt man auf anderthalb bis 2 Millionen Menschen. Das ist keine kleine Gruppe; man müsste eigentlich schon jetzt etwas für sie tun. Man muss es betonen: Die Altersarmut ist schon da. Die Altersarmut wird ansteigen - das wurde von allen Rednern gesagt -, wenn wir jetzt nicht gegensteuern. Die Rente ist ein langsam treibendes Schiff. Das heißt, wir müssen jetzt Maßnahmen ergreifen, um die Altersarmut, die wahrscheinlich in zehn bis 15 Jahren besonders stark ansteigen wird, einzudämmen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN) Es geht aber um noch mehr - ich sehe hier diverse junge Leute -: Es geht um das Vertrauen in die Alterssicherung insgesamt. Wir müssen da unbedingt herangehen. Viele Menschen glauben nicht mehr, dass sie im Alter eine armutsfeste Rente erhalten werden. Hier müssen wir ansetzen: Wir brauchen eine Rente, die erstens armutsfest ist, zweitens auf einfachen Regeln basiert - wir wollen keine undurchschaubaren Regelungen, wie es sie jetzt teilweise gibt - und drittens mit einer entsprechenden Finanzierung unterlegt ist. Das sind die drei wesentlichen Punkte, die wir bei der Rente erreichen müssen, um Altersarmut zu vermeiden; das sind für uns Grüne die wesentlichen Kriterien. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn ich mir die Anträge anschaue, die von SPD und Linken vorgelegt werden, erkenne ich, dass sie diese Kriterien - ich muss das sagen - leider nicht erfüllen. Ich mache das einmal am Beispiel der Rente mit Mindesteinkommen deutlich, die in beiden Anträgen vorkommt und die meines Erachtens zu Recht ein Auslaufmodell ist. Es ist nicht armutsfest; es beschränkt sich auf eine Gruppe, die 35 Jahre eingezahlt hat. Bei ihnen werden eben Rentenansprüche aufgestockt, wenn sie im Durchschnitt unterhalb von 0,75 Entgeltpunkten liegen. Rechnet man dies um, bedeutet es, dass auch Leute, die länger als 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben und dann eine Aufstockung erhalten, nicht unbedingt eine armutsfeste Rente bekommen, denn 75 Pro-zent von einem Entgeltpunkt mal 35 Jahre ist gerade eben existenzsichernd, wenn man an die Grundsicherung herangeht. Herr Kolb hat gesagt, eigentlich müsste man für Armutsfestigkeit noch höher gehen. Wenn man nach den Maßstäben der Linken geht, müsste man noch deutlich höher gehen. Die Rente mit Mindesteinkommen ist also auch nicht unbedingt armutsfest. Das ist relativ kompliziert zu berechnen - wer weniger als 0,75 Entgeltpunkte kriegt, bekommt auf die eigenen Entgeltpunkte die Hälfte noch einmal drauf - und für die meisten Leute nicht wirklich durchschaubar. Es ist also meines Erachtens nicht der richtige Weg. Außerdem ist es beitragsfinanziert; auch das halte ich nicht für vernünftig, weil die Umverteilung zur Sicherung vor Altersarmut steuerfinanziert sein sollte. Das ist auch die Maßgabe bei unseren Vorschlägen. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Richtig!) Die Rente mit Mindesteinkommen wirkt dabei also nicht unbedingt. Bei den Vorschlägen, die Sie hinsichtlich der Langzeitarbeitslosen machen, ist es ähnlich. 0,5 Entgelt-punkte sind noch weniger als 0,75; da brauchte man 60 Jahre, um eine existenzsichernde Rente zu bekommen. Das hilft den Langzeitarbeitslosen natürlich ein bisschen - wir wollen das durchaus auch anheben -, ist aber nicht armutsfest. Finanzierungsvorschläge machen Sie hierzu auch nicht. Da ich jetzt nur noch eine Dreiviertelminute habe, ganz kurz unsere Vorschläge zur Erwerbsminderungsrente; das müssen wir dann im Ausschuss diskutieren. Unsere Vorschläge entsprechen diesen Maßstäben: Wir brauchen eine Rente, die armutsfest ist. Wir wollen jetzt mit Leuten anfangen, die langjährig versichert sind, und zwar 30 Jahre. Da sollte der Maßstab eine Rente sein, die höher ist als die Grundsicherung, also in der Größenordnung von etwa 30 Entgeltpunkten, und es sollte steuerfinanziert sein. Wir nennen das Garantierente. Das ist der erste Punkt, der wichtig ist, um eine armutsfeste Rente zu erzeugen. Das kostet knapp 5 Milliarden Euro Steuermittel. Das halte ich für machbar. Zweiter Punkt: Bei den Langzeiterwerbslosen wollen wir zu der Situation vor der Halbierung zurückkommen. Das heißt, wir wollen Langzeitarbeitslose mit Menschen gleichstellen, die 400 Euro Einkommen beziehen. Das ist übrigens auch ein Punkt, der bei beiden Vorschlägen, bei SPD und Linken, noch nicht berücksichtigt ist. Wenn man für die Langzeitarbeitslosen auf 0,5 Entgeltpunkte hochgeht, muss man natürlich überlegen: Was ist denn mit Erwerbstätigen, die weniger als 0,5 Entgeltpunkte haben? An dieser Stelle empfinde ich Ihre Vorschläge als einfach noch nicht zu Ende gedacht. Es ist nicht wirklich armutsfest, es ist zu kompliziert, und die Finanzierung ist auch nicht geklärt. Deswegen werden wir dazu noch unsere eigenen Vorschläge vorlegen, die besser als die von SPD und Linken geeignet sind, Armut im Alter zu bekämpfen. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Paul Lehrieder (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es wurde schon einiges zu den Anträgen der Linkspartei und auch der SPD gesagt. Ich stelle fest, nachdem ich die Anträge durchgeschaut habe, dass hier zumindest von der Linken ein absoluter Systemwandel gewünscht wird: Träger der Grundsicherung nach dem SGB II übernehmen für die Zeiten des Arbeitslosengeld-II-Bezugs die Beiträge nach der Hälfte des Durchschnittsentgeltes. Das heißt, diejenigen, die die Grundsicherung bezahlen müssen, müssen in Zukunft auch die Rentenbeiträge bezahlen. Damit wenden Sie sich vom Äquivalenzprinzip ab - darauf hat der Kollege Kolb von unserem Koalitionspartner bereits hingewiesen - und wollen jetzt schon in die steuerfinanzierte Rente einsteigen, unbeschadet der Tatsache, dass wir jetzt - auch das ist für die Zuschauer interessant zu wissen -, also auch heuer, bereits über 80 Milliarden Euro als Zuschüsse aus steuerfinanzierten Mitteln in die Rentenkasse geben müssen. Wir halten von einem Systemwandel letztendlich nichts. Deshalb werden wir Ihre Anträge selbstverständlich ablehnen, was Sie nicht völlig überraschen dürfte. Die Linke will nicht anerkennen, dass die Zusammenführung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe zumindest erfolgreich war. Sie reden das System immer wieder schlecht; Sie sagen nicht, was anstelle der Sozialhilfe kommen soll. Der Kollege Weiß hat schon darauf hingewiesen, dass die Sozialhilfeempfänger vor der Zusammenlegung in dem SGB-II-Bereich keine Arbeitsangebote und keine Einbeziehung in die Vermittlungsmöglichkeiten hatten. Das würden Sie dann konsequenterweise wieder abschaffen wollen. Bis 2004 hatten wir 2,95 Millionen Menschen in Sozialhilfe. Sie haben überhaupt nicht in die Rentenversicherung und oft auch nicht in die Krankenversicherung eingezahlt. Es wäre also der völlig falsche Weg, das System, das wir gemeinsam mit der SPD in der Großen Koalition in den letzten vier Jahren fortentwickelt haben, wieder abzuschaffen; dies gäbe den Menschen Steine statt Brot. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Auch die private Vorsorge zu diskreditieren, ist absurd. Es mag den Fall geben - vor einigen Monaten wurde in der Presse groß darüber berichtet -, dass der eine oder andere von seiner Riester-Rente, nachdem sie im Alter verrechnet werden soll, keinen nennenswerten Erlös zu erwarten hat. Was haben wir daraufhin mit unserem sozial orientierten, liberalen Koalitionspartner gemacht? (Lachen bei Abgeordneten der SPD - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sag doch einfach FDP!) - Das ist der Vorgriff auf Pfingsten. Bei uns ist der Heilige Geist schon angekommen. - Wir haben das Schonvermögen verdreifacht, von 250 auf 750 Euro pro Lebensjahr, das heißt, ein 50-Jähriger hat jetzt schon in einer der Riester-Rente ähnlichen Anlageform die Möglichkeit, gut 37 000 Euro für das Alter zurückzuhalten. Auch das ist eine Möglichkeit, alterssichere Renten zu gewährleisten, um Armut im Alter zu vermeiden. (Anton Schaaf [SPD]: Wie viele profitieren davon?) Das halten wir für wichtiger und effizienter, als jetzt durch einen Etikettenschwindel, durch großes Umschichten von der einen öffentlichen Kasse in die andere öffentliche Kasse, so zu tun, als ob eine geringer werdende Schicht unserer Bevölkerung in wenigen Jahren locker die anstehenden Renten überhaupt bedienen kann. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das war doch in der Vergangenheit auch so!) Durch die demografische Entwicklung haben wir mittlerweile mehr Ältere und weniger Jüngere. Das ist der Grund, warum wir den Nachhaltigkeitsfaktor und den Riester-Faktor in den letzten Jahren ein Stück weit in die Rentenberechnungen einbeziehen mussten. Wir haben weniger junge Menschen, die in Zukunft noch mehr die Lasten der alten Menschen tragen müssen. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Lassen Sie mich noch zwei Bemerkungen machen. Wir haben, wie in unserem Koalitionsvertrag festgeschrieben, vor, einen wesentlichen Ausgabenposten für das Alter umfassend zu reformieren, und zwar ist das die eigengenutzte Immobilie. Wenn ein junger Mensch mit 20, 30 Jahren halbwegs vernünftig verdient, sich eine Eigentumswohnung kauft oder ein Häuschen baut, Schulden hat und sie im Laufe von 20 Jahren abzahlt, kann er dieses Häuschen, unbeschadet der Größe, auch im Alter behalten. Das heißt, wir werden ihm in Zukunft auch in diesem Bereich des Ausgabenblocks, der das Alter betrifft, die entsprechende Zeit belassen. Wenn ein Mensch das Pech hat, mit 40, 50 Jahren für längere Zeit arbeitslos zu sein, muss er als Langzeitarbeitsloser sein Häuschen nicht verbraten, um Hartz IV zu bekommen. Auch dafür haben wir gesorgt. Wir wollen aber auch für die jungen Leute Anreize schaffen. Wir haben vor wenigen Wochen gemeinsam mit der SPD-Fraktion - lieber Anton Schaaf, das habt ihr gut gemacht, Katja Mast hat darauf beharrt - die Hinzuverdienstmöglichkeiten von Kindern in Hartz IV verbessert. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Jugendlichen!) Man muss sehen: Es lohnt sich, etwas zurückzulegen. Es lohnt sich, 1 200 Euro in vier Wochen Ferien anzusparen. Das verhindert zwar noch nicht die Altersarmut, aber es ist auf jeden Fall ein Anreiz: Der Staat sorgt mit steuerfinanzierten Mitteln dafür, dass du nicht verhungerst, dass es dir nicht schlecht geht. Der Staat lässt dir das Geld, wenn du dich entsprechend anstrengst. Fordern und Fördern ist das Prinzip von Hartz IV. Kollege Peter Weiß hat darauf hingewiesen: Wir werden die Auswirkungen auf das Rentensystem im Blick behalten müssen. Da gebe ich Ihnen recht. Wir müssen aufpassen, wie sich das entwickelt. Ich bin nicht der Auffassung, Herr Kollege Birkwald, wie Sie das ausgeführt haben, dass die Hungerpeitsche zu Niedriglöhnen treibt. 10 Euro Mindestlohn sind nicht das probate Mittel, eine existenzsichernde Rente zu bekommen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Doch, ab 9,47 Euro!) - Langsam. Ich bin gespannt - der Kollege Schaaf spricht nach mir -, wie hoch Mindestlöhne Ihrer Vorstellung nach sein sollten. Mittlerweile haben wir einen Überbietungswettbewerb. Der DGB hat sie von 7,50 Euro auf 8,50 Euro angehoben. Nächste Woche sind wir bei 9,50 Euro. Ich warte darauf, dass Sie 11 Euro vorschlagen. Wir sind nicht auf dem persischen Markt, nach dem Motto "Wer bietet mehr?", "Wer hat höhere Ansprüche?". (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Man muss davon leben können!) Wir wollen keinen Staatsdirigismus, wie ihn die SED, Entschuldigung Linkspartei - beinahe hätte ich PDS gesagt -, will, sondern wir wollen das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft möglichst auch in diesem Bereich fortentwickeln. Sozial ist, was wir in den nächsten Jahren auf den Weg bringen wollen. In den letzten Jahren haben wir einiges auf den Weg gebracht, das in die richtige Richtung ging, lieber Kollege Schaaf. Wir haben, Herr Kollege Kolb, in den letzten Monaten schon einiges auf den richtigen Weg gebracht. Ich gehe davon aus, dass hoffentlich alle Parteien in diesem Haus in den nächsten Tagen, zu Pfingsten, den vom Kollegen Peter Weiß gewünschten Heiligen Geist in ausreichendem Umfang erwarten dürfen, damit wir uns mit den richtigen Entscheidungen nach den Pfingstferien wiedersehen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Anton Schaaf für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Anton Schaaf (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Peter Weiß, in der Tat ist es so, dass die Geschichte der gesetzlichen Rentenversicherung eine Erfolgsgeschichte ist, insbesondere bei der Frage der Armutsbekämpfung. Da sind wir uns völlig einig, und das ist völlig klar. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ja!) Die Opposition zielt mit ihren Anträgen darauf ab - so habe ich sie jedenfalls verstanden -, dass das auch so bleibt. Das ist genau der entscheidende Punkt. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Allen Anträgen gemeinsam ist die Absicht, dafür zu sorgen, dass das so bleibt. Absehbar ist doch - das ist doch Ihnen allen be-kannt -, dass es eine massive Zunahme von Altersarmut vor dem Hintergrund des Istzustandes geben wird, also nicht vor dem Hintergrund dessen, was irgendwann in Zukunft passieren wird, sondern vor dem Hintergrund des Istzustandes. Langzeitarbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung tragen zum Beispiel dazu bei - um sie geht es in den Diskussionen ja im Wesentlichen -, dass Menschen in Zukunft im Alter arm sein werden. Sie antworten, bisher zumindest, in keiner Weise darauf, wie Sie damit umgehen wollen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Richtig!) Da macht sich dann die Opposition in diesem Hause trotz aller Differenzen, die es hier gibt, Gedanken darüber, wie man die Situation, die da absehbar ist, für die Betroffenen zumindest ein Stück weit verhindern kann. Darum geht es bei dieser Geschichte. Der Verweis darauf, es gebe eine Kommission und man rede da miteinander, irgendwann werde schon etwas kommen - - (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein, wir haben Anträge in der letzten Legislaturperiode eingebracht!) - Ja, ja, das habe ich Ihnen, Herr Kolb, ja bei der Debatte über die Angleichung von Ost- und Westrenten, die gestern stattgefunden hat, schon gesagt, wie es sich verhält: Sie sagen, wir müssen in diesem Jahr loslegen, Ihre Ministerin aber sagt, in diesem Jahr machen wir gar nichts, weil wir mit dem SGB II so viel zu tun haben. Ich befürchte, Sie werden in dieser Legislaturperiode bei der Frage der Vermeidung von Altersarmut auch nichts zustande bringen, zumal, Peter Weiß, die Unterschiede in der Koalition ja offensichtlich sind: Die einen setzen auf gnadenlose Privatisierung und Individualisierung der Risiken. Das macht die Union dagegen in weiten Teilen nicht - Gott sei Dank. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir können die Riester-Rente nicht einführen, sie ist schon da!) Es besteht aber eine unvorstellbar große Differenz zwischen den beiden Koalitionsfraktionen in der Frage, wie es zukünftig mit der Alterssicherung weitergehen soll. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass man hier zu schlüssigen Konzepten kommen wird. Ich befürchte eher, das werden wieder Wischiwaschikonzepte. Ich habe nämlich schon erkannt, worauf das hinauslaufen kann. Peter Weiß stellt sich hier hin und sagt: Wer lebenslang Vollzeit gearbeitet hat, muss ein Alterseinkommen erhalten, das zumindest oberhalb der Grundsicherung liegt. - Wer ein Leben lang, 40, 45, 50 Jahre lang, gearbeitet hat, dessen Renteneinkommen sollte nicht knapp oberhalb der Grundsicherung liegen. Vielmehr sollte er ein vernünftiges Auskommen, und zwar nur über die Rente, haben. Darum geht es, (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und damit zusammen hängen die Fragen nach dem Leistungsniveau. Kollege Birkwald, ich weiß ja, dass einige Ihrer Fraktionskollegen sich im Wesentlichen in Abgrenzung zur SPD verstehen. Das ist auch in Ordnung. Wo Kritik berechtigt ist, nehme ich die auch hin. Sicherlich ist ein Teil der Gesetze, die wir gemacht haben, mitverantwortlich dafür, dass der Niedriglohnbereich gewachsen ist. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Okay!) Man muss sich aber genau anschauen, warum. Nehmen wir einmal das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Im Gesetz steht: gleiches Geld für gleiche Arbeit vom ersten Tag an. Dann haben wir im guten Glauben und in Absprache mit den Gewerkschaften eine tarifliche Öffnungsklausel in das Gesetz aufgenommen. Die hat uns in diesem Bereich das Genick gebrochen. Das gebe ich ja zu. Das hat aber niemand von den Akteuren, die damals daran beteiligt waren, in irgendeiner Form gewollt. In Kombination mit den Zumutbarkeitskriterien im SGB II wurde das natürlich zu einem echten Problem. Im Gesetzentwurf der damaligen rot-grünen Regierung stand allerdings drin: Zumutbar ist Arbeit, die tariflich oder ortsüblich entlohnt wird. Erst die unionsgeführten Länder im Bundesrat haben aus "tariflich oder ortsüblich" "sittenwidrig" gemacht. Sonst hätten wir damals die Arbeitsmarktreform gar nicht umsetzen können. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) In dieser Kombination ist der Niedriglohnbereich zum Problem geworden. Das müssen wir konstatieren. Jetzt stehen wir hier und bieten Lösungen an, damit die Menschen, die sich in solch prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden, nicht im Alter arm sind. Das kann man uns nicht zum Vorwurf machen. Vielmehr könnte man uns zugestehen, dass wir aus den Folgen dessen, was da passiert ist, gelernt haben und daraus die Konsequenzen ziehen. Sich immer in Abgrenzung zu verstehen, ist ein ziemlich einfacher Politikstil. Das wollte ich Ihnen einmal gesagt haben. Die Frage nach einem schlechten Gewissen, Herr Kolb, stellt sich mir an dieser Stelle gar nicht. Vielmehr stelle ich fest, dass der derzeitige Zustand dazu führen wird, dass viele der Soloselbstständigen von Altersarmut betroffen sein werden, wenn wir nicht damit umgehen. Ich stelle fest, dass es im Osten der Republik Löhne gibt, die bestimmt kein vernünftiges Rentenniveau garantieren werden, wenn wir damit nicht in irgendeiner Form umgehen. Ich stelle auch fest, dass wir immer noch 3,5 Millionen Arbeitslose haben, die auch von Altersarmut betroffen sein werden, wenn wir nicht damit umgehen. All das stelle ich schlichtweg fest. Vor diesem Hintergrund machen wir Vorschläge. Da brauche ich gar kein schlechtes Gewissen zu haben. Vielmehr führt uns die Betrachtung des Istzustandes zu der Forderung, jetzt endlich zu handeln. Vor dem Hintergrund eines höheren Renteneintrittsalters - das ist uns völlig klar - müssen wir uns noch einmal genau anschauen, ob wir die Regelungen zur Erwerbsminderungsrente - das wird in unserem Antrag ja nur angedeutet - so lassen können, wie sie sind. Im europäischen Vergleich stellen wir fest, dass die Möglichkeit des Zugangs zur Erwerbsminderungsrente in Deutschland ein Flaschenhals ist. In allen anderen Ländern ist der Zugang zur Erwerbsminderungsrente besser und einfacher. Das müssen wir schlichtweg konstatieren. Damit muss man umgehen. Ich bin vorsichtig, ob man alles gleichzeitig regeln sollte: die Abschlagsregelung in Höhe von maximal 10,8 Prozent, wenn man früher als mit 63 Jahren in Rente geht, die Zurechnungszeiten und die Zugangsmöglichkeiten. Bezüglich der Erwerbsminderungsrente ist es so, dass das Zugangsalter bei durchschnittlich deutlich unter 50 Jahren liegt. Da zieht die Zurechnungszeit bis 60 Jahre, die wir genau dafür eingeführt haben, dass die Menschen im Alter ein brauchbares Auskommen haben. Dass das im Einzelfall nicht immer passt, ist völlig klar. Deshalb müssen wir darüber reden, wie wir die Erwerbsminderungsrente vor dem Hintergrund des höheren Renteneintrittalters stabiler, besser und verträglicher für die Menschen machen. Deswegen steht es auch in unserem Antrag. Gespannt sind wir darauf - dazu gibt es ja auch eine Kleine Anfrage -, wie es mit der Überprüfungsklausel bezüglich der Rente mit 67 aussehen wird. Welche Kriterien legt die Bundesregierung an? (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das haben wir schon einmal gefragt!) - Ja, darauf sind wir sehr gespannt. - Man muss den Istzustand konstatieren. Wir haben eine massive Wirtschafts- und Finanzkrise, die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat. Hier haben wir gemeinsam verhindert, dass da alles wegbricht. Aber die Langzeitfolgen sind noch nicht absehbar. Deswegen müssen wir uns das noch einmal genau anschauen, wie sich die arbeitsmarkt- und sozialpolitische Situation der Älteren, insbesondere der Älteren mit Handicap, mit Erwerbsminderungshintergrund oder Ähnlichem, darstellt. Vor diesem Hintergrund müssen wir dann entscheiden, wie wir mit der Rente mit 67 umgehen. Ich freue mich auf die Ausschussberatungen zu den Anträgen und warte gespannt auf die Vorschläge der Regierung. Ich wünsche Ihnen ein schönes Pfingstwochenende, ganz besonders Ihnen, Herr Kolb. Wenn man vor dem Hintergrund dessen, was man real tut, bezüglich der politischen Stimmung bei 3 Prozent liegt, dann hat man allen Grund, am Wochenende einmal über sich selbst nachzudenken. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/1747, 17/1116 und 17/1735 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 31 auf. Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/ CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes - Drucksache 17/1749 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Es handelt sich um folgende Kolleginnen und Kollegen: Gustav Herzog für die SPD, Dr. Erik Schweickert für die FDP, Alexander Süßmair für die Linke, Ulrike Höfken für Bündnis 90/Die Grünen und die Parlamentarische Staatssekretärin Julia Klöckner für die Bundesregierung.5 Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/1749 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 32 a und 32 b auf. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kai Gehring, Krista Sager, Priska Hinz (Herborn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gute Lehre an allen Hochschulen garan-tieren - Eine dritte Säule im Hochschulpakt verankern und einen Wettbewerb für herausragende Lehre auflegen - Drucksache 17/1588 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole Gohlke, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Qualitätsoffensive für die Lehre starten - Einheit von Forschung und Lehre sichern - Drucksache 17/1737 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss Auch hier wird interfraktionell vorgeschlagen, die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich um folgende Kolleginnen und Kollegen: Monika Grütters und Tankred Schipanski für die Unionsfraktion, Swen Schulz für die SPD, Dr. Martin Neumann für die FDP, Nicole Gohlke für die Fraktion Die Linke und Kai Gehring für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.6 Auch hier wird interfraktionell vorgeschlagen, die Vorlagen auf den Drucksachen 17/1588 und 17/1737 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 9. Juni 2010, 13 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen erholsame Feiertage und allen, die es nötig haben, gute Genesung. (Heiterkeit und Beifall - Petra Ernstberger [SPD]: Danke, gleichfalls!) Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 15.24 Uhr) Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.05.2010 Binder, Karin DIE LINKE 21.05.2010 Binding (Heidelberg), Lothar SPD 21.05.2010 Bollmann, Gerd SPD 21.05.2010 Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 21.05.2010 Buchholz, Christine DIE LINKE 21.05.2010 Gloser, Günter SPD 21.05.2010 Goldmann, Hans-Michael FDP 21.05.2010 Groschek, Michael SPD 21.05.2010 Höger, Inge DIE LINKE 21.05.2010 Hönlinger, Ingrid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.05.2010 Humme, Christel SPD 21.05.2010 Kühn, Stephan BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.05.2010 Nietan, Dietmar SPD 21.05.2010 Petermann, Jens DIE LINKE 21.05.2010 Pflug, Johannes SPD 21.05.2010 Reichenbach, Gerold SPD 21.05.2010 Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 21.05.2010 Roth, Michael SPD 21.05.2010 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 21.05.2010 Dr. Schwanholz, Martin SPD 21.05.2010 Schwanitz, Rolf SPD 21.05.2010 Steinbach, Erika CDU/CSU 21.05.2010 Weinberg, Harald DIE LINKE 21.05.2010 Winkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.05.2010 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 21.05.2010 Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Zusatztagesordnungspunkt 13) Veronika Bellmann (CDU/CSU): Ich kann dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen. Dem Griechenland-Paket habe ich nur zugestimmt, weil die Zeit für die Erarbeitung einer in den EU-Verträgen fehlenden Rechtsgrundlage für ein geordnetes Restrukturierungs-verfahren für Griechenland gefehlt hat. So wurde zumindest argumentiert. Nun muss ich aber sehen, dass für die Erarbeitung einer viel weitreichenderen Rechtsgrundlage offenbar zehn Tage vollkommen ausreichend waren. Ich fühle mich dadurch im Nachhinein gewissermaßen getäuscht. Man beachte, dass allein der Finanz- und Garantieumfang des Griechenland-Pakets für Deutschland bei 22 Milliarden Euro zuzüglich Zinsrisiken liegt, der des Gewährleistungsgesetzes bei 147 Milliarden Euro einschließlich einer zusätzlichen Garantieermächtigung. Der Zeitfaktor gilt auch noch für einen anderen Fakt, allerdings in ganz anderer Hinsicht. Die Konstruktion der noch zu gründenden milliardenschweren Zweckgemeinschaft - 440 Milliarden Euro - liegt nur in groben Zügen vor. Die vertraglichen Grundlagen sind nicht hinreichend bestimmt, sodass es für Parlamentarier schwierig ist, verantwortlich zu entscheiden. Den acht in der Abstimmungserklärung der Abgeordneten Klaus-Peter Willsch und Manfred Kolbe genannten Punkten stimme ich vollinhaltlich zu. Alles in allem hoffe ich dennoch, dass trotz aller Beschwernisse meinerseits meine Vermutungen im Hinblick auf die Entwicklung der EU nicht eintreffen mögen, nach denen es eine EU mit Stabilitäts- und Wachstumskriterien und einer Leitwährung deutscher Prägung im Sinne eines Staatenbundes nicht mehr geben wird, stattdessen der Weg in einen europäischen Bundesstaat als Transferunion auf Grundlage einer Durchschnittswahrung durch das Gewährleistungsgesetz vorprogrammiert ist. Rechtliche Bedenken: Das vorgesehene Hilfssystem verstößt gegen geltendes EU-Recht. Das gilt sowohl für die Finanzierung durch EU-Anleihen als auch für die Abgabe von bilateralen Garantien durch Mitgliedstaaten. Es ist auch kein singuläres Ereignis im Sinne des Art. 122 AEUV - Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union -, da die Lage hilfebedürftiger Mitgliedstaaten zu großen Teilen von ihnen selbst verursacht wurde Diese liegt in der Situation der Staatshaushalte begründet. Das Budgetrecht obliegt den jeweiligen Parlamenten. Ferner hat gemäß Stabilitätspakt die EU ebenfalls eine Überwachungsfunktion. Insofern ist die Bestimmung des Art. 122, dass die Union Beistand gewähren kann, wenn einem "Mitgliedsstaat aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen ...", nicht anwendbar. Auf ein singuläres Ereignis, das sich der eigenen Kontrolle entzieht, kann man sich nicht berufen, wenn auf Staatspapiere, die man aus einem Gewinnmotiv heraus gekauft hat, Abschreibungsverluste drohen. Die Unabhängigkeit der EZB wird infrage gestellt, da sie sich an dem Beistand im Rahmen des Hilfssystems beteiligt. Der Erwerb von Staatsanleihen am offenen Markt ist ein direkter Verstoß gegen Art. 123 AEUV. Die in Art. 125 - Haftungsausschlüsse - Abs. 2 dem Rat zugeteilte Ermächtigung in Art. 123 - Verbot von Kreditfaszilitäten für öffentliche Einrichtungen - Art. 124 - Verbot zu berechtigtem Zugang von Finanzinstituten für öffentliche Einrichtungen - und Art. 125 beinhaltet lediglich, die Definition der Anwendung vorgesehener Verbote näher zu bestimmen. Sie erlaubt nicht die gänzliche Aufhebung dieser Verbote. Durch das Gewährleistungsgesetz wird aber ein echtes Gemeinschaftsinstrument geschaffen. Das heißt, die in vorgenannten Artikeln verankerten Verbote werden aufgehoben. Das halte ich für rechtswidrig. Grundsätzliche Bedenken: Ich stimme der Aussage des Bundesbankpräsidenten Axel Weber ausdrücklich zu, wenn er sagt, dass die Beschlüsse die Fundamente der Wahrungsunion in ganz erheblicher Weise strapazieren. Die Vorstellung, die prekäre finanzielle Situation einzelner Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe könnte mit Milliardengarantien und Krediten abgewendet und dadurch der Euro gestärkt werden, halte ich für illusorisch. Auch das riesige Hilfspaket saniert deren Staatsfinanzen nicht; es schwächt vielmehr. Selbst die kurzfristige Abschwächung der Spekulations- und Nervositätsdynamik an den Finanzmärkten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass durch eine derartige Ad-hoc-Politik langfristig mehr Vertrauen zerstört wird und keine echte Stabilisierung erzielt werden kann. Der Euro droht von einer Leitwährung zu einer Durchschnitts- bzw. Weichwährung zu werden, die Stabilitätsgemeinschaft der Euro-Zone zu einer Schulden-, Haftungs- und Transfergemeinschaft zu verkommen. Das ist ein weiterer Grund, dass sich an den Märkten kaum Vertrauen herstellen lassen wird. Die Teilnahme des IWF im vorliegenden Maßnahmepaket ist im Unterschied zum Griechenland-Paket keine Bedingung. Der IWF stellt lediglich Zahlungsunfähigkeit fest und muss das Sparprogramm billigen. Damit fehlen ein notwendiges Korrektiv und ein Mitfinanzierer. Die beabsichtigte Zweckgesellschaft ist mit einem europäischen Währungsfonds vergleichbar. Im Übrigen teile ich nicht die Hoffnung, dass deren Existenz lediglich drei Jahre plus vielleicht noch einmal soviel für die Abwicklung betragen wird. Europäische Realitäten haben uns gezeigt, dass sich einmal eingerichtete Institutionen selten an Befristungen halten. Für problematisch erachte ich, dass die EU-Kommission die Möglichkeit erhalt, im eigenen Namen Kredite aufzunehmen. Ich bleibe bei meiner Überzeugung, die ich bereits im Zuge der Verabschiedung des Griechenland-Pakets geäußert habe, dass die Banken viel zu wenig am Rettungspaket beteiligt wurden. Es bleibt abzuwarten, welchen Grad der Verbindlichkeit deren angebotene freiwillige Hilfen erreichen. Die unisono erfolgte Befürwortung der Banken zum Rettungspaket ist ein deutliches Zeichen dafür, dass das Gewährleistungsgesetz eigentlich ein Bankenpaket ist, das bei Androhung der Systemrelevanz die Gewähr bietet, auch weiterhin Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren zu können. Hinter der auffälligen Überaktivität einiger EU-Mitgliedstaaten, insbesondere Frankreichs, das schon im Falle Griechenlands eine Restrukturierung unbedingt verhindern wollte, steht offenbar das Interesse, die Kapitalanleger vor Schuldenmoratorien und nachrangiger Positionierung ihrer Ansprüche hinter denen des IWF und damit vor Neubewertung der Risiken zu schützen. Das hätte zu Schwierigkeiten der französischen Banken geführt. Deutsche Banken hätten unter das Dach der SoFFin schlüpfen müssen. Das hätte zwar Kapitalhilfe, aber auch staatlichen Einfluss und Kontrolle bedeutet, was keines dieser Kreditinstitute will. Wenn ein angemessener Forderungsverzicht der Gläubiger realisiert wird, bevor internationale Hilfe einsetzt, können sogar die Märkte als Instrument zum Erreichen von Schuldendisziplin wirken. Leider hat der IWF einen solchen, für ihn sonst üblichen Forderungsverzicht, weder im Falle von Griechenland noch für den EU-Gewährleistungsmechanismus gefordert. Auch deshalb wird das vorliegende Gesetz nicht zur notwendigen Schuldendisziplin in den Ländern führen. Durch den Wegfall von Wechselkursmechanismen bei Einführung der einheitlichen Währung für den Euro-Raum, gibt es nur noch wenige Instrumente, auf Wettbewerbsfähigkeit, Bonität, Schuldendisziplin der Mitgliedstaaten zu reagieren. Wenn die Preisstabilität erhalten bleiben soll, so bleibt da nur noch die unterschiedliche Zinsbewertung. Zinssteigerung infolge unsolider Haushaltpolitik kann sehr disziplinierend wirken. Durch das Gewährleistungsgesetz wird auch dieser Bewertungsmechanismus ausgehebelt, praktisch Zinskonvergenz hergestellt. Deutschland, das die Hauptlast der Gewährleistung zu tragen hat, hilft seinen Konkurrenten am Kapitalmarkt, sich wieder billiger zu verschulden. Das ist meines Erachtens falsch verstandene Solidarität. Die europäische Schuldenblase wird weiter aufgeblasen. Das beflügelt Abwertungserwartungen für den Euro. Die Stabilisierung des Euro-Kurses ist nicht zu erwarten, was schon dessen nur kurzer Aufwärtstrend nach Ankündigung des Rettungspaketes an den Börsen deutlich machte. Was ohne das Gewährleistungsgesetz nur zur Abwertung der Staatsschuldentitel einzelner Euro-Länder geführt hätte, kann nun zur Abwertung der ganzen Währung führen. Das wiederum bedeutet einen allgemeinen Anstieg des Zinsniveaus auch für Deutschland sowie ein erhöhtes Inflationsrisiko. Damit wird das Gewährleistungsgesetz auch noch zur Wachstumsbremse für Deutschland. Sonstige Bewertungen: Anzuerkennen ist, dass sich die Bundesregierung bemüht, dem Gewährleistungspaket eine grundlegende Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes an die Seite zu stellen. Diese Reform einstimmig in der Union von 27 Staaten, bei denen einige die Vertragsänderungen per Referendum ratifizieren lassen müssen, und in einem wegen der Dringlichkeit der Haushaltkonsolidierung und der daraus resultierenden Finanzausstattung nahen Zeithorizont umzusetzen, halte ich allerdings für illusorisch. Anzuerkennen ist ferner, dass endlich notwendige Maßnahmen der Finanzmarktregulierung in Angriff genommen wurden, wobei ich hoffe, dass die jetzige Dynamik in diesem Prozess anhält und nicht nur dem Leidensdruck, die notwendige Zustimmung zum vorliegenden Gesetz zu bekommen, geschuldet ist. Die Unterstützung für die Finanztransaktionsteuer ist mir aber eindeutig zu halbherzig. Außerdem fehlt mir die unbedingt erforderliche Trennung des klassischen Bankgeschäftes vom risikoreichen Investmentbanking und dessen Unterlegung mit Eigenkapital. Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Dem von den Koalitionsfraktionen vorgelegten und heute nach 2. und 3. Lesung zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus werde ich meine Zustimmung erteilen. Ich stelle für diese Zustimmung folgende Bedenken zurück: Erstens. Ich hege Zweifel, ob einerseits die bisher aus guten Gründen völlig unabhängige Rolle der Europäischen Zentralbank, EZB,) angesichts ihrer Absicht, beim Ankauf von Staatsanleihen aktiv zu werden, nicht mindestens temporär beeinträchtigt wird, und andererseits diese Praxis ohne Auswirkung auf die Geldwertstabilität in der Euro-Zone bleibt. Zweitens. Die von der Europäischen Union, EU, bereitgestellten 60 Milliarden Euro dürfen weder als Einfallstor für eine zusätzliche Steuerfinanzierung für die EU begriffen werden, noch darf dies als Einstieg in eine Kreditfinanzierung der EU führen. Drittens. Angesichts der Höhe der bereitzustellenden Bürgschaften wäre nicht nur ein Mitwirkungsrecht, sondern ein Zustimmungsvorbehalt des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages angezeigt. Alexander Funk (CDU/CSU): Hiermit teile ich mit, dass ich mich dem Mehrheitsvotum der Regierungskoalition zum Stabilisierungsgesetz bei der Abstimmung im Deutschen Bundestag am 21. Mai 2010 nicht anschließen werde. Ich habe diese Entscheidung nach reiflichem Überlegen, intensiver Prüfung aller mir zugänglichen Informationen und in der Konsequenz meiner massiven Bedenken gegen den eingeschlagenen finanz- und europapolitischen Weg getroffen. Bereits anlässlich der Abstimmung über das Gesetz zum Erhalt der Währungsunion vom 7. Mai 2010 habe ich meine Befürchtung kundgetan, dass mit der Übernahme von Kreditbürgschaften für Griechenland nicht nur formalrechtlich, sondern auch inhaltlich gegen zentrale Regularien der einschlägigen europäischen Gesetze verstoßen und der Weg zu einer mit unkalkulierbaren Risiken verbundenen Uminterpretation der Europäischen Union zu einer Transferunion eröffnet wird. Bedauerlicherweise muss ich feststellen, dass sich, wenige Tage nach der Beschlussfassung des Deutschen Bundestages in Sachen Griechenland, meine Befürchtungen und Bedenken in jeglicher Form bestätigt haben. Die besonders betonte Singularität der Hilfsmaßnahmen für Griechenland wird durch die beabsichtigte, exorbitante Garantiesumme von mindestens 123 Milliarden Euro zum Dauerrisiko für den Haushalt der Bundesrepublik. Der vorgelegte Gesetzesentwurf sieht einen potenziellen Beistand der Union für Mitgliedstaaten vor, die "durch außergewöhnliche Ereignisse, die sich ihrer Kontrolle entziehen, von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht sind." Unter dieser Maßgabe werden in unüberschaubarer Größenordnung finanzpolitische Misswirtschaft, Haushaltsdefizite sowie das Unterlaufen des Stabilitätspaktes zu einer höheren Gewalt, die sich dem Einfluss der Staaten entzöge, uminterpretiert und nachträglich legitimiert. Eine tatsächliche ökonomische Gefährdung des Euro kann meines Erachtens gewiss nicht durch die potenziellen Abschreibungsverluste der Inhaber von Staatsanleihen begründet und zu einem "außergewöhnlichen Ereignis" stilisiert werden, das die Kappung der No-bail-out-Klausel unerlässlich mache. Ich hege erhebliche Zweifel an der vorgebrachten Einschätzung, dass durch die implementierten Kontrollmechanismen ein nachhaltiger Konsolidierungserfolg der etwaig betroffenen Länder erreicht werden kann, ebenso bezweifele ich die Dauerhaftigkeit der intendierten marktberuhigenden Effekte des Stabilisierungsgesetzes. Im Gegenteil sind meines Erachtens ein weiterer Kursverfall des Euros, eine stetig steigende Inflationsgefahr sowie mittelfristig zu erwartende Zinserhöhungen direkte wirtschaftliche Effekte der jetzigen Maßnahmen und insbesondere die Degradierung der Europäischen Zentralbank zu einem Instrumentarium tagespolitischen Opportunismus'. Ich bedauere ausdrücklich, dass die vielfältigen und wissenschaftlich renommierten Kritiker dieses eingeschlagenen Weges bisher keine Gelegenheit erhalten haben, mit uns über Alternativstrategien fachlich fundiert zu beraten. Andere und gangbare Wege der Krisenbewältigung sind indes in den Wirtschaftsteilen der seriösen Tages- und Fachpresse für jeden Bürger nachlesbar und meines Erachtens mindestens bedenkenswert und diskussionsfähig. Auch aus diesem Grunde hege ich massive Zweifel an der immer wieder monierten Alternativlosigkeit des Programmes und warne mit Nachdruck vor den Konsequenzen dieser Ausblendung von Exit-Strategien. Mitunter wird der berechtigten Kritik an der Außerkraftsetzung aller finanzpolitischen Grundüberzeugungen unserer CDU und insbesondere der Väter der Währungsunion inzwischen unterstellt, einen aktiven Beitrag an der zu erwartenden ausbleibenden Marktberuhigung zu leisten. Ich verwehre mich in aller Schärfe gegen diese Argumentationsführung. Das berechtigte und von den Bürgerinnen und Bürgern auch erwartete Ringen um den besten Weg in einer für uns alle entscheidenden Situation gehört zur guten Tradition der christlichen Unionsparteien. Unsere Partei war immer der Garant für fiskal- und finanzpolitische Vernunft und Seriosität und nicht zuletzt deshalb der entscheidende bundespolitische Akteur der Europäischen Integration. Ich versichere Ihnen, dass ich mich nach Kräften für die Menschen in unserem Land und für eine starke und erfolgreiche Arbeit unserer CDU einsetzen werde. Überdies schließe ich mich der vorgelegten Erklärung meiner Fraktionskollegen Klaus-Peter Willsch und Manfred Kolbe ausdrücklich an. Dem vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung kann ich daher am 21. Mai 2010 nicht zustimmen. Josef Göppel (CDU/CSU): Eine dauerhafte Sicherung unserer gemeinsamen Währung Euro kann nur gelingen, wenn Haushaltskonsolidierung der Euro-Staaten und Regulierung der Finanzmärkte gemeinsam angegangen werden. Dabei müssen die Finanzmärkte an den Kosten der Bankenkrise und der Sanierung der Staatshaushalte angemessen beteiligt werden. Mit dem Gesetz zum europäischen Stabilisierungsmechanismus übernimmt Deutschland konkrete finanzielle Verpflichtungen, doch die Beteiligung der Finanzmärkte bleibt weiter unbestimmt. Nur eine Finanztransaktionsteuer bringt einen nennenswerten Ertrag und dämmt gleichzeitig kurzfristige Spekulation ohne Bezug zur Realwirtschaft wirkungsvoll ein. Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die sich in ihrem Geschäftsmodell auf die Finanzierung von Unternehmensinvestitionen konzentrieren, haben in der Bundestagsanhörung vom 17. Mai 2010 der Finanztransaktionsteuer den Vorzug vor Bankenabgabe und Finanzaktivitätsteuer gegeben. Investmentbanken und Hedgefonds würden hingegen aufgrund des schnellen Umschlags ihres Vermögens durch eine Finanztransaktionsteuer in ihren krisenverstärkenden Aktivitäten gebremst. Die seit 1986 existierende britische Börsenumsatzsteuer beweist, dass bei geringen Steuersätzen auf Transaktionen keine Schwächung des Finanzplatzes eintritt. Durch die Anhörung des Finanzausschusses sehe ich mich darin bestärkt, dass eine Umsetzung der Finanztransaktionsteuer in der Euro-Zone möglich ist. Die Bankenkrise des Jahres 2008 wurde mit den Steuermitteln aller Bürger eingegrenzt. Ohne die damit verbundene Kreditaufnahme hätte Deutschland im Jahr 2010 einen Haushalt ohne Neuverschuldung erreicht. Nach dem Löschen des spekulativen Flächenbrands im Bankensektor wurde international zu wenig für die Bekämpfung der Ursachen getan. Eine erneute Belastung der Steuerzahler ohne Einbeziehung des Finanzsektors kann ich nicht mittragen. Dem Entschließungsantrag mit der Drucksachennummer 17/1809 zur Einführung einer Finanztransaktionsteuer stimme ich zu. Dr. Lutz Knopek (FDP): Bevor wir heute über einen Gesetzentwurf mit so weitreichenden Folgen entscheiden, mache ich von meinem Recht Gebrauch, mein Abstimmungsverhalten zu begründen. Ungleiche wirtschaftliche Entwicklungen in unterschiedlichen Staaten erfordern eine Anpassung des realen Wechselkurses. In einem gemeinsamen Währungsraum sind die Handlungsspielräume einzelner Staaten, kurzfristig auf länderspezifische Entwicklungen zu reagieren, jedoch beschränkt, da der nominale Wechselkurs als Anpassungsinstrument nicht mehr zur Verfügung steht. Verschiedene Sprachen und kulturelle Unterschiede schränken die Faktormobilität ein, sodass ein Ausgleich über eine Zu- oder Abwanderung von Kapital und Arbeitskräften nur eingeschränkt infrage kommt. Die anhaltenden Proteste in Griechenland zeigen, dass die Faktorpreisflexibilität ebenfalls erheblich eingeschränkt ist. Keine demokratisch gewählte Regierung wird in kurzer Zeit die zur Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlichen drastischen Lohnsenkungen durchsetzen können. Als letztes Mittel - wird der Weg in die geordnete Insolvenz ausgeschlossen - verbleibt daher nur noch die Möglichkeit, eine reale Ungleichgewichtssituation im Rahmen umfassender interstaatlicher Transfers abzubauen. Ein solches Finanzausgleichssystem in einer Währungsunion politisch selbstständiger Staaten gefährdet aufgrund fehlender Anreize zur finanziellen Solidität nicht nur die Anpassungsfunktion über die Märkte, es macht auch eine glaubhafte Gelddisziplin schwierig. Bereits 1990 hat die Europäische Kommission in ihrem vorbereitenden Bericht zur Europäischen Währungsunion mit dem Titel "One Market, One Money" dazu Folgendes festgestellt: Die Schaffung der Währungsunion setzt die langfristige Vereinbarkeit zwischen der gemeinsamen Geldpolitik und der Haushaltspolitik in den einzelnen Mitgliedstaaten voraus. Untragbare Haushaltssituationen in einem Mitgliedstaat würden die monetäre Stabilität in der Gemeinschaft insgesamt ernsthaft bedrohen. Durch hohe und wachsende Schuldenquoten würde Druck auf die Gemeinschaft ausgeübt, finanzielle Hilfestellung zu leisten. Da Geld- und Haushaltspolitik langfristig interdependent sind, führt dies letztlich zu einer Inflationsfinanzierung der Staatsschuld. Mit der heutigen Entscheidung tritt Deutschland daher den unweigerlichen Weg in eine europäische Transferunion an. Damit übernimmt Deutschland de facto die Gewährleistung der Schulden derjenigen europäischen Staaten, die über einen langen Zeitraum unsolide gewirtschaftet haben. Verantwortungslosigkeit wird somit belohnt. Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank, erstmals Staatsanleihen aufzukaufen - wenn auch zunächst einmal geldmengenneutral - lässt an der Unabhängigkeit der EZB erhebliche Zweifel aufkommen. Langfristig wird mit der heutigen Entscheidung die Geldwertstabilität des Euro wesentlich gefährdet. Diese Entscheidung kann ich daher nicht mittragen. Ich stimme gegen diesen Gesetzentwurf. Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Die zahlreiche Kritik an dem Gesetz muss von der Bundesregierung in erheblichem Maße ernst genommen werden. Auch ich kann zahlreiche Details des Gesetzes nicht nachvollziehen oder bin bei Einzelfragen dagegen. In der Hauptsache lehne ich die Finanzmarkttransaktionsteuer ab. Sie kann nur global eingefühlt wirken, ansonsten bleibt sie wirkungslos. Zumal lehne ich es ab, dass vor allem Kleinsparer belastet werden. Fragen bleiben bestehen: Was passiert, wenn Defizitstaaten gegen Auflagen verstoßen? Was folgt, wenn der IWF abzieht? Die genaue Garantie dazu bleibt fraglich. Der Eindruck bleibt, dass Schulden mit Schulden bekämpft werden. Trotz dieser bestehenden Einzelfragen und nicht nachvollziehbaren Details stimme ich diesem Gesetz zu. Letztlich muss ich mich allerdings auf die Richtigkeit der Maßnahme verlassen, die von Experten und der Bundesregierung vorgeschlagen werden. Für mich ist dabei aber entscheidend: Mit dem heutigen Tag wird ausdrücklich nicht ein Vorgang abgeschlossen. Nein! Aus meiner Sicht haben wir die Lösung eines Problems nur verschoben und ein wenig Zeit gewonnen. Die Uhr läuft zur Lösung des Problems rückwärts. Deshalb muss der heutige Beschluss der Start einer intensiven europäischen Politik zur Rettung des Euro. Jetzt muss die Bundesregierung Führungsverantwortung übernehmen und insbesondere eine Politik des Schuldenabbaus und ordentlicher Haushalte in der Euro-Zone und bei den Mitgliedstaaten einfordern. Drastische Maßnahmen stehen an, für die der Bundestag und die Bundesregierung bei der deutschen Bevölkerung und die europäischen Mitgliedstaaten intensiv werben müssen. Mit anderen Worten: Wenn die gewonnene Zeit nicht für drastische Reformen in der Euro-Zone genutzt wird, ist der Euro in Gefahr. Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU): Dem Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus stimme ich zu, weil ich auch unter Berücksichtigung ernst zu nehmender Zweifel an Art und Umfang der vorgesehenen Maßnahmen die Risiken einer Verweigerung dieser gemeinsamen Bemühungen für unabsehbar und daher unvertretbar halte. Für meine Zustimmung sind die gesetzliche Bindung der Finanzierungsmaßnahmen an ein zwischen dem betroffenen Mitgliedstaat mit dem Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank vereinbartes und von allen Staaten des Euro-Raumes gebilligtes wirtschafts- und finanzpolitisches Programm sowie die nun endlich eingeleiteten Regulierungen spekulativer Finanzgeschäfte wesentlich. Dagegen bedaure ich, dass das Gesetz keine Regelungen für die zu gründende Zweckgesellschaft zur Gewährung von Krediten enthält, sondern der Deutsche Bundestag sich mit der Vorlage der für diese Zweckgesellschaft noch in Vorbereitung befindlichen Vertragsgestaltung begnügt, die nach meiner Überzeugung seiner Zustimmung unbedingt bedurft hätte. Paul Lehrieder (CDU/CSU): Bei der Abstimmung in der Fraktion am 20. Mai 2010 hatte ich dem Gesetzesvorhaben meine Zustimmung verweigert. Nach Überprüfung aller Beweggründe für und wider das Gesetzesvorhaben in materieller und formeller Hinsicht habe ich nunmehr trotz fortbestehender Bedenken am Freitag, den 21. Mai 2010, dem Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus meine Zustimmung erteilt. Immer mehr Bürger dieses Landes fragen sich, ob es denn richtig sei, quasi in jeder Sitzungswoche neue milliardenschwerer Rettungspakete - Rettung der Länder, des Euro und der EU, der Banken - auf den Weg zu bringen. Der Politik kommt gerade in Anbetracht dieser finanziellen Dimensionen eine besondere Verantwortung zu, Zusammenhänge und Entscheidungsprozesse nachvollziehbar und transparent zu gestalten. Deshalb muss das Parlament genau wissen, worüber es abstimmt. Durch die Eilbedürftigkeit des Verfahrens hat die Bundesregierung den Bundestag nicht so umfassend beteiligt, wie es angesichts der Bedeutung des Gesetzes notwendig gewesen wäre. Grundlegende Informationen über Organisationsstrukturen, Verfahren und Techniken des geplanten finanziellen Beistands für Mitgliedstaaten der Euro-Zone wurden den Volksvertretern nur unzureichend und unter Zeitdruck zugeleitet. Die vertraglichen Grundlagen müssen aber klar sein - eine Blankovollmacht darf keinesfalls erteilt werden. Im Vertrauen auf den Finanzminister und die Bundesregierung stimme ich dem Gesetzentwurf trotz der genannten Bedenken zu. Grund ist der Ernst der Lage: Der Vertrauensverlust der Finanzmärkte in die Solvenz von Euro-Ländern ist nicht auf Griechenland beschränkt geblieben. Erste Ansteckungseffekte auf andere Euro-Länder waren zu verzeichnen. Wäre es zum Verlust des Vertrauens in die Zahlungsfähigkeit mehrerer Euro-Länder gekommen, hätte das den Anfang vom Ende der Währungsunion bedeuten können, mit unverantwortbaren volkswirtschaftlichen und sozialen Kosten für Deutschland und Europa. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Wer dem heute zu beschließenden Gesetz nicht zustimmt, müsste in der Lage sein, die Alternativen zu skizzieren - Alternativen, deren Konsequenzen überschaubar und beherrschbar sein müssten. Ich gebe freimütig zu, dass ich mich dazu außerstande sehe. Deshalb werde ich dem Gesetz zustimmen müssen. Allerdings will ich hier nochmals deutlich zu Protokoll geben, dass ich das grundsätzliche Vorgehen ausdrücklich nicht billige. Das Fehlen der Vertragsgrundlagen für die zu gründende Zweckgesellschaft ist zu bemängeln. Ich erwarte hier die Umsetzung der Versprechen, insbesondere dass diese Einrichtung befristet besteht. Für unangemessen halte ich auch die Beschneidung des Haushalts- und Mitspracherechtes des Parlamentes. Die Handlungsfähigkeit der Regierung und das Vertrauen der Märkte wären meines Erachtens durch die Ausnahmeregelung, sprich den Verweis auf die - freilich dann darzulegenden - zwingenden Gründe für eine erst nachträgliche Einbindung des Haushaltsausschusses, in jedem Fall gesichert. Ich halte es für ausgesprochen wenig souverän, dass die Formulierungen im Gesetz quasi lauten sollen: Erstens. Der Haushaltsausschuss muss nicht unbedingt zustimmen. Zweitens. Im Ausnahmefall muss er gar nicht zustimmen. - Mag sein, dass das überspitzt formuliert ist. Mag sein, dass die CSU gegenüber der bloßen "Unterrichtung des Haushaltsausschusses" hier Entscheidendes verbessert hat. Aber: Europapolitik muss künftig parlamentarisch kontrolliert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht diese Kontrolle als Ergänzung zum Lissabon-Vertrag verlangt, und ich habe zuvor mit Verweis auf diesen Mangel wohlüberlegt nicht zugestimmt. Dass wir heute die auf bloßes Bemühen reduzierte Formulierung aus dem Begleitgesetz übernehmen, ist die Fortschreibung eines Fehlers, den wir bewusst begangen haben. Ich empfehle einen Vergleich unserer Forderungen zu Oppositionszeiten, dargelegt in Drucksache 15/4716 vom 25. Januar 2005, und dessen, was wir uns dann selbst zugebilligt haben, wohlgemerkt nachdem uns das Verfassungsgericht zur Wahrung unserer eigenen parlamentarischen Rechte gezwungen hat. Mir stellt sich die Frage, wie lange wir eine Europapolitik machen wollen, die auf Messers Schneide an der Verfassungswidrigkeit entlangbalanciert, bei der sich das nationale Parlament in bemerkenswerter Gleichmütigkeit selbst kastriert, bei der am Ende die Exekutive Demokratie und Gewaltenteilung ersetzt, bei der Verantwortung und Kompetenz extrem auseinanderfallen. Es kann ja sein, dass eine Notfallsituation wie die vorliegende nicht Raum für eine so grundsätzliche Diskussion lässt. Ein Weiter-so kann es aber auch nicht geben. Die Beratung durch das Parlament war im Rahmen der Krise hilfreich. Ohne uns hätte es die notwendige Beteiligung des IWF nicht gegeben, und ohne sie bliebe nicht die kleine Chance, dass die mit deutschen Garantien gewonnene Zeit genutzt wird, um endlich auf einen europäischen Stabilitätskurs zu kommen. Stattdessen hätten wir einen europäischen Währungsfonds und eine Transferunion bekommen. Wer wie ich keinen europäischen Bundesstaat, keine gemeinsame, französisch dominierte Wirtschaftsregierung will, der tut in den nächsten Wochen und Monaten gut daran, unsere Regierung in diesen Fragen eng zu begleiten. Frank Schäffler (FDP): Wir entscheiden gleich über das sogenannte Euro-Stabilisierungsgesetz. Dieses Gesetz ist einmalig in der deutschen Geschichte. Diese Einmaligkeit veranlasst mich, von meinem parlamentarischen Recht Gebrauch zu machen, mein Abstimmungsverhalten vor dem Deutschen Bundestag zu begründen. Ich werde dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen. Denn dieses Gesetz ist kein Rettungspaket für den Euro und Europa. Das vereinte Europa ist von seinen Gründungsvätern Konrad Adenauer, Robert Schumann, Jean Monnet, Alcide de Gasperi und anderen als ein Hort der Freiheit gegen alle Formen von Diktatur, Unfreiheit und Planwirtschaft erträumt worden. Das heutige Europa ist auf dem Weg in die monetäre Planwirtschaft und den politischen Zentralismus. Die Gründungsväter Europas wollten ein Europa des Rechts und der Rechtsstaatlichkeit. Die heutigen Regierungen des Euro-Raums, die EU-Kommission und die EZB verabreden sich hingegen zum kollektiven Rechtsbruch, obwohl die EU-Kommission als Hüterin der Verträge und die nationalen Regierungen zum Schutz des Rechts verpflichtet sind. Es gibt Alternativen zum derzeitigen planwirtschaftlichen und rechtswidrigen Handeln der europäischen Regierungen und der EU-Kommission. Planwirtschaft und Rechtsbruch sind nicht alternativlos. Wir müssen uns jedoch trauen, die Alternativen zu bedenken, zu wählen und anschließend mutig umzusetzen. Vor allem müssen wir anfangen, die heute wieder vielfach geschürte Angst vor der Freiheit zu bekämpfen. Dieser Kampf beginnt mit einem freien Denken: Wir müssen uns trauen, die Ursachen unserer Finanz- und Überschuldungskrise zu benennen. Die Hauptursache der Finanz- und Überschuldungskrise von Staaten und Banken liegt in der Geld- und Kreditschöpfung aus dem Nichts und der Möglichkeit, staatliches ungedecktes Zwangspapiergeld unbegrenzt zu vermehren. Ohne diese Alchemie des Geldes hätte kein weltweites Schneeballsystem aus ungedeckten zukünftigen Zahlungsverpflichtungen entstehen können. Dieses Schneeballsystem ist nur möglich, weil der Staat aus Gründen der leichteren Finanzierung von Staatsausgaben den Banken Privilegien verliehen hat, die gegen die Grundprinzipien jeder marktwirtschaftlichen Ordnung verstoßen. Zum einen handelt es sich um das Teilreserveprivileg, mit dem die Geschäftspraktik der Geld- und Kreditschöpfung legalisiert worden ist. Zum anderen wurde durch die Gründung von Zentralbanken der Zusammenhang von Haftung und Entscheidung für den Bankensektor außer Kraft gesetzt. Zentralbanken wird die Hauptaufgabe zugewiesen, als Kreditgeber letzter Hand die Insolvenz von Banken zu verhindern. Eine Marktwirtschaft ohne Insolvenzrichter ist jedoch keine Marktwirtschaft. Zudem zerstören Zentralbanken durch ihre Zinspolitik das Preissystem von Gesellschaften. Deshalb wird diese Art der Marktwirtschaft ständig von Krisen - boom and bust - heimgesucht. Die marktwirtschaftlichen Selbstreinigungs- und Lenkungskräfte sind durch staatlichen Zwang im höchst wichtigen Finanzbereich weitgehend außer Kraft gesetzt. Die Vorschläge über neue Finanzmarktsteuern sind deshalb ein Ablenkungsmanöver, das vom eigentlichen Problem unserer Geldordnung ablenken soll. Darüber hinaus führt dieses Geldsystem fast zwangsläufig zur Überschuldung von Staaten und Banken, die sich in diesem Prozess gegenseitig decken, stützen und erpressen. Die Erpressung lautet: Werden die Zahlungen für uns eingestellt, fällt das gesamte Finanzsystem zusammen. Ich stimme dem vorliegenden Gesetz nicht zu. Dieses Gesetz verstößt gegen europäisches Recht. Die Institutionen, die zum Schutz des Rechts verpflichtet sind, erfüllen ihre Aufgabe nicht. Zweitens wird durch diesen Rechtsbruch nicht der Euro gerettet, sondern zerstört. Und drittens wird die Überschuldungskrise von Staaten und Banken durch dieses sogenannte Rettungspaket nicht entschärft, sondern verschärft. Durch diese Maßnahmen lösen wir unsere derzeitigen Probleme nicht. Was wir zur Lösung unser derzeitigen Probleme in Europa brauchen, ist eine neue Geldordnung, eine marktwirtschaftliche Geldordnung und nicht Planwirtschaft. Deshalb sage ich: Nein! Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Die Stabilität des europäischen Banken- und Finanzsystems ist von überragender volkswirtschaftlicher Bedeutung. Wenn akute Gefahr im Verzuge ist, muss gehandelt werden. Die Bemühungen der Bundesregierung, Zeit zu gewinnen, um größeren Schaden abzuwenden, verdienen unsere Unterstützung. Das war bei der Abstimmung zur Griechenland-Hilfe am 7. Mai der Fall. Deswegen konnte man ihr noch zustimmen. Dazu verweise ich auf meine schriftliche Erklärung zur Abstimmung. Der jetzt in Europa ausgehandelte Rettungsschirm setzt dagegen nicht allein auf Zeitgewinn. Er verändert gleichzeitig die Architektur der Europäischen Währungsunion fundamental. Die Einhaltung des ohnehin aufgeweichten Stabilitäts- und Wachstumspaktes wird für die Zukunft allein in die Verantwortung der Politik gelegt. Statt die disziplinierende Kraft der Märkte in Zukunft klüger zu nutzen, müssen wir Europäer mehr denn je darauf vertrauen, dass die Politik die Kraft aufbringen wird, allein durch politischen Druck, durch Pflichten und Vorschriften die Schuldensünder zu disziplinieren. Dass dieses Vertrauen die Politik überfordert, hat aber die Vergangenheit gezeigt. Die Europäische Union hat mit dem vereinbarten Rettungsschirm das Tor zur Transferunion aufgestoßen. Anders als bei der zuvor beschlossenen Griechenland-Hilfe wird mit der Verordnung zur Aufnahme von Gemeinschaftsanleihen, dem Aufkauf schlecht besicherter Staatsanleihen durch die EZB und dem vorliegenden Gewährleistungsgesetz die Übernahme von Risiken institutionalisiert. Der sogenannte Rettungsschirm organisiert und besiegelt die Mitverantwortung aller europäischen Partnerländer für die unsolide Finanzpolitik Einzelner. Die Tatsache, dass die Haftung formal nur "pro rata" organisiert wird und zumindest die Zweckgesellschaft zeitlich befristet ist, ändert nichts an diesem grundlegenden Befund. Indem wir die wirtschaftspolitischen Probleme einzelner Länder zulasten der Steuerzahler der Übrigen sozialisieren, verändern wir den Charakter der Währungsunion grundlegend. Wir begeben uns auf einen Weg, der langfristig zu einer erheblichen Destabilisierung der Währungsordnung führen kann und die Wachstumsperspektiven Deutschlands deutlich verschlechtert. Wer ein stabiles Europa und einen stabilen Euro haben will, darf nicht allein auf die Bindekraft politischer Willensbekundungen vertrauen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt war für Deutschland die unabdingbare Voraussetzung für die Zustimmung zur Einführung des Euro. Er setzte auf eine doppelte Absicherung, eine politische und eine marktwirtschaftliche - mittels der Maastricht-Kriterien durch politische Selbstbindung einerseits und mittels der No-Bail-out-Bestimmung durch die disziplinierende Kraft der Märkte und die Vermeidung von Moral-Hazard-Effekten andererseits. Die politische Selbstbindung wurde bereits 2005 von der Regierung Schröder aufgeweicht. Jetzt wird auch die zweite Absicherungslinie, das marktwirtschaftliche Korrektiv der Währungsunion, außer Kraft gesetzt. Der Ausschluss einer gegenseitigen Haftung der EU-Länder sorgt dafür, dass Kapitalanleger einen permanenten Anreiz haben, Risiken realistisch einzuschätzen, die fiskalische Entwicklung der Länder genau zu beobachten und Risikovorsorge zu treffen. Das schlägt sich zwangsläufig nieder in einer divergierenden Zinsentwicklung je nach Bonität der Staaten. Mit der jetzt in die Wege geleiteten Aushebelung der No-Bail-out-Klausel wird die Zinsdifferenz eingeebnet, der Kauf einer Staatsanleihe für die Anleger zu einem risikofreien Geschäft und die Ausweitung der Staatsverschuldung den hochverschuldeten Ländern ökonomisch erleichtert. Das bedeutet nicht nur eine erhebliche potenzielle Belastung der garantiegebenden Länder und deren Steuerzahler, sondern die Gefahr einer Fehlallokation und der Verschwendung von Kapital. Die fiskalische Disziplin des Systems wird gelockert, die Fliehkräfte der Währungsunion nehmen zu. Wer hohe Risiken eingeht, muss dafür auch haften. Die No-Bail-out-Bestimmung war Ausdruck dieses Prinzips. Der mit dem Rettungsschirm institutionalisierte Ausstieg der europäischen Finanzpolitik aus dem No-Bail-out-Prinzip ist ein grundlegender Fehler. In dem Moment, wo dieses Prinzip nicht mehr gilt, kommt es zu einer dauerhaften Asymmetrie der Risiken. Entgegen fundamentalen marktwirtschaftlichen Prinzipien haften die Staaten Europas dann für die Risiken der privaten Marktteilnehmer. Das bedeutet, dass letztlich systematisch die Steuerzahler für die Fehlinvestitionen von Banken, Versicherungen und anderen privaten Marktteilnehmern geradestehen. Die ökonomischen Grundprobleme der gegenwärtigen Verwerfungen werden durch den Rettungsschirm nicht gelöst. Anders als bei der Griechenland-Hilfe geht der notwendige Gewinn an Zeit einher mit einer massiven Veränderung des Charakters der Währungsunion. Der Zusammenhang zwischen Marktreaktionen und nationalen Stabilitätsbemühungen wird weiter gelockert. Die Stabilität der Währung wird in Zukunft in erster Linie von den jeweiligen politischen Kräfteverhältnissen und den vermeintlichen politischen Notwendigkeiten abhängig sein. Die ökonomische Institutionalisierung einer Stabilitätsordnung gerät dagegen ins Abseits. Die institutionellen Veränderungen bedeuten einen irreversiblen Schritt hin zur Transferunion, bei der die Steuerzahler der stabilitätsorientierten Länder automatisch für die Disziplinlosigkeit und Verschwendungssucht der anderen haften. Deshalb wäre es gerade Aufgabe der Bundesregierung, die deutschen Steuerzahler vor diesen Gefahren zu bewahren. Angesichts dieser nicht nur von mir, sondern auch von vielen namhaften Experten aus Wissenschaft und Praxis genannten Einwände, kann ich dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Wegen der gebotenen Solidarität mit meiner Fraktion werde ich mich, statt abzulehnen, der Stimme enthalten. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen stimme ich nicht zu. Ich stimme mit Enthaltung. Ich halte es für richtig, dass die europäischen Länder gemeinsam vorsorgen. Nach Griechenland drohen nun auch andere europäische Länder, zahlungsunfähig zu werden. Die Schuldenentwicklung und die unverantwortlichen Spekulationen haben zu einer unerträglichen Situation geführt. Die Entwicklung der Finanzmärkte und die rasanten Währungsschwankungen waren und sind alarmierend. Die bekannt gewordene Finanzlage und Verschuldung mehrerer europäischer Länder lässt Schlimmes befürchten. Die Bereitstellung von staatlichen Garantien für Kredite an notleidende Länder kann ein Weg sein, um Zeit zu gewinnen und den Ländern so die Möglichkeit zu verschaffen, mit internationaler Hilfe ihre Wirtschaft zu konsolidieren und ihre Finanzen in Ordnung zu bringen. Aber der vorgelegte Gesetzentwurf ist ungenügend und verstößt gegen das Grundgesetz. Die Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages nach Art. 23 Abs. 2 und 3 sind nicht gewahrt. Der Gesetzentwurf enthält eine Generalermächtigung für die Bundesregierung, Garantien in unfassbarer Höhe aus Finanzen des Bundes sollen zur Verfügung gestellt werden, ohne dass ausreichend klar und bestimmt ist, zugunsten welchen Staates unter welchen Bedingungen sowie durch wen und wie kontrolliert die Garantien gegeben werden dürfen. So bleibt völlig unklar, wie eine nach dem Gesetzentwurf einzurichtende Zweckgesellschaft zur europäischen Finanzstabilisierung aussehen soll. Ein Entwurf für die rechtliche und inhaltliche Gestaltung liegt bis heute nicht vor. Eine Zustimmung des Deutschen Bundestages vor der Übernahme von konkreten Garantien für einzelne Länder ist nicht vorgesehen. Das Haushaltsrecht des Parlaments wird damit verletzt. Eine bloße Unterrichtung allein des Haushaltsausschusses kann das Budgetrecht des ganzen Parlaments nicht ersetzen, auch nicht Bemühungen zum Einvernehmen mit diesem Ausschuss. Mir wird damit ein fundamentales parlamentarisches Recht genommen, denn jeder Abgeordnete hat das Recht zur Mitentscheidung über Haushaltstitel von existentieller Größe. Aber auch inhaltlich habe ich durchgreifende Bedenken gegen den Gesetzentwurf. Falsch und unverantwortlich ist wiederum, dass es keine Vorsorge dagegen gibt, dass die Garantien aus Steuermitteln nicht den privaten großen Gläubigerbanken zugute kommen. Diese werden in erster Linie Nutznießer der Garantien sein, denn ihre Risiken werden übernommen und Renditen sowie Spekulationsgewinne garantiert. Staatliche Garantien dürften meines Erachtens deshalb nur gegeben werden, wenn sie im Rang vor den Krediten der Großbanken und privaten Gläubiger bedient werden. Alle Kredite, die aus staatlichen Mitteln garantiert werden, nebst Zinsen, sollten also zurückgezahlt sein, bevor die privaten Gläubiger Geld erhalten. Auf meine parlamentarische Anfrage hat die Bundesregierung am 19. Mai 2010 geantwortet, dass jedes Darlehen an notleidende Staaten ... gleichgestellt [ist] mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen ungedeckten und nicht nachrangigen Darlehen und Verbindlichkeiten des Darlehensnehmers ... Lediglich die Darlehen des Internationalen Währungsfonds haben eine vorrangige Sicherung. Dies entspricht dem seit Gründung des Internationalen Währungsfonds weltweit üblichen Verfahren bei ähnlichen Unterstützungen durch den Internationalen Währungsfonds. Dieser bevorrechtigte Gläubigerstatus wird Einzelstaaten oder einer Gruppe von Einzelstaaten in der bisherigen Rechts- und Kreditpraxis globaler Finanzierungen nicht zugesprochen. Eine solche Bevorzugung des IWF ist nicht gerechtfertigt. Ein Vorrang der Tilgung von Krediten, die aus Steuermitteln der europäischen Länder garantiert werden, ist genauso notwendig, richtig und gerechtfertigt wie bei Krediten des IWF. Bisherigen privaten Großgläubigern dagegen ist zuzumuten, dass sie das Risiko weiter tragen, das sie sehenden Auges bei Hingabe der Kredite eingegangen sind. Sie lassen sich das erhöhte Risiko ja auch durch hohe Zinsen bezahlen. Ohne die staatlichen Kredite hätten die bisherigen privaten Großgläubiger das eingesetzte Kapital ja schließlich ganz oder zum großen Teil verloren. Außerdem dürften meines Erachtens Garantien in Milliardenhöhe aus Steuermitteln nur gegeben werden, wenn die privaten Großbanken zur Kasse gebeten und an der Bezahlung der Hilfen echt beteiligt werden. Dazu muss der Bankensektor reguliert und eine Finanztransaktionsteuer eingeführt werden. Eine vage Absichtserklärung der Bundesregierung für dahingehende Bemühungen auf internationaler Ebene reicht nicht aus. Konkrete Vorschläge müssten jetzt vorgelegt werden. Auch für mich ist das Bekenntnis zur Europäischen Union und zum Prinzip der innereuropäischen Solidarität zentral wichtig. Auch ich halte es für notwendig, dass die EU-Länder sich gegenseitig helfen, wenn ein Land in Not gerät. Auch ich will der Bevölkerung notleidender Mitgliedstaaten in einer jetzigen Finanzkrise beistehen. Staatlich garantierte deutsche Kredite können ein Mittel sein, um der Finanznot dieser Staaten entgegenzuwirken und sollten dann vor allem eingesetzt werden, um dort den sozial Benachteiligten zu helfen. Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU): Ich kann dem Gesetz unter anderem aus folgenden Gründen nicht zustimmen: Erstens. Mit dem Gesetz wird faktisch eine Garantie für Haushaltsdefizite von Mitgliedstaaten gegeben, bei denen gegenwärtig zweifelhaft ist, ob sie die volkswirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllen, gleichberechtigt an der Währungsgemeinschaft teilzuhaben. Dieses kann sowohl zu einer Schwächung des Euro insgesamt als auch zu einer Verschlechterung des deutschen Ratings und damit zu einer Erhöhung der Zinslasten in einem zweistelligen Milliardenbereich führen. Zweitens. Mit den gegenwärtigen Stützungsaktionen erreichen wir nur einen begrenzten Zeitgewinn. Dies machte nur Sinn, wenn es in einem überschaubaren Zeitraum zu einer Umstrukturierung des Mechanismus zur Überwachung und Verhinderung von Haushaltsdefiziten in Mitgliedstaaten käme, wenn die zu stützenden Volkswirtschaften die Kraft zu drastischen Restrukturierungsmaßnahmen fänden und es gleichzeitig zu einem nachhaltigen Abbau der Haushaltsdefizite in allen Mitgliedsländern, auch in der Bundesrepublik Deutschland, käme. Ich habe Zweifel, ob alle betroffenen Staaten die Kraft für ein solches Vorgehen finden werden. Drittens. Ich bin der Auffassung, dass die Instrumente zur Überwachung der Finanzmärkte nachhaltig ausgebaut werden müssen. Erforderlich wäre eine Entkoppelung des Spiel- und Wettsystems internationaler Finanzjongleure von der Realwirtschaft. Seit der Bankenkrise 2008 wird die Notwendigkeit solcher Maßnahmen hervorgehoben. Die aktuellen Erscheinungen auf den Finanzmärkten zeigen aber, dass wirksame Maßnahmen bisher nicht eingeleitet wurden. Ich bin skeptisch, ob die internationale Gemeinschaft diesbezüglich in absehbarer Zeit zu koordinierten Maßnahmen finden wird. Viertens. Die deutschen Institutionen der Finanzaufsicht, BaFin und Bundesbank, sind nach eigener Darstellung von den Ereignissen überrascht worden. Diese Tatsache ist ebenso besorgniserregend wie der Umstand, dass dem Marktgeschehen offenbar kein Ordnungsrahmen gesetzt werden konnte. Angesichts der Personalausstattung der Bundesbank ist dies offensichtlich kein quantitatives Problem. Deshalb sind Maßnahmen zur qualitativen Stärkung der Aufsichtsbehörden vordringlich. Fünftens. Ich halte ein Zustimmungserfordernis des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages für notwendig. Eine solche Konditionierung würde nach meiner Auffassung das Vertrauen der Finanzmärkte in den Euro stärken, weil es die Befürchtung entkräften kann, die Europäische Kommission könnte von den jetzt geschaffenen Instrumenten im Übermaß Gebrauch machen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Steffen Bockhahn und Dr. Barbara Höll (beide DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Zusatztagesordnungspunkt 13) Wir stimmen dem Antrag nicht zu, weil wir eine Festlegung auf eine Entschuldung oder Teilentschuldung europäischer Länder zum jetzigen Zeitpunkt nicht für richtig halten. Weder sind Modalitäten dieser Entschuldung im abgestimmten Antrag geklärt, noch kann ausgeschlossen werden, dass ein solches Vorgehen zu unkalkulierbaren Risiken führt. Die Botschaft, dass Schulden nicht werthaltig sind, wäre ein fatales Signal, weil sie den Schluss zulassen könnte, dass verliehenes Geld wertlos würde. Ein solches Vorgehen wäre geeignet, Vertrauen in die europäische Gemeinschaftswährung, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in der Europäischen Union sowie in die Liquidität der betroffenen Staaten ernsthaft zu gefährden. Zudem wäre bei einer sofortigen Entschuldung offen, ob nicht Geldinstitute und Finanzinvestoren durch die Nutzung von Kreditausfallversicherungen erneut erhebliche Gewinne zulasten der Staaten und von Kleinanlegern machen würden. Vielmehr entsteht die Gefahr, dass es attraktiv wird, sich mit Staatsanleihen und Kreditausfallversicherungen spekulativ auf eine Entschuldung vorzubereiten, um dann zu profitieren. Eine solche Entwicklung lehnen wir strikt ab. Möglichkeiten zur teilweisen oder vollständigen Entschuldung von Staaten, beispielsweise durch ein Insolvenzrecht für Staaten, müssen seriös und sorgfältig geprüft werden. Erst in Kenntnis dieser Untersuchungen könnte begründet eine solche Forderung erhoben werden. Aus den oben genannten Gründen haben wir uns zum Antrag enthalten. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms und Bettina Herlitzius (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Zusatztagesordnungspunkt 13) Als überzeugte Europäerinnen und Europäer befürworten wir die Grundidee eines Euro-Stabilitätspaktes. Er ist ein Signal zu stärkerer europäischer Integration. Er gibt den Finanzmärkten eine von mehreren notwendigen Antworten auf die ungehemmten Spekulationen der letzten Jahre, die zum Zusammenbruch großer Banken und Volkswirtschaften geführt haben und deren Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt wurden. Der Stabilitätspakt kann ein Aufbruch zu nachhaltiger Haushaltsführung und verstärkter Sparsamkeit sein. In den letzten Tagen kam es innerhalb der Regierung und Koalition zu einem Meinungswechsel, der endlich auch die Notwendigkeit stärkerer Regulierungen am Finanzmarkt anerkennt. Nun sollen auch endlich Maßnahmen wie die Transaktionsteuer, das Verbot von Leerverkäufen und Kreditausfallversicherungen, sofern sie nicht der Absicherung eigener Risiken dienen, sowie die strenge Regulierung von Hedgefonds erfolgen. Angesichts dieser Schritte der Regierungskoalition hin zu den von meiner Fraktion schon lange geforderten Maßnahmen bleibt es absolut unverständlich, wieso sie dem Parlament keinen Vorschlag für einen interfraktionellen Beschluss unterbreitet. Eine breite Mehrheit wäre möglich gewesen. Wir hätten klarmachen können, dass wir als verantwortungsvolle Politikerinnen und Politiker das Allgemeingut schützen und die ungebremste Größe eines völlig überdimensionierten und bislang weitestgehend unregulierten Finanzmarktes beschränken wollen. Die Koalition hatte ganz offensichtlich kein Interesse, dieses starke und gegenüber allen Akteuren auch notwendige Signal zu setzen. Damit werden die Bürgerinnen und Bürger Europas und Deutschlands weiter im Unklaren gelassen, ob den Ankündigungen zu stärkerer Regulierung auch Taten folgen. Diese Regierung untergräbt damit ihre Glaubwürdigkeit - und die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt. Eine Zustimmung zum vorgelegten - und in vielen Punkten noch unklaren - Gesetzentwurf ist uns daher nicht möglich. Deswegen werden wir uns der Stimme enthalten. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler, Manfred Kolbe und Klaus-Peter Willsch (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Zusatztagesordnungspunkt 13) Erstens. Der bereits mit dem "Griechenland-Hilfegesetz" eingeschlagene Irrweg einer Bekämpfung der zu hohen Staatsverschuldung durch eine noch höhere Staatsverschuldung wird mit diesem Gesetz mit großem Tempo und drastisch erhöhtem Risiko für die deutschen Steuerzahler weitergegangen. Nach der Übernahme eines Haftungsrisikos in Höhe von 22,4 Milliarden Euro für Haushaltsfehlbeträge Griechenlands wird nunmehr den Deutschen ein zusätzliches Haftungsrisiko in Höhe von bis zu 150 Milliarden Euro für die Unterstützung weiterer Länder mit Haushaltsschwierigkeiten im EuroRaum aufgebürdet. Zweitens. Die europäische Einigung ist eine großartige Leistung der Politik im Europa der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Währungsunion ist politisches Symbol der höchsten Ausprägungsstufe dieses Prozesses. Für uns Deutsche war es wichtig, die Erfolgsgeschichte der Deutschen Bundesbank durch die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank auf den gesamten Euro-Raum zu übertragen. Durch Errichtung des Stabilitätspaktes hofften wir, Vorsorge dafür zu treffen, den gesamten Euro-Raum auf das Ziel der nachhaltigen Haushaltspolitik und der Preiswertstabilität zu verpflichten. In den europäischen Verträgen ist hierzu festgelegt, dass im Euro-Raum kein Staat für die Schulden des anderen aufkommen muss, ja nicht einmal darf - Bail-out-Verbot. Dies ist der Kern des Vertrauens in den Euro angesichts der sehr unterschiedlichen Volkswirtschaften in diesem gemeinsamen Währungsraum. Schon die vorgesehene Hilfe für Griechenland, erst recht aber die neu aufgerufene Summe verstößt offenbar gegen die Buchstaben, in jedem Falle aber gegen den Geist der gültigen europäischen Verträge. So wird die langfristige Stabilität des Euro nicht gesichert, sondern nachhaltig gefährdet. Drittens. Der Weg ist auch ökonomisch falsch. Man wirft dem schlechten Geld kein gutes hinterher. Der richtige Weg zur Lösung der griechischen Finanzkrise wäre ein Schuldenmoratorium und ein Teilverzicht der Gläubiger auf ihre Forderungen. Dadurch trügen einerseits diejenigen Anleihengläubiger zur Sanierung Griechenlands bei, die teilweise spekulativ griechische Anleihen mit hohen Zinsen gekauft haben und deren erhöhtes Risiko sich jetzt realisierte. Andererseits hätte Griechenland alleine bei einer Teilentschuldung eine echte Chance, da die derzeitige über dem jährlichen Bruttosozialprodukt von 240 Milliarden Euro liegende Staatsschuld von über 300 Milliarden Euro nach Ansicht fast aller Experten nicht zu bewältigen ist. Viertens. Am Sonntag, dem 9. Mai 2010, hat der Europäische Rat für Wirtschaft und Finanzen unter der Beteiligung Deutschlands die Errichtung eines Finanzstabilisierungsmechanismus mit einem Finanzvolumen von 60 Milliarden Euro beschlossen. Dies hätte nach deutschem Recht nicht ohne vorherige Befassung des Deutschen Bundestages erfolgen dürfen. Die Einrichtung dieses Finanzstabilisierungsmechanismus verstößt gegen das Bail-out-Verbot der europäischen Verträge. Hier ist geregelt, dass weder die Gemeinschaft noch einzelne Mitgliedstaaten für Haushaltsdefizite anderer Länder einstehen dürfen. Da für die Verwendung dieser Mittel nicht einmal der Einstimmigkeitszwang besteht, sondern mit qualifizierter Mehrheit entschieden wird, kann eine Mehrheit von Haushaltsdefizitstaaten über die Verwendung dieser Mittel entscheiden. Fünftens. Nun soll durch Veränderung der europäischen Verträge erreicht werden, dass Defizitsünder unter den Euro-Ländern durch Stimmrechtsentzug und Ausschluss aus der Währungsunion bestraft werden können. Wer sich des langen Verfahrens für die endgültige Ratifizierung des heute gültigen Vertrages von Lissabon erinnert, wird zumindest einräumen, dass dies ein unabsehbar langer Weg sein wird, mit vielfältigen Risiken des Scheiterns; alle 27 Staaten müssen nach ihren Regeln zustimmen, unter anderem Volksabstimmungserfordernis in mehreren Mitgliedsländern der EU. Sechstens. Weiterhin möchte man die Defizitsünder zukünftig in ihrem Haushaltsgebaren kontrollieren. Dazu ist nur anzumerken, dass wir als Deutscher Bundestag uns verbitten würden, dass die EU-Kommission in unser Budgetrecht eingreift. Wie können wir realistischerweise von den nationalen Parlamenten der "Defizitsünder" erwarten, dass diese sich das gefallen lassen, wenn sie es mit einem einfachen Nein verhindern können? Nichts diszipliniert Haushaltssünder mehr als die Furcht vor Zinssteigerungen infolge unsolider Haushaltspolitik. Genau dieses Instrument wird durch das vorgesehene Gesetz ausgehebelt. Siebtens. Wir können in der derzeitigen Situation der deutschen Staatsfinanzen dem Steuerzahler keine weiteren Belastungen in diesem Ausmaß zumuten, ohne die Einhaltung der gerade in das Grundgesetz aufgenommenen Schuldenbremse zu gefährden. Auch werden künftig notwendige Einsparungen in Deutschland kaum noch politisch zu vermitteln sein, wenn wir hier Garantien für ganz Europa in dreistelliger Milliardenhöhe übernommen haben. Achtens. Der Euro-Raum wird durch den Haftungsverbund für Haushaltsdefizite anderer Mitgliedstaaten zur dauerhaften Transferunion umgebaut. Das ist das Gegenteil von dem, was Bundeskanzler Kohl, Finanzminister Waigel und die gesamte CDU/CSU den Deutschen bei Aufgabe der D-Mark und Übergang zum Euro versprochen haben. Das ist das Gegenteil von unserer Überzeugung, dass Leistung sich lohnen muss. Dem können wir uns nicht anschließen. Deshalb können wir diesen Weg nicht mitgehen. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes (Tagesordnungspunkt 31) Gustav Herzog (SPD): Wir haben eine Zeit der großen Entscheidungen. Wir sind gefordert, uns als Parlamentarier zu streiten, bis der beste - der richtige Weg gefunden ist. Die Schwierigkeit der aktuellen Themen bringt die zum Teil doch sehr deutlichen Unterschiede unserer Parteien zutage, tatsächliche oder auch nur rein taktisch motivierte. Jetzt beraten wir aber ein angenehmes Thema. Auch wenn der Gesetzestext recht trocken wirkt, so geht es letztendlich dann doch um die Qualität im Glase. Mit der letzten Weingesetzänderung haben wir insbesondere die Reform der europäischen Weinmarktordnung in nationales Recht umgesetzt und uns gleichzeitig Zeit verschafft, die verhandelten Spielräume zu nutzen. So werden wir das komplizierte Bezeichnungsrecht so gestalten, dass wir sowohl Bewährtes erhalten als auch die neuen Chancen ergreifen können. Deshalb zitiere ich den VDP-Präsidenten Steffen Christmann, der sagte, dass "der Systemwechsel von der Oechsle-Pyramide hin zur Herkunfts-Pyramide den richtigen Weg weise". Verbraucherinnen und Verbraucher kennen und vertrauen in den Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität der Weine. Über zweieinhalb Tausend Einzellagen in Deutschland sind ein Garant für die Vielfältigkeit und einzigartige Charaktere der Deutschen Weine. Um dies zu erhalten, haben wir uns bei der Weinmarktreform und der nationalen Umsetzung eingesetzt. Dabei waren und sind wir erfolgreich, hier im Hohen Haus als auch im Schulterschluss mit den Weinbau treibenden Bundesländern und der Weinwirtschaft. Bei allen Differenzen in anderen Bereichen, beim Wein kommen wir zusammen, nicht nur nach getaner Arbeit sondern auch hier bei der heute beratenen Weingesetzänderung. Gemeinsamkeit und Erfolg gehören zusammen, wie wir im Bereich Weinpolitik mittlerweile aus persönlicher Erfahrung sagen können. Das 2003 gegründete Parlamentarische Weinforum ist unsere überfraktionelle Plattform. In guter Zusammenarbeit mit der Weinwirtschaft kommen wir als Berichterstatter dort im Vorfeld zu der Lösung, die dem Zweck dient, die Weinbaukultur und die Qualität der Weine zu erhalten und auszubauen, regionale und nachhaltige Kreisläufe zu stärken, den Betrieben ein gesichertes Einkommen zu bieten und den Tourismus zu stärken. Wir stehen vor großen Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Der Klimawandel birgt nicht absehbare Risiken, der Weg zur Agrarreform 2013 ist noch nicht geebnet, dem Trend zum Billigkonsum und der Geiz-ist-geil-Mentalität auch beim Wein ist unbedingt entschieden entgegenzutreten. Hier macht nicht nur das zentrale Weinmarketing eine gute Arbeit, auch sonst haben wir beste Voraussetzungen. Wir haben qualifizierte Winzerinnen und Winzer - das beste Fundament für die Herstellung und den Vertrieb hervorragender Weine. Wir haben beste Lagen, gutes Klima und großes Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Unser Weinrecht ist auf Qualität ausgerichtet und es sorgt für faire Wettbewerbsbedingungen unter den Weinbaubetrieben. In letzter Zeit hat sich allerdings ein Verfahren verbreitet, das mir ernste Sorgen bereitet. In "Kooperation" von Traubenerzeugern und Traubenverarbeitern wird die Hektarertragsregelung umgangen. Somit entsteht ein zwar legaler, aber unfairer und daher unerwünschter Wettbewerbsvorteil! Bereits in der letzten Legislatur, bei der fünften Gesetzesänderung haben wir darauf hingewiesen, dass dem Treiben ein Ende zu setzen ist. Sinn der Hektarertragsregelung ist, die Menge pro Hektar im Dienste der Qualität und der Preisstabilität zu begrenzen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, der in enger Abstimmung aller Beteiligten erarbeitet wurde, sorgen wir für klare Verhältnisse. Den Vorwurf, dass wir damit die Bürokratie aufbauen, lasse ich nicht gelten, insbesondere nicht von denen, die von der derzeitigen Rechtslage einseitig profitieren. Lassen Sie uns den Gesetzentwurf sorgfältig im Ausschuss beraten und schnell eine gute Lösung für den deutschen Wein beschließen. Dr. Erik Schweickert (FDP): Heute geht es um ein Thema, mit welchem ich nicht nur in der Funktion des Berichterstatters für Weinbaupolitik der FDP-Bundestagsfraktion zu tun habe, sondern es betrifft mich auch als Professor für Internationale Weinwirtschaft am Campus Geisenheim. Und deshalb freue ich mich gar nicht darüber, heute und hier dieses Gesetz beraten zu müssen. Warum? Ich habe nämlich den Anspruch an mich - wie sicherlich viele von Ihnen hier auch -, die Ursachen eines Problems erst zu analysieren und dieses Problem im Anschluss daran zu beseitigen. Und da bin ich es nicht gewohnt, nur an den Symptomen herumzudoktern. Das Problem, das wir haben, besteht darin, dass diese Symptome schon lange augenfällig sind. Ich war damals noch gar nicht Mitglied dieses Hohen Hauses, als meine Fraktion in der 16. Wahlperiode am 17. Juni 2009 einen Entschließungsantrag zur Änderung des Weingesetzes im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eingebracht hat. Das damals schon zu beobachtende Problemfeld war ein sprunghafter Anstieg von Betriebsgründungen in der Weinwirtschaft. Nun heißen wir es ja in aller Regel gut, wenn jemand ein Unternehmen gründet, weil damit Wirtschaftswachstum, Dynamik und Arbeitsplätze verbunden sind. Allerdings zeigte sich bei der Analyse dieser Betriebe und Geschäftsmodelle, dass sie nur deshalb gegründet wurden, um - ich nenne es mal - "schlitzohrig" die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen zum Hektarhöchstertrag "clever zu gestalten". Dies sieht folgendermaßen aus: Nach gegenwärtiger Gesetzeslage erfolgt die Quotierung des Weines nur im ersten Produktionsprozess, also bei der Traubenerzeugung, wo das Traubengewicht maßgeblich ist. Bemessungsgrundlage ist bislang nur die im Betrieb erzeugte Weinmenge, die den quotierten Gesamthektarertrag eines Betriebes nicht übersteigen darf. Für die Hektarertragsreglung ist bislang also nur der Traubenerzeuger verantwortlich. Mehrerträge einzelner Weinlagen oder Rebsorten können mit Mindermengen anderer Lagen und Sorten innerhalb des Betriebes ausgeglichen werden. Dies ist die Einbetriebsregelung, die für uns Liberale so wichtig ist. An die alte Hektarertragsregelung sind neben den reinen Traubenerzeugern - also Weinbaubetriebe, die Rebflächen bewirtschaften und die Trauben nicht selbst verarbeiten - auch Trauben-, Most- und Weinerzeuger - Weinbaubetriebe, die Trauben aus selbst bewirtschafteten Rebflächen verarbeiten und in der Regel als Most oder Wein vermarkten - gebunden. Zwischenverarbeiter, zum Beispiel Kelterstationen, die die Trauben kaufen, keltern und weiterverkaufen, unterliegen dieser Regelung bislang nicht. Sie müssen mit theoretischen Umrechnungsfaktoren rechnen. Genauso verhält es sich bei reinen Weinerzeugern - Betrieben ohne Rebflächen -, die Trauben, Most und Wein kaufen und weiterverarbeiten. So kommt es, dass diejenigen, die nicht an die Hektarertragsregelung gebunden sind, mehr Wein in den Verkehr bringen dürfen als ein Erzeuger oder eine Erzeugergemeinschaft, wenn diese aus der gleichen Menge Trauben oder Most selbst Wein herstellen. Hierdurch werden die abnehmenden Betriebe gegenüber den Erzeugerbetrieben oder Erzeugergemeinschaften, die selbst Wein herstellen und vermarkten, bevorteilt. Und aus dieser Situation heraus werden die neuen Geschäftsmodelle gegründet, um hieraus einen Vorteil zu haben. Wenn nun ein oder zwei Unternehmen hier eine Regelungslücke entdeckt hätten, die sich durch Gründung einer "speziellen Unternehmensstruktur", man könnte aber auch Scheinfirma sagen, positiv nutzen lässt, kann man das noch als "cleverer als der Gesetzgeber" abtun. Wenn es aber die ersten Anzeichen gibt, dass es hier in einigen b.A.-Gebieten zu einer Art Massenbewegung kommt, müssen wir hier als Gesetzgeber reagieren. Wir müssen als Mitgliedsstaat der EU dafür Sorge tragen, dass in Deutschland die Regelungen nicht umgangen werden. Wir dürfen aber auch nicht vergessen: Wir befinden uns in der Weinwirtschaft in einem sehr stark regulierten Bereich. Der Staat schreibt vor, auf welcher Fläche der Winzer seinen Wein anbauen darf; der Staat schreibt vor, welche Rebsorten angebaut werden dürfen. Und der Staat schreibt vor, wie viel vom Traubenertrag der Winzer ernten und vermarkten darf - um ihm dann auch noch zu sagen, wie der Wein schmecken und welche staatlichen Regelungen er beim Marketing beachten muss. Freie Entfaltungsmöglichkeiten für einen Unternehmer sehen anders aus! Als Liberalen sind mir das deutlich zu viele Staatseingriffe. Aber die werden wir heute und an dieser Stelle nicht modifizieren können, sondern wir werden nur dafür sorgen können, dass in einem - sagen wir mal - "suboptimal" regulierten Markt durch eine weitere Regulierung das Suboptimale etwas abgeschwächt wird. Aber diese notwendige Verbesserung an der einen Stelle darf nicht dazu führen, dass wir an einer anderen Stelle einen Wirtschaftszweig über Gebühr belasten. Damit meine ich die Weinkellereien und Weinhandelskellereien, die sich aufgrund ihrer Orientierung an der sogenannten "Wine-Chain", also der Versorgungskette für Wein vom Erzeuger bis zum Endkunden, arbeitsteilig spezialisiert haben. Weil sich diese Unternehmen im sehr preisaggressiven internationalen Weinmarkt bewegen, brauchen sie Effizienz - auch, um an die freien Traubenerzeuger ordentliche Traubengelder zahlen zu können. Diese Weinkellereien sind sicherlich alles andere als Scheinfirmen und werden trotzdem durch diese Regelung negativ getroffen. Deshalb war es wichtig und notwendig, hier Spielräume zu eröffnen. Mit der Möglichkeit der nachträglichen Herabstufung bis zum 15. Januar des Erntefolgejahres sollte hier ein Instrumentarium geschaffen werden, um gewisse wirtschaftliche Härten zu entschärfen. Allerdings muss hier ein Verfahren gefunden werden, das tatsächlich auch ohne viel Bürokratie von den Betrieben in der Praxis umsetzbar ist. Auch aufgrund eigener langjähriger Erfahrungen in diesem Bereich gehe ich davon aus, dass wir hier, wenn wir an die Ursache des Problems gehen wollen, deshalb an die Umrechungsfaktoren ran müssen. Diese sind historisch tradiert und längst durch den tatsächlichen technischen Fortschritt in der Weinwirtschaft obsolet. Die Grundlage des Wiegens ist heute, unter anderem durch den Einsatz des Vollernters, entrapptes Lesegut. Deshalb habe ich schon bei der ersten Runde zu diesem Thema in diesem Jahr vom BMELV gefordert, dass die durchschnittlichen tatsächlichen Auspressquoten der letzten Jahre erhoben werden. Diese Ergebnisse liegen anscheinend leider bisher noch nicht vor. Ich habe aber eine gewisse Vorstellung, wie das Ergebnis aussehen wird - bei bis zu 80 Prozent inklusive Anreicherung. Aus diesem Grund bleibt uns, unter der Prämisse, die Entwicklungen bei den Firmenkonstrukten für den Herbst diesen Jahres nicht noch weiter anzufeuern, nur die Möglichkeit, jetzt in die erste Lesung zu gehen, sodass das Gesetz noch rechtzeitig vor der Ernte 2010 rechtskräftig werden kann. Alexander Süßmair (DIE LINKE): Das erste Wunder Jesus, von dem Johannes berichtet, ist die Geschichte von einem Freudenfest, einer Hochzeit. Allerdings ist die Freude getrübt; denn beizeiten geht der Wein aus. Jesus schafft Abhilfe und verwandelt Wasser in Wein - und nicht zu knapp, sondern wohl um die 600 Liter. Den antiken Hörern dieser Geschichte war die Handlung vertraut; denn auch dem griechischen Gott Dionysos wurden Weinwunder nachgesagt. Heutige Weinwunder sehen allerdings anders aus. Erst einmal haben wir in Deutschland und Europa nicht mehr das Problem, dass uns der Wein ausgeht wie in der Bibel beschrieben, sondern genau das Gegenteil. Zu viel Wein im Angebot führt zu sinkenden Preisen und zu negativen Auswirkungen auf das Einkommen der Winzer. Die Gegensteuerung über die Hektarertragsregelung bei den Winzern, also die Beschränkung der Menge an Wein, die pro Hektar erzeugt werden darf, ist dabei richtig. Sie fördert die Qualität des Weines und wirkt reduzierend auf das Weinangebot. Die jetzt vorgeschlagene Gesetzesänderung ist folgerichtig, da nicht nur die Winzer an die Ertragsregelung gebunden werden, sondern auch die Verarbeitungsbetriebe, also die, die die Trauben von den Winzern aufkaufen, ohne selber Weinreben zu bewirtschaften. Hier war eine den Markt zunehmend verzerrend wirkende Regelungslücke entstanden, die geschlossen werden muss, wenn alle in der Logik der Weinmarktordnung bleiben wollen. Dass die LINKE an der Einbringung des Gesetzesvorschlags nicht beteiligt wird, liegt allein an dem undemokratischen Gehabe der Koalition, insbesondere der CDU/CSU-Fraktion. Dafür kann die Linke nichts. Sie unterstützt den Gesetzesentwurf trotzdem. Aber zurück zum Thema: Uns allen ist klar, dass die gemeinsame Marktordnung planwirtschaftliche Elemente beinhaltet. Dem folgt das Weingesetz. Diese sechste Änderung des Weingesetzes ergibt sich aus Sicht der Linken zwingend aus der fünften Änderung. Geht es doch schließlich um verlässliche Qualität für die Verbraucher und verlässliche Preise für Verbraucher und Erzeuger. Deutscher Wein darf nicht durch Menge, er muss durch Qualität punkten! Durch Werbung für diese Qualität kann die Weinwirtschaft versuchen, die gesunkene Nachfrage, bei gleichzeitig gestiegener Produktion, wieder zu erhöhen. Wir schlagen allerdings einen anderen Weg vor: Wir wollen regionale Wertschöpfungsketten fördern und ökologisch unsinnige Transporte verteuern. Denn es ist nicht einzusehen, warum Wein, der mehrere 10 000 Kilometer entfernt industriell von prekär Beschäftigten hergestellt wurde, nur ein Drittel des hier bei uns sozial und ökologisch nachhaltig produzierten Weins kostet. Hier müssen wir ansetzen, um die europäische und deutsche Weinwirtschaft zu stärken. Die Frage ist auch, inwieweit die bisherigen Änderungen des Weinrechts zielführend waren. War es richtig, die Differenzierung zwischen den Rebsorten bei der Hektarertragsregelung zu streichen? Oder hat diese Streichung die Entwicklung, die nun mit der sechsten Änderung eingedämmt werden soll, erst begünstigt? Allgemeiner gesprochen: Erschwert nicht die Intransparenz des Weinrechts, seine Zerstückelung durch zahlreiche Verordnungen auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene seine faktische Umsetzung? Und ist das, was hier beschlossen werden soll, nicht Flickschusterei auf dem Rücken von Erzeugern und Verbrauchern? Erzeuger und Verbraucher benötigen Sicherheit. Mein Wunsch wäre ein mit Weitblick verfasstes neues Weinrecht. Aber das käme wohl schon einem Weinwunder gleich. Ulricke Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Qualität ist die Grundlage für den Erfolg unseres Weinbaus. Deshalb ist es auch richtig, gegen eine Aufweichung der Hektarertragsregelung durch vermehrte Auspressung vorzugehen. Wir würden uns allerdings manchmal wünschen, dass die Bundesregierung auch in anderen Produktbereichen so engagiert für Mengenbegrenzungen eintritt wie beim Weinbau, ich nenne hier nur das Stichwort Milch. Aber zurück zum Wein: Die Gefahr von Umgehungsmöglichkeiten, Betriebsteilungen und daraus resultierenden Wettbewerbsverzerrungen muss gebannt werden. Deswegen ist die vorliegende Regelung vernünftig - auch wenn dies vielleicht schon früher hätte geschehen sollen. Die Kritik der Kellereien und der Fassweinanbieter ist zwar verständlich, aber angesichts der anstehenden Probleme ist es gut, dass wir mit der vorliegenden Änderung des Weingesetzes eine Regelungslücke schließen. Ansprechen möchte ich aber noch weitere Herausforderungen im Weinbau: Thema unseres letzten, von Professor Schweickert organisierten Parlamentarischen Weinforums war der Klimawandel. Seit Jahren verzeichnen die Winzer deutliche Veränderungen bei Vegetationsphasen, Reifedauern und -terminen oder Lesebeginn. Untersuchungen der Forschungsanstalt Geisenheim belegen, dass die Temperaturänderungen der letzten 50 Jahre bereits zu Veränderungen im Rebsortenspektrum verschiedener Anbauregionen geführt haben, die sich bei ungebremster Erderwärmung noch ausweiten werden. In Rheinhessen wird heute Cabernet Sauvignon kultiviert, was noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen wäre. Gleichzeitig werden im Rheingau mit deutschen Rebsorten wie Müller-Thurgau immer seltener gute Ergebnisse erzielt. Meldungen, die man vor kurzem als Scherz abgetan hätte, werden plötzlich erschreckend real: Weinimporteure sprechen offen über die mittelfristige Aufgabe des Weinbaus in Australien und eine "Verlagerung" nach Indien, britische Medien berichten irritiert von Rekorderträgen der Winzer in Südengland. Wein ist ein Indikator, der uns eindrücklich vor Augen führt, welche wirtschaftlichen, ökologischen, aber auch kulturellen Folgen uns drohen, wenn wir dem Klimawandel nicht entschieden begegnen. Die Ablehnung des von uns in der letzten Sitzungswoche eingebrachten Klimaschutzgesetzes und die unsägliche Diskussion über neue Kohlekraftwerke oder die Verlängerung von Laufzeiten der Atomkraftwerke ist deshalb ebenso verantwortungslos wie die von FDP und CDU/CSU beschossenen Kahlschläge bei der Solarförderung und die Sperre des Marktanreizprogramms für Pelletheizungen, Solarthermie etc. Das ist ein Schlag nicht nur gegen den Klimaschutz, sondern vor allem gegen Mittelstand, Handwerk, Landwirtschaft, Garten- und eben auch Weinbaubetriebe. Auch die faktische Schließung des Julius-Kühn-Instituts für Pflanzenschutz im Obst- und Weinbau in Bernkastel durch die Bundesregierung ist angesichts des massiven Forschungsbedarfs speziell auch zu Klimaschutz, Steillagen und Biowein ein Skandal. Genau dort soll stattdessen mit dem "Hochmoselübergang" ein gigantisches Monster-Straßenbauprojekt realisiert werden, dass die Zerstörung der besten Rieslinglagen der Welt bedeuten könnte. Wir fordern die Bundesregierung auf, sofort einen umfassenden Baustopp zu veranlassen! Solche Projekte sind im wahrsten Sinne ein Angriff auf die Wurzeln unserer Weinkultur - da hilft auch keine konsequentere Umsetzung bei Umrechnungsfaktoren mehr. In diesen Tagen diskutieren wir viel über Einsparungen in den öffentlichen Haushalten. Unser Vorschlag dazu: statt bei Kitas und Bildung zu kürzen, könnten Sie allein durch den Stopp des unsinnigen Hochmoselbrückenprojekts sofort circa 400 Millionen Euro einsparen. Und bei solchen sinnvollen Initiativen dürfen Sie natürlich gerne mit unserer interfraktionellen Unterstützung rechnen. Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Unter deutschen Winzerinnen und Winzern machen sich zunehmend Unmut und Verärgerung breit. Aber auch der eine oder andere Weinliebhaber macht sich inzwischen so seine Gedanken. Und das nicht ganz zu Unrecht. Denn aus einigen deutschen Weinanbaugebieten kommt vermehrt Wein auf den Markt, der nicht von der Hektarertragsregelung erfasst wird. Wir gehen davon aus, dass es sich dabei in einigen Anbaugebieten inzwischen um rund 5 bis 7 Prozent des vermarkteten Weins handelt. Bezogen auf einzelne Rebsorten - wie zum Beispiel der Rotweinsorte Dornfelder - dürfte dieser Anteil teilweise regional sogar schon bis zu 10 Prozent betragen. Was ist der Grund für die Aufregung? Die Hektarertragsregelung ist ein wesentliches Element zur Sicherung der hohen Qualität deutschen Weins. Damit trägt sie zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Weinbaus bei. Dieses Ziel gerät in Gefahr, wenn die Regelung nicht mehr richtig greifen kann, weil sie gewisse Lücken aufweist. Was aber vielleicht noch viel gravierender zu Buche schlägt: Die Entwicklung führt zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den einzelnen Weinerzeugergruppen. Worin liegen die Ursachen? Grundsätzlich gilt die Hektarertragsregelung für alle Betriebe, die Weintrauben erzeugen. Die Betonung liegt dabei auf "Trauben erzeugen". Die Regelung setzt also beim Traubenerzeuger an. Begrenzt wird allerdings nicht unmittelbar die Traubenerzeugung, sondern die Vermarktung des hieraus erzeugten Weins. Die Ertragsbegrenzung ist demnach in Litern Wein festgelegt. Das hat im Vergleich zu einer Begrenzung der Traubenerzeugung den Vorteil, dass wir - bezogen auf das Enderzeugnis Wein - eine höhere Zielgenauigkeit erreichen und die Regelung dennoch mit einem vertretbaren Aufwand zu verwalten ist. Solange die Winzer - wie in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle - ihre Trauben selbst zu Wein verarbeiten und vermarkten oder an eine Genossenschaft angeschlossen sind, ist dies alles unproblematisch, weil die Betriebe genau wissen, wie viel Wein sie sozusagen im Keller liegen haben. Folglich geben diese Betriebe bei der Ermittlung ihres Hektarertrags die von ihnen erzeugte Weinmenge an. Ein Winzer, der seine Trauben vielleicht noch über einen Kommissionär oder Zwischenhändler an eine Kellerei oder einen anderen Traubenverarbeiter abgibt, weiß dagegen nicht, wie viel Wein aus seinen Trauben erzeugt wird. Deswegen muss er zur Ermittlung seines Hektarertrags die abgegebenen Trauben in eine fiktive Weinmenge umrechnen. Dafür verwendet er bundeseinheitlich festgesetzte Umrechnungsfaktoren, die den durchschnittlichen Ausbeutesatz von Trauben widerspiegeln. Oder anders ausgedrückt: Die Faktoren geben an, wie viel Wein aus 1 Kilogramm Trauben im Normalfall hergestellt wird. Während also für einen selbst vermarktenden Weinbaubetrieb oder eine Winzergenossenschaft die tatsächlich erzeugte Weinmenge zur Feststellung des Hektarertrags maßgebend ist, ist es beim reinen Traubenerzeuger nur eine rechnerisch ermittelte Größe. Auf dieses Umrechnungssystem hatte man sich bei der Einführung der Hektarertragsregelung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung verständigt, weil man davon ausging, dass es in der Praxis zu keinen großen Abweichungen von den Faktoren kommen würde. Lange Zeit war dies auch der Fall. Doch gerade in den letzten Jahren haben wir festgestellt, dass aus 1 Kilogramm Trauben teilweise deutlich mehr Wein erzeugt worden ist, als den Umrechnungsfaktoren entspricht. Diese Mehrmengen waren so auffällig, dass man nicht mehr von natürlichen Schwankungen sprechen konnte. Vielmehr werden diese Mehrmengen inzwischen systematisch erzeugt. Ermöglicht wird dies zum einen durch ein stärkeres Auspressen der Trauben, zum anderen aber auch durch moderne Ernte- und Verarbeitungsverfahren und den Anbau ausbeutereicher Rebsorten. Das Ganze ist wirtschaftlich deshalb so interessant, weil für die Mehrmengen der gleiche Preis am Markt erzielt werden kann wie für Wein aus normal ausgepressten Trauben. Den Nutzen haben sowohl die verarbeitenden Betriebe als auch die abgebenden Traubenerzeuger, weil sie sich die zusätzlichen Erlöse untereinander aufteilen. Die an sich unter Qualitätsgesichtspunkten sinnvollen Trauben-ablieferungen werden dadurch infrage gestellt oder sogar ad absurdum geführt. Der wirtschaftliche Vorteil ist offensichtlich so groß, dass inzwischen immer mehr Weinbaubetriebe dazu übergehen, die Traubenerzeugung von der Weinerzeugung zu trennen, indem sie eigens zu diesem Zweck Tochterunternehmen gründen. Wenn sich also - nur um ein Beispiel zu nennen - in einem bestimmten Anbaugebiet ein Familienbetrieb mit 10 Hektar Rebfläche formal in zwei Einheiten teilt, sodass etwa der Vater die Trauben und der Sohn den Wein erzeugt, können beide in dieser Konstellation bei einer unterstellten Weinausbeute von 85 Prozent insgesamt 119 000 Liter Qualitätswein vermarkten. Dies wären 14 000 Liter oder umgerechnet über 13 Prozent mehr Wein, als dieser Betrieb ohne Teilung vermarkten dürfte. Und dies alles ganz legal! Eine derartige Diskrepanz ist nicht nur mit den Prinzipien der Wettbewerbsgerechtigkeit unvereinbar, sondern auch unter Qualitätsgesichtspunkten kaum zu vermitteln. Denn wir fördern - oder klar gesagt: Wir provozieren geradezu - mit dieser Regelung ein zu starkes Auspressen der Trauben. Wie wollen wir dieses Problem nun lösen? Ganz einfach: Wir verpflichten alle Betriebe, die Trauben abnehmen und zu Wein verarbeiten, die vorgegebenen Umrechnungsfaktoren einzuhalten. Zwar ist die Neuregelung mit einem zusätzlichen Verwaltungs- und Kontrollaufwand verbunden, weil nun wirklich alle Weinerzeuger von der Hektarertragsregelung erfasst werden. Aber das Ziel, nämlich eine hohe Weinqualität bei zugleich fairem Wettbewerb, rechtfertigt diesen zusätzlichen Aufwand. Und das sehen auch die größten Weinbau treibenden Länder in Deutschland so. Was erreichen wir mit der Neuregelung? Erstens. Wir schließen bestehende Lücken in der Hektarertragsregelung und sorgen damit für mehr Wettbewerbsgerechtigkeit. Das heißt, Betriebe, die von der jetzigen Situation in besonderem Maße profitieren, werden diesen Vorteil in Zukunft nicht mehr haben. Umgekehrt wird die große Mehrheit selbst vermarktender Weinbaubetriebe, Winzergenossenschaften und Trauben abgebender Winzer, deren Abnehmer schon in der Vergangenheit die Umrechnungsfaktoren eingehalten haben, im Wettbewerb gestärkt. Zweitens. Wenn die Trauben weniger stark ausgepresst werden, kommt dies der Weinqualität zugute. Das ist auch im Interesse des Verbrauchers. Und drittens trägt die Maßnahme zur Marktstabilisierung bei. Denn die Trauben verarbeitenden Betriebe müssen künftig je nach Rebsorte zwischen 5 und 10 Prozent - teilweise sogar 15 Prozent - mehr Trauben als bisher verarbeiten, wenn sie die Weinerzeugung auf gleichem Niveau aufrechterhalten wollen. Eine höhere Nachfrage könnte dann allen Winzerinnen und Winzern zugutekommen. Ich bitte Sie daher um Unterstützung des Vorhabens. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: - Gute Lehre an allen Hochschulen garantieren - Eine dritte Säule im Hochschulpakt verankern und einen Wettbewerb für herausragende Lehre auflegen - Qualitätsoffensive für die Lehre starten - Einheit von Forschung und Lehre sichern (Tagesordnungspunkt 32 a und b) Monika Grütters (CDU/CSU): Rituale sind ja etwas Schönes, es gibt sie, weil die Menschen sich einrichten wollen in Bewährtem, in Erprobtem, in lieb gewordene Gewohnheiten. So ist das manchmal auch in der Politik. Und so ist das ganz offensichtlich vor allem bei Ihnen, den Grünen, den grünen Bildungspolitikern, dem verehrten Kollegen Gehring. Denn langsam, aber sicher wird das Reden hier mit Ihnen über die Verbesserung der Lehre ja zum richtigen Plenarritual: Alle zwei Jahre nehmen Sie Ihren alten Antrag, verändern heimlich ein paar Formulierungen, alle zwei Jahre stellen wir uns alle dann am Ende einer langen Sitzungswoche zu guter Letzt noch einmal hier in den Plenarsaal und sagen uns die gleichen Sätze wie ehedem - und alle zwei Jahre haben Sie vor allem deshalb einen Anlass, Ihren alten Antrag mal wieder aufzumöbeln, weil wir, die Regierungsparteien und die Ministerin Schavan, einmal mehr gehandelt haben. Und auch hier ist die Reaktion fast gebetsmühlenartig dieselbe, also auch schon ritualverdächtig: Die Opposition merkt, dass sich mal wieder etwas getan hat in der Bildungs-, in der Hochschulpolitik, zur Verbesserung der Lehre in diesem Fall. Und dann wärmt diese Opposition ihre alten Sachen auf und ruft: Regierung tut was, die CDU unterstützt die Studierenden (das ist aber doch eigentlich unsere Domäne, was fällt denen ein???), also schnell noch den Zusatz angehängt: Aber was die Regierung tut, das ist noch nicht genug. Könnt Ihr nicht noch mehr Geld geben? So, genau so, klingt das auch jetzt schon wieder - und kommt uns sehr, sehr bekannt vor. Zuletzt haben Sie dieses Ritual am 7. März 2008 abgefeiert, davor war es am 16. Februar 2006. Auch damals haben wir hier gestanden und mit Ihnen um "mehr Qualität für die Hochschulen" gerungen. Lieber Herr Gehring, bei allem Respekt vor der Bedeutung der Hochschulen, bei aller Einsicht in die schwierigen Situationen da, bei allem Engagement vor allem für die Lehre - ich erinnere daran: Wir sind es ja, die hier mal wieder handeln! Wir haben verstanden! - Manche Rituale ermüden. Nun könnte man sagen: Prächtige Grüne, die lassen einfach nicht locker. - Ich erlaube mir nur, Sie einmal mehr darauf aufmerksam zu machen, dass Sie aber auch jetzt mal wieder nur hinterherhinken. Sie wissen ja, dass Bundesbildungsministerin Annette Schavan gerade in der vergangenen Woche einen Qualitätspakt für die Lehre verkündet hat: 2 Milliarden Euro will der Bund in den kommenden zehn Jahren für mehr Personal, bessere Qualifizierung und Betreuung ausgeben, also 200 Millionen Euro jährlich für die Hochschulen, für die bekanntlich die Länder zuständig sind! "Zu wenig", sagen die Studierenden und die Grünen, "ein Anfang", sagen die Rektoren. Ja, ein Anfang - genau das ist es, und genau so ist dieser Qualitätspakt gemeint. Auch wir wissen, dass der Wissenschaftsrat eine ganz andere Dimension nennt. Aber auch Sie, die Opposition, die SPD, die Grünen, die Linken, die meinen, auch eben noch schnell einen Antrag zusammenschustern zu müssen, Sie alle wissen genauso gut wie wir, dass die Bundesländer zuständig sind für die Unis, für die Studis, für die Lehre dort. Und Sie wissen ebenfalls, dass dieses Paket in Zeiten, in denen wir ganz andere Aufgaben mit ganz anderen Summen zu bewältigen haben, für den Bildungsbereich geradezu ein Meilenstein für die Verbesserung der Lehre ist. Wenn Sie alle, auch Herr Gehring, tatsächlich an der Sache und nicht nur am ritualisierten Geschrei interessiert wären, dann würden Sie auch mal mithelfen, derartige Qualitätsoffensiven, derartige Haushaltsentscheidungen, derartige Initiativen der Regierung für die deutschen Hochschulen - in allen Ihren Bundesländern und Wahlkreisen - zu unterstützen! Herr Gehring, noch kurz zu Ihrer Forderung, der Bund solle einen Wettbewerb für herausragende Lehre auflegen: Auch das ist natürlich nicht Sache des Bundes, sondern originäre Aufgabe der Länder oder auch mal der Hochschulen. Es bleibt ihnen ja unbenommen, die Gelder des Bundes für die Verbesserung der Lehrqualität genau dafür zu verwenden. Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass die KMK - wie Sie wissen - eine gemeinsame Initiative mit dem Stifterverband für einen "Wettbewerb exzellente Lehre" gestartet hat. Im Rahmen des Wettbewerbs sollen Konzepte von Hochschulen zur Strategieentwicklung im Bereich Studium und Lehre ausgezeichnet werden. Für die Finanzierung sind 10 Millionen Euro für drei Jahre vorgesehen, je zur Hälfte vom Stifterverband und dem jeweiligen Sitzland finanziert. Der Wettbewerb wird zunächst einmalig durchgeführt, soll aber bei positiver Evaluierung fortgesetzt werden. Ein solcher Wettbewerb ist ein erster Schritt, der die Länder - nicht den Bund - aber nicht von der Notwendigkeit weiterer Maßnahmen entbindet, um auch in der Breite gute Bedingungen für exzellente Lehre zu schaffen. Außerdem haben die Hochschulen in den letzten Jahren in hohem Umfang damit begonnen, Lehrpreise einzuführen. Darüber hinaus gibt es mehrere hochschul-übergreifende Ansätze zur Etablierung von Lehrpreisen, wie zum Beispiel den seit 2006 von HRK und Stifterverband gemeinsam vergebenen "ars-legendi-Preis für exzellente Hochschullehre" (Preisgeld: 50 000 Euro), der im jährlichen Rhythmus alternierend für eine bestimmte Disziplin ausgelobt wird (2008: Wirtschaftswissenschaften); den "Exzellenz-in-der-Lehre-Preis" des hessischen Wissenschaftsministeriums, der 2007 zum ersten Mal vergeben wurde und mit einem Preisgeld von 250 000 Euro (plus 125 000 Euro der Hertie-Stiftung) nach eigenen Angaben die höchste staatliche Ehrung dieser Art in Deutschland ist; den Medidaprix (Preisgeld 100 000 Euro), der speziell für mediendidaktisch herausragende Ansätze der Hochschullehre abwechselnd vom BMBF und dem österreichischen Wissenschaftsministerium finanziert wird. Solche Lehrpreise sind eine schöne Komponente in den Bemühungen um eine Aufwertung der Hochschullehre. Ihren Wirkungsgrad sollte man mit Blick auf die angemahnte Verbesserung der Hochschullehre in der Breite aber auch nicht überschätzen. Und selbst die schwerfällige KMK hat ja erkannt, dass die Länder sich des Themas Hochschullehre annehmen sollten, und hat im Juni 2007 die Amtschef-Kommission "Qualitätssicherung in Hochschulen" beauftragt, unter Einbeziehung des Stifterverbands eben auch ein Konzept für eine Qualitätsoffensive in der Lehre zu entwickeln. Die Rektoren haben dann auch zur aktuellen Initiative der Bundesbildungsministerin gesagt, das sei ein guter Anfang - auch sie lernen also dazu. Nehmen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, sich daran mal ein Beispiel. Wir halten am Ende doch noch einmal fest, auch das nicht zum ersten, sondern zum wiederholten Mal - Rituale haben ja auch etwas Verbindendes -, dass wir uns alle darin einig sind, wie wichtig die Hochschulen für unser Land sind, dass sie für die Studierenden da sind und wir eben dies nie aus dem Blick verlieren dürfen, dass deren Situation schwierig genug ist, dass zwar die Länder zuständig sind, wir aber über Mittel verfügen, die genau dafür zur Verfügung gestellt werden sollten, und dass wir eben das genau deshalb tun. 200 Millionen im Jahr vom Bund für die Verbesserung der Lehre an den Hochschulen in den Ländern, 2 Milliarden in diesen Zeiten für diesen Zweck - das ist ein notwendiges, ein wichtiges, ein gutes Signal. Es wäre aber ein föderales Missverständnis, zu glauben, der Bund habe die Rolle eines Wächters darüber inne, wie die Länder dann zu Hause ihre - ja noch viel weitergehenden - Aufgaben erfüllen. Tankred Schipanski (CDU/CSU): Liest man die Überschriften zu den heute zu debattierenden Anträgen, so kann wohl jede Fraktion der Forderung nach guter Lehre zustimmen. Die fraktionellen Unterschiede stecken wie immer im Detail. Auch sind unsere Vorstellungen, was eine gute Lehre ausmacht, doch ein ganzes Stück weit entfernt von dem, was wir in den Anträgen von den Linken und Bündnis 90/Die Grünen präsentiert bekommen. Die Linken singen wieder das Lied von mehr Geld für alles; wenig Leistung um Abschlüsse zu erreichen; mangelnde Mitbestimmungsrechte - anscheinend bestimmen nun die "bösen" Hochschulräte auch noch die Lehrinhalte; und man höre und staune: Mit der Forderung nach der Abschaffung des Präsenzstudiums wollen sie die Studierenden gar aus den Hörsälen und Seminarräumen treiben, rätselhaft, wofür sie dann noch eine gute Lehre benötigen. Für die Linken behindern Abgabe- und Meldefristen für Bachelor- und Masterarbeiten sowie Prüfungstermine den Verlauf des Studiums. Sie wollen am liebsten - ich zitiere aus dem Antrag: mit "unabhängigen Lerngruppen" - ein "selbstbestimmtes Projektstudium", das heißt, wir treffen uns alle unter einem Baum, sitzen im Kreis, rauchen ein bisschen und lassen unseren fachlichen Gedanken freien Lauf. Die Ergebnisse dieser Vorstellung von Lehre, verbunden mit ideologischer Verblendung, haben wir auf dem Bologna-Gipfel gesehen. Die sozialistischen Studentengruppen verließen die Konferenz, sie sind und waren nicht in der Lage, an einer Diskussion teilzunehmen. Ihnen ging es nicht darum, mit den beteiligten Bildungspartnern über konkrete Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses zu diskutieren. Für sie stellte der Gipfel offenbar nur eine Plattform für ihre Provokationen dar. Das zeigt wieder einmal mehr: Die Linken sind nicht dialogfähig und leben scheinbar in einer eigenen, entrückten Welt. Die Vorschläge der Linken führen nicht zu einer "guten Lehre"! Sie verstehen nicht, was das Prinzip der Wissenschaftsfreiheit mit "Einheit von Forschung und Lehre" sowie "Freiheit von Forschung und Lehre" meint. Es ist für uns erschreckend, was sich hinter der bürgerlich wirkenden Überschrift des Antrags der Linken versteckt. Sie sind und bleiben als Nachfolger der SED der Wolf im Schafspelz! Insofern beziehe ich meine folgenden Ausführungen auf den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Wir wissen, wie auch der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen richtig erkennt, dass die Lehre eine wichtige Leistung in unserer Hochschulausbildung ist, die es anzuerkennen und zu stärken gilt. Wir wissen, dass ein persönlicher Kontakt mit dem Lehrenden, das Erleben einer Vorlesung oder eines Seminars, der Aufbau eines sozialen Umfeldes elementare Bestandteile von studentischer und universitärer Kultur sind. Doch, verehrte Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, sind wir uns auch mit Ihnen über den Weg hin zu einer guten Lehre nicht vollends einig. Ich bin der Überzeugung, dass Ihre Forderung nach speziellen Lehrprofessuren sowie Lehrjuniorprofessuren falsch ist. Dies widerspricht unserem Humboldt'schen Ansatz von Einheit von Forschung und Lehre. Unserer Überzeugung nach kann nur jemand eine gute Lehre machen, der auch in der Forschung stark ist. Denn genau darin besteht ja das Ziel unserer Hochschulausbildung: Wir möchten Studierende so früh wie möglich mit der aktuellen Forschung in Kontakt bringen und ihr Interesse und ihre Begeisterung dafür wecken. Deshalb sollte nach unserer Überzeugung bei den Berufungen von Professoren und der Einstellung von wissenschaftlichem Personal der Aspekt der "guten Lehre" stärker in den Mittelpunkt rücken. Ich selbst habe in Berufungskommissionen mitgewirkt und weiß aus der Praxis, dass die Lehrleistung der Bewerber in der Gesamtbewertung viel zu wenig ins Gewicht fällt. Hier ist jedoch der Landesgesetzgeber gefordert, klare Kriterien für Berufungsverfahren aufzustellen, insbesondere die Lehrleistung von Bewerbern viel stärker zu berücksichtigen. Die bisher übliche Praxis, vorrangig nach dem Publikationsverzeichnis und der Drittmittelquote einer Bewerberin oder eines Bewerbers zu schauen, ist jedenfalls nur bedingt zielführend, wenn wir eine Qualitätsverbesserung in der Lehre erreichen wollen. Neben diesen durchaus wichtigen Kriterien muss stärker ins Gewicht fallen, ob die Bewerberin oder der Bewerber über didaktische Kompetenzen verfügt und in der Lage ist, Studieninhalte anschaulich und nachvollziehbar zu vermitteln. Unsere Exzellenzinitiative darf nicht dazu führen, dass sich Spitzenforscher aus der Lehre "freikaufen". Richtig ist, dass wir bei der Exzellenzinitiative auch Lehrleistungen berücksichtigen müssen, denn eine Spitzenuniversität macht nicht nur eine gute Forschung, sondern eben auch eine gute Lehre aus. Nun zu ihrer aus der US-amerikanischen Hochschullandschaft stammenden Idee, Juniorprofessuren für Lehre obligatorisch mit einer "Tenure Track"-Option zu versehen. Eine gute Lehre wird dadurch meines Erachtens nicht automatisch befördert. Auch hier gilt: Gute Lehre geht nicht ohne gute Forschung. Und die "Tenure Track"-Option sollte das bleiben, was sie ist: ein Anreizsystem, um die besten und geeignetsten Wissenschaftler an den Hochschulen zu halten. Diese nur für die Juniorprofessuren in der Lehre obligatorisch einzuführen, setzt eindeutig die falschen Signale. Wir müssen die Antragssteller von einem Irrglauben abbringen: Gute Lehre kann man nicht allein mit Geld kaufen! Die christlich-liberale Koalition investiert im Rahmen des Qualitätspakts Lehre in den nächsten zehn Jahren pro Jahr 200 Millionen Euro, also insgesamt rund 2 Milliarden Euro in die Förderung der Lehre. Das Geld wird direkt für Personal, für vorgezogene Berufungen, für Einstellungen im Mittelbau, Tutorenprogramme und Weiterbildungsangebote zur Verfügung stehen. Dabei werden wir aber auch den Gedanken der Exzellenz nicht außen vor lassen. Wissenschaftler und Hochschulen sollen ihre Konzepte vorlegen und aus diesen sollen dann - ebenso wie das bei der Bewerbung um Drittmittel üblich ist - die besten Konzepte ausgewählt und gefördert werden. Auch die immer wieder beschworenen Betreuungsschlüssel für Studierende pro Hochschullehrer können nicht das Allheilmittel sein. Bei der klassischen Lehrmethode des Frontalunterrichts sowie einer guten Vor- und Nachbereitung einer Lehrveranstaltung konnten wir die Erfahrung machen, dass der Notendurchschnitt bei einer Klausur völlig identisch ist, egal ob in einer Seminargruppe 15 oder 80 Studierende saßen. Sie sehen: Die besten Lehren für die Zukunft ziehen wir aus der eigenen Erfahrung. Gute Lehre kann man auch nicht gesetzlich verordnen! Das Einzige, was wir machen können, ist, gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Viele Ihrer Forderungen aus dem Antrag werden völlig freiwillig bereits praktiziert. Viele Hochschulen loben selbst Lehrpreise aus, evaluieren ihre Lehre, stehen im ständigen Dialog mit den Studierenden. Auch bundesweite oder lokale Hochschulzeitschriften wählen die besten Lehrenden aus. Jedoch wird ein begabter Rhetoriker immer einen Hörsaal voller Studenten in seinen Bann ziehen können, er wird seine Vorlesung immer mit Scherzen würzen und den Dialog mit den Studierenden suchen. Den Wissenschaftlern, die keine Lehrerfahrung haben, geben wir bereits viele Hilfestellungen an die Hand. Dem wissenschaftlichen Personal werden umfangreiche Angebote für didaktische Weiterbildungen gemacht. Als Beispiele verweise ich hier auf das vielfältige Veranstaltungsangebot des Hochschuldidaktikzentrums Baden-Württemberg oder auf die Hochschuldidaktik-Initiative Thüringen. Gemeinsam mit den Ländern wird der Bund nunmehr Zentren für Studium und Lehre einrichten, die neue Impulse zur Professionalisierung und Qualitätssicherung der Lehre geben. Zudem wird es eine Akademie für Lehre geben, die die neusten Erkenntnisse in der Lehrforschung aufbereitet und an die Hochschulen vermittelt. Somit ergänzt der Qualitätspakt Lehre die vorhandenen Strukturen und Programme. Zu wenig Fortbildungszentren, wie von der Opposition behauptet, haben wir diesbezüglich in keinem Fall! Didaktische Schulungen, Beamer, Power-Point-Präsentationen, Mikrofone, Kopien können aber die wichtigsten Bausteine "guter Lehre" nicht ersetzen: Engagement des Lehrenden in Vorlesungen bzw. Seminaren und Lernmotivation aufseiten der Studierenden. Engagement und Motivation sind die Schlüsselkompetenzen guter Lehre. Und wir müssen gemeinsam nach Wegen suchen, diese Kompetenzen bei unseren Hochschullehrern, dem akademischen Mittelbau und unseren Studierenden wieder zu stärken. Tauglich sind die Vorschläge der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen bezüglich der Bewertung "guter Lehre". Wir brauchen, ich zitiere aus dem Antrag, "einen Methodenmix, der die Bewertung von Lehrveranstaltungen durch Studierende, Peer-Review-Verfahren sowie Absolventen- und Abbrecherbefragungen umfasst". Wir suchen also einen Dialog zwischen Studierenden und Lehrenden. Dieser muss aber nicht verordnet werden, sondern dieser wächst an einer guten Hochschule! Da ich ja direkt von einer Universität komme, lassen Sie mich abschließend noch ein Beispiel von meiner Heimatuniversität, der TU Ilmenau, aufzeigen: Dort wird bereits innovative und gute Lehre gelebt. Gegenwärtig wird dort ein spannendes E-Learning-Projekt getestet. Die Entwicklung kreativer Lernsoftware ist zwischenzeitlich so weit, dass sich Studenten auf ihr Mobiltelefon Lernmaterialen laden und bearbeiten können. Doch - und lassen Sie mich dies abschließend noch einmal betonen - ersetzt dies nicht den persönlichen Kontakt zwischen Lehrkräften und Studierenden. Denn es ist schließlich im ureigenen Interesse des Lehrenden, frühestmöglich in den Kontakt mit engagierten und motivierten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern zu kommen und einen Austausch zu entwickeln, von dem beide Seiten profitieren: Lehrkräfte ebenso wie die Studierenden. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Die Anträge der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke zur Verbesserung der Hochschullehre enthalten viele Überlegungen und Forderungen, die auch wir von der SPD in unserem bereits im Dezember letzten Jahres vorgelegten Antrag "Studienpakt für Qualität und gute Lehre jetzt durchsetzen" formuliert haben. Es gibt die eine oder andere unterschiedliche Akzentsetzung in den Anträgen - das ist gut so; denn das gibt Stoff für anregende und weiterführende Diskussionen in den Ausschüssen. So legen etwa Bündnis 90/Die Grünen schon im Titel ihres Antrages einen stärkeren Akzent auf die Ausrufung eines neuen Wettbewerbes für herausragende Lehre. Wir haben im Grundsatz nichts gegen dieses Instrument einzuwenden. Doch ein Wettbewerb sollte nur eine Ergänzung sein für die viel wichtigere Verbesserung der Grundfinanzierung aller Hochschulen gleichermaßen. Die Hochschulen sollten sich endlich mehr mit den Studierenden befassen als mit aufwendigen Antragsverfahren. Doch insgesamt - ich betone das ausdrücklich - gehen die Anträge in die richtige Richtung. Das politische Problem ist vielmehr, dass es der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP entgegen allen öffentlichen Beteuerungen am entschiedenen Willen zu einer starken Initiative zugunsten der Hochschullehre fehlt. Die groß angekündigte Bologna-Konferenz, zu der Bundesministerin Schavan eingeladen hat, ist der vorläufige Höhepunkt einer Reihe von Scheinaktivitäten. Die propagierte Beteiligung der Studierenden ist letztlich nur der Form nach erfolgt. Ihre zentralen Forderungen wurden ignoriert. Das Abschlusskommuniqué ist an Belanglosigkeit nicht zu überbieten. Vor allem aber: Die Ansage der Bundesministerin, 2 Milliarden Euro für verbesserte Lehre ausgeben zu wollen, hört sich zunächst gewaltig an. Doch bei näherem Hinsehen wird klar, dass damit nicht ernsthaft Probleme gelöst werden können. Denn die 2 Milliarden Euro sollen auf zehn Jahre gestreckt werden, macht also nur noch 200 Millionen jährlich. Das macht auf den einzelnen Studierenden, pro Semester umgerechnet, gerade einmal 45 Euro. Dabei wären in jedem einzelnen Jahr 1,1 Milliarden Euro nötig, wie der Wissenschaftsrat den Verantwortlichen in Bund und Ländern unlängst ins Stammbuch geschrieben hat. Leider ist zu befürchten, dass selbst die unzureichenden Planungen der Frau Schavan sich letztlich als Seifenblase entpuppen werden - wenn die Herren Koch und Schäuble den Haushalt zurechtgestutzt haben. Jetzt rächt sich die verantwortungslose Steuer- und Haushaltspolitik der Regierungskoalition. In der Tat stehen wir vor einer gewaltigen Herausforderung: Die Krisen im Banken- und Finanzbereich belasten den Bundeshaushalt enorm. Aber anstatt vorzusorgen und klug zu investieren, wurden Milliarden für Steuergeschenke an Hoteliers und Erben herausgeschleudert. Ich habe bereits vor Monaten im Deutschen Bundestag Frau Schavan aufgefordert, endlich denen in der Regierungskoalition die Zähne zu zeigen, die mit einer unseriösen Haushalts- und Finanzpolitik den Bildungsinvestitionen in den Kommunen, in den Ländern und im Bund die Beine weghauen. Doch die Bundesbildungsministerin hat es geschehen lassen. Dann war zu lesen, dass Frau Schavan in einem Interview sagte: "Jetzt zucke ich, wenn ich immer wieder das Thema Steuersenkung höre". Ja meine Güte, Frau Ministerin zuckt vor lauter Schreck. Wie das Kaninchen vor der Schlange erstarrt sie und hofft, dass alles gutgehen möge. Wann endlich sehen wir, sehen die Bürgerinnen und Bürger eine Bildungsministerin, die kämpft? Stattdessen tingelt sie seit Wochen durch die Gegend mit ihrer neu gewonnenen Überzeugung, dass das Kooperationsverbot von Bund und Ländern bei der Bildung aufgehoben werden sollte. Wir freuen uns über diesen Sinneswandel. Doch auch hier: Wo bleibt die konkrete Aktivität? Wann kommt Frau Schavan aus ihrem Wolkenkuckucksheim herunter und macht mal etwas Konkretes? Ich habe Frau Schavan vor längerem im Bundestag eine gemeinsame, überparteiliche Initiative im Deutschen Bundestag angeboten. Ich habe ihr danach nochmal geschrieben und konkrete Vorschläge gemacht. Die Reaktion war: Ein Schreiben mit lapidaren Äußerungen und schönen Worten. So schreibt Sie am 20. Mai 2010: Bund und Länder sind sich der Verantwortung und der Bedeutung dieser gesamtstaatlichen Aufgabe sehr bewusst. Die Bundeskanzlerin, die Regierungschefin und die Regierungschefs der Länder haben in ihrer Besprechung am 16. Dezember 2009 das gemeinsame Ziel bekräftigt, die Ausgaben für Bildung und Forschung bis 2015 auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Dabei sitzen die Regierungschefs schon längst ohne sie beisammen und planen die Einsparungen und Einschnitte im Bildungsbereich - während Frau Schavan ganz alleine weiter von der Erreichung des 10-Prozent-Ziels träumt und philosophiert. Wenn es aber konkret wird, duckt sich Frau Schavan weg. Das ist beim sogenannten Bologna-Gipfel so gewesen, das ist bei der Haushalts- und Steuerpolitik so, und das ist beim Thema Föderalismus so. Auch bei der Verbesserung der Hochschullehre kommen wir nur dann weiter, wenn wir eine gute Zusammenarbeit von Bund und Ländern erreichen. Aber die nächste große Show ist ja bereits angesagt: der "Bildungsgipfel" der Bundeskanzlerin. Die letzten zwei Gipfel waren ja mehr Maulwurfshügel. Jetzt verwenden die Finanzer von Bund und Ländern alle Kraft darauf, das Finanzierungsdefizit in Bildung und Forschung herunterzurechnen. Und das Chaos, das die Bundesregierung mit dem Haushalt angerichtet hat, macht ein gutes Ergebnis des Bildungsgipfels leider umso unwahrscheinlicher. Erst gestern haben die Bundesländer klargemacht, was sie von Investitionen in die Bildungspolitik halten. Auf Initiative von Bayern und Hessen haben die Finanzminister der Länder mit Mehrheit die vom Bund geplante Erhöhung des BAföG abgelehnt. Was kommt als Nächstes dran? Die SPD-Fraktion setzt sich für die ordentliche Finanzierung besserer Lehre ein. Wir wollen, dass das auf dem Bildungsgipfel vereinbart wird, und wir sagen auch, woher wir das Geld nehmen wollen, nämlich durch einen Bildungssoli, den wir von Spitzenverdienern durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes erzielen. Die Regierungskoalition ist leider weit davon entfernt, diesen richtigen Weg einzuschlagen. Die Folgen tragen die Studierenden und in der Konsequenz die ganze Gesellschaft. Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Bologna sehen wir als einen Prozess, der mittlerweile bereits weit vorangeschritten ist, aber noch lange nicht als abgeschlossen bezeichnet werden kann. Nicht zuletzt die erste nationale Bologna-Konferenz am vergangen Montag - aus meiner Sicht eine erfolgreiche Veranstaltung - hat deutlich gemacht, dass Anpassungen zum Wohle der Studierenden erforderlich sind. Deshalb haben wir uns bereits im Koalitionsvertrag mit der Union darauf verständigt, gemeinsam mit den Ländern ein "Bologna-Qualitäts- und Mobilitätspaket" zu schnüren, in welchem ein Kernelement die Verbesserung der Lehre sein wird. Es wird Sie nicht verwundern - dies sage ich insbesondere mit Blick auf die Kolleginnen und Kollegen aus den Fraktionen der SPD und der Grünen -, wenn ich an dieser Stelle auch einmal darauf hinweisen muss, dass die in den Anträgen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen dargestellten Defizite im Bereich der Hochschullehre, für die sie immer wieder auch die Bologna-Reform verantwortlich machen, aufgrund ihrer Versäumnisse während der rot-grünen Regierungszeit - nämlich da, als Bologna auf den Weg gebracht wurde - durch eine fehlende finanzielle Begleitung der Reform erst verursacht bzw. verstärkt wurden. Meine Damen und Herren von den Grünen, Sie sind Ihrer Verantwortung damals nicht gerecht geworden und kommen heute mit dem erhobenen Zeigefinger. Das mag Ihrer Oppositionsrolle geschuldet sein, ist aus meiner Sicht jedoch vollkommen unnötig. Heute nämlich wird der Bund seiner Verantwortung gerecht. Die Bundesregierung fördert mit dem Hochschulpakt II den systematischen Ausbau der Studienplatzkapazitäten allein in 2010 mit 508 Millionen Euro. Die christlich-liberale Bundesregierung stellt für die Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses 33 Millionen Euro zur Verfügung und etatisierte bereits 760 Millionen Euro für einen Qualitätspakt, welcher durch eine Kofinanzierung der Länder ergänzt werden soll. Hier können wir mit einem beträchtlichen Zugewinn für die Hochschullehre rechnen. Meine Damen und Herren von der Opposition, wenigstens darin sind Sie sich ja einig: Sie fordern immer wieder die Abschaffung von Studienbeiträgen. Mittlerweile fließen deutlich mehr als 1,2 Milliarden Euro aus Erlösen der Studienbeiträge in die Hochschullehre. Diese Einnahmen decken bundesweit mehr als ein Drittel der Kosten zusätzlicher Hochschulinvestitionen. Hochschulen im Verantwortungsbereich liberaler Minister konnten dadurch bemerkenswerte Verbesserungen erzielen. Während die Ausgaben der Hochschulen in Bayern im Zeitraum von 2006 bis 2008 um 778 Millionen Euro stiegen und die nordrhein-westfälischen Hochschulen im selben Zeitraum sogar 881 Millionen Euro mehr investieren konnten, fiel der finanzielle Zugewinn in Berlin und Brandenburg beschämend gering aus. Sie wollen allen Hochschulen diese Einnahmequelle streitig machen, ohne uns die Frage beantworten zu können, wie Sie die zu erwartenden Einnahmeverluste für die Hochschulen auffangen wollen. Stattdessen finden sich im Antrag der Grünen diverse Vorschläge, die im Wesentlichen auf eine zentrale Steuerung des Hochschulwesens abstellen. Sie setzen auf Gender- und Diversity-Kompetenzen als zentrale Qualitätskriterien bei der Bewertung guter Lehre und fordern flächendeckend Landeslehrpreise. Dann beklagen Sie die Differenzierung der Personalkategorien an den Hochschulen und wollen aber gleichzeitig zusätzliche Professuren und Juniorprofessuren mit dem Schwerpunkt Lehre schaffen. Für mich lässt sich dieses grüne Klein-Klein beim besten Willen nicht mit einer modernen Wissenschaftspolitik vereinbaren. Ich bin davon überzeugt: Mit dem von uns eingeschlagenen Weg, der eine Anerkennungskultur für die Lehre fördern wird, unterstützt der Bund die qualitative Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses besser und wird damit sicher mehr für die Hochschulen und vor allem für die Studierenden erreichen. Meine Damen und Herren, ich erwarte aber auch, dass die Länder ihre Hausaufgaben machen. Wer die Zuständigkeit für die Bildung bei sich sieht, muss auch die dazugehörende Verantwortung übernehmen und schließlich auch das dafür erforderliche Geld in die Hand nehmen. Es empört mich daher, wenn ich von Vorschlägen höre, bei der Bildung zu sparen. Wenn ich sehe, dass zum Beispiel in meinem Bundesland, nämlich Brandenburg - übrigens seit 20 Jahren von der SPD regiert - allein darauf gesetzt wird, möglichst viele Bundesmittel aus dem Hochschulpakt 2020 zu bekommen, indem massiv Studierende ins Land gelockt werden, gleichzeitig aber nicht im gleichen Maße eigene Investitionen in den Ausbau zusätzlicher Kapazitäten an den Hochschulen getätigt werden, dann ärgert mich das maßlos. Wenn die dortige rot-rote Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag von der großen Bedeutung der Bildung philosophiert, gleichzeitig aber tatenlos zusieht - nein, ich behaupte: es mit ihrer soeben beschriebenen Strategie sogar massiv befördert -, dass die Hochschulen im Lande aus allen Nähten platzen, ohne auch nur ansatzweise etwas für die Lehre zu tun, empört mich das umso mehr. Die Universität Potsdam, die größte Hochschule in Brandenburg, hat mittlerweile über 20 000 Studierende und ist damit längst an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt. Überfüllte Seminare und "Massenabfertigungen", wie sie seitens der Bildungsstreikenden - auf die sich Die Linke ja allzu gern beruft - immer wieder beklagt wurden, sind in Potsdam Realität. Und die einzige Reaktion von Rot-Rot ist es, für noch mehr Studierende zu werben, um möglichst viele Mittel aus dem Hochschulpakt zu ergattern! Nicht anders sieht es übrigens im ebenfalls rot-rot-regierten Berlin aus. Trotz erheblicher Beteiligung des Bundes ist der durchschnittliche Landeszuschuss pro Studierendem und Jahr an die Hochschulen seit 2006 um mehr als 600 Euro eingebrochen. Wenn im Bundestag dann Die Linke mit ihrem Antrag einerseits Mittelsteigerungen für die Hochschulen fordert, um eine Steigerung der Lehrqualität zu erreichen, und andererseits absurderweise auch noch die Abschaffung von Studiengebühren fordert, wenngleich diese mittlerweile eine erhebliche Bedeutung für die Finanzierung von Hochschulen haben, kann man das ganze Papier eigentlich nicht mehr ernst nehmen. Auch das Deutsche Studentenwerk bestätigte doch, dass Studienbeiträge durchaus zielgerichtet zur Verbesserung der Betreuungs- und Studiensituation der Studierenden eingesetzt werden und damit eine erhebliche positive Wirkung auf die Situation der Hochschulen entfalten. Meine Damen und Herren von der Fraktion Die Linke, mit Ihrem unsystematisch zusammengewürfelten Forderungskatalog zur Deckung des Mittelbedarfs deutscher Hochschulen, welcher von einer Grundgesetzreform bis zur Erarbeitung von diversen Aktionsplänen reicht, lassen Sie vollkommen außer Acht, dass der Bund schon jetzt für den Hochschulbereich Mitwirkungs- und Finanzierungsmöglichkeiten besitzt und diese auch nutzt. Wir stellen bereits gemeinsam mit den Ländern erhebliche Mittel für den Ausbau zusätzlicher Studienplatzkapazitäten über den Hochschulpakt zur Verfügung. Mit dem Qualitätspakt Lehre stellt der Bund in den nächsten zehn Jahren außerdem beträchtliche Mittel zur Steigerung der Lehrqualität bereit. Sie hingegen zeigen lediglich auf die Bundesregierung und fordern sie auf, mehr für die Finanzierung der Hochschulen zu tun, und dort, wo Sie selbst in Verantwortung sind, machen Sie das genaue Gegenteil. Das ist nicht glaubwürdig, und die Menschen im Land, vor allem die Studierenden, sehen das auch. Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen, Koalition und Bundesregierung setzen ihre Prioritäten bei Bildung und Forschung. Unser Ziel bleibt es, Deutschland zur Bildungsrepublik zu machen. Die Länder, aber auch die Hochschulen haben in uns einen verlässlichen Partner. An ihnen selbst ist es aber auch, mit eigenen Anstrengungen ihren Beitrag zu leisten, unserem gemeinsamen Ziel noch näherzukommen. Nicole Gohlke (DIE LINKE): Überfüllte Hörsäle, Prüfungsstress, hohe Präsenzpflicht, Stellenabbau und abstruse Betreuungsrelationen - eine Professorin oder ein Professor ist durchschnittlich für 60 Studierende verantwortlich! So kann man schlagwortartig die Lehr- und Lernsituation an den Hochschulen umschreiben. Das kommt nicht von ungefähr: Jahrzehntelang wurden die Hochschulen unterfinanziert; zudem wurde der Bologna-Prozess implementiert, nach dem Motto "Schaut doch, wie ihr damit klarkommt!" Und da ist es kein Wunder, dass die Versprechen auf neue Lehr- und Lernformen, wie etwa ein selbstbestimmtes Projektstudium, forschendes Lernen, die Anerkennung und Integration von unabhängigen Lerngruppen in den Lehrbetrieb oder E-Learning, nicht umgesetzt wurden. Die Bologna-Konferenz vom vergangenen Montag wäre eine gute Gelegenheit gewesen, mit allen Verantwortlichen gemeinsam Veränderungen zu beschließen. Sie, Frau Schavan, haben sie nur dazu genutzt, Ihre altbekannten Projekte erneut vorzustellen. Und es sollte Ihnen zu denken geben, meine Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, Frau Schavan, dass die Bildungsstreikenden die Sitzung vorzeitig verlassen haben. Denn die Bildungsministerin ist wirklich mit keinem Wort auf die Forderungen der Studierenden eingegangen, sie hat nicht mal die Gelegenheit genutzt, mit den anwesenden Kultusminister und Kultusministerinnen und Hochschulrektoren und Hochschulrektorinnen konkrete Vereinbarungen zu treffen. Grundvoraussetzung für jede Verbesserung an der Hochschule und in der Lehre ist Geld: Es ist nicht einzusehen, dass die Krise und die Konsolidierung der Haushalte auf dem Rücken der Bildung ausgetragen werden sollen, wie es nun Ihr Ministerpräsident Roland Koch in Hessen fordert. 2 Milliarden will die Bundesregierung in den nächsten zehn Jahren für die Verbesserung der Lehre zur Verfügung stellen. Zum Vergleich: über 100 Milliarden Euro konnten schon wieder über Nacht für die Schuldner Griechenlands mobilisiert werden, also für die Banken. Sie handeln nach dem Motto: "Geld für Banken statt für Bildung!" Das ist ein Skandal! Und der Anteil der öffentlichen Ausgaben pro Student am Bruttoinlandsprodukt ist seit den 70er-Jahren um zwei Drittel zurückgegangen! So schaut Ihre Bildungsrepublik aus! Da müssen Sie sich nicht über weitere Proteste wundern! Die Qualität von Lehre und Studium ist untrennbar mit guten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen verknüpft. Sie reden doch immer von Exzellenz! Dann schaffen Sie einfach mal exzellente Bedingungen! Ohne hervorragende Arbeitsbedingungen wird es keine hervorragende Lehre geben. Ihre Politik führte geradewegs in katastrophale Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen - besonders unterhalb der Professur. Lehrbeauftragte sichern den laufenden Lehrbetrieb, sie tun dies völlig unterbezahlt und ohne gesicherte Perspektiven. Drei Viertel aller wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Hochschulen sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes befristet beschäftigt, die Hälfte davon in Teilzeit. Und dieser Trend reicht bis zu den Professuren, deren Stellen 2008 bereits zu 16 Prozent befristet waren, 1998 waren es noch 5 Prozent. Wenn Sie an dieser Situation grundlegend etwas ändern wollen, sorgen Sie für mehr und vor allem für kontinuierliche Mittel! Stellen Sie mehr Personal mit gesicherten Arbeitsverhältnissen ein und schaffen Sie Qualifizierungsmöglichkeiten! Der Wissenschaftsrat veranschlagt allein für die Verbesserung der Qualität der Lehr- und Lernbedingungen ein jährliches Budget von 1,1 Milliarden Euro. Sie bieten 200 Millionen Euro und wollen dafür noch gefeiert werden. Mit Verlaub, aber das ist absurd! Und mit der Exzellenzinitiative verschärft die Bundesregierung dieses Problem noch. Nicht nur, dass dadurch die Mittel konzentriert und einer breiteren Finanzierung, von der alle Hochschulen etwas hätten, entzogen werden, dazu kommt, dass diejenigen, die in solchen Exzellenzprojekten forschen, sich doch kaum noch an der Lehre beteiligen. Stattdessen gibt es dann die reinen Lehrbeauftragten, die aber keine Zeit mehr haben, zu forschen. Sie betreiben eine Ausdifferenzierung in Forschungs- und Lehruniversitäten; Sie treiben mit Ihrer Politik die Trennung von Forschung und Lehre voran! Und das nennen Sie dann Wissenschaftsstandort. Sie beschneiden und zerstören doch auf diese Weise die Wissenschaft an der Wurzel! Ich kann Ihnen nur sagen: Die richtige Antwort auf so eine Politik heißt Protest! Dass man sich für gute Bildung nicht auf Frau Schavan und die Landesregierungen verlassen kann, hat der Bologna-Gipfel am Montag bewiesen. Ich hoffe, dass die Studierenden am 9. Juni vor allem gemeinsam mit Lehrkräften und Beschäftigten der Hochschulen die nächste Runde des Bildungsstreiks einläuten. Es geht um nicht weniger als den freien und gleichen Zugang zu guter Bildung! Dafür braucht es auch Bedingungen, unter denen man auch gut lehren und lernen kann. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gute Studien- und Lernbedingungen entscheiden maßgeblich über ein erfolgreiches Studium. Lehre muss Studierende motivieren und inspirieren, Forschungsinteresse wecken, Kreativität, eigenständiges Denken und wissenschaftliches Arbeiten fördern. Steigende Studierendenzahlen und eine fehlende Finanzierung der Bologna-Reform haben die Lehr- und Betreuungssituation an den Hochschulen aber vielerorts verschlechtert statt verbessert. Mit durchschnittlich 60 Studierenden pro Professorin oder Professor - in einzelnen Fächern noch deutlich mehr - lässt sich nur schwer eine Lehre organisieren, die den Begabungen, Talenten und der Neugierde des Einzelnen gerecht wird. Gute Lehre darf nicht länger Kür für wenige, sondern muss Anspruch und Realität an allen Hochschulen werden. Wir brauchen von allen Akteuren - im Bund, in den Ländern, an den Hochschulen - gemeinsam getragene Strategien, wie wir für alle Studierenden endlich ein besseres Studium und einen transparenten, mobilitätsfreundlichen europäischen Hochschulraum verwirklichen. Akzeptanz und Erfolg der Bachelor- und Masterabschlüsse hängen maßgeblich von einem deutlich verbesserten Betreuungsschlüssel ab. Diese Botschaft setzen wir Grüne und die Studierenden schon lange; sie muss endlich von den Wissenschaftsministerinnen und -ministern sowie der Bundesbildungsministerin nicht nur gehört, sondern auch in die Realität übersetzt werden. Wir Grüne haben bereits in der letzten Legislatur eine umfassende Gesamtstrategie für gute Lehre gefordert und ein Konzept vorgelegt. Es ist traurig, dass fast vier Jahre verstrichen sind, bevor die Ministerin das Thema endlich anpackt. Zu einer Gesamtstrategie für gute Lehre gehört, dass der Hochschulpakt zwischen Bund und Ländern, der massiv unterfinanziert ist und noch nicht einmal die Kosten für unterdurchschnittliche Studienbedingungen trägt, endlich besser ausgestattet wird und dass mehr Studienplätze geschaffen werden. Seit Monaten kündigt die Bundesministerin nun zwar ein "Qualitätsprogramm für die Lehre" an, dies reicht aber weder finanziell noch strukturell aus, die unzureichende Förderung, Ausstattung und Wertschätzung der Lehre zu überwinden. Schavans vages Bologna-Paket und der vollmundig angekündigte 2-Milliarden-Euro-"Qualitätspakt für die Lehre" drohen nun dem Rotstift der CDU-Ministerpräsidenten zum Opfer zu fallen. Wir brauchen einen Rettungsschirm für Hochschulen, keinen Koalitionskrach über Kürzungen. Die Bildungsrepublik wird von Koch & Co abgerissen, bevor mit ihrem Bau ernsthaft begonnen wurde. Wer bei Bildungsinvestitionen kürzen will, versündigt sich an jungen Generationen, verhindert Teilhabe, vergeudet Zukunfts- und Innovationsfähigkeit. Nur Länder, die auch in Zeiten desolater Haushaltslagen die Priorität auf ein leistungsfähigeres Bildungs- und Hochschulsystem legen, können aus Krisen gestärkt hervorgehen. Wenn Ministerin Schavan nicht als Ankündigungsministerin enden möchte, dann muss sie im Schulterschluss mit Kanzlerin Merkel auf dem Bildungsgipfel am 10. Juni einen festen Fahrplan für eine Reform der Bologna-Reform vereinbaren und einen echten Qualitätspakt für die Lehre schließen. Schavan darf die Studien- und Lehrreform nicht allein den Ländern oder Hochschulen überlassen, sondern muss ihrer Verantwortung als Bundesbildungsministerin gerecht werden. Wir fordern von der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern ein verlässliches Gesamtkonzept zur Sicherung guter Lehrqualität. Zentrale Elemente sind eine dritte Säule im Hochschulpakt und ein Bundeswettbewerb für herausragende und innovative Lehre. Durch die dritte Säule sollen Bundesmittel zielgenau an die Hochschulen fließen für Professuren und Junior-Professuren mit dem Schwerpunkt Lehre, für Tutorien und Mentoring-Programme sowie für didaktische Fort- und Weiterbildung, Zentren für Fachdidaktik und für Personalmanagement, Qualitätssicherung sowie Lehrorganisation an den Hochschulen. Nach all dem Gegenwind aus den Ländern hat Bundesministerin Schavan nun statt eines umfassenden Konzepts zur Stärkung der Lehre eine "Akademie für gute Lehre" angekündigt. Diese Idee halten wir für verfehlt und eindeutig zu kurz gesprungen. Durch die Einrichtung einer "Akademie" will die Bundesministerin nur die Mitsprache der Länder umgehen, indem sie die Hochschulen direkt beteiligt. Das ist keine tragfähige Lösung. Außerdem würde das, was die Ministerin bislang lediglich skizziert hat, mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass die Förderung nicht an der Zahl der Studierenden ausgerichtet würde, sondern nur einige Hochschulen die Mittel unter sich aufteilten. Unser Vorschlag einer dritten Säule im Hochschulpakt bindet alle Verantwortlichen mit ein und leitet die Mittel zielgerichtet dort hin, wo sie gebraucht werden. Mit unserer Gesamtstrategie sorgen wir dafür, allen Studierenden eine gute Lehre zu garantieren sowie die Einheit von Forschung und Lehre zu stärken statt aufzukündigen. Wir wollen die Reputation und Anerkennung von Lehre stärken und sie damit perspektivisch endlich auf Augenhöhe mit der Forschung bringen. Denn gute Lehre muss sich lohnen, sie braucht mehr Wertschätzung und klare Struktur- und Finanzentscheidungen der Politik. Daher bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu. Anlage 8 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 869. Sitzung am 7. Mai 2010 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: - Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschließung gefasst: Die Bundesregierung wird gebeten, die Auswirkungen der in diesem Gesetz vorgenommenen Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) zeitnah auszuwerten und bei Bedarf eine einheitliche Regelung von SGB XII und SGB II herbeizuführen. Begründung: Das SGB XII enthält bereits eine erprobte Regelung für abweichende Bedarfe. Mit der betreffenden Regelung dieses Gesetzes erfolgt eine unterschiedliche Ausgestaltung der beiden Fürsorgesysteme SGB II und SGB XII. Im Interesse einer Harmonisierung in Fragen der existenzsichernden Bedarfe sollte jedoch im SGB II eine dem SGB XII analoge Regelung für atypische Bedarfslagen erfolgen. Die Übernahme einer gleichlautenden Öffnungsklausel auch in das SGB II würde der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dienen. - Fünftes Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes - Achtes Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Erstes Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes (1. Telemedienänderungsgesetz) - Gesetz zur Änderung des Abkommens vom 15. Dezember 1950 über die Gründung eines Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens - Gesetz zu den Änderungsurkunden vom 24. November 2006 zur Konstitution und zur Konvention der Internationalen Fernmeldeunion vom 22. Dezember 1992 - Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität in der Währungsunion erforderlichen Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik (Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz - WFStG) Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschließung gefasst: In der aktuellen Krise geht es um Bestand und Zukunft der Europäischen Union - nicht nur um Griechenland. Der Bundesrat befasst sich in europäischer und gesamtstaatlicher Verantwortung mit dem Gesetz zum Erhalt der Stabilität der Währungsunion. Er erachtet die von Internationalem Währungsfonds, Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank sowie den Euro-Staaten beschlossenen Maßnahmen für Griechenland als unabdingbar. Eine stabile Wirtschafts- und Währungspolitik benötigt ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und dem damit verbundenen notwendigen Prinzip des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs. Deutschland braucht den Euro - ebenso wie Europa. Ohne gemeinsame Währung hätte die Wirtschafts- und Finanzkrise unseren Kontinent noch härter getroffen. Griechenland zu helfen ist notwendig, um eine Zahlungsunfähigkeit des Landes zu verhindern und die Euro-Zone vor unkalkulierbaren Erschütterungen zu bewahren. Die Unterstützung ist ein Ausnahmefall, der nicht in einen Mechanismus für weitere notleidende Staaten führt. Die Währungsunion darf sich nicht sukzessive in eine Transferunion wandeln. Grundlage ist die Stärkung und Verschärfung des bestehenden Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Die international vereinbarten Maßnahmen sehen in den nächsten Jahren einen strikten Sparkurs und strukturelle Reformen für Griechenland vor, mit denen das Land schrittweise seine öffentlichen Finanzen wieder stabilisieren und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft verbessern soll. Die von Griechenland zu treffenden Entscheidungen zur Einhaltung des Sparkurses und der strukturellen Reformen sind streng zu überwachen. Grundlage bilden die zwischen dem Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Kommission im Auftrag der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und von Griechenland unter Mitwirkung der Europäischen Zentralbank vereinbarten Maßnahmen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, über die diesbezüglichen Fortschritte bzw. über die Einhaltung dieser Vereinbarungen regelmäßig zu berichten. Die Krise in Griechenland hat aber auch strukturelle Schwächen der europäischen Währungsunion offengelegt. Der Bundesrat begrüßt daher, dass der Europäische Rat seinen Präsidenten Herman Van Rompuy damit beauftragt hat, eine Task Force einzurichten, um Vorschläge für eine bessere Prävention und Krisenbewältigung in der Eurozone zu erarbeiten. Das aufwendige Maßnahmenpaket kann nur effektiv und nachhaltig sein, wenn es dazu beiträgt, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und Lasten gerecht zu verteilen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass - die zuständigen europäischen Institutionen in die Lage versetzt werden, wirksame Maßnahmen ergreifen zu können, die für eine effektivere Überwachung der Haushalts- und Finanzpolitiken der Mitgliedstaaten sorgen. Insbesondere dem Europäischen Statistikamt EUROSTAT muss ein Zugriffs-, Durchgriffs- und Kontrollrecht gegenüber den nationalen Statistikämtern eingeräumt werden. Der Europäische Rechnungshof ist durch erweiterte Prüfungsrechte zu stärken. - ein effektiver Frühwarnmechanismus eingerichtet wird, der im Fall drohender Überschuldung von Staaten eine Warnung auslöst. Defizitsünder sollten vor Verabschiedung ihrer Haushalte der Eurogruppe berichten müssen und diese sollte dazu öffentlich Stellung beziehen können. - der Stabilitäts- und Wachstumspakt in seiner Funktion gestärkt wird, indem Euro-Mitgliedstaaten, die wiederholt übermäßige Haushaltsdefizite aufweisen, einem beschleunigten Defizitverfahren unterworfen werden, so dass Sanktionen früher greifen können. Sanktionen müssen zu einem früheren Zeitpunkt verhängt werden, und nicht erst, wenn ein Staat am Rande der Zahlungsunfähigkeit steht und weitere Zahlungsverpflichtungen in der konkreten Situation keinen unmittelbaren Mehrwert bringen. - die Hürden für politische Einflussnahme gegen zu verhängende Sanktionen möglichst hoch gelegt werden, etwa durch zu veröffentlichende Berichte der Europäischen Zentralbank. - der Stabilitäts- und Wachstumspakt so modifiziert wird, dass deutlich spürbarere Sanktionen verhängt werden können, z. B. Sperrung von Mitteln aus den EU-Struktur- und Kohäsionsfonds für Euro-Mitgliedstaaten, die durch übermäßige Haushaltsdefizite die Eurozone als Ganzes gefährden, Suspendierung der Stimmrechte, und die Verhängung von Sanktionen, die soweit möglich automatisch ausgelöst werden. - neue Instrumentarien für überschuldete Staaten entwickelt werden, mit denen ein Restrukturierungs- und Insolvenzsystem aufgebaut wird. Dieses Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren muss systemische Risiken vermeiden und klar regeln, dass die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen (Umschuldung). Es muss sichergestellt sein, dass Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren zügig und unter Wahrung der Rechtssicherheit durchgeführt werden können; damit soll treffsicher gewährleistet werden, dass diejenigen, die spekulieren, entsprechend den von ihnen eingegangenen Risiken herangezogen werden. - der Anleger- und Verbraucherschutz in Europa verbessert sowie insbesondere der sogenannte "graue Kapitalmarkt" reguliert und beaufsichtigt wird. Künftig darf kein Finanzmarkt, kein Finanzmarktakteur und kein Finanzmarktprodukt ohne Regulierung, Aufsicht und Haftung bleiben. - bei zukünftigen Beitrittsanträgen zur Währungsunion ein längeres, zum Beispiel fünfjähriges, Monitoringverfahren durchgeführt wird, in dem der Kandidat beweist, dass er in der Lage ist, eine dauerhaft stabilitätsorientierte Finanzpolitik zu führen, und dabei auch auf seine Wettbewerbsfähigkeit achtet. Die aktuelle Krise um Griechenland hat auch verdeutlicht, dass im Finanzmarktsystem Änderungen dringend erforderlich sind, um dessen Krisenresistenz zu stärken. Daher fordert der Bundesrat die Bundesregierung dazu auf, - sich für die Schaffung einer unabhängigen europäischen Rating-Agentur einzusetzen, die ihre Ratings vollständig transparent macht. - die Regulierung von Rating-Agenturen zu verbessern, indem wirtschaftliche Verflechtungen von Rating-Agenturen und Finanzmarktakteuren ausgeschlossen und mögliche Marktmanipulationen durch die Finanzaufsicht streng kontrolliert werden. - ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe von Finanz-marktinstrumenten einzuführen. - alle Finanzprodukte und alle Finanzmarktteilnehmer, zum Beispiel Hedge-Fonds, zu regulieren. - den Kauf von Kreditausfallversicherungen (CDS), die nicht zur Absicherung eigener oder mandatierter Risiken dienen, umgehend zu verbieten. Der Bundesrat spricht sich für die Schaffung europäischer Clearingstellen und Handelsplattformen aus, die wirksam reguliert werden. - bei Verbriefungen einen signifikanten Selbstbehalt einzuführen. Zugleich erwartet der Bundesrat die Erstellung verbindlicher Standards für Verbriefungen. - die Erhebung einer risikoadjustierten Bankenabgabe zur Errichtung eines Stabilitäts-Fonds zur Finanzierung künftiger Restrukturierungs- und Abwicklungsmaßnahmen bei Banken voranzutreiben, damit der Finanzsektor bei zukünftigen Krisen selbst gewappnet ist und reagieren kann. - sich in Europa und in der G-20-Gruppe für die Umsetzung der jetzt vom Internationalen Währungsfonds vorgelegten Vorschläge hinsichtlich eines abgestimmten Vorgehens zur Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krise einzusetzen. Der Bundesrat hat in seiner 870. Sitzung am 21. Mai 2010 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: - Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Auswärtiger Ausschusses - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Ergebnisse ihrer Bemühungen um die Weiterentwicklung der politischen und ökonomischen Gesamtstrategie für die Balkanstaaten und ganz Südosteuropa (Berichtszeitraum: 1. Februar 2009 bis 28. Februar 2010) - Drucksachen 17/1200, 17/1485 Nr. 2 - Ausschuss für Gesundheit - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zur Situation der Transplantationsmedizin in Deutschland zehn Jahre nach Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes - Drucksachen 16/13740, 17/591 Nr. 1.15 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Gutachten 2009 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Koordination und Integration - Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens - Drucksachen 16/13770, 17/591 Nr. 1.16 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zu Erfahrungen mit der Erprobung von Arzneimitteln an Minderjährigen nach Inkrafttreten des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes - Drucksachen 16/14131, 17/591 Nr. 1.33 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung der gesetzlichen Vorschrift zur Fortsetzung der Arzneimitteltherapie nach Krankenhausbehandlung - Drucksachen 16/14137, 17/591 Nr. 1.34 - Ausschuss für Wirtschaft und Technologie - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung 2009 zur Anwendung des Standardkosten-Modells und zum Stand des Bürokratieabbaus - Drucksachen 17/300, 17/591 Nr. 1.46 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresgutachten 2009/10 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - Drucksache 17/44 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Stand der Doha-Welthandelsrunde - Drucksachen 17/316, 17/503 1.2 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahreswirtschaftsbericht 2010 der Bundesregierung - Drucksache 17/500 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat: Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/859 Nr. A.3 Ratsdokument 5935/10 Drucksache 17/859 Nr. A.4 Ratsdokument 5938/10 Drucksache 17/1100 Nr. A.1 Ratsdokument 17811/09 Drucksache 17/1492 Nr. A.1 EuB-BReg 82/2010 Drucksache 17/1492 Nr. A.3 EuB-BReg 85/2010 Drucksache 17/1492 Nr. A.5 EuB-EP 2008; P7_TA-PROV(2010)0017 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 17/859 Nr. A.9 Ratsdokument 5662/10 Drucksache 17/859 Nr. A.10 Ratsdokument 15058/09 Drucksache 17/1100 Nr. A.8 EuB-BReg 77/2010 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 17/1492 Nr. A.28 Ratsdokument 8174/10 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 17/1270 Nr. A.6 Ratsdokument 6822/10 Drucksache 17/1270 Nr. A.7 Ratsdokument 6963/10 Drucksache 17/1492 Nr. A.37 Ratsdokument 7709/10 Ausschuss für Tourismus Drucksache 17/1492 Nr. A.42 Ratsdokument 8253/10 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 17/315 Nr. A.8 Ratsdokument 17196/09 1Anlagen 2 bis 5 2Ergebnis Seite 4451 D 3Ergebnis Seite 4454 C 4Ergebnis Seite 4456 D 5Anlage 6 6Anlage 7 ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 4418 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 44. Sitzung, Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 44. Sitzung, Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 4419 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 4472 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 44. Sitzung, Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 44. Sitzung, Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 4471