Plenarprotokoll 17/49 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 49. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Hans-Ulrich Klose Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung Absetzung der Tagesordnungspunkte 26, 28, 32 c, 35 n und 36 l sowie eines für morgen angekündigten Zusatztagesordnungspunktes Aktuelle Stunde Nachträgliche Ausschussüberweisungen Begrüßung des Parlamentspräsidenten der Ukraine, Herrn Wolodymyr Lytwyn Tagesordnungspunkt 3: a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91 e) (Drucksachen 17/1939, 17/2183) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91 e) (Drucksachen 17/1554, 17/2183) b) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Drucksachen 17/1940, 17/2057) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Drucksachen 17/1555, 17/2188) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/2190) Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMAS Anette Kramme (SPD) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Karl Schiewerling (CDU/CSU) Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Angelika Krüger-Leißner (SPD) Christian Ahrendt (FDP) Katja Kipping (DIE LINKE) Thomas Dörflinger (CDU/CSU) Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) Max Straubinger (CDU/CSU) Katja Kipping (DIE LINKE) Namentliche Abstimmung Ergebnis Tagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Jutta Krellmann, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mit guter Arbeit aus der Krise (Drucksachen 17/1396, 17/2069) Paul Lehrieder (CDU/CSU) Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Ottmar Schreiner (SPD) Pascal Kober (FDP) Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Paul Lehrieder (CDU/CSU) Gitta Connemann (CDU/CSU) Ottmar Schreiner (SPD) Josip Juratovic (SPD) Sebastian Blumenthal (FDP) Stefan Liebich (DIE LINKE) Sebastian Blumenthal (FDP) Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) Katja Mast (SPD) Gabriele Molitor (FDP) Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) Ulrich Lange (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 35: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 15. Mai 2003 zur Änderung des Europäischen Übereinkommens vom 27. Januar 1977 zur Bekämpfung des Terrorismus (Drucksache 17/2067) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. Juni 2006 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten, der Republik Albanien, Bosnien und Herzegowina, der Republik Bulgarien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, der Republik Island, der Republik Kroatien, der Republik Montenegro, dem Königreich Norwegen, Rumänien, der Republik Serbien und der Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen in Kosovo zur Schaffung eines gemeinsamen europäischen Luftverkehrsraums (Vertragsgesetz ECAA-Übereinkommen - ECAAÜbkG) (Drucksache 17/2068) c) Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Marlies Volkmer, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Öffentlichen Zugang zu Informationen über klinische Studien umfassend sicherstellen (Drucksache 17/1768) d) Antrag der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bessere Haltung von Kaninchen zu Erwerbszwecken - Konkrete Haltungsbedingungen in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aufnehmen (Drucksache 17/2017) e) Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, Alexander Süßmair, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Haltung von Mast- und Zuchtkaninchen in Deutschland und der Europäischen Union tiergerechter regeln - Mindestanforderungen unverzüglich auf den Weg bringen (Drucksache 17/1601) f) Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Undine Kurth (Quedlinburg), Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die gewerbliche Haltung von Mast- und Zuchtkaninchen in Deutschland und der Europäischen Union deutlich verbessern (Drucksache 17/2006) g) Antrag der Abgeordneten Klaus Riegert, Eberhard Gienger, Stephan Mayer (Altötting), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Dr. Lutz Knopek, Gisela Piltz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Europa in Bewegung - Mit Kompetenz und Verantwortung für einen europäischen Mehrwert im Sport (Drucksache 17/2129) h) Antrag der Abgeordneten Dorothea Steiner, Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bürgerfreundliches Rücknahmesystem für gebrauchte Energiesparlampen im Handel einrichten (Drucksache 17/1583) i) Antrag der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Petra Crone, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verbraucherinformationsgesetz zügig reformieren (Drucksache 17/2116) j) Antrag der Abgeordneten Ute Kumpf, Sönke Rix, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Stärkung der Jugendfreiwilligendienste - Platzangebot ausbauen, Qualität erhöhen, Rechtssicherheit schaffen (Drucksache 17/2117) k) Antrag der Abgeordneten Ottmar Schreiner, Anette Kramme, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Demokratische Teilhabe von Belegschaften und ihren Vertretern an unternehmerischen Entscheidungen stärken (Drucksache 17/2122) l) Antrag der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Obligatorische Prüf- und Zulassungsverfahren für Haltungseinrichtungen für Nutztiere - Tierschutz-TÜV zügig einführen (Drucksache 17/2143) m) Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Ralph Lenkert, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbraucherfreundliche Rücknahmepflicht des Einzelhandels für Energiesparlampen durchsetzen (Drucksache 17/2121) Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Cornelia Möhring, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Versorgung durch Hebammen und Entbindungshelfer sicherstellen (Drucksache 17/2128) Tagesordnungspunkt 36: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts (Drucksachen 17/1394, 17/1802, 17/2095) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes und des Fahrpersonalgesetzes (Drucksachen 17/1395, 17/1903, 17/1835) c) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Staatsvertrag vom 16. Dezember 2009 und 26. Januar 2010 über die Verteilung von Versorgungslasten bei bund- und länderübergreifenden Dienstherrenwechseln (Drucksachen 17/1696, 17/2014) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/2048) d) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. November 2008 über die Änderung des Vertrags vom 11. April 1996 über die Internationale Kommission zum Schutz der Oder gegen Verunreinigung (Drucksachen 17/1702, 17/2144) e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie auf dem Gebiet des Umweltrechts sowie zur Änderung umweltrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 17/1393, 17/1904, 17/2148) f) - Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 2. März 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Insel Man über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Auskunftsaustausch (Drucksachen 17/1698, 17/2168) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 2. März 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Insel Man zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von im internationalen Verkehr tätigen Schifffahrtsunternehmen (Drucksachen 17/1697, 17/2168) g) - Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 26. März 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Guernsey über den Auskunftsaustausch in Steuersachen (Drucksachen 17/1699, 17/2090) - Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 13. August 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Gibraltar über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Auskunftsaustausch (Drucksachen 17/1700, 17/2090) - Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 2. September 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Fürstentums Liechtenstein über die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch in Steuersachen (Drucksachen 17/1701, 17/2090) h) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes und des Agrarstatistikgesetzes (Drucksachen 17/1703, 17/2109) i) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Katzen- und Hundefell-Einfuhr-Verbotsgesetzes und zur Änderung des Seefischereigesetzes (Drucksachen 17/1704, 17/2110) j) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Neununddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) (Drucksachen 17/1900, 17/2175) k) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP: Modellversuch "Begleitetes Fahren mit 17" in das Dauerrecht überführen (Drucksachen 17/1573, 17/2147) m) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP: Herstellung des Einvernehmens zu den erwarteten Ergebnissen der Regierungskonferenz im Hinblick auf die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon hier: Erklärung des Deutschen Bundestages nach § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (Drucksache 17/2127) n) Antrag der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Andrej Konstantin Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Veränderung der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments in der laufenden Wahlperiode (Drucksache 17/2049) o) Antrag der Abgeordneten Dietmar Nietan, Axel Schäfer (Bochum), Dr. Rolf Mützenich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Den Europäischen Auswärtigen Dienst im Dienste aller EU-Institutionen handlungsfähig und wirkungsvoll ausgestalten (Drucksache 17/2118) p) - v) Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 97, 98, 99, 100, 101, 102 und 103 zu Petitionen (Drucksachen 17/1990, 17/1991, 17/1992, 17/1993, 17/1994, 17/1995, 17/1996) Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Auswirkungen des gescheiterten Bildungsgipfels auf die gemeinsame Bildungspolitik von Bund und Ländern Ulla Burchardt (SPD) Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) Patrick Meinhardt (FDP) Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) Swen Schulz (Spandau) (SPD) Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) Klaus Hagemann (SPD) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (Drucksache 17/1215) Marco Buschmann (FDP) Sonja Steffen (SPD) Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) Halina Wawzyniak (DIE LINKE) Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Halina Wawzyniak (DIE LINKE) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Arnold Vaatz (CDU/CSU) Hans-Joachim Hacker (SPD) Arnold Vaatz (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Sascha Raabe, Lothar Binding (Heidelberg), Dr. h. c. Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Herausforderung Millenniums-Entwicklungsziele (Drucksache 17/2018) b) Antrag der Abgeordneten Niema Movassat, Heike Hänsel, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Steigerung der Entwicklungshilfequote auf 0,7 Prozent gesetzlich festlegen (Drucksache 17/2024) c) Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Mit dem Global Green New Deal die Millenniumsentwicklungsziele erreichen (Drucksache 17/2132) Dr. Sascha Raabe (SPD) Dagmar Wöhrl (CDU/CSU) Niema Movassat (DIE LINKE) Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Johannes Selle (CDU/CSU) Karin Roth (Esslingen) (SPD) Tagesordnungspunkt 7: - Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, zuletzt 1884 (2009) vom 27. August 2009 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksachen 17/1905, 17/2171) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/2177) Dr. Rainer Stinner (FDP) Günter Gloser (SPD) Peter Beyer (CDU/CSU) Inge Höger (DIE LINKE) Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Holger Haibach (CDU/CSU) Karin Evers-Meyer (SPD) Ingo Gädechens (CDU/CSU) Namentliche Abstimmung Ergebnis Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von den Abgeordneten Katja Dörner, Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Aufhebung der Ankündigung eines Betreuungsgeldes (Drucksache 17/1579) Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Norbert Geis (CDU/CSU) Diana Golze (DIE LINKE) Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Caren Marks (SPD) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) Miriam Gruß (FDP) Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Diana Golze (DIE LINKE) Norbert Geis (CDU/CSU) Diana Golze (DIE LINKE) Marco Wanderwitz (CDU/CSU) Christel Humme (SPD) Norbert Geis (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 9: a) - Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Friedensmission der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS) auf Grundlage der Resolution 1590 (2005) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 24. März 2005 und Folgeresolutionen (Drucksachen 17/1902, 17/2172) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/2178) b) - Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/ UN-Hybrid-Operation in Darfur (UNAMID) auf Grundlage der Resolution 1769 (2007) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007 und Folgeresolutionen (Drucksachen 17/1901, 17/2173) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/2179) Marina Schuster (FDP) Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) Florian Hahn (CDU/CSU) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) Namentliche Abstimmungen Ergebnisse Tagesordnungspunkt 10: Große Anfrage der Abgeordneten Ute Kumpf, Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Sicherung der Technologieführerschaft Deutschlands im Verkehrs- und Baubereich (Drucksache 17/931) Tagesordnungspunkt 11: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 - WehrRÄndG 2010) (Drucksachen 17/1953, 17/2174) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/2180) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abschaffung der Wehrpflicht - zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Malczak, Omid Nouripour, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wehrpflicht beenden (Drucksachen 17/1736, 17/1431, 17/2174) Markus Grübel (CDU/CSU) Sönke Rix (SPD) Joachim Spatz (FDP) Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) Lars Klingbeil (SPD) Namentliche Abstimmungen Ergebnisse Tagesordnungspunkt 12: a) Antrag der Abgeordneten Christine Lambrecht, Petra Crone, Dr. Peter Danckert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften (Drucksache 17/2113) b) Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Jan Korte, Cornelia Möhring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Öffnung der Ehe (Drucksache 17/2023) Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt - Beschäftigungschancengesetz (Drucksache 17/1945) Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Diana Golze, Dr. Petra Sitte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Fachkräfteprogramm - Bildung und Erziehung - unverzüglich auf den Weg bringen (Drucksache 17/2019) Tagesordnungspunkt 15: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen (Drucksachen 17/1291, 17/1457, 17/2181) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicolette Kressl, Joachim Poß, Ingrid Arndt-Brauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Maßnahmenbündel gegen Spekulationen auf den Finanzmärkten und ungerechtfertigte Banker-Boni - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Richard Pitterle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Dem Vorbild Großbritanniens und Frankreichs folgen - Boni-Steuer für die Finanzbranche einführen - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Fritz Kuhn, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gehaltsexzesse nicht länger auf Kosten der Allgemeinheit (Drucksachen 17/526, 17/452, 17/794, 17/2181) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) Manfred Zöllmer (SPD) Björn Sänger (FDP) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von den Abgeordneten Markus Kurth, Josef Philip Winkler, Fritz Kuhn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Drucksache 17/1428) Tagesordnungspunkt 17: a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeswaldgesetzes (Drucksachen 17/1220, 17/2184) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Crone, Dirk Becker, Gerd Bollmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bundeswaldgesetz nachhaltig gestalten - Schutz und Pflege des Ökosystems für heutige und künftige Generationen - zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg), Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das Bundeswaldgesetz novellieren und ökologische Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung einführen - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bundeswaldgesetz ändern - Naturnahe Waldbewirtschaftung fördern - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Waldbericht der Bundesregierung 2009 (Drucksachen 17/1050, 17/1586, 17/1743, 16/13350, 17/2184) Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vermeidung kurzfristiger Marktengpässe bei flüssiger Biomasse (Drucksachen 17/1750, 17/2182) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) Josef Göppel (CDU/CSU) Dirk Becker (SPD) Michael Kauch (FDP) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 19: a) Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Todesstrafe weltweit abschaffen (Drucksache 17/2114) b) Antrag der Fraktion der SPD: Folter bekämpfen und Folteropfer unterstützen (Drucksache 17/2115) c) Antrag der Abgeordneten Annette Groth, Katrin Werner, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abschaffung der Todesstrafe weltweit (Drucksache 17/2131) Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes (Drucksachen 17/1749, 17/2108) Dr. Erik Schweickert (FDP) Tagesordnungspunkt 21: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Kaczmarek, Dirk Becker, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Hochwasserschutz europäisch und ökologisch nachhaltig umsetzen - Für ein integriertes Hochwasserschutzkonzept - zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Kaczmarek, Dirk Becker, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Naturnahen Wasserhaushalt durch Schutz und Renaturierung von Nass- und Feuchtgebieten fördern - Hochwassergefahren mindern, Klima schützen - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Undine Kurth (Quedlinburg), Dorothea Steiner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auenschutzprogramm vorlegen (Drucksachen 17/1974, 17/1748, 17/1760, 17/2176) Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Drucksachen 17/1684, 17/2169) Peter Wichtel (CDU/CSU) Max Straubinger (CDU/CSU) Anette Kramme (SPD) Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Herbert Behrens, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Fluggastrechte stärken (Drucksache 17/2021) Marco Wanderwitz (CDU/CSU) Lucia Puttrich (CDU/CSU) Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Heinz Paula (SPD) Marco Buschmann (FDP) Caren Lay (DIE LINKE) Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 24: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Aktionsplan "Urbane Mobilität" (inkl. 14030/09 ADD 1 und 14030/09 ADD 2) (ADD 1 in Englisch) KOM(2009) 490 endg.; Ratsdok. 14030/09 (Drucksachen 17/136 Nr. A.92, 17/815) Veronika Bellmann (CDU/CSU) Sören Bartol (SPD) Oliver Luksic (FDP) Thomas Lutze (DIE LINKE) Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Biodiversität national und international konsequent schützen (Drucksache 17/2005) Josef Göppel (CDU/CSU) Dr. Matthias Miersch (SPD) Angelika Brunkhorst (FDP) Sabine Stüber (DIE LINKE) Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 27: Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Nährwert-Ampel bundesweit einführen (Drucksache 17/2120) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Nicole Maisch, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die "Information der Verbraucher über Lebensmittel" KOM(2008) 40 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Lebensmittelinformation verbessern - Verbindliche Ampelkennzeichnung einführen (Drucksachen 17/1987, 17/2185) Carola Stauche (CDU/CSU) Iris Gleicke (SPD) Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) Karin Binder (DIE LINKE) Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 29: Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Sven-Christian Kindler, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aufhebung der Haushaltssperre und Weiterführung des Marktanreizprogramms und der nationalen Klimaschutzinitiative zur Förderung erneuerbarer Energien (Drucksache 17/2007) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, Sören Bartol, Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Marktanreizprogramm und nationale Klimaschutzinitiative fortsetzen (Drucksache 17/2119) Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU/CSU) Bettina Kudla (CDU/CSU) Sören Bartol (SPD) Heinz-Peter Haustein (FDP) Michael Leutert (DIE LINKE) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Thomas Dörflinger (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 - WehrRÄndG 2010) (Tagesordnungspunkt 11 a) Anlage 3 Erklärung nach § 31 Abs. 2 GO des Abgeordneten Hans-Ulrich Klose (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 - WehrRÄndG 2010) und über den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Tagesordnungspunkt 11 a und b) Anlage 4 Erklärung nach § 31 Abs. 1 GO der Abgeordneten Jens Ackermann, Daniel Bahr (Münster), Florian Bernschneider, Sebastian Blumenthal, Marco Buschmann, Dr. Bijan Djir-Sarai, Patrick Döring, Manuel Höferlin, Sebastian Körber, Horst Meierhofer. Björn Sänger, Florian Toncar, Serkan Tören und Johannes Vogel (Lüdenscheid) (alle FDP) zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 - WehrRÄndG 2010) (Tagesordnungspunkt 11 b) Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Sicherung der Technologieführerschaft Deutschlands im Verkehrs- und Baubereich (Tagesordnungspunkt 10) Steffen Bilger (CDU/CSU) Karl Holmeier (CDU/CSU) Ute Kumpf (SPD) Wolfgang Tiefensee (SPD) Petra Müller (Aachen) (FDP) Herbert Behrens (DIE LINKE) Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: - Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften - Öffnung der Ehe (Tagesordnungspunkt 12) Ute Granold (CDU/CSU) Christine Lambrecht (SPD) Stephan Thomae (FDP) Michael Kauch (FDP) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt - Beschäftigungschancengesetz (Tagesordnungspunkt 13) Paul Lehrieder (CDU/CSU) Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Fachkräfteprogramm - Bildung und Erziehung - unverzüglich auf den Weg bringen (Tagesordnungspunkt 14) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) Ewa Klamt (CDU/CSU) Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Caren Marks (SPD) Sylvia Canel (FDP) Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 16) Mechthild Heil (CDU/CSU) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Miriam Gruß (FDP) Ulla Jelpke (DIE LINKE) Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeswaldgesetzes - Beschlussempfehlung und Bericht: - Antrag: Bundeswaldgesetz nachhaltig gestalten - Schutz und Pflege des Ökosystems für heutige und künftige Generationen - Antrag: Das Bundeswaldgesetz novellieren und ökologische Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung einführen - Antrag: Bundeswaldgesetz ändern - Naturnahe Waldbewirtschaftung fördern - Unterrichtung: Waldbericht der Bundesregierung 2009 (Tagesordnungspunkt 17 a und b) Alois Gerig (CDU/CSU) Petra Crone (SPD) Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) Alexander Süßmair (DIE LINKE) Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: - Todesstrafe weltweit abschaffen - Folter bekämpfen und Folteropfer unterstützen - Abschaffung der Todesstrafe weltweit (Tagesordnungspunkt 19 a bis c) Frank Heinrich (CDU/CSU) Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) Marina Schuster (FDP) Annette Groth (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes (Tagesordnungspunkt 20) Norbert Schindler (CDU/CSU) Gustav Herzog (SPD) Alexander Süßmair (DIE LINKE) Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: - Hochwasserschutz europäisch und ökologisch nachhaltig umsetzen - Für ein integriertes Hochwasserschutzkonzept - Naturnahen Wasserhaushalt durch Schutz und Renaturierung von Nass- und Feuchtgebieten fördern - Hochwassergefahren mindern, Klima schützen - Auenschutzprogramm vorlegen (Tagesordnungspunkt 21) Ingbert Liebing (CDU/CSU) Josef Göppel (CDU/CSU) Oliver Kaczmarek (SPD) Horst Meierhofer (FDP) Sabine Stüber (DIE LINKE) Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 49. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 Beginn: 10.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist wieder eröffnet. Dem Kollegen Hans-Ulrich Klose, der vor wenigen Tagen seinen 73. Geburtstag beging, möchte ich auch von dieser Stelle aus im Namen des ganzen Hauses herzlich gratulieren und alles Gute wünschen. (Beifall) Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern: ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP: Bedrohliches Anwachsen linksextremer Straftaten in Deutschland (siehe 48. Sitzung) ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren Ergänzung zu TOP 35 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Cornelia Möhring, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Versorgung durch Hebammen und Entbindungshelfer sicherstellen - Drucksache 17/2128 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit (f) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Arbeit und Soziales ZP 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Auswirkungen des gescheiterten Bildungsgipfels auf die gemeinsame Bildungspolitik von Bund und Ländern ZP 4 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Nicole Maisch, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die "Information der Verbraucher über Lebensmittel" KOM(2008) 40 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Lebensmittelinformation verbessern - Verbindliche Ampelkennzeichnung einführen - Drucksachen 17/1987, 17/2185 - Berichterstattung: Abgeordnete Carola Stauche Iris Gleicke Dr. Christel Happach-Kasan Karin Binder Ulrike Höfken ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, Sören Bartol, Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Marktanreizprogramm und nationale Klimaschutzinitiative fortsetzen - Drucksache 17/2119 - Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden. Die Tagesordnungspunkte 26, 28, 32 c, 35 n und 36 l werden abgesetzt. Die für morgen als letzter Tagesordnungspunkt angekündigte Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion Die Linke wurde zurückgezogen und entfällt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ja, so sind wir!) Das eröffnet die Möglichkeit zur Begleitung anderer bedeutender nationaler Ereignisse. Außerdem mache ich auf mehrere nachträgliche Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam: Der in der 46. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Arbeit und Soziales (11. Aus-schuss) zur Mitberatung überwiesen werden. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verwendung von Verwaltungsdaten für Wirtschaftsstatistiken und zur Änderung von Statistikgesetzen - Drucksache 17/1899 - überwiesen: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Innenausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Der in der 46. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (9. Aus-schuss) zur Mitberatung überwiesen werden. Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg), Agnes Malczak, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN Kyritz-Ruppiner Heide in ihrer Einheit erhalten - Voraussetzungen für eine chancenreiche Regionalentwicklung - Drucksache 17/1989 - überwiesen: Verteidigungsausschuss (f) Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss Die in der 46. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesenen nachfolgenden Anträge sollen zusätzlich dem Ausschuss für Tourismus (20. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Die Fußball-Weltmeisterschaft - Eine Chance für Südafrika - Drucksache 17/1959 - überwiesen: Auswärtiger Ausschuss (f) Sportausschuss Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank Schwabe, Dirk Becker, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Unsere Meere brauchen Schutz - Drucksache 17/1960 - überwiesen: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f) Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Das ist der Fall. Damit ist das so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf: a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91 e) - Drucksache 17/1939 - - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91 e) - Drucksache 17/1554 - Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) - Drucksache 17/2183 - Berichterstattung: Abgeordnete Ingo Wellenreuther Michael Hartmann (Wackernheim) Gisela Piltz Jan Korte Wolfgang Wieland b) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende - Drucksachen 17/1940, 17/2057 - - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende - Drucksache 17/1555 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Aus-schuss) - Drucksache 17/2188 - Berichterstattung: Abgeordnete Angelika Krüger-Leißner - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/2190 - Berichterstattung: Abgeordnete Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Bettina Hagedorn Dr. Claudia Winterstein Roland Claus Alexander Bonde Über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes werden wir später namentlich abstimmen. Außerdem liegt zu diesem Gesetzentwurf ein Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vor. Weiterhin hat die Fraktion Die Linke zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen Entschließungsantrag eingebracht. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Weg hin zu der Gesetzesvorlage, die wir jetzt beschließen werden, war nicht einfach. Er war steinig und schwierig. Diese wichtige Reform stand mehr als einmal auf der Kippe. Alle in diesem Raum wissen, dass die Schwarzmaler unter uns so manches Mal Konjunktur gehabt haben. Ich freue mich umso mehr, dass wir nach zweieinhalb Jahren fruchtloser Streitereien und dann einigen Monaten sehr konstruktiver Arbeit jetzt eine sehr moderne und gute Lösung und vor allen Dingen eine Lösung im Sinne der Menschen, vor allem der Arbeitslosen, gefunden haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Ich freue mich nicht nur, dass es gelungen ist, eine Lösung über die Grenzen des Föderalismus hinweg, also für Bund, Länder und Kommunen als Einheit, zu finden, sondern ich freue mich auch, dass wir jetzt trotz aller Hakeleien über die Parteigrenzen hinweg eine gute Reform auf den Weg bringen. Das zeigt einmal mehr, dass unsere Demokratie intakt ist - und das ist in diesen schwierigen Zeiten viel wert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Es gibt ein schönes Wort von Victor Hugo. Er hat gesagt: Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Ein großes Wort. Aber wir können es vielleicht auch für diese große Jobcenterreform anwenden. Denn die Idee, die dahinter stand, war: Wir alle haben die Erfahrung gemacht, dass es wichtig ist, bei der Vermittlung von Arbeitslosen in Arbeit vor Ort Gestaltungsspielraum zu haben, die Hilfen schnell, effizient und passgenau anzubieten und aus einem Bündel von Maßnahmen das Richtige wählen zu können. Wir hatten aber auch die Grundfrage zu lösen: Wie kann man es, wenn vonseiten des Bundes Milliarden investiert werden, so steuern, dass das Geld effizient eingesetzt ist? Ich glaube, hier ist uns etwas Außergewöhnliches gelungen: einerseits ein hohes Maß an Freiheit und Gestaltungsspielraum in den Jobcentern, andererseits eine ganz moderne Steuerung nach Zielen mit Vergleichbarkeit der Daten, der Erfolge. Das zeigt, dass wir bei der Modernität ein großes Stück vorangekommen sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Erstens. Wir wollen einerseits Leistung aus einer Hand. Es war eine viel diskutierte Frage, ob das gelingt, unabhängig davon, ob vor Ort die Kommune oder die Bundesagentur für Arbeit zuständig ist oder beide zusammenarbeiten. Zweitens. Wir haben es mit einer modernen Zielsteue-rung und Transparenz bei den Erfolgsmessungen geschafft, dass die Mittel so wirkungsvoll wie möglich eingesetzt werden. Nicht die Masse der Mittel macht es, sondern die Qualität der eingesetzten Mittel ist entscheidend. Drittens. Wir haben einen guten Weg gefunden und sagen: Eine schnelle, passgenaue Vermittlung sorgt dafür, dass die Fähigkeiten von Arbeitslosen zum Tragen gebracht werden, dass die Arbeitslosen so gefördert werden, dass sie diese Fähigkeiten auch einsetzen können. Das ist vor allem im Sinne der Menschen, die unsere Hilfe brauchen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jörg van Essen [FDP]) Das Ziel "Alle Leistungen aus einer Hand" ist in diesen schwierigen Zeiten erfüllt: Uns war wichtig, eine Hand auszustrecken, damit die Mittel nicht für Unwirksames verschwendet werden und sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern nicht im Wirrwarr der Instrumente verheddern. Wir wollten vielmehr eine Hand, die im richtigen Moment den Gestaltungsspielraum hat, um die richtige Hilfe für die einzelne Person zu finden. Das ist hier heute gelungen. Mir ist nicht wichtig - das will ich vonseiten des Bundes sagen -, in welcher Konstellation vor Ort gearbeitet wird, ob in einem Jobcenter in einer Optionskommune oder in einer gemeinsamen Verwaltung von Bundesagentur für Arbeit und kommunaler Verwaltung. Das Entscheidende ist, dass die Leistung vor Ort nicht mehr vom Zufall abhängt - ob da engagierte Menschen arbeiten oder nicht -, sondern dass wir überall in Deutschland gleich hohe, qualitativ hochwertige Maßstäbe anlegen, sodass wir überall in Deutschland auf Knopfdruck vergleichen können: Wie sind die Erfolge? Wie setzt sich das Jobcenter ein? Wie setzt es seine Möglichkeiten ein? Das schafft Wettbewerb, vor allem aber die Möglichkeit, von den Besten zu lernen. So geht Fortschritt; nur so werden wir besser. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich weiß, dass es Diskussionen über das Ausmaß der Mittel gegeben hat, die eingesetzt werden. Aber gerade angesichts der Spardiskussionen ist es wichtig, festzuhalten: In diesem Land wird inzwischen jeder fünfte Euro für die Schuldentilgung ausgegeben. In diesem Land wird im Bundeshaushalt inzwischen jeder vierte Euro kreditfinanziert ausgegeben. Wir sind also in einer Zeit, in der wir konsolidieren müssen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wussten Sie das bei der Hotelsteuer auch?) Wir sind in einer Zeit, in der wir uns, wenn wir nicht wie Spanien, Portugal oder Griechenland an unseren eigenen Schulden ersticken wollen, der schmerzhaften Anstrengung unterziehen müssen, zu schauen: Welche Aufgaben sind sinnvoll? Man muss die Maßnahmen auf den Prüfstand stellen und die weniger wirksamen streichen. Das ist in den letzten Tagen geschehen. Ich weiß, dass es hier viel Diskussionsbedarf gibt; aber keinem einzigen Arbeitslosen in diesem Land ist geholfen, wenn dieses Land an seinen Schulden erstickt, wenn wir durch die Verschuldungsspirale, die immer weiter angetrieben wird, in einer Inflation landen - Länder wie Griechenland, Spanien und Portugal erleben das jetzt. Wenn der Sozialstaat in sich zusammenbricht, dann müssten das auf bittere Weise die Menschen ausbaden, die eigentlich die Hilfe des Sozialstaates bräuchten. Der Sozialetat nimmt 55 Prozent des Bundeshaushalts ein. In den nächsten vier Jahren schaffen wir es, zu konsolidieren, indem ein Anteil von 3 Prozent des Sozial-etats eingespart wird. Das ist meines Erachtens eine Leistung, die deutlich macht: Dieser Sozialstaat steht auf festen Füßen. Wir wollen, dass das auch in Zukunft so ist. Deshalb sind diese Schritte für die Zukunft richtig. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält die Kollegin Anette Kramme für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Anette Kramme (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin, ich bin dankbar dafür, dass Sie einen Konnex zwischen der Jobcenterreform auf der einen Seite und dem Sparpaket, das Sie verabschieden wollen, auf der anderen Seite hergestellt haben. Es gibt gewisse Zusammenhänge. Eine Jobcenterreform muss man gut machen. Ich behaupte: Wir sind diejenigen gewesen, deretwegen das Gesetz überhaupt zustande gekommen ist. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war Koch!) Wir haben bei Ihnen ein einzigartiges Hickhack beobachtet. Lassen Sie mich zunächst auf das Sparpaket eingehen. Sie haben etwas vor, das im Prinzip unvorstellbar ist. Sie streichen die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik zusammen. Sie wollen aus Pflichtleistungen Ermessensleistungen machen. Gleichzeitig sagen Ihre Kanzlerin und Ihre Bundesbildungsministerin deutlich: Die Bildungspolitik soll nicht zusammengestrichen werden. Ich frage mich an dieser Stelle: Was ist Arbeitsmarktpolitik? Arbeitsmarktpolitik ist Chancenpolitik. Arbeitsmarktpolitik ist Bildungspolitik für normale Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. (Beifall bei der SPD) Was Sie tun, ist verantwortungslos. Wir werden die Konstellation vorfinden, dass aktive Arbeitsmarktpolitik ab dem nächsten Jahr nicht mehr stattfindet. Wir werden die Situation haben, dass Optionskommunen mit leeren Händen dastehen. Die Jobcenterreform wird letztlich ausgehöhlt. Wir werden auch vor der Situation stehen, dass gerade in den von Ihnen unter besonderer Beobachtung stehenden Gruppen, nämlich den der Alleinerziehenden, der Älteren und der Jugendlichen, nichts mehr stattfindet, weil die Programme zusammengestrichen oder gekürzt werden. Wir haben dies alles in diesem Jahr schon einmal erlebt. Wir haben erlebt, dass Sie eine Haushaltssperre in Höhe von 900 Millionen Euro veranlasst haben. Hätte es nicht unsere Bemühungen gegeben, wäre die Arbeitsmarktpolitik bereits in diesem Jahr vernichtet worden. Lassen Sie mich etwas zu den Jobcentern sagen. Es gibt eine Erzählung von Margarete von Navarra - heutzutage kennt sie fast niemand mehr -, deren Titel wie folgt lautet: Schlauheit eines Verliebten, der bei einer Mailänder Dame unter der Maske ihres getreuen Dieners dessen sauer verdienten Liebeslohn einheimst. Ich mag mir nicht anmaßen, zu entscheiden, ob dieser Titel schon zu den Verhandlungen über die Jobcenter passt. Auf jeden Fall passt ein geflügeltes Wort aus dieser Erzählung: Was lange währt, wird endlich gut. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir in der Arbeitsmarktpolitik nicht vor der Situation stehen, dass die Arbeitsgemeinschaften auseinandergerissen werden. Wir hätten dort Umstrukturierungsprozesse gehabt, die dazu geführt hätten, dass Arbeitsvermittlung, also das, was für den Einzelnen so entscheidend ist, für mindestens ein Jahr nicht stattfindet. Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir es erreichen konnten, dass die Betreuung aus einer Hand weiterhin stattfindet. Für Langzeitarbeitslose ist es gut, dass sie nicht von Pontius zu Pilatus geschickt werden, nicht von einer Behörde zur anderen gehen zu müssen, einen Bescheid zu haben, gegebenenfalls einen Widerspruch einzulegen, nur einmal klagen zu müssen und vor allen Dingen - das ist das Entscheidende - bei der Arbeitsvermittlung aus einer Hand betreut zu werden. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir es als SPD erreicht haben, dass im Rahmen dieser neuen Jobcenter einiges besser wird. Wir haben eine verbesserte Betreuung, weil wir es entgegen dem erbitterten Widerstand der FDP erreicht haben, dass 3 200 Stellen entfristet werden konnten. Das ist gut. Wir brauchen personelle Kontinuität. (Beifall bei der SPD) Ohne personelle Kontinuität kann es keine guten Leistungen bei der Arbeitsvermittlung geben. Wir sind auch glücklich darüber, dass wir es erreichen konnten - ebenfalls gegen den erbitterten Widerstand der Koalition -, dass ein Betreuungsschlüssel festgeschrieben wird. Das ist noch nicht der Betreuungsschlüssel, den wir uns in letzter Konsequenz und für alle Ewigkeit vorstellen. Es gibt mittlerweile eine Reihe von Untersuchungen, die belegen, dass der Betreuungsschlüssel ein ganz wichtiger Punkt ist. Das ist leicht nachzuvollziehen: Bei einem günstigeren Betreuungsschlüssel kann man sich um den Einzelnen besser kümmern. Dann kann man ihn in seiner Persönlichkeit erfassen, seine Ängste aufgreifen, ihn besser motivieren, ihm Tipps geben usw. Nach unserer Vorstellung kann das deshalb nur der Anfang sein. Wir wollen letztendlich zu einem Betreuungsschlüssel in der Größenordnung 1 : 75 kommen. Dann stünde für jeden Arbeitsuchenden alle zwei Wochen etwa eine Stunde für die Betreuung zur Verfügung. Ich denke, das ist ein guter Ansatz für die weitere Arbeitsmarktpolitik. Wir haben in der letzten Besprechung nochmals versucht, das Thema "Alleinerziehende" aufzugreifen. Wir haben gesagt: Es ist wichtig, dass gerade die Alleinerziehenden einen Arbeitsplatz finden, weil sonst auch Kinderarmut droht. Aber leider konnten wir auch hierbei kein Engagement seitens der Bundesministerin beobachten. Auch hier war tote Hose angesagt. Es gibt keinerlei Arbeit oder Entgegenkommen in diesem Bereich, was mich sehr wundert. Letztlich sind wir aber doch froh, dass wir diesen Kompromiss in dieser Art und Weise gestalten konnten. Wir wünschen uns, dass die Jobcenter nunmehr auf Dauer beharrlich und gut arbeiten können. Wir werden uns in der nächsten Zeit noch mit einigen anderen Themen der Arbeitsmarktpolitik befassen müssen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Dr. Heinrich Kolb ist der nächste Redner für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Volksmund sagt: Was lange währt, wird endlich gut. Ich weiß nicht, ob die Steigerung auch gilt: Was länger dauert, wird umso besser. Ich glaube aber, dass wir heute, am Ende eines langen Weges, sagen können, dass das, was wir heute hier gemeinsam beschließen wollen, ein guter Kompromiss ist. Frau Kramme, deswegen will ich heute einmal das Verbindende herausstellen, den Erfolg, den wir gemeinsam erreicht haben. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) An einem so besonderen Tag wie dem heutigen ist es wichtig, den Menschen nicht die Fortsetzung des Streites zu liefern, nach dem Motto: Was hätte man alles noch machen können? Wer hat was gefordert, aber nicht erreicht? Ich glaube, wir müssen auch einmal sehr deutlich sagen: Unsere Demokratie funktioniert. Unsere Demokratie ist kein Strom, der wie in Kanälen immer geradeaus fließt, sondern das ist ein Strom, der manchmal auch mäanderförmig verläuft, der sich in Kurven durch die Zeit bewegt. Unsere Demokratie ist ein Strom, der manchmal scheinbar steht, sich in Stromschnellen aber doch recht flott bewegen kann. (Thomas Oppermann [SPD]: Manchmal kommt das Wasser nicht an!) Wir müssen den Menschen heute sagen: Trotz aller Differenzen, trotz des tagespolitischen Streits, trotz des Zähneknirschens bei allen Beteiligten - je nach Thema - ist es am Ende gelungen, die in organisatorischer Hinsicht aktuell größte sozialpolitische Herausforderung zum Wohle der Menschen, vor allen Dingen zum Wohl der Langzeitarbeitslosen in unserem Land, die künftig auf bessere Leistungen aus einer Hand hoffen dürfen, zu meistern. Deswegen gilt mein persönlicher Dank denen, die dazu beigetragen haben. Allen voran möchte ich Herrn Staatssekretär Hoofe aus dem BMAS nennen, der die Verhandlungen in kritischen Situationen, wenn es mal hakte, mit geschickter Hand, mit guten Ideen und viel Kreativität vorangebracht hat. Auch Frau Neifer-Porsch und der Geschäftsstelle im Ministerium, die eine gute Arbeit geleistet haben und die für die Verständigung notwendigen Papiere immer zeitnah zur Hand hatten, danke ich. Ich bedanke mich bei den Verhandlungsteilnehmern auf allen Seiten. Ich will mit der SPD beginnen. Herr Heil, bei Ihnen ganz persönlich, aber auch bei den Landesministern, die Sie begleitet haben, Frau Dreyer und Herr Baaske, bedanke ich mich. Es war sehr angenehm, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Ich will das Lob nicht überdehnen, sonst schlägt es möglicherweise ins Gegenteil um. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie waren aber auch ganz gut!) Ich bedanke mich auch bei den Vertretern der B-Seite, Herrn Beermann, Frau Haderthauer, und den Kollegen aus dem Bundestag in der Koalition, dem Kollegen Schiewerling und dem Kollegen Straubinger, mit denen wir täglich viel zu tun haben. (Anette Kramme [SPD]: Vor allen Dingen Ihr Entgegenkommen, Herr Kolb, war wunderbar!) - Bitte? Das habe ich jetzt nicht ganz verstanden, Frau Kollegin Kramme. (Anette Kramme [SPD]: Ihre Kompromissbereitschaft hat uns jederzeit überzeugt!) Ich muss sagen: Das war eine gute Zusammenarbeit, die erfolgreich war. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Jetzt bin ich nicht jemand, der wie Sie, Frau Kramme, sagt: Na ja, zwei Jahre lang ging es nicht voran, dann kam die FDP, und binnen sieben Monaten war das Problem gelöst. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP) Das wäre sicherlich nicht die ganze Wahrheit. Man muss sagen: Alle haben sich am Ende bewegt. Ich will festhalten, dass nach einer grundsätzlichen Entscheidung in Wiesbaden - an dieser Stelle geht mein Dank an den hessischen Ministerpräsidenten und auch den stellvertretenden hessischen Ministerpräsidenten, Jörg-Uwe Hahn -, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Weil sie Frau von der Leyen überstimmt haben!) einer klaren Ansage, sozusagen dem Aufstellen eines Stoppschildes sehr schnell Bewegung in die richtige Richtung kam, die sich zu einer gemeinsamen Bewegung entwickelt hat. Man hat gesehen, wie zügig und konstruktiv die Verhandlungen dann gelaufen sind. Ich glaube, die Lösung, die wir heute haben - Herr Oppermann, Sie nicken schon; Sie wissen doch noch gar nicht, was ich sagen will -, (Thomas Oppermann [SPD]: Aber Sie sind auf der richtigen Spur!) nämlich die Leistungserbringung aus einer Hand sicherzustellen, kann sich sehen lassen. Künftig wird es in ganz Deutschland heißen: ein Bürger, ein Bescheid, übrigens auch ein Name für die Einrichtung. (Thomas Oppermann [SPD]: War immer unsere Rede!) Es wird nicht mehr Argen und Optionskommunen geben, sondern es gibt überall in Deutschland Jobcenter, an die sich die Menschen wenden, wenn sie Unterstützung in ihrer schwierigen persönlichen Lebenslage, der Langzeitarbeitslosigkeit, benötigen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Verfassungsänderung wird mein Kollege Christian Ahrendt gleich noch im Detail beleuchten. Aber ich will so viel sagen: Ich glaube, es ist zum einen eine sichere Grundlage für die Änderungen, die wir einfachgesetzlich vornehmen wollen, und es ist zum anderen etwas, das sich vor den Augen von Verfassungsästheten sehen lassen kann. Es ist - anders als die Lyrik, die sich in der jüngeren Vergangenheit an der einen oder anderen Stelle ins Grundgesetz eingeschlichen hat - eine kurze, knappe und klare Formulierung. Ich bin damit zufrieden. Zu den Jobcentern. Wir machen die gute Zusammenarbeit der letzten Jahre verfassungssicher. Aber wir ziehen auch dort Konsequenzen, wo wir Reibungsverluste in der Praxis festgestellt haben. Ich finde das kooperative Steuerungsmodell, auf das wir uns verständigt haben, besonders wichtig. Es wird künftig sowohl bei den Optionskommunen als auch bei dem Zusammenwirken von Bundesagentur und Kommunen sozusagen ein übergeordnetes Dach und übrigens auch die Vergleichbarkeit zwischen den beiden Wegen der Leistungserbringung, dem Regelfall und dem Ausnahmefall der Option, sicherstellen. Wir haben vernünftige Lösungsmechanismen bei Konfliktfällen. In der letzten Phase der Gesetzgebung haben wir bei einem kritischen Punkt, der Feststellung der Erwerbsfähigkeit, eine, wie ich finde, sehr weise Entscheidung getroffen, indem wir den Sozialmedizinischen Dienst der Rentenversicherung in das Verfahren eingebunden haben. Insgesamt bin ich also mit dem, was wir hier auf den Weg bringen, sehr zufrieden. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Hinsichtlich der Optionskommunen - das will ich hier noch sagen - ist für uns Liberale besonders erfreulich, dass die Entfristung gelungen ist. Es war für uns ein zentraler Punkt, dass - jetzt nicht nervös werden, Hubertus Heil - für 41 bis 43 neue Kommunen, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: 41!) je nach dem, wie die Gebietsreform in Sachsen läuft - deswegen nenne ich die 43; ansonsten wird an der Zahl 110 nicht gerüttelt -, die Möglichkeit, zu optieren, besteht. (Anette Kramme [SPD]: 41!) Das Regel-Ausnahme-Verhältnis bleibt gewahrt. Die Länder haben großen Einfluss auf die Verteilung der Optionskommunen, aber - das sage ich auch - sie stehen jetzt auch in der Verantwortung. Ich sage das vor dem Hintergrund, dass man zuletzt einen gewissen Run auf die Option feststellen konnte. Für mich ist wichtig: Wir haben in einer diese Gesetzgebung begleitenden Verordnung klare Kriterien festgelegt, die sicherstellen, dass die Optionen nach Befähigung und nicht nach politischer Couleur vergeben werden. Das heißt für mich: Der Wettbewerb zwischen den Modellen der Leistungserbringung ist mit dem heutigen Tag nicht zu Ende, sondern er besteht fort. Ich glaube, dass wir, gerade weil die besten Kommunen optieren und als Leuchttürme in unserer arbeitsmarktpolitischen Landschaft stehen werden, auch auf Dauer einen wohltuenden, einen effizienzsteigernden Wettbewerb zwischen den Systemen werden beobachten können. Ganz wichtig ist: Es gibt endlich auch Sicherheit für die Mitarbeiter in den Argen und in den Optionskommunen. Es ist wichtig, dass auch an dieser Front Ruhe einkehrt, dass keine unnötigen Personalbewegungen mehr stattfinden. Insgesamt sind wir also auf einem guten Wege. Was die getrennte Trägerschaft anbelangt, muss man sagen: Die getrennte Aufgabenwahrnehmung wird in Zukunft nicht mehr möglich sein. Aber wir haben immerhin - das finde ich auch gut - eine längere Übergangsfrist für diejenigen Kommunen verabredet, die möglicherweise eine Option anstreben, nämlich bis zum Ende des Jahres 2011. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja! Es war Frau Mast, die das gefordert hat!) Das ist gut. Das eröffnet auch diesen Kommunen noch die Möglichkeit, sich neu zu orientieren. Insgesamt lässt sich feststellen - ich will das Verbindende hervorheben -: Alle von uns hätten weitere Wünsche gehabt, was man in diese Gesetzgebung noch hätte einfließen lassen können. Am Ende bleibt: Wir haben gemeinsam eine Lösung gefunden und vorgelegt, auf die wir auch gemeinsam stolz sein dürfen; das sollten wir an diesem Tag herausstellen. Auch wenn es manchmal hakt, am Ende geht es doch. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Sabine Zimmermann, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kolb, wenn Sie sagen: "Was länger dauert, wird umso besser", dann sagen wir: Was nicht passt, wird von Ihnen passend gemacht. Denn das war der Grundsatz, nach dem Sie in den letzten Jahren gehandelt haben. Vor rund zweieinhalb Jahren hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Arbeitsgemeinschaften aus Bundesagentur und Kommunen nicht mit der Verfassung vereinbar sind - ausreichend Zeit, um sich Gedanken zu machen, welche Konsequenzen und Schlüsse man aus dem Urteil ziehen sollte, um die Arbeitsverwaltung verfassungskonform zu gestalten, aber auch bestehende Mängel in der Betreuung und Vermittlung von Langzeiterwerbslosen zu beseitigen. Was ist stattdessen passiert? Weder die Vorgängerregierung noch die aktuelle Regierung hatten Interesse daran, sich ernsthaft mit inhaltlichen Fragen der Arbeitsmarktpolitik zu befassen bzw. die Personen in den Mittelpunkt zu stellen, um die es eigentlich gehen sollte, nämlich die vielen erwerbslosen Menschen, die es in unserem Land leider gibt. Anstatt die Arbeitsverwaltung so zu organisieren, dass sie dem Grundgesetz entspricht, hat man sich dafür entschieden, das Grundgesetz an die Realität anzupassen. Ich frage Sie: Wo leben wir denn, dass wir das Grundgesetz an all dies anpassen? Wenn man in einem Spiel nicht gut genug ist oder es nicht richtig versteht und nur selten oder nie gewinnt, ändert man einfach die Spielregeln, und das Problem ist gelöst. So handeln Sie, meine Damen und Herren. Doch hier handelt es sich leider nicht um ein Spiel. Es geht um das Schicksal und die bittere Realität von Millionen erwerbslosen Menschen. Durch die vorliegenden Gesetzentwürfe werden die Strukturfehler des Systems Hartz IV überhaupt nicht beseitigt. (Beifall bei der LINKEN) Nach wie vor gibt es die Einteilung der arbeitslosen Menschen in zwei Klassen, nämlich in die, die das Glück haben, Anspruch auf Betreuung nach dem SGB III zu haben, und die, die diesen Anspruch schon verbraucht haben und in Hartz IV abrutschen. Diese Ungleichbehandlung, meine Damen und Herren, ist unerträglich. Das nehmen wir als Linke nicht hin. (Beifall bei der LINKEN) Auch Frau Ministerin von der Leyen hat dieses Thema vorhin angesprochen. Ihr Slogan war: Hilfe aus einer Hand. Derzeit und auch in Zukunft werden es aber viele Hände sein, die ganz unterschiedlich geführt und mit unterschiedlich viel Geld gefüllt werden. Es bestehen Strukturen, bei denen es schwerfällt, den Überblick zu behalten, sowohl für die Erwerbslosen als auch für die Beschäftigten der Argen und Kommunen, die im Übrigen nicht zu beneiden sind. Sie befinden sich nämlich schon seit vielen Jahren in einem dauerhaften Reform- und Experimentierprozess mit ungewissem Ausgang. Das haben Sie in den letzten Jahren veranlasst, meine Damen und Herren. Diese unübersichtlichen Strukturen sollen nun durch ein "Weiter so!" aufrechterhalten oder sogar noch ausgebaut werden. Die Kommunen haben im Moment die Euro-Zeichen in den Augen. Angesichts des bevorstehenden Streichkonzerts von Frau Ministerin von der Leyen in der Arbeitsmarktspolitik werden es jedoch bald Tränen sein. Durch die Erhöhung der Zahl der kommunalen Träger wird es für die betroffenen Menschen noch schwerer, das System zu durchblicken, und es wird zunehmend ein Glücksspiel werden, wie gut man betreut und beraten wird, welche Leistung oder Förderung man erhält oder auch nicht. Die Linke zweifelt daran, ob Sie diesen arbeitsmarktpolitischen Flickenteppich überhaupt noch im Griff haben werden. Jeder erwerbslose Mensch in diesem Land, egal, wo er wohnt, ob im Norden oder im Süden, muss durch die Arbeitsmarktpolitik dieselben Möglichkeiten erhalten. Mit den vorliegenden Gesetzentwürfen wird der begonnene falsche Weg fortgeführt und ausgebaut. Ich will auf die örtlichen Beiräte eingehen. Die Funktion der örtlichen Beiräte bleibt auf unverbindliche und symbolische Beratung beschränkt. Die Beiräte sind deshalb nicht in der Lage, gegen Missbrauch oder Verdrängungseffekte zum Beispiel im Rahmen der 1-Euro-Jobs vorzugehen, und sie haben kein Vetorecht. Zudem ist auch keine Vertretung von Betroffenen vorgesehen. Zusammenfassend muss man feststellen, dass durch die vorliegenden Gesetzentwürfe die Einteilung von arbeitslosen Menschen in zwei Klassen Armut und Stigmatisierung im Bereich von Hartz IV ausgebaut werden und dass nicht nach einer Lösung gesucht wurde, wie eine sinnvolle und sachlich richtige Betreuung und Vermittlung aussehen könnte. Sinn und Zweck von Hartz IV bleiben weiterhin die Drangsalierung von erwerbslosen Menschen und die Disziplinierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Betrieb. Deshalb lehnt die Linke die Entwürfe in Gänze ab. Wir fordern, dass endlich über die inhaltlichen Probleme der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland gesprochen wird und Sie eine bessere Arbeitsmarktpolitik für die erwerbslosen Menschen in diesem Land machen. (Beifall bei der LINKEN) Durch das jüngste Kahlschlagprogramm wird mir aber gezeigt, dass das wahrscheinlich ein frommer Wunsch bleiben wird. Danke. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Karl Schiewerling für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe vor etwas mehr als fünfeinhalb Jahren war die größte steuerfinanzierte Sozialleistung, und das war richtig. Ich sage Ihnen: Sie war unter dem Strich unverzichtbar, und sie bleibt unverzichtbar. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Bezogen auf dieses System wurde in den letzten fünf Jahren viel dazugelernt. Weil es völlig neu war, dass Kommunen und die Agentur für Arbeit plötzlich in einer gemeinsamen Trägerschaft zusammenarbeiten sollten, musste viel hinzugelernt werden. Man hat sich sozusagen wie zwei Igel angenähert: ganz vorsichtig. - Vor allen Dingen hat man die gegenseitigen Defizite kennengelernt. Über die Chancen, die sich daraus ergeben und die sich im Laufe der letzten Jahre immer mehr herausgestellt haben, hat man erst viel später gesprochen. Dass wir heute überhaupt eine solche Debatte führen und die Verfassung mit der notwendigen Mehrheit ändern wollen, verdanken wir dem Bundesverfassungsgericht, das am 20. Dezember 2007 in einem Urteil entschieden hat, dass genau diese Zusammenarbeit - so, wie wir sie organisiert haben - offensichtlich nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Nachdem viele unterschiedliche Lösungswege vorgeschlagen wurden, liegen dem Deutschen Bundestag heute ein Gesetzentwurf von CDU/CSU, FDP und SPD, mit dem die notwendige Verfassungsmäßigkeit hergestellt wird, und der Entwurf eines Begleitgesetzes vor, in dem die zukünftigen Regelungen der Zusammenarbeit beschrieben werden. Diese Jobcenter-Reform - das sage ich sofort -, die wir heute durchführen, ist ein erster Meilenstein auf dem Weg zu einer noch effektiveren Arbeitsmarktpolitik und die erste Etappe für eine inhaltliche Runderneuerung der Grundsicherung. Mit dieser Jobcenter-Reform verfolgen wir nur ein Ziel: die Schaffung der Rahmenbedingungen dafür, dass Langzeitarbeitslose wieder in Beschäftigung kommen, und zwar möglichst in den ersten Arbeitsmarkt. Das, was wir heute machen, ist das Ergebnis einer großen Kraftanstrengung; das ist richtig. Deswegen will auch ich in meiner Eigenschaft als Verhandlungsführer der CDU/CSU-Fraktion den Partnern und den Mitwirkenden, unserer Bundesministerin Frau Dr. Ursula von der Leyen, ihrem Staatssekretär, Herrn Hoofe, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken. Ich danke sehr herzlich den Kolleginnen und Kollegen der FDP, Herrn Kolb, der SPD, Herrn Kollegen Heil, den Mitstreitern aus den Bundesländern und nicht zuletzt meinem Kollegen Max Straubinger. Die große Verantwortung für die Menschen in der Grundsicherung hat uns gemeinsam das wichtige Etappenziel erreichen lassen. Verwaltungen sind kein Selbstzweck; sie haben den Menschen zu dienen. Die Jobcenter-Reform richtet sich darum an den Bedürfnissen der Menschen aus: Hilfe aus einer Hand, aber die Behörde bleibt angebunden an ihre entsendenden Träger und an diejenigen, die sie tragen. Sie bleibt angebunden an die Kommune und an die BA. In den letzten Jahren musste viel zu viel Energie aufgewandt werden, um behördeninterne Probleme lösen zu können. Deswegen ist es, glaube ich, wichtig, dass wir von jetzt an sehr konsequent die Menschen in den Mittelpunkt stellen. Die Grundvoraussetzungen dafür werden wir heute schaffen. Erstens. Das Prinzip "Hilfe aus einer Hand" bleibt der bewährte und zielführende Weg. Sie wird durch die Grundgesetzänderung ermöglicht. Zweitens. Die optimale Hilfe durch Fördern und Fordern wird konsequent fortgeführt und rechtssicher ausgestaltet. Wir setzen dabei klar auf die lokalen Kompetenzen vor Ort. Die bisherigen Optionskommunen werden entfristet, und 41 weitere Optionskommunen kommen hinzu. Ich halte das für einen wichtigen Schritt. Lassen Sie mich sehr deutlich sagen: Das hat viel mit unserem Föderalismus und dem Prinzip der Subsidiarität zu tun; es hat nichts mit einem Flickenteppich zu tun. Augenscheinlich ist die Option so interessant, dass selbst Kommunen, in denen die Linken mitregieren, optieren wollen. Ich empfehle Ihnen dringend, sich einmal die Frage zu stellen, warum dies der Fall ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Drittens. Bund, Länder und Kommunen agieren in Zukunft als verantwortliche Partner auf Augenhöhe. Das ist ein wichtiger Punkt; denn es hat in den vergangenen sechs Jahren immer wieder zu Problemen geführt, inwieweit man gleichberechtigt und auf Augenhöhe zusammenarbeitet. Das schaffen wir. Der Bund behält seine Richtlinienkompetenz. Ich denke, dass einer der zentralen Punkte dieser Reform den Teil betrifft, der am ehesten unten wegbricht. Wir werden eine völlig neue Steuerung schaffen. Wir werden nicht mehr durch Detailvorgaben bis ins Letzte steuern, sondern durch ein vernünftiges Benchmarking mit vergleichbaren Zahlen. Damit beenden wir die Diskussion im Konkurrenzwettbewerb zwischen Optionskommunen und Jobcentern und ermöglichen damit Vergleichbarkeit. Letztendlich dient sie allen als gemeinsamer Ansporn, die Dinge gut zu machen. Ich denke, die Reform führt zu guten Ergebnissen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir den Menschen damit konkret helfen können. Dazu zählt auch, dass wir den Betreuungsschlüssel verbessern. Ich halte die Entscheidung, die wir getroffen haben, für wichtig; denn eine weitere Erfahrung der letzten fünf Jahre ist, dass es immer mehr darauf ankommt, den betroffenen Menschen individuell zu helfen. Dabei helfen keine Pauschalprogramme; notwendig ist die unmittelbare, direkte Zuwendung zu den Menschen. Deswegen ist auch diese Entscheidung von zentraler Bedeutung. Aber wie ich vorhin gesagt habe: Es ist die erste Etappe. Die nächsten beiden Etappen werden so aussehen, dass wir uns im Herbst dieses Jahres mit den Regelsätzen und den Hinzuverdienstgrenzen zu beschäftigen haben. Aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 9. Februar dieses Jahres stehen dabei die Interessen und die Lebenssituation der Kinder und der Bildungsauftrag für die Kinder, die im Leistungsbezug der Grundsicherung sind, im Mittelpunkt. Damit, liebe Frau Kramme, geht es eben nicht um weniger Geld für Bildung, sondern um mehr. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Schiewerling, das glauben Sie doch selbst nicht!) Es wird genau zu prüfen sein, wie wir die Mittel, die längst vorgesehen sind, an der richtigen Stelle einsetzen, nämlich so, dass sie den Kindern im Leistungsbezug tatsächlich zugute kommen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wenn es um die Frage der Hinzuverdienstgrenzen geht, werden wir auch darüber zu reden haben, wie wir das Lohnabstandsgebot einhalten und sicherstellen, dass diejenigen, die arbeiten, mehr haben, als diejenigen, die nicht im Erwerb sind, damit die Leistungsbereitschaft in Deutschland erhalten bleibt und die Erzieherinnen und Kindertagesstättenleiterinnen ebenso wie die Krankenschwester und alle anderen merken, dass sich Arbeit auch bei einem geringeren Einkommen lohnt. Meine Damen und Herren, der dritte Baustein, den wir im Frühjahr nächsten Jahres angehen werden, ist die Umstrukturierung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und damit der Hilfsmittel, die notwendig sind, um Menschen in Beschäftigung zu bringen. An diesem zentralen Punkt wird deutlich, wofür das SGB II eigentlich geschaffen wurde. Es wurde geschaffen, um den Menschen, die der besonderen Hilfe bedürfen, alle Hilfen an die Hand geben zu können, damit sie wieder in den ersten Arbeitsmarkt kommen. Aber wohlgemerkt: Die Grundsicherung nach dem SGB II schafft keine Arbeitsplätze, sondern will helfen; sie fängt die Menschen in einer Grundsicherung auf. Dann müssen wir ihnen mit aller Kraft helfen, wieder in Beschäftigung zu kommen. Deswegen steht die Organisation dieser Hilfsmittel, dieser, wie wir sagen, arbeitsmarktpolitischen Instrumente im Mittelpunkt der nächsten Schritte, die wir gehen werden. Meine Damen und Herren, ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit der heutigen Entscheidung erreichen werden, für Hartz IV, wenn ich das etwas vulgär so sagen darf, oder die Grundsicherung für Arbeitsuchende, um es neutral auszudrücken, eine neue Perspektive zu eröffnen. Ich bitte Sie deswegen sehr herzlich, dem Gesetzentwurf heute zuzustimmen, weil das Gesetz letztendlich den Menschen dienen wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Brigitte Pothmer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es richtig schön und freue mich, dass die Einigung über die Jobcenter heute parteiübergreifend gepriesen wird. Es ist in der Sache auch eine gute Einigung, das will ich gar nicht verhehlen. Die Einigung ist in der Sache vor allen Dingen für die Arbeitslosen gut, und deswegen ist sie auch ein Erfolg. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn aber alle sich heute zu Müttern und Vätern des Erfolgs aufschwingen und so tun, als hätten sie so viel dazu beigetragen, dann stellt sich doch die ganz schlichte, logische Frage: Warum sind wir nicht schon vor zwei Jahren durchs Ziel gegangen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Weil wir da noch nicht an der Regierung waren!) Selten ist eine Niederlage so euphorisch gefeiert worden, wie es jetzt die Regierungskoalition tut; denn in ihrem Koalitionsvertrag steht ja noch, dass ihr Ziel darin besteht, die Jobcenter zu zerschlagen. (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Ach, Frau Pothmer, das ist doch langweilig!) Wirklich zu diesem Erfolg beigetragen haben die Ausdauer der Kommunen, der Länder und der Träger und die Argumentation der Fachleute. Es gab nur wenige Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die diesen Erfolg wollten. Wir unterstützen die Reform der Jobcenter, die von Anfang an - Sie werden sich erinnern - das Ziel der Grünen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts war. Deswegen werden wir dieser Grundgesetzänderung auch zustimmen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das hätten Sie doch kürzer ausdrücken können! Sie haben viel Redezeit damit vertan!) - Herr Kolb, cool down, Baby! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ihrem Entwurf eines Begleitgesetzes werden wir aber nicht zustimmen. Dieser ist von einem einzigen Wunsch geprägt. Er ist von dem Wunsch geprägt, die politischen Geländegewinne der jeweils anderen Seite so gering wie möglich zu halten. Dieses Verhalten hat dazu geführt, dass sehr viele Chancen für die Betroffenen vertan worden sind. Warum - das frage ich Sie, Frau Kramme - konnte Ihre Seite sich nicht dazu entscheiden, den Kommunen Wahlfreiheit zu geben und sie selbst entscheiden zu lassen, in welcher Organisationsstruktur sie die Langzeitarbeitslosen betreuen wollen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP) Stattdessen steht jetzt eine willkürlich gegriffene Zahl im Entwurf Ihres Begleitgesetzes. Ich wünschte mir, Sie würden einmal in der Sache begründen, warum Sie auf 110 Optionskommunen kommen. Das ist nichts anderes als parteipolitische Gesichtswahrung. Dann machen Sie auch noch ein Zweidrittelquorum zur Voraussetzung, um sich überhaupt als Optionskommune bewerben zu können. Das alles sind nichts als Verhinderungsinstrumente, und diese Verhinderungsinstrumente untergraben die kommunale Entscheidungshoheit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber nicht nur bei den Optionskommunen zeigen Sie sich halbherzig, auch bei den Jobcentern werden dringend notwendige Korrekturen außen vor gelassen. Wir wissen seit Jahren, dass die kommunalen Kompetenzen dringend gestärkt werden müssen, wenn Agentur und Kommunen tatsächlich auf Augenhöhe arbeiten sollen. Was machen Sie stattdessen? Stattdessen reduzieren Sie die kommunale Seite auf die Bereiche der Kosten der Unterkunft und auf die flankierenden Sozialleistungen. Das geht an den Erfordernissen - Stichwort: Hilfe aus einer Hand - vorbei. Jetzt will ich etwas zu dem Betreuungsschlüssel sagen. Ja, ich finde es gut, dass der Betreuungsschlüssel zum ersten Mal in einem Gesetzentwurf festgeschrieben worden ist. Aber solange die Formulierung so offen bleibt, wie sie jetzt im Gesetzentwurf steht, ist es ganz einfach, auch anderes Personal mit einzurechnen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich kann doch nicht sagen: "Ich stimme zu" und dann nur negative Punkte bringen!) Arbeitgeberservice, Empfangspersonal, Aktenboten - sie alle können in die Berechnung des Betreuungsschlüssels einfließen. Solange dies so ist, wird sich qualitativ an der Betreuung von Arbeitslosen nicht wirklich etwas ändern. Wenn Sie bei den Ausschussanhörungen zugehört haben, dann wissen Sie, dass genau in dieser Frage eine Präzisierung gefordert worden ist. Diese sind Sie schuldig geblieben. Ich halte das nicht für einen Zufall. Zusammengefasst: Ihre Reform ist mutlos und lückenhaft. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber ihr stimmt trotzdem zu!) Deswegen, Herr Kolb, bei aller Liebe: (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!) Wir werden ihr nicht zustimmen. Wir werden uns in dieser Frage enthalten. Lassen Sie mich nun bitte etwas zu dem Sparpaket sagen, weil dieses Sparpaket die Grundsicherung zusätzlich torpediert. Frau von der Leyen, Sie wollen die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik drastisch reduzieren, und zwar auf das Niveau von 2006. Das heißt, dass zukünftig nur noch 4,5 Milliarden Euro jährlich für Qualifizierung und Integrationsarbeit zur Verfügung stehen werden. Das ist eine satte Reduzierung, ein Minus von 30 Prozent. Es gibt wirklich keine andere Gruppe, die derartig geschröpft worden ist wie die Arbeitsuchenden. Das ist nicht nur ungerecht, Frau von der Leyen, das ist auch eine volkswirtschaftliche Milchjungenrechnung; (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) denn Sie werden das Mehrfache der Mittel, die Sie jetzt nicht in die Arbeitslosen investieren, für die Alimentierung der Arbeitslosen zahlen. Nichts ist teurer als Arbeitslosigkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben immer betont, dass bei Bildung nicht gestrichen wird. Warum gilt das nicht für die Arbeitslosen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Frage!) Was ist denn Investition in Bildung anderes als Qualifizierung, Umschulung und Förderung von Arbeitslosen? Sie selber haben immer vor dem Horrorszenario gewarnt, dass wir auf der einen Seite einen exorbitanten Fachkräftemangel haben, auf der anderen Seite gleichzeitig eine hohe Arbeitslosigkeit. Ich frage Sie: Warum unterlassen Sie es dann, die Arbeitslosen jetzt zu Fachkräften auszubilden? Sie haben immer die Ausgewogenheit des Sparpakets betont. Sie haben das Sparpaket damit verteidigt, dass Ihr Haushalt zwar die Hälfte des Bundesetats ausmacht, aber Sie nur zu einem Drittel an dem Sparpaket beteiligt sind. Die Frage der Gerechtigkeit, Frau von der Leyen, stellt sich aber nicht bei den betroffenen Haushalten, die Frage der Gerechtigkeit stellt sich bei den betroffenen Menschen. Auf diesem Sparpaket klebt der kalte Stempel der FDP. (Zurufe von der FDP: Oh!) Sie hätten sich vor Ihre Schutzbefohlenen stellen müssen, Frau von der Leyen. Sie haben sie aber im Stich gelassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich frage Sie: Auf welches Alarmsignal warten Sie noch, wenn sich jetzt schon Millionäre bei der Regierung darüber beschweren, dass sie nicht genug Steuern bezahlen? Es war kein Linksradikaler, sondern Augustinus, der vor mehr als 1 000 Jahren gesagt hat, dass Staaten nichts als große Räuberbanden seien, wenn sie die Gerechtigkeit preisgäben. Ich kann nur sagen: Unter diesen Umständen wird für uns Grüne die Grundsicherung ein politischer Dauerbrenner bleiben müssen. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Das war vor 1 600 Jahren, Frau Kollegin! Augustinus lebte vor 1 600 Jahren!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Angelika Krüger-Leißner ist die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Angelika Krüger-Leißner (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heutigen Beschluss zur Neuorganisation der Grundsicherung ist endlich der Knoten geplatzt, der sich seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts um den Fortbestand der Argen und der Optionskommunen gelegt hatte. Ich bin froh, dass wir dieses Ergebnis nach langem Ringen heute vorlegen können. Froh sind im Übrigen auch die vielen Betroffenen vor Ort, so die Mitarbeiter in der Arge Havelland und in der Optionskommune Oberhavel bei mir zu Hause. Mit diesen bin ich mir einig, dass dies ein guter Tag für die Beschäftigten ist. Vor allen Dingen ist dies ein guter Tag für alle erwerbsfähigen Hilfeempfänger in der Grundsicherung. Das Damoklesschwert der getrennten Aufgabenwahrnehmung schwebt nicht mehr über uns. Nach langem Zickzackkurs, den auch Sie mitgemacht haben, Frau von der Leyen, gibt es nun das zukunftsfähige Modell der neuen Jobcenter. Schon der Name sagt, dass es hierbei in erster Linie um gute Beratung und Vermittlung geht, wobei alles unter einem Dach organisiert ist, also alles aus einer Hand. Das Hin und Her für die Betroffenen hört auf. Es gibt einen Ansprechpartner, der den Arbeitsuchenden zur Seite steht. Das war immer das Ziel. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist klar, wenn sich die Blockadehaltung von Teilen der Koalitionsfraktionen durchgesetzt hätte, dann läge heute ein Scherbenhaufen vor uns. Die schleichende Lähmung durch Verunsicherung und Orientierungslosigkeit hätte zu einem Chaos im Bereich der Grundsicherung geführt. Stattdessen hat sich noch rechtzeitig - ich schaue nach rechts - in den Koalitionsfraktionen die Vernunft durchgesetzt. Ich will ganz deutlich sagen: Ohne die Entsperrung der 900 Millionen Euro Eingliederungsmittel im Haushalt und ohne die Entfristung der 3 200 Stellen wäre es mit uns nicht gegangen. Heute liegt uns ein Konsensbeschluss zur neuen Organisation der Jobcenter und Optionskommunen vor, den auch die Länder mittragen werden. Leider war das 2004 nicht der Fall. Das hätte uns so manches erspart. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dass dieser Konsens möglich wurde, haben wir der gemeinsamen Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu verdanken und auch dem Verhandlungsgeschick einzelner Akteure. Einige wurden schon gelobt. Herr Kolb, es ist doch ganz klar, dass ich an dieser Stelle unserem Verhandlungsführer, Hubertus Heil, ganz herzlich danke. Hubertus, ohne dich wäre es nicht so erfolgreich verlaufen. Danke! (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Zuruf von der FDP) Wir konnten zwar nicht hundertprozentig unsere Vorschläge, die wir schon vor über einem Jahr mit dem ZAK-Modell vorgelegt haben, umsetzen, aber vieles von dem ist nun Bestandteil des Gesetzespaketes. Was ist uns so wichtig an diesem Paket? Erstens haben wir Entscheidendes für die Verbesserung der Vermittlung erreicht. Mit dem verbindlichen Betreuungsschlüssel von 1 : 75 bzw. 1 : 150 wird es den Fallmanagern - ich verwende dieses Wort ganz bewusst, Frau Pothmer - besser gelingen, individueller und passgenauer zu beraten, zu begleiten und zu vermitteln. Ich mache kein Geheimnis daraus, dass wir dies auch bei anderen Zielgruppen für erforderlich halten. Ich nenne nur die 645 000 Bedarfsgemeinschaften bei den Alleinerziehenden, die Ihnen, Frau Ministerin, doch immer so erwähnenswert sind, die älteren Langzeitarbeitslosen und die Schwerbehinderten. Ohne Frage können wir mit dem neuen Betreuungsschlüssel ein Stück mehr Qualität in die Vermittlung bringen. Aber zwei Dinge gehören noch dazu - das dürfen wir nicht vergessen -, zum einen eine Qualifizierungsoffensive für die Mitarbeiter in den Jobcentern und in den Optionskommunen; denn nur wer gut ausgebildet und motiviert ist, kann sich den Anforderungen stellen. Zum anderen gehört zum Prinzip der Leistung aus einer Hand auch eine volle Hand. (Beifall bei der SPD) Da gehen Sie, Frau von der Leyen, mit Ihren Vorschlägen zum Sparpaket aber in die andere Richtung. Sie wollen nämlich genau bei denjenigen einsparen, die ohnehin schon nicht sehr viel haben und auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Mit einem Lächeln und Ihrem Rotstift gehen Sie an die Rentenversicherungsbeiträge und das Elterngeld heran und machen Pflicht- zu Ermessensleistungen, um in die aktive Arbeitsmarktpolitik ungehindert mit Kürzungen eingreifen zu können. Das ist ziemlich schäbig; denn das wird gerade die Menschen treffen, denen Sie schon vor Monaten eine Vermittlungsoffensive versprochen haben, nämlich jungen Menschen und Alleinerziehenden. (Beifall bei der SPD) Ich denke, das hat mit sozialer Gerechtigkeit nichts zu tun. Diese Sparpläne zulasten der Schwachen in unserem Land sind Kürzungspläne, und die müssen wir verhindern. Zu den positiven Inhalten unseres Gesetzespakets zähle ich weiter die Verständigung aller auf den Rentenversicherungsträger in der Frage der Zuständigkeit für die Feststellung der Erwerbsfähigkeit - das ist sachgerecht -, aber auch die Verständigung auf die gemeinsame Personalvertretung für die Mitarbeiter in den Jobcentern. Gut ist, dass es uns gelungen ist, die Übergangsfrist für die bisher getrennten Aufgabenträger zu verlängern. Das ist besonders für Baden-Württemberg wichtig. (Katja Mast [SPD]: Genau!) Meine Kollegin Katja Mast, die gerade "Genau!" rief, hat sich dafür stark gemacht, dass diese Träger keine Benachteiligung erfahren und nun frei entscheiden können. Katja, ich danke dir. (Beifall bei der SPD) Zum Letzten, zur Option, möchte ich noch einige Worte verlieren. Mit unserer Grundgesetzänderung verankern wir auch das Regel-Ausnahme-Verhältnis. Der Regelfall, nämlich mit 75 Prozent, bleibt die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung im Jobcenter. Die 69 Optionskommunen werden nach der Entfristung auf Dauer bestehen können. Zum Kompromiss gehört auch die Erhöhung der Zahl der Optionskommunen um 41. Damit sind es 110, die - das zur Erklärung für Frau Pothmer - 25 Prozent ausmachen. Das ist eben die Ausnahme. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das ist doch keine qualitative Begründung! Gibt es auch einen inhaltlichen Grund?) Darauf machen wir heute auch verfassungsrechtlich den Deckel. Mehr ist da nicht drin. Alles in allem, denke ich, ist es ein Kompromiss, mit dem wir zufrieden sein können. Viele Kinderkrankheiten der Argen konnten wir heilen und mehr Transparenz in die Organisation bringen. Wir haben eine Reform gestaltet, die den Namen "Reform" verdient. Jetzt bringen wir sie auf den Weg. Danke. (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die FDP-Fraktion erhält nun das Wort der Kollege Christian Ahrendt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Christian Ahrendt (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir ändern gleich die Verfassung. Die Hinzufügung des Art. 91 e ist sicherlich zunächst einmal, einfach betrachtet, keine Besonderheit, weil das Grundgesetz schon mehrfach Änderungen im Staatsorganisationsrecht hinter sich hat. Gleichwohl ist es eine Besonderheit, weil wir das im Nachgang zu einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung tun, mit der uns gesagt worden ist, dass die Mischverwaltung, die auf den Weg gebracht worden war, verfassungswidrig ist. Es ist zunächst einmal ein durchaus bemerkenswerter Vorgang, wenn man sich dann nicht an eine solche Rechtsprechung hält, sondern im Nachgang dazu eine verfassungsrechtliche Änderung vornimmt. Deswegen muss klar sein, dass dies die absolute Ausnahme bleiben muss. Hier erfolgte sie für das Ziel, an der guten Idee der Arbeitsgemeinschaften und der Jobcenter auch in Zukunft festhalten zu können. Ein zweiter Punkt, den ich an dieser Stelle nennen muss: Von dem eigentlichen Prinzip, das man in den letzten Jahren bei der Organisation unseres Staatsrechts verfolgt hat, weicht man natürlich ein Stück weit wieder ab. Ziel war es, eine klare Aufgabenzuständigkeit zu schaffen. Das ist insbesondere ein Anliegen der Föderalismuskommission I gewesen. Der Bürger sollte wissen, wer zuständig ist für welche Aufgaben. Mischverwaltung vermischt Zuständigkeiten und schafft hinsichtlich der Zuordnung bzw. der Wahrnehmung, wer für das, was zu tun ist, tatsächlich verantwortlich ist, eine gewisse Unklarheit. Auch deswegen kann es nur eine Ausnahme bleiben, eine solche Änderung, wie wir sie heute beschließen wollen, vorzunehmen. Richtig ist die Änderung deswegen, weil ihr Vorzug eben darin liegt, dass durch die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld I Langzeitarbeitslosen geholfen wird, aus Arbeitslosigkeit herauszukommen - das war ja ursprünglich Ziel der Hartz-Reformen -, und die Arbeitsverwaltung ein Stück weit näher an die Menschen herangebracht wird. Von daher begrüße ich es, dass wir 41 Optionskommunen dazubekommen, wenn wir uns auch eine wesentlich stärkere Ausdehnung dieser Möglichkeit gewünscht hätten. Ein Grund für den Erfolg, den die Arbeitsgemeinschaften und die Optionskommunen in den letzten Jahren erzielen konnten, liegt nämlich darin, dass die Arbeitsverwaltungen durch die Reformen näher an die Menschen herangekommen sind. Deswegen tragen wir die Verfassungsänderung mit. Deswegen halten wir sie für richtig. Wir sagen aber ganz deutlich: Dieser Weg muss die Ausnahme bleiben. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Kipping für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Katja Kipping (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf bringen wir die Kommunen in eine widersprüchliche Situation. Sie müssen sich entscheiden: Entweder werden sie Optionskommune, übernehmen also die Betreuung der Langzeiterwerbslosen in Eigenregie - und das in Zeiten, in denen der Bund immer mehr Aufgaben auf die Kommunen abwälzt, gleichzeitig aber die Steuereinnahmen der Kommunen deutlich sinken -, oder aber sie entscheiden sich für die Zusammenarbeit mit der real existierenden Bundesagentur, die wahrlich nicht in bestem Zustand ist. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war im real existierenden Sozialismus auch so! - Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Unterschätzen Sie unsere Kommunen nicht!) Vor solch eine Alternative gestellt, haben die Kommunen eigentlich keine richtige Wahl. (Beifall bei der LINKEN) So, wie die Bundesagentur nach den Hartz-Reformen aufgestellt ist, die die meisten der hier vertretenen Parteien zu verantworten haben, ist es, wie ich finde, sogar zutiefst verständlich, dass sich manche Kommune dafür entscheidet, Optionskommune zu werden. Infolge der Hartz-IV-Reform ist die Bundesagentur nämlich vor allen Dingen betriebswirtschaftlich ausgerichtet worden. Das heißt, jeder, der eine Dienststelle der BA betritt, wird als Kunde in Kategorien eingeteilt, in seinen Rechten durch Sanktionen beschnitten, und die Mitarbeiter der BA sind einer ständigen Evaluation unterworfen, stehen also unter Vergleichsdruck. Und wehe, sie sparen nicht genauso viel durch Sanktionen ein wie das Nachbarjobcenter! All das ist Ausdruck einer betriebswirtschaftlichen Ausrichtung. Wir Linke meinen jedoch: Die Bundesagentur muss wieder einen sozialpolitischen Auftrag erhalten. Für uns ist deswegen ganz klar: Es darf nicht mehr um Evaluationskerngrößen gehen, sondern darum, dass jeder, der eine Erwerbsarbeit sucht, dabei auch bestmöglich unterstützt wird. Das heißt, dass wir sicherstellen müssen, dass für jeden das Grundrecht auf ein Existenzminimum gesichert wird, wie es uns ja auch das Bundesverfassungsgericht ins Stammbuch geschrieben hat. (Beifall bei der LINKEN) Anders als die Kommunen könnten wir als Gesetzgeber sehr wohl die Ausrichtung der Bundesagentur verändern. Ich glaube, wenn Sie unsere Vorschläge aufgreifen würden, würde es vielen Kommunen leichter fallen, sich für die Zusammenarbeit mit der Bundesagentur zu entscheiden. Das ändert nun nichts an der grundsätzlichen strukturellen Entscheidung, der wir uns heute stellen müssen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf die Begleitforschung zurückkommen, die im Auftrag der Bundesregierung jahrelang durchgeführt worden ist. Durch sie kam schon sehr Kritisches zur realen Praxis der Optionskommunen zum Vorschein. Im Abschlussbericht findet sich zum Beispiel eine entscheidende Zahl. Da heißt es, wenn man sich deutschlandweit für eine Strukturform, zum Beispiel für die Arge-Struktur entschiede, dann wären Einsparungen von bis zu 3,3 Milliarden Euro möglich. Das ist ein Einsparpotenzial, das Sie sich entgehen lassen, weil Sie sich für das Modell "Flickenteppich" entscheiden. Ich finde, das ist eine falsche Entscheidung. (Beifall bei der LINKEN) In den Anhörungen im Ausschuss wurden sehr viele detaillierte Kritikpunkte angesprochen. Ich kann aus Zeitgründen leider nur zwei kurz erwähnen. Erster Kritikpunkt: Der vorliegende Gesetzentwurf sieht keine Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor. Das heißt, es gibt für sie weiterhin eine unsichere Arbeitssituation. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass das keine Auswirkungen auf die Beratungsqualität hat. Die Unsicherheit für die Beschäftigten wird die Beratungsqualität natürlich deutlich verschlechtern. Ich finde, hier hätten Sie nachbessern müssen. (Beifall bei der LINKEN) Zweiter Kritikpunkt: die vorgesehenen öffentlichen Beiräte. Ich finde es sehr ärgerlich, dass in diesen Beiräten die Vertretung von Betroffenen nicht vorgesehen ist. Auf die Expertise des Alltags und auf die Erfahrungen von Menschen, die Hartz IV am eigenen Leib erfahren, können wir nicht verzichten. (Beifall bei der LINKEN) Um es zusammenzufassen: Die heutigen Reformen, die die Mehrheit hier beschließen wird, gehen am eigentlich Notwendigen vorbei. Wir als Linke finden, Folgendes tut in der Auseinandersetzung mit der Erwerbslosigkeit not: erstens einen Mindestlohn einzuführen, zweitens Sanktionen und Bedarfsgemeinschaften abzuschaffen und drittens den Regelsatz deutlich zu erhöhen. Ferner brauchen wir mehr öffentliche Beschäftigung und eine Umverteilung der vorhandenen Erwerbsarbeit durch konsequente Arbeitszeitverkürzung. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das Wort hat nun für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Thomas Dörflinger. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, wenn wir, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Debatte über die Organisationsreform im Bereich des Sozialgesetzbuches II in einem Grundtenor führen, der erkennen lässt, dass wir das Ergebnis gemeinsam über Fraktionsgrenzen hinweg erreicht haben. Denn wir sollten schon den Mut haben - diesen Gedanken von Gesine Schwan greife ich gerne auf -, einerseits zuzugeben, dass die Verhandlungen nicht ganz einfach waren, und andererseits diese Organisationsreform anschließend als das darzustellen, was sie ist: ein fraktionsübergreifendes Projekt. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Richtig!) Selbstverständlich musste jeder, Herr Kollege Kolb, von seinen Vorstellungen Abstriche machen. Aber der Kompromiss zeigt letztlich, dass wir eine Lösung gefunden haben, die von allen getragen wird und die den Problemen dieses Landes gerecht wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da kann auch die SPD klatschen!) Ich will in diesem Zusammenhang bemerken, dass der Beitrag von Frau Pothmer gestern im Ausschuss über die Bewertung des Gesetzesvorhabens etwas konstruktiver ausgefallen ist als ihre Darstellung heute im Plenum, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da konnte sie der Versuchung nicht widerstehen! - Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten das nicht immer so bewerten!) nicht nur im Hinblick auf die Verfassungsänderung, sondern auch auf die Bewertung des SGB II. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!) Ich stelle fest: Es gibt zwischen Regierung und Opposition durchaus, auch wenn Sie sich nicht zu einer Zustimmung entschließen können, eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten. Das will ich durchaus anerkennen. Ich will allerdings ebenfalls sagen, dass mir auch nach dem Beitrag von Frau Kipping nach wie vor rätselhaft geblieben ist, wie sich die Linkspartei dieses Projekt vorstellt. Ich will daran erinnern, dass uns vor einiger Zeit in diesem Zusammenhang zwei Anträge vorgelegen haben. In dem ersten wurde die Forderung "Hartz IV abschaffen" und in dem zweiten die Forderung "Regelsätze auf 500 Euro erhöhen" erhoben. Ich frage mich mit Blick auf den parlamentarischen Ablauf: In welcher Reihenfolge sollen wir das denn machen? (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist wie "Reichtum für alle" und "Reichensteuer einführen"!) Sollen wir die Regelsätze erst erhöhen und dann das Sozialgesetzbuch II abschaffen, oder sollen wir erst das Sozialgesetzbuch II abschaffen und dann die Regelsätze erhöhen? Aus logischen Gesichtspunkten wird das Letztere ein bisschen schwierig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben sich in ihrer eigenen Dialektik verheddert!) Unser Ansatz war, Hilfe aus einer Hand und Hilfe unter einem Dach zu ermöglichen. Mit der heute vorliegenden Reform wird dies erreicht. Es ist Anlass, die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit an dieser Stelle noch einmal lobend hervorzuheben. Der CDU/CSU-Fraktion war wichtig, dass wir nicht nur die Zahl der bestehenden 69 Optionskommunen entfristen und verfassungsrechtlich absichern, sondern dass wir dem Wunsch vieler Landkreise entgegenkommen, von der Option zusätzlich Gebrauch zu machen. Wir werden also die Zahl von 69 nach dem im Normtext verankerten Regel-Ausnahme-Verhältnis von einem Viertel zu drei Viertel nun auf 110 erhöhen. Es war mir wichtig, dass wir die in der durchgeführten Anhörung geäußerte Anregung befolgt haben und insbesondere die Übergangsfristen aus baden-württembergischer Sicht noch einmal unter die Lupe genommen und den Gesetzentwurf dementsprechend verbessert haben. Ich habe mich gestern Abend mit den Landräten aus Reutlingen und dem Alb-Donau-Kreis in Baden-Württemberg unterhalten, die beide vor der Frage stehen - bei dem einen geht es um die Arge, bei dem anderen um die getrennte Aufgabenwahrnehmung -, wie sie das zukünftig organisieren. Sie haben beide bestätigt, dass es der richtige Ansatz war, die Übergangsfristen auf den 31. Dezember des kommenden Jahres auszudehnen. Denn wir müssen auch die Ferienregelung in Baden-Württemberg mit berücksichtigen. Es muss also einerseits für die Kolleginnen und Kollegen in den Kreistagen, die dort ehrenamtlich tätig sind, ausreichend Zeit bleiben, um dieses Beratungsverfahren sinnvoll zu führen; andererseits muss natürlich auch für die Verwaltung vor Ort ausreichend Zeit sein, das umzusetzen. Meines Erachtens ist dem mit einem Korridor bis zum Jahresende 2011 nun ausreichend Rechnung getragen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es geht in diesem Zusammenhang auch nicht um einen Flickenteppich, sondern darum, dass wir durch die Zielvereinbarung eines Landkreises bzw. einer kreisfreien Stadt Kooperationen mit dem jeweiligen Bundesland und mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales sicherstellen, dass wir passgenaue Lösungen erarbeiten, die auf die Situation vor Ort zugeschnitten sind. Der Wahlkreis des Kollegen Peter Weiß und mein Wahlkreis grenzen zwar aneinander, aber der Arbeitsmarkt im Wahlkreis Emmendingen-Lahr ist ein anderer als der Arbeitsmarkt im Wahlkreis Waldshut-Hochschwarzwald. Deswegen ist es sinnvoll, wenn per Zielvereinbarung auf die je unterschiedliche Situation in den jeweiligen Landkreisen eingegangen werden kann. Deswegen bin ich zufrieden, dass dies im vorgelegten Entwurf gelungen ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) Ich spreche einen weiteren Punkt an, der ebenfalls zu dem gehört, was uns in diesem Beratungsverfahren verband. Es sind mehrfach die 900 Millionen Euro für den Eingliederungstitel und die 3 200 Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit angesprochen worden. Ich halte vor dem Hintergrund der hinter uns liegenden Beratungen im Ausschuss für Arbeit und Soziales fest: Es gab nach meiner Wahrnehmung unter den meisten Arbeitsmarktpolitikerinnen und Arbeitsmarktpolitikern in diesem Ausschuss keinen Dissens darüber, dass wir die 900 Millionen Euro freigeben und dass wir die 3 200 Stellen bei der Bundesagentur entfristen. Aber wir müssen natürlich auch zur Kenntnis nehmen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss, die mit einem ähnlichen Verantwortungsbewusstsein, aber vielleicht mit einem anderen Blickwinkel an die Dinge herangehen, in diesem Fall zu einem anderen Urteil gekommen sind. Schlussendlich zählt aber, dass wir uns auf eine vernünftige Lösung geeinigt haben. Deswegen sage ich: Ende gut, alles gut. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Lassen Sie mich vor dem Hintergrund einer Debatte, die wir in den vorangegangenen Wochen unter dem Stichwort "Strategie EU 2020 für Wachstum und Beschäftigung" geführt haben, einen letzten Gedanken anschließen. Dabei haben wir uns seitens der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung von Altersarmut auf einen Indikator verständigt, nämlich die Zahl der Langzeitarbeitslosen. Diese ist für uns ein wesentliches Kriterium, um Armut in unserem Lande zu messen. Deswegen ist es richtig und gut, wenn wir heute mit der Organisationsreform des Sozialgesetzbuches II die Voraussetzungen schaffen, dass die zahlenmäßige Erfassung, die Betreuung sowie die Hilfe für die Integration in den ersten Arbeitsmarkt in Zukunft besser organisiert werden können als in der Vergangenheit. Ich bedanke mich für ein konstruktives Beratungsverfahren und werbe um Zustimmung zur Einfügung des Art. 91 e in das Grundgesetz und um Zustimmung für unseren Gesetzentwurf zur Organisationsreform im Bereich des Sozialgesetzbuches II. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Ehrentribüne hat der Parlamentspräsident der Ukraine, der Präsident der Werchowna Rada, Herr Wolodymyr Lytwyn, mit seiner Delegation Platz genommen. (Beifall) Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages begrüße ich Sie sehr herzlich und wünsche Ihnen für Ihren Aufenthalt in Deutschland und für Ihr weiteres politisches Wirken alles erdenklich Gute. Nächste Rednerin ist die Kollegin Gabriele Lösekrug-Möller für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Gabriele Lösekrug-Möller (SPD): Frau Präsidentin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was haben wir in dieser Debatte nicht schon alles gehört! Wir kennen jetzt alle Väter des Erfolges. Man darf mit Blick auf das Ministerium, Frau Ministerin, sagen: Auch in Ihrem Haus hat es einen Vater des Erfolges gegeben, nicht unbedingt eine Mutter. Es waren kluge Verhandlungen. Wir haben ein Ergebnis vorliegen, dem die SPD gern zustimmt, hat sie es doch durch ihre Aktivität und ihr Engagement ermöglicht, dass diese Lösung zustande kommt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich habe mit großem Interesse, Frau Kollegin Pothmer, gehört, wie Sie Liebe von Grün an Gelb adressieren. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Liebe gehört dem ganzen Haus!) Ich bin gespannt, was da noch kommt. Diesem Familiensinn will auch ich entsprechen und will heute über Ulla reden; denn Ulla arbeitet in einem Jobcenter. Ulla ist die Gewinnerin des Tages. Warum ist das so? Das will ich kurz erläutern. Ulla war befristet beschäftigt. Ulla gehört zu denen, die den Vorteil haben, dass sie jetzt eine gute Perspektive haben, und sie und ihr Team, das über viele Jahre in schwierigen Situationen arbeiten musste, wissen nun endlich, in welchem Rahmen es weitergeht. Deshalb ist dies ein guter Tag für Beschäftigte in Jobcentern. Ein bisschen schmunzeln muss ich schon darüber, dass zukünftig auch die Optierer Jobcenter heißen. Das finde ich völlig in Ordnung, signalisiert es doch, dass etwas eintritt, was wir wollen, nämlich dass die Leistungen vergleichbar werden, dass Steuerung über alles möglich ist. Ich denke, dass damit ein Wettbewerb aufhört, wie wir ihn sonst aus dem Märchen kennen; Sie wissen das: "Spieglein, Spieglein, an der Wand ...". Ich glaube, damit ist Schluss - und das ist auch gut so. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Warum freut sich meine Ulla darüber hinaus? Weil sie sich sagt: Endlich können wir in einem ordentlichen Rahmen arbeiten. - Das haben sie verdient; denn ihre Arbeit ist schwierig. Ihre Arbeit ist deshalb schwierig, weil wir in den letzten Jahren im Bereich des SGB II und III kontinuierlich Veränderungen vorgenommen haben. Eigentlich ist ihre Sorge, dass ihre Arbeit unter erschwerten Bedingungen weitergeht. Auf diese Sorge komme ich gleich zu sprechen. Was liegt hinter uns, wenn wir heute mit der Mehrheit des Hauses Ja zur Verfassungsänderung sagen? Wenn ich es recht erinnere, mussten weite Teile zum Jagen getragen werden. Ich kann mich noch erinnern, dass Anfang dieses Jahres schwerste Bedenken formuliert wurden, dass das alles nicht gehe. Bei manchen ist da Erkenntnis zum Wohle der Sache eingezogen. Das finde ich gut, und das ist in Ordnung. Die SPD hat dabei kräftig geholfen. (Beifall bei der SPD) Was ist aber die Sorge von Ulla? Wir haben jetzt zwar eine gute Organisationsstruktur. Aber ihre Sorge ist, dass sie sich nicht mit guter Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik füllt. Diese Sorge muss ich leider teilen; denn sie ist berechtigt. Im Übrigen haben nicht nur die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion diese Sorge. Auch die großen Kirchen, die Sozialverbände und die Wohlfahrtsverbände machen sich große Sorgen um die Schieflage in unserer Gesellschaft, die durch die Kürzungen, die jetzt ins Haus stehen, verschärft wird. Dazu will ich sagen: Hoffen wir auf weitere Erkenntnisgewinne! Herr Kolb, auch Sie haben das Hohelied gesungen, dass wir gemeinsam zu besseren Lösungen kommen. Dazu sage ich: Bessere Lösungen sind nur möglich, wenn Sie sich an dieser Stelle bewegen, und zwar auch im Hinblick auf das materielle Recht und das Leistungsrecht. Denn die Kürzungen, die geplant sind, bedeuten, dass jene, die nie in ihrem Leben über ihre Verhältnisse gelebt haben, für das zahlen müssen, was andere angerichtet haben. Das geht nicht. (Beifall bei der SPD) Ich mache mir auch Sorgen, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie oder Ulla?) weil Strukturen wegbrechen könnten, die wir für gute Arbeitsmarktpolitik brauchen. Wir brauchen stabile Netzwerke über die Jobcenter hinaus. Wir brauchen eine ordentliche Schuldnerberatung. Wir brauchen eine gute Familienberatung. Wir müssen gute Bildungsträger haben, damit das klappt, was unser gemeinsames Ziel sein muss, nämlich denjenigen - das sind Millionen -, die Arbeit suchen und keine finden, zu helfen, dass sie in Beschäftigung kommen. Das, was ich zur Beschäftigung gesagt habe, verbinde ich mit einem Vorschlag an die Ministerin: Frau von der Leyen, Sie könnten sehr viele sogenannte Kunden in Jobcentern schlagartig verlieren - im positiven Sinne -, wenn zum Beispiel Aufstocken nicht mehr erforderlich wird, weil man von dem Einkommen aus Arbeit leben kann. (Beifall bei der SPD) Wenn Arbeit in diesem Land endlich ordentlich bezahlt würde, hätte man schlagartig Zeit und damit die Möglichkeit, sich um die zu kümmern, die Arbeit suchen. Das wird ein großes Thema in diesem Haus bleiben. Kollege Schiewerling, Sie werden uns, wenn es um den zweiten Baustein, die Regelsätze, geht, konstruktiv fordernd an Ihrer Seite haben. Beim geplanten dritten Baustein - da geht es, wenn ich Sie richtig verstanden habe, um die Reform der Instrumente - haben Sie uns nur dann dabei, wenn es der Ulla, von der ich sprach, hilft und sie ordentliche Rahmenbedingungen erhält. Die Jobcenter haben nämlich von ständigen Änderungen die Nase voll: Sie wollen nicht mehr ständig ihre EDV überfordert sehen und "zu Fuß" rechnen müssen; (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Genau! Da gebe ich Ihnen völlig recht!) sie wollen klare und beständige Verhältnisse. Das sind wir all denen, für die heute ein guter Tag ist, auch auf Dauer schuldig. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD - Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Kollegin, ich nehme Sie beim Wort!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Max Straubinger für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Max Straubinger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der anschließenden Abstimmung über die Änderung des Grundgesetzes und die Regelungen zu den Jobcentern kommt heute ein langer Diskussionsprozess zum Abschluss. Ich glaube, es ist für die Menschen ein guter Tag, insbesondere für diejenigen, die vom Jobcenter betreut werden. Damit ist verbunden, dass Menschen gut in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden können und die Verwaltung zukünftig auf einer soliden rechtlichen Basis arbeiten kann. Insofern ist die erste Botschaft des heutigen Tages an die Menschen: Wir legen heute die Grundlage für einen weiteren Meilenstein in unserem Sozialstaat. Ich glaube, es hat sich gelohnt, diesen langen Diskussionsprozess auf sich zu nehmen. Natürlich gab es verschiedenste Vorstellungen, wie die Arbeitsmarktpolitik nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das uns ermahnt hat, dass Mischverwaltungen aufgrund unseres Staatsaufbaus nicht zulässig sind, künftig organisiert werden soll. Es ist sinnvoll, den Menschen die Hilfsmöglichkeiten, die in der Verantwortung der Kommunen, vor allem aber des Bundes liegen, aus einer Hand anzubieten. Deshalb ist es gerechtfertigt, heute das Grundgesetz zu ändern, um damit die rechtliche Grundlage für die Organisation und Verwaltung zu schaffen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Natürlich haben sich heute alle Fraktionen, die für dieses Gesetzeswerk verantwortlich sind - SPD, CDU/CSU, FDP -, einzelne Erfolge auf ihre Fahnen geschrieben. Frau Lösekrug-Möller, ich möchte aber schon daran erinnern, dass es bei der SPD zur Zeit der Großen Koalition eine Verweigerungshaltung gab: Eine sinnvolle Lösung wurde seinerzeit immer verhindert, vor allen Dingen, als es darum ging, dass die Kommunen stärker in die Vermittlung von Arbeitsstellen an arbeitslose Menschen eingebunden werden. Die SPD konnte sich nicht damit anfreunden, dass es in Deutschland mehr Optionskommunen gibt. Auch die Optionskommunen sind für die Menschen ein Erfolg; denn damit können angepasste Lösungen gefunden werden, nämlich - so ähnlich hat es mein Kollege vorhin ausgedrückt - zielgenaue Lösungen für jeden Landkreis, jeden Bereich und jede Kommune, ganz im Sinne der betroffenen Menschen. Das ist meines Erachtens ein Erfolg, für den wir mit unserer Stimmabgabe die Grundlage schaffen können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich bin überzeugt, dass in dieser neuen, rechtssicheren Organisationsform der Optionskommune bzw. der Jobcenter - sie heißen alle Jobcenter - die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt im Vordergrund steht. Die Kollegen aus der linken Ecke haben heute vielfältig von Drangsalierung gesprochen. Das möchte ich massiv zurückweisen. Es ist keine Drangsalierung, Menschen in Arbeit zu bringen, Frau Kollegin Kipping. Im Gegenteil: Es ist eine gelebte Chance für die Menschen, wenn sie Arbeit haben. Dafür zu sorgen, ist die Aufgabe der Jobcenter. Das wird durch die vorliegende Änderung umgesetzt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die linke Fraktion scheint es als Drangsalierung zu verstehen, dass im Sozialgesetzbuch Sanktionen vorgesehen sind. Es handelt sich aber um ein Sozialstaatsgebot, weil es in unserer Gesellschaft nicht sein darf, dass Millionen von Menschen tagtäglich früh aufstehen, den ganzen Tag hart arbeiten, Beiträge an die Arbeitslosenversicherung abführen und Steuern zahlen, damit die Sozialleistungen erbracht werden können, und sich gleichzeitig wenige Einzelne vor der Arbeit drücken. Das darf nicht sein. Es ist ein Sozialstaatsgebot: Wer zumutbare Arbeit nicht annimmt, muss mit Sanktionen rechnen. Das ist keine Drangsalierung, sondern oberstes Sozialstaatsgebot in unserer Gesellschaft. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Ich bin überzeugt, dass wir mit der heutigen Reform den Grundstein dafür legen, dass 1,2 Millionen ältere Arbeitslose schnell wieder in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Wir legen besonderes Augenmerk darauf, dass 200 000 Jugendliche, wenn es sein muss, das nötige Gerüst einer guten Berufsausbildung erhalten und dass das durch die vorhandenen Instrumente erreicht wird. Zugegeben: Die SPD will einen besonderen Betreuungsschlüssel für Alleinerziehende. Wir hingegen legen, auch ohne Betreuungsschlüssel, weiterhin großen Wert darauf, der besonderen Situation von Alleinerziehenden gerecht zu werden. Das ist die Aufgabe, die wir zu erbringen haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege, darf ich Sie unterbrechen? Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kipping? Max Straubinger (CDU/CSU): Ja. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Bitte sehr. Katja Kipping (DIE LINKE): Lieber Kollege, Sie haben in Ihren Ausführungen zu den Sanktionen den Eindruck erweckt, dass es bei Sanktionen immer nur um Menschen gehe, die sich komplett vor Arbeit drücken wollten. Ich persönlich habe eine andere Einschätzung, was den Stellenwert von Erwerbsarbeit anbelangt. Ich lasse mich aber auf Ihre Logik ein und lege sie meinen Überlegungen zugrunde. Ich möchte Sie fragen: Ist Ihnen bekannt, dass ein Großteil der Sanktionen nicht wegen Ablehnung eines zumutbaren Jobangebotes, sondern aufgrund von Meldeversäumnissen erfolgt, beispielsweise weil eine Unterlage später eingereicht worden ist? Sanktionen greifen auch bei Fällen wie folgendem: Einer Frau ist eine Arbeitsstelle vermittelt worden. Dort hat sie erfahren, dass sie für einen Niedriglohn arbeiten muss. Sie hat erschrocken festgestellt, dass der Lohn deutlich unter dem Hartz-IV-Regelsatz liegt. Daraufhin hat man ihr gesagt, sie könne ja aufstocken. Sie hat gesagt, dass sie diese Arbeit gerne übernehme. Leider hat sie diese Stelle nicht bekommen. Das Jobcenter ist dann zu folgendem Ergebnis gekommen: Weil sie festgestellt habe, dass es sich um einen sittenwidrigen Lohn handele, sei sie selber schuld daran, dass sie den Arbeitsplatz nicht bekommen habe. Jetzt wird ihr gegenüber eine Sanktion ausgesprochen. Glauben Sie wirklich, dass es im Sinne eines Sozialstaatsgebots ist, dass man sich nicht mal mehr gegen sittenwidriges Lohndumping zur Wehr setzen darf? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Max Straubinger (CDU/CSU): Mir ist natürlich bekannt, dass die meisten Sanktionen ausgesprochen werden, weil eine Mitwirkung nicht immer fristgerecht erfolgt ist. Es gehört auch zum Sozialstaat, dass jeder seine Mitwirkungspflicht wahrnehmen, sich schnell in den Arbeitsmarkt einfügen und vor allen Dingen Betreuungs- und Vermittlungsangebote annehmen muss. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) Natürlich ist es mit entscheidend, dass entsprechende Löhne gezahlt werden. Aber Löhne werden aufgrund von Tarifverträgen gezahlt. Sittenwidrigkeit wird von Gerichten festgestellt. Es ist nicht dem Einzelnen anheimgegeben, festzustellen, dass ein Lohn sittenwidrig ist. Wenn nach Tarif gezahlt wird, ist die Arbeit anzunehmen. Selbst wenn der Lohn ungenügend ist, ist er zu akzeptieren, weil mit der Aufnahme von Arbeit die Chance auf einen besser bezahlten Arbeitsplatz verbunden ist, Frau Kollegin Kipping. Es geht nicht, dass man das Angebot einfach ablehnt, zu Hause auf dem Kanapee verweilt und wartet, bis man ein Topangebot bekommt. Das kann es nicht sein, werte Kollegin. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wir stehen kurz vor dem Abschluss eines sehr langen Diskussionsprozesses, kurz vor der Abstimmung. Ich darf mich ebenfalls sehr herzlich bei den Bundestagskollegen bedanken, beim Kollegen Heil, beim Kollegen Kolb und beim Kollegen Schiewerling. Genauso herzlich bedanke ich mich natürlich bei den Vertretern der Bundesländer und der Ministerien. Darüber hinaus bedanke ich mich bei Herrn Staatssekretär Hoofe für die Leitung. Ich glaube, dass wir deutlich gemacht haben, dass unsere Demokratie funktioniert, dass wir, wenn es sein muss, gut zusammenarbeiten können und schlagkräftig sind und dass unterschiedliche Konzepte und Vorstellungen zusammengeführt werden. Ich glaube, das ist der große Erfolg dieses Gesetzgebungsverfahrens. Ich bitte deshalb um Zustimmung zur Grundgesetzänderung und zum Ausführungsgesetz. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die von der Bundesregierung sowie von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwürfe eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, und zwar in Art. 91 e. Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2183, die genannten Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 17/1939 und 17/1554 zusammenzuführen und in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich weise darauf hin, dass zur Annahme des Gesetzentwurfs die Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Deutschen Bundestages erforderlich ist. Das sind mindestens 415 Stimmen. Wir stimmen über den Gesetzentwurf auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Jetzt sind alle Plätze an den Urnen besetzt. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 11.37 bis 11.44 Uhr) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen. Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe Ihnen zunächst das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Änderung des Grundgesetzes bekannt: abgegebene Stimmen 586. Mit Ja haben gestimmt 515, mit Nein 71, Enthaltungen gab es keine. Der Gesetzentwurf ist damit mit der erforderlichen Mehrheit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 586; davon ja: 515 nein: 71 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Gitta Connemann Leo Dautzenberg Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Florian Hahn Holger Haibach Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Julia Klöckner Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Nadine Müller (St. Wendel) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Eckhard Pols Lucia Puttrich Daniela Raab Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Peter Friedrich Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoðuz Heinz Paula Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Christian Lindner Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabi Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Alexander Bonde Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Priska Hinz (Herborn) Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Anna Klein-Schmeink Thomas Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Elisabeth Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Nein DIE LINKE Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Daðdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Konstantin Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Dorothée Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Neškovic Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Sabine Stüber Alexander Süßmair Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir setzen die Abstimmungen fort. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Drucksache 17/2192. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 b. Abstimmung über die von der Bundesregierung sowie den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwürfe eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2188, die genannten Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 17/1940, 17/1555 und 17/2057 zusammenzuführen und in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie in der zweiten Beratung angenommen. Wir stimmen nun über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/2193 ab. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Jutta Krellmann, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Mit guter Arbeit aus der Krise - Drucksachen 17/1396, 17/2069 - Berichterstattung: Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann werden wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der Kollege Paul Lehrieder für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Paul Lehrieder (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Mit dem gerade verkündeten Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur Reform der Jobcenter hat Deutschland, haben auch die Arbeitslosen und die Mitarbeiter in den Jobcentern eine gute Zukunft vor sich. Wir haben jetzt Planungssicherheit, sowohl für die Mitarbeiter als auch für die zu betreuenden Langzeitarbeitslosen. Man könnte sagen: Wir begeben uns jetzt wieder in das Tagesgeschäft. Der hier vorliegende Antrag der Linken mit dem Titel "Mit guter Arbeit aus der Krise" ist aber weniger erfreulich. Die Überschrift ist gut; aber das ist leider auch das Beste an diesem Antrag. (Beifall des Abg. Pascal Kober [FDP] - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Dann haben Sie nicht weitergelesen!) - Ich habe ihn ganz gelesen, Frau Kollegin Enkelmann. Ich freue mich schon darauf, was Ihre Arbeitsmarktexpertin Luc Jochimsen, die nachher sprechen wird, Sinngebendes dazu beitragen kann. Es ist richtig: Arbeit ist mehr als nur Gelderwerb. Arbeit ist die Verkörperung von Menschenwürde; der Schutz aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz gilt auch in Bezug auf die Arbeit, wie es bereits das Bundesarbeitsgericht in den 80er-Jahren ausgeführt hat. Das heißt: Die Wertschätzung eines Menschen, eines Mitbürgers, ist natürlich auch durch seine Tätigkeit geprägt. Auch das gehört zur Arbeit. Arbeit ist nicht Schikane, Arbeit ist nicht Drangsalierung, wie es uns einige in diesem Hohen Hause glauben machen wollen. Arbeit trägt vielmehr dazu bei, wieder Tritt zu fassen und sich selber zu bestätigen, etwas schaffen zu können. Meine Damen und Herren, wir sind auf einem guten Weg. - Liebe Frau Präsidentin, Sie gestatten, dass ich aus meiner Tageszeitung zitiere. - Die Würzburger Main-Post hat gestern geschrieben: "Deutsche arbeiten wieder länger" und "Produktivität liegt über dem Vorjahreswert". Von der Kurzarbeit sind derzeit noch 933 000 Mitbürgerinnen und Mitbürger betroffen. Im dritten Quartal 2009 waren es 1,12 Millionen, im vierten Quartal 984 000. Das heißt, die Kurzarbeit nimmt degressiv ab. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Arbeitlosen und - toi, toi, toi! - auch der Langzeitarbeitlosen ab. Das in dem Antrag der Linken gezeichnete Horrorszenario - auf Seite 1 ist von einem "Klima der Angst" die Rede - ist insofern nicht angebracht. Es liegen noch sehr viele Aufgaben vor uns, die wir in den nächsten Monaten und Jahren angehen werden. Wir müssen uns aber auch nicht vor dem Problem verstecken. Es fragt sich, wer hier tatsächlich ein Klima der Angst schürt. Ich habe bereits darauf hingewiesen. Vor über einem Jahr, am 23. April 2009, haben wir in diesem Haus einen Antrag der Linken mit dem Titel "Gute Arbeit - gutes Leben" beraten. Das ist fast derselbe Titel wie heute. Heißen Themen wird vonseiten der Linkspartei mit aufgewärmten Versatzstücken begegnet. Der inhaltliche Stillstand der Linken löst aber kein Problem in Deutschland. Es geht nicht darum, Menschen in Resignation zu treiben, sondern darum, die Probleme anzupacken und den Menschen Mut zu machen. Mit dem Entwurf des Beschäftigungschancengesetzes, der heute Nachmittag auf der Tagesordnung steht, wird die Verlängerung der Kurzarbeiterregelung in erster Lesung auf den Weg gebracht, um damit den Unternehmen die Chance zu geben, qualifiziertes Personal auch über das Tal dieser Krise hinweg zu halten. Der vorliegende Antrag stammt aus der Mottenkiste. Er ist ein "Worst of" der Linkspartei. Die Vorschläge sind unrealistisch und zum Teil politisch nicht durchsetzbar. Erlauben Sie mir, dass ich auf einige Ihrer Vorschläge im Einzelnen eingehe. Die Linkspartei will keine Anreize für Erwerbslose schaffen, sich um Arbeit zu bemühen. Stattdessen setzen Sie schlicht auf einen weiteren Ausbau staatlicher Sozialleistungen. Die Linken wollen den Eindruck vermitteln, der Staat überlasse von Arbeitslosigkeit bedrohte Bürger ausschließlich sich selbst. Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben mit der Reform der Jobcenter und der Flexibilisierung der Instrumente der Jobvermittler viele richtige Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Langzeitarbeitslosen noch besser zu betreuen, als es in den letzten Jahren der Fall war. An dieser Stelle besteht noch Optimierungsbedarf; damit haben Sie sicherlich recht. Ich glaube, dass mit dem vorhin beschlossenen Gesetz zur Reform der Jobcenter das Richtige gemacht wird. Im Haushalt 2010 bezieht sich etwa die Hälfte der Ausgaben auf den Sozialetat; Frau Ministerin hat heute Morgen bereits darauf hingewiesen. Die Arbeitnehmerüberlassung bzw. Leiharbeit, die Sie größtenteils reduzieren wollen, ist eine Arbeitsförderungsmaßnahme. Ein großer Anteil derjenigen, die vermittelt werden, sind Hilfskräfte und Geringqualifizierte. Es gibt auch Missbrauch; das will ich nicht verkennen. Der Fall Schlecker ist bekannt. Es gibt etliche weitere Unternehmen. Wir sind dabei, in Arbeitsgruppen zu klären, wie wir in Zukunft derartige Übergriffe und Methoden vermeiden können. Ich glaube, dass wir hier mit unserem Koalitionspartner auf einem guten Weg sind. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Monaten auch dieses Problem in den Griff bekommen. Die Bundesregierung plant bereits ein Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes bzw. des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Dazu müssen wir wissen, dass mit der Freizügigkeit im europäischen Raum ab 1. Mai 2011 weitere Aufgaben vor uns liegen. Auch darauf müssen wir uns rechtzeitig einstellen. Wir wollen eine Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit einziehen. Auf welchem Weg wir das machen, diskutieren wir derzeit in Arbeitsgruppen. Die Forderung der Linken, eine sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen völlig abzuschaffen, geht völlig ins Leere. Die Betriebe brauchen in bestimmten Situationen die Möglichkeit, Arbeitnehmer mit Sachgrund befristet einzustellen. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt doch die Probezeit!) Man kann auch jemanden sachgrundlos einstellen, etwa um ihn zu testen. Zu den klassischen Fällen der befristeten Einstellung gehören die Schwangerschaftsvertretung, ein hoher Auftragseingang mit der Folge, dass Aufträge schnell abgearbeitet werden müssen, und eine projektgebundene Einstellung von besonders qualifizierten Arbeitskräften. Sie erhalten durch die befristete Einstellung die Chance - das ist ein beiderseitiges Kennenlernen -, sich in den Arbeitsplatz einzufügen bzw. dem Chef zu zeigen, dass sie für den Job auch dauerhaft geeignet sind, und möglicherweise anschließend in diesem Job bleiben zu können. Sie fordern einen Kündigungsschutz für alle, insbesondere für die Mitbürgerinnen und Mitbürger über 55 Jahre. Dieser umfassende Kündigungsschutz wird - das ist die andere Seite der Medaille - dazu führen, dass die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen gerade älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern gegenüber sicherlich nicht steigen wird. Der Chef sagt sich natürlich: Wenn ich einen 45-Jährigen einstelle, kann ich ihn ganz normal kündigen, wenn ich aufgrund der Auftragslage dazu gezwungen bin, einen Älteren nicht. - Das wäre ein Problem bei der Vermittlung unserer älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger, und das müssen wir den Leuten fairerweise auch sagen. Es klingt toll, wenn man sagt: "Du bist 55; wenn du eingestellt wirst, kann dir nicht mehr gekündigt werden", aber man muss dann auch sagen, dass die Bereitschaft, solche Menschen einzustellen, im Gegenzug sinkt. Das wäre eine Hürde bei Neueinstellungen; davon bin ich überzeugt. Sie fordern ein politisches Streikrecht. Gut, mehr als die Hälfte der Mitglieder der Linkspartei sind Gewerkschafter. Es ist verständlich, dass deshalb auch diese Forderung wieder aufgewärmt wird. (Sabine Zimmermann [DIE LINKE]: Haben Sie etwas gegen Gewerkschaften?) - Nein, ich habe nichts gegen Gewerkschaften. Ich bin für Gewerkschaften. Ist der Klaus Ernst noch da? Ich sehe ihn gar nicht. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Natürlich ist Herr Ernst da! Wir sind alle da!) - Ah, er ist in ein Gespräch vertieft. - Ich schätze ihn ausdrücklich als Gewerkschafter aus meiner Nachbarschaft. Es sind sicher noch mehr Gewerkschafter da. Wir schätzen starke Gewerkschaften, weil sie dazu beigetragen haben, dass mit der SPD in der letzten Legislaturperiode über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz tariflich vereinbarte Mindestlöhne überhaupt erst auf den Weg gebracht werden konnten. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das reicht nicht!) Mir ist es lieber, die an der Lohnfindung beteiligten Parteien - Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. Gewerkschaften - finden einen Lohn, als dass der Lohn politisch festgesetzt werden muss. Das ist der falsche Weg; der führt in eine Sackgasse. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Iris Gleicke [SPD]: Wir können ja mal über Tarifbindung reden!) Ihr Einwand, Frau Enkelmann, bringt mich zu dem nächsten Punkt in Ihrem Antrag: Mindestlohn. Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn ist das falsche Rezept. Er löst unsere Probleme nicht, sondern verschärft die Situation nur. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Zimmermann? Paul Lehrieder (CDU/CSU): Ja, ich bitte darum. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Habt ihr das verabredet? - Gegenruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: So weit geht es nicht!) - Frau Pothmer, Sie können mich auch etwas fragen. Die Uhr ist schon angehalten. (Zuruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) - Die Sympathien sind eindeutig verteilt, Herr Kolb. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Herr Kollege Lehrieder, stimmen Sie mir zu, dass wir auf dem Arbeitsmarkt einen Wandel von guter, tariflich entlohnter Arbeit zu Teilzeit, prekärer Beschäftigung, Minijobs und Midijobs erleben? Stimmen Sie mir zu, dass wir in diesem Bereich eine massive Zunahme haben? (Zuruf von der CDU/CSU: Im Gegenteil! Wir haben eine Abnahme in dem Bereich!) Stimmen Sie mir zu, dass wir durch die Tatsache, dass in den letzten fünf Jahren 655 000 Menschen in Rente gegangen sind und nicht so viele junge Leute nachkommen, einen statistischen Effekt in der Arbeitslosenstatistik haben? Stimmen Sie mir zu, dass wir einen weiteren statistischen Effekt dadurch haben, dass 270 000 Menschen pro Jahr aus der Statistik herausfallen, weil sie durch Dritte vermittelt werden? Paul Lehrieder (CDU/CSU): Ich stimme Ihnen darin zu, dass der Bereich der Mini- und Midijobs in den letzten Jahren angewachsen ist, aber nicht nur wegen erzwungener Maßnahmen der Arbeitgeberseite, sondern auch, weil viele Mitbürgerinnen und Mitbürger nur einen Teilzeitjob wollen, sei es wegen Kindererziehung, sei es wegen der Berufstätigkeit des Partners. Auch das muss man fairerweise sagen, wenn wir die Statistiken vergleichen. Es ist richtig, dass im Niedriglohnbereich in den letzten Jahren Bestimmungen umgangen worden sind. Dagegen gehen wir vor. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wann denn? - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Wie denn?) Wir müssen etwas tun, um Dumpinglöhne zu verhindern. Ich will Ihnen noch einige Zahlen aus dem Artikel nennen, aus dem ich vorhin zitiert habe. - Bleiben Sie ruhig stehen; das verlängert meine Redezeit. - Die Produktivität der Arbeitsstunde wurde im letzten Jahr gegenüber dem Vorjahreswert um 0,7 Prozent erhöht. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Nichts mit Mottenkiste! Das ist aktuell!) - Ich bin noch nicht fertig mit meiner Antwort. - Im ersten Quartal 2010 betrug die durchschnittliche Produktivität 358,5 Stunden. Das sind immerhin 1,3 Prozent bzw. 4,5 Stunden mehr als im Vorjahr. Das bedeutet, dass die Zahl der Vollzeitbeschäftigten zugenommen hat, zwar langsam, aber immerhin deutlich merkbar. Das ist eine Chance, mit guter Arbeit aus der Krise zu kommen. Sie können sich setzen. Jetzt rede ich nach meinem Manuskript weiter. - Ich komme zum nächsten Punkt: 500 000 öffentlich geförderte Arbeitsplätze. Meine Güte, das ist ein ganz altes Modell! Das hat früher bei der SED funktioniert; da hat der Staat die Arbeitsplätze angeboten. Wenn der Staat alle Arbeitsplätze anbietet und auch den Lohn bezahlen muss, dann werden wir irgendwann da landen, wo Länder im südlichen Europa leider jetzt schon stehen. Dann werden wir mit Staatsschulden diese Ihrer Meinung nach Heil bringende Arbeit finanzieren, was zu noch höherer Verschuldung und einem noch höheren Defizit führen wird. Unsere Kinder müssen Ihre ungeeigneten, deplatzierten Rezepte dann irgendwann ausbaden. Das kann es nicht sein. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Wir machen das mit Steuern!) - Natürlich, mit Steuern machen Sie das auch. Ich nenne hier nur Ihre Reichensteuer. Aber (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Sie senken ja die Steuer!) so hoch können Sie die Steuer gar nicht ansetzen, dass Ihr Wunschkonzert damit finanziert werden könnte. Ich freue mich auf die noch folgende Begründung Ihrer Arbeitsmarktexpertin Jochimsen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt aber eine Wiederholung!) - Das war die Klammer, Frau Pothmer. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Von wegen Textbausteine!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Ottmar Schreiner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Ottmar Schreiner (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte schon in der ersten Lesung zu dem Antrag der Linkspartei gesprochen und darauf hingewiesen, dass es ein Kernanliegen auch der Sozialdemokraten ist, gute Arbeit in unserem Land durchzusetzen, und dass der Antrag der Linkspartei eine Reihe von brauchbaren Ansätzen enthält, aber auch eine Reihe von Übertreibungen, etwa in Sachen Mindestlöhne. Die entscheidende Frage, wenn wir heute diesen Antrag diskutieren, ist, ob die Realpolitik - Realpolitik ist vor allen Dingen das von der Koalition vorgelegte Sparprogramm - gute Arbeit fördert oder das Gegenteil bewirkt. Ein Autor des vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in dieser Woche vorgelegten Gutachtens zur Einkommensentwicklung sagt dazu: Bei all den Vorschlägen der Bundesregierung zum sogenannten Sparpaket ist kritisch zu beurteilen, dass die bisherigen konkreten Vorschläge ... nur die unteren Einkommensbereiche betreffen. Das gilt vor allen Dingen für Arbeitslose. Es herrscht eine völlig einseitige Schlagseite, nur die unteren Einkommensbereiche sind betroffen, die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes muss unter diesen Bedingungen weiter zunehmen. Mit dieser Angst steigen der Druck und die Bereitschaft, auch Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen hinzunehmen, um den Arbeitsplatz nicht zu verlieren. Die von der Bundesregierung gebetsmühlenhaft vorgetragene Behauptung, die Einschnitte bei den Arbeitslosen erhöhten die Beschäftigungsanreize, ist in Wahrheit eine zynische Formel. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Der Druck auf die Arbeitslosen, Arbeit um jeden Preis, aber wirklich um jeden Preis, zu noch so niedrigen Löhnen anzunehmen, wird nochmals erhöht. Mit einem Anteil von jetzt 23 Prozent haben wir im europäischen Vergleich bereits den größten Niedriglohnsektor. Die prekären Beschäftigungsverhältnisse steigen ständig. Im letzten Jahr, 2009, waren bei allen Neuarbeitsverhältnissen 48 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse zeitlich befristet. Die Ausnahme ist zur Normalität geworden. Der Druck auf die Arbeitslosen wird also zunehmen. Es wird noch mehr Niedriglöhne und noch mehr prekäre Beschäftigung geben. Insofern ist das Sparprogramm der Bundesregierung auch ein Generalangriff auf das Ziel "gute Arbeit". Wer gute Arbeit für die Beschäftigten will, muss Alternativen zum Sparwahn der Bundesregierung aufzeigen. Ich will auf einen Sachverhalt hinweisen, der wenig bekannt ist. Der hohen Staatsverschuldung - die Staatsschulden belaufen sich in Deutschland zurzeit auf circa 1,7 Billionen Euro - steht ein um ein Vielfaches höheres Reinvermögen der privaten Haushalte gegenüber, nämlich nach den Daten der Bundesbank und des Statistischen Bundesamtes circa 8 Billionen Euro. Diese Vermögen konzentrieren sich in immer weniger privaten Händen. Circa 10 Prozent der Bevölkerung verfügen über knapp 70 Prozent des gesamten privaten Vermögens. Dem privaten Reichtum entspricht eine wachsende öffentliche Armut. Die Welt - das ist eine Zeitung, die eher Ihnen nahesteht, meine Damen und Herren von der Koalition - schreibt gestern unter der Überschrift "In den Städten verfällt die Infrastruktur - Klamme Kommunen haben einen Investitionsstau von 75 Milliarden Euro": Marode Straßen, verfallende Häuser, leckende Abwasserleitungen: Deutschlands Infrastruktur verfällt. Denn Städten und Gemeinden fehlen seit Jahren die Mittel, um Verkehrswege, Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Klärwerke zu unterhalten. "Bei den Kommunen hat sich ein Investitionsstau von 75 Mrd. Euro aufgetürmt", hat Busso Grabow vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) errechnet. ... Usw. usf. Also, auf der einen Seite finden wir einen ungeheuren privaten Reichtum, konzentriert in immer weniger Händen, auf der anderen Seite wachsende öffentliche Armut, die den Staat nicht mehr in die Lage versetzt, die notwendigen strukturellen Aufgaben im Bereich der Kindergärten, der Schulen und der Krankenhäuser hinreichend zu realisieren. Die Tatsache, dass diese hochkonzentrierten Vermögen nicht stärker für die Finanzierung unseres Gemeinwesens herangezogen werden und so gleichsam unproduktiv brachliegen, verhindert mehr Wachstum, mehr Beschäftigung und gute Arbeit. Dieser Sachverhalt wird systematisch verschwiegen. Die Alternative ist klar: Würde ein Teil der in privaten Haushalten konzentrierten Vermögen abgeschöpft und investiert, würde sich die Verschuldungslage des Staates deutlich verbessern. Die dadurch entstehende zusätzliche Nachfrage könnte Unternehmen und Arbeitnehmern zugutekommen. Wachstum und Beschäftigung würden zunehmen, ebenso die Produktivität und der damit verbundene Verteilungsspielraum. Die Voraussetzungen für die Durchsetzung guter Arbeit würden sich deutlich verbessern. Das ist die eigentliche Alternative. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Es geht kein Weg daran vorbei, aus ökonomischen und sozialen Gründen große Vermögen in Deutschland stärker zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben heranzuziehen. Eine zusätzliche Finanztransaktionsteuer würde ebenfalls hauptsächlich große Vermögen belasten. Sie würde sinnlose Spekulationen verteuern und helfen, Ersparnisse in Realinvestitionen umzulenken. Da immer von Sozialneid gesprochen wird, wenn wir auf diese extremen Ungleichheiten hinweisen, will ich Ihnen zum Schluss ein Zitat aus dem Handelsblatt vom 26. Mai dieses Jahres vortragen. Die Frage lautet: Die Schuldenkrise des Staates ist aus der privaten Finanzkrise entstanden. Wäre es da nicht gerechtfertigt, die heranzuziehen, die vorher sehr gut verdient haben? Die Antwort lautet: Unbedingt, das ist absolut notwendig. Das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen ist verletzt, und das kann die Demokratie gefährden. In einer anderen Antwort heißt es: Ich denke, dass vor allem die Einkommen aus Vermögen stark zugenommen haben. ... Ich habe durchaus Sympathie für eine erneuerte Vermögensteuer, über die man intensiv nachdenken sollte. Dieses Zitat stammt weder vom Fraktionsvorsitzenden der SPD noch von dem der Linken oder der der Grünen. Dieses Zitat stammt von Herrn Reinhard Marx, Erzbischof von München. Meine Damen und Herren von der Koalition, zumindest von der christdemokratischen Union, Sie sollten die Aufforderung von Herrn Reinhard Marx ernst nehmen. Das wäre die schmerzfreie Alternative zu einem Sparkurs der Bundesregierung, der wieder ausschließlich auf dem Rücken der kleinen Leute stattfindet. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das wäre dann auch sozial ausgewogen und ökonomisch vernünftig, und es wäre, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, dann sogar christliche Politik. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Pascal Kober das Wort. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Pascal Kober (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag "Mit guter Arbeit aus der Krise", den wir heute beraten, enthält eine große Ansammlung sozialpolitischer und arbeitsmarktpolitischer Forderungen der Linken. Frau Kollegin Krellmann, in der Ausschusssitzung am 9. Juni haben Sie dazu sinngemäß gesagt, der Antrag enthalte jede Menge Forderungen der Linken, deshalb würden Sie nicht mit der Zustimmung anderer Fraktionen zu Ihrem Antrag rechnen. Frau Kollegin Krellmann, ich kann Ihnen für die FDP versichern: Damit liegen Sie richtig. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir werden Ihren Antrag ablehnen, und das aus einem übergeordneten Grund. Zusammengefasst gesagt enthält Ihr Antrag eine Ansammlung von Forderungen, die in ihrer Umsetzung eine Konsequenz haben würde: Sie würden um den Arbeitsmarkt herum eine Mauer errichten, die für diejenigen, die sich außerhalb des Arbeitsmarkts befinden, weil sie keine Arbeit haben, un-überwindlich sein würde. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, Sie wollen vielleicht den Menschen helfen. In Wahrheit aber berauben Sie sie ihrer Chancen. Wir hingegen wollen mit unserer Politik den Menschen Chancen auf dem Arbeitsmarkt geben. Wir wollen sie zur Teilhabe an der Gesellschaft befähigen. Wir wollen ihnen den Einstieg bzw. die Rückkehr in den Arbeitsmarkt erleichtern. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie denn?) Auf jeden einzelnen Ihrer Vorschläge einzugehen, verbietet die Kürze der Zeit. (Abg. Sabine Zimmermann [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage - Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch nur eine Redezeitverlängerung!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Zimmermann? Pascal Kober (FDP): Sehr gerne. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Danke schön, Frau Präsidentin. - Herr Kober, Sie wissen sicherlich, dass wir eine Unterbeschäftigung von 4,4 Millionen Menschen haben. Diese 4,4 Millionen Menschen suchen einen guten Arbeitsplatz, auf dem sie einen ausreichenden Lohn bekommen, von dem sie leben und ihre Familie ernähren können. Sie wissen aber auch, dass es laut Stellenstatistik 813 000 offene Stellen gibt. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es werden aber nicht alle offenen Stellen gemeldet!) Von diesen 813 000 offenen Stellen sind ein Drittel in Leiharbeit. Jetzt frage ich Sie: Wo ist dieser Arbeitsmarkt, von dem Sie reden? Wohin können diese Menschen vermittelt werden, und zwar schnell und besser, wie Sie es mit dem Jobcenter ohnehin wollen? (Beifall bei der LINKEN) Pascal Kober (FDP): Frau Kollegin, wenn der Arbeitsmarkt so statisch wäre, wie Sie ihn jetzt beschreiben, dann hätten auch Sie mit Ihrer Politik Schwierigkeiten, die Menschen in Arbeit zu vermitteln. Zunächst einmal gilt, dass nicht alle offenen Stellen gemeldet werden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Seit 30 Jahren!) Zum Zweiten müssen wir durch eine kluge Bildungspolitik sowie durch eine kluge Finanz- und Wirtschaftspolitik natürlich dafür sorgen, dass zum einen die Menschen gestärkt werden und zum anderen die Wirtschaft gestärkt wird, damit Arbeitsplätze entstehen. Mit unserer Politik sind wir auf einem guten Weg dahin, dass mehr Arbeitsplätze entstehen. Das ist unsere Hoffnung, und daran arbeiten wir mit voller Kraft. - Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) In der Kürze der Zeit möchte ich nicht auf alle Ihre Forderungen eingehen. Ich möchte aber ein Beispiel hervorheben, um meine These zu bestätigen. Im Grunde genommen möchten Sie die Zeitarbeit abschaffen. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Nein!) Sie fordern gleichen Lohn für gleiche Arbeit ab dem ersten Arbeitstag, ohne jegliche Ausnahme. Sie fordern, dass die Verleihdauer auf maximal drei Monate beschränkt wird. Zudem wollen Sie nicht nur gleichen Lohn für gleiche Arbeit; Sie wollen darüber hinaus, dass Leiharbeitskräfte zusätzlich eine Flexibilitätsprämie erhalten. Im Ergebnis würde das dazu führen, dass die Zeitarbeit beerdigt wird. (Zuruf von der FDP: Das wollen die ja! - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Eingegrenzt wird!) Wir wissen, dass die Zeitarbeit für viele Menschen durchaus eine Möglichkeit ist, in den Arbeitsmarkt zu kommen und dort Fuß zu fassen. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Ungefähr 15 Prozent! 85 Prozent nicht!) Wir wissen aufgrund von Statistiken, Herr Kollege, dass 62,2 Prozent der Menschen, die in Zeitarbeitsunternehmen eingestellt werden, vorher nicht gearbeitet haben. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) Wir wissen, dass 11,4 Prozent der Menschen vorher sogar überhaupt noch nie gearbeitet haben. Wir wissen, dass ein Fünftel bis ein Viertel der Personen, die in Zeitarbeitsunternehmen arbeiten, in den Unternehmen, in die sie entliehen werden, dann auch Fuß fassen und dort bleiben. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Klebeeffekt! - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Unter einem Fünftel!) Wir wissen, dass es etwa einem Fünftel der Menschen, die in Zeitarbeit arbeiten, gelingt, nach einem gewissen Zeitraum in anderen Unternehmen dauerhaft in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu kommen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir wissen das jedenfalls! - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: 80 Prozent schaffen es nicht!) Es ist klar, dass wir den Missbrauch in der Zeitarbeit angehen werden. Das haben wir als Koalition hier einmütig schon gesagt. Das Bundesarbeitsministerium ist dabei, mit den Regierungsfraktionen entsprechende Lösungen zu erarbeiten. Insofern, glaube ich, ist es ein Fehler von Ihnen, dass Sie die Zeitarbeit in der Form, wie Sie es machen, beerdigen wollen. Einen zweiten Aspekt des Antrags möchte ich noch ansprechen. Sie sprechen sich für die Abschaffung der sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse aus, mit dem Argument, dass Menschen mit befristeten Arbeitsverträgen keine Lebensplanung vornehmen können. Ich möchte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei, an das erinnern, was mein Kollege Kolb in der letzten Woche hier im Hohen Hause dargelegt hat, dass nämlich auch all unsere Mitarbeiter, die Mitarbeiter von uns Bundestagsabgeordneten, befristete Arbeitsverträge haben (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das ist ja sachlich begründet!) und dennoch viele Familien gründen und Kinder bekommen. Es ist eine befristete Arbeit, (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: So wie unsere Verhältnisse auch befristet sind!) und die Zukunft ist über die vier Jahre hinaus nicht zu planen. Insofern ist Ihr Argument nicht richtig. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Es geht um "sachgrundlos"!) Viele Unternehmen können die wirtschaftliche Entwicklung nicht abschätzen und müssen auf die Flexibilität, die ihnen befristete Arbeitsverhältnisse ermöglichen, zurückgreifen. Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass auch beim DGB, beim Deutschen Gewerkschaftsbund, 17 Prozent der Arbeitsverhältnisse befristet sind. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hört! Hört!) Was für den DGB vielleicht richtig ist, kann doch auch für andere gelten. Ich sage Ihnen, wie er argumentiert - ich zitiere -: Um langfristig Personalüberhänge zu vermeiden, werden seit 2004 Beschäftigte grundsätzlich nur noch befristet eingestellt. So der DGB zu seiner eigenen Arbeitsmarktpolitik. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das ist auch nicht in Ordnung!) Ich möchte den DGB da nicht kritisieren, aber darauf hinweisen, dass auch andere diese Notwendigkeit so sehen wie wir. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Nicht überzeugend!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Lukrezia Jochimsen für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Fraktion Die Linke stellt heute den Antrag "Mit guter Arbeit aus der Krise" zur Abstimmung, weil wir in der Tat der Meinung sind, dass sich unser Land nur durch Arbeit aus der Krise, in der es sich jetzt befindet, wird befreien können, und zwar durch gute Arbeit. "Gute Arbeit" bedeutet nicht Niedriglohnarbeit, wie sie heute von 6,5 Millionen Beschäftigten geleistet werden muss, für 3,06 Euro in der Friseurbranche oder für 4,50 Euro in der Fleischbranche. "Gute Arbeit" heißt auch nicht: Leiharbeit, Teilzeitarbeit, Minijobs, sogenannte Solo-Selbstständigkeit. Das sind die uns allen bekannten prekären Beschäftigungsformen, deren Zahl immer mehr zunimmt. Wir wissen auch genau, wozu sie geführt haben. Eine ganz aktuelle Erhebung des Thüringer Landesamtes für Statistik weist aus: In einem Drittel aller Thüringer Haushalte hat der Hauptverdiener - der Hauptverdiener! - am Monatsende weniger als 1 300 Euro netto für die Familie, inklusive BAföG und Kindergeld. Hochqualifizierte Künstler und Kreative mit einem 14-Stunden-Arbeitstag haben am Ende des Jahres durchschnittlich ein Einkommen von 11 000 Euro, das nichts übrig lässt für Krankheits- und Altersvorsorge. So darf es doch nicht weitergehen. (Beifall bei der LINKEN) Diese Entwicklung, immer tiefer hinein in einen Teufelskreis aus Armut und Ängsten in der Bevölkerung, muss jetzt endlich aufgehalten werden. (Beifall bei der LINKEN) Daher fordern wir eine Rückkehr zu guter Arbeit, die es schließlich einmal gab in unserem Land und die das Land insgesamt auch wohlhabend gemacht und befriedet hat. Das ist ja nichts Unbekanntes für uns. Wir hatten dieses Gut "gute Arbeit" in unserer Gesellschaft. Aber was geschieht jetzt mitten in dieser schwersten wirtschaftlichen Krise? Wird den Menschen herausgeholfen aus dem Teufelskreis? Nein, und nochmals Nein! Ein Sparpaket wird geschnürt, das nur die sozial Schwachen heranzieht, die Arbeitslosen, die Alleinerziehenden. Für meine Fraktion sage ich hier: Das ist gewissermaßen eine Kampfansage an die Menschen, die am wenigsten zum Leben haben. Diese Kampfansage werden wir annehmen. Damit lassen wir Sie nicht durchkommen! Auf gar keinen Fall! (Beifall bei der LINKEN) Auch die Betroffenen werden das nicht einfach hinnehmen. Es gibt so viele Menschen, die diese soziale Schieflage des Sparpakets als absolut ungerecht empfinden: Gewerkschaften, Kirchen, Sozialverbände formulieren diese Ablehnung bereits massiv. Das Volk hält vom Sparpaket nichts. Weil sich auch immer mehr Menschen aus der sogenannten bürgerlichen Mitte der Gesellschaft - da könnten die Kollegen von der FDP einmal zuhören - Sorgen um das Ganze machen, irren Sie nämlich doppelt, wenn Sie glauben, Sie werden à la longue damit durchkommen. Das Bürgertum hat über Generationen ein paar Grundsätze bewahrt. Dazu gehören das Streben nach Ausgleich in der Gesellschaft, nach Hebung des allgemeinen Wohlstands und, wie Heribert Prantl unlängst in der Süddeutschen schrieb, das Verursacherprinzip, also der Gedanke, dass die Suppe auszulöffeln hat, wer sie eingebrockt hat. (Beifall bei der LINKEN) Sie aber, meine Damen und Herren von der Regierung, handeln längst nach einem anderen Prinzip, dass nämlich diejenigen die Suppe auszulöffeln haben, denen sie eingebrockt worden ist. Das wird nicht hingenommen, auch vom Bürgertum nicht. (Beifall bei der LINKEN) Ihre eigenen Ministerpräsidenten melden sich kritisch zu Wort. So hat zum Beispiel die thüringische Ministerpräsidentin Lieberknecht die Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger mit den Worten abgelehnt: "Das Schicksal der meisten Hartz-IV-Empfänger ist schon schwer genug." Die Regierung "sollte nicht auch noch den Eindruck erwecken, sie seien nicht in der Lage, ihre Kinder selbst zu erziehen", indem sie sage, das eingesparte Elterngeld werde für Bildungsangebote ausgegeben. Worte einer CDU-Ministerpräsidentin. Man kann Frau Merkel nur raten: Bitte hören Sie doch darauf, wenn Sie schon nicht auf die Linke hören wollen. (Beifall bei der LINKEN) Heute ist der 17. Juni. Ich bin alt genug, mich an die Ereignisse zu erinnern, und es ist gut, dass wir ihrer gedenken. Gesine Schwan hat heute Morgen hier im Parlament eine bemerkenswerte Gedenkrede gehalten und den Appell an uns gerichtet, Lehren aus der Geschichte zu ziehen - wohl wahr! Eine der Lehren der Geschichte ist, dass sich die Arroganz der Mächtigen, selbst der Regierenden, böse rächen kann. (Beifall bei der LINKEN) Als Mahnung darf ich Ihnen einige Zeilen von Bertolt Brecht zitieren: Nach dem Aufstand des 17. Juni Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbandes In der Stalinallee Flugblätter verteilen Auf denen zu lesen war, daß das Volk Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe Und es nur durch verdoppelte Arbeit Zurückerobern könne. Wäre es da Nicht einfacher, die Regierung Löste das Volk auf Und wählte ein anderes? Bertolt Brecht, 1953. (Beifall bei der LINKEN) Es gibt einen untrüglichen Indikator dafür, wie eine Gesellschaft verfasst ist: Das ist die Art und Weise, wie sie mit ihren Künstlerinnen und Künstlern, den kreativen Menschen umgeht. Wer vor Jahren, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, die Konzertgeiger von daher auf unseren Straßen um Almosen spielen sah und hörte, der wusste genug über das Elend in deren Heimat. Und bei uns? Da haben es die Regierungen, nicht nur die jetzige, so weit gebracht, ein beachtliches Kultur- und Kunstprekariat hervorzubringen. Wir werden alle dafür zahlen müssen: die für ein Butterbrot arbeitenden Kreativen als Erste und wir durch einen Kulturverlust, einen Verlust an Lebensqualität. Am Ende aber werden auch die, die dafür die Verantwortung tragen, die Rechnung präsentiert bekommen. Da bin ich ganz sicher. (Beifall bei der LINKEN) Wie heißt es, wenn es um die Banken geht? Too big to fail - zu groß, um sie untergehen zu lassen - oder, wie es begründet wurde, die Banken seien systemimmanent. Das war und ist Ihre Wahrheit in der Krise. Meine Wahrheit, meine Maxime ist eine andere: Ich sehe die Menschen in unserem Land und sage über jeden Einzelnen: zu wertvoll, um auf sie oder auf ihn zu verzichten. (Beifall bei der LINKEN) Ihre oder seine Teilhabe - sei es durch Lohnarbeit oder soziales Tun in der Familie, durch kulturelle Beiträge oder politisches Engagement oder einfach nur durch ihr oder sein Dasein in Würde, als stolzer Mitmensch - ist für mich zu wertvoll, als dass wir darauf einfach verzichten könnten. Wir sind nichts mehr, wenn wir diesen Impuls verlieren. Darum stellen wir heute einen Antrag, der gute Arbeit zum Ziel politischen Handelns macht und damit ein gutes Leben in dieser Gesellschaft ermöglicht, gutes Leben anstelle wachsender Armut einerseits und schwindelerregender Zunahme von Reichtum andererseits. Ich frage: Wer will eigentlich in einem so in Reich und Arm auseinanderklaffenden Land leben? Sie hier doch sicherlich nicht. Davon gehe ich aus. (Beifall bei der LINKEN) Dann setzen Sie doch einmal ein kleines Zeichen und stimmen für gute Arbeit, damit gutes Leben wieder ins Land kommt und damit die Menschen sehen: Angesichts der Krise und der Nöte so vieler Menschen im Land geht es uns hier im Bundestag nicht nur um die Ausgrenzung der Linken, um Fraktionsdisziplin und Rituale. Das wäre systemimmanent, und das wäre jetzt angebracht. Ich danke Ihnen. (Anhaltender Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Müller-Gemmeke für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe schon in der ersten Lesung gesagt, dass uns das Thema "gute Arbeit" wichtig ist. Es ist mir so wichtig, dass ich es hier nicht wie ein Kapitel aus einem Wahlprogramm behandeln möchte. An manchen Stellen ist der Antrag der Linken überzogen, beispielsweise bei der Mitbestimmung. Auch wir wollen die Mitbestimmung stärken. Aber uns geht es um gleiche Augenhöhe und um einen Interessensausgleich zwischen Unternehmen und Beschäftigten. Kritisiert habe ich an dem Antrag auch schon, dass ein Überbietungswettbewerb bei der Höhe des gesetzlichen Mindestlohns stattfindet. Im Moment geht es aber erst einmal darum, dass überhaupt ein Mindestlohn eingeführt wird. Wir brauchen ein starkes, breit aufgestelltes Bündnis, um Druck machen zu können. Wir sollten an einem Strang ziehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kurzum: Der Antrag beinhaltet einige Forderungen, die wir nicht mittragen können. Es gibt aber auch viele Forderungen, denen wir zustimmen. Deshalb werden wir den Antrag nicht ablehnen, sondern werden uns enthalten. Zu den Regierungsfraktionen. Ich appelliere an Sie, nicht weiter die Augen vor der Realität zu verschließen. Herr Lehrieder, der Wandel in der Arbeitswelt ist unübersehbar. Die Arbeit wird nun zunehmend atypisch, prekäre Beschäftigung nimmt zu. Viele Menschen erleben tagtäglich eine Arbeitswelt, die aufreibender und unsicherer wird, und viel zu viele Menschen arbeiten und können dennoch nicht von ihrem Lohn leben oder müssen jeden Euro dreimal umdrehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dennoch vertreten viele aus den Regierungsfraktionen noch immer die Meinung, dass sozial ist, was Arbeit schafft; aber damit sind Sie schlichtweg auf dem Holzweg. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Sozial ist nur, was gute Arbeit schafft, und für uns Grüne ist gute Arbeit untrennbar mit Anerkennung, Respekt und Wertschätzung verbunden. Gute Arbeit bedeutet Mitbestimmung, Teilhabe, faire Löhne, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Entgeltgleichheit, familienfreundliche Bedingungen und vor allem soziale Sicherheit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE]) Sie aber nehmen die Sorgen der Beschäftigten nicht ernst. Sie sind bei diesen Themen taub und reden in der Regel der Wirtschaft das Wort. Sie haben schlichtweg keine Vision von guter Arbeit. Dies möchte ich an einigen Beispielen ausführen: 47 Prozent der neuen Beschäftigungsverhältnisse sind befristet. Das erschwert die Lebensplanung der betroffenen Menschen erheblich. Sie aber ignorieren das. Sie wollen den Arbeitsmarkt sogar noch weiter flexibilisieren. Dagegen kann ich heute schon Widerstand ankündigen. Wir wollen die befristete Beschäftigung reduzieren, indem wir die sachgrundlose Befristung abschaffen und den Katalog der Befristungsgründe auf den Prüfstand stellen. Befristete Beschäftigungsverhältnisse halten wir ebenfalls für problematisch, weil damit der Kündigungsschutz umgangen wird. Wir wollen eine Balance zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und denen der Arbeitgeber. Deswegen ist der Kündigungsschutz untrennbar mit dem Thema gute Arbeit verbunden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In diesem Sinne kann es auch nicht sein, dass Beschäftigte wegen sogenannter Bagatelldelikte einfach gekündigt werden. Wir fordern deswegen in unserem Antrag, dass endlich die Abmahnungspflicht bei Bagatelldelikten eingeführt wird. Dies würde Beschäftigte gerade jetzt in der Krise schützen, denn bei diesen Fällen geht es für die Betriebe um Bagatellbeträge; aber für die Menschen geht es um ihre Existenz. (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Bedenken Sie das Betriebsklima!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lehrieder? Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Bitte sehr. Paul Lehrieder (CDU/CSU): Frau Kollegin Müller-Gemmeke, Sie haben gerade ausgeführt, dass wir nur die Interessen der Wirtschaft im Hinterkopf haben, Sie aber die Interessen der Arbeitnehmer. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Regel, ja!) Teilen Sie die Auffassung, dass in der Wirtschaft - ich verstehe jetzt unter der Wirtschaft auch die kleinen mittelständischen Unternehmen oder die Unternehmen schlechthin - zuerst ein Unternehmen vorhanden sein muss, bevor man überhaupt erst einmal Arbeit bekommen kann, dass auch die Arbeitgeber hierbei mit ins Boot genommen werden müssen, die die Arbeit bereitstellen können, damit der Arbeitnehmer überhaupt eine Chance hat, einen Job zu bekommen? (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, natürlich!) Oder wie sehen Sie das? Wer gibt bei Ihnen die Arbeit, wenn nicht die Wirtschaft? Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich verstehe, ehrlich gesagt, Ihre Frage nicht ganz. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist das Problem! - Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Die Linken sagen 500 000!) - Ich habe eben auch "in der Regel" gesagt, und ich habe vorhin auf die Mitbestimmung verwiesen. Es geht immer um eine Balance zwischen den Unternehmen und den Arbeitnehmern, es geht immer um Balance beim Kündigungsschutz, und das sehe ich bei den Bagatellkündigungen durchaus so, denn da ist die Balance auf jeden Fall nicht gegeben, wenn man wegen 80 Cent oder 1,30 Euro eine Arbeit verlieren kann, nachdem man 30 Jahre dort gearbeitet hat. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Wie hoch setzen Sie die Grenze an?) Das Bundesarbeitsgericht hat uns momentan bei dem Fall Emmely recht gegeben. Von daher geht es um Balance, und ich denke nicht, dass wir mit unserer Haltung die kleinen Unternehmen oder auch größere Unternehmen wirklich schädigen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Max Straubinger [CDU/CSU]: Bis zu welchem Betrag ist Diebstahl tolerabel?) Um gute Arbeit geht es natürlich auch bei der Leiharbeit. Der Missbrauch bei der Leiharbeit ist ja bekannt. Bekannt ist auch, dass Stammbelegschaften durch Leiharbeitskräfte ersetzt werden. Das Instrument Leiharbeit wird auch für Lohndumping benutzt. Lange, viel zu lange hat das Ministerium geprüft. Wie man jetzt hört, sollen wieder einmal nur kosmetische Korrekturen vorgenommen werden. Das reicht uns nicht aus. Wir wollen die Leiharbeit wirklich regulieren. Das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" muss endlich umgesetzt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In Bezug auf den Niedriglohnbereich muss ebenfalls endlich etwas getan werden. Sie wissen es: 5 Millionen Menschen arbeiten für weniger als 8 Euro, 1 Million sogar für weniger als 5 Euro pro Stunde. Und was macht die FDP? Sie versucht sogar noch, hart verhandelte Mindestlöhne zu blockieren und zu befristen. Stellen Sie sich endlich der Realität und führen Sie endlich einen gesetzlichen Mindestlohn und mehr branchenspezifische Mindestlöhne ein! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was jetzt? Entweder oder!) Damit würden Sie mehr als zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Beschäftigten hätten endlich einen auskömmlichen Lohn, der Staat weniger Sozialausgaben, die Sozialversicherungen mehr Einnahmen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dass dabei auch Arbeitsplätze verloren gehen könnten, sehen Sie anscheinend nicht!) Herr Schäuble hätte mehr Geld in der Kasse, und Sie könnten die unsozialen Einsparungen bei den Schwachen in der Gesellschaft aussetzen, was Sie übrigens auf jeden Fall tun sollten. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN) Ich komme nochmals auf das Thema "Sozial ist, was Arbeitsplätze schafft" zu sprechen. Das impliziert, dass Arbeitsplätze entstehen sollen. Das wollen auch wir. Arbeitsplätze entstehen aber nicht durch mehr Flexibilisierung. Sie entstehen nicht durch ein Weniger an Kündigungsschutz oder ein Mehr an Leiharbeit. Arbeitsplätze entstehen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist wahr! Sagen Sie mal etwas zu den Rahmenbedingungen!) In diesem Sinne empfehle ich Ihnen: Verbinden Sie endlich Beschäftigung mit Ökologie, und zwar nicht nur in Sonntagsreden! Machen Sie endlich eine konsequente Klimaschutzpolitik! Dann entstehen in der Folge überall im Land neue und sichere Arbeitsplätze in den Bereichen Energie und Mobilität und auch im Bausektor. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mein Fazit ist also: Machen Sie endlich eine Politik für die Beschäftigten und nicht nur für diejenigen, die sich sowieso auf der Sonnenseite des Lebens befinden. Auch in der neuen DIW-Studie zeigt sich der Trend - Kollege Schreiner hat es gerade ausgeführt -: Unsicherheit und Angst breiten sich immer weiter aus. Diese Unsicherheit wird durch Ihr ungerechtes Sparpaket natürlich noch verschärft. Umso wichtiger ist es jetzt für die Menschen, dass Beschäftigung ein Mindestmaß an Sicherheit bietet und Arbeit fair entlohnt wird. Beschäftigte, die gut behandelt und wertgeschätzt werden und die ihre Stellung im Betrieb als sicher ansehen, sind übrigens motivierter und engagierter. Sie identifizieren sich mit ihrer Arbeit, und das kann eigentlich nur gut für unsere Wirtschaft sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gerade jetzt, in der Krise, kann das gemeinsame Projekt "Gute Arbeit" Orientierung geben und einen solidarischen Ausweg aus der Krise aufzeigen. Was aber machen Sie? Sie streiten sich in der Koalition mittlerweile um fast jedes Thema schrill und öffentlich, als drehe sich die Welt momentan nur um Ihre Koalition. Für Sie steht momentan nicht der Zusammenhalt in der Gesellschaft im Mittelpunkt, sondern ausschließlich der Zusammenhalt in der Koalition. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Bei Rot-Grün gab es auch nicht nur Harmonie! Wir mögen uns!) Dazu kann ich nur sagen: Noch nie war die Empathie der Verantwortlichen einer Regierung für das Land und die Menschen so gering. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun das Wort die Kollegin Gitta Connemann. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gitta Connemann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Dr. Jochimsen, wenn dieser Auftritt gerade Ihre Bewerbungsrede für das Amt der Bundespräsidentin gewesen sein sollte, (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Dann wählen wir Wulff! - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann wähle ich Wulff!) stelle ich fest: Sie haben Ihr Ziel verfehlt. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wie kann man denn so arrogant sein!) Denn spätestens nach diesem Beitrag sollte dem Letzten in diesem Haus bewusst sein, dass Ihre Bewerbung eines nicht ist: ernst gemeint. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie haben einen einzigen Satz gesagt, den ich absolut unterstreichen kann - er stammt aus Ihrem Antrag; ich zitiere -: "Gute Arbeit muss das Ziel politischen Handelns sein." Wer von uns wollte dieser Feststellung widersprechen? (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Durch Ihr politisches Handeln!) Niemand! Denn wir alle wünschen uns genau das. Die Menschen sollen eine aus ihrer Perspektive möglichst gute Arbeit haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die entscheidende Frage lautet aber: Was ist eine gute Arbeit? (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und wer schafft die?) Ihre Antwort, meine Damen und Herren von der Linken: Nur die unbefristete Vollzeitarbeit ist eine gute Arbeit. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Gut bezahlte!) Erkennen Sie eigentlich, was Sie damit tun? Damit kanzeln Sie die Arbeit von Teilzeitbeschäftigten, Selbstständigen, befristet Beschäftigten und auch Zeitarbeitnehmern ab. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch nicht!) Diese alle haben, ginge es nach Ihnen, schlechte Arbeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Haben Sie sich einmal Gedanken darüber gemacht, wie sich diese Beschäftigten bei Ihrer Wortwahl - "atypisch" oder gar "prekär" - fühlen müssen? Ich frage Sie: Was ist an einer Teilzeitkraft atypisch oder prekär, wenn sie sich für Familie und Beruf entscheidet? (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Genau um die geht es nicht, sondern um die, die Sie dahin zwingen!) Was ist an einer Selbstständigen atypisch oder prekär, wenn sie hoffnungsvoll eine neue Existenz gründet? (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber genau um die geht es nicht!) Was ist an einer Zeitarbeitnehmerin atypisch oder prekär, wenn sie wechselnde Arbeitsorte in Kauf nimmt, um einen Vollzeitjob zu haben? Was sagen eigentlich Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, meine Damen und Herren von den Linken? Sie haben nämlich - wie all unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - befristete Arbeitsverträge bis zur nächsten Wahl, also nach Ihrer Wortwahl "schlechte Arbeit". (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben schlechte Arbeitgeber! - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie haben keine Ahnung! Wir sind alle hier befristet!) Meine Damen und Herren von der Linken, Ihre Klassifizierung ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen; sie ist ein Zeichen von Arroganz und fehlender Sachkenntnis. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie sollten Ihr befristetes Verhältnis beenden!) Anstatt in Kategorien des Klassenkampfs zu denken, sollten Sie sich der Wirklichkeit stellen. Sprechen Sie nicht über die Beschäftigten, sondern sprechen Sie mit den Beschäftigten! (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Machen Sie das mal!) Dann würden Sie erfahren: Gute und schlechte Arbeit lassen sich nicht an Kategorien wie "typisch" oder "atypisch", "Vollzeit" oder "Teilzeit", "selbstständig" oder "angestellt", "befristet" oder "unbefristet" festmachen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin, Herr Kollege Schreiner würde gerne eine Zwischenfrage stellen. Gitta Connemann (CDU/CSU): Sehr gerne. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Bitte sehr. (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Schalten Sie das Mikrofon ein, damit man Ihre lichtvollen Bemerkungen auch hört!) Ottmar Schreiner (SPD): Nach dieser "lichtvollen Bemerkung" des bayerischen Kollegen wollte ich Sie fragen, ob Sie erstens bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund seit drei Jahren Untersuchungen zu der Frage veröffentlicht, was Menschen unter guter Arbeit verstehen, und dass laut Ergebnis dieser Untersuchungen 98 Prozent von vielen Tausend Befragten sagen: Gute Arbeit ist ein auf Dauer angelegtes Vollzeitbeschäftigungsverhältnis mit einem möglichst existenzsichernden Einkommen. Sind Sie zweitens bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es eine Reihe von Untersuchungen gibt, wonach viele Menschen, die Teilzeit arbeiten, eigentlich einen Vollzeiterwerbsplatz anstreben, notgedrungen aber auf Teilzeit gehen, weil sie keinen Vollzeitarbeitsplatz bekommen? Natürlich gibt es auch Menschen - das ist zugestanden -, die, meistens vorübergehend, einen Teilzeitarbeitsplatz beanspruchen, um die Vereinbarkeit von familiären und beruflichen Lasten besser zu koordinieren. Gitta Connemann (CDU/CSU): Nein, Herr Kollege Schreiner, ich bin nicht bereit, das zur Kenntnis zu nehmen. (Anette Kramme [SPD]: Dann kann man nur sagen: verbohrt!) Ich darf Ihnen auch die Begründung geben. Sie haben sehr pauschal Untersuchungen zum Thema Teilzeitbeschäftigung zitiert. (Ottmar Schreiner [SPD]: Eine pauschale Unverschämtheit! - Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht pauschal!) Ich kann Ihnen demgegenüber eine sehr konkrete Zahl des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln nennen, das festgestellt hat: Von 9 Millionen Teilzeitbeschäftigten wünschen 7 Millionen genau diese Teilzeitbeschäftigung; (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2 Millionen aber nicht!) nur 2 Millionen Menschen weichen auf Teilzeit aus, weil sie keine Vollzeitstelle finden. Das heißt, 7 Millionen von 9 Millionen Menschen wünschen sich dieses Modell, um ihren eigenen Lebensentwurf verwirklichen zu können. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. Es hilft, mit den Menschen zu sprechen. Das würde ich Ihnen empfehlen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie sollten sich nicht auf Untersuchungen zurückziehen; denn sie bestätigen Ihre Aussagen nicht. Zum Beispiel ist die soziale Absicherung von Selbstständigen nicht minderwertig, nur weil Selbstständige keine Pflichtmitglieder der gesetzlichen Sozialversicherung sind. Ebenso haben Zeitarbeitnehmer in der Regel einen unbefristeten Vollzeitvertrag mit dem vollen gesetzlichen Kündigungsschutz, allen Arbeitnehmerschutzrechten und allen vier Zweigen der Sozialversicherung. Auch können Teilzeitkräfte durch eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit ihre Lebensentwürfe verwirklichen, weil sie so zum Beispiel mehr Zeit mit Kindern verbringen können. Gerade diese Erwerbsformen haben den Arbeitsmarkt in den letzten Jahren aus der Krise geführt; denn in der Regel heißt die Alternative in der Praxis: Arbeit oder Arbeitslosigkeit. Da fällt unsere Antwort, die Antwort der christlich-liberalen Koalition, sehr deutlich aus: Vorfahrt für Arbeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Hier sind wir erkennbar auf dem richtigen Weg. 2005 lag die Zahl der Arbeitslosen noch über der 5-Millionen-Marke; heute, einige Jahre später, liegt die Marke trotz der schlimmsten Wirtschaftskrise, die unser Land je erlebt hat, bei 3,2 Millionen Arbeitslosen. Das heißt, 1,8 Millionen Menschen haben Arbeit gefunden und damit eine Perspektive. (Zuruf von der LINKEN: Falsche Zahlen!) Einer der Gründe für diese positive Entwicklung waren die Reformen der Agenda 2010. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das will bei der SPD keiner mehr wahrhaben!) Damals haben Rot und Grün die Weichen für mehr Beschäftigung gestellt; denn sie haben die flexiblen Erwerbsformen, wie wir sie heute haben - mehr Selbstständigkeit, mehr Teilzeit, mehr Befristung und mehr Zeitarbeit -, erst ermöglicht. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Rot-Grün hatte den Niedriglohnsektor in Deutschland eingeführt!) Verteidigen Sie diese Erfolge mit uns, meine Damen und Herren von Rot und Grün; denn die Linken wollen jetzt eine Abschaffung all Ihrer Errungenschaften immer wieder mit derselben Behauptung, es seien massenhaft Vollzeitarbeitsstellen in Billigjobs umgewandelt worden. (Zuruf von der LINKEN: Ja klar!) Das Gegenteil ist richtig. Ich habe bereits in der letzten Woche darauf hingewiesen: Schauen Sie sich die Zahlen des Statistischen Bundesamtes an! (Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Ja, genau!) Die Zahl der unbefristeten Vollzeitjobs hat sich in den letzten zehn Jahren bei rund 20 Millionen eingependelt. In derselben Zeit ist die Zahl der Erwerbstätigen aber um 2,7 Millionen angestiegen. Es wurde also zusätzliche Arbeit geschaffen, weil viele flexible Stellen entstanden sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Diese Stellen sind ein Sprungbrett, zuerst in Arbeit, dann in eine unbefristete Ganztagsbeschäftigung. Davon haben insbesondere Geringqualifizierte profitiert: Das sind Menschen ohne Schulabschluss, ohne Ausbildung und damit eigentlich ohne Chance. Wenn wir Ihrem Antrag folgen würden, meine Damen und Herren von der Linken, würden wir diesen Menschen jede Chance rauben. Das ist eine zutiefst unsoziale Politik. Eine solche Politik ist mit uns nicht zu machen. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Josip Juratovic. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Josip Juratovic (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Überschrift des Antrags, über den hier diskutiert wird, lautet "Mit guter Arbeit aus der Krise". Es werden verschiedene Lösungsangebote aufgezeigt, die Beiträge zu mehr sozialer Gerechtigkeit leisten sollen, allerdings alle auf der Basis der Umverteilung. Doch um aus der gegenwärtigen Krise zu finden, gehört mehr dazu. Mehr Umverteilung ist noch lange nicht Gerechtigkeit. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Richtig!) So wird zum Beispiel auch bei den Linken die Zeitarbeit hingenommen. Ja, Herr Kober, auch ich bin der Meinung, dass die Zeitarbeit an sich für die Betroffenen eine Chance sein kann. Jedoch ist die Zeitarbeit im Vergleich zur Festanstellung eine Ungerechtigkeit. Das gilt nicht nur für die Entlohnung. Zeitarbeiter werden auch außerhalb des Arbeitslebens stigmatisiert. Wenn beispielsweise jemand einen Kredit haben möchte, wird ihm dieser verwehrt, wenn er als Zeitarbeiter keine unbefristete Anstellung vorweisen kann. Frau Connemann, Sie wollen die Partei der Familienfreundlichkeit sein. Ich denke, mit dieser Perspektive ist es nicht gerade ermutigend, eine Familie zu gründen. Ja, wir befinden uns in einer Krise. Mehr soziale Gerechtigkeit kann die Auswirkungen der Krise bei den Betroffenen schmerzlindernd gestalten. Um jedoch aus der gegenwärtigen Krise zu kommen, müssen wir neue Antworten auf die Frage finden, wie wir den Menschen eine Zukunft bieten. Die Menschen sind verunsichert. Zwar haben die meisten Menschen das Gefühl, dass es ihnen aktuell gut geht, aber keiner weiß, wie lange noch. Vor allem junge Menschen haben die Sorge, ob sie Arbeit bekommen und unter welchen Bedingungen sie arbeiten müssen. Es herrscht Orientierungslosigkeit, und vor allem schwindet das Vertrauen in den Zusammenhalt der Gesellschaft und auch in die Politik. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben verschiedene Krisen zu bewältigen, und wir müssen dafür sorgen, das Vertrauen bei den Menschen, dass es in unserer Gesellschaft gerecht zugeht, wieder herzustellen. Da ist einerseits die Wirtschafts- und Finanzkrise, aber es gibt auch eine Krise in der Arbeitswelt, und zwar nicht nur hinsichtlich des Umgangs mit Umwelt und Ressourcen, sondern auch hinsichtlich der betrieblichen Strukturen. So haben wir in zahlreichen Betrieben zum Beispiel vier Klassen von Arbeitnehmern: Da sind erstens die Festangestellten, da sind zweitens die Neueinsteiger, da sind drittens die Beschäftigten im indirekten Bereich, und da sind viertens die Zeitarbeiter, die befristet Beschäftigten und die Praktikanten. Das ist gelebte Entsolidarisierung in den Betrieben. Natürlich müssen wir schauen, wie wir die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten steigern können. Leistungsdruck und Entsolidarisierung führen allerdings nur zu kurzfristigem Profit. Für nachhaltiges Wirtschaftswachstum, das auch unserer Gesellschaft Nutzen bringt, benötigen die Beschäftigten in erster Linie Motivation und Sicherheit. Doch wir haben auch eine Gesellschaftskrise. Unsere Gesellschaft, die auf Solidarität und Zusammenhalt aufgebaut ist, leidet zunehmend darunter, dass bei vielen Menschen der Ellenbogen zum wichtigsten Körperteil geworden ist. Die Werte, die unsere Gesellschaft lange Zeit ausgemacht haben, werden zunehmend ignoriert. (Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: So ist es!) Es besteht der Eindruck, dass Fleiß, Ehrlichkeit und Anstand sich nicht mehr lohnen. Der Ellenbogen hingegen ist salonfähig geworden. Leider muss ich feststellen, dass die Regierungspolitik das Spiegelbild einer Ellenbogengesellschaft geworden ist. Wenn ich das sogenannte Sparpaket betrachte, stelle ich fest, dass dabei sehr viel Ellenbogen im Spiel ist. Ich habe den Eindruck, dass die Regierung nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben handelt und vergisst, dass es die ureigene Aufgabe der Politik ist, für alle Bürgerinnen und Bürger da zu sein. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Die vermeintlichen Einsparungen gehen ausschließlich auf Kosten der Schwächsten in unserer Gesellschaft. Dieses sogenannte Sparpaket ist Ausdruck der Unfähigkeit und Ideenlosigkeit der gegenwärtigen Regierung. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Es führt dazu, dass die Politik zunehmend das Vertrauen der Menschen verliert, und es bringt die ganze Gesellschaft in die Gefahr, nach irgendwelchen Heilsbringern zu rufen. Der Staat muss das Vertrauen und die Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Um die Zukunft zu gestalten, brauchen wir einen offenen Dialog auf allen Ebenen unserer Gesellschaft. Nur so finden wir den Weg aus der Krise. Wir Sozialdemokraten laden dazu ein, diesen Dialog über die Zukunft des Arbeitslebens und der Gesellschaft in Deutschland, in Europa und in der Welt zu führen. Wir wollen keine voreiligen und von oben aufgesetzten Scheinlösungen, sondern wir wollen aus der Mitte der Gesellschaft neue und tragfähige Antworten finden, um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft wiederherzustellen. Damit werden wir auch wieder Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik schaffen. Der Antrag der Linken bringt zwar den Wunsch nach mehr Gerechtigkeit zum Ausdruck, dem ich mich anschließe, jedoch wird er seinem Anspruch, Wege aus der Krise zu finden, nicht gerecht. Deswegen können wir Sozialdemokraten dem Antrag diesmal nicht zustimmen. Danke schön. (Beifall bei der SPD - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist schade! Aber Sie haben "diesmal" gesagt!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Sebastian Blumenthal. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sebastian Blumenthal (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der Fraktion Die Linke, Sie bieten in Ihrem Antrag einen famosen Gemischtwarenladen an. Da ist eigentlich alles drin. Sie haben gesetzliche Mindestlöhne, Generalstreiks und das Verbot der geringfügigen Beschäftigung aufgeführt. Meine Vorredner haben die Widersprüche und fachlichen Defizite in Ihrem Antrag schon mehrfach dargestellt. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema lenken. Ich möchte auf Anspruch und Wirklichkeit zu sprechen kommen. In der Bundeshauptstadt Berlin regieren Sie seit dem Jahr 2001 mit. Sie stellen auch die Senatorin für Soziales. Ich finde es interessant, zu schauen, wie die Regierungspolitik der Linken in der Praxis aussieht. Wir können außerhalb des Reichstags sehen, was passiert, wenn Sie in der Regierungsverantwortung sind und sich mit der Realität beschäftigen müssen; dann reicht es nicht, nur wohlfeile Anträge einreichen. Ich gehe einmal auf ein Zitat aus Ihrem Antrag ein. Sie fordern ein sicheres, geregeltes und geschütztes Arbeitsverhältnis, das den Menschen ein verlässliches Einkommen ermöglicht, und dass Arbeitnehmerrechte gestärkt werden. Was machen Sie in Berlin? Hier sieht es völlig anders aus. Im Jahre 2003 haben Sie in Ihrer Regierungsverantwortung beschlossen, den Arbeitgeberverband der Länder zu verlassen. Sie sind ausgetreten. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hört! Hört!) Als direkte Folge durch die Aufkündigung des Tarifvertrags für die Angestellten im öffentlichen Dienst hier in Berlin kam es zu einer Kürzung der Reallöhne um bis zu 14 Prozent. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist aber keine gute Arbeit! - Paul Lehrieder [CDU/ CSU]: Das gibt es doch gar nicht! Das kann doch nicht wahr sein!) Sie beklagen sich zum Beispiel, dass die Reallöhne in der freien Wirtschaft um 0,4 Prozent gesunken sind, setzen hier aber eine Kürzung um 14 Prozent durch. Da kann ich nur sagen: Konsequenz zeigt sich im Handeln. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie fahren in Ihrem Antrag weiter fort: "Menschen, die erwerbslos sind, müssen ... am gesellschaftlichen Leben teilhaben können." Die Praxis hier in Berlin sieht so aus, dass Sie zum Beispiel zunächst das ÖPNV-Sozialticket gestrichen haben, dann auch das Arbeitslosenticket. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hört! Hört!) Später haben Sie dann wieder ein Sozialticket eingeführt, aber da war es auf einmal fast doppelt so teuer wie vorher. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Liebich? Sebastian Blumenthal (FDP): Nein, ich möchte den Gedanken zu Ende führen und keine Zwischenfrage zulassen. - Ist das "Teilhabe am gesellschaftlichen Leben", wenn Sie ein Sozialticket offensichtlich erst streichen und dann doppelt so teuer wieder einführen? Das ist keine verantwortungsvolle Politik. Das zeigt auch, dass Sie überhaupt nicht in der Lage sind, die Forderungen, die Sie in Ihrem Antrag aufstellen, in der Praxis umzusetzen. Sie schaffen das gar nicht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zuruf von der LINKEN) Eine andere Zielgruppe, die Sie im Antrag ansprechen, sind junge Menschen; deren dramatische Situation beklagen Sie zu Recht. Wie sind Sie in Berlin mit dieser Herausforderung umgegangen? Seit 2002 haben Sie als Linke in Berlin im Bereich der Jugendhilfe mehr als 30 Millionen Euro pro Jahr gestrichen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was? Unglaublich!) - Richtig, Herr Kolb, und die wollen uns belehren. - Noch härter als junge Menschen trifft es die Kinder in der Stadt. Seitdem Sie mitregieren, ist die Kinderarmut in Berlin um 32 Prozent gestiegen. Jedes dritte Berliner Kind lebt in Armut. Das ist die größte Kinderarmut in ganz Deutschland. Dazu kann ich nur sagen: Hervorragende Bilanz. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das Fazit, das ich ziehen möchte, ist folgendes - ich möchte da keine Missverständnisse aufkommen lassen -: Das Sparpaket der Bundesregierung hat natürlich zur Folge, dass wir harte Einschnitte vornehmen und dass wir auch unpopuläre Maßnahmen treffen. Aber der Unterschied zwischen uns von der Koalition und Ihnen bei den Linken ist folgender: Wir sagen das den Menschen vorher, und wir erklären den Menschen die Notwendigkeit dieser Sparbeschlüsse. (Widerspruch von der LINKEN) Sie beschränken sich darauf, hier Schaufensteranträge mit Forderungen einzubringen, obwohl Sie selbst nicht in der Lage sind, diese in der Praxis umzusetzen. Die FDP-Fraktion wird diesen Antrag ablehnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Liebich. (Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE] begibt sich zum Rednerpult) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Kurzinterventionen werden vom Platz aus gemacht. Stefan Liebich (DIE LINKE): Ich bitte um Nachsicht. Ich war ja länger im Berliner Abgeordnetenhaus; dort ist das anders. Das passt aber ganz gut zum Thema, während Ihre Rede nicht zum Thema gepasst hat. Es ist doch so, dass sich das Land Berlin gerade zum Thema "gute Arbeit" im Bundesrat sehr engagiert hat. Das Land Berlin und einige weitere Bundesländer haben im Bundesrat für einen gesetzlichen Mindestlohn gestritten. Die FDP-mitregierten Länder haben das natürlich abgelehnt und somit verhindert. Das Land Berlin und das Land Brandenburg haben ein Vergabegesetz verabschiedet, bei dem wir darauf setzen, dass Mindestlöhne und Tarife, soweit es europarechtlich möglich ist, gezahlt werden. Wir kämpfen also für gute Arbeit. Sie haben hier ein paar Beispiele genannt; daher will ich kurz darauf eingehen. Das Sozialticket in Berlin ist nie gestrichen worden. Der Zuschuss an die BVG für dieses Sozialticket - die BVG ist ein großes staatliches Unternehmen, das 500 Millionen Euro pro Jahr erhält - ist gestrichen worden. Die BVG ist aufgefordert worden, aus eigenen Kräften - diese hat sie - eines aufzulegen. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) - Hören Sie zu. - Sie wissen, dass alle der Auffassung waren, dass das Land Berlin in Saus und Braus lebt. Es gab eine Einschätzung; niemand wollte das Land Berlin weiter unterstützen. Wir mussten einen Sparhaushalt auflegen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Ende des Finanzausgleichs!) Als das schiefging, haben wir uns entschieden, ein Sozialticket aufzulegen, wie es in keinem anderen Bundesland existiert. Arbeitslosenhilfeempfänger, ALG-II-Empfänger, Asylbewerber, Seniorinnen und Senioren erhalten ein Ticket zum halben Preis der Umweltkarte, mit dem man in der ganzen Stadt fahren darf. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Auf Kosten von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen!) Das wird massiv angenommen. Wenn Sie das in den Ländern, in denen Sie mitregieren, ansatzweise umsetzen würden, dann könnten Sie sich zu diesem Thema wieder melden. (Beifall bei der LINKEN) Das Nächste: zur Jugendhilfe. Sie glauben doch nicht, dass das Land Berlin aus Spaß bei der Jugendhilfe streicht. Die Situation ist, dass eine Steuerpolitik gemacht wurde - Sie wollen diese Politik übrigens nicht verhindern, sondern forcieren -, durch die die Steuereinnahmen zusammengebrochen sind. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ach! Das ist jetzt aber schwach!) Wir mussten darüber diskutieren, wie wir damit im Land Berlin umgehen. Die Kinderarmut ist in Berlin doch nicht wegen der Berliner Landespolitik gestiegen. Wir haben versucht, gegenzusteuern, wo wir konnten. Wir haben für die Eltern kostenfreie Kitas eingeführt. Führen Sie das doch auch in den Ländern ein, in denen Sie mitregieren! (Beifall bei der LINKEN - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja, ja! Alle Länder haben die gleichen Rahmenbedingungen, aber nur bei Ihnen steigt permanent die Arbeitslosigkeit! Komisch!) Wir kämpfen, wir ringen, und diejenigen, die bei den Steuereinnahmen der Länder streichen wollen, stellen sich hier hin und werfen den Ländern, die sich bemühen, mit ihren wenigen Mitteln das Beste zu machen, vor, dass sie unsozial sind. So etwas ist heuchlerisch. Das hat nicht nur nichts mit guter Arbeit zu tun, sondern das hat auch nichts mit guter Politik zu tun. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Zur Erwiderung Herr Kollege Blumenthal. Sebastian Blumenthal (FDP): Ich bedanke mich natürlich für die wertvollen Hinweise, die der Kollege gerade dargeboten hat. Dass Sie im Bundesrat Absichtserklärungen postulieren, ist sehr schön. (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Nein! Das waren Anträge! Anträge, die Sie abgelehnt haben!) - Ich bin jetzt darauf eingegangen, was Sie hier in Berlin in der Praxis konkret umgesetzt haben. Ich möchte Sie auf einen weiteren Punkt hinweisen - das habe ich eben bereits in meiner Rede gesagt -: Ich möchte nicht in Abrede stellen, dass es hier wirkliche große Anstrengungen gab. Dass die Finanzsituation des Landes Berlin natürlich eine sehr schwierige ist, wissen wir alle. Der Unterschied zwischen uns und Ihnen ist nur folgender: Sie legen hier Anträge vor, bei denen von vornherein klar ist, dass sie nicht in die Praxis umgesetzt werden können. Ihre Anträge sind nur Schaufensteranträge. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Stefan Liebich [DIE LINKE]: Wie bitte? - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Was? Woher nehmen Sie das denn?) Ich allerdings möchte Sie mit der Realität konfrontieren. Das ist der Unterschied. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Weil Sie es nicht wollen! Das ist der Unterschied!) Genau darauf bin ich auch in meiner Rede eingegangen. Insofern kann ich das nur zurückweisen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Dr. Carsten Linnemann für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich habe Ihren Antrag einmal mitgebracht; das ist ja auch ganz interessant. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Auch gelesen?) - Auch gelesen, ja; bis zur letzten Seite. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der Mann ist leidensfähig! - Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das war bestimmt keine angenehme Stunde!) - Richtig. Der Frustrationsgrad geht auf 100 Prozent zu. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Sie treffen in Ihrem Antrag zwei falsche Grundannahmen: Erstens. Sie sprechen von einer - ich zitiere - "katastrophalen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt". (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ja! Das ist ja auch richtig!) Frau Connemann und Herr Lehrieder haben gar nicht in Abrede gestellt, dass es bestimmte Bereiche gibt (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: So ist es!) - die wird es übrigens immer geben -, in denen wir anpacken müssen. Solche Bereiche gibt es übrigens auch dann, wenn man Vollbeschäftigung hat. Es gibt in der Arbeitsmarktpolitik immer Bereiche, die man angehen muss. Da Sie schreiben, es gebe eine katastrophale Entwicklung auf dem gesamten Arbeitsmarkt, empfehle ich Ihnen, sich die Zahlen einmal anzusehen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist für die Betroffenen mit Sicherheit eine katastrophale Entwicklung!) Das europäische Statistikamt hat in allen 27 EU-Staaten die Entwicklung der Arbeitslosigkeit vom Frühjahr dieses Jahres im Vergleich zum Frühjahr des vergangenen Jahres untersucht. Es gab nur ein Land, in dem die Arbeitslosigkeit gesenkt wurde: Deutschland. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist: Sogar auf dem Höhepunkt der Krise war Deutschland das Land mit dem geringsten Anstieg der Arbeitslosigkeit. Aktuell konnte die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr um 215 000 Menschen abgebaut werden. In dieser Situation von einer katastrophalen Entwicklung am Arbeitsmarkt zu sprechen, halte ich für nicht tragbar. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: In der Tat! Die scheitern ja an der Realität! - Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Sehr richtig! Das ist sehr seltsam!) Zweitens. Sie skizzieren in Ihrem Antrag ein Gesellschaftsbild, das es in der Realität nicht gibt. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ja! In Ihrer!) Sie sagen, der Staat muss es richten, muss Arbeitsplätze usw. schaffen, aber die Eigenverantwortung des Einzelnen spielt keine Rolle mehr. Dabei ist die Eigenverantwortung des Einzelnen, eingebettet in die Soziale Marktwirtschaft, eigentlich das Erfolgsmodell, das dieses Land groß gemacht hat. So ist es. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So ist es! Aber das ist im Kommunismus anders!) Wir sagen: Der Staat schafft keine Arbeitsplätze, sondern der Staat ist derjenige, der Schiedsrichter ist und aufpasst, dass die Regeln eingehalten werden. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und derjenige, der die Regeln auch aufstellen muss!) Diese Spielregeln haben wir in den 50er-Jahren übrigens selbst definiert, sogar gegen Teile unserer Partei und auch gegen Teile der Wirtschaft. Diese Spielregeln hat damals Ludwig Erhard auf den Weg gebracht, (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Ja, genau! Der hat noch Ahnung gehabt!) und dieses Gesellschaftsmodell lassen wir uns von Ihnen nicht kaputtmachen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erhard wäre mit Ihnen aber gar nicht einverstanden!) - Sie brauchen jetzt gar nicht so unqualifizierte Äußerungen zu machen. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr! - Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Ihre Rede ist unqualifiziert!) Melden Sie sich, stellen Sie mir Ihre Frage, dann gehe ich auch gerne konkret darauf ein. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht so arrogant! - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Genau! Stellen Sie doch eine Zwischenfrage!) Eigenverantwortung ist für uns wichtig. Da Sie beispielsweise die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 40 Stunden und im zweiten Schritt auf 35 Stunden reduzieren möchten, sage ich Ihnen: Es gibt viele Menschen, die gerne 36 oder mehr Stunden pro Woche arbeiten wollen. Wollen Sie denen dann sagen: "Stellen Sie jetzt den Computer ab"? Sie wollen die Kündigungsschutzregeln ändern und die Schwelle von zehn Mitarbeitern komplett abschaffen. Ich frage Sie: Gibt es dann noch Unternehmensgründungen? - Die Menschen gehen ein Risiko ein, wenn sie sich selbstständig machen. Wir brauchen Unternehmensgründungen; denn dadurch entstehen Arbeitsplätze. Aus den Gründungen kleiner Unternehmen entsteht der Mittelstand. Der Mittelstand schafft Arbeitsplätze und nicht der Staat. Übrigens sind es nicht in erster Linie die großen Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen, sondern die kleinen und mittleren Unternehmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das ist der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik. Das Erfolgsmodell "Mittelstand" haben wir in der gesamten Welt verbreitet, und das lassen wir uns von Ihnen nicht kaputtmachen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Stefan Liebich [DIE LINKE]: Sie machen es kaputt!) - Nein. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es genügt, dass sie die DDR kaputtgemacht haben!) Wenn Sie sich die Geschichte der sozialen Marktwirtschaft und die Geschichte der marktwirtschaftlichen Ordnung ansehen, dann sehen Sie, dass es in der Regel Erfolge gibt. Es gibt auch Misserfolge - das will ich gar nicht abstreiten -, wie jetzt in der Finanzkrise, weil Regeln nicht eingehalten oder nicht definiert wurden. Eines kann ich Ihnen aber sagen: Staatlich gelenkte Wirtschaft, Staatswirtschaft, Kommandowirtschaft, Zentralverwaltungswirtschaft - das alles ist immer und überall auf diesem Globus mit Pauken und Trompeten gescheitert. Deshalb lehnen wir den Antrag ab. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Katja Mast von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Katja Mast (SPD): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag, über den wir hier diskutieren, trägt den Titel "Mit guter Arbeit aus der Krise". Ich habe das Gefühl, dass wir in der Debatte doch noch einmal eine gemeinsame Definition von guter Arbeit brauchen, um zu wissen, über was wir uns überhaupt streiten. Der Kernkon-flikt zwischen den Fraktionen auf der rechten und der linken Seite ist, dass wir eine Vision von guter Arbeit haben, während Sie keine davon haben und deshalb auch nicht an dem Erreichen des Ziels arbeiten, gute Arbeit in Deutschland zu schaffen. Das ist das Problem dieser Regierungskoalition. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Ich sage Ihnen: Es ist eben nicht so, dass sozial ist, was Arbeit in Deutschland schafft. Sozial ist ausschließlich, was gute Arbeit in Deutschland schafft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das hat die SPD aber lange anders gesehen!) Die Menschen erwarten, dass wir für gute Arbeit in Deutschland sorgen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wer sorgt denn dafür?) Ich will Ihnen mit einem Beispiel aus meinem Wahlkreis Pforzheim deutlich machen, welche Menschen das sind. Es geht vor allen Dingen um junge und ältere Menschen, weil das genau diejenigen sind, die bei Ihrer Politik durch den Rost fallen. Ich war kürzlich im Rahmen meines Schulprojekts "Junger Rat für Mast" in der 9. Klasse des Kepler-Gymnasiums in Pforzheim. Die Schüler haben mich zum Thema Berufsperspektiven beraten. Als ich zum zweiten Mal in die Schulklasse kam, haben mir die Neuntklässler dieses Gymnasiums in Baden-Württemberg - wohl bemerkt, bei uns ist die Welt noch in Ordnung - (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bei der FDP-Regierung ist das auch kein Wunder!) gesagt: Frau Mast, wir wollen einen Mindestlohn, Sicherheit am Arbeitsplatz, eine unbefristete Beschäftigung etc. pp. - Das ist all das, was Sie nicht wollen. Sie machen Politik gegen die junge Generation, wenn Sie gute Arbeit nicht in den Mittelpunkt Ihrer Politik stellen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN - Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Das ist doch Unsinn!) Lassen Sie mich "gute Arbeit" definieren; denn im Gegensatz zu Ihnen hat sich meine Partei, die SPD, mit dem Thema sehr intensiv auseinandergesetzt, und sie weiß, was gute Arbeit ist. Für uns ist gute Arbeit zuerst Arbeit, die die Würde schützt. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Das ist Arbeit, mit der ich mir aufgrund eines Mindestlohns wenigstens meine Existenz sichern kann und die mir die soziale Teilhabe und die Teilhabe an den sozialen Sicherungssystemen ermöglicht; denn gute Arbeit bedeutet nicht nur Broterwerb, sondern ermöglicht auch die soziale Teilhabe in dieser Gesellschaft. Das macht gute Arbeit aus. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Außerdem wird durch gute Arbeit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht. Es bringt uns hier nicht weiter, wenn künstliche Konflikte zwischen den Teilzeitarbeitenden und den Vollzeitbeschäftigten heraufbeschworen werden, weil sowohl für die Teilzeitbeschäftigten als auch für die Vollzeitbeschäftigten der Grundsatz der Würde der Arbeit gilt. Es geht darum, dass man seine menschlichen und familiären Bedürfnisse mit der Erwerbstätigkeit vereinbaren kann. Dafür kämpft die Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Das wird immer wieder vergessen: Bei guter Arbeit geht es nicht nur um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Würde der Arbeit, Perspektiven sowie die soziale und demokratische Teilhabe, sondern vor allen Dingen auch um die Weiterentwicklung der eigenen Qualifikation. Dazu zählt erstens, dass die eigene Qualifikation erhalten bleibt, wenn man ins Erwerbsleben eintritt, und zweitens, dass man sie weiterentwickeln kann und damit durch Arbeit auch Chancen für den sozialen Aufstieg in dieser Gesellschaft eröffnet werden. Gegen all diese Punkte machen Sie aktuell Politik. Deshalb diskutieren wir heute so engagiert. Meine Kollegen aus dem Ausschuss und der Staatssekretär können es vielleicht nicht mehr hören, aber Ihre Kürzungsvorschläge im Bereich Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik des Bundeshaushalts sind unsozial. Dazu wurde schon viel gesagt. Sie klauen durch Ihre Politik vor allen Dingen jungen Generationen Bildungschancen. Für uns besteht eine sehr wichtige Voraussetzung für gute Arbeit darin, dass in Bildung investiert wird. Sie wollen Rechtsansprüche in Ermessensleistungen umwandeln und gleichzeitig die Haushaltstitel kürzen. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sie wollen gar nichts mehr! Erzählen Sie doch hier nichts von Generationengerechtigkeit!) Damit schaffen Sie alles ab, was jungen Menschen hilft, die durch den Rost gefallen sind. Vergessen Sie nicht, dass 70 000 Jugendliche in Deutschland die Schule ohne einen Abschluss verlassen! Heute war schon vom Bildungsbericht die Rede. Jeder sechste Jugendliche in Deutschland zwischen 20 und 30 Jahren hat keinen Berufsabschluss. Diese Zahlen machen mir Angst; denn es bedeutet, dass wir auch in puncto sozialen Zusammenhalt ein Problem bekommen. Sie wollen einfach Rechtsansprüche auf Bildung in Ermessensleistungen umwandeln, ohne dafür vor Ort Geld zur Verfügung zu stellen. Das ist doch im Kern Ihre Politik, mit der Sie der Gesellschaft Chancen nehmen. Mein Vorredner hat von Eigenverantwortung gesprochen. Woher soll sie denn kommen, wenn man den Menschen keine zweite Chance auf dem Arbeitsmarkt gibt? (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Das sind die Probleme, um die es heute geht. Deshalb fordere ich Sie auf: Denken Sie darüber nach und erinnern Sie sich auch an die Politik, die wir gemeinsam gemacht haben! Wir und auf jeden Fall auch die Sozialpolitiker in der Union - das haben wir nämlich in der Großen Koalition gemeinsam hinbekommen - wissen doch, dass es nicht darum geht, nachzusorgen, sondern darum, vorzusorgen. Es geht darum, den Menschen Perspektiven und Wege zu eröffnen, statt sie ihnen zu verschließen. Das ist das Problem bei Ihren Kürzungsvorschlägen. Ich verstehe nicht, warum gerade Ursula von der Leyen, die sich in der Großen Koalition damit hervorgetan hat, Maßnahmen wie das Elterngeld und die Familienförderung mit unserer Unterstützung und unserer Konzeption im Vorfeld umzusetzen, jetzt in der vorsorgenden Sozialpolitik eine Rolle rückwärts macht. Kehren Sie um! Nur dann können wir in Deutschland gute Arbeit durchsetzen, von der Menschen leben können, wenn sie eine Vollzeitbeschäftigung haben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat die Kollegin Gabriele Molitor von der FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Gabriele Molitor (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Deutschland sind gegenwärtig etwa 3,2 Millionen Menschen ohne Arbeit. (Zuruf von der LINKEN: Offiziell!) Die erste Sorge dieser Menschen ist sicherlich nicht, ob Mitbestimmung in einem Betrieb möglich ist oder wie das Streikrecht gestaltet ist. Diese Dinge sind ohne Frage wichtig. Aber die größte Sorge der Menschen ohne Arbeit ist, überhaupt Arbeit zu bekommen. Die Arbeitslosigkeit ist schließlich das Problem, dessen Ursache wir bekämpfen müssen. Damit müssen wir beginnen. Sie machen aber den zweiten Schritt vor dem ersten und kommen deshalb gewaltig ins Stolpern. Zugegeben, die Zeiten haben sich geändert, die Arbeitsbedingungen und die Erwerbsbiografien auch. Es gibt heutzutage kaum noch Arbeitnehmer, die 25 Jahre in einem Betrieb beschäftigt sind. Das war einmal. Heutzutage ist es entscheidend, flexibel und wettbewerbsfähig zu sein. Das sind die Menschen in aller Regel auch. Das, meine Damen und Herren von den Linken, scheinen Sie noch nicht begriffen zu haben. Das hat die Diskussion heute deutlich gezeigt. Sie haben auch nicht begriffen, dass zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein Vertrag über den Faktor Arbeit geschlossen wird. Wenn die Forderungen dazu überzogen werden, kommt es gar nicht erst zur Einstellung. Das ist der Hintergrund. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein Prinzip unserer sozialen Marktwirtschaft ist, dass Politik den Rahmen für unternehmerisches Handeln vorgibt. Diese Praxis hat sich bewährt. (Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke, Sie malen das Bild einer Arbeitswelt, die es so nicht gibt, und Sie wollen die Menschen glauben machen, die Politik müsse nur die entsprechenden Gesetze ändern bzw. erlassen und die Arbeitswelt werde so, wie Sie sie gerne hätten. Das ist eine ideale Wunschwelt, die meilenweit von der Realität entfernt ist. Sie wird auch nicht realisierbar sein, weil die Rahmenbedingungen ganz anders sind. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ihr Antrag ist ein Sammelsurium; alle möglichen Forderungen sind darin vereint. Natürlich fehlt auch nicht die obligatorische Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn in astronomischer Höhe von 10 Euro. (Karin Binder [DIE LINKE]: Astronomisch?) Sie sind offensichtlich davon überzeugt, dass Ihre Forderung zu guter Arbeit führen wird. Ich sage Ihnen: Das ist ganz und gar nicht so. (Karin Binder [DIE LINKE]: Das ist ein Armutslohn!) Dies haben meine Kollegen und Vorredner bereits deutlich herausgestellt. (Beifall bei der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin Molitor, erlauben Sie eine Zwischenfrage? Gabriele Molitor (FDP): Nein, ich erlaube keine Zwischenfrage mehr. Ich denke, es sind schon genügend Argumente genannt worden. Wir Liberalen haben ein klares Ziel: Obere Priorität ist, Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Wir Liberalen wollen eine Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Es gilt, die Ursachen von Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, indem wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern und auf eine Beschäftigungspolitik setzen, die sich am Wachstum orientiert. Das ist die Politik der FDP, und dafür machen wir uns stark. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Dr. Matthias Zimmer von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Kollegin Mast eben in ihrer Rede zusätzliche Reflexionstiefe bei der Behandlung des Themas angemahnt hat, will ich dies gerne aufnehmen und mit einigen nachdenklichen Bemerkungen über das Thema "gute Arbeit" zusätzliche Argumente bringen, die mir wichtig sind. Zunächst einmal ist der Begriff der Arbeit aus christlich-demokratischer, aus biblischer Sicht ausgesprochen ambivalent. Die Arbeit gehört zum einen zur Conditio humana, also zur Identität des Menschen schlechthin. Deswegen haben auch die Apostel und Jesus selbst gearbeitet. Arbeit ist zum anderen seit der Vertreibung aus dem Paradies auch mit Schmerzen, mit Last, mit den Tränen, die die Arbeit mit sich bringt, belastet. Das Paradies ist nicht mehr erreichbar. Ich möchte aus der Deutschen Ideologie von Karl Marx zitieren, der das "Reich der Freiheit" damit beschrieben hat, dass man morgens jagt, mittags fischt, abends Viehzucht betreibt und nach dem Essen kritisiert. Dies ist sicherlich eine sehr paradiesische Vorstellung vom Reich der Freiheit. Für mich wäre zumindest wichtig, dass aus diesem Reich der Freiheit keine Notwendigkeit wird, dass der Mensch also nicht gezwungen werde, morgens zu jagen, mittags zu fischen, abends Viehzucht zu betreiben und nach dem Essen zu kritisieren, damit er überhaupt seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Gute Arbeit ist nach meinem Dafürhalten die Möglichkeit, sich auf einem Gebiet Anerkennung zu verschaffen und nicht aufgespalten zu werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Gute Arbeit ist des Weiteren nicht antagonistisch. Sie steht nicht in der Auseinandersetzung von Arbeit und Kapital. Deswegen wollen wir die Mitarbeiterkapitalbeteiligung ausbauen, um Brücken zwischen Arbeit und Kapital zu schlagen und dem Arbeitnehmer eine zusätzliche Möglichkeit zu geben, sich mit dem Betrieb zu identifizieren. Gute Arbeit ist nach meinem Dafürhalten dann gegeben, wenn die Arbeit als etwas Eigenes empfunden wird. Gute Arbeit ist also eine inklusive Arbeit. Dazu gehört die Mitarbeiterbeteiligung. Ich betrachte mit großer Sorge die Zunahme von Mobbing- und Bossing-Fällen in der Arbeitswelt, mit Folgekosten in Höhe von bis zu 6,5 Milliarden Euro pro Jahr, die zum großen Teil von Rentenversicherern getragen werden müssen, weil sie die Rehabilitationsmaßnahmen finanzieren. Davon sind alle Berufe betroffen. Erstaunt hat mich aber, dass soziale Berufe überproportional von Mobbing- und Bossing-Prozessen betroffen sind, im Übrigen auch Gewerkschaften. Das heißt, dass dies kein individuelles Problem, sondern ein institutionelles Problem der Arbeitsorganisation ist. Deswegen handelt es sich für mich dann um gute Arbeit, wenn Arbeitsstrukturen nicht ausgrenzen, sondern eingrenzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dazu gehört aber auch, dass wir uns mit der Frage nach der Beschleunigung und Verdichtung von Arbeitsinhalten, mit der Ausfransung der Grenze von Arbeit und Leben auseinandersetzen. Das ist für mich eine ernste Angelegenheit. Wenn ich in die Runde der Kollegen schaue, dann sehe ich, dass viele von ihnen ein Handy dabeihaben. Das Handy ist mittlerweile nicht mehr Mittel, sondern schon fast Zweck. Es signalisiert die allgemeine Erreichbarkeit. Wir werden im Grunde genommen auf Relaisstationen der Informationsgesellschaft reduziert. Auch Arbeitnehmer sind allgemein verfügbar. Ich weiß, dass keiner der Kollegen im Bundestag das macht, aber es soll durchaus vorkommen, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter auch weit nach dem Arbeitsende auf dem Handy anrufen - weil jederzeit jemand verfügbar ist - und mit Arbeitsaufträgen behelligen. Nach meinem Dafürhalten ist gute Arbeit dann gegeben, wenn Leben und Arbeit, Arbeit und Freizeit voneinander abgegrenzt sind und nicht unterschiedslos ineinander verschwimmen. Gute Arbeit verweist also auf eine Werthaltung; sie basiert auf einem Verhalten jenseits von Angebot und Nachfrage, über das wir nachdenken müssen. Der Ökonom Wilhelm Röpke hat gesagt, sie habe etwas mit den sittlichen Reserven zu tun. Er benennt sie wie folgt: Selbstdisziplin, Gerechtigkeitssinn, Ehrlichkeit, Fairness, Ritterlichkeit, Maßhalten, Gemeinsinn, Achtung vor der Menschenwürde des anderen. Das alles ist sicherlich richtig. Wir brauchen nicht unbedingt einen neuen Grundkonsens, wie Gesine Schwan es heute Morgen beschrieben hat. Diese sittlichen Reserven sind nicht alles. Aber ich bin davon überzeugt: Wenn wir sie nicht haben, ist alles nichts. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Die Grundlage guter Arbeit ist, glaube ich, etwas komplexer, als es im Antrag der Linken zum Ausdruck kommt. Sie hat sehr viel mit Werthaltung zu tun. Darüber zu diskutieren, lohnt sich. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat der Kollege Ulrich Lange von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ulrich Lange (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der Linksfraktion! Ich habe eigentlich gedacht, dass wir, nachdem wir uns Ende April mit diesem Thema hier im Hause befasst haben, ein Ende dieses unseriösen Sammelsuriums erreicht hätten. Aber es hat sich im Ausschuss und auch heute wieder gezeigt: Sie sind beratungsresistent, Sie sind und bleiben die Partei des Populismus, des sozialistischen Märchenlands. Man kann Ihnen einfach nicht folgen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Meine Damen und Herren von den Linken, das zeigen auch Ihr Antrag und insbesondere die Rede der Präsidentschaftskandidatin, die Sie aufgestellt haben. Sie wollen eigentlich keine Verbesserung, nein, Sie wollen Unruhe in die Bevölkerung bringen. (Lachen bei der LINKEN) Ich habe vorhin das Wort "Kampfansage" mitgeschrieben. Wer Präsidentschaftskandidat ist, sollte sich überlegen, ob er in Debatten über die Arbeitsmarktpolitik Worte wie "Kampfansage" verwenden will. Ich glaube, eine Präsidentschaftskandidatin sollte integrieren, die Bevölkerung mitnehmen und hier zeigen, was man für dieses Land leisten möchte. Das haben Sie heute nicht gezeigt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Sie müssen im Brecht'schen Sinne das Volk erst suchen, das Sie wählt. Mit Ihrem Antrag sorgen Sie vor allem für Verunsicherung in der Bevölkerung. Sie tragen mit Ihrem klassenkämpferischen Ton dazu bei, Investoren vor diesem Land abzuschrecken. So werden keine Arbeitsplätze geschaffen; davon sind wir überzeugt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Eines ist auch richtig: Wir haben - ich möchte die Kolleginnen und Kollegen der SPD einbeziehen - in der Krise gezeigt, wie man Arbeitsplätze erhält und Arbeitsplätze für die Zeit bereitstellt, wenn die Krise vorbei ist und die Konjunktur wieder anspringt. Durch das Kurzarbeitergeld können viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben bleiben. (Zuruf von der LINKEN) - Die Konjunktur wird natürlich wieder anspringen. Die Bilanz zeigt, dass wir seit dem Jahr 2003, als wir noch 5 Millionen Arbeitslose hatten, sehr viele gute Arbeitsplätze in diesem Land geschaffen haben, sodass Menschen wieder in Lohn und Brot gekommen sind. Das sollte man an dieser Stelle feststellen. (Beifall bei der CDU/CSU) Es nutzt gar nichts, wenn man wie mit einer Walze über den konjunkturellen Aufschwung, der jetzt beginnt, hinwegzieht und völlig unrealistische Forderungen stellt wie die nach Abschaffung unbefristeter Arbeitsverhältnisse. Frau Müller-Gemmeke, darüber waren wir uns schon in der vergangenen Woche nicht einig. Darüber werden wir uns auch nicht einig werden, weil ich weiterhin glaube, dass befristete Arbeitsverhältnisse ein wesentlicher Motor für unseren Arbeitsmarkt sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gleiches gilt für seriöse Zeitarbeit. Hier kämpfen wir gegen den Drehtüreffekt. Sie von der SPD - ich habe es schon in der vergangenen Woche gesagt - sollten sich nicht von all dem Guten und Sinnvollen verabschieden, das in den vergangenen Jahren für den Arbeitsmarkt in diesem Land getan worden ist. Ich will nicht auf den Kündigungsschutz, auf das Überbieten beim Mindestlohn oder auf den öffentlichen Beschäftigungssektor eingehen. Will denn tatsächlich jemand von uns nochmals einen bankrotten Staat mit einem bankrotten Beschäftigungssektor und bankrotten Staatsbetrieben? Am 17. Ju-ni sollten wir doch eigentlich geistig weiter sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Liste Ihrer arbeitsplatzvernichtenden Forderungen ist lang. Ich kann Sie nur auffordern: Nehmen Sie die ideologische Brille ab! Versuchen Sie zu begreifen, was soziale Marktwirtschaft bedeutet! Versuchen Sie es endlich! Lesen Sie nicht Marx! Herr Schreiner, Sie können den Bischof Marx gern weiter lesen; das gestehe ich Ihnen zu. Lesen Sie aber nicht Marx und Engels! Lesen Sie nicht Lafontaine! Lesen Sie Ludwig Erhard! Dann wissen Sie, wie es geht. (Zurufe von der SPD und der LINKEN) Lesen Sie und schauen Sie, was wir in der Regierung leisten! Ich nenne als Beispiele nur das Beschäftigungschancengesetz und die Verlängerung der Dauer des Kurzarbeitergeldes in der Krise. Führen Sie nicht weiter eine Neidkampagne! Stellen Sie nicht den Arbeitgeber als böse und den Arbeitnehmer als gut dar! Beide arbeiten in den Betrieben gut und fair zusammen. Hetzen Sie sie nicht gegenseitig auf! Sorgen Sie für den sozialen Frieden, den es in den Unternehmen als Partnerschaft zwischen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einerseits und den Arbeitgebern andererseits gibt! Unterstützen Sie das Erfolgskonzept der sozialen Marktwirtschaft! Das ist gute Arbeit. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Mit guter Arbeit aus der Krise". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2069, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/1396 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 35 a bis 35 m sowie Zusatzpunkt 2 auf - es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte -: 35 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 15. Mai 2003 zur Änderung des Europäischen Übereinkommens vom 27. Januar 1977 zur Bekämpfung des Terrorismus - Drucksache 17/2067 - Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss (f) Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. Juni 2006 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten, der Republik Albanien, Bosnien und Herzegowina, der Republik Bulgarien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, der Republik Island, der Republik Kroatien, der Republik Montenegro, dem Königreich Norwegen, Rumänien, der Republik Serbien und der Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen in Kosovo zur Schaffung eines gemeinsamen europäischen Luftverkehrsraums (Vertragsgesetz ECAA-Übereinkommen - ECAAÜbkG) - Drucksache 17/2068 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union c) Beratung des Antrags der Abgeordneten René Röspel, Dr. Marlies Volkmer, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Öffentlichen Zugang zu Informationen über klinische Studien umfassend sicherstellen - Drucksache 17/1768 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit (f) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Bessere Haltung von Kaninchen zu Erwerbszwecken - Konkrete Haltungsbedingungen in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aufnehmen - Drucksache 17/2017 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, Alexander Süßmair, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Die Haltung von Mast- und Zuchtkaninchen in Deutschland und der Europäischen Union tiergerechter regeln - Mindestanforderungen unverzüglich auf den Weg bringen - Drucksache 17/1601 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Undine Kurth (Quedlinburg), Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die gewerbliche Haltung von Mast- und Zuchtkaninchen in Deutschland und der Europäischen Union deutlich verbessern - Drucksache 17/2006 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus Riegert, Eberhard Gienger, Stephan Mayer (Alt-ötting), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Dr. Lutz Knopek, Gisela Piltz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Europa in Bewegung - Mit Kompetenz und Verantwortung für einen europäischen Mehrwert im Sport - Drucksache 17/2129 - Überweisungsvorschlag: Sportausschuss (f) Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dorothea Steiner, Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bürgerfreundliches Rücknahmesystem für gebrauchte Energiesparlampen im Handel einrichten - Drucksache 17/1583 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Petra Crone, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Verbraucherinformationsgesetz zügig reformieren - Drucksache 17/2116 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Petitionsausschuss Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit j) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute Kumpf, Sönke Rix, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Stärkung der Jugendfreiwilligendienste - Platzangebot ausbauen, Qualität erhöhen, Rechtssicherheit schaffen - Drucksache 17/2117 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Verteidigungsausschuss Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss k) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ottmar Schreiner, Anette Kramme, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Demokratische Teilhabe von Belegschaften und ihren Vertretern an unternehmerischen Entscheidungen stärken - Drucksache 17/2122 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie l) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Obligatorische Prüf- und Zulassungsverfahren für Haltungseinrichtungen für Nutztiere - Tierschutz-TÜV zügig einführen - Drucksache 17/2143 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung m) Beratung des Antrags der Abgeordneten Karin Binder, Ralph Lenkert, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Verbraucherfreundliche Rücknahmepflicht des Einzelhandels für Energiesparlampen durchsetzen - Drucksache 17/2121 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ZP 2 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Cornelia Möhring, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Versorgung durch Hebammen und Entbindungshelfer sicherstellen - Drucksache 17/2128 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit (f) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Arbeit und Soziales Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 36 a bis 36 k sowie 36 m bis 36 v auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt 36 a: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts - Drucksachen 17/1394, 17/1802 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksache 17/2095 - Berichterstattung: Abgeordnete Marco Wanderwitz Christian Ahrendt Marianne Schieder (Schwandorf) Jens Petermann Ingrid Hönlinger Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2095, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 17/1394 und 17/1802 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen. Tagesordnungspunkt 36 b: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes und des Fahrpersonalgesetzes - Drucksachen 17/1395, 17/1903 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Aus-schuss) - Drucksache 17/1835 - Berichterstattung: Abgeordnete Kirsten Lühmann Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/1835, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 17/1395 und 17/1903 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit gleichem Stimmenverhältnis wie in der zweiten Lesung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 c: - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Staatsvertrag vom 16. Dezember 2009 und 26. Januar 2010 über die Verteilung von Versorgungslasten bei bund- und länderübergreifenden Dienstherrenwechseln - Drucksache 17/1696 - Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) - Drucksache 17/2014 - Berichterstattung: Abgeordnete Armin Schuster (Weil am Rhein) Michael Hartmann (Wackernheim) Dr. Stefan Ruppert Petra Pau Dr. Konstantin von Notz - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/2048 - Berichterstattung: Abgeordnete Jürgen Herrmann Dr. Peter Danckert Florian Toncar Steffen Bockhahn Stephan Kühn Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2014, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/1696 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen. Tagesordnungspunkt 36 d: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. November 2008 über die Änderung des Vertrags vom 11. April 1996 über die Internationale Kommission zum Schutz der Oder gegen Verunreinigung - Drucksache 17/1702 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) - Drucksache 17/2144 - Berichterstattung: Abgeordnete Ingbert Liebing Oliver Kaczmarek Horst Meierhofer Eva Bulling-Schröter Dorothea Steiner Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2144, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/1702 anzunehmen. Zweite Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 36 e: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie auf dem Gebiet des Umweltrechts sowie zur Änderung umweltrechtlicher Vorschriften - Drucksachen 17/1393, 17/1904 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) - Drucksache 17/2148 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Thomas Gebhart Dr. Matthias Miersch Judith Skudelny Ralph Lenkert Dorothea Steiner Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2148, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 17/1393 und 17/1904 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer zustimmen will, möge sich bitte erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen. Tagesordnungspunkt 36 f: - Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 2. März 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Insel Man über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Auskunftsaustausch - Drucksache 17/1698 - - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 2. März 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Insel Man zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von im internationalen Verkehr tätigen Schifffahrtsunternehmen - Drucksache 17/1697 - Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - Drucksache 17/2168 - Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Kolbe Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Birgit Reinemund Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2168, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Abkommen mit der Regierung der Insel Man über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Auskunftsaustausch auf Drucksache 17/1698 anzunehmen. Wir kommen auch hier direkt zur zweiten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2168, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Abkommen mit der Regierung der Insel Man zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von im internationalen Verkehr tätigen Schifffahrtsunternehmen auf Drucksache 17/1697 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer zustimmen will, möge sich erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen. Tagesordnungspunkt 36 g: - Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 26. März 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Guernsey über den Auskunftsaustausch in Steuersachen - Drucksache 17/1699 - - Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 13. August 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Gibraltar über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Auskunftsaustausch - Drucksache 17/1700 - - Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 2. September 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Fürstentums Liechtenstein über die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch in Steuersachen - Drucksache 17/1701 - Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - Drucksache 17/2090 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Birgit Reinemund Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2090, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Abkommen mit der Regierung von Guernsey über den Auskunftsaustausch in Steuersachen auf Drucksache 17/1699 anzunehmen. Wir kommen auch hier direkt zur zweiten Beratung und Schlussabstimmung. Auch hier mögen sich diejenigen, die zustimmen wollen, erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/ Die Grünen angenommen. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2090, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Abkommen mit der Regierung von Gibraltar über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Auskunftsaustausch auf Drucksache 17/1700 anzunehmen. Auch hier kommen wir direkt zur zweiten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD-Fraktion bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2090, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Abkommen mit der Regierung des Fürstentums Liechtenstein über die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch in Steuersachen auf Drucksache 17/1701 anzunehmen. Auch hier kommen wir direkt zur zweiten Beratung und Schlussabstimmung. Wer zustimmen möchte, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist wiederum mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Enthaltung der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 36 h: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes und des Agrarstatistikgesetzes - Drucksache 17/1703 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - Drucksache 17/2109 - Berichterstattung: Abgeordnete Franz-Josef Holzenkamp Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Kirsten Tackmann Friedrich Ostendorff Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2109, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/1703 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 36 i: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Katzen- und Hundefell-Einfuhr-Verbotsgesetzes und zur Änderung des Seefischereigesetzes - Drucksache 17/1704 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - Drucksache 17/2110 (neu) - Berichterstattung: Abgeordnete Dieter Stier Heinz Paula Dr. Christel Happach-Kasan Alexander Süßmair Cornelia Behm Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2110 (neu), den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/1704 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung bei Enthaltung der Fraktion Die Linke mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen. Tagesordnungspunkt 36 j: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu der Verordnung der Bundesregierung Neununddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) - Drucksachen 17/1900, 17/2175 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Michael Paul Ute Vogt Dr. Lutz Knopek Ralph Lenkert Dorothea Steiner Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2175, der Verordnung der Bundesregierung auf Drucksache 17/1900 zuzustimmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen und bei Enthaltung der SPD-Fraktion angenommen. Tagesordnungspunkt 36 k: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP Modellversuch "Begleitetes Fahren mit 17" in das Dauerrecht überführen - Drucksachen 17/1573, 17/2147 - Berichterstattung: Abgeordnete Kirsten Lühmann Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2147, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/1573 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 36 m: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und der FDP Herstellung des Einvernehmens zu den erwarteten Ergebnissen der Regierungskonferenz im Hinblick auf die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon hier: Erklärung des Deutschen Bundestages nach § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Drucksache 17/2127 - Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke und bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 36 n: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Veränderung der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments in der laufenden Wahlperiode - Drucksache 17/2049 - Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist bei Zustimmung der Fraktion Die Linke von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Tagesordnungspunkt 36 o: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dietmar Nietan, Axel Schäfer (Bochum), Dr. Rolf Mützenich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Den Europäischen Auswärtigen Dienst im Dienste aller EU-Institutionen handlungsfähig und wirkungsvoll ausgestalten - Drucksache 17/2118 - Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Zustimmung der SPD-Fraktion und bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt 36 p: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 97 zu Petitionen - Drucksache 17/1990 - Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 97 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 36 q: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 98 zu Petitionen - Drucksache 17/1991 - Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 98 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 36 r: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 99 zu Petitionen - Drucksache 17/1992 - Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 99 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 36 s: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 100 zu Petitionen - Drucksache 17/1993 - Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 100 ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt 36 t: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 101 zu Petitionen - Drucksache 17/1994 - Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 101 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt 36 u: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 102 zu Petitionen - Drucksache 17/1995 - Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 102 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen der SPD-Fraktion und der Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 36 v: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 103 zu Petitionen - Drucksache 17/1996 - Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 103 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 3 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Auswirkungen des gescheiterten Bildungsgipfels auf die gemeinsame Bildungspolitik von Bund und Ländern Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin Ulla Burchardt von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Ulla Burchardt (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geschah im Jahr 2008: Ein Jahr vor der Bundestagswahl versprach eine Bundeskanzlerin den Menschen die Bildungsrepublik. Sie machte Bildung zur Chefsache, traf sich im herbstlichen Dresden mit den Ministerpräsidenten und verkündete, gemeinsam mit den Ländern bis 2015 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung ausgeben zu wollen. Das wären nach damaliger Rechnung 40 Milliarden Euro mehr für Bildung gewesen. Es wurden zwei Arbeitsgruppen eingerichtet, um die Einlösung dieses Versprechens vorzubereiten. Es zog ein weiteres Jahr ins Land. Der nächste Bildungsgipfel fand im Jahr 2009 statt. Die Erwartungen waren groß, das Ergebnis mager. Vor allen Dingen wurde eine neue Bildungsfinanzstatistik vorgelegt, in der man wundersamerweise zu dem Ergebnis kam, dass die Lücke zum 10-Prozent-Ziel nur noch 13 Milliarden Euro betrage. Davon wolle der Bund 40 Prozent übernehmen, versprach die Kanzlerin. Doch, Fehlanzeige für den, der auf konkrete Entscheidungen für mehr und bessere Bildung in diesem Land gewartet hatte. Stattdessen hatten die Ministerpräsidenten schon zu diesem Zeitpunkt ganz deutlich gesagt: Wir brauchen angesichts der katastrophalen Lage der öffentlichen Haushalte eine bessere Finanzausstattung, bevor ihr Bundespolitiker sagt, dass wir noch mehr Geld für Bildung ausgeben sollen. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Aber diese Botschaft war offensichtlich nicht angekommen. Darüber waren die Ministerpräsidenten sehr verärgert. Letzte Woche, im Juni 2010, fand der dritte Bildungsgipfel statt. Das 10-Prozent-Ziel sei, so vermerkt das vorläufige Protokoll, finanzpolitisch nicht darstellbar. Das heißt, all die schönen Versprechen sind geplatzt. Die erwartungsvolle Öffentlichkeit erlebte den dritten und hoffentlich letzten Akt des Dramas vom Scheitern der Bildungskanzlerin und ihrer Ministerin. (Beifall bei der SPD) Das einzig konkrete Ergebnis - 200 Millionen Euro pro Jahr für die dritte Säule des Hochschulpaktes bis 2020 - ist mehr als nichts, aber bei weitem zu wenig angesichts des vom Wissenschaftsrats geforderten Bedarfs von 1,1 Milliarden Euro pro Jahr. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Frau Ministerin, das Scheitern ist verhängnisvoll und offenbart einmal mehr die Unfähigkeit der Regierung und der sie tragenden Fraktionen, ihre Gestaltungsmehrheit zum Wohle der Menschen und zum Wohle des gesamten Landes zu nutzen. Mit Ihrer Unfähigkeit gefährden Sie in der Krise zusätzlich die Basis für Wachstum (Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Falsche Analyse!) und den Ausbau dieser Basis, nämlich den Ausbau eines guten Bildungssystems in der ganzen Republik. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Die Unionsministerpräsidenten Koch und Carstensen haben schon vor Wochen angekündigt und damit begonnen, den Bildungskahlschlag zu betreiben. Sie haben sich schon deutlich vorher vom 10-Prozent-Ziel verabschiedet. - So viel zu Ihrer Einigkeit und zur Abstimmung innerhalb der Union, was Mehrausgaben für Bildung angeht. Wenn man dann noch Ihren haushaltspolitischen Sprecher hört, der seit Wochen entgegen allen anderen Bekundungen sagt, Bildung sei kein Bereich, der vom Sparen ausgeschlossen werden müsse, dann hat man große Befürchtungen, was noch auf diese Republik zukommt. Davon kann auch nicht die Pauschalattacke von Frau Schavan ablenken, die sie gegen die Länder gerichtet hat, indem sie ihnen kleinkarierten Föderalismus und das Umfunktionieren des Bildungsgipfels in einen Steuergipfel vorwirft. (Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Da hat sie recht!) Frau Ministerin, Sie selbst haben die Messlatte für einen Erfolg in den Bund-Länder-Verhandlungen gelegt. Ich zitiere aus Ihrer Plenarrede vom 26. November 2009: ... die Frage, wer welchen Pakt mit den Ländern umsetzt, ist eine Frage der politischen Kunst. Recht haben Sie mit dem, was Sie da gesagt haben. Sportlich formuliert kann man anschließen: Sie haben die Latte auf dem letzten Bildungsgipfel gerissen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es reicht eben nicht, sich auf den Machtworten von Frau Merkel auszuruhen. Da muss etwas mehr Handwerkszeug und Verhandlungskunst her, und da müssen die Grundrechenarten beherrscht werden. Wenn die Länder nun zu Recht auf die prekäre Finanzsituation hinweisen, dann kann man ihnen nicht sehenden Auges 4 Milliarden Euro zugunsten von Steuergeschenken für Hoteliers und Erben entziehen. Diese Rechnung kann nicht aufgehen; das haben Ihnen die Länder aber schon vorher gesagt. (Beifall des Abg. Willi Brase [SPD]) Da hilft es auch nichts, wenn Sie ihnen 5,7 Milliarden Euro, also die versprochene 40-Prozent-Finanzierung, anbieten und Sie mit der Gießkanne durch das Land gehen und ihnen Modellprojekte und ähnliche Dinge in Aussicht stellen. Davon haben die Länder nichts; davon hat die Bildung nichts. Da kann man höchstens sagen: Wir haben an der Stelle irgendetwas getan. Das aber glauben Ihnen noch nicht einmal die Haushälter Ihrer eigenen Fraktionen; denn viele der Maßnahmen, die Sie öffentlich verkündet haben, sind bis heute mit Sperrvermerken versehen. Also kann man den Ländern an der Stelle nichts nachsehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Seit den Sparbeschlüssen dieser Koalition, die in der letzten Woche getroffen wurden, gibt es wirklich einen noch größeren Grund zur Sorge. Sie alle haben mitbekommen, dass es beim Arbeits- und Sozialministerium einen großen Kahlschlag geben wird. Die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu den Zahlungen für Kinder von Hartz-IV-Beziehern steht an. Frau Ministerin, wir haben die große Sorge, dass der Haushalt des Bundesbildungsministeriums dazu dienen muss, die Lücken, die die Koalition in den Haushalt des Arbeitsministeriums geschlagen hat, zu schließen. Davor können wir Sie jetzt nur warnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Angesichts dessen kann ich nur an Sie appellieren: Wenden Sie doch einfach einmal die vier Grundrechenarten an! Wer mehr Geld für Bildung ausgeben will, der muss auch für höhere Steuereinnahmen sorgen. Wir haben den Bildungssoli vorgeschlagen. Es wird Zeit, dass Sie auf dieses Angebot eingehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Dr. Thomas Feist von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an dieser Stelle auch einmal Danke sagen: Danke, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass Sie - zwar aus einer anderen Motivation heraus - das Bemühen der Bundesregierung und der christlich-liberalen Koalition unterstützen, Bildung dort zu verhandeln, wo sie hingehört, nämlich an zentraler Stelle, hier im Parlament. Vielen Dank! (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] - Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Gerne!) - Klatschen Sie ruhig einmal! Nicht nur Sie, sondern auch die Medien spekulieren darüber, ob der Bildungsgipfel gescheitert ist oder aber ein Erfolg war. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Nein, da muss man nicht spekulieren!) Die Frage ist, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Ich kann mich erinnern: Als Sie noch in der Regierungsverantwortung standen, war die Kritik an den Bildungsgipfeln weitaus verhaltener als jetzt. Das bekommen auch die Wähler mit. Was Sie machen, das ist einfach nur Parteipolitik, nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Für uns ist es ein Erfolg, dass Bildung als zentrales Thema unserer Politik auf höchster Ebene diskutiert wird; denn dort gehört sie hin. Wir sind überzeugt: Bildung ist die beste Sozialpolitik. Deswegen stellen wir 12 Milliarden Euro mehr für Bildung und Forschung zur Verfügung, davon 6 Milliarden Euro nur für die Bildung, (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bis wann denn?) und dies, obwohl Bildungspolitik originäre Ländersache ist. Es grenzt schon an Blindheit, hier dem Bund Versagen vorzuwerfen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der Bund und die Regierungskoalition nehmen den Begriff Bildungsrepublik ernst und engagieren sich über die Maße hinaus für gute Bildung in unserem Land. Das beste Beispiel dafür sind Initiativen zur Schaffung von Bildungsketten, bei denen zentrale Kriterien für gute Bildung - frühkindliche Bildung und der Übergang von der Schule ins Berufsleben - in den Blick genommen werden. Der Bildungsgipfel zeigt als Plattform für Gespräche zwischen dem Bund auf höchster Ebene und den Ländern - so viel soll festgehalten werden -, dass sich die christlich-liberale Koalition ihrer Verantwortung hier nicht nur bewusst ist, sondern sich dieser auch konsequent stellt. Diese Konsequenz hätten wir uns - da sind wir uns in einigen Punkten sicher einig - auch bei den Ländern in größerem Maße gewünscht. Allerdings gilt nach wie vor unsere Zusage: Wir werden die Länder über das eigentliche Maß hinaus unterstützen und stellen dafür Mittel zur Verfügung. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Warum glauben die das nicht?) Wir werden auch weiterhin dafür sorgen, dass das Thema Bildung in den höchsten Gremien dieses Landes zur Sprache kommt. Wir werden es nicht zulassen, dass man unsere Anstrengungen schlechtredet. Man kann auch durch Schlechtreden Politik gestalten; das ist aber nicht unsere Art und Weise. Wo es noch Verbesserungsbedarf gibt - vor allen Dingen bei der Frage der Zuständigkeit des Bundes und der Länder -, werden wir uns für Veränderungen einsetzen, ohne bisherige Vereinbarungen von vornherein infrage zu stellen. Wir setzen uns deswegen dafür ein, dass aus dem Kooperationsverbot ein Kooperationsgebot werden kann. (Zurufe von der SPD: Oi, oi!) Wir wollen, dass der Bund die Leistungsfähigkeit der Bildung nicht nur feststellen kann, sondern sie auch sicherzustellen hat. (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Während der erste Bildungsgipfel auf bedarfsgerechten Ausbau von Studienmöglichkeiten abzielte und der zweite Bildungsgipfel wesentliche Impulse für die Forschung an den Hochschulen gab, wurden auf dem dritten Bildungsgipfel konkrete und verbindliche Verbesserungen von Studienbedingungen und Lehre vereinbart. Das kann man nicht wegdiskutieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der Bund unterstützt das Programm mit zusätzlich 2 Milliarden Euro. Das ist eine beachtliche Summe, die ohne Beispiel ist. (Klaus Hagemann [SPD]: Bis 2020!) Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. Diesen wichtigen Teilerfolg lassen wir uns von der Opposition weder kleinreden noch wegjammern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie schon selber!) Wir, die christlich-liberale Koalition, bleiben dabei: Bildung hat für uns Vorfahrt. Das 10-Prozent-Ziel bleibt klar im Blick. Es ist ein verlässliches Angebot des Bundes, und es bleibt Aufgabe der Länder, sich diesem anzuschließen. Wir bleiben dabei: Der Bildungsgipfel war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Bildungsrepublik Deutschland. Darauf können Sie sich verlassen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Da muss er ja selber lachen!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dr. Rosemarie Hein hat jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Dr. Feist, man kann herumreden, wie man will: Der Bildungsgipfel ist gescheitert. Dass er gescheitert ist, ist eine mittlere Katastrophe. Auch das dort beschlossene Qualitätsprogramm als dritte Säule des Hochschulpaktes hilft nicht darüber hinweg. Es ist zwar notwendig, aber es ist viel zu gering ausgestattet. Es sind viel mehr und ganz andere Aufgaben in anderen Dimensionen nötig. Deshalb sind auch meine starken Worte nötig. Mit einer solchen Art Abstimmung zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen macht sich die Politik in diesem Lande in der Öffentlichkeit vollständig lächerlich. Bund und Länder müssen endlich begreifen: So kann man nicht weitermachen. Die Bildungsrepublik und vor allem die Bildungschancen junger Menschen in diesem Land bleiben dabei auf der Strecke. (Beifall bei der LINKEN) Es ist schon ein Kreuz mit der Bildung. Die Länder haben sich in den allermeisten Bildungsfragen die alleinige Zuständigkeit erkämpft, und nun stellen alle fest, dass es an allen Ecken und Enden hapert. Deutschland schneidet bei den Bildungsstudien nach wie vor wenig berauschend ab. Die Hauptschulen geraten immer mehr in die Kritik. Die soziale Schere bei der Bildungsbeteiligung geht weiter auseinander. Es gibt zu wenig Ausbildungsplätze auf der einen Seite und zu wenig Fachkräfte auf der anderen Seite. Bis in Regierungskreise hinein führte das zu der Einsicht, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, gute Bildung zu garantieren. Das stimmt. Wir meinen, es ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. (Beifall bei der LINKEN) Nun kann die Bundesregierung bei der Bildung aber nicht mehr viel bestellen, und sie kann nicht einmal mehr viel bezahlen, selbst wenn sie es möchte. Darum hat die Kanzlerin den Bildungsgipfel erfunden. Ich fürchte, dass der Bildungsgipfel zum neuen Steuerungsinstrument der Bildungspolitik zwischen Bund, Ländern und Kommunen wird. Die Kultusminister haben dann kaum noch etwas zu sagen, sondern es wird auf der Ebene der Finanzminister und Ministerpräsidenten entschieden. Das halte ich für ein großes Problem, wenn es um bildungspolitische Entscheidungen geht. Das kann der Weg nicht sein. Allerdings können wir auch die Länder verstehen. Angesichts der Finanzpolitik des Bundes - ich muss das nicht wiederholen; meine Kollegin Burchardt hat es eben gesagt - fehlt an allen Ecken und Enden das Geld. Der Grund ist die verfehlte Steuerpolitik des Bundes. Darum wird es schwierig werden, und darum erfindet die Bundesregierung dauernd Hilfsprogramme - wie jüngst das mit den Bildungsbegleitern -, die ausgebaut werden sollen. Ich kann mir momentan nicht vorstellen, dass durch die Bildungsbegleiter die Defizite ausgeglichen werden können, die es im Bildungsbereich landauf, landab gibt. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist ein tolles Programm!) Der Bildungsforscher Klemm stellt fest, dass die vollmundigen Ziele, die vor fast zwei Jahren in Dresden zwischen Bund und Ländern vereinbart worden sind, nicht einmal im Ansatz erfüllt werden. In der frühkindlichen Bildung geht der Ausbau der Plätze nur schleppend voran, und noch problematischer ist es bei der Ausbildung des dafür notwendigen Fachpersonals. Darum wird die Linke im Übrigen heute zu später Stunde einen Antrag für ein Fachkräfteprogramm "Bildung und Erziehung" einbringen. Die Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss ist immer noch dramatisch hoch. Nun sollen es Bildungsbegleiter richten. Ich glaube, wie gesagt, nicht daran, dass sie das ausbügeln können, was in der Schule nicht mehr geleistet werden kann. Wir brauchen nämlich eine bessere Schule. Dafür brauchen wir mehr Lehrerinnen und Lehrer, die allerdings erst noch ausgebildet werden müssen; aber auch dafür fehlt den Ländern derzeit das Geld. Darum fordern wir mit unserem Antrag zum Fachkräfteprogramm einen weiteren Hochschulpakt für die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer. (Beifall bei der LINKEN) Bei den Ausbildungsplätzen redet man sich die Statistik schön. Die Zahl der Ausbildungsplätze geht insbesondere bei den größeren Unternehmen weiter zurück. Die Zahl der Jugendlichen, die trotz Schulabschluss keinen Ausbildungsplatz im dualen System bekommen, ist nach wie vor groß. Die Beteiligung an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung stagniert. Sie haben gerade ein Sparpaket aufgelegt, wodurch diese Situation weiter verschlechtert wird. Das Einzige, was etwas besser geworden zu sein scheint, ist die Zahl der Studienanfänger. Aber Professor Klemm warnt und fordert dazu auf, nachzurechnen, wie sie berechnet wird. Ich habe das Gefühl, dass wir weniger Abiturienten als Studienanfänger haben. Die Zahl kann irgendwie nicht stimmen. Deswegen finde ich, wir sollten einmal nachrechnen. Zurück zum Gipfel. 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sollen im Bereich Bildung und Forschung investiert werden. Darüber ist man sich zwar einig, aber man konnte sich nicht darauf einigen, wer das bezahlt. Also ist der Bildungsgipfel ausgegangen wie das berühmte Hornberger Schießen. Das ist eine Pleite. Anders kann man das nicht bezeichnen. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD] und Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Auf einen Betreuungsplatz in Krippe oder Kindergarten gibt es ab 2013 für alle Kinder vom ersten Geburtstag an einen Rechtsanspruch. Die Kommunen können es sich dann nicht mehr aussuchen, ob sie es machen oder nicht. Von da an ist es eine Pflichtaufgabe. Man kann sich auch nicht aussuchen, wie vielen Kindern man einen Platz in der Schule anbieten möchte. Es besteht Schulpflicht, und die gilt für jedes Kind. Wenn man da nachsteuern muss, kann das durchaus bedeuten, dass bei den Schwächsten gespart wird, dass die Konditionen für die Schulen schlechter werden. Das können wir nicht hinnehmen. Wer dabei tatenlos zusieht, handelt verantwortungslos. Hilfsprogramme nützen an dieser Stelle überhaupt nichts. Ich finde, Sie sollten über Ihre Steuerpolitik noch einmal nachdenken. So wie sie jetzt läuft, bluten Länder und Kommunen finanziell immer mehr aus. Darum scheitern Bildungsgipfel immer wieder. Wer Bildungsföderalismus will, muss dafür sorgen, dass die mit den Ländern getroffenen Vereinbarungen auch mit dem nötigen Geld unterfüttert werden. Dann wird es auch etwas mit dem Kooperationsgebot. Ich höre das mit einigem Interesse. Ich finde auch die Idee der Sicherstellung gut. Wie es momentan läuft, brauchen Sie aber noch viel Überzeugungskraft, damit in den Ländern etwas passiert. Aber fangen Sie endlich einmal an. Die Anträge aus der Opposition liegen vor. Machen Sie endlich einmal eigene daraus. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Patrick Meinhardt von der FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Patrick Meinhardt (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wissen Sie, mir geht dieses Geschacher bei der Bildungspolitik so was von gegen den Strich. Wo leben wir eigentlich? Es darf hier nicht um parteipolitisches Taktieren gehen. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt die FDP!) Ich erwarte ernsthafte Lösungsvorschläge zum wichtigsten Innovationsthema, das wir in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt haben. Es geht um eine Politik für bestmögliche Kindergärten, um eine Politik für bestmögliche Schulen und um eine Politik für bestmögliche Hochschulen. Darum hat es zu gehen und um nichts anderes. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Blockadehaltung der Länder, wenn es um die Erreichung des 10-Prozent-Ziels bis 2015 mit einem verbindlichen Fahrplan geht, ist aus meiner Sicht unverantwortlich. Diese Bundesregierung der Mitte setzt einen ganz klaren, einen anderen Akzent. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Mittelfristig!) Unser Ziel ist unmissverständlich formuliert: Wir wollen, dass bis zum Jahr 2015 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung aufgewendet werden. Dazu ist in Zeiten knapper Kassen eine große Kraftanstrengung notwendig und eine klare politische Haltung gefragt. Zu diesem Ziel stehen wir. Dieses Ziel wollen wir erreichen. Dieses Ziel müssen wir bis 2015 erreichen. (Beifall bei der FDP - Klaus Hagemann [SPD]: Dann mal ran!) Diese Bundesregierung der Mitte wird bis 2013 12 Milliarden Euro mehr im Bereich Bildung und Forschung investieren. Im Kampf gegen Bildungsarmut und für mehr Bildungsgerechtigkeit in Deutschland ist das ein klares politisches Signal. Das ist eine sehr bewusste politische Entscheidung dieser Bundesregierung. Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, den "Qualitätspakt Lehre" auf den Weg zu bringen - das ist ja fast untergegangen -: 2 Milliarden Euro bis 2020, 200 Millionen Euro jedes Jahr, zu 90 Prozent vom Bund finanziert. Das ist ein wichtiges politisches Zeichen für die Hochschulen. Wir stehen zu unserer Bildungsverantwortung. Nach drei Bildungsgipfeln muss jetzt ein bisschen an Tempo zugelegt werden. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Allgemein! - Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das eine Drohung?) Ein wesentlicher, zentraler nächster Schritt ist jetzt die zügige Umsetzung der BAföG-Modernisierung und die Einführung des nationalen Stipendienprogramms. Bewusst sage ich, dass dies ein Schritt ist. Allzu lange sind in diesem Land Breitenförderung und Spitzenförderung in der Bildung gegeneinander ausgespielt worden. Beide Maßnahmen gehören zusammen, und beide Maßnahmen tragen dazu bei, Bildungsungerechtigkeiten gerade bei jungen Menschen aus Familien mit sehr schmalen Geldbeuteln in Deutschland abzubauen. Das darf nicht weiter hinausgezögert werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Eine gelbe Lebenslüge!) Was ist die Antwort der Ministerpräsidenten, was ist die Antwort von Ministerpräsident Beck als Länderkoordinator zu allen Vorschlägen? Mehr Umsatzsteuerpunkte für die Länder. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Und die Unionsländer? - Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Da sind sich alle einig!) Was ist die Antwort auf das Angebot des Bundes, die Bundesbeteiligung an der Schließung der Finanzierungslücke zu vervierfachen? Das reiche nicht aus, sagt Herr Beck. Er fordert mehr Umsatzsteuerpunkte. (Zuruf der Abg. Agnes Alpers [DIE LINKE]) Was ist die Antwort auf das Programm zur Förderung von Bildungslotsen und Fördervereinen in den Grundschulen? Herr Beck sagt: Nein, mehr Umsatzsteuerpunkte. Ist das wirklich alles, was die Ministerpräsidenten und vor allem Herr Beck in diesem Land sagen können? (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Was sagt Herr Seehofer? - Weiterer Zuruf der Abg. Agnes Alpers [DIE LINKE]) In jedem unserer Landesparlamente gibt es bei den Bildungspolitikern die Forderung nach mehr Umsatzsteuerpunkten. Aber hier in dieser Debatte wird nicht mit offenen Karten gespielt. Zu denken, dass es hilft, einfach so Umsatzsteuerpunkte zu geben ohne Bedingungen, ohne die Verpflichtung, dass diese für bildungspolitische Maßnahmen, und zwar zusätzlich, eingesetzt werden, ist illusorisch. Wir werden doch nicht Umsatzsteuerpunkte umverteilen, und gleichzeitig kürzen Landesregierungen bei ihren Bildungs- und Forschungsausgaben und wollen dann diese Kürzungen mit Bundesgeld kompensieren. Nicht mit uns! (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Sagen Sie das Ihren CDU-Kollegen! - Zuruf der Abg. Agnes Alpers [DIE LINKE]) Wir brauchen keine Einheitsprogramme von oben, sondern Maßnahmen mit höchster regionaler Treffsicherheit und regionale Bündnisse. Das darf aber nicht heißen, dass wir mit Bundesmitteln jede bildungspolitische Verirrung vor Ort mitfinanzieren. Sie glauben doch wohl nicht, dass wir auch nur einen Cent in die rot-rote Bildungspolitik in Berlin stecken (Zurufe von der LINKEN: Oh!) und dann auch noch Gymnasialempfehlungen per Zufallsentscheid mitfinanzieren. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Widerspruch bei der LINKEN - Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Wer macht hier gerade Parteipolitik?) Am meisten ärgert mich, dass die sozialdemokratisch regierten Länder am lautesten brüllen, die am Tropf des Länderfinanzausgleichs hängen, die in einer generösen Haltung die Kindergartenbeiträge abgeschafft haben, die Studiengebühren für unsozial halten und die sich jetzt auch noch zurücklehnen und mehr Umsatzsteuerpunkte fordern; das ist unverschämt. Da schlägt es wirklich 13. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zuruf der Abg. Agnes Alpers [DIE LINKE]) Wir brauchen jetzt ein klares Ziel, eine klare Vorgehensweise und verbindliche Schritte, um das 10-Prozent-Ziel bis 2015 zu erreichen. Diese Bundesregierung ist in Vorleistung gegangen. Jetzt sind die Länderchefs und ihre Finanzminister dran. Sehr bewusst sage ich als bekennender Bildungsföderalist: (Zurufe von der SPD: Oh!) Wer die Bildungsverantwortung für Schulpolitik will, muss zeigen, dass er die Finanzverantwortung dafür beherrscht. Das können die Länder jetzt zeigen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - René Röspel [SPD]: Wenn die Einnahmen nicht wegbrechen!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Ekin Deligöz von Bündnis 90/Die Grünen. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Selbst wenn der Kollege hier herumbrüllt, in der Bundesrepublik ist es merklich still geworden um die Bildungsrepublik. Die Kanzlerin und die Bildungsministerin wollten Gipfel erstürmen. Sie sind letztendlich im Tal stecken geblieben. Dies wurde am 12. Juni 2010 in der Süddeutschen Zeitung ganz gut auf den Punkt gebracht: Die Geschichte der Bildungsgipfel ... hat drei Teile: einen schlechten Start, einen überflüssigen Mittelteil und einen katastrophalen Schluss. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Man kann hinzufügen: Eine Erfolg versprechende Fortsetzung ist weit und breit nicht in Sicht. Das bestätigen die Reden hier und heute. Es hilft nicht, das alles schönzureden. Der Aufbruch in die Bildungsrepublik, das, was Sie auf Bildungsgipfeln mit vielen Bildern, auf zahlreichen Veranstaltungen usw. versprochen haben, ist gescheitert. Ihr Einfluss auf die Länder, etwas gestalten zu können, hat sich als gleich null erwiesen. Das hat sich hier manifestiert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Umverteilung von Umsatzsteuerpunkten kann man durchaus kritisch sehen, Herr Kollege. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Das muss man sogar!) Ich fand das, was Sie gesagt haben, ein bisschen zu polemisch. Es gibt auch stichhaltige Argumente für die Frage: Wie stellen wir sicher, dass umgeschichtete Mittel im Bildungsbereich wirklich dort ankommen, wo wir sie brauchen? Das Beispiel der Kinderbetreuung macht das deutlich. Wir müssen uns fragen: Wie kommt das Geld in den Krippenausbau? Die Kommunen können ein Lied davon singen, wie lax die Zahlungsmoral der Länder sein kann. Gleichzeitig ist es aber so, dass auch die Länder unter finanzieller Knappheit leiden, dass auch dort die Kassen leer sind; (Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Aber warum denn? Da gibt es übrigens gewaltige Größenunterschiede, Frau Kollegin!) das muss man zur Kenntnis nehmen. Ein Auftrag des Bildungsgipfels, sozusagen die Hausaufgabe, die zu erledigen gewesen wäre, war die Frage: Wie kommen wir an einen Tisch? An diesem Punkt haben Sie außer Polemik nichts zu bieten. Das ist sehr bedauerlich, zumal ich zwei Bundesländer kenne, die im Moment ordentlich kürzen; das sind Hessen und Schleswig-Holstein. Auch hier sollten Sie zu Ihrer Verantwortung stehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ja! Mit der FDP!) Herr Dr. Feist hat wieder einmal gesagt, der Bildungsbereich bleibe von den Sparbeschlüssen ausgespart, und dort würden keine Abstriche gemacht. Wenn Sie die Realität in Deutschland, die Tatsache, dass wir Bildung brauchen und dass wir im europäischen Vergleich sehr weit hinten liegen, ernst nehmen, dann ist es beschämend, dass Sie sich hier hinstellen und sagen: Im Bildungsbereich kürzen wir nicht. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ich finde das gut!) Das ist zu wenig. Die Investitionen müssen klar gesteigert werden. Jetzt sagen Sie recht hilflos: Am Erreichen des 10-Prozent-Ziels in den nächsten fünf Jahren wollen wir festhalten. Sagen Sie uns, wie. Verraten Sie uns einmal, wie Sie das schaffen wollen. Sie wissen es selber nicht; das ist offensichtlich. Sie haben dazu keinen einzigen konkreten Punkt genannt. Auch die Bundesregierung kann nicht erklären, wie dieses Ziel erreicht werden soll. BAföG und Stipendienprogramme stehen im Moment, gelinde gesagt, auf der Kippe. Zur Kindersprachförderung - groß angekündigt - liegt nichts Konzeptionelles vor. Zum Thema Bildungsketten hat die Ministerin gestern in der Befragung der Bundesregierung selber gesagt: Strukturelle Probleme werden damit nicht gelöst, bestenfalls leicht abgemildert. - Von einer Qualitätsoffensive im Kitabereich ist nichts zu hören und nichts zu spüren. Die Frühförderung steht mit dem Rücken zur Wand. Nicht einmal die groß angekündigten Zukunftskonten sind im Moment noch im Gespräch. Wo ist dieses Thema in Ihren Debatten geblieben? Als Masterplan kann man das, was Sie veranstalten, nicht bezeichnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Patrick Meinhardt [FDP]: Wir haben in sechs Monaten mehr geschafft als Sie in sieben Jahren!) Ein weiterer Grund für die Strukturkrise ist das Kooperationsverbot in der Bildungspolitik; das haben Sie richtig erfasst. Es ist richtig: Das Kooperationsverbot ist die Entwicklungsbremse in diesem Bereich, und es blockiert den Aufbruch in die Bildungsrepublik. Das zu erkennen, reicht aber nicht aus. Ändern Sie es! Sie haben es festgeschrieben, Sie können es rückgängig machen. Wenn die Einsicht bei Ihnen vorhanden ist, müssen Sie jetzt nur noch handeln. Schönen guten Tag! Schön, dass auch Sie dort angekommen sind, wo alle anderen schon längst sind! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Was wir brauchen, ist eigentlich sehr klar. Wir brauchen die Ganztagsschulen. Wir brauchen eine gute Kinderbetreuung. Wir brauchen ein inklusives Schulsystem; hier sind wir noch in den Anfängen. Der Vorschlag, das Ganze im Rahmen der Gemeindefinanzreform zu klären, macht mir, ehrlich gesagt, überhaupt keine Hoffnung. Sie wollen ein enorm schwieriges Unterfangen zusätzlich mit diesem Thema belasten, aber es ist fraglich, ob dabei überhaupt etwas herauskommt. Richtig in der Klemme sitzen in dieser Zeit ganz andere. Das sind die Kinder und die Jugendlichen, die diese Förderung brauchen, das sind die Schulen, das sind die Kindergärten, und das sind die Menschen, die dort arbeiten. Der heute veröffentlichte Nationale Bildungsbericht dokumentiert: Die Zahl der Bildungsverlierer in diesem Land nimmt zu. Für diese Personen Verantwortung zu übernehmen, das geht anders. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Dr. Annette Schavan. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wer zum Bildungsgipfel fährt und dort eine heimliche Steuerdebatte führt, wird dem Thema Bildung nicht gerecht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wer schon am Vorabend des Bildungsgipfels verbreitet, dass der morgige Bildungsgipfel schiefgehen wird, und mit dem man dann auch überhaupt nicht über Bildung, sondern immer nur über das Thema Steuern sprechen kann - übrigens nicht allein über die Verteilung von Steuerpunkten, sondern natürlich auch über die Frage von Steuererhöhungen -, dem geht es nicht um Bildung. Dem geht es darum, dieses Thema auf dem Rücken der Schüler und Studenten für parteipolitische Polemik zu missbrauchen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Damit tun Sie sich keinen Gefallen!) Ich war ja dabei, und deshalb finde ich es ein bisschen doppelzüngig, als Klub der SPD-regierten Länder (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Vorsicht! - René Röspel [SPD]: Besser als Klub der toten Dichter!) - jetzt lassen Sie mich; Sie sind doch gleich dran - ganz klipp und klar zu sagen: Uns interessiert jetzt nicht die Debatte über Maßnahmen, uns interessiert das Thema Steuern. - In der Tat haben sich dann alle anderen Länder angeschlossen, (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Aha!) aber wer der Sprecher des Ganzen war, war während der gesamten Konferenz doch völlig klar. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Die Mehrheit im Bundestag haben Sie aber schon noch, oder?!) Deshalb sage ich hier: Die Verantwortung dieses Parlamentes und der Bundesregierung besteht jetzt darin, genau das zu tun, was wir mit 16 Ländern vereinbart haben, nämlich entscheidende Maßnahmen auf dem Weg zur Bildungsrepublik Deutschland zu konkretisieren und umzusetzen. Genau das werden wir in den nächsten Wochen und Monaten tun. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich sage das hier ganz klar: Es kann nicht die Rolle des Bundes sein, Geld zu geben und am Ende nicht zu wissen, was mit diesem Geld geschieht. Wir reden über Bildungspolitik und nicht über Sparkassen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb ist es doch interessant: Im Zusammenhang mit dem Bildungsgipfel wurden Vereinbarungen zwischen 16 Ministern der Länder und der Bundesministerin getroffen. Wir haben einen Katalog gemeinsamer Maßnahmen des Bundes und der Länder erstellt, den es so noch nie gegeben hat. Das ist ein überwältigender Konsens in der Sache quer durch die Länder, in denen unterschiedliche Akzente gesetzt werden. Dahinter steckt viel Tatkraft aufseiten der Länder und des Bundes, die sich von der öffentlichen Debatte über Steuern und davon, dass in jeder Rede die Hoteliers vorkommen, nicht haben verrückt machen lassen, sondern die dafür sorgen werden, dass das, was wir in der Sache vereinbart haben, umgesetzt wird. Darin sind sich alle einig, und es wird geschehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - René Röspel [SPD]: Ein Wunder, und das Wasser wich weg! - Kai Gehring [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Trotzdem haben die Hoteliers 1 Milliarde Euro bekommen!) Ich glaube deshalb übrigens auch, dass die Länder beim Bildungsgipfel ihr Licht unter den Scheffel gestellt haben - das ist das eigentlich Ärgerliche -, da es in nahezu allen Ländern Mehrausgaben geben wird. Dennoch wurde dieses Ziel gefürchtet. Das 10-Prozent-Ziel steht übrigens fest, (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag!) und ich bin mir ziemlich sicher: Jetzt beginnt der Wettbewerb der Länder um die Erreichung dieses Ziels. (Steffen-Claudio Lemme [SPD]: Der Weg ist das Ziel!) - Ja, das stimmt übrigens auch. Durch ein solches Ziel - das haben wir zum Beispiel beim 3-Prozent-Ziel hinsichtlich der Ausgaben für Forschung und Entwicklung sehr genau gesehen - werden Finanzmittel in einem Ausmaß mobilisiert, wie das vorher nie der Fall war, was mit bildungs- und wissenschaftspolitischen Möglichkeiten verbunden ist, wie wir sie vorher nie hatten. Deshalb sage ich: Ein Land wie Hamburg wird die Mittel in den nächsten Jahren verdreifachen. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Verdreifachen nicht!) Ein Land wie Baden-Württemberg wird in den nächsten Jahren eine halbe Milliarde Euro zusätzlich investieren. Es gibt auch welche, die kürzen. Ich kenne bislang allerdings kein SPD-regiertes Bundesland, das schon einen großen Plan für deutliche Erhöhungen der Bildungsinvestitionen hat. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Thüringen!) Deshalb rate ich uns: Lassen Sie uns jetzt doch in diesen Wettbewerb einsteigen, und lassen Sie uns dafür sorgen - - (Zurufe von der SPD) - Ich sage Ihnen: Das wird ein spannender Wettbewerb. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Da freuen Sie sich ja, dass der Gipfel gescheitert ist!) Die Rolle des Bundes ist klar: Es wird nicht nur nicht gekürzt, sondern der Bund investiert plus 12 Milliarden Euro für Bildung und Forschung. Das ist die größte Investition, die es je gegeben hat. Diese werden wir auch nicht kleinreden lassen, sondern sie wird genau so umgesetzt, wie es im Masterplan vorgesehen ist: für Maßnahmen der frühkindlichen Bildung über Maßnahmen für die einzelnen Übergänge bis hin zu den Maßnahmen, über die wir hier zum Teil schon gesprochen haben oder in den nächsten Monaten noch sprechen werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Interessant finde ich, dass Sie den Hochschulpakt in einem Nebensatz ansprechen. Wann ist in Deutschland je ein Hochschulpakt mit 275 000 zusätzlichen Studienplätzen, der vollständigen Übernahme der Programmkostenpauschale durch den Bund und 2 Milliarden Euro für die Lehre zustande gekommen? (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: In der Großen Koalition!) - Das andere ist uns gemeinsam gelungen. Das, was wir jetzt vorhaben, ist uns in der letzten Legislaturperiode nicht gelungen. Das kommt hinzu. Ich sage das nicht als Vorwurf, aber man kann doch nicht im Ernst sagen, dass 2 Milliarden Euro für die Lehre Peanuts sind. Auch das ist die größte Investition zugunsten der Lehre, die es je gegeben hat. Die Universitäten wissen genau, dass das für sie einen großen Schub bedeuten wird. Das gilt auch für die Wertschätzung der Lehre. Es ist ein deutliches Zeichen, das auch die Studierenden in ihrem Studienalltag spüren werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb ist es jetzt neben dem, was wir ausschließlich aufseiten des Bundes leisten, unsere Aufgabe, die neuen Maßnahmen gemeinsam mit den Ländern peu à peu abzuarbeiten. Zu der gemeinsamen Bildungspolitik, die wir vereinbart haben, zählen die Weiterentwicklung des BAföG, das Nationale Stipendienprogramm, die dritte Säule des Hochschulpaktes, die übrigens allein in der Ausfinanzierung ein Plus von 400 Millionen Euro gegenüber der zweiten Phase des Hochschulpaktes bedeutet, der Wettbewerb "Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen", die Förderung der frühkindlichen Bildung, die Initiative "Abschluss und Anschluss", die Weiterbildungsallianz und schließlich die Anerkennung und Bewertung von im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen. Wenn man allein diese Punkte auf der Landkarte von Bildung und Hochschule systematisieren wollte, dann wird sehr deutlich, was bei all dem der Schwerpunkt unserer gemeinsamen Bildungspolitik ist: mehr Bildungsgerechtigkeit, mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem und mehr finanzielle Anreize für junge Leute, die in Ausbildung und Studium gehen. Der Bildungsbericht, der heute vorgestellt worden ist, zeigt neben Problemzonen sehr deutlich, dass das, was an Maßnahmen geplant ist, die richtige Antwort in der Bildungsrepublik Deutschland sein wird. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Marcus Weinberg von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich darf vielleicht mit einer Vorbemerkung da weitermachen, wo die Ministerin aufgehört hat: Ich verstehe, dass die Opposition plakativ redet. Aber völlig auf eine inhaltliche Argumentation zu verzichten, wie es bei einigen Rednern der Opposition, insbesondere der SPD und der Linken, der Fall war, halte ich für sehr unangenehm. Ich wollte jetzt gerne Ulla Burchardt einiges deutlich machen und ihre Äußerungen widerlegen, aber sie hat die Debatte verlassen. Das ist schon merkwürdig, wenn man erst plakativ redet und dann verschwindet. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Sie eröffnet die TAB-Konferenz! Sie ist entschuldigt!) - Das entschuldige ich gerne, okay. Aber kommen wir zu den Kolleginnen und Kollegen. Man kann, wie die Kollegin der Grünen, gerne die Süddeutsche Zeitung zitieren. Aber warum zitieren Sie nicht aus dem dritten Bildungsbericht, der zwar noch viele Herausforderungen beschreibt und feststellt, dass wir in vielen Bereichen der Bildung noch nicht so weit sind, wie wir sein müssten, der aber bestätigt, dass die Politik in den letzten Jahren im Bildungsbereich in weiten Teilen richtig gewesen ist und mittlerweile auch erste Erfolge zeigt? Ich will einige Beispiele nennen, die Sie völlig falsch dargestellt haben. Sie haben gesagt, dass es in der vorschulischen und frühkindlichen Bildung an Fachkräften fehlt und dass keine Fachkräfte ausgebildet werden. Nein, in den letzten drei Jahren haben 42 000 Mitarbeiter mehr in den Kitas die Arbeit aufgenommen. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Kitas in diesem Bereich deutlich investiert haben. Ein weiteres Beispiel ist die Erwerbsquote von Frauen. Sie ist in den letzten Jahren um 6 Prozent gestiegen und liegt mittlerweile bei über 60 Prozent. Die Herausforderung Schule: Natürlich ist der Anteil von Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss mit 7,5 Prozent noch viel zu hoch. Aber auch hier ist ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Die Länder investieren tatsächlich. Mein Bundesland wird in den nächsten drei Jahren tatsächlich 1 000 Lehrer mehr ausbilden, weil wir gesagt haben: Wenn wir eine Schulreform durchführen, müssen wir dafür auch die Voraussetzungen schaffen. Der nationale Bildungsbericht hat gezeigt, dass es deutliche Fortschritte gibt, insbesondere bei den einzelnen Maßnahmen, die in Kooperation zwischen Bund und Ländern vollzogen werden. Wir streiten uns seit langem über Kooperationsverbot oder -gebot. Aber im Kern haben wir in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie so viele kooperative Vorhaben umgesetzt. Als Beispiel nenne ich, weil dies hier im Hause immer wieder diskutiert wurde, nur die Frage der Studienanfänger. Von 2006 auf 2009 ist deren Anzahl um 23 Prozent gestiegen. Wir hatten aus der Wissenschaft das 40-Prozent-Ziel übernommen; mittlerweile liegen wir bei 43 Prozent. Das heißt, die Zielmarke ist deutlich überschritten worden. Durch die Äußerungen der Ministerin ist klar geworden, dass wir hier in weiten Teilen sehr erfolgreich agiert haben. Zurückblickend kann man sagen, dass viele Maßnahmen in Kooperation zwischen Bund und Ländern oder mit weiteren Partnern - Stichwort Ausbildungs-pakt - Erfolge erzielt haben. 2007 gab es zum ersten Mal seit 2001 mehr Ausbildungsplätze als Bewerber. Dann kann man auch leicht zu einer Kernaussage kommen, wenn es darum geht, ob der Bildungsgipfel gescheitert ist. Es stellt sich doch folgende Frage: Finanzkrise, Finanzmarktstabilisierungsgesetz, Hilfspakete für Länder, Wirtschaftskrise, Konjunkturpakete, Konsolidierungsprogramm, all dies - mit einem Volumen allein des Konsolidierungsprogramms von 80 Milliarden Euro - muss diese Republik im Moment tragen. (Klaus Hagemann [SPD]: Und Sie entlasten die Hoteliers!) Trotzdem hält diese Bundesregierung an dem 10-Prozent-Ziel fest. Dies ist der eigentliche Erfolg des Bildungsgipfels: dass hier nichts eingespart wird, sondern 12 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden. Das muss man auch einmal deutlich unterstreichen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Kollege Feist hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass wir den Ländern angeboten haben, ihnen bei der Frage der Finanzierung entgegenzukommen. Die Äußerung von Frau Ziegler in der letzten Woche, am 10. Juni getroffen, die Bundesregierung sei am Scheitern des Gipfels schuld (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Wer sonst?) und "trägt eine große Mitschuld an dieser Schieflage", stimmt einfach nicht, weil der Bund zu seinen Versprechen steht und Finanzierungsvorschläge eingebracht hat. Noch einmal zurück zu der Frage, was sich an Maßnahmen in den nächsten Jahren noch entwickeln wird und welche Maßnahmen hier abgeschlossen wurden: Den Hochschulpakt haben wir bereits besprochen, den Ausbildungspakt ebenfalls. Morgen werden wir über BAföG und Stipendienprogramm diskutieren. Ich erinnere diejenigen, die immer mehr für die Studierenden verlangen, nur einmal daran: Als Sie aufhörten, waren wir beim BAföG bei einem Höchstsatz von 585 Euro, und jetzt sind wir bei 670 Euro. Es gibt also auch deutliche Steigerungen bei denen, die betroffen sind. (Klaus Hagemann [SPD]: Da mussten wir aber schwer treiben!) Nun zu dem, was der Kollege Meinhardt angesprochen hat: Es gibt mehrere Säulen. Dies haben Sie anscheinend noch nicht verstanden. Ich will auf der einen Seite Chancengerechtigkeit, also das BAföG netto steigern - in dieser schwierigen Zeit, in der wir überall über Kürzungen reden, steigern wir das Nettoeinkommen der Studierenden -, auf der anderen Seite geht es mir natürlich im Zusammenhang mit dem Nationalen Stipendienprogramm auch um die Begrifflichkeit Leistung, wobei sich Leistung nicht nur in Fachleistung widerspiegelt, sondern damit auch gesellschaftliches Engagement gemeint ist. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das taugt nichts!) Das heißt, wir haben drei Säulen der Finanzierung für Studierende: BAföG für die Breite, das Stipendienprogramm und das Bildungsdarlehen. Noch wenige Sätze zum Kooperationsverbot oder -gebot: Hochschulpakt und Ausbildungspakt sind angesprochen; sie haben auch gut gewirkt. Natürlich haben wir die Verantwortung, die Leistungsfähigkeit nicht nur zu überprüfen, sondern auch sicherzustellen. Dies wird in den nächsten Jahren tatsächlich die weitere Aufgabe derjenigen sein, die in den Ländern und im Bund Verantwortung tragen. Trotzdem ist es im Kern so, dass sich der Bildungsföderalismus rentiert hat, weil wir in Hamburg im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen oder Bayern ein anderes, nicht vergleichbares System haben. Wir müssen dazu kommen, dass wir Standards setzen. Der Abiturient in Hamburg, am Tegernsee oder in Berlin muss gleiche Standards erfüllen; aber der Weg dahin - das sagte vorhin schon ein Kollege der SPD - ist in diesem Fall tatsächlich das Ziel. Deswegen ist Kooperation im Föderalismus auch so angelegt, dass sie die Vielfalt widerspiegelt und wir Reformen und Umsetzungsmaßnahmen je nach Bundesland einzeln beschließen können. Dass sich dabei - bei allem Respekt - SPD-Ministerpräsidenten in den letzten Tagen und Wochen nicht gerade als diejenigen herausgetraut haben, die den Föderalismus auflösen wollen, muss man doch auch deutlich sagen. Schon beim letzten Mal wurde zitiert - - Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kommen Sie bitte zum Schluss. Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Ich komme zum Schluss. - Mir geht es um das Zitat von Herrn Beck, in dem er deutlich macht: ... dass erkannt wird, die Bundesrepublik Deutschland hat als föderaler Staat die gute Entwicklung genommen in Jahrzehnten, der Föderalismus hat zur Dynamik, zum Erfolg unseres Landes geführt. Wir werden auf Bundesseite weiterhin in dieser Kooperationsfrage Druck machen. Aber es muss auch einmal klargestellt werden, dass wir im Bildungsbereich riesige Fortschritte gemacht haben, die sich auch im Dritten Nationalen Bildungsbericht widerspiegeln. Deswegen sollte man auch einmal sachlich argumentieren und nicht nur plakativ reden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Swen Schulz von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Swen Schulz (Spandau) (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Regierungskoalition kann herumreden, wie sie will: Der Bildungsgipfel ist beim dritten Anlauf zum dritten Mal gescheitert. Das berühmte 10-Prozent-Ziel ist auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben worden. Das ist keine Lappalie. Der Bildungsbericht, der hier schon angesprochen und der heute veröffentlicht wurde, zeigt, vor welchen Herausforderungen wir im Bereich Bildung stehen. Bildung und Forschung - das sind die zentralen Themen für die Zukunftsfähigkeit dieser Gesellschaft. Es stellt sich jetzt die Frage: Warum ist der Bildungsgipfel gescheitert? Warum hat es wieder nicht mit verbindlichen Absprachen zwischen Bund und Ländern geklappt? Wir sollten ein Stück weit innehalten und nachdenken, um Lehren zu ziehen und um es künftig besser zu machen. Was ist auf dem Bildungsgipfel passiert? Es gibt im Wesentlichen zwei Seiten, die miteinander verhandelt haben. Das eine sind die Landesregierungen, die Mitverantwortung für das Scheitern haben, zumal es unter ihnen notorische Quertreiber gibt wie die Landesregierungen von Hessen, Bayern und Baden-Württemberg, ohne Frage. Die andere Seite ist die Bundesregierung. Ich sage ausdrücklich: Sie hat nicht die alleinige Verantwortung, aber doch ein gerüttelt Maß an Mitschuld am Scheitern des Bildungsgipfels. Das müssen wir hier einmal festhalten. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Das Hauptproblem ist und bleibt die finanzielle Lage der Länder und Kommunen. Dafür trägt die Regierungsko-alition, dafür tragen CDU, CSU und FDP die Verantwortung. (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) - Sie regen sich jetzt auf. Sie von der Regierungskoalition beklagen das Scheitern des Bildungsgipfels. Sie haben doch die Steuergeschenke in Milliardenhöhe für Hoteliers und andere beschlossen. (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!) Das hat die Länder und die Kommunen in die Knie gezwungen. - (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Patrick Meinhardt [FDP]: Immer das gleiche Märchen!) Die Länder wollen mehr in Bildung und Forschung investieren, aber sie können es nicht. Sie stöhnen so auf, weil Sie das nicht hören können. Das tut ein Stück weit weh. Wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie wenigstens das, was ich Ihnen jetzt vorlese. (Uwe Schummer [CDU/CSU]: Haben Sie noch eine zweite Rede?) Es ist aus dem vorläufigen Ergebnisprotokoll des Bildungsgipfels. Da steht, "dass zur Erreichung des 10-Prozent-Ziels in erheblichem Umfang bis 2015 zusätzliche Mehrausgaben für Bildung und Forschung erforderlich sind, deren Finanzierung durch die Länder ... unter den aktuellen finanz- und wirtschaftspolitischen Gegebenheiten ... nicht sichergestellt werden kann." Wer ist denn verantwortlich für die aktuellen finanz- und wirtschaftspolitischen Gegebenheiten? Das sind doch wohl Sie von der Regierungskoalition. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben die Verantwortung. Darin sind sich alle Bundesländer einig - 16 : 0 -, von Schleswig-Holstein bis Bayern, um auch das einmal festzuhalten. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Hört! Hört!) Dieses Protokoll ist eine schallende Ohrfeige für die Regierungspolitik, und die haben Sie zu Recht kassiert. (Beifall bei der SPD) Es hilft nicht, zu sagen, wie Sie, Herr Kollege Weinberg, das eben in Ihrem Debattenbeitrag getan haben, dass die Koalition zu ihren Zusagen gestanden hat. Sie haben ganz großzügig den Ländern gewissermaßen die Möhre vor die Nase gehalten, aber ihnen vorher Ketten angelegt. Das funktioniert natürlich nicht. Vor diesem Hintergrund ist es schon ein starkes Stück, mit dem Finger auf die Länder zu zeigen und ihnen die Schuld zuzuweisen. Frau Schavan, Sie haben eben den Ländern eine heimliche Steuerdebatte vorgeworfen. Doch ursächlich sind Ihre unheimlichen Steuerbeschlüsse. Das muss man doch einmal festhalten. (Beifall des Abg. Christian Lange [Backnang] [SPD]) Ich finde, es ist ganz schlechter Stil, Frau Bundesministerin, erst bei den Steuerdebatten, die wir vor einigen Monaten hier geführt hatten, den Mund zu halten, sich nicht für die Interessen der Länder und Kommunen, die die Bildung zu finanzieren haben, einzusetzen und hinterher die leidtragenden Länder und Kommunen anzuklagen. Das macht man nicht, Frau Schavan. An dieser Stelle hätten Sie lieber den Mund halten sollen, wie Sie es vorher getan haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist der falsche Ton!) Was ich hier vortrage, ist im Übrigen nicht etwa Oppositionsgerede im Nachhinein, wie man möglicherweise denken könnte. Nein, wir haben das schon immer gesagt. Auch hier im Deutschen Bundestag haben wir vor diesem falschen Kurs gewarnt. Mehr noch, wir haben nicht nur darüber geredet, sondern wir haben auch Anträge im Deutschen Bundestag vorgelegt, um einen Kurswechsel einzuleiten, um den Bildungsgipfel zu retten. Herr Weinberg, Sie wollten eine inhaltliche Debatte. Wir haben versucht, mit Ihnen eine solche zu führen. Wir haben einen Gesetzentwurf zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes - also gegen die Milliardengeschenke - eingereicht. Dieser wurde von der Koalition abgelehnt. Wir haben einen Rettungsschirm für Kommunen beantragt. Abgelehnt von der Koalition. Wir haben einen Antrag für den Nationalen Bildungspakt gestellt, der darauf abzielte, starke Bildungsinfrastrukturen zu schaffen. Abgelehnt von der Regierungskoalition. Das Resultat dieser starrsinnigen Politik sehen wir jetzt. Jetzt stehen Sie, jetzt stehen vor allem die Bürgerinnen und Bürger vor dem Scherbenhaufen Ihrer falschen Politik. Auf diese Art und Weise können Sie niemals einen Bildungsgipfel oder sonst irgendeinen Gipfel erklimmen. Auf diese Art und Weise graben Sie sich immer tiefer ein. Ich bitte Sie: Kehren Sie um, zeigen Sie endlich Einsicht! Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Dr. Martin Neumann von der FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine geschätzten Kollegen von der SPD-Fraktion, Sie haben diese Aktuelle Stunde beantragt unter der dramatisierenden und auch etwas hämischen Überschrift, der Bildungsgipfel vor einer Woche sei gescheitert. Nun stellen Sie die Frage, wie es mit der Bildungspolitik in Deutschland weitergeht. Ich sage es vorweg: Für mich ist kein Scheitern der Bemühungen von Bund und Ländern um eine bessere Bildungspolitik in unserem Land erkennbar. Scheitern hätte bedeutet, dass es keine Ergebnisse gegeben hätte, was aber überhaupt nicht der Wahrheit entspricht. Liebe Kollegen der SPD und auch der Grünen-Fraktion, Sie wollen eben nicht begreifen, dass sich die Bildungsstreiks im vergangenen Jahr gegen die Folgen Ihrer verkorksten rot-grünen Bildungspolitik gerichtet haben. (Beifall bei der FDP - Zuruf von der FDP: Endlich sagt es einer! - Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ei, ei, ei! - Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie nur Ihrem Parteitag erzählen!) Sie haben Bologna auf den Weg gebracht, ohne die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Reform der Bildungslandschaft zu schaffen. In Ihrer Regierungszeit haben Sie es offensichtlich versäumt, das BAföG anzupassen und ausreichend Mittel für die Hochschulen insbesondere im Bereich der Lehre und Beratung bzw. Betreuung der Studierenden bereitzustellen. Außerdem haben Sie überhaupt noch nicht begriffen, was uns die OECD seit Jahren deutlich macht, nämlich, dass unser Bildungssystem unterfinanziert ist, da nicht private Mittelgeber in ausreichendem Ausmaß mit ins Boot genommen werden. Mit der 23. BAföG-Novelle sorgen wir für die Anpassung des Gesetzes an die Lebenswirklichkeit der Studierenden nach der Bologna-Reform. Ferner sorgen wir mit dem Nationalen Stipendienprogramm dafür, dass endlich mehr private Mittel für die Bildung akquiriert werden. Genau dagegen sind Sie aber. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Nur mit unserer Politik wird Bologna schließlich gelingen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Oje, oje!) Zwei wesentliche Aussagen wurden getroffen, die ich wiederholt deutlich machen möchte. Der christlich-liberalen Koalition ist es ernst mit dem Ziel, Deutschland zur Bildungsrepublik zu machen. Dazu gehört das ganz klare Bekenntnis von Bund und Ländern, grundsätzlich am 10-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2015 festzuhalten. Meine Damen und Herren, das ist angesichts der finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht selbstverständlich. Das macht aber auch deutlich, dass Bildung eine nationale Aufgabe ist, die von den Beteiligten ernst genommen wird. Insofern ist dieser Bildungsgipfel eben nicht gescheitert. Ich begrüße ausdrücklich, dass der Forderung der Länder nach frei verfügbaren Mitteln ohne Zweckbindung in Form von Umsatzsteuerpunkten, also quasi nach einem Blankoscheck, nicht nachgegeben wurde. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, es kann nicht sein, dass der Bund den Ländern finanzielle Mittel durchreicht, ohne Einfluss auf deren Verwendung nehmen zu können, und somit deren Kernaufgaben finanziert; schließlich fordern die Länder diese immer wieder lautstark für sich ein. Ich begrüße natürlich das Ergebnis zur dritten Säule des Hochschulpakts, dem Qualitätspakt für eine verbesserte Lehre. Dieses Programm wird deutlich zu einer Verbesserung der Studienbedingungen, zur Weiterentwicklung guter Lehre und damit zur Sicherung der Erfolge der Bologna-Reform beitragen, und genau darum geht es an dieser Stelle. Der Bund wird bis zum Jahr 2020 insgesamt 2 Milliarden Euro bereitstellen und in eine verbesserte Hochschullehre investieren. Ich erwarte aber auch, dass die Länder endlich ihre Hausaufgaben machen. Jeder Haushalt hat Potenzial und Gestaltungsspielraum. Die Regierungen sind daher gefordert, zukunftsfähig zu haushalten. Im Bund beweisen wir doch gerade, dass wir sowohl konsolidieren als auch weiter in Bildung investieren können. Sie sehen: Koalition und Bundesregierung setzen ihre Prioritäten bei Bildung und Forschung. Die Länder, aber auch die Hochschulen haben in uns einen verlässlichen Partner. An ihnen selbst ist es aber auch, mit eigenen Anstrengungen ihren Beitrag dazu zu leisten, dass wir unserem gemeinsamen Ziel noch näher kommen. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hamburg macht das!) Der Bund jedenfalls - da sind wir uns sicher - wird seinen Beitrag dazu leisten. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Sie haben morgen die Gelegenheit, bei der Abstimmung über die BAföG-Novelle und das Nationale Stipendienprogramm Ihrer Verantwortung für eine bessere Bildungspolitik in Deutschland gerecht zu werden. Ich bedanke mich. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kassieren Sie das Stipendienprogramm!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus Hagemann von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Klaus Hagemann (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Süddeutschen Zeitung vom Wochenende ist Frau Schavan als die - Zitat - "glücklichste Ministerin" bezeichnet worden. Heute vor einer Woche, wenn ich richtig rechne, war Ihr halbrunder Geburtstag, Frau Ministerin. Das war am Tag des Bildungsgipfels. Nachträglich meine und unsere herzlichen Glückwünsche! - Es heißt, Sie hätten sich auch bei der Sparklausur des Kabinetts durchgesetzt; 12 Milliarden Euro sind ja versprochen worden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass die Versprechen auch eingehalten werden. Wenn ich die Debatte jetzt verfolge, dann beschleicht mich die Sorge, dass Frau Schavan irgendwann in den nächsten Jahren mal als Kaiserin ohne Kleider dastehen könnte wie jener Kaiser in dem Märchen "Des Kaisers neue Kleider". Die Gefahr besteht; denn Sie müssen das, was Sie hier aufgeschrieben haben, auch in die Realität umsetzen, und dafür brauchen Sie die Länder, auf die Sie alle jetzt so geschimpft haben, meine Damen und Herren. Es geht hier nicht um wenig Geld. 8,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden zurzeit für Bildung und Forschung ausgegeben; 10 Prozent sollen erreicht werden. Das sind fast 40 Milliarden Euro zusätzlich - per annum, pro Jahr. Sie sind auf die Kofinanzierung der Länder angewiesen. Sie sind auf die Zustimmung der Länder bei Bundesprojekten angewiesen. Wenn ich mir anschaue, was beim Hochschulpakt geschehen ist, den wir noch in Zeiten der Großen Koalition gemeinsam durchgesetzt haben, Frau Ministerin, dann stelle ich fest: In Rheinland-Pfalz ist er vorbildlich umgesetzt worden. Es sind mehr Studienplätze geschaffen worden, als in der Vereinbarung vorgesehen war. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Da ist ein Pakt mit dem Titel "Wissen schafft Zukunft" aufgestellt worden, in dessen Rahmen mehr als 200 Millionen Euro für das kleine Rheinland-Pfalz zur Verfügung gestellt worden sind. Deswegen stimmt Ihre Aussage nicht ganz, es stehe bei SPD-regierten Ländern nicht mehr Geld zur Verfügung. In Nordrhein-Westfalen ist der Pakt unter Schwarz-Gelb nicht vollständig umgesetzt worden. Ich hoffe, dass das dann unter der neuen Koalition geschieht. Wenn Sie nach Schleswig-Holstein blicken, dann sehen Sie: In Schleswig-Holstein, schwarz-gelb regiert, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, werden sogar Studienplatzangebote zurückgegeben. Man will die medizinische Abteilung der Universität Lübeck schließen. Das ist ein Skandal. Das ist so nicht hinnehmbar. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Das hat Auswirkungen. Man will 1 500 Studienplätze streichen, weil man sie nicht mehr finanzieren kann. Da kann ich nur sagen: Herr Carstensen hat dem Steuerkompromiss zugestimmt. Er hätte es nicht tun sollen. Wenn er es nicht getan hätte, dann hätte er mehr Geld und hätte vielleicht auch die medizinische Abteilung der Universität Lübeck erhalten können. Noch einmal: Das hat auch Auswirkungen auf die Wissenschaftsorganisationen. Ich habe mich mit Vertretern der Leibniz-Gemeinschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft gestern unterhalten. Die Fraunhofer-Gesellschaft überlegt, ob sie überhaupt ein zusätzlich geplantes Institut einrichten kann, das sich mit Meeresbiologie beschäftigt. Das müssen wir hier noch einmal deutlich in Erinnerung rufen und bedenken, dass so die Gefahr besteht, dass Fach- und Forschungskom-petenz abwandert. Nachdem hier eben der Wettbewerbsföderalismus so gelobt wurde, möchte ich noch einmal an die Anhörung zum Nationalen Stipendienprogramm erinnern. Da hat der Vertreter der Fachhochschule Magdeburg - ich glaube, er war es gewesen - deutlich gemacht, dass in seiner Region gar keine Chance besteht, dass die Wirtschaft den von ihr geforderten Anteil aufbringt. (Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Hat er so nicht gesagt!) Die Zustimmung der Länder wird für die BAföG-Reform gebraucht; ich weiß nicht, ob sie wie geplant ins Gesetzblatt kommt. Die Zustimmung der Länder wird für das Nationale Stipendienprogramm gebraucht; ich weiß nicht, ob es überhaupt ins Gesetzblatt kommt. Dafür muss noch einiges getan werden. Dem Ministerpräsidenten Beck, der als Vertreter der Länder sagte, es reiche nicht aus, über zusätzliche Programme Geld vom Bund zu bekommen, aber für die Kernaufgaben keine finanzielle Unterstützung zu bekommen, kann ich nur recht geben. Man kann zwar auf die Länder einprügeln, meine Damen und Herren von der Koalition; das nützt aber nichts. Man muss jetzt einen Kompromiss finden. Sie müssen mit den Vertretern der Länder reden. Sie müssen die gesamte Finanzarchitektur zwischen Bund, Ländern und Gemeinden überprüfen. Es sind ja nicht nur die Länder betroffen, sondern auch die Kommunen. Auch diese klagen, ob sie schwarz, ob sie rot, ob sie grün oder gelb regiert werden - und das zu Recht. Einfach "Madame Non" zu spielen, einfach Nein zu sagen, ohne Gesprächsbereitschaft zu zeigen, führt dazu, dass wir das 10-Prozent-Ziel nicht erreichen und Deutschland nicht zu einer Bildungsrepublik umbauen können. Deswegen müssen Sie kompromissbereit sein. Wir sind es. Wir haben Vorschläge gemacht. Darauf möchte ich noch einmal hingewiesen haben. Im Interesse der Sache, im Interesse der vielen jungen Leute, die uns hier besuchen - nebenbei gesagt: Herzlich willkommen! -, und stellvertretend für die ganze junge Generation, für die Kinder, die Schülerinnen und Schüler und die Studierenden, fordere ich Sie auf: Seien Sie bereit, Kompromisse mit den Ländern einzugehen. Dann erreichen wir hier auch noch etwas. Sorgen Sie bitte dafür, dass der Haushalt 2010 auch vollzogen wird, damit die Gelder, die der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt hat, auch umgesetzt werden. Ich sage das vor dem Hintergrund, dass zum Beispiel Geld zur Verfügung steht, um Forschungsschiffe zu bauen, aber es geht einfach nicht voran. Es stehen Hochschulbaumittel zur Verfügung, die aber nicht schnell genug verausgabt werden. Reden Sie mit den Ländern, damit diese Gelder abgerufen werden! Bringen Sie das in Ordnung, auch im Interesse der Arbeitsplätze! Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Eckhardt Rehberg von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Bei dem einen oder anderen kann man hier den Eindruck gewinnen, so zum Beispiel beim Kollegen Schulz, dass man mit einer gewissen Süffisanz die Ergebnisse des Bildungsgipfels am 10. Juni, also vor einer Woche, betrachtet. Kollege Schulz, ich habe es Ihnen schon in der letzten Woche gesagt: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Wir können gerne eine steuerpolitische Debatte führen. Da müssten wir uns fragen, wie viel es denn sein soll: Ein Mehrwertsteuerpunkt mehr bringt 8 Milliarden Euro, zwei Mehrwertsteuerpunkte mehr bringen 16 Milliarden Euro. Vielleicht sollten die Ministerpräsidenten aller 16 Länder aber erst einmal darüber nachdenken, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Wir stehen doch vor der Herausforderung, dass die Zahl der unter 30-Jährigen bis zum Jahr 2025 um 4,2 Millionen Personen abnehmen wird, dass die Zahl der über 60-Jährigen um 3,5 Millionen zunehmen und dass die Zahl der Bildungsteilnehmer um 2,7 Millionen abnehmen wird. Vor diesen Herausforderungen stehen wir doch in den nächsten zwei Jahrzehnten. Jetzt aber so kurzsichtig zu sein und zu handeln, dass man, diese Herausforderung vor Augen, an diesem 10. Juni nur eine steuerpolitische Debatte führt, macht doch deutlich, dass die 16 Ministerpräsidenten ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ein zweiter Punkt. Steuerpolitik ist langfristig angelegt. Ich habe es nachgeschaut, meine sehr verehrten Damen und Herren von SPD und Grünen: Sie sind dafür verantwortlich, dass der Spitzensteuersatz von 53 Pro-zent im Jahr 1999 über 48,5 Prozent im Jahr 2003 auf 42 Prozent zum 1. Januar 2005 gesenkt worden ist. (Widerspruch bei der SPD) Der Verteilungsschlüssel für diese Einnahmen sieht folgendermaßen aus: 42,5 Prozent gehen an den Bund, 42,5 Prozent gehen an die Länder und 15 Prozent gehen an die Kommunen. Wenn wir also zurückschauen und uns fragen, wer dafür verantwortlich ist, dass heute Bund, Länder und Kommunen finanziell nicht so ausgestattet sind, wie sie es sein könnten, dann muss man sagen, dass Sie dafür verantwortlich sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Wie war das denn im Bundesrat, Herr Rehberg?) Ich will noch einen anderen Punkt ansprechen. Für den größten Sündenfall, was die Steuerpolitik der letzten Jahrzehnte betrifft, sind die Linken, damals PDS, SPD und Grüne verantwortlich. Ich meine den Rückgang bei den Einnahmen aus der Körperschaftsteuer zwischen den Jahren 2001 und 2007. Sie haben dafür gesorgt, dass 120 Milliarden Euro, wenn man einen linearen Anstieg der Einnahmen des Jahres 2000 zugrunde legt, Bund, Ländern und Kommunen verloren gegangen sind. Das wurde damals für die Aktionäre von großen Kapitalgesellschaften gemacht. Sie weinen hier ständig Krokodilstränen wegen der Absenkung der Umsatzsteuer für Hotels von 19 auf 7 Prozent, was Mindereinnahmen von 1 Milliarde Euro zur Folge hat. Es gibt in Deutschland große Hotelketten. Aber es gibt auch diejenigen, die zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern 1990 ihr Geld in ein Hotel gesteckt haben oder die Mitte der 90er-Jahre unter vielen Mühen in ländlichen und strukturschwachen Räumen eine kleine Pension aufgebaut haben. Diesen Unternehmen kommt heute der höhere Gewinn zugute. Sie können investieren und steigende Kosten ausgleichen. Was Steuerpolitik betrifft, machen Sie eine reine Neidkampagne. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann erhöhen Sie doch den Spitzensteuersatz!) Lassen Sie mich noch eine letzte Anmerkung machen. Herr Kollege Schulz, ich bin stolz auf den "Scherbenhaufen", den CDU/CSU und FDP in der Steuerpolitik angerichtet haben. (Dagmar Ziegler [SPD]: Das glauben wir Ihnen aufs Wort!) Denn das IWH prognostiziert - hören Sie ganz genau zu -, dass entgegen der Steuerschätzung vom 6. Mai zusätzliche Steuereinnahmen von mindestens 5 bis 7 Milliarden Euro für dieses Jahr zu erwarten sind, die auf Bund, Länder und Kommunen aufgeteilt werden. Die eine Hälfte geht an die Länder und die andere an die Kommunen. Ich sage Ihnen daher ganz offen: Die Politik, die wir gemacht haben, ist eine gute Politik für Länder und Kommunen und eine gute Politik für die Menschen in Deutschland. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das lacht ja die gesamte Republik! Da lacht ganz Deutschland! - Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Sie sind so was von vernagelt! Sie sind nicht regierungsfähig!) Es ist insbesondere eine gute Politik für diejenigen, die mehr Geld für Bildung ausgeben wollen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von SPD, Grünen und Linken, der Bund wird hier seiner Verantwortung gerecht und er stellt sich den Herausforderungen. Man kann Politik natürlich auch so gestalten wie letzten Donnerstag: Poker spielen und die Rommé- und Skatkarten beiseite legen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Ernst Dieter Rossmann von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es vorwegzusagen: Es besteht keine Freude aufseiten der Sozialdemokraten, dass es am letzten Donnerstag nicht zu einem guten Ergebnis gekommen ist. Wir hatten erstens den gemeinsamen Bezugspunkt, dass die Ausgaben für Bildung in Deutschland um der Bildungsgerechtigkeit, um der Chancen für junge Leute und um der ökonomischen Leistungsfähigkeit willen deutlich aufwachsen müssen. (Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Völlig richtig!) Wir hatten zweitens alle zusammen begriffen, dass unser Handeln in der Bildungspolitik langfristig angelegt und unterlegt sein muss. Denn wer nur auf das nächste Jahr schaut, wird nicht dem gerecht, was in fünf, zehn oder 15 Jahren notwendig ist. Wir hatten drittens zusammen erkannt, dass wir es uns in Deutschland nicht leisten können, dass es bildungsstarke und bildungsschwache Regionen gibt. Aufgrund dieser drei Erkenntnisse haben die Ministerpräsidenten, egal welcher Couleur, und die Bundesregierung versucht, etwas Großes aufzubauen. Es liegt nicht im Interesse von Bildung und Bildungschancen, wenn es nun nur sehr magere und nicht erklärbare Ergebnisse wie die vom Donnerstag gibt. Frau Schavan, da es nicht nur um Finanzen, sondern auch um das Kooperationsverständnis geht, möchte ich eine dringliche Bitte an Sie richten: Die Sorgen der Länder dürfen nicht einfach als Parteipolitik und Finanzgeschacher abgetan werden. Die Länder sorgen sich schließlich darum, unter welchen Voraussetzungen sie ihren im Vergleich zum Bund weit überproportionalen Anteil für die Bildungsabsicherung finanzieren können. Vorausschauende Ministerpräsidenten haben in diesem Zusammenhang nicht nur das Haushaltsjahr 2011/2012, sondern auch die Schuldenbremse im Auge. Sie haben auch die strukturelle Unterfinanzierung ihrer Haushalte im Auge. Sie fragen sich, wie sie den Korridor freibekommen, um sowohl die schon jetzt aufzubringenden Regelleistungen für Hochschulen und Schulen als auch die Aufwüchse zu finanzieren. Wenn der Bund den Ländern keine Refinanzierungsmöglichkeiten über entsprechende Einnahmeerhöhungen gibt, dann muss der Bund selbst die Einnahmeverbesserung für die Bildung langfristig im Auge behalten. Dafür werben wir. Der eigentliche Konflikt im Rahmen des Bildungsgipfels war, dass man sich nicht eingestanden hat, dass der Aufwuchs der Bildungsmittel für die öffentliche Finanzierung in Bund, Ländern und Kommunen durch natürliches Wachstum und durch Einsparungen nicht mehr zu realisieren ist. Je früher dieses Bewusstsein durch die Autorität der Bundesbildungsministerin sowie der Kanzlerin und durch die Einsicht der Ministerpräsidenten wächst, desto eher nähert man sich einem erfolgreichen Bildungspfad für die Jahre 2015 bis 2020. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Je früher diese Einsicht auch bei den Liberalen wächst, desto eher wird man erfolgreich sein. Es gibt auch liberale Politiker wie zum Beispiel Herrn Kubicki und andere, die aufgrund ihres analytischen Verständnisses erkannt haben, dass Folgendes nicht gleichzeitig funktionieren kann: Bildungspriorität, Schuldenbremse, Steuersenkung und Einsparung. Das muss man begreifen, um zukünftige Gipfel zum Erfolg zu führen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich komme zu meinem zweiten Punkt: Er betrifft die Strategie. In Bezug auf das Bund-Länder-Verhältnis bei der Gestaltung von Bildung haben wir unsere Meinungen in Sachen "Pakt für die gute Lehre" ausgetauscht. Wir sagen: Das Strecken auf zehn Jahre hat einerseits etwas Gutes, indem es zehn Jahre vorausplant, und gleichzeitig etwas Ernüchterndes, denn 2 Milliarden Euro sind dann eine nicht mehr ganz so bombastische Summe. Der Bund finanziert allerdings eine Sache zu 100 Prozent, die eigentlich in der Zuständigkeit der Länder liegt. Wenn die Länder nicht einmal mehr die 10 Prozent finanzieren können, die der Bund eigentlich von ihnen erwartet, dann zerbricht die finanzielle Kooperation. In diesem Fall ist die finanzielle Kooperation indirekt zerbrochen, weil der Bund den Ländern zum ersten Mal das knallharte Angebot gemacht hat, alles allein zu finanzieren. Wollen wir dahin? Müssen nicht auch die Länder finanziell in der Lage sein, im Rahmen der Bund-Länder-Kooperation zumindest 10 Prozent für die Bildung zu leisten? Es gibt Bundesländer, die sagen: Wir können nicht einmal diese 10 Prozent finanzieren. Nicht einmal die 12 Millionen Euro für das BAföG in Schleswig-Holstein können wir mitfinanzieren. Wir haben es hier mit einem strukturellen Ungleichgewicht zu tun. Dieses Ungleichgewicht wird in Zukunft jede Bildungskooperation kaputtmachen. Meine zweite Bitte ist also, dass Sie rechtzeitig erkennen, dass die Mindestfinanzierung durch die Länder funktionieren muss. Ansonsten wird es keine strukturelle Bildungskooperation geben. Diese brauchen wir aber. Und zum Inhaltlichen, um auf Herrn Weinberg einzugehen: Ich kann in Bezug auf unsere Agenda viele Dinge nennen, die wir brauchen. Dazu gehören die frühkindliche Bildung, Ganztagsschulen und die Brücke - nicht die Kette - im Übergang von der Schule ins Berufsleben. Auch im Hochschulbereich dauert es aber nicht mehr lange und es wird eine Forderung nach einem zusätzlichen Medizinerprogramm geben, weil die Medizinerausbildung teuer ist und es in diesem Bereich nicht genügend Studienanfänger gibt. Wer soll das mitmachen? Wenn es darauf hinausläuft, dass der Bund alles zu 100 Prozent finanziert, dann zerbricht die Struktur der Zuständigkeiten und der Verantwortlichkeiten langsam; die Weiterbildung habe ich noch nicht einmal angesprochen. Ich komme zu meinem letzten Punkt: Frau Ministerin, es ist wahrscheinlich aus Frustration erwachsen, dass gesagt wird: Es geht um Wettbewerb. Damit fallen Sie wieder auf Ihre alten Ansichten zurück. Am Anfang des Bildungsgipfels stand die Vorstellung: Wir kommen nur kooperativ voran. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dies sollten Sie beibehalten. Sie sollten das Kooperative, das Ausgleichende und das Zusammenführende betonen. Da ist ein guter Ansatz beim Grundgesetz - in Bezug nicht nur auf das Feststellen, sondern auch auf das Sicherstellen - in die Diskussion gebracht worden. Ich will einen Gedanken hinzufügen. Wir brauchen diese Kooperation auch in Bezug auf das, was von der Kultusministerkonferenz geleistet werden kann. Denn wenn die Kultusminister in einen Wettbewerb gegeneinander geschickt werden, dann gibt es keine Stärkung der Bildung, der Mobilität und dessen, was ein Bedürfnis von Eltern und Kindern ist: überall in Deutschland den gleichen Zugang zu Bildung zu haben. Im Gegenteil: Man kommt zu Kooperation nur, wenn es einen inhaltlichen Konsens gibt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Rossmann, Sie wissen doch, dass Sie die Redezeit längst überzogen haben. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Ich werbe mit Zustimmung des Präsidenten dafür, dass die Kooperation dadurch zunimmt, dass wir uns auch im Bundestag um mehr Konsens bemühen. Das müsste ganz im Interesse des Präsidenten sein. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letztem Redner in dieser Aktuellen Stunde erteile ich das Wort dem Kollegen Albert Rupprecht von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Bildungsgipfel ist eine gemeinsame Sache. Erfolg kann es nur geben, wenn alle 16 Ministerpräsidenten zustimmen. Alle sitzen im selben Boot. Im Übrigen sind alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien - auch die Linken, auch die Grünen, auch die SPD - an Landesregierungen beteiligt. Ich glaube, Kritik ist am allerwenigsten gegenüber der Bundesregierung angebracht; denn die Bundesregierung steht zu dem, was sie gesagt hat. Diskussionsbedarf und Kritik gibt es in den Landesregierungen. Jede Partei und jede Fraktion ist gefordert, das in den eigenen Gruppierungen und mit der eigenen Landesregierung zu besprechen. Der Qualitätspakt Lehre mit zusätzlichen stattlichen Mitteln von 2 Milliarden Euro für die Hochschulen ist ein wichtiges Ergebnis des Gipfels. Richtig ist aber auch: Wir wollten weitere konkrete Beschlüsse. Dass es dazu nicht gekommen ist, lag nicht am Bund. Ganz im Gegenteil: Die Bundesregierung und die christlich-liberale Koalition stehen zu den 12 Milliarden Euro mehr für Forschung und Bildung in dieser Legislaturperiode. Wir stehen zur Umsetzung des 10-Prozent-Ziels bis 2015. Wir stehen zu all diesen Zielen und Zahlen, weil wir vom Ziel der Bildungsrepublik Deutschland überzeugt sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deswegen ist es vollkommen falsch, wenn Sie heute primär die Bundesregierung kritisieren. Es lag an den Bundesländern; die Länder waren leider nicht zu mehr bereit. Um es auf den Punkt zu bringen - Ministerin Schavan war sehr zurückhaltend -: Es lag vor allem an den SPD-Ministerpräsidenten. (Zurufe von der SPD: Ah ja!) Am Gipfel waren die wesentlichen Führungspersonen der SPD beteiligt. Wowereit, stellvertretender Parteivorsitzender, Platzeck und Kurt Beck als vormalige Parteivorsitzende waren bei diesem Bildungsgipfel anwesend. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Seehofer auch, oder? - Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Wo war Seehofer? Sagen Sie mal was zu Seehofer! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Was war die Position von Herrn Seehofer?) Beck hat nach diesem Gipfel die gemeinsame Position der SPD zusammengefasst: Er war nicht bereit, weitere konkrete Maßnahmen zu beschließen. Noch schlimmer: Er war nicht einmal bereit, über eine einzelne bildungspolitische Maßnahme zu diskutieren. Das Einzige, was ihn interessiert hat, war mehr Geld vom Bund, waren mehr und höhere Umsatzsteuerpunkte für die Länder, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Glauben Sie das eigentlich selber, was Sie da sagen? - Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Waren Sie dabei? Woher wissen Sie das?) und zwar ohne jegliche verbindliche Verpflichtung, dass das Geld zusätzlich in Bildung fließt. Und das geht nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ja, das geht wirklich nicht, was Sie da sagen! Das geht nicht!) Es geht nicht, dass das Geld, das für Bildung gedacht ist, für marode Landeshaushalte, für Straßen oder für Spaßbäder verwendet wird. Das ist vollkommen unakzeptabel. Die Bundeskanzlerin hat dieses Ansinnen zu Recht abgelehnt. Dies sollte von diesem Hause unterstützt werden. Herr Kollege Schulz, zu Ihrer Argumentation, die Sie immer wieder anführen, dass es die Beschlüsse der Bundesregierung seien, die die Länder handlungsunfähig machten, und dass deswegen nicht mehr Geld für Bildung zur Verfügung gestellt werden könne. Kollege Eckhardt Rehberg hat ausreichend darauf geantwortet. (René Röspel [SPD]: Ja, aber falsch! - Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Sagen Sie doch mal was Richtiges! - Eckhardt Rehberg [CDU/ CSU]: Die Wahrheit tut weh! Die Wahrheit tut sehr weh!) Nichtsdestotrotz ist es falsch, wenn behauptet wird, dass es keine Länder gebe, die mehr Geld zur Verfügung stellten. Bayern beispielsweise stellt im Haushalt 2010 4 Prozent mehr für Bildung zur Verfügung. Baden-Württemberg stellt 4,7 Prozent mehr für Bildung zur Verfügung. In Bayern sind das über 300 Millionen Euro, in Baden-Württemberg 380 Millionen Euro pro Jahr. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Und warum haben sie dem 10-Prozent-Ziel nicht zugestimmt?) Das Ergebnis ist letztendlich, dass Bundesländer, die über Jahre hinweg wirtschaftspolitisch gut gearbeitet und klare Prioritäten gesetzt haben - insbesondere Bundesländer, die über Jahre hinweg unionsgeführt waren -, schon die Kraft haben, für Bildung Gelder freizumachen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Was hat Seehofer dann auf dem Gipfel gemacht? Wir sind gespannt auf die Debatte im Bayerischen Landtag!) Die Bundesregierung und die christlich-liberale Koalition stehen klar zur Priorität von Bildung und Forschung. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten jede Maßnahme einzeln aufrufen und unseren Weg unbeirrt weitergehen. Wir sind die treibende Kraft und der stabile Faktor in der bildungspolitischen Debatte in Deutschland. Das Angebot an die Länder steht nach wie vor. Wir bitten die Bundesländer, diesen Weg mitzugehen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes - Drucksache 17/1215 - Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss (f) Innenausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Kultur und Medien Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Marco Buschmann für die FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP) Marco Buschmann (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Titel unserer heutigen Debatte mutet technisch an; aber bei der Diskussion um die Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes geht es um weit mehr als um Rechtstechnik. Es darf nicht nur um Rechtstechnik gehen, wenn wir diese Frage wie heute an einem 17. Juni behandeln; denn dieses Datum muss uns mit Blick auf den menschenverachtenden Totalitarismus der DDR und ihres Unterdrückungsapparates stets Mahnung und Warnung sein. Dieser Unterdrückungsapparat offenbarte sich schon in der Vorgeschichte des 17. Juni 1953; denn die willkürliche Erhöhung der Arbeitsnormen anlässlich des 60. Geburtstags von Walter Ulbricht zeigte: Unsere soziale Marktwirtschaft mit Tarifautonomie und Gewerkschaften unter dem grundgesetzlichen Schutz der Koalitionsfreiheit ist das weitaus menschlichere System, und nicht die zentralistische Kommandowirtschaft. Dieser Unterdrückungsapparat zeigte sich noch deutlicher, als die Arbeiterinnen und Arbeiter auf die Straße gingen und klar wurde, wie die DDR-Führung darauf reagierte. Am 17. Juni 1953 setzte der selbsternannte Arbeiterstaat Panzer gegen seine Arbeiterinnen und Arbeiter ein. Diese Panzer waren die Verkörperung dessen, was Hannah Arendt das "eiserne Band des Terrors" nannte, mit dem ein jeder Totalitarismus den Raum der Freiheit zu unterdrücken sucht. Dieses "eiserne Band des Terrors" fand seine Opfer: Über 50 Menschen starben unmittelbar; anschließend wurden mehr als 13 000 Menschen verhaftet, mehr als 2 000 zu Gefängnisstrafen verurteilt und mindestens 20 Todesurteile vollstreckt. Diese Strafurteile zeigen eines ganz deutlich: In den formalen Mantel des DDR-Rechts wurde SED-Unrecht gehüllt; denn die brutale Unterdrückung des Willens der Menschen nach freien Wahlen und politischer Freiheit ist nichts anderes als Unrecht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Gestatten Sie mir diese Anmerkung: Diese Erkenntnis sollte für uns selbstverständlich sein. Ich finde es im Umfeld des heutigen Datums schon irritierend, wenn eine Bewerberin um das höchste Staatsamt öffentlich diese Erkenntnis infrage stellt, weil sie der Ansicht ist, sie könne mithilfe eines formaljuristischen Arguments leugnen, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Das halte ich im Umfeld dieses Datums für nicht akzeptabel. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie der Abg. Hans-Joachim Hacker [SPD] und Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie wird nicht gewählt werden! Keine Angst!) Der 17. Juni war nur die Spitze eines Eisbergs der Unmenschlichkeit im SED- und Stasistaat. Die formale Ummantelung von SED-Unrecht, insbesondere durch das Strafrecht der DDR, hatte Methode. Tausende von Menschen landeten über Jahrzehnte zu Unrecht in den Gefängnissen der DDR. Daher ist es eine wichtige politische Aufgabe, den formalen Mantel des DDR-Rechts zu lüften und Straftäter von denjenigen zu unterscheiden, die nichts Strafwürdiges getan haben, sondern SED-Recht erleiden mussten. Den Opfern muss Rehabilitierung und Hilfe zuteil werden. Der FDP war und ist die Würdigung der Menschen, die Opfer des SED-Unrechtsstaates wurden und sich gegen ihn erhoben, stets ein wichtiges Anliegen. Aus diesem Grund begrüßen wir ausdrücklich die Bundesratsinitiative der Länder Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes. Die Erfahrungen mit dem Vollzug des Dritten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes haben uns gezeigt, dass an verschiedenen Stellen Nachbesserungsbedarf besteht. Diesem wollen wir zügig nachkommen. Darüber hinaus gibt es Forderungen aus den Reihen der Opferverbände, die über die vereinbarten Maßnahmen hinausgehen. Das haben wir im Blick. Ich glaube, auch im Interesse der Opfer sagen zu können: Wir sollten jetzt zügig zuerst jene Maßnahmen angehen, über die weitgehend Einigkeit besteht; denn nicht wenige Opfer haben ein Alter erreicht, das eine schnelle Entscheidung erfordert. Das Zögern bis zum großen Wurf könnte die ungewollte Folge haben, dass für viele der Opfer die Hilfe, die wir hoffentlich alle wollen, zu spät kommt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Was alle weiteren Vorschläge angeht, so kann ich Ihnen versichern: Wir werden ausloten, was möglich ist. (Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) Das ist wichtig und richtig; denn der mutige Einsatz der Menschen für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit muss anerkannt und gewürdigt werden. Es darf nicht sein, dass Menschen, die Opfer systematischer Bespitzelung wurden, mit einer bestimmten Verwaltungspraxis konfrontiert werden - einige Landesbehörden verstoßen unter Verweis auf den Amtsermittlungsgrundsatz gegen das Gesetz - und den Eindruck bekommen, sie wären wieder Gegenstand von permanenter Überwachung, anstatt rehabilitiert zu werden. Das ist eines der vielen Beispiele für die sinnvollen Maßnahmen, die wir im Paket finden. Deshalb sind das gute Vorschläge. Der mutige Einsatz der Menschen muss geachtet werden. Sie müssen rehabilitiert werden. Sie brauchen Hilfe, und zwar nicht nur am 17. Juni. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Sonja Steffen für die SPD-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sonja Steffen (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gesine Schwan hat heute Morgen eine eindrucksvolle Rede zum 17. Juni 1953 gehalten, dem Tag, an dem in der DDR mehr als eine halbe Million Menschen gegen die SED-Politik auf die Straße gingen und über 6 000 Protestierende inhaftiert wurden. Dieser Gedenktag ist ein guter Tag, um hier im Deutschen Bundestag erneut über die Entschädigung für die Opfer der anschließenden politischen Verfolgungen zu diskutieren. Im Juni 2007 hat der Deutsche Bundestag die Einfügung der Vorschrift des § 17 a in das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz beschlossen. Sie trägt die Überschrift "Besondere Zuwendung für Haftopfer". Seitdem erhalten politisch Verfolgte, die in der DDR mindestens ein halbes Jahr in Gefängnissen wie Hohenschönhausen oder Bautzen inhaftiert gewesen sind, monatlich bis zu 250 Euro als sogenannte Opferrente. Heute, 20 Jahre nach der deutschen Einheit, wird die Rente an ungefähr 42 000 frühere politische DDR-Häftlinge gezahlt. Schon kurz nach der Umsetzung des Gesetzes wurden Forderungen laut, es nachzubessern. Beim Vollzug des Gesetzes hat sich nämlich herausgestellt, dass die Berechnung des anzurechnenden Einkommens der Opfer in der Praxis zu Ungleichbehandlungen führt. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einige Aspekte hinweisen. Der erste Aspekt betrifft die Einkommensgrenzen. Es hat sich bei der Anwendung des Gesetzes gezeigt, dass die Festlegung der Einkommensgrenzen unzureichend ist. Gegenwärtig wird die Opferrente nach pauschalen Einkommensgrenzen berechnet. Wer als alleinstehende Person mehr als 1 077 Euro netto monatlich verdient, erhält die Opferrente nicht. Bei einer in Partnerschaft lebenden Person liegt die Einkommensgrenze bei 1 436 Euro ohne Berücksichtigung des Partnereinkommens. § 17 a des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes sieht also lediglich zwei unterschiedliche Einkommensgrenzen vor. Einen besonderen Freibetrag für den Unterhalt eigener Kinder gibt es für die Opfer gegenwärtig nicht. Der zweite Aspekt betrifft das staatliche Kindergeld. Nach dem bestehenden Gesetz wird das Kindergeld als Einkommen der Antragsteller angerechnet. Es handelt sich beim Kindergeld jedoch um eine Leistung, die ausschließlich zur Deckung des notwendigen Lebensbedarfs der Kinder vorgesehen ist. Was bedeuten die beiden vorgenannten Aspekte für die Berechnung der Opferrente? Familien mit Kindern erhalten im Falle eines geringen Einkommens und bei Bezug von Kindergeld oftmals keine Entschädigung. Die Alleinerziehenden, die ohnehin häufig am Rand der Gesellschaft stehen, sind hiervon besonders betroffen. Dies stellt eine nicht hinzunehmende Benachteiligung dar, die beseitigt werden muss. Der Änderungsentwurf sieht Folgendes vor: Zum einen sollen Freibeträge für unterhaltsberechtigte Kinder in Höhe von derzeit 359 Euro je Kind berücksichtigt werden. Zum anderen soll das staatliche Kindergeld als Einkommen nicht mehr angerechnet werden. Diese vorgesehenen Änderungen sind grundsätzlich zu begrüßen, ebenso der beabsichtigte Abzug der angemessenen betrieblichen Altersvorsorge vom Einkommen. Aus meiner Sicht ist es bei der Diskussion über den Änderungsentwurf allerdings erforderlich, auch über die gegenwärtig unterschiedlich hohen Einkommensgrenzen bei Alleinstehenden und bei Opfern, die in einer Paarbeziehung sind, noch einmal nachzudenken. Es mutet ungerecht an, dass das Gesetz die in Partnerschaft lebenden Opfer mit höheren Freibeträgen versieht als die alleinstehenden Opfer. Der Bundestag hat die unterschiedlichen Freibeträge im Jahr 2007 festgelegt, weil man davon ausging, dass die meisten Anspruchsteller, die mit einem Partner zusammenleben, diesen regelmäßig finanziell unterhalten müssen. Um diese fiktive Belastung aufzufangen, wurde die Einkommensgrenze für die Opfer in Paarbeziehungen erhöht. Hier wird die Bundesregierung aufgefordert, zu ermitteln, ob die in Partnerschaft lebenden Berechtigten tatsächlich Unterhaltsverpflichtungen gegenüber ihren Partnern haben, die diese Ungleichbehandlung gegenüber Alleinstehenden rechtfertigen. Nun zu einem letzten Aspekt der vorgesehenen Änderung des Gesetzes. Die Opferrente soll zukünftig nicht mehr Personen gewährt werden, die zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat rechtskräftig verurteilt worden sind. He-rauszuheben ist in diesem Zusammenhang der Fall eines Straftäters, der wegen schwerster Sexualdelikte und wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde und nun Anspruch auf die Opferrente erhebt. Die Opferrente dient der besonderen Anerkennung und Würdigung der Opfer politischer Verfolgung in der ehemaligen DDR. Deshalb wird sie häufig auch als Ehrenrente bezeichnet. Sie soll daher nach dem Änderungsentwurf nicht Straftätern gewährt werden, deren Taten auch nach bundesdeutschem Recht strafwürdig sind. Dieses Vorhaben verdient grundsätzlich Anerkennung. Jedoch ist bei der Umsetzung Sensibilität gefragt und das Augenmerk auf den Einzelfall zu richten. Häufig waren es sehr junge Menschen, die wegen unvorsichtiger Äußerungen und Handlungen für Jahre in Stasigefängnissen unter widrigsten Umständen inhaftiert waren. Zurück blieben nach dem Verbüßen der Strafen oftmals gebrochene Personen mit psychischen Schäden, die im normalen Leben nicht mehr Fuß fassen konnten. Wir sollten die beabsichtigte Änderung des Gesetzes zum Anlass nehmen, die sozialen Ungerechtigkeiten aus dem Weg zu schaffen und die Opferrente denjenigen zuzuerkennen, die sie aufgrund erlittenen Unrechts verdient haben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Andrea Voßhoff für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute, am 17. Juni 2010, diskutieren wir in diesem Hohen Hause wieder einmal über Vorschläge zur Verbesserung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes und damit der SED-Unrechtsbereinigung, in diesem Fall über Vorschläge des Bundesrates. Das historische Datum heute ist nicht zufällig das Datum dieser ersten Lesung, sondern wurde von der christlich-liberalen Koalition bewusst so gewählt. Auch wenn die Tagesordnung des heutigen Plenums schier endlos erscheint und die Themen unterschiedlicher nicht sein könnten, erlaube ich mir die Anmerkung, dass dieser Tagesordnungspunkt im Nachgang zur Gedenkstunde heute gut, richtig und wichtig ist. Warum sage ich das? Die Feierstunde heute früh hat uns allen nochmals die Bedeutung der Ereignisse des 17. Juni 1953 und den Freiheitswillen der mutigen Bürgerinnen und Bürger in Ostberlin und der gesamten sowjetischen Besatzungszone vor Augen geführt. Es waren damals der Wunsch und die Hoffnung der Arbeiter und der Studenten, der Hunderttausenden Demonstranten in Ostberlin, in Magdeburg, Merseburg, Halle, Bitterfeld, Leipzig, Jena und Brandenburg an der Havel: Mit dem Deutschlandlied auf den Lippen trugen sie Plakate mit der Aufschrift: "Wir wollen freie Menschen sein! Wir wollen freie Wahlen!" 1989 haben die Montagsdemonstrationen diese Forderungen unter dem Banner "Einigkeit und Recht und Freiheit" wieder aufgenommen. Mutige Bürger in den Städten Ostdeutschlands haben mit diesem Leitspruch friedlich die Einheit in Freiheit erkämpft. Der 17. Juni 1953 - wir haben es heute Morgen gehört - und der 3. Oktober 1990 gehören deshalb historisch untrennbar zusammen. Ich muss das Gedenken an den 17. Juni hier jetzt nicht weiter fortführen; das haben wir bereits heute Morgen getan. Ein Volk gedenkt, um nicht zu vergessen. Zur Erinnerung gehört auch die Aufarbeitung. Das sind wir den Opfern und einer verantwortungsvollen Zukunftsgestaltung schuldig. Deshalb kann und darf die Aufarbeitung des SED-Unrechts nicht beendet sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Das gilt im Bereich der Rechtspolitik, auch im Besonderen bei den Rehabilitierungs- und Entschädigungsgesetzen. Deshalb hat die christlich-liberale Koalition in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, das System der Rehabilitierung und Entschädigung laufend zu überprüfen und offenbarem Regelungsbedarf zur Verbesserung der rehabilitierungsrechtlichen Situation von Betroffenen Rechnung zu tragen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir gespannt!) Um diese Aufarbeitung haben sich fast alle Regierungsfraktionen dieses Parlaments in den vergangenen 20 Jahren in unterschiedlichen Koalitionen immer wieder bemüht. Ich sehe in allen Fraktionen viele Kollegen, mit denen wir schon häufig konstruktiv, wie ich denke, über das Thema diskutiert haben. Bei den Linken muss man bis heute ja die Aufrichtigkeit der Aufarbeitung der SED-Diktatur bezweifeln. Wenn zuletzt im Mai dieses Jahres die innenpolitische Sprecherin der Linken in einem Grußwort zur jährlichen Tagung ehemaliger hauptamtlicher Mitarbeiter des Stasiauslandsgeheimdienstes diese für ihren - ich zitiere - "mutigen Einsatz" lobt und dann noch - ich zitiere weiter - "das himmelschreiende Unrecht" gegenüber diesen Stasileuten beklagt, dann muss man sich schon fragen, wie ernst bei den Linken die kritische Aufarbeitung gesehen wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Marco Buschmann [FDP]: Unverschämtheit!) Kollege Buschmann hat es schon erwähnt, auch die Äußerungen Ihrer Kandidatin von den Linken, Frau Jochimsen, schreien zum Himmel. Ich darf - ich denke, das ist hier angemessen - aus einer Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, eines ausgewiesenen Verfassungsexperten, zu dem Thema etwas vorlesen: Die DDR war natürlich mehr als eine Diktatur. Sie war auch der Lebensrahmen für Menschen, die sich mit Fleiß und Energie engagierten: am Arbeitsplatz, im privaten Umfeld, in der Familie, in den Kirchen. Viele Hemmnisse des Systems wurden durch Improvisation und bewundernswertes Geschick überwunden. ... Das kann und darf freilich nicht Grund für eine nachträgliche Verklärung der DDR sein. Die DDR verweigerte ihren Bürgern die grundlegenden demokratischen Rechte, sie machte Oppositionelle mundtot und schreckte in Einzelfällen nicht einmal vor Mord oder Verschleppung zurück. Sie war ein Unrechtsstaat! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Seit dem Ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz aus dem Jahr 1992 haben wir in fast 20 Jahren in dieser Frage, wie ich finde, einen durchaus erfolgreichen Weg zurückgelegt, auch wenn es noch viele Probleme in dem Bereich gibt. Wir alle, die wir uns mit dieser Thematik beschäftigen, wissen das. Ich denke, wir haben viel erreicht. Lassen Sie mich ein paar Punkte dazu sagen. Die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hat seit ihrer Gründung über 1 700 Projekte vor allem in der Arbeit mit jungen Menschen gefördert, um über das DDR-Unrechtssystem aufzuklären. Über 1,7 Millionen Besucher haben sich seit 1994 in der Gedenkstätte Hohenschönhausen einen Eindruck über die perfiden Foltermethoden der Stasi verschaffen können. Durch das Bundesamt für offene Vermögensfragen sind für rechtsstaatswidrige Enteignungen in fast 500 000 Fällen Entschädigungen geleistet worden. Bei der BStU sind seit Inkrafttreten des Stasi-Unterlagen-Gesetzes über 6 Millionen Anträge auf Auskunft und Akteneinsicht gestellt worden, davon allein 2,6 Millionen von Privatpersonen. Seit 1990 sind allein im Bereich des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes in den ostdeutschen Ländern etwa 180 000 Anträge auf gerichtliche Rehabilitierung gestellt worden. Seit Einführung der Opferpension im September 2007 sind 68 000 Anträge auf Erhalt der Opferpension gestellt und 48 000 auch bewilligt worden. Ich finde schon, dass dies im Lichte der Diskussionen, die wir in diesen Fragen immer wieder führen, eine sehr gute Bilanz ist, auch wenn ich weiß, dass es in dem Bereich noch vieles zu klären gilt. Ich darf an dieser Stelle darüber hinaus auch den vielen ehrenamtlichen Helfern der Opferhilfe, denjenigen, die in Opferverbänden tätig sind, den Opfern zur Seite stehen und so eine wichtige Arbeit leisten, ganz herzlich Dank sagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, ich erwähnte es: Jeder von Ihnen, der sich mit dem Thema befasst, kennt aus vielen Schilderungen der Opfer die Problemfälle, die Schicksale, die Schwierigkeiten, die die Opfer in ihrem Umfeld und bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche haben. Ich freue mich, dass es uns in der letzten Legislaturperiode wirklich gelungen ist - ich darf an dieser Stelle von meiner Fraktion den Kollegen Arnold Vaatz nennen -, die SED-Opferpension in Höhe von 250 Euro im Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz zu verankern. Ich denke, das ist ein Erfolg; das darf man auch einmal sagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die Opferpension ist nämlich ein wichtiger Baustein der rechtsstaatlichen Wiedergutmachung geworden; die Antragszahlen hatte ich in diesem Zusammenhang genannt. Jetzt komme ich zu der Initiative des Bundesrates; die einzelnen Bestandteile sind hier und heute schon genannt worden. Es gibt eine Vielzahl von Punkten, an denen wir - ich denke, das ist Konsens - bei den bestehenden Regelungen Korrekturbedarf sehen. Ich freue mich, dass in dieser Frage auch Konsens mit der Opposition besteht. Die Details werden wir in den Beratungen sicherlich noch besprechen können. Die Klarstellung, wie die Berechnung der Mindesthaftzeit zu erfolgen hat, halte ich für einen wichtigen Punkt, ebenso die Verbesserungen für Familien mit Kindern, dass Betroffene mit Kindern finanziell nicht schlechter gestellt werden dürfen als Betroffene, die keine Kinder haben und die Rente beantragen. Es gibt eine Vielzahl weiterer Punkte, bei denen wir sagen: Hier besteht Handlungsbedarf. - Die christlich-liberale Koalition ist hier übrigens schon bei der Arbeit. Natürlich können wir die fiskalischen Zwänge nicht ignorieren. Aber im Rahmen unserer Möglichkeiten werden wir diesem Korrekturbedarf, den auch die Bundesländer angemahnt haben, nachkommen und schauen, was wir in diesem Bereich umsetzen können. Ich denke, das kommt den Opfern und denjenigen, die in besonderer Weise gelitten haben, zugute. Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Seit dem friedlichen Erreichen der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 sind wir in Deutschland in den letzten 20 Jahren gemeinsam und mit ganzer Kraft auf dem Weg nach Einheit in Freiheit, wie ich glaube, ein Stückchen vorangekommen. Die christlich-liberale Koalition wird es nicht zulassen, dass ein dunkelrotes Tuch über die Vergangenheit gelegt wird. (Widerspruch bei der LINKEN) Wir können das jahrzehntelange Unrecht nicht rückabwickeln. Wir können mit den Bestandteilen dieser Initiative des Bundesrates aber weiter dafür Sorge tragen, das Unrecht etwas abzumildern, und den Opfern in Teilbereichen ein Stück weit entgegenkommen. In diesem Sinne freue ich mich auf die anstehenden Beratungen und bedanke mich fürs Zuhören. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Halina Wawzyniak für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz soll erneut geändert werden. Der in der letzten Wahlperiode neu eingeführte § 17 a soll umfangreiche Änderungen erfahren, Änderungen, die zumindest die handwerklich groben Unzulänglichkeiten des bisherigen Gesetzes beseitigen und damit die Zahl der Berechtigten, die eine monatliche Opferrente erhalten sollen, erhöhen. Deshalb - jetzt ist Ihre Aufmerksamkeit gefragt - wird meine Fraktion dem Gesetz auch zustimmen. Denn die Verbesserungen, die die bundesweit geschätzten 3 000 Anspruchsberechtigten erfahren, sind zu begrüßen. (Beifall bei der LINKEN) Insgesamt aber bleiben das Gesetz und insbesondere der § 17 a weit hinter den Anforderungen an ein gerechtes Opferrentengesetz zurück. Die Fraktion Die Linke hatte bereits in der 16. Wahlperiode einen Gesetzentwurf vorgelegt, der solchen Anforderungen standhalten würde. Die Linke fordert eine Opferrente, unabhängig von dem aktuellen Einkommen der Betroffenen, in Höhe von 511 Euro. Wir wollen, dass weitere Personengruppen, die in der DDR politisch verfolgt wurden, Anspruch auf eine solche Rente erhalten; dabei handelt es sich beispielsweise um Schülerinnen und Schüler, denen aus politischen Gründen ein Bildungsweg versagt wurde, oder um Bürgerinnen und Bürger, die Opfer von Zersetzungsmaßnahmen wurden. Wir wollen, dass ehemals Inhaftierte nicht bürokratisch nachweisen müssen, dass sie gesundheitliche Schäden erlitten haben. Wir plädieren dafür, dass es keine Befristung für Anträge auf Opferrenten gibt. Bedauerlich ist, dass die Nutznießer des neuen § 17 a nur jene Opfer von DDR-Unrecht werden, die mittlerweile zu den Ärmsten zählen. Das wirkt so, als ginge es weniger um eine Opferrente denn um einen Sozialausgleich, der Armut lindern soll. Die Botschaft dabei ist: Gewürdigt wird nicht mehr das Engagement der Betroffenen für Demokratie, Bürgerrechte und Freiheit zu DDR-Zeiten. Gewürdigt wird lediglich die aktuelle Bedürftigkeit der Anspruchsberechtigten im heutigen Alltag. Genau das ist zu wenig. (Beifall bei der LINKEN) Das in Art. 17 des Einigungsvertrages formulierte Ziel einer unverzüglichen und angemessenen Entschädigung der Opfer von politischem Unrecht in der DDR wird auch mit dieser Änderung nicht erreicht. Mit den bestehenden Gesetzen zur berufsrechtlichen Rehabilitation und auch mit der hier und heute zu beratenden Gesetzesänderung wird dieses Ziel bedauerlicherweise nicht verfolgt. Lassen Sie mich in Kürze nochmals unsere Kritikpunkte zusammenfassen: Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum an der hohen Mindesthaftdauer von sechs Monaten - nunmehr präzisiert: 180 Tage - festgehalten wird. Auch durch eine Haft von unter sechs Monaten können Inhaftierte in ihrer Menschenwürde grob verletzt werden. Der Einsatz für die Grundwerte der Demokratie und des Rechtsstaates sollte unabhängig von der Haftdauer prämiert werden. Wir fordern, alle Antragsfristen in den Rehabilitierungsgesetzen komplett zu streichen. Oftmals brauchen die Opfer längere Zeit, um die für sie negativen und zum Teil auch sehr traumatischen Erfahrungen verarbeiten zu können. Der Gesetzgeber hat zu respektieren, dass sich die Betroffenen beim Umgang mit ihrer Biografie von höchstpersönlichen Grundsätzen leiten lassen. Das Bedürfnis der Verwaltungen, Vorgänge in begrenzter Zeit abschließen zu wollen, muss hinter dem Anspruch der Betroffenen zurückstehen. (Beifall bei der LINKEN) Wir sind der Ansicht, dass die den Opfern auferlegte Beweislast hinsichtlich der Kausalität zwischen der freiheitsentziehenden Maßnahme und der infolge dieser Freiheitsentziehung erlittenen Schädigung zumindest in eine Beweisvermutung umgewandelt werden sollte. Dies erspart den Betroffenen neues Leid durch die aufwendige und langwierige Anerkennung der Folgeschäden. Es ist demütigend und ungerecht, für einen Anspruch auf Haftfolgeschäden entwürdigende Gesundheitsprüfungen über sich ergehen lassen zu müssen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es auch an Ihren eigenen Ansprüchen vorbeigeht, dass die Unterstützungsleistung in Abhängigkeit vom Einkommen gewährt wird. Ich frage Sie: Welchen Status hat eine Anerkennung durchlittenen Unrechts, die vom Einkommensniveau der Bezugsberechtigten abhängig gemacht wird? Wollen Sie den Mut dieser Menschen ehren, oder wollen Sie eine bisweilen demütigende Offenlegung ihrer Einkommensverhältnisse? Es bleibt zum Schluss nur festzustellen, dass auch durch diese Gesetzesänderung keines der benannten Probleme gelöst wird. Trotzdem gebieten es der Respekt und die Achtung vor den Leistungen der in der DDR politisch Verfolgten, dieser Gesetzesänderung zuzustimmen. Wir als die Fraktion Die Linke und auch wir als Partei sind uns unserer Verantwortung in dieser Frage sehr bewusst. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollege Wolfgang Wieland für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion, vielleicht können wir uns ja darauf einigen, dass jedenfalls der Schlusssatz von Gesine Schwan, wonach wir alle uns die Frage stellen müssen, ob wir uns der Opfer des 17. Juni immer würdig erweisen, von uns allen unterstützt werden kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hans-Joachim Hacker [SPD]) Wenn es so ist - es fällt Ihnen schwer, das anzuerkennen; ich sehe das, aber denken Sie darüber nach -, muss ich das Wort zunächst natürlich an die Linksfraktion richten. Frau Kollegin Wawzyniak, ich muss Ihnen sagen, was ich in der Vergangenheit auch Ihrem Kollegen Schneider immer gesagt habe: Sie sagen hier, Sie übernähmen die Verantwortung. Wir haben wieder kein Wort der Entschuldigung gehört, wir haben kein Wort der Reue gehört, und vor allen Dingen fehlt nach wie vor jede finanzielle Geste Ihrer Partei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das wird nicht richtiger, wenn es immer wiederholt wird!) Ich habe es schon einmal gesagt: Sie benehmen sich wie ein Angeklagter, der sich seinen Taten nicht stellt, der nicht um Entschuldigung bittet und der keine Reue zeigt, (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sollen wir uns alle aufhängen? Was wollt ihr denn?) sondern sagt: Der Hauptskandal ist, dass dieser Staat meine Opfer nicht richtig entschädigt. - Das halten wir für nicht glaubwürdig, um das hier noch einmal ganz deutlich zu sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Wawzyniak? Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich gestatte gerne eine Zwischenfrage. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Herr Kollege Wieland, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass bereits auf dem Sonderparteitag der SED/PDS eine Entschuldigung der SED an das Volk der DDR erfolgt ist? Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass es diverse Erklärungen gibt, in denen die Vorgängerpartei der Linken, die PDS, sich beim Volk der DDR für das begangene Unrecht entschuldigt hat? Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass es bei uns einen jahrelangen Prozess der intensiven Auseinandersetzung mit unserer eigenen Vergangenheit gegeben hat? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe gerne zur Kenntnis genommen, Frau Kollegin Wawzyniak, dass es diese Erklärungen gab, aber uns reichen papierene Erklärungen nicht aus. Wir wollen auch Handlungen sehen. Wir wollen nicht sehen, dass Ihre gerade gewählte Parteivorsitzende beispielsweise zu Versammlungen früherer Tschekisten geht und dort Grußbotschaften ausrichtet. Wir wollen nicht hören, dass Ihre gerade gewählte stellvertretende Parteivorsitzende uns unentwegt erklärt, wir sollten auch die guten Seiten an Stalin sehen, wir sollten in Walter Ulbricht den großen Staatsmann sehen usw. usf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist doch Quatsch! So ein Unfug!) Ihr Kollege Dietmar Bartsch gibt uns gerade die Ehre seiner Anwesenheit. Er könnte wie kein Zweiter sagen, wo das Parteivermögen der SED geblieben ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Gerade hat die Bundesrepublik einen Prozess in der Schweiz gewonnen. Vor dem Obergericht des Kantons Zürich ging es um 230 Millionen Euro. Es ging um Gelder, die Ihre Partei auf dem Umweg über Novum bzw. über die sogenannte rote Fini hinter die sieben Berge in die Schweiz geschafft hat, nach dem Vorbild der kapitalistischen Steuerhinterziehung. Von denen zu lernen, haben Sie sich vermutlich gesagt, heißt, überleben zu lernen. Das ist der Umgang Ihrer Partei mit der Vergangenheit in der Praxis. Der Kollege Bartsch hat dazu laut Focus gesagt: "Das ist eine Geschichte aus dem vorigen Jahrhundert". Sagen Sie bitte nicht, dass Sie mit Ihrer Vergangenheit ernsthaft abgerechnet hätten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben vor drei Jahren das Gesetz zur Zahlung einer Opferpension beschlossen. Rot-Grün hatte es nicht geschafft; auch Schwarz-Gelb hatte es nicht geschafft. Die Große Koalition hat es gemacht. Wir haben es seinerzeit anerkannt, weil es immerhin ein erster Schritt war. Wir haben aber auch darauf hingewiesen, welche Mängel noch bestehen. Ich erinnere mich lebhaft an die Diskussionen mit den Opferverbänden in Görlitz, Herr Kollege Vaatz. Man kann zwar nicht jedem Wunsch nachgeben; aber man muss gerade bei diesem Thema, zu dem sozusagen eine Mängelrüge gekommen ist und uns gesagt wurde, was wir als Gesetzgeber schlecht geregelt haben - Frau Kollegin Steffen hat darauf hingewiesen -, ernsthaft darüber diskutieren, welche Änderungen man vornimmt, beispielsweise bei den Kinderfreibeträgen. Wir dürfen angesichts der kleinen Änderungen nicht vergessen, dass die großen Schritte tatsächlich ausbleiben. Ich will nur die wichtigsten Mängel benennen. Wir haben keine echte Ehrenpension, sondern nach wie vor nur eine Haftentschädigung. Immerhin gibt es sie, aber es ist nur eine Haftentschädigung. Eine Entschädigung für alle Opfer und Verfolgten fehlt nach wie vor. Es bleibt auch bei dem Erfordernis von sechs Monaten Haft, auch wenn es jetzt 180 Tage sind. Die Formulierung "180 Tage" ist sicherlich richtig; aber es stellt sich die Frage, was mit denen ist, die kürzer in Haft waren. Wie wir wissen, gab es nach der Schlussakte von Helsinki kürzere Strafen. Dieses Problem muss gelöst werden. Wir haben die große Frage der Einbeziehung des sogenannten rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs zu beantworten. Dass gerade diejenigen, die besonders gelitten haben und besonders verfolgt wurden, nunmehr eine Anrechnung des Nachteilsausgleichs auf die Opferpension erleiden, erscheint uns widersinnig. Das hat der Bundesrat bisher nicht bedacht; es ist nicht berücksichtigt worden. Es gibt, wie Sie wissen, keine Entschädigung für Opfer von Zersetzungsmaßnahmen, die beispielsweise in die Zwangspsychiatrie eingewiesen wurden, und es gibt keine Entschädigungen für verfolgte Schülerinnen und Schüler. Wer in den 50er-Jahren aus politischen Gründen seinen Schulabschluss nicht machen durfte und bis 1969 nur auf niedrigster Stufe am Erwerbsleben teilhaben durfte, erhält bisher nichts. Hier sind bedeutende Gruppen nicht bedacht und teilweise auch ausgegrenzt worden. Wir werden diesem Gesetzentwurf, wenn er im Verfahren noch stimmiger gemacht werden wird, zustimmen. Wir sind uns aber bewusst, dass dies nur ein kleiner Schritt ist. Wir haben mit Interesse vernommen, dass der Koalitionsarbeitskreis daran arbeitet; dies hat der Kollege Buschmann ja gesagt. Vielleicht wird an dieser Stelle etwas daraus; richtig hoffen tut man es nicht mehr. Aber wir werden uns dies alles mit Interesse ansehen und warten mit Spannung auch auf diese Ergebnisse; denn es gilt leider heute noch: Zu viele Opfer sind ausgegrenzt, zu viele Opfer sind vergessen. Wir meinen: So darf es nicht bleiben. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Eine Kurzintervention des Kollegen Dietmar Bartsch. Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Herr Kollege Wieland, es ist günstig, dass es sich so trifft, dass ich auf Sie sofort Bezug nehmen und den Unsinn, der immer wieder gern behauptet wird, hier noch einmal klarstellen kann. Ich will dies politisch überhaupt nicht werten, sondern nur die sachlichen Fakten nennen. Erstens. Wir, die PDS, haben notariell auf sämtliches Auslandsvermögen verzichtet. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) - Notariell! Wer da lacht, sollte wirklich das erste Semester Jura nachmachen. - Wir haben notariell auf sämtliches Auslandsvermögen verzichtet. Zweitens. Wir haben vor dem Oberverwaltungsgericht in Berlin einen Vergleich zu sämtlichem SED-Vermögen abgeschlossen. Nach diesem Vergleich ist weder vom Geldvermögen noch von anderem Vermögen etwas übrig geblieben, abgesehen von ausschließlich vier Immobilien, die bekannt sind. Wir haben uns in diesem Vertrag gleichzeitig dazu verpflichtet, das Dreifache an Strafe zu zahlen, sollte irgendein Vermögensgegenstand auftauchen, von dem auch nur irgendeiner aus der Führung der Partei etwas weiß. Das sind die sachlichen Fakten. Es ist nie etwas aufgetaucht, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ein Zufall!) was unserem Vermögen zugeordnet werden konnte und was zu einer Strafzahlung geführt hätte. - Wollen Sie Rechtsstaatlichkeit oder nicht? Die gesamten Vermögensfragen sind rechtsstaatlich abgewickelt worden. (Beifall bei der LINKEN) Das Vermögen ist für den Aufbau in den neuen Ländern zur Verfügung gestellt worden. Tun Sie in der Öffentlichkeit nicht immer so, als hätte die Linke in irgend-einer Weise irgendetwas vom Vermögensbestand der SED übernommen. Es ist schlicht die Unwahrheit, und sie wird auch durch ständige Wiederholung nicht besser. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist bei der CDU und der FDP ein bisschen anders gewesen!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Wieland, bitte schön. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lieber Herr Kollege Bartsch, die Realität ist, dass die eigens vom Bundestag dafür eingerichtete Kommission, die das Parteivermögen aufspüren sollte, in ihrem Schlussbericht festgestellt hat, dass dies trotz Einsatzes von Detektiven nur zu einem kleinen Teil möglich gewesen sei und dass das Geld beiseitegeschafft und versteckt worden sei. Sie können uns hier doch nicht ernsthaft erzählen, dass wir arglos auf notarielle Versicherungen von Ihnen vertrauen sollen, dass dieses Geld nicht an Sie zurückfließt, wie auch immer. Nun sollen wir denen, die es beiseitegeschafft haben - Sie wissen doch genau, wovon ich rede, Herr Kollege; die Strafprozesse haben doch seinerzeit auch stattgefunden - vertrauen, dass sie es melden, sobald sie es wieder in die Hände bekommen? Dies tun wir ausdrücklich nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nun haben Sie, lieber Kollege Vaatz, das Wort. Arnold Vaatz (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal muss man sagen: Dass die Opferpension schließlich gekommen ist, nach so vielen Jahren, ist ein großer Erfolg gewesen. Wir sollten das im Nachhinein auch nicht grundsätzlich zerreden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben insgesamt für 50 000 Menschen - das muss man sich einfach einmal auf der Zunge zergehen lassen -, von denen jeder Einzelne länger als ein halbes Jahr in Haft gesessen hat, eine Anerkennung zustande gebracht, die sie regelmäßig auf ihrem Konto sehen und die ihnen ein Stück ihres Vertrauens darauf zurückgibt, dass der Rechtsstaat seine Vorkämpfer nicht vergisst. Dies halte ich für ein ganz wichtiges Signal. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herr Wieland, Sie haben vollkommen recht, wenn Sie sagen, auch dieses Gesetz habe wie viele Gesetze einige Mängel gehabt. Wenn Sie allerdings aufrichtig sind, dann müssen Sie feststellen, dass die Mängel genau an den Stellen zutagegetreten sind - das gilt jedenfalls für die, die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beseitigt werden sollen -, über die wir in unseren Ausschüssen eigentlich gar nicht diskutiert hatten. Wir haben uns im Wesentlichen um andere Punkte gekümmert als die, die wir jetzt verbessern wollen. Es ist meines Erachtens dringend notwendig, dass wir das tun, und wir tun es an den richtigen Stellen. Das Kindergeld ist für die Kinder da und darf nicht auf das Gesamteinkommen angerechnet werden. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist: Die technischen Dinge, die bei der Entlassung eines Strafgefangenen in der DDR eine Rolle gespielt haben, dürfen sich nicht zufällig gegen den auswirken, der aus rein logistischen Gründen eine Woche eher entlassen worden ist. Das darf nicht dazu führen, dass er die ihm zustehende Opferpension nicht erhält. Deswegen werden wir das korrigieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Auf die Unwürdigkeit von schweren Straftätern einzugehen, die allerdings auf der anderen Seite die Kriterien für die Opferpension erfüllen, erspare ich mir; denn dazu ist schon etwas gesagt worden. Ich lehne es ab, dass die vielen Menschen, die unschuldig eingesperrt worden sind, in einen Zusammenhang mit solchen Menschen gebracht werden. Das darf nicht sein. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben, und das werden wir tun. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Frau Wawzyniak, ich hatte bei Ihrer Rede den Eindruck, dass sich so, wie Sie sich verhalten, ein Versicherungsbetrüger verhält, der bewusst einen riesigen Schaden anrichtet und dann von der Gemeinschaft fordert, dass sie für diesen Schaden aufkommt, und die Kosten noch hochrechnet, um die Gemeinschaft möglichst stark zu schädigen. Das war Ihre prinzipielle Herangehensweise. Das darf bei uns nicht verfangen. Ich bin nicht der Meinung, dass das aus Ihrer Sicht in erster Linie eine Geste gegenüber den Opfern ist. Sie gehören zu einem Jahrgang, der dafür sicher nicht verantwortlich zu machen ist; aber diejenigen, die Ihre Partei in Ostdeutschland hauptsächlich tragen, sind sehr wohl damit in Zusammenhang zu bringen. Ich bin nicht der Meinung, dass Sie in erster Linie für die Opfer plädiert haben. Was Sie machen, folgt einer allgemeinen Logik, die Sie seit 1990 verfolgen. Sie haben nämlich die Absicht, die Ihnen verhasste bürgerliche Gesellschaft durch Überforderung zu zerstören. Das ist das Ziel. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Lachen bei der LINKEN) Bei allen Punkten, bei denen Sie in der Lage sind, das zu tun, schrauben Sie Ihre Forderungen ins Unermessliche und gerieren sich dann als ein Streiter für die Schwachen. (Zuruf von der LINKEN: Das ist albern!) Was wirklich dabei herauskommt, ist genau das Gegenteil. Sie überfordern die Gesellschaft und stellen neue Ungleichheiten her. Ich muss in diesem Zusammenhang an die Diskussion erinnern, die wir bei der Einführung der Opferpensionen hatten. Da ging es darum - das haben im Wesentlichen unsere sozialdemokratischen Freunde thematisiert -, dass wir SED-Opfer nicht schlechter und vor allen Dingen nicht besser als Naziopfer behandeln sollen. Daran kann ich mich noch ganz genau erinnern. (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Gleichbehandlung, ja!) Genau nach diesen Kriterien haben wir uns gerichtet. Auf dieser Basis wurden letztlich die Höhe der Pensionen festgelegt und die Regelungen über die Voraussetzung der Haftzeit und den Bedürftigkeitsnachweis getroffen. Wir wissen alle, dass wir mit Geld die Zerstörungen, die Menschen in der DDR erlitten haben, nicht wiedergutmachen können. Wir können weder zerstörte Biografien noch zerstörte Ehen oder eine zerstörte Gesundheit mit Geld kompensieren. Das ist nicht möglich. Diese unkompensierbaren Spätfolgen sind es, die nach wie vor an den Betroffenen fressen und die ihnen schlaflose Nächte bereiten. Diese Schäden sind aber nicht das Einzige, was die meisten beschwert. Viele - auch ich - leiden unter dem allgemeinen Klima der Rehabilitation der DDR, das sich großer Teile unserer Gesellschaft bemächtigt hat. Zum heutigen Tage passt, was auf der Website einer Kollegin der Linken zu lesen ist. Es gehe ihr nicht darum, schreibt sie, von Angehörigen des MfS begangene Verfehlungen oder sogar Verbrechen zu verharmlosen. Schließlich hätten sich solche Handlungen oft genug gegen subjektiv überzeugte Sozialisten und linke Oppositionelle gerichtet und schließlich in erster Linie dem Sozialismus geschadet. So schreibt die innenpolitische Sprecherin der Linken auf ihrer Website. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linken, nach welchen Regeln Sie innerhalb Ihres Vereins miteinander umgegangen sind, das ist zwar nicht ganz, aber doch eher Ihre Sache. Studenten, die sich freiwillig schlagenden Verbindungen anschließen, müssen sich nachher nicht über ihre zerschnittenen Gesichter beklagen. Ernst wird es allerdings dann, wenn Sie über Unbeteiligte herfallen. Die Kernfrage an Sie ist, mit welchem Recht Sie über wehrlose Menschen hergefallen sind, die nicht zu Ihrem Verein gehört haben und die nicht Ihre Utopien geteilt haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das hat Ihre Kollegin in keiner Weise erwähnt. Ganz im Gegenteil, Ihren heutigen Verlautbarungen ist immer noch zu entnehmen, dass Sie wie eh und je unter den Opfern zwischen besonders hervorhebenswerten wertvollen Menschen, nämlich den Linken und den subjektiv überzeugten Sozialisten, und dem nicht besonders hervorhebungswürdigen Rest unterscheiden. Das macht Ihre Argumentation gespenstisch, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das Ministerium für Staatssicherheit war kein vermeidbarer Makel des sozialistischen Staates. Die Existenz eines so brutalen und jeder öffentlichen Kontrolle entzogenen Unterdrückungsinstruments war vielmehr eine notwendige Bedingung für den Fortbestand des sozialistischen Experiments. Für das, was die SED wirklich unter dem Aufbau des Sozialismus verstand, wurde niemals das Einverständnis der Bevölkerung eingeholt. Auf demokratische Zustimmung zu diesem Experiment konnte man aber verzichten, weil mit dem MfS ein Instrument zur Hand war, mit dem man die Uneinsichtigen, die Abweichler und alle Feinde des Sozialismus auch so niederhalten konnte. Wenn Sie in Ihrem Programm schreiben, dass Sie "in einem großen transformatorischen Prozess gesellschaftlicher Umgestaltung für den demokratischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts" kämpfen, und hinzufügen, dass dieser Prozess "von Brüchen und Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe" gekennzeichnet sei, und andererseits fortwährend Terrorinstrumente wie das Ministerium für Staatssicherheit reinwaschen und verharmlosen, dann ahnt man, was Sie mit dieser Ankündigung wirklich meinen. Wenn Sie die Macht dazu hätten, wären Sie sofort bereit, die Einschüchterungs-, Gleichschaltungs- und Unterdrückungsmechanismen der DDR zu Ihrer Machtsicherung wieder zu verwenden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist eine Frechheit! - Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das ist eine grobe Unterstellung!) Ihre fortwährende Verteidigung von politischen Systemen wie beispielsweise in Kuba, wo genau diese Systeme noch völlig unversehrt arbeiten, zeigt das doch, meine Damen und Herren. Wenn Sie dieses Land verteidigen, dann denken Sie in denselben Kategorien. Dann schwebt Ihnen ein genauso geartetes Staatsgebilde vor. Ein solches lehnen wir aber ab. Das ist für uns vorbei. Aus diesem Grunde müssen wir Ihnen widersprechen. Es gehört zur Rehabilitierung der Opfer, dass wir Ihnen das regelmäßig ins Gesicht sagen, bis Sie Ihre Meinung ändern. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Hans-Joachim Hacker für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Hans-Joachim Hacker (SPD): Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn andere an dieser Stelle schon an den 17. Juni erinnert haben, will ich es ebenfalls tun, weil mir das am Herzen liegt; denn eine Diskussion im Deutschen Bundestag am 17. Juni zur Rehabilitierung von Opfern der SED-Diktatur und zur Verbesserung ihrer sozialen Lage kann nicht geführt werden, ohne an die Ereignisse vor 57 Jahren in Ostberlin und in der DDR zu erinnern. Am 17. Juni 1953 streikten und demonstrierten über 1 Million Menschen in der DDR. Die Protestbewegung wurde von angekündigten Normerhöhungen ausgelöst. Auf dem Höhepunkt der Demonstrationen wurden die Forderungen nach freien Wahlen, nach Demokratie und nach staatlicher Einheit der deutschen Nation erhoben. Sowjetpanzer und DDR-Organe walzten den Volksaufstand nieder und retteten damit das SED-Regime. - Den historischen Auftrag des gescheiterten Volksaufstandes 1953 haben die Demonstranten im Herbst 1989 erfüllt. Er findet in der deutschen Einheit seine Vollendung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Erinnerung an diese geschichtlichen Ereignisse erfasst auch die Schicksale jener Frauen und Männer, die in der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR aus politischen Gründen verfolgt wurden, die im Gefängnis saßen, die Verwaltungsunrecht erlitten haben und die beruflich diskriminiert wurden. Das Ende der SED-Diktatur hat die Chance eröffnet, politisch Verfolgte zu rehabilitieren und Regelungen für Kapitalentschädigungen und soziale Ausgleichsleistungen zu treffen. Wir diskutieren heute, 20 Jahre nach Wiederherstellung der deutschen Einheit, immer noch dieses Thema. Ich kann mich entsinnen: Im Jahr 1992 habe ich im Deutschen Bundestag zum Ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz gesprochen, dessen Kern das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz ist. Ich habe von den Vorrednern die Vorstellung gehört, dass wir jetzt noch mehr machen, als im Entwurf steht. Ich glaube, es ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, dass wir wirklich eine Abschlussgesetzgebung machen. Es kann hierbei, Herr Kollege Vaatz, nicht darum gehen, wieder das Argument "Überforderung des Staates" anzuführen. Das ist eine Diskussion, die ich seit 1990 kenne. Es waren immer fiskalische Gründe, meist vom BMF vorgebracht, die dazu geführt haben, dass wir keine ausreichenden Regelungen getroffen haben. Frau Voßhoff, Sie wissen das so gut wie ich. Ich denke, wir sollten jetzt einen solchen Versuch unternehmen. Bereits im Sommer 1990 hatte die Volkskammer einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet. Wir haben mit dem Bundesratsentwurf jetzt die Chance, ein Abschlussgesetz zu verabschieden. Ich will noch einmal an die Geschichte der Rehabilitierungsgesetzgebung sowie an die Schwachpunkte erinnern, die damals unter Schwarz-Gelb in das Gesetz Eingang gefunden haben. Nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz 1992 wurden ehemalige Häftlinge in Ost und West unterschiedlich entschädigt. Die Angehörigen der in politischer Haft, an der Mauer und an der innerdeutschen Grenze Umgekommenen fanden keinen Platz in den Entschädigungsregelungen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Vaatz? Hans-Joachim Hacker (SPD): Bitte schön, Herr Kollege Vaatz. Arnold Vaatz (CDU/CSU): Herr Kollege Hacker, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich die Wendung mit der Zerstörung der Gemeinschaft durch Überforderung nur zur Charakterisierung der Motivlage für die Einwendungen der Linken benutzt habe, aber als Motiv für die Bemessung der Opferpensionen unsere gemeinsame Vereinbarung genannt habe, nach der wir Opfer des SED-Regimes nicht schlechter und nicht besser behandeln wollen als Opfer des Nazi-Regimes? Hans-Joachim Hacker (SPD): Kollege Vaatz, wenn Sie das so meinen, kann ich das mittragen. Ich denke aber, diese Verbindung von "Überforderung des Staates" und "Leistungen für politisch Verfolgte in der DDR" musste zu der Klarstellung führen. Das war etwas missverständlich formuliert. Ich will all die Gruppen, die in der ersten Runde der Rehabilitierungsgesetzgebung nicht erfasst worden sind, nicht aufzählen. Ich finde, ein markantes Beispiel war die ursprünglich nicht geplante Einbeziehung der Zwangsausgesiedelten, die im Rahmen der "Aktion Ungeziefer" und der "Aktion Kornblume" ihr Vermögen verloren hatten. Dass sie es nicht wiederbekommen sollten, war für mich völlig unverständlich. Erst durch den Druck der Betroffenen und auch der SPD ist es gelungen, für sie eine Entschädigungsregelung zu finden. Wir haben unter Rot-Grün - Herr Wieland, das will ich noch einmal ins Gedächtnis rufen - die gravierenden Fehler der Vorgängerregierung aufgegriffen und beseitigt. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt, aber leider keine Opferpension!) Wir haben damals die Angleichung der Entschädigungsbeträge geregelt: Alle haben den gleichen Anspruch auf Haftentschädigung. Wir haben Leistungen für die Angehörigen eingeführt. Wir haben für die Zivildeportierten - sie haben in der Diskussion heute bislang keine Rolle gespielt - die Stiftungsleistungen verfünffacht. Was wir nicht regeln konnten - das lag aber daran, dass das in die Zuständigkeit der Länder fällt -, war die Frage der gerechten Bewertung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden. Das ist ein Makel, der auch heute noch im Raume steht. Ich denke, die Diskussion um den vorgelegten Gesetzentwurf muss diese Thematik noch einmal aufnehmen, Herr Kollege Vaatz. Wir waren im Jahre 2005 schon einmal kurz vor einer Lösung. Ich bedaure, dass diese Idee nicht weiter verfolgt worden ist. Mediziner selbst sagen, dass bei der Begutachtung oft die Fachkompetenz für die speziellen Fragen wie Brückenschäden und Posttraumata fehlt. Ich denke, das darf nicht aus dem Blick geraten. (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Geht aber nicht ohne die Länder!) - Das hatte ich gesagt. Der vom Bundesrat vorgelegte Entwurf beinhaltet im Wesentlichen ja eine Änderung des § 17 a des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes. Meine Kollegin Sonja Steffen ist darauf eingegangen. Ich will das hier nicht weiter vertiefen. Wir haben jetzt die Chance, statt einen Schlussstrich unter die Rehabilitierung zu ziehen, wie das wohl mancher auch in diesem Hause gerne möchte, die Vorschläge der Opferverbände und die Vorschläge aus der Konferenz der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen noch einmal zu bewerten und auf ihre Umsetzung hin zu prüfen. Diese Chance sollten wir nutzen. Der Deutsche Bundestag, denke ich, ist sich in seiner Mehrheit der politischen und moralischen Verantwortung gegenüber allen Menschen bewusst, die sich in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Menschenwürde eingesetzt haben. Dies ist und dies bleibt weiterhin eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/1215 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a bis 6 c auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Sascha Raabe, Lothar Binding (Heidelberg), Dr. h. c. Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Herausforderung Millenniums-Entwicklungsziele - Drucksache 17/2018 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f) Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Niema Movassat, Heike Hänsel, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Steigerung der Entwicklungshilfequote auf 0,7 Prozent gesetzlich festlegen - Drucksache 17/2024 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f) Haushaltsausschuss c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mit dem Global Green New Deal die Millenniumsentwicklungsziele erreichen - Drucksache 17/2132 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f) Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Sascha Raabe für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Dr. Sascha Raabe (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist fünf vor zwölf - und es ist fünf Jahre vor 2015 -, wenn wir noch die Millenniumsentwicklungsziele erreichen wollen, die sich im Jahr 2000 189 Staats- und Regierungschefs dieser Welt zum Ziel gesetzt haben, nämlich die Armut in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren, allen Kindern eine Grundschulbildung zu ermöglichen, die Kinder- und Müttersterblichkeit drastisch zu reduzieren sowie eine gerechte Weltwirtschaftsordnung zu schaffen, um nur einige der acht Millenniumsentwicklungsziele, abgekürzt: MDGs, zu nennen. Im September dieses Jahres findet eine Überprüfungskonferenz der Vereinten Nationen statt, um zu schauen, wo man im Jahre 2010, fünf Jahre vor dem Stichjahr 2015, steht. Nachdem es 2000 bis 2005 Fortschritte gegeben hat, ist nun leider festzustellen, dass es in den letzten Jahren wieder Rückschritte gibt. So liegt die Zahl der Hungernden, die bis 2005 auf 850 Millionen gesunken war, nun wieder bei über 1 Milliarde Menschen. Täglich sterben nach wie vor etwa 25 000 Menschen an den Folgen von Hunger und Armut. Wir sehen, dass die Erreichung der MDGs in den nächsten fünf Jahren nur schwer möglich ist. Wir als SPD-Fraktion sagen aber auch: Sie ist nicht unmöglich. Deshalb legt die SPD-Fraktion heute in ihrem Antrag einen umfassenden Aktionsplan vor, dessen Umsetzung die Erreichung dieser Ziele in den nächsten fünf Jahren noch möglich machen würde, und wir bitten um Ihre Unterstützung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich mehr in die Schlüsselbereiche ländliche Entwicklung, Bildung, Gesundheit und in den Aufbau sozialer Sicherungssysteme zu investieren. Wir fordern die Bundesregierung auch auf, in Ergänzung zu dem 12-Punkte-Aktionsplan der EU eigene Vorschläge zu machen, einen eigenen Aktionsplan vorzulegen und dann auf der Konferenz der Vereinten Nationen im September maßgeblich einen Aktionsplan mitzugestalten, mit dem dafür gesorgt wird, dass die in 2000 gefassten Ziele in den nächsten Jahren noch erreicht werden. Es steht viel auf dem Spiel. Es stehen Millionen Menschenleben auf dem Spiel. Deshalb müssen wir jetzt handeln. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Um der Bundesregierung Arbeit zu ersparen, haben wir in unserem Antrag einen Aktionsplan erstellt, den sie gerne übernehmen darf. Allerdings ist eine ausreichende Finanzierung die Voraussetzung für diesen Aktionsplan und auch für die Erreichung der MDGs insgesamt. In der Anhörung unseres Ausschusses, die wir diese Woche hatten, hat Herr Stelzer von den Vereinten Nationen den Generalsekretär der Vereinten Nationen mit den Worten zitiert: Wir brauchen nicht neues, zusätzliches Geld, um die Ziele zu erreichen, sondern wir brauchen die Einhaltung der Zusagen und der Versprechen, die die Industrieländer bereits gemacht haben. - Aber diese Versprechen wurden von Deutschland und dieser Regierung eiskalt gebrochen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Harald Leibrecht [FDP]: Was habt ihr gemacht? Gar nichts in den letzten Jahren!) Deutschland hat sich im Jahre 2005 dank des Engagements unserer damaligen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul verpflichtet, im Jahr 2010 0,51 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Die Kanzlerin hat dies immer wieder zugesagt. Aber sie hat zusammen mit Entwicklungsminister Niebel dieses Versprechen gebrochen. In diesem Jahr stehen nämlich lediglich 0,4 Prozent zur Verfügung. Wer glaubt noch daran, dass diese Regierung das Versprechen einhält, bis zum Jahre 2015 0,7 Prozent zur Verfügung zu stellen angesichts der Tatsache, dass Entwicklungsminister Niebel vor wenigen Tagen in einem Schreiben zwar geäußert hat, dass er zu diesem Ziel steht, aber der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion und Haushälter Koppelin öffentlich bekundet, dass das alles Unsinn ist und dass wir die 0,7 Prozent nie erreichen werden? Was diese Regierung da tut, ist doch Heuchelei. Es ist schäbig, mit den ärmsten Menschen dieser Welt so umzugehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich höre vom Entwicklungsminister immer, dass es ihm um mehr Effizienz geht. Damit will er natürlich dem Fall vorbeugen, dass die finanziellen Zusagen nicht eingehalten werden. Wenn ich entsprechende Aussagen höre nach dem Motto "Mit weniger Geld schaffen wir mehr", dann könnte ich vor Wut durch die Decke, sprich: durch die Kuppel, springen. (Holger Haibach [CDU/CSU]: Das möchte ich einmal sehen!) Sie sprechen zwar von Effizienz, aber tun genau das Gegenteil. Um mehr Effizienz in der Entwicklungszusammenarbeit zu erreichen, hat man sich in Paris und in Acera auf internationalen Konferenzen darauf verständigt, dass nicht jedes Land sozusagen nationale Fahnen auf die Projekte steckt und nicht Tausende von unabgestimmten Projekten in Entwicklungsländern initiiert werden. Man hat sich vielmehr auf eine international abgestimmte Zusammenarbeit geeinigt. Was macht aber dieser Entwicklungsminister? Er sagt, dass nur ein Drittel der Mittel für multilaterale Projekte, also für mit anderen Nationen abgestimmte Projekte, ausgegeben werden. Er will zwei Drittel der Mittel für Maßnahmen ausgeben, damit Deutschland auf Projekte die deutsche Fahne setzen kann. Ich sage Ihnen, Herr Niebel: Ihnen geht es nicht um eine Verbesserung der Effizienz im Interesse der Ärmsten der Armen, sondern Sie verstehen unter Effizienz eine Steigerung bei den Aufträgen für die deutsche Wirtschaft. Das ist mit uns nicht zu machen, Herr Minister. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der FDP) Der Vorsitzende des Entwicklungsausschusses der OECD - DAC -, Eckhard Deutscher, der für uns dort seit zweieinhalb Jahren tätig ist, mahnt natürlich an, dass Deutschland seine finanziellen Zusagen einhält. Er beklagt auch, wenn Deutschland seine Zusagen zur multinationalen Zusammenarbeit zugunsten nationaler Projekte zurückzieht. Herr Niebel, das hat der Vorgänger von Herrn Deutscher auch schon gemacht. Der Nachfolger wird dies ebenfalls tun. Deshalb werden Sie mit Ihrem Versuch, aus parteipolitischen Gründen internationale Experten wie Herrn Deutscher, der ein SPD-Parteibuch hat, in die Wüste zu schicken, kläglich scheitern. Das ist ein Skandal, Herr Minister. Damit kommen Sie bei uns nicht durch. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nachdem Sie in Ihrem Ministerium in den letzten Monaten Experten geschasst und durch Parteifunktionäre der FDP ersetzt haben, wollen Sie das auch auf internationaler Ebene tun. Ich sage Ihnen, Herr Minister: Wir haben nur ganz wenige Deutsche in Spitzenpositionen bei internationalen Organisationen. Ich appelliere an Sie: Nehmen Sie diese Entscheidung zurück! Lassen Sie Herrn Deutscher dort seinen Job machen! Er hat das immer parteiübergreifend gemacht, und er hat es im Interesse Deutschlands und der Ärmsten dieser Welt gut gemacht. Hören Sie auf damit, die Millenniumsziele so umzusetzen, dass Sie die Anzahl der FDP-Mitglieder im Ministerium verdoppeln, aber nicht die Anzahl der Ärmsten halbieren. Setzen Sie sich endlich mit Ihren Experten, unabhängig vom Parteibuch, an einen Tisch, und sorgen Sie dafür, dass wir mit unserem Aktionsplan, den wir heute vorlegen, bis zum Jahr 2015 die Millenniumsziele noch erreichen! Das wären meine herzliche Bitte und meine Aufforderung an Sie. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun die Kollegin Dagmar Wöhrl für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Holger Haibach [CDU/CSU]: Jetzt kommt eine vernünftige Rede!) Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Herr Kollege Raabe, ich gestehe Ihnen wirklich zu, dass Sie in diesem Bereich einen großen Sachverstand haben; das kennen wir von Ihnen aus dem Ausschuss. Die Rede, die Sie soeben gehalten haben, ist Ihrer aber bestimmt nicht würdig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Diese Polemik ist angesichts des Ernstes der Lage wirklich nicht angebracht. Und die Lage ist ernst. Im Jahr 2000 setzten sich 180 Nationen zusammen, um ihre Millenniumsziele festzuschreiben. Man kann sagen: Es war ein historischer Tag. Es war ein wichtiger Tag. Ich bin froh, dass wir im September bei der Konferenz der Nationen in New York analysieren können: Wie weit sind wir gekommen, und was ist noch zu tun? Es ist noch viel zu tun. Zehn Jahre sind vergangen. Fünf Jahre haben wir noch vor uns. Ich muss eines sagen: Wir werden hart daran arbeiten, die Ziele, die wir uns gesetzt haben, zu erreichen. Wir werden in diesem Jahr mit der ODA-Quote 0,4 Prozent erreichen. Das ist nicht das gewünschte Ziel von 0,51 Prozent; das muss man klar und deutlich sagen. Wir fühlen uns auch nicht wohl dabei; das muss man auch sagen. Man muss aber auch sehen, dass zusätzliche 3 Milliarden Euro aus dem Haushalt notwendig gewesen wären, um diese 0,51 Prozent zu erreichen. (Holger Haibach [CDU/CSU]: So ist es!) Bei einem Sparpaket von 80 Milliarden Euro bin ich persönlich wie auch viele meiner Kollegen froh, dass wir keine Federn lassen mussten und unseren Etat weiter fortschreiben konnten. An dieser Stelle gilt mein Dank dem Finanzminister und unseren Haushältern. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Haushaltskonsolidierungen sind wichtig. Wir müssen unser Haus in Ordnung bringen. Denn wenn wir schwächeln, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, können wir auch anderen nicht mehr helfen. (Zuruf von der SPD: Schieben Sie das doch nicht dem Herrn Raabe in die Schuhe!) Das wollen wir nicht. Sie müssen auch sehen, was alles passiert ist, seit im Jahr 2000 die Verträge unterschrieben worden sind. Wir haben eine Finanzmarktkrise, wir haben eine Weltwirtschaftskrise, wir haben eine Nahrungsmittelpreiskrise, eine Ressourcen- und Energiekrise und leider auch verschiedene Naturkatastrophen. (Zuruf von der SPD: Eine Gurkentruppe!) Das heißt: Viele Geberländer sind mit Dingen konfrontiert worden, die nicht vorhersehbar waren. Das Schlimme an der Geschichte ist: Nicht nur die Industrieländer, sondern auch die Entwicklungsländer sind sehr stark davon betroffen. 1 Prozent weniger Wachstum bedeutet, dass 20 Millionen Menschen zusätzlich in Armut abrutschen. Das heißt, allein durch die Finanzkrise werden 90 Millionen Menschen in Armut geraten. Die Nahrungsmittelpreiskrise im Jahre 2008 hat dazu geführt, dass wir 1 Prozent mehr Hungernde auf der Welt haben. Wir haben 1,1 Milliarden Unterernährte auf der Welt. All das sind Probleme, mit denen wir uns intensiv auseinandersetzen müssen. Die Probleme werden nicht weniger. Wir haben ein explosionsartiges Bevölkerungswachstum. Im Jahr 2050 werden wir auf der Welt 9 Milliarden Menschen haben. Das sind per annum 80 Millionen Menschen mehr. Die meisten davon leben in den Entwicklungsländern. Sie brauchen Essen, sie brauchen Gesundheitsversorgung, sie brauchen Arbeitsplätze und vieles andere mehr. Die vorhandenen Ressourcen werden immer knapper. Es steht immer weniger Land zur Verfügung. Fruchtbares Land wird knapp. Die Nachfrage nach Biosprit steigt. Die Schwellenländer haben neue Ernährungsgewohnheiten. Es wird nicht mehr nur Reis gegessen. Fleisch ist angesagt. Zur Erzeugung von 1 Kilogramm Fleisch braucht man 10 Kilogramm Getreide. In der Zukunft werden also andere Prioritäten gesetzt. Dazu kommt das sogenannte "Land Grabbing"; das wird uns im Ausschuss noch sehr stark beschäftigen. Die Afrikaner spielen dabei teilweise keine sehr schöne Rolle, sie spielen bei diesem Monopoly mit; das muss man klar und deutlich sagen. Deswegen ist es richtig, dass der Entwicklungsminister mit seinem Hause die landwirtschaftliche Entwicklung zu einem Schwerpunkt gemacht hat. Er wird ein entsprechendes Konzept entwickeln und es uns in Kürze vorlegen. Der Prozess, dass Länder weniger Mittel für die ländliche Entwicklung ausgeben, muss umgekehrt werden. In einigen Ländern wurden dafür in den letzten Jahren teilweise bis zu 58 Prozent weniger Mittel ausgegeben. An dieser Stelle muss ein Umdenken stattfinden. Denn Armutsbekämpfung ist untrennbar mit ländlicher Entwicklung verbunden. Das darf man in diesem Zusammenhang nicht vergessen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Eines muss man aber auch sagen: Es sind nicht nur die Geberländer gefordert. Auch die Entwicklungsländer, die Nehmerländer, müssen viel mehr in die Pflicht genommen werden, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Sie haben ihren Agrarbereich über Jahrzehnte sträflich vernachlässigt. Wir selber können nur Impulse setzen. Aber die schöpferische Kraft, das, was daraus gemacht wird, müssen die Länder in diesem Zusammenhang selbst auf den Weg bringen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Man sagt im Allgemeinen: Eine Krise auch eine Chance. Ich glaube, dass wir diese Chance nutzen. Wir wollen den Weg nicht so weitergehen, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Viele Dinge sind gut auf den Weg gebracht worden. Es gibt aber auch viele Dinge, bei denen man überlegen muss: Waren sie effektiv? Waren sie effizient? Sind sie auch bei der Bevölkerung angekommen? Wir haben bei der Evaluierung festgestellt, dass dem nicht so ist. Deswegen muss man schnell umdenken. Sicher sind öffentliche Gelder wichtig. Aber das darf nicht alles sein. Wir müssen versuchen, öffentliche Gelder auch in den Entwicklungsländern zu mobilisieren. Wir müssen versuchen, mehr Geld in der Wirtschaft zu mobilisieren. Die Wirtschaft tut in vielen Bereichen sehr viel - das ist oft nicht bekannt -, beispielweise über das Instrument CSR. Aber hier kann noch viel mehr getan werden! Wenn man sich mit der Wirtschaft an einen Tisch setzt, ist sie für Kooperationen mit dem Ziel der Entwicklung offen. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Vieles ist bereits auf den Weg gebracht worden. Viele Ziele werden wir erreichen. Bei vielen Zielen hoffen wir, dass wir sie erreichen. Wir haben Fortschritte in der Grundschulbildung gemacht. Das ist ein ganz wichtiger Punkt; denn gerade die Bildung ist ein Querschnittsbereich, der auf die meisten Ziele einwirkt. Inzwischen können 88 Prozent der Kinder die Schule abschließen. Aber noch immer gibt es 72 Millionen Kinder, die kein Recht auf Bildung haben, die nicht die Möglichkeit haben, in die Schule zu gehen. Wir dürfen auch nicht nur bei der Grundschulbildung ansetzen. Wir müssen sehen: Wie ist die Weiterbildung? Wie ist die duale Ausbildung? Wie ist die universitäre Ausbildung? Wir haben Fortschritte bei der Bekämpfung von HIV/ Aids und Malaria gemacht. Es gibt weniger Neuinfektionen als in der Vergangenheit. Aber noch immer leben 33 Millionen Kinder und Erwachsene mit dem HI-Virus. Noch immer sterben 2 Millionen Menschen im Jahr an diesen Erkrankungen. Wir wissen, dass es noch viel zu tun gibt, vor allem wenn ich die Frauen betrachte. Die Müttergesundheit ist ein schwarzes Kapitel im Rahmen der Millenniumsziele. Hier sind nur 3 Prozent des Ziels erreicht worden. Es sterben jährlich 530 000 Frauen während der Schwangerschaft oder der Entbindung, weil sie allein sind, weil keine Voruntersuchungen möglich sind und ihnen niemand während der Geburt hilft. Bei diesen Themen müssen wir in den nächsten fünf Jahren Prioritäten setzen. Viel Geld ist von den Geberländern in die Hand genommen worden. Allein im Jahr 2008 waren es 120 Milliarden Euro in diesem Bereich. Es wird gesagt, es müsse mehr werden. Es wird schwierig sein. Viele Länder werden aufgrund der Krisen Schwierigkeiten haben, das Geld, wie versprochen, überhaupt noch zur Verfügung zu stellen. (Zuruf von der SPD: Viele haben es geschafft!) Deswegen müssen wir in diesem Bereich effizienter werden. Aber dies betrifft nicht nur die ODA-Quote; auch darauf sollte man ein Augenmerk legen. Wir müssen sehen, dass wir die Doha-Runde zu Ende führen, dass wir handelsverzerrende Maßnahmen beseitigen. Die Entwicklungsländer haben allein aufgrund von handelsverzerrenden Maßnahmen einen Schaden von 700 Milliarden Euro. Das ist sechsmal mehr, als für die gesamte Entwicklungshilfe der Welt zur Verfügung gestellt wird. Das können die Geberländer nicht aus ihren Steuergeldern bezahlen. Deswegen ist es wichtig, dass wir vorangehen. Deswegen ist wichtig, dass die Agrarsubventionen abgebaut werden. Ich freue mich sehr - wir sind gestern im Ministerium zusammengekommen -, dass in diesem Zusammenhang das Landwirtschaftsministerium und das Entwicklungshilfeministerium nun an einem Tisch sitzen. Das ist ein Novum. Ich bedanke mich ganz herzlich bei den beiden Ministern, die das möglich machen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Denn nur gemeinsam werden wir die Probleme bewältigen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen nicht starr auf 2015 schauen. Wir müssen darüber hinausschauen. Die Probleme werden nicht weniger, die Probleme werden mehr. Wir werden mit dem Klimawandel zu kämpfen haben. Wir werden mit der Biodiversität zu kämpfen haben. Es wird eine sehr große Desertifikation und einen dramatischen Wassermangel geben. Hier denke ich an Jemen: In zehn Jahren wird das Land kein Wasser mehr zur Verfügung haben. Es wird nicht das einzige Land sein. Es wird zu einer Erosion, einer Ver-ödung landwirtschaftlicher Flächen kommen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen. Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Ja. - Es wird einen Trend zur Abwanderung in die Megacitys geben. Wir werden Probleme haben, an die wir momentan überhaupt noch nicht denken. Hier können wir nur gemeinsam helfen; das kann keine Partei und kein Land allein tun. Wir können international nur gemeinsam helfen. Hier hat jeder seine Aufgabe zu erledigen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD): Das Wort hat nun Kollege Niema Movassat für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Niema Movassat (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Denn die einen sind im Dunkeln Und die andern sind im Licht. Und man siehet die im Lichte Die im Dunkeln sieht man nicht. Diese Worte von Brecht sind heute aktueller denn je; denn im Dunkeln sind die 1 Milliarde Menschen, die hungern; auch in den Medien sieht man sie nicht. Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind; bis zum Ende meiner Rede werden es 60 tote Kinder sein. Das ist eine Tragödie. (Beifall bei der LINKEN) Erinnern Sie sich? 1970 hat Deutschland das Versprechen abgegeben, 0,7 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Heute, 40 Jahre nach Abgabe des Versprechens, sind wir davon weit entfernt; 2010 werden es vermutlich nur 0,4 Prozent sein. Nach dem EU-Stufenplan müsste das Zwischenziel einer Quote von 0,51 Prozent erreicht werden. Dass die Bundesrepublik ihrer Verpflichtung bisher nicht nachgekommen ist, liegt nicht nur an der aktuellen Regierung, sondern auch an der politischen Tatenlosigkeit von Rot-Grün und der Großen Koalition. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie müssen sich, wenn Sie in Ihrem Antrag von einer "engagierten Entwicklungspolitik der Jahre 1998 bis 2009" sprechen, schon fragen lassen, warum die größte Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei der Steigerung der Entwicklungsgelder gerade in Ihre Regierungszeit fällt, warum also solch ein großer Unterschied zwischen den Forderungen in Ihrem Antrag und Ihrem Regierungshandeln besteht. Unter Schwarz-Gelb wird diese Pflichtverletzung aber zum System. Die Merkel-Westerwelle-Regierung hat ein klares politisches Muster: Gespart wird bei den Ärmsten, in Deutschland bei den Hartz-IV-Empfängern, in der Welt bei den Menschen in den Entwicklungsländern. Immer neue Äußerungen aus der Koalition legen den Verdacht nahe, dass diese Regierung das 0,7-Prozent-Ziel gar nicht erreichen will. Kommen Sie mir nicht mit der Wirtschaftskrise als Ausrede; denn Deutschland hat dieses Ziel auch in wirtschaftlich guten Zeiten nie auch nur annähernd erreicht. Das zeigt, dass der politische Wille fehlt. (Beifall bei der LINKEN) Andere Länder erreichen das Ziel, etwa die Skandinavier und die Niederlande. Auch Großbritannien wird mit einem Anteil von 0,56 Prozent deutlich über dem Soll des EU-Stufenplans liegen, obwohl das Land besonders stark von der Krise betroffen ist. Die Botschaft von Schwarz-Gelb an die Menschen in den Entwicklungsländern ist: Leider müssen wir Sie mit Ihren Problemen alleinlassen; denn wir brauchen unser Geld für Hotels, Reiche und Banken; sie sind uns wichtiger. Das ist der Kern Ihrer unsozialen Politik. (Beifall bei der LINKEN) Wenn ich mich täuschen sollte und Sie das 0,7-Prozent-Ziel erreichen wollen, können Sie unserem Antrag zustimmen; denn mit unserem Antrag wird das 0,7-Prozent-Ziel gesetzlich verankert und erhält damit einen höheren Verpflichtungsgrad. Außerdem schlagen wir vor, einen Stufenplan zu erstellen, wie dies auch viele entwicklungspolitische Organisationen fordern. So kann man entwicklungspolitische Arbeit vernünftig planen. (Beifall bei der LINKEN) Auch muss klar festgelegt werden, was Entwicklungshilfe eigentlich ist. So darf es nicht sein, dass Entschuldungen, der Bau von Bundeswehrunterkünften in Afghanistan oder sogar die Abschiebung von Asylbewerbern als Entwicklungshilfe angerechnet werden. Wo bitte findet denn Entwicklungshilfe statt, wenn jemand abgeschoben wird? Das ist doch zynisch. Unser Antrag macht Schluss damit. (Beifall bei der LINKEN) Auch mit der Anrechnung von Klimaschutzgeldern bei der Entwicklungshilfequote muss Schluss sein. NGOs und Partnerländer widersprechen dieser Anrechnung zu Recht; denn der Klimawandel ist Resultat der Wirtschafts- und Lebensweise der Industrieländer. Die Menschen in den Entwicklungsländern, die am stärksten unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden, haben einen Anspruch auf Wiedergutmachung. Das ist daher keine Entwicklungshilfe. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie werden fragen, wie die Linke das 0,7-Prozent-Ziel finanzieren will. Wir haben dafür hier im Bundestag die Einführung einer Flugticketabgabe und einer Finanztransaktionsteuer vorgeschlagen, die 15 bis 20 Milliarden Euro bringen würde. Auch die SPD fordert in ihrem Antrag innovative Finanzierungsinstrumente. Schade nur, dass die SPD in ihrer Regierungszeit gegen diese Instrumente gestimmt hat. (Beifall bei der LINKEN) Es geht um die Glaubwürdigkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Sorgen Sie dafür, dass Deutschland nicht Weltmeister im Brechen von Versprechen ist, sonst erreichen wir die UN-Millenniumsentwicklungsziele erst recht nicht. Denken Sie daran: Jede Sekunde, die wir hier zögern, bedeutet Elend, Armut und Tod für Millionen Menschen auf dieser Welt. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollegin Christiane Ratjen-Damerau für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Die zentralen Herausforderungen unserer Zeit in einer globalen Welt sind der Klimawandel und die in großen Teilen dieser Welt zunehmende Armut. Durch die Armut, die Unterernährung und den Wassermangel sind Menschen verletzlicher gegenüber verschiedensten Umwelteinflüssen. Insbesondere mangelnde Bildung, Krankheit und die Missachtung der Rechte der Frauen verhindern die Entfaltung einer Gesellschaftsform in den Entwicklungsländern. Das Ziel in den 70er-Jahren ist gewesen, dass jedes Kind abends satt schlafen geht und dass die Menschen keine Angst haben müssen, weil sie nicht wissen, wovon sie sich am nächsten Tag ernähren sollen. Diese Ziele sind bisher nicht erreicht worden. Im Jahre 2000 haben die reichen Länder dieser Welt mit den Millenniumsentwicklungszielen erneut Verantwortung gegenüber jenen Ländern übernommen, die sich nicht selbst versorgen können. Wir alle haben zugesagt, dafür zu sorgen, dass die schlimmsten Auswirkungen von Armut mit unserer Hilfe kleiner werden. Allein die Bilder kleiner Kinder mit aufgeblähten Hungerbäuchen oder Mädchen mit Traumata von Genitalverstümmelung verpflichten uns zu diesem Kampf gegen Armut und für Bildung und Gesundheit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Denn Sie glauben doch wohl nicht, dass eine Mutter in Afrika weniger um ihr totes Kind trauert, als es eine westliche Mutter tut. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wo stehen wir heute? Die aktuelle Bilanz zu den verschiedenen MDGs ist gemischt. In einigen Bereichen und Regionen gibt es positive Entwicklungen, in anderen herrscht Stagnation, im schlimmsten Fall gibt es Rückschläge. So gab es bereits größere Erfolge in der allgemeinen Grundschulausbildung, doch gerade bei der Sekundärbildung werden Mädchen gegenüber den Jungen immer noch stärker benachteiligt. (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]) Die Zahl der Kinder, die vor ihrem fünften Geburtstag sterben, ist mit fast 9 Millionen nach wie vor untragbar hoch. Früher waren es fast 12 Millionen. Dennoch gibt es auch positive Entwicklungen. Die Zahl der Aids-Toten konnte gesenkt und die Ausbreitung des Virus verlangsamt werden. Auch wurde eine deutliche Verbesserung der Trinkwasserversorgung erreicht. Insgesamt ist der Fortschritt in Richtung unserer Ziele jedoch viel zu langsam und in einigen grundlegenden Bereichen, wie der Gesundheit der Mütter, viel zu gering. Das größte Sorgenkind bei der Entwicklung bleibt Subsahara-Afrika. Während vor allem ostasiatische Länder bei der Reduzierung der Einkommensarmut große Erfolge erzielten, konnte für die Länder südlich der Sahelzone trotz stetigem Wirtschaftswachstum die Armutsquote nur wenig gesenkt werden. Die absolute Zahl der Armen ist aufgrund des Bevölkerungswachstums sogar gestiegen. Dies liegt sowohl an den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise als auch an den steigenden Nahrungsmittelpreisen im Jahre 2008. Auch muss beachtet werden, dass ein Drittel aller Menschen in absoluter Armut lebt, und dies in besonders fragilen Staaten. Krieg und Zerstörung und die damit verbundene Missachtung der Menschenrechte gehen mit der Armut Hand in Hand. Die Evaluierung der MDGs zeigt aber auch eine klare Fehlpolitik der vergangenen Jahre auf. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Viel zu lange wurde einzig und allein auf finanzielle Mittel gebaut. Zusammenhänge innerhalb der Entwicklungsarbeit wurden dabei völlig ignoriert. Weniger Armut korrespondiert nicht zwingend mit einer besseren Gesundheitsversorgung, mit besserer Bildung oder Geschlechtergerechtigkeit. Wirtschaftswachstum reduziert nicht automatisch die Einkommensarmut, sondern muss "pro poor" gestaltet werden. Klimawandel, Frieden und Sicherheit, Menschenrechte, Good Governance und Demokratie haben wesentlichen Einfluss auf die Erreichung der MDGs. Die Koalition und an erster Stelle der Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel stehen zu den von der Bundesregierung gemachten Zusagen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Sascha Raabe [SPD]: Hört! Hört!) Auf dem Millennium-plus-Zehn-Gipfel im kommenden September in New York werden wir uns unserer gemeinsamen Verantwortung bewusst sein. Wir werden uns dafür stark machen, die MDGs als ganzheitliches Konzept zu betrachten und Katalysatoren wie Gleichberechtigung und Menschenrechte besonders zu fördern. Eigenverantwortung und Eigeninitiative der Partnerländer sowie Politikkohärenz für Entwicklung sind von kaum zu überschätzender Bedeutung. Auch muss es eine breite Beteiligung des privaten Sektors und der Zivilgesellschaft geben; denn nur der Glaube an die Macht des Staates und an das Geld allein hilft hier nicht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die schwarz-gelbe Koalition und der Bundesminister Niebel gehen einen neuen Weg, einen Weg, der frei ist von den bisherigen ideologischen Scheuklappen und der stetigen Wiederkehr alter Fehler. Entwicklungspolitik darf keine Frage der Ideologie sein. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Unser Ziel muss es sein, dass die betroffenen Länder mehr Verantwortung für sich übernehmen. Das müssen wir initiieren und weiterentwickeln. Unsere Aufgabe ist es, diese Länder zu unterstützen. Das seit 25 Jahren bestehende entwicklungspolitische Ziel der Hilfe zur Selbsthilfe muss jetzt realisiert werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Entwicklungspolitik ist eben nicht nur eine Frage des großzügigen Gebens, sondern bedeutet auch echte Partnerschaft. Die entwicklungspolitischen Ziele sind nicht ein Akt der Barmherzigkeit der Reichen gegenüber den Armen, sondern eine selbstverständliche Geste der weltweiten Solidarität und Gerechtigkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, dies war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die weitere Zusammenarbeit! (Beifall) Das Wort hat nun Kollege Uwe Kekeritz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Bürgerinnen und Bürger werden seit langem sehr ausführlich über die Hilflosigkeit dieser Koalition informiert. Wirklich "Neues aus der Anstalt" war kaum mehr zu erwarten. Doch Herr Koppelin hat die Chance erkannt und für Überraschung gesorgt. Er unterstellt dem Minister einfach, die Unwahrheit zu sagen. Warum? Herr Minister Niebel verkündet immer noch, das 0,7-Prozent-Ziel erreichen zu wollen. Das ist verständlich. Schließlich hat er ebenso wie die Bundeskanzlerin von dieser Stelle aus des Öfteren immer wieder betont, dass er dieses Ziel verfolgen wird. (Harald Leibrecht [FDP]: Das wollen Sie doch auch!) - Natürlich wollen wir das auch, selbstverständlich. (Harald Leibrecht [FDP]: Na also! Warum beschweren Sie sich dann?) Kollege Koppelin dagegen meint - ich zitiere aus der taz vom 12. Juni 2010 -: Wenn die Leute die Wahrheit wissen sollen, - ich betone: sollen - dann müssen wir ihnen klarmachen: Nein, das Ziel ist nicht zu erreichen. Herr Minister, ich meine, Sie sollten sich einmal hier hinstellen und das mit Herrn Koppelin öffentlich austragen und klären. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Trotzdem gehe ich freudig davon aus, dass diese Regierung das 0,7-Prozent-Ziel erreichen möchte. Wir werden Sie dabei natürlich tatkräftig unterstützen. (Harald Leibrecht [FDP]: Das hätten Sie die letzten Jahre schon machen können!) Allerdings müssen Sie uns schon erklären, wie Sie das machen möchten, und das müssen Sie glaubwürdig belegen. (Harald Leibrecht [FDP]: Was haben Sie gemacht? Gar nichts!) Da gibt es einen ganz einfachen Trick: Legen Sie einen Finanzstufenplan bis 2015 vor. Dann können wir diese Aussage ernst nehmen. Dass das schwierig sein wird, Herr Niebel, das wissen auch wir. Herr Schäuble wird Ihnen das Geld nicht so einfach geben, weil er es nicht hat. Da haben wir tatsächlich ein Problem. Wir haben Ihnen aber schon mehrmals eine Lösung angeboten. Diese Lösung heißt Finanztransaktionsteuer. Die Bankenabgabe ist dafür kein Ersatz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Schön, dass das BMZ in seinem Reformkonzept "Die neue Effizienz in der deutschen Entwicklungspolitik" darauf hinweist, dass es nicht nur um Quantität, sondern auch um Qualität geht. Sie sprechen damit das Thema der Inkohärenzen an. Inkohärenzen gibt es in Deutschland, in Europa, in den Partnerländern, überall. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass das größte Problem der Inkohärenzen in der Tatsache begründet liegt, dass viele EZ-Maßnahmen durch unfaire Weltwirtschaftsstrukturen konterkariert werden. Ein Beispiel: US-amerikanische Baumwollsubventionen haben den Baumwollmarkt in West- und Zentralafrika ruiniert und bedrohen massiv den indischen Markt. US-Baumwolle ist aufgrund der hohen Subventionen - nicht Exportsubventionen, Frau Wöhrl, sondern Agrarsubventionen - 30 bis 40 Prozent billiger. Damit wird natürlich die Lebensgrundlage kleiner Baumwollproduzenten zerstört. Die Familien müssen oftmals ihr Land verlassen. Sie gehen in die Städte und landen in den Slums. Der gleiche traurige elende Mechanismus wird durch die EU-Agrarsubventionen - nicht nur Exportsubventionen - in Gang gesetzt. Wir alle wissen, wie die Hähnchenmast in Ghana zerstört worden ist und wie eine kamerunische Molkerei durch billiges europäisches Milchpulver vom Markt geschossen wurde. Wie läuft das? Zunächst vernichtet industrielle Politik die Lebensgrundlage der Menschen, und dann versuchen wir, die negativen Folgen der international organisierten Ungerechtigkeiten über die MDGs auszugleichen. Das kann doch nur als absurd bezeichnet werden. So etwas kann natürlich nicht funktionieren. In diesem Zusammenhang muss man die TRIPS-plus-Verhandlungen der EU mit Indien sehen. Wir alle wissen, dass die Verringerung der Kindersterblichkeit, die Verbesserung der Gesundheit von Müttern, die Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria, also die drei Gesundheits-MDGs, nur erreicht werden können, wenn günstige hochwertige Generika zur Verfügung stehen. Das ist heute noch möglich, weil 2001 in Doha Sonderregelungen zur Produktion von Generika völkerrechtlich verbindlich festgelegt wurden. Das muss auch so bleiben. Dass die Pharmaindustrie diese Sonderregelungen abschaffen will, kann ich ja noch nachvollziehen. Dass aber die EU als Hilfssheriff für die Pharmaindustrie die Verschärfung der TRIPS-Abkommen vorantreibt, ist unerträglich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Das Nichteinhalten der finanziellen Zusagen mit dem Argument der Wirtschafts- und Finanzkrise zu rechtfertigen, ist moralisch erbärmlich. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Die Länder haben diese Krise nicht verursacht. Sie jetzt mit haftbar zu machen, kann nicht akzeptiert werden. Eine Steigerung unserer Anstrengungen ist auch aufgrund des Klimawandels nur als gerecht anzusehen. Auch diesen haben die ärmsten Länder nicht verursacht. Eine Verrechnung der ODA-Mittel mit Geldern, die in Kopenhagen zugesagt wurden, könnte nur als heuchlerisch bezeichnet werden. Deutsche Politik muss ihre seit Jahrzehnten bestehenden Verpflichtungen erfüllen und als Mitglied der Europäischen Union darauf hinwirken, dass die EU, die WTO und der IWF die Entwicklungsziele nicht aufgrund der Wirtschaftsziele von Konzernen und der Agrarlobby ins Leere laufen lassen. Ich spreche mich nicht gegen wirtschaftliche Zusammenarbeit aus. Allerdings müssen wirtschaftliche Interessen an den Menschenrechten und den ökologischen Notwendigkeiten ausgerichtet werden, die durch die Indikatoren der MDGs klar definiert sind. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, dies war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Herzliche Gratulation und alle guten Wünsche für die weitere Arbeit! (Beifall) Das Wort hat nun Johannes Selle für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Johannes Selle (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Millenniumsentwicklungsziele stellen eine Herausforderung dar. Das war schon bei ihrem Zustandekommen im Jahre 2000 klar. Aber gibt es in der Geschichte ein weiteres Beispiel, dass sich nahezu die gesamte Menschheit auf ein langfristiges gemeinsames Ziel festgelegt hat, dass nahezu die gesamte Menschheit quälende Mängel durch gemeinsame Anstrengungen beseitigen möchte? Ich glaube, nicht. Anstrengungen zur Überwindung der weltweiten Ungleichgewichte gab es viele. Die vier vorangegangenen Entwicklungsdekaden von 1960 bis 2000 waren nicht erfolgreich. Dabei wurden Ziele und Strategien immer wieder modifiziert. Die Beschlüsse, die von 189 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen im Jahre 2000 unter Einbeziehung dieser Erfahrungen gefasst wurden, gliedern sich nun in 8 Hauptziele und 18 Teilziele bzw. Kriterien - sehr konkret und sehr anspruchsvoll. Die Länder mit Entwicklungsdefiziten werden in die Pflicht genommen. Sie sollen vorhandene Mittel in ein eigenes Programm zur Armutsbekämpfung stecken, Korruption eindämmen, Schulbildung für Jungen und Mädchen ermöglichen, Gleichberechtigung der Geschlechter herstellen, Gesundheitsversorgung verbessern und ihre Entwicklung ökologisch nachhaltig gestalten. Die Industrieländer werden ebenfalls in die Pflicht genommen, sich dem Schuldenproblem zu widmen, sich mit geeigneten Strategien den am wenigsten entwickelten Ländern zuzuwenden, zusammen mit dem privaten Sektor Handelshemmnisse zu beseitigen und neue Technologien bereitzustellen. Aus wichtigem Grund erhöhen sich in diesem Jahr die Aktivitäten, die das Erreichen der Ziele in den Mittelpunkt rücken. Zwei Drittel der Zeit sind vergangen, und die Frage ist berechtigt, ob auch zwei Drittel der Ziele erreicht sind. Das Bild ist uneinheitlich, wie wir auch der Anhörung zum Thema "Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele" in dieser Woche entnehmen konnten. Es gibt Erfolge, es gibt Teilerfolge, es gibt offensichtliche Defizite, und es gibt Rückschläge. Selbst in den Bereichen, in denen prozentual Fortschritte gemeldet werden, zum Beispiel bei der Armutsbekämpfung, sta-gniert die absolute Zahl der Betroffenen bei circa 1 Milliarde Menschen. Die gewachsene Bevölkerung insgesamt kann dafür zwar eine plausible Erklärung liefern, die dahinterstehenden Einzelschicksale bleiben aber erschütternd. Herr Movassat hat recht, aber nur mit der traurigen Zahl, dass alle fünf Sekunden ein Kind stirbt. Das Ziel, die Kindersterblichkeit bis 2015 um zwei Drittel zu verringern, ist in weite Ferne gerückt. Zwar sank die Zahl der unter Fünfjährigen, die jährlich sterben, 2006 erstmals unter die 10-Millionen-Marke. Dennoch ist das Risiko eines Kindes, in seinen ersten fünf Lebensjahren zu sterben, in einem Entwicklungsland 13-mal höher als in einem Industrieland. Die Hälfte der Todesfälle ereignet sich in Subsahara-Afrika. Die meisten Kinder sterben an leicht zu vermeidenden oder zu behandelnden Krankheiten wie Lungenentzündung, Durchfall, Malaria und Masern. 2005 starben mehr als 500 000 Frauen während Schwangerschaften und Geburten oder im Kindbett. 99 Prozent dieser Frauen stammen aus Entwicklungsländern, 86 Prozent aus Subsahara-Afrika und Südasien. Damit sank die Müttersterblichkeit global jährlich um weniger als 1 Prozent. Um das Millenniumsziel der Senkung der Müttersterblichkeit um drei Viertel zu erreichen, wäre eine jährliche Rate von 5,5 Prozent erforderlich. Als Vater stehe ich fassungslos vor diesem Elend und dieser Traurigkeit und werde an dieser Stelle nicht auf Teilerfolge verweisen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Ich fühle mich verpflichtet, politisch konstruktiv an dieser Stelle mitzuhelfen. Für die Erreichung der Ziele war ein Zeitraum von 15 Jahren, von 2000 bis 2015, vorgesehen. Selbst bei ungetrübtem Gang der Weltgeschichte wären große Anstrengungen erforderlich gewesen. Nun verpassen Weltwirtschaftskrise, Euro-Krise, die angespannte Sicherheitslage durch Terrorismus und die Schuldenproblematik in den Industriestaaten dem Erreichen der Ziele einen zusätzlichen Dämpfer. Trotz aller Widrigkeiten: Wir sollten alles dafür tun, dass die weltweiten gemeinsamen Anstrengungen erfolgreich sind. Wir sollten auch alles dafür tun, dass wir als Bundesrepublik Deutschland dabei als einer der wichtigsten Partner wahrgenommen werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD] - Zurufe von der SPD: Dann stimmen Sie unserem Antrag zu! - Oh ja! Mit Herrn Niebel an der Spitze! - Noch eine Krise!) Die Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel haben wiederholt betont, sich dieser Aufgabe zu stellen. Das sollten alle anerkennen, die mit daran arbeiten, dass wir bei der Beseitigung der schlimmsten Armut vorankommen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wir als Parlamentarier wissen genauso gut wie Kanzlerin und Minister, welche Herausforderungen das an unseren Haushalt stellt. Die finanzpolitischen Diskussionen der letzten Wochen sind noch nicht verklungen. Wer in letzter Zeit Kontakte zu Ländern hatte, die um die Erreichung der Millenniumsziele ringen, der weiß, dass Deutschland ein geschätzter Partner ist, und der weiß, dass sich viele dieser Länder eine engere Bindung an Deutschland wünschen. Deutschland muss es deshalb gelingen, vorbildlich in Haushaltsdingen zu sein; denn was wir in den Partnerländern erreichen wollen, zum Beispiel Good Governance, solide Haushaltsführung und dadurch verlässliche und dauerhafte Partnerschaft auf hohem Niveau, müssen wir glaubwürdig vormachen. Wer sich für Budgethilfe einsetzt, der begründet die Vorteile damit, dass die Regierungen vor dem Volk vertreten sollen, wofür sie das Geld ausgeben wollen und wofür sie das Geld ausgegeben haben. Genau diese Begründung sind wir auch in Deutschland den Bürgern schuldig. Die Entwicklungshilfe muss weiterhin an ihrer Effizienz arbeiten und nachweisen, dass sie Effizienz einfordert und der sich breitmachenden Subventionsmentalität entgegentritt. Gute Entwicklungszusammenarbeit kann endogenes Wirtschaftswachstum nicht ersetzen, aber sie kann einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, die Basis für Wirtschaftswachstum überhaupt erst zu schaffen. In der Anhörung zur Umsetzung der Millenniumsziele in dieser Woche wurde darauf verwiesen, wie wichtig Arbeitsplätze für Fortschritte auf allen Gebieten in einer sich entwickelnden Wirtschaft sind. Armut wird am besten durch bezahlte Arbeit in einer funktionierenden Wirtschaft überwunden. Deshalb ist entscheidend, dass das Bundesministerium den Schwerpunkt auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit unter Einbeziehung des privaten Sektors legt. Arbeitsplätze in der Wirtschaft führen zu gefragten Dienstleistungen und Produkten, die man handeln kann und in deren Gefolge weitere Arbeitsplätze entstehen. In der Anhörung haben wir von dem bedrückenden Beispiel der fehlenden Toiletten gehört. Millionen Menschen können tagsüber nicht zur Toilette gehen, weil es keine geschützten Räume gibt. Armut kann schneller überwunden werden, wenn die Menschen durch eigenes Einkommen ihre Toiletten selbst herstellen können. Alle notwendigen Investitionen in Gesundheit, in Infrastruktur und insbesondere in Bildung müssen zu einem wachsenden Teil aus den Partnerländern selbst getragen werden können. Erst dann sind die Millenniumsziele nachhaltig erreicht worden. Wir wollen deshalb die ganze Gesellschaft mitnehmen, kirchliche Institutionen und auch privatwirtschaftliche Initiativen. Wir fördern das, weil wir damit viel mehr Geld freimachen können und auch schneller Ergebnisse erzielen. In 15 Jahren sollten die Millenniumsziele verwirklicht werden. Bei der bekannten Dauer von Legislaturperioden hat man nicht allein auf das bei der Beschlussfassung vorhandene Parteienspektrum setzen können. Wir sind deshalb gut beraten, in dieser Debatte parteipolitische Vorwürfe zu vermeiden. Denn in dem Anliegen sind wir uns sehr nahe, Herr Kollege Raabe; das will ich an dieser Stelle einmal sagen. Der Hinweis, dass die große Differenz zu den Planzahlen nicht erst in den letzten Monaten entstanden ist, ist ja auch nicht unberechtigt. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Johannes Selle (CDU/CSU): Ich komme zum Schluss. - Minister Niebel hat in dieser wirklich schwierigen Zeit für die Entwicklungsziele viel erreicht (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Sascha Raabe [SPD]: Viel für seine FDP-Mitglieder erreicht! Er hat sie mit Posten versorgt!) und auch die Frage nach der Effizienz der deutschen Entwicklungsinstitutionen mutig aufgegriffen. Ein Antrag von CDU/CSU und FDP zu den Millenniumszielen befindet sich in der letzten Abstimmung. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege! Johannes Selle (CDU/CSU): Vielleicht gelingt ja ein fraktionsübergreifender Antrag. Das wäre dem Thema angemessen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Karin Roth für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Karin Roth (Esslingen) (SPD): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Situation ist dramatisch; das ist wahr. Wir reden hier in diesem Plenum leidenschaftlich über Millionen von Toten, über Kinder, über Menschen, die erkrankt sind an Aids, Malaria, Tuberkulose und anderen Krankheiten. Wir wissen auch, dass die im Rahmen der Staatengemeinschaft gemeinsam verabredeten Millenniumsziele verbindlich sein sollen für die Industrienationen, vor allen Dingen deshalb, weil damals klar erkannt worden ist: Ohne Hilfe der Industrienationen ist eine Entwicklung nicht möglich. Dazu gehört aber nicht nur die Entwicklungshilfe, sondern dazu gehören zum Beispiel auch Entschuldung sowie wirtschaftliche Zusammenarbeit; das ist gar keine Frage. Die Frage ist nur: Sind wir angesichts der Zahlen und Fakten, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier unterschiedlich prononciert dargelegt haben, glaubwürdig? Ist das ein Erfolg? Wir müssen hier doch sagen: Es ist kein Erfolg, wir haben es noch nicht geschafft. Jetzt haben wir fünf Jahre Zeit, Herr Minister Niebel, in denen man natürlich darüber hinausgehende Maßnahmen fördern, vor allen Dingen aber die Erreichung der Millenniumsziele organisieren kann. Die SPD-Fraktion hat dazu einen Antrag vorgelegt. Wenn man genau hinschaut - Herr Selle, ich nehme Ihren Vorschlag auf -, dann sieht man, dass natürlich auch die Koalition vieles von dem, was wir beschrieben haben, unterschreiben kann. An dieser Stelle sei einmal ganz kurz gesagt: Ich bin froh darüber, dass es im Bundestag auch eine gemeinsame Erklärung von Kollegen gibt, die im Rahmen der Arbeit des Unterausschusses "Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung" zu dem Thema Millenniumsziele Stellung genommen haben, um deutlich zu machen, dass wir auch gemeinsame Positionen dazu haben. Ich finde, das ist ein gutes Vorgehen - Frau Ministerin a. D. Wieczorek-Zeul, ich denke, Sie haben das auch mit organisiert -, weil es natürlich richtig ist, dass wir auf der Ebene der UN eine gemeinsame Sprache sprechen sollen und müssen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich jetzt einige Worte an den Minister richten. Vor drei Tagen gab es in Brüssel eine Konferenz, bei der Sie hoffentlich anwesend waren. Es wurde dort verabredet - ich habe das Protokoll und auch das entsprechende Dokument -, besonders die Finanzierung der entwicklungsförderlichen Rahmenbedingungen zu gewährleisten und einen entsprechenden Stufenplan vorzulegen. Das heißt für dieses Parlament und für diese Regierung konkret, dass die Koalition jetzt natürlich auch einen entsprechenden Quotenvorschlag machen muss, um das 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen. Ich wäre sehr froh, wenn wir das im September, wenn die Bundeskanzlerin nach New York reist, mit einer entsprechenden Autorität vorlegen könnten; denn einmal Kopenhagen reicht. Wir brauchen kein zweites Kopenhagen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wenn die Bundeskanzlerin nach New York reist, sollten wir eine wirkliche Verbindlichkeit der Zusagen der Deutschen erreicht haben. Apropos: Auch andere europäische Staaten leiden unter der Finanz- und Wirtschaftskrise - das gilt auch für Großbritannien - und haben ihr Ziel erreicht und sogar übererfüllt. Wenn ich es richtig gehört habe, dann wird auch die neue britische Regierung an diesem Ziel festhalten. Kurzum: Wir brauchen einen Aktionsplan, wie ihn Ban Ki-moon vorgeschlagen hat, für die ganze Welt und insbesondere für die UNO. Dazu brauchen wir flankierend die europäische und natürlich auch die nationale Komponente. Ich gehe davon aus, dass gerade wir, die Deutschen, die Glaubwürdigkeit nicht nur von anderen einfordern, zum Beispiel hinsichtlich der Effizienz der Verteilung der Mittel und der Übernahme der Mittel, sondern dass wir sie auch selber gewährleisten, indem wir das, was wir versprochen haben, auch halten. Daran misst man uns in der Welt genauso wie in Deutschland. Es wäre schade - hier stimme ich Ihnen zu, Herr Selle -, wenn es nicht gelingen würde, dieses Ziel zu erreichen. Deshalb brauchen wir eine gemeinsame Anstrengung. Auch Herr Koppelin, der ja bekannt für besondere Vorschläge im Haushaltsausschuss ist, sollte von der FDP überzeugt werden, dass auch und gerade unserem Ansehen in der Welt durch Ihr Vorgehen in diesem Zusammenhang sonst geschadet wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich erwarte also, dass die Bundesregierung insbesondere auch beim jetzigen G-8-Gipfel das Thema Müttersterblichkeit anspricht und Maßnahmen zu deren Beseitigung unterstützt sowie die Initiative voranbringt. Das ist die erste Nagelprobe für Sie, Herr Niebel, und die zweite folgt sogleich, nämlich im September gemeinsam mit der Kanzlerin. Dann können Sie zeigen, was Sie können. Vor allen Dingen können Sie zeigen, was Sie zahlen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/2018, 17/2024 und 17/2132 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 7 auf: - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, zuletzt 1884 (2009) vom 27. August 2009 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen - Drucksachen 17/1905, 17/2171 - Berichterstattung: Abgeordnete Philipp Mißfelder Dr. Rolf Mützenich Dr. Rainer Stinner Wolfgang Gehrcke Kerstin Müller (Köln) - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/2177 - Berichterstattung: Abgeordnete Herbert Frankenhauser Petra Merkel (Berlin) Dr. h. c. Jürgen Koppelin Michael Leutert Sven-Christian Kindler Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über die Beschlussempfehlung werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Rainer Stinner für die FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Rainer Stinner (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Stabilisierung der Region Naher Osten liegt ohne jeden Zweifel im deutschen und selbstverständlich auch im europäischen Interesse. Wie fragil die Situation ist, müssen wir leider im Wochenrhythmus immer wieder neu erleben. Wir haben uns damit erst letzte Woche beschäftigt. Im Prinzip geht es um einen Dreiklang. Es geht erstens darum, das Existenzrecht Israels in sicheren Grenzen zu gewährleisten, was Deutschland immer sehr stark am Herzen gelegen hat und liegen wird. Es geht zweitens darum, einen lebensfähigen palästinensischen Staat aufzubauen. Drittens geht es um die Stabilisierung des Staates Libanon. Da wir ein Interesse an der Situation haben, müssen wir als Deutsche einen Beitrag leisten. Dieser Beitrag kann verschiedene Facetten haben. Am 18. Januar dieses Jahres zum Beispiel ist es gelungen, dass deutsch-israelische Regierungskonsultationen stattgefunden haben, in einem Umfang, wie wir es vor einigen Jahren nie für möglich gehalten hätten. Am 18. Mai ist der Deutsch-Palästinensische Lenkungsausschuss zusammengekommen, in dem auch Konsultationen quasi auf Regierungsebene stattgefunden haben. Auch das ist historisch von ungeheurer Bedeutung und war vor einigen Jahren nicht vorstellbar. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ein weiterer Beitrag zur Stabilisierung dieser Region ist der UNIFIL-Einsatz, den Deutschland seit 2006 begleitet. UNIFIL war notwendig, um die Resolution 1701 durchzusetzen und das Land zu stabilisieren. Zunächst war es ein Feuerwehreinsatz; denn es musste in der Tat Feuer gelöscht werden. Aber seit 2006 hat sich die Situation im Nahen Osten geändert, wie wir alle wissen. Von daher ist es richtig, heute, im Jahre 2010, darüber nachzudenken, ob es bei UNIFIL Umsteuerungsbedarf gibt und wie man UNIFIL in Zukunft gestalten kann. Die Zustimmung zu UNIFIL hier im Hause war immer mit der Forderung verbunden, dass parallel dazu die beteiligten Länder in einen politischen Lösungsprozess eintreten. Ich sage unverblümt, dass ich mit den diesbezüglichen Bemühungen nicht sehr zufrieden bin. Da hätte mehr geschehen können und müssen. Die Vereinten Nationen haben im Frühjahr dieses Jahres eine Evaluation dieses UNIFIL-Einsatzes vorgenommen. Diese Evaluation war für unsere Fraktion sehr wichtig; sie war ein sehr wichtiger Meilenstein zur Beurteilung unseres eigenen Handelns. Die Vereinten Nationen sind ohne jeden Zweifel sehr deutlich zu der Überzeugung gekommen, dass ein weiterer UNIFIL-Einsatz gegenwärtig noch unbedingt notwendig ist. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich teile auch ausdrücklich das Statement des Generalsekretärs der Vereinten Nationen. Selbstverständlich kann die Beteiligung an UNIFIL keine Never ending Story sein und bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag erfolgen. Nein, wir müssen bei UNIFIL wie bei anderen Mandaten auch darüber nachdenken, unter welchen Bedingungen ein Abschmelzen oder ein Auslaufen solcher Mandate erfolgen kann. Das ist richtig. Das ist genau die Position der FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU]) Man muss Änderungen vornehmen und ein solches Mandat den Realitäten anpassen, aber ausdrücklich die Auslaufperspektive im Auge behalten; denn das ist wichtig. Wir wissen aber auch, dass an ein Auslaufen des UNIFIL-Mandates nicht zu denken ist, wenn die libanesische Marine nicht in der Lage ist, die Sicherungsaufgaben dort selbst wahrzunehmen. Deshalb ist in dem vorliegenden Mandat eine Umorientierung primär in der Ausbildung und Unterstützung der libanesischen Marine vorgenommen worden. Das Wichtige ist, dass wir die libanesische Marine in die Lage versetzen, diese Aufgabe mittelfristig selbst zu übernehmen. Ich bin sehr froh darüber, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht nur im Rahmen von UNIFIL, sondern auch in bilateralen Projekten den Libanon unterstützt, etwa mit der Lieferung von Schiffen und Ausrüstung. Das ist genau der richtige Weg. Die Beendigungsperspektive kann also erst dann am Horizont erscheinen, wenn die Befähigung der libanesischen Marine aufgewachsen sein wird. Dazu leisten wir unseren Beitrag. Wir begrüßen sehr, dass sich die neue Bundesregierung beim Umfang des Mandates den Realitäten angepasst hat. Realität vor Ort ist Folgendes: Gegenwärtig sind 237 deutsche Soldaten vor Ort. Es ist sinnvoll und richtig, im Rahmen der Neuorientierung dieses Mandates eine Reduzierung vorzunehmen. Dies dient der Wahrheit und Klarheit von Mandaten, der wir uns als FDP-Fraktion deutlich verschrieben haben. (Beifall bei der FDP) Wir begrüßen auch, dass die neue Bundesregierung bei jedem einzelnen Mandat eine genaue Überprüfung vorgenommen hat. Wir haben gegenwärtig acht Auslandsmandate. Von denen hat die neue Bundesregierung eines ausgeweitet: Afghanistan. Sie alle wissen, warum und wie. Bei zweien ist die Zahl gleich geblieben, und bei fünf Mandaten sind seit Antritt der neuen Bundesregierung sowohl die Obergrenze des Mandates als auch die Ausschöpfung zurückgenommen worden. Dies nenne ich verantwortliche deutsche Außenpolitik, und ich bedanke mich beim Herrn Außenminister, dass er diese Politik von sich aus mit Impetus vorangetrieben hat. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das Ganze in Zahlen ausgedrückt: Die kumulierte Obergrenze ist seit Regierungsantritt am 27. Oktober letzten Jahres um sage und schreibe 20 Prozent gesunken, und auch die aktuelle Präsenz vor Ort ist um 18 Prozent gesunken. Das ist der Weg in die richtige Richtung. Im Zusammenhang mit den Auslandsmandaten - dies hebe ich für meine Fraktion deutlich hervor - brauchen wir nach wie vor an manchen Orten in dieser Welt militärischen Einsatz. Wir alle wissen zwar, dass wir mit Militär nie ein Problem lösen werden. Aber der militärische Einsatz dient dazu, politische Lösungen zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere bei UNIFIL. Wir können auch in diesem Fall - ich bin mehrmals im UNIFIL-Gebiet gewesen - mit Stolz auf das zurückblicken, was unsere Soldaten dort geleistet haben. Sie haben einen Beitrag zum Frieden im Nahen Osten geleistet, und dafür sollten wir ihnen Dank und Anerkennung zollen. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Stabilisierung der Region liegt in unserem deutschen Interesse. Wir sollten uns als Deutsche nicht überheben. Wir allein können nicht den gordischen Knoten durchhauen; aber wir können gerade aufgrund der exzellenten Arbeit der Bundesregierung - ich hatte Israel und Palästina genannt - im Rahmen der Europäischen Union einen vehementen Beitrag dazu leisten. Ich bin sehr dankbar, dass die Bundesregierung das manchmal etwas schläfrige Quartett revitalisiert und erklärt hat, das Quartett müsse eine tragende Rolle spielen, was auch für den anderen Zusammenhang gilt, über den wir in der letzten Woche diskutiert haben. Wir unterstützen die Bundesregierung nachhaltig bei ihrem Bemühen, den deutschen Beitrag zur Stabilisierung dieser Region deutlich zu machen. Deshalb werden wir mit sehr großer Mehrheit dem geänderten neuen Mandat zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Günter Gloser für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Günter Gloser (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte wäre gar nicht nötig gewesen, wenn das UNIFIL-Mandat im letzten Dezember turnusgemäß gleich um ein Jahr verlängert worden wäre. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nun haben wir die Debatte, in der ich drei Punkte hervorheben möchte: Erstens. Die SPD unterstützt natürlich die Verlängerung des UNIFIL-Mandats, (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Sehr gut! Sehr vernünftig!) weil UNIFIL eine erfolgreiche Mission ist. Zweitens trägt UNIFIL zur Stabilisierung der Region bei, da sowohl Israel als auch der Libanon der Mission ausdrücklich zugestimmt haben. Drittens schließe ich mich - hier gibt es sicherlich Einigkeit - dem Dank an unsere Soldatinnen und Soldaten in dieser Region an, die dort wirklich hervorragende Arbeit geleistet haben. Nun möchte ich erläutern, warum diese Mission in mehrfacher Hinsicht beispielhaft für die Art der deutschen Außenpolitik ist. Sie ist beispielhaft für die Durchführung und die Begrenzung von Auslandseinsätzen. Unzureichend ist bislang aber leider die politische Flankierung des militärischen Einsatzes. Beispielhaft im negativen Sinne - das kann ich Ihnen nicht ersparen, lieber Kollege Stinner - ist diese Mission für eine schlechte Außenpolitik insbesondere der Freien Demokratischen Partei, die in der Vergangenheit aus parteitaktischen Gründen bei diesem wichtigen Mandat schwankte und zauderte. (Beifall bei der SPD) Die FDP hatte im Dezember 2009 argumentiert, man müsse bei der Verlängerung abwarten, wie die Evaluierung der Mission durch die Vereinten Nationen ausfalle. Das war und ist ein vorgeschobenes und falsches Argument; denn jeder derartige Einsatz der Vereinten Nationen wird regelmäßig evaluiert. Das ist also kein Grund, ein Mandat künstlich zu begrenzen sowie Enttäuschung und Irritation bei wichtigen Partnern, bei den Vereinten Nationen, in der Region sowie bei den Soldatinnen und Soldaten hervorzurufen. Was erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns im Umgang mit derartigen Einsätzen? Sie erwarten eine einwandfreie Mandatierung, eine professionelle Umsetzung und, soweit möglich und sinnvoll, die Reduzierung oder Beendigung eines Einsatzes; das ist unbestritten. Aber es geht nicht um einen Wettbewerb der Exit-Strategien, (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Nein!) sondern um einen verantwortungsvollen Ausstieg aus einem Mandat. (Dr. Rainer Stinner [FDP]: So wie wir es machen!) Schließlich erwarten die Menschen eine politische Flankierung des Einsatzes. Diese erwarten auch die Soldatinnen und Soldaten, wenn sie in so schwierige und gefährliche Einsätze geschickt werden. Wenn wir es mit dem erweiterten Sicherheitsbegriff und dem Vorrang ziviler Mittel in der Außenpolitik ernst meinen, dann müssen wir auch fragen, was die Bundesregierung getan hat, um die militärische Arbeit der UNIFIL-Mission politisch zu begleiten, ob sie alles getan hat, damit die Wirkung des Einsatzes nachhaltig ist. Ihre Reise in die Region vor einigen Wochen, sehr geehrter Herr Außenminister, war in dieser Hinsicht richtig und wichtig. (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Sehr wahr!) Ein solches Engagement habe ich im Namen der SPD-Fraktion schon bei der letzten Mandatsverlängerung im Dezember 2009 angemahnt. Leider blieb die Reise bisher aber eine Einzelmaßnahme. Wünschenswert wäre eine weitere Initiative zur Verbesserung der Sicherheit an der Landgrenze. Hier läuft ein erfolgreiches Modellprojekt zur Unterstützung des libanesischen Zolls. Es wäre gut, solche Initiativen weiterzuführen und auszubauen. Noch ein Beispiel: Die syrische Haltung zum Waffenschmuggel über die syrisch-libanesische Landgrenze hat sich nicht verändert. Deutschland hat leider nicht den Einfluss, den es bräuchte, um diesbezüglich etwas zu bewegen. Deshalb appelliere ich an Sie, die Gespräche und Verhandlungen mit Syrien zu intensivieren, so wie Ihre Vorgänger es schon getan haben. Sehr geehrter Herr Außenminister, Sie haben ausdrücklich erwähnt, dass Sie damals keine Kritik an Frank-Walter Steinmeier geübt haben, als er in seiner Eigenschaft als Außenminister in der Großen Koalition nach Amman gereist ist und dafür von Kollegen Ihres heutigen Koalitionspartners kritisiert wurde. Ich hoffe nur, dass nicht wieder dieselben Bremser auftreten und Sie an Aktivitäten im Nahen und Mittleren Osten, insbesondere in Syrien, hindern werden. Es geht nicht darum, Syrien den roten Teppich auszurollen, sondern darum, Syrien klarzumachen, dass es in Deutschland einen starken und entschlossenen Partner hat, wenn es im Libanon, gegenüber Israel und im Verhältnis zum Iran eine konstruktive Rolle einnimmt. Das sind hohe Anforderungen an Syrien, und entsprechend groß muss der Anreiz in wirtschaftlicher, kultureller und politischer Hinsicht sein. Im Nahen Osten ist vieles in Bewegung, aber leider nicht immer zum Positiven. Deswegen brauchen wir einen adäquaten, allumfassenden Politikansatz. Das liegt in unserem Interesse und wird vor dem Hintergrund der deutschen Verantwortung für die Sicherheit Israels und der gesamten Region von uns erwartet. Herr Außenminister, wenn Sie diesen Weg ernsthaft beschreiten, werden Sie in der SPD-Fraktion einen kritischen, aber konstruktiven Partner haben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Peter Beyer das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Peter Beyer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ereignisse vor Gaza im östlichen Mittelmeer am Morgen des 31. Mai - Stichwort sogenannte Friedensflottille - haben der Welt erneut deutlich vor Augen gehalten, wie angespannt die Lage im Nahen Osten noch ist. Sie haben darüber hinaus die Sorge vor einer weiteren Eskalation wachgerufen. Umso wichtiger sind für uns gerade heute deutliche Signale, dass im Nahen Osten auch eine schwierige Situation verbessert werden kann. Die United Nations Interim Force in Lebanon sendet ein solches kraftvolles Signal. Es ist möglich, auch eine schwere Krise zu entspannen, wenn man sich entschlossen dafür einsetzt. 2006 befürchteten nicht wenige, der Libanon-Kon-flikt könnte der entscheidende Funken sein, der in der Region einen Flächenbrand auslöst. Dazu ist es glücklicherweise nicht gekommen. Die UNIFIL-Mission hat maßgeblichen Anteil daran, dass sich vier Jahre später, also zum heutigen Zeitpunkt, die innenpolitische Lage im Libanon bis zu einem gewissen Punkt stabilisiert hat. Es wurden geordnete Parlaments- und Kommunalwahlen durchgeführt. Die Regierung der nationalen Einheit unter Ministerpräsident al-Hariri hat die Arbeit aufgenommen. Trotz aller Probleme, die es noch gibt, besteht die begründete Perspektive, den im Oktober 2006 begonnenen Einsatz in absehbarer Zeit beenden zu können. Das macht deutlich, wie viel in den vergangenen Jahren geleistet und erreicht worden ist. Der Libanon ist bereits heute wieder in Teilbereichen zur selbstständigen Kontrolle seiner Hoheitsgewässer in der Lage. Deshalb sage ich: Wenn wir jetzt beschließen, die personelle Obergrenze für die deutsche Beteiligung von 800 auf 300 Soldaten zu reduzieren, dann ist das nur konsequent. Das gilt übrigens nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich die Qualität der Mission verändert hat. Ging es damals verstärkt um militärischen Schutz, liegt die Betonung heute auf der Ausbildung der libanesischen Kräfte. Wir unterstützen das Land beim Aufbau eigener Kapazitäten und Fähigkeiten. Darüber hinaus hilft Deutschland auch beim zivilen Aufbau des Landes, um langfristige innenpolitische Stabilität im Libanon und letztlich in der gesamten Region zu erreichen. Frieden ist möglich, wenn alle Beteiligten dies wollen und die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft vorhanden ist. Das ist die Botschaft von UNIFIL. Weit über 200 Frauen und Männer der Bundesmarine leisten dafür momentan vor der Küste Libanons einen wichtigen Beitrag zur Stärkung von Stabilität und Souveränität des Landes. Sie nehmen dafür die Trennung von Familie und Freunden auf sich. Die Besatzungen der "Kulmbach", der "Auerbach" und der "Main" gewährleisten, dass diese Küste kein Einfallstor für Waffen ist, die den Libanon und die Region destabilisieren sowie das Leben der Menschen - auch in Israel - bedrohen könnten. Diese erfolgreiche Mission zeigt, dass diejenigen recht behalten, die nicht bereit sind, angesichts der Schwierigkeiten im Nahen Osten zu resignieren. Wie wichtig den Menschen vor Ort dabei gerade die deutsche Beteiligung ist, zeigt sich auch daran, dass sowohl die libanesische Regierung als auch die israelische Regierung ausdrücklich um ein weiteres deutsches Engagement gebeten haben. Das sind die Motivation und die Anerkennung für die Leistung unserer Soldatinnen und Soldaten. Gleichzeitig hat Deutschland ein eigenes strategisches Interesse an einem dauerhaften Frieden und an Stabilität im Nahen Osten. Für ihren unermüdlichen Einsatz, den sie oft unter schwierigsten Bedingungen leisten, verdienen alle eingesetzten Soldatinnen und Soldaten unsere Wertschätzung und unseren Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die ermutigende Entwicklung von UNIFIL bestärkt uns darin, weiter nicht nur an die Möglichkeit von Frieden für alle Menschen in dieser Region zu glauben, sondern auch weiter dafür zu arbeiten. Die Schwierigkeit des Einsatzes ist dadurch bedingt, dass der Libanon schon historisch Schnittstelle vieler regionaler Konfliktlinien ist. Wir dürfen die immer noch jederzeit präsente Gefahr für das Land, zum Spielball fremder Interessen zu werden, nicht in Abrede stellen. Am Beispiel der extremistischen Hisbollah, die innerhalb des Libanons aktiv ist und sich auch an den Wahlen beteiligt, wird das besonders deutlich. Sie ist ein Grund dafür, warum die im Libanon seit 2006 erreichte innenpolitische Stabilität nach wie vor fragil bleiben muss. Es wird die große Aufgabe der Politik sein, den Frieden, den UNIFIL derzeit sichert, langfristig zu erhalten. Deshalb gilt: Wo wir den demokratischen Kräften im Libanon bei der Stabilisierung des Landes helfen können, sowohl im Rahmen von UNIFIL als auch auf zivilem Gebiet, da sollten, ja müssen wir unserer Pflicht nachkommen. Der deutsche UNIFIL-Einsatz ist durch das Völkerrecht legitimiert. Er ist vom UN-Sicherheitsrat mandatiert und von beiden Konfliktparteien ausdrücklich gewünscht. Wer trotzdem sagt: "Auslandseinsätze machen wir aus Prinzip nicht mit" oder: "Wir unternehmen nichts, dann machen wir auch nichts falsch", der macht es sich gerade bei dieser Sachlage zu einfach. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wer es sich bei der außenpolitischen Verantwortung aber so leicht macht, der verlängert Konflikte, der lässt Menschen unnötig leiden, der verweigert sich letztlich der ihm übertragenen Verantwortung. Wer sich dann auch noch auf vordergründig humanitäre Aktionen einlässt, auch, wie es die Kollegin Kerstin Müller in der Gaza-Debatte in der letzten Woche sinngemäß zutreffend formulierte, auf die Gefahr hin, sich vor den Karren von Extremisten und Fundamentalisten spannen zu lassen, der erweist den Menschen im Nahen und Mittleren Osten einen schlechten Dienst. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der LINKEN: Und vor welchen Karren lassen Sie sich spannen?) Lassen Sie uns das Thema "Friedenseinsatz im Libanon" entschlossen und geschlossen angehen, gepaart mit Verantwortung und Vernunft. Die Menschen brauchen konkrete Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Situation. Was sie nicht brauchen, sind ideologisch gefärbte Debatten, die letztlich nur der Durchsetzung eigener politischer Interessen dienen sollen. Machen Sie sich die Ihnen übertragene politische Verantwortung bewusst! Die Beteiligung an UNIFIL ist Einsatz für den Frieden in der Welt durch Deutschland im besten Sinne des Wortes. Tragen Sie mit Ihrer Entscheidung dazu bei, dass den Menschen im Libanon der erforderliche Schutz weiter zur Verfügung gestellt wird und sie beim Aufbau ihres Landes weiter tatkräftig unterstützt werden! Das ist konkret. Das hilft vor Ort. Deshalb wird die CDU/CSU-Fraktion dem Antrag zustimmen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächste Rednerin ist die Kollegin Inge Höger für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Inge Höger (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Lage im Libanon hat sich im letzten halben Jahr nicht wesentlich verändert. Trotzdem erleben wir gerade eine erstaunliche Kehrtwende bei der FDP. Nachdem die FDP diesen ersten Einsatz der Bundeswehr im Nahen Osten bisher immer abgelehnt hat, ist sie nun dafür. Woher dieses Umdenken kommt, bleibt offen. Die immer wieder bemühte Evaluation durch die Vereinten Nationen kann es nicht gewesen sein. Sie hat nichts wirklich Neues ans Tageslicht gebracht. Die UN haben darauf hingewiesen, dass es Hunderte von Zwischenfällen gab und gibt, in denen die israelische Armee die Souveränität des Libanons verletzt hat. Gleichzeitig findet, so wird vermutet, Waffenschmuggel an die Hisbollah statt, allerdings auf dem Landweg und nicht auf hoher See. Daraus lässt sich weder ein Erfolg noch ein militärischer Sinn deutscher Präsenz ableiten. (Beifall bei der LINKEN - Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das müssen Sie erklären!) Gerade nach der Ankündigung von Minister zu Guttenberg, auch alle Auslandseinsätze im Rahmen des Sparpakets auf den Prüfstand zu stellen, wäre ein Umdenken angebracht gewesen. Die vorgesehene Verlängerung des UNIFIL-Einsatzes im Mittelmeer kostet 32,6 Millio-nen Euro. (Holger Haibach [CDU/CSU]: 39,6 Millionen!) Das ist Verschwendung von Steuergeldern. (Beifall bei der LINKEN) Meine Kolleginnen und Kollegen von den anderen Fraktionen, Sie haben es bis jetzt versäumt, auch nur annähernd stichhaltige Argumente für die deutsche Beteiligung an dieser Kapitel-VII-Mission vorzubringen. Sie sprechen von internationaler Präsenz mit dem Ziel, eine Eskalation zu vermeiden. Doch warum braucht man dafür Militär? Für diese Aufgabe würden internationale Beobachter mit einem starken politischen Mandat ausreichen. (Beifall bei der LINKEN - Peter Beyer [CDU/ CSU]: Die beobachten dann die Waffenlieferung!) Selbst wenn Sie davon ausgehen, dass nur Militär durch seine Präsenz die Aktionen anderer Militäreinheiten überwachen kann: Warum braucht diese Mission dann eine Lizenz zum Schießen? Warum soll eine robuste Kapitel-VII-Mission zur Stabilisierung beitragen? So wird vielmehr der weiteren Konflikteskalation Tür und Tor geöffnet, (Beifall bei der LINKEN - Günter Gloser [SPD]: Beispiele!) und zwar spätestens dann, wenn es tatsächlich zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen der UNIFIL-Truppe und einer der Konfliktparteien kommt. Sie alle reden hier von der neuen Qualität des Einsatzes. Sie erwähnen die Ausbildung für den libanesischen Küstenschutz sowie die Einrichtung und Optimierung von Küstenradarstationen. Seit wann gehört es zu den Aufgaben der deutschen Marine, sich um die Ausbildung von Sicherheitskräften und Ingenieuren zu kümmern? (Beifall bei der LINKEN - Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Wir tun halt, was wir können!) Ich gehe auf jeden Fall davon aus, dass Sie keine libanesische Kriegsmarine aufbauen wollen, sondern faktisch eine Art Küstenwache. (Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau! Grenzschutz!) Wenn das jedoch die Absicht ist: Wozu brauchen Sie dann Soldaten? Wäre eine solche Ausbildung nicht deutlich besser in zivilen Händen aufgehoben? (Beifall bei der LINKEN - Manfred Grund [CDU/CSU]: Bei der Heilsarmee vielleicht!) Herr Minister zu Guttenberg hat in der letzten Woche erklärt: Die auf Konfrontation ausgerichtete Anhäufung von Waffenarsenalen dient nicht dem friedlichen Interessenausgleich. Ja, dem kann ich nur zustimmen. Was aber für die vermuteten Waffenlieferungen an die Hisbollah gilt, muss doch genauso für die in wesentlich größerem Umfang stattfindenden Waffenlieferungen nach Israel gelten. (Beifall bei der LINKEN) Friedlicher Ausgleich von Interessen bei gleichzeitiger Aufrüstung - das funktioniert schlicht nicht. Gerade in den letzten Wochen war Israel mit deutschen U-Booten, die atomar bewaffnet werden können, im Persischen Golf unterwegs. Das zeigt doch, wie gefährlich die deutsche Exportpolitik für die gesamte Region des Nahen und Mittleren Ostens ist. (Beifall bei der LINKEN) Deutsche Verantwortung für diese Region bedeutet doch wohl zunächst einmal, nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen. Die Waffenlieferungen an Israel, aber auch an andere Länder dieser Region, müssen sofort beendet werden. (Beifall bei der LINKEN) Es ist einfach absurd, Waffen zu liefern und dadurch seit Jahrzehnten die regionale Eskalation mitzubefördern, um dann wiederum mit Waffen zu versuchen, die Eskalation in den Griff zu bekommen. Einer solchen deutschen Außenpolitik kann und wird die Linke nicht zustimmen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Kerstin Müller das Wort. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Höger, um Ihnen zumindest einen Grund zu nennen, warum die UNIFIL-Mission und auch die deutsche Beteiligung daran so wichtig sind, möchte ich hier direkt am Anfang eine Passage aus einem Gespräch mit dem libanesischen Ministerpräsidenten, Herrn al-Hariri, zitieren, der im März hier in Berlin zu Besuch war. Im Gespräch mit den Obleuten - Herr Gehrcke nickt; er war auch dabei - hat er gesagt: UNIFIL hat "zur stabilsten Periode geführt, die der Libanon je erlebt hat", und trägt zur Stabilität in der gesamten Region bei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Deshalb haben sowohl die libanesische Regierung einschließlich der Hisbollah - das heißt, diese hat kein Veto eingelegt - als auch die israelische Seite um Fortsetzung des Einsatzes gebeten. Und nicht nur das: Beide Seiten befürworten ausdrücklich eine Beteiligung Deutschlands an der Mission und können sich sogar ein stärkeres deutsches Engagement vorstellen. Wenn das nicht Gründe genug für Sie sind, um zu erkennen, dass diese Mission wirklich zu Stabilität und Frieden beiträgt - wobei sie natürlich nicht alleine genommen werden darf, sondern immer nur einen Baustein darstellt -, kann ich Ihnen nicht helfen. Wir meinen auf jeden Fall, dass es deshalb richtig ist, das Mandat um ein Jahr zu verlängern. Meine Fraktion wird dieser Mandatsverlängerung mit großer Mehrheit zustimmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP - Zuruf der Abg. Inge Höger [DIE LINKE]) - Wir sind nicht immer für Einsätze, aber dann, wenn sie sinnvoll sind, schon. Meine Damen und Herren von der Koalition, Herr Außenminister, allerdings kann ich mich den Aussagen einiger Kolleginnen und Kollegen nur anschließen. Auch ich meine, dass wir uns die Pirouette, die wir mit der halbjährlichen Verlängerung im Dezember gedreht haben, wirklich hätten sparen können. Denn all das, was Sie bei der Einbringung und im Ausschuss dazu berichtet haben, war auch schon im Dezember bekannt. Das Problem war nur, dass Sie, meine Damen und Herren von der FDP, sich noch nicht von Ihrer Position als Opposition verabschiedet hatten. Damals waren Sie noch gegen eine deutsche Beteiligung an UNIFIL. Nun könnte man sagen, dass Reisen bildet. Auch dem Außenminister haben bei seinen Reisen in der Region, so vermute ich, alle Konfliktparteien bestätigt, dass sie eine deutsche Beteiligung ausdrücklich wünschen. Das Problem ist nur - diesen Punkt will ich hier schon ansprechen -, dass sechs Monate lang falsche Signale in die Region gesendet wurden und dass sechs Monate lang rumgeeiert wurde. Denn die Befristung war - Sie haben es heute noch einmal gesagt - als Einstieg in den Ausstieg gedacht, zum Leidwesen der CDU. Erst einmal hat die deutsche Außenpolitik also sechs Monate diese fragile Region verunsichert, statt mit klarem Kurs den Friedensprozess im Nahen Osten zu unterstützen. Das ist nicht sehr verantwortlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Damit setzen wir nicht nur unsere Rolle bei den Vereinten Nationen aufs Spiel, sondern laufen wir auch Gefahr, unsere Rolle im Nahen Osten insgesamt zu schwächen. Aber damit nicht genug - Sie haben es schon dargestellt -: Gleichzeitig wird weiter drastisch reduziert, von 800 auf 300 Soldaten schon nach einem halben Jahr. Erst im Dezember hatten wir von 1 200 auf 800 Soldaten reduziert. Dieses Ergebnis wird stolz präsentiert. Die FDP ist quasi die neue Vorkämpferin für den Pazifismus. Ich weiß nicht, warum die Linke heute dazu nicht geklatscht hat. Auch wir freuen uns, wenn eine Evaluierung ergibt, dass Mandate reduziert und perspektivisch sogar beendet werden können. Aber: Ich meine, Sie machen es sich hier zu einfach. Der Umsetzungsbericht des UN-Generalsekretärs zur Resolution 1701 und sein Brief vom Februar dieses Jahres - Sie zitieren ihn ständig als Kronzeugen, so auch in Ihrem Antrag - geben das nicht her. Der Generalsekretär schreibt zwar, dass "das aktuelle Engagement nicht unbegrenzt aufrechterhalten werden kann" - das ist richtig -, aber er kommt an keiner Stelle zu dem Schluss, dass der Umfang der Mission jetzt reduziert werden kann. Im Gegenteil - das müssten Sie eigentlich wissen; denn angeblich haben Sie den Bericht gelesen -: Im Hinblick auf den maritimen Teil der Taskforce spricht der Bericht sogar ausdrücklich davon, dass die Stärke nicht ausreichend ist, sie sei "less than sufficient". Der Bericht zeigt sich besorgt über Verletzungen der Resolution 1701. Er stellt fest, dass zwar eine Stabilisierung eingetreten ist, aber die Situation nach wie vor fragil ist, dass Rückschritte die Waffenruhe gefährden können und dass es wenige Fortschritte bei der Umsetzung der Kernforderungen der Resolution 1701 gibt. Ich frage mich, wie man angesichts einer solchen Lagebeschreibung eine derart massive Reduzierung vorschlagen kann. Zur Lage. Die größte Herausforderung bleibt die ungesicherte syrisch-libanesische Grenze und damit verbunden der vermutlich ungehinderte Waffenschmuggel an die Hisbollah. Nach Berichten soll sie inzwischen über 40 000 Raketen verfügen, was eine Verzehnfachung der Anzahl der Raketen wäre, die im Krieg 2006 dort abgefeuert wurden. Darunter befinden sich möglicherweise auch Scud-Raketen, die israelische Städte erreichen können. Das empfinden Israel und auch die libanesische Regierung zu Recht als Bedrohung. Herr Siniora, der ehemalige Ministerpräsident, hat es diese Woche noch einmal gesagt: "Die Hisbollah ist ein Staat im Staate." - Die Hisbollah schwächt massiv das Gewaltmonopol im Libanon. Auch der UNO-Bericht ist in diesem Punkt eindeutig: Erst in dem Maße, in dem der Libanon seine staatliche Souveränität aufbauen und stärken kann, kann UNIFIL in verantwortlicher Weise reduziert werden. Das ist das Ergebnis des Evaluierungsberichtes der UNO. Ich muss sagen: Ich finde es unverantwortlich, dass Sie uns und sich selbst die Lage schönreden. Sogar UNO-Berichte müssen dazu herhalten, um hier die Gesichtswahrungsnummer der FDP durchziehen zu können. Das ist nach meiner Meinung das Gegenteil von seriöser Außenpolitik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich fordere Sie auf: Wenn wir dauerhaft Frieden und Stabilität in der Region wollen, dann muss Deutschland ein verlässlicher Partner für die libanesische Regierung und für Israel bleiben. Dann sollten wir uns solche Spielchen nicht leisten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Holger Haibach für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Holger Haibach (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass UNIFIL in den letzten Jahren einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung in der Region geleistet hat, wird von fast niemandem mehr bestritten. Ein Beweis dafür ist, dass UNIFIL eine erneute Verschärfung der Spannungen zwischen Israel und der Hisbollah verhindert hat, indem sie Gerüchten entgegengetreten ist, die Hisbollah habe Langstreckenraketen in den Libanon geschmuggelt. Sie konnte sogar beweisen, dass dies nicht der Fall war. Ein solches Gerücht allein - das wissen wir alle - kann in dieser Region der Funke zu einer noch größeren Explosion sein. Schon allein deswegen ist UNIFIL sinnvoll gewesen. Frau Höger, Kollegin Müller hat schon darauf hingewiesen: Man muss sich immer wieder darüber im Klaren sein, wer dieses Mandat gewollt hat. Es ist nicht etwas, was sich die internationale Staatengemeinschaft ausgedacht hat. Es ist etwas, was sowohl von der libanesischen als auch von der israelischen Regierung ausdrücklich gewünscht war; das gilt auch für den deutschen Beitrag. Deswegen ist dieser Einsatz richtig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Natürlich ist der Einsatz nur Teil eines Gesamtkonzeptes; das ist bereits deutlich geworden. Natürlich muss es darum gehen, politische Lösungen für diese Region zu finden. Wir reden über eine Region, die viele Roadmaps, viele große Pläne und viele große Friedenskonferenzen erlebt hat. Erwarten wir wirklich, dass UNIFIL durch politisches Engagement in kürzester Zeit Probleme lösen kann, die seit Jahrzehnten existieren? Ich halte das für einigermaßen unrealistisch. Das enthebt uns nicht davon - das will ich ausdrücklich sagen -, unseren Beitrag dazu zu leisten. Darüber gibt es überhaupt keine Diskussion. Wenn ich den Entschließungsantrag der Grünen zu diesem Debattenpunkt lese, stelle ich fest, dass ich vielen Punkten zustimmen kann. Ich möchte aber dem Eindruck entgegentreten, diese Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen hätten an der Stelle nichts getan. Es ist gute Tradition, dass Deutschland die militärischen Auslandsmissionen der Bundeswehr mit entsprechendem entwicklungspolitischen und zivilen Engagement flankiert. So ist es auch hier. Es wird zu Recht angemahnt, dass der Libanon selbst in der Lage sein muss, sein Territorium zu verteidigen und an den Grenzen abzusichern. Deswegen führt die GTZ ein Projekt zur Grenzsicherung durch. Es ist zugegebenermaßen nur ein Modellprojekt, bringt aber wichtige Expertise, damit die libanesische Führung in der Lage ist, ihr Land zu verteidigen. Darüber hinaus leisten wir einen großen Beitrag dazu, dass im Libanon eine Infrastruktur entsteht, die es dem Staat ermöglicht, seine Aufgaben wahrzunehmen; das ist sehr wichtig. Eines der größten Probleme ist, dass die Hisbollah einen Rückhalt in der Bevölkerung hat. Die Menschen versprechen sich davon nämlich soziale Leistungen, Sicherheit und vieles mehr. Dem tritt Deutschland durch seine Entwicklungsarbeit entgegen. Wir haben in den Jahren 2006 bis 2009 in den Bereichen Aufbau von Infrastruktur, Aufbau von kleiner und mittelständischer Wirtschaft, Wasserver- und -entsorgung insgesamt 85,2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Ähnliches werden wir auch in Zukunft tun. Wir sehen nämlich, dass das wichtig und notwendig ist. Ihr Bild, Deutschland beteilige sich nur an einer Militärmission, ist vollkommen falsch und geht absolut an der Realität vorbei. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der guten Ordnung halber: Der Begriff der vernetzten Sicherheit, also des Comprehensive Approach, den wir auch an anderen Stellen diskutieren, ist, mit Verlaub, eine deutsche Erfindung. Insofern glaube ich, dass man uns nicht vorwerfen kann, wir engagierten uns nicht entsprechend. Alles in allem bin ich der Meinung, dass es sich bei dem neuen Mandat um eine wirklich vernünftige Angelegenheit handelt. Es ist auf jeden Fall klar, dass die deutsche Marine dazu beiträgt, den Waffenschmuggel über den Seeweg zu verhindern. Wenn wir gleichzeitig noch einen Beitrag zum Aufbau libanesischer Staatlichkeit leisten, sollte das uns allen recht sein. Wir sollten das nach Kräften unterstützen. Danke sehr. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das Wort hat die Kollegin Karin Evers-Meyer für die SPD-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Karin Evers-Meyer (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten zum fünften Mal über ein neues Mandat für die Bundeswehr zur Teilnahme am UNIFIL-Einsatz vor der libanesischen Küste. Meine Fraktion unterstützt diese Marinemission nach wie vor. Wir halten den Einsatz auch im fünften Jahr für richtig und notwendig. Die deutsche Marine leistet vor der libanesischen Küste hervorragende Arbeit. Deswegen danke auch ich für meine Fraktion an dieser Stelle zuallererst den Soldatinnen und Soldaten, die in diesem schwierigen Umfeld ihren Dienst leisten. (Beifall bei der SPD) Ich weiß, dass dieser Einsatz in der Öffentlichkeit wenig Aufsehen erregt. Das spricht nicht zuletzt dafür, dass dort gute Arbeit geleistet wird. Das sollte uns nicht davon abhalten, den Einsatz unserer Marinesoldatinnen und -soldaten als wichtigen Beitrag zur Stabilisierung in dieser Region immer wieder hervorzuheben. Der UNIFIL-Einsatz der deutschen Marine ist ein Erfolg. Seit Beginn der Mission im Sommer 2006 hat sich die Lage im Libanon stabilisiert. Die Überwachung der libanesischen Küstengewässer durch die deutsche Marine hat dazu einen ganz zentralen Beitrag geleistet. Im vergangenen Jahr hat sich die Situation im Libanon weiter verbessert. Eine dauerhafte Waffenruhe ist nach Ansicht internationaler Beobachter vielleicht in greifbarer Nähe. Es ist völlig klar und absolut geboten, dass wir in dieser wichtigen Phase die Verantwortlichen vor Ort weiterhin unterstützen. Insofern freue ich mich, dass sich die Kolleginnen und Kollegen der FDP nun auch diesem Einsatz anschließen, auch wenn das wohl eher der Gesichtswahrung als einer ernstzunehmenden Linie in der Außenpolitik geschuldet ist. Aber die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft umfasst natürlich mehr, als den Waffenschmuggel über See zu verhindern. Unsere Aufgabe lautet, die Verantwortlichen vor Ort in die Lage zu versetzen, selber für Sicherheit und Stabilität in ihrem Land zu sorgen. Für den Küstenraum bedeutet das: Wir wollen, dass sie in die Lage versetzt werden, ihre Küste selbst zu überwachen und abzusichern. Deshalb unterstützen wir die Ausgestaltung des erneuten Mandats. Die libanesischen Behörden werden darin noch stärker dazu angehalten, eigene und vor allem - das ist meiner Meinung nach der entscheidende Punkt - funktionierende Sicherheitsorgane aufzubauen. Es ist uns wichtig, dass die Bundesregierung den Ansatz zu mehr Eigenverantwortung viel deutlicher als bisher einfordert. Bisher ist die Bilanz auf diesem Gebiet nicht nur unzureichend; Fortschritte sind eigentlich gar nicht wahrnehmbar. Das müsste sich innerhalb der nächsten zwölf Monate ändern. Das deutsche Engagement wird sowohl vom Libanon als auch von Israel unterstützt. Das zeigt, dass uns beide Seiten großes Vertrauen entgegenbringen, vor allen Dingen in die Arbeit unserer Soldatinnen und Soldaten. Das können wir nutzen. Deshalb noch einmal: Wir fordern deutlichere Anstrengungen der Bundesregierung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sorgen Sie bei den libanesischen Partnern für einen schnelleren Aufbau der eigenen Kräfte für den Küstenschutz. Es gibt nach wie vor große Lücken bei der Überwachung der Küstengewässer durch libanesische Kräfte. Die personelle Durchhaltefähigkeit ist nicht ausreichend, und nicht zuletzt ist auch die Ausrüstung alles andere als alltagstauglich. Mir ist es deswegen wichtig, festzuhalten: Wenn der deutsche Marineeinsatz bei UNIFIL in absehbarer Zeit beendet werden soll, müssen im kommenden Jahr bei der Ausbildung und Befähigung der libanesischen Kräfte deutlich größere Anstrengungen unternommen werden. In den kommenden zwölf Monaten hat die Bundesregierung Zeit, uns davon zu überzeugen, dass sie die Situation ernst nimmt. Dabei hat sie unsere Unterstützung. Es reicht aber nicht aus, allein auf die gute Arbeit unserer Marineeinheiten zu vertrauen. Fürs Zuschauen bekommt man unsere Unterstützung nicht. Sie wissen so gut wie wir, dass jede militärische Hilfe nur Erfolg haben kann, wenn Deutschland aktiv politischen Einfluss auf die Akteure in der Region ausübt. Leider hat die Regierung auch hier in den vergangenen acht Monaten Vertrauen verspielt. Wenn Sie den deutschen Einsatz im Nahen Osten in absehbarer Zeit wirklich beenden wollen, dann müssen Sie endlich aktiver werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sonst ist die Präsenz der deutschen Marine vor der libanesischen Küste in der Tat sinnlos. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ich bitte jetzt um Aufmerksamkeit für den letzten Redner in dieser Debatte. Es ist seine erste Rede. (Beifall) Das Wort hat der Kollege Ingo Gädechens. Ingo Gädechens (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin - wenn ich vom Wortbeitrag von Frau Höger absehe - hocherfreut, dass sich hier im Parlament eine breite Mehrheit für die Verlängerung des UNIFIL-Einsatzes abzeichnet. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zum Thema. Begibt man sich in die Themenbereiche NATO und UN, stößt man auf die allseits beliebten Abkürzungen und führt insbesondere die Kolleginnen und Kollegen, die sich etwas weniger mit sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen beschäftigen, in einen sprachlichen Irrgarten. Wichtige Debatten wurden über das ISAF- und das KFOR-Mandat in Afghanistan und im Kosovo geführt. Für die Außen- und Verteidigungspolitiker sind darüber hinaus Begriffe wie UNAMA, EUFOR, EUSEC, OEF, Atalanta, OAE, UNMIK und EULEX gängige Abkürzungen von Bezeichnungen für internationale Einsätze. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gleich werden wir noch über UNMIS und UNAMID diskutieren. Hinter jeder Abkürzung verbirgt sich einer der Einsätze, in die das deutsche Parlament mehrheitlich zurzeit insgesamt 6 666 Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten entsandt hat. Es handelt sich um Einsätze mit Verbündeten, in denen teilweise gekämpft werden muss, in denen manchmal nur beobachtet wird, oder um Einsätze, bei denen wir anderen Nationen in unterschiedlichster Weise hilfreich zur Seite stehen. Jeder Auftrag, jedes Mandat für sich betrachtet, ist es selbstverständlich wert, immer wieder überprüft, diskutiert und gegebenenfalls - so wie heute - neu mandatiert zu werden. Wie bereits gehört, geht es in dieser Beratung um die Fortführung der Mission UNIFIL, der sogenannten United Nations Interim Force in Lebanon. Ausgangspunkt unseres Engagements war die Resolution, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erlassen hat, nachdem es zuvor zu teilweise schwer bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen libanesischen Truppen und Israel gekommen war. Es würde zu weit führen - meine Vorrednerinnen und Vorredner sind schon darauf eingegangen -, das über viele Jahre vorherrschende Konfliktpotenzial zu beschreiben. Dass es sich um einen seit Jahrzehnten währenden Konflikt handelt, wird unter anderem dadurch deutlich, dass UNIFIL eine der ältesten UN-Missionen ist und seit 1978 unterschiedliche Kräfte versuchen, einen Waffenstillstand zwischen dem Libanon und Israel herbeizuführen. Bis heute bleiben die Aktivitäten der Hisbollah im Süden unberechenbar. Zurückliegende Angriffe deuten auf die reale Existenz erheblicher Waffenbestände außerhalb der Kontrolle libanesischer Streitkräfte hin. Eigentlich liegt es in der originären Verantwortung eines jeden Staates - auch das hörten wir -, unerlaubte Waffenlieferungen und -transporte zu verhindern. Da sich die libanesische Regierung dazu nicht imstande sah und leider immer noch nicht sieht, befinden sich seit Oktober 2006 Einheiten der deutschen Marine im Einsatz vor der Küste des Libanons, mit dem Auftrag, genau diesen Waffenschmuggel zu verhindern und darüber hinaus libanesische Kräfte in die Lage zu versetzen, selber hoheitliche Aufgaben zu übernehmen. Bis heute wurden weit über 31 000 Schiffe durch UNIFIL-Einheiten abgefragt; 460 verdächtige Schiffe wurden von libanesischen Behörden untersucht. Während der Erfolg bei den Einsätzen der Verbände der Mission Atalanta oftmals durch das Aufbringen von Skibs und die Beschlagnahmung der Waffen sichtbar wird, liegt der Erfolg der UNIFIL-Mission in der Präsenz, die zur Abschreckung und Verhinderung illegaler Waffentransporte führt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) In den vergangenen Jahren haben circa 5 900 deutsche Soldatinnen und Soldaten und zivile Mitarbeiter am UNIFIL-Einsatz mitgewirkt. Nach anfänglich starker Präsenz durch zwei Fregatten, einen Einsatzgruppenversorger, vier Patrouillenboote und einen Tender konnte die deutsche Marine den Umfang auf aktuell nur noch einen Tender und zwei Patrouillenboote reduzieren. In Bezug auf den KFOR-Einsatz hat der Bundesminister der Verteidigung von einem teilweise vergessenen Mandat gesprochen. Ich möchte nicht vergessen, zu erwähnen, dass unsere Marinesoldaten vor der Küste des Libanons einen hervorragenden Job geleistet haben und bis heute leisten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Während die größeren Einheiten wie Fregatten, Versorger und Tender für die Weltmeere konzipiert und baulich den Anforderungen der Seelagen angepasst sind, stellte dieser Einsatz die Besatzung der eigentlich für Nord- und Ostsee konzipierten Schnellboote und Minensucher vor ungeahnte Herausforderungen. Nur durch Einsatzwillen, großes Engagement und Kreativität hat die Besatzung der Bootseinheiten gewährleistet, dass der vom Deutschen Bundestag erteilte Auftrag UNIFIL bis heute erfolgreich durchgeführt werden konnte. Die libanesische Marine ist auf dem Weg, die Eigensicherung der Seegrenze zu übernehmen. Auch hier gilt es, lobend hervorzuheben, dass wir nicht nur Material und Ausrüstung zur Verfügung gestellt haben, sondern dass es durch Schulung und Kooperation eine funktionierende Küstenradarorganisation gibt und die von uns zur Verfügung gestellten Behördenschiffe tatsächlich geführt werden können. Die Beziehung zwischen dem Libanon und Israel bleibt fragil, man könnte sagen: traditionell angespannt. Die Situation vor Ort ist nach wie vor kritisch. Deshalb haben sowohl die libanesische als auch die israelische Regierung - das haben wir gehört - ausdrücklich um die Aufrechterhaltung einer deutschen Beteiligung am UNIFIL-Flottenverband gebeten. Lassen Sie uns auch weiterhin einen Beitrag zur Sicherung des Friedens an dieser Stelle der Welt leisten. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege Gädechens, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag, und dies unmittelbar vor einer namentlichen Abstimmung. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg. (Beifall) Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 17/2171 zu dem Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 17/1905 anzunehmen. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Plätze an den Urnen einzunehmen. - Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.1 Wir haben vor der nächsten Debatte noch eine Abstimmung zu absolvieren. Damit ich einen Überblick über das Abstimmungsverhalten bekomme, bitte ich die Kolleginnen und Kollegen, die hierbleiben wollen, Platz zu nehmen, und die anderen, den Saal zu verlassen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/2186. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer ist dagegen? - Enthaltung? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Katja Dörner, Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Aufhebung der Ankündigung eines Betreuungsgeldes - Drucksache 17/1579 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich sehe, damit sind Sie einverstanden. Dann werden wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin das Wort der Kollegin Katja Dörner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das geplante Betreuungsgeld hat in diesem Haus keine Mehrheit. Ich finde, das ist eine sehr gute Nachricht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir Grünen haben jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, um das geplante Betreuungsgeld kurz und schmerzlos wieder loszuwerden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Damit ersparen wir uns und der Öffentlichkeit weitere sinnlose Auseinandersetzungen zu diesem Thema, unter anderem über die Frage: Barauszahlung oder Gutscheinlösung? Die ehemalige Bundesfamilienministerin von der Leyen hat schon 2007 sehr treffend gesagt, das geplante Betreuungsgeld sei eine bildungspolitische Katastrophe. Dem ist eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Klar ist: Mit dem Betreuungsgeld würden Anreize gesetzt, Kinder nicht in Einrichtungen frühkindlicher Bildung zu geben. Das würde vor allem Kindern schaden, die eine frühe Förderung besonders nötig hätten, beispielsweise weil sie dergleichen in ihren eigenen Familien nicht mitbekommen. Das wollen wir Grüne auf gar keinen Fall. Das Betreuungsgeld wäre nicht nur eine bildungspolitische, sondern auch eine gleichstellungspolitische Katastrophe; denn es sendet das fatale Signal: Mütter, bleibt zu Hause, geht nicht in euren Beruf zurück! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Mütter verlieren dann im Job den Anschluss, was Folgen für ihre Löhne, für ihre berufliche Entwicklung, für ihre finanzielle Unabhängigkeit und auch für ihre Rentenansprüche hat. Der vernünftige Weg, der zum einen mit dem Elterngeld und zum anderen mit dem Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder ab einem Jahr - diese beiden Sachen haben aus meiner Sicht zusammen Sinn - eingeschlagen wurde, wird mit dem Betreuungsgeld ad absurdum geführt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Die Nichtinanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung in geldwerter Form ausgleichen zu wollen, ist eine historisch einmalige Fehlleistung. Ebenso könnte man die Nichtinanspruchnahme von Autobahnen durch Radfahrer finanziell honorieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Das ist völliger Blödsinn!) Vor diesem Hintergrund frage ich ganz ernsthaft, wie man das Betreuungsgeld so ausgestalten möchte, dass es verfassungsgemäß ist. Darauf bin ich gespannt. Man hört immer wieder den Einwand "Wahlfreiheit". Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, insbesondere von der CSU, Wahlfreiheit besteht. Niemand wird gezwungen, sein Kind in einer Kita anzumelden. Kinder komplett zu Hause zu erziehen, wird schon heute durch viele familienpolitische Leistungen unterstützt, durch zu viele, würde ich fast sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Das ist unglaublich!) Nein, Wahlfreiheit bedeutet Auswahlfreiheit. Diese Auswahlfreiheit wird nur dadurch hergestellt, dass ausreichend qualitativ gute und möglichst gebührenfreie Ganztagsplätze in den Kindertagesstätten zur Verfügung stehen. Dem steht das Betreuungsgeld faktisch im Wege. Das Betreuungsgeld würde jährlich rund 2 Milliarden Euro kosten. Das ist Geld, das wir angesichts von Sparpaketen und Rettungsschirmen, von denen wir jetzt diverse haben, an anderen Stellen viel dringender brauchen, vor allem - ich erwähne das noch einmal - für den qualitativen und quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Viele Kolleginnen und Kollegen - nicht nur, aber auch von der FDP - haben Kluges zum Betreuungsgeld gesagt. Ich möchte Frau Gruß zitieren, die in einer Rede im November 2009 sagte: "Meine Kritik am Betreuungsgeld gilt weiterhin." (Miriam Gruß [FDP]: Sehr richtig!) Ich hoffe, das ist auch heute noch der Fall. In der Bild-Zeitung stand ein Satz von Minister Brüderle zum Betreuungsgeld: "Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich davon nicht viel halte." (Christel Humme [SPD]: Herrn Lammert kann man auch noch zitieren! Der war auch noch dagegen!) Ich möchte hier die Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen, die um die schädlichen Folgen eines Betreuungsgeldes wissen, auffordern: Machen auch Sie kein Geheimnis daraus, dass Sie nichts davon halten. Setzen Sie sich mit uns dafür ein, dass die gesetzliche Grundlage für dieses Betreuungsgeld so schnell wie möglich aus dem KJHG verschwindet. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das Wort hat der Kollege Norbert Geis für die CDU/ CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Norbert Geis (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ob das Betreuungsgeld eine Mehrheit bekommt, das warten wir erst einmal ab. Ganz sicher ist, dass Ihr Gesetzentwurf hier keine Mehrheit bekommen wird; davon können Sie ausgehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Ulrich Kelber [SPD]: Das war aber ein tolles Argument!) Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Parolen, die in Ihrem Gesetzentwurf stehen, tatsächlich ernst gemeint sind. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind sie!) Wenn Sie das tatsächlich ernst meinten, dann müssten Sie die Kitabetreuung vom Tag der Geburt an fordern. Dann müssten Sie eigentlich auch gegen das Elterngeld sein. Dann hätten Sie gegen das Mutterschaftsgeld sein müssen. Vor allen Dingen hätten Sie gegen das Erziehungsgeld, das wir seit 1986 hatten, sein müssen. Dann müssten Sie die skandinavischen Länder, Frankreich und Italien vorwurfsvoll fragen: Warum habt ihr das Betreuungsgeld? Sie sagen: "Wir wollen es nicht", und zwar aus den - in Anführungszeichen - "wohl erwogenen Gründen", die in Ihrem Antrag stehen. (Caren Marks [SPD]: Die Sie aber wohl nicht begriffen haben!) Warum sollten wir im Vergleich zu den Skandinaviern gescheiter sein? (Dagmar Ziegler [SPD]: Sagen Sie das auch zum Mindestlohn?) In Dänemark, in Schweden, in Norwegen und in Finnland gibt es ein Betreuungsgeld. Warum glauben Sie, dass die Menschen und die Parlamente dort völlig danebenliegen? (Diana Golze [DIE LINKE]: Das sagen Sie beim Mindestlohn doch auch! Den haben die nämlich auch!) - Vielleicht könnten Sie mir einmal zuhören; (Caren Marks [SPD]: Nein! Das schmerzt!) das wäre ab und zu ganz gut. Aber das Zuhören scheinen Sie nicht gelernt zu haben. (Diana Golze [DIE LINKE]: Bei Ihren Argumenten fällt das schwer!) Vielleicht waren Sie nicht in der Kita; das kann ja sein. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vielleicht hätten Sie früher in die Kita gehen müssen; dann könnten Sie jetzt eventuell ein bisschen besser zuhören. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Widerspruch bei der LINKEN) Vielleicht fehlt es Ihnen aber auch an der Kinderstube. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Frau Präsidentin, jetzt wird es aber persönlich!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Elterngeld bevorzugt nur die Eltern, die zur Arbeit gehen; es ist gut, dass wir es eingeführt haben. Aber es ist nicht gerecht gegenüber den Eltern, die nicht zur Arbeit gehen, die sich sagen: Ich möchte mein Kind lieber daheim behalten, es lieber daheim erziehen und ihm die Wärme der Eltern, von Vater und Mutter, möglichst lange zuteil werden lassen. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb gibt es ja das Mindestelterngeld!) Was ist daran falsch? Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege Geis, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Golze? Norbert Geis (CDU/CSU): Wo ist sie? (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das ist die, die nicht im Kindergarten war! - Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die mit der schlechten Kinderstube!) - Ja, bitte sehr. Diana Golze (DIE LINKE): Vielen Dank, dass Sie mir die Zwischenfrage erlauben. Norbert Geis (CDU/CSU): Sehen Sie, ich war aber nicht in der Kita. (Vereinzelt Heiterkeit) Diana Golze (DIE LINKE): Mein etwas erzürnter Zwischenruf bezog sich darauf, dass Sie für das Betreuungsgeld das Argument angeführt haben, dass es in vielen anderen europäischen Staaten auch ein Betreuungsgeld gibt. Dann stellten Sie die Frage: Warum sollten wir klüger sein und es nicht einführen? Ich frage Sie: Warum gilt dieses von Ihnen vorgetragene Argument nicht auch für den Mindestlohn, den es auch in vielen anderen europäischen Staaten gibt? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Warum wollen wir gerade bei diesem Thema klüger sein, indem wir ihn nicht einführen? Das gilt auch, wenn es darum geht, Familien und Alleinerziehende bei der Kindererziehung zu unterstützen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Wir können gleich auch noch über den Milchpreis reden, wenn Sie wollen!) Norbert Geis (CDU/CSU): Wenn Ihnen nichts Besseres einfällt, kommen Sie immer auf den Mindestlohn zu sprechen. Dieses Thema hat hier und heute in dieser Debatte nun wirklich nichts zu suchen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine Antwort!) Das sind weit hergeholte Argumente. Jetzt dürfen Sie sich wieder setzen, Frau Kollegin. Auf diese Frage gehe ich nämlich gar nicht ein. (Heiterkeit - Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Ihnen fehlt die Kinderstube!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Elterngeld ist eine einseitige Maßnahme, die notwendig und richtig ist. Wir müssen aber auch an die Eltern denken, die das Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro bekommen wollen - das ist nicht viel -, damit sie wenigstens einen kleinen Ausgleich dafür haben, dass sie ihre Kinder daheim erziehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da klatschen ja noch nicht einmal alle Ihre Kollegen! - Dagmar Ziegler [SPD]: Das kann doch jeder machen, wie er will!) Was soll daran falsch sein? Ich wiederhole diese Frage: Was soll falsch daran sein, dass Kinder bis zum dritten Lebensjahr, bis sie in den Kindergarten gehen, daheim erzogen werden, (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können die Frauen doch jetzt schon!) wenn die Eltern das wollen? (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist klar! Es gibt ja keinen Zwang!) Wenn Vater und Mutter zu dem Ergebnis kommen: "Es ist besser für unser Kind, wenn wir es daheim behalten", und wenn Mutter oder Vater bereit sind, dafür auf die Ausübung des eigenen Berufs zu verzichten, warum sollten wir das nicht anerkennen? Woher nehmen wir die Arroganz, dies nicht anzuerkennen? Warum sollten diese Eltern, wie es in Ihrem Antrag steht, nicht in der Lage sein, ihre Kinder ordnungsgemäß zu erziehen? Warum soll das der Fall sein? Generationen von Menschen sind so erzogen worden. Warum soll das auf einmal nicht mehr gelten? Ich habe nichts gegen Kitas. Dort, wo Kitas sinnvoll sind und von Eltern genutzt werden, sollen sie auch in Anspruch genommen werden. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege, ich muss Sie noch einmal unterbrechen. Die Kollegin Deligöz möchte Ihnen eine Frage stellen. Norbert Geis (CDU/CSU): Nur unter der Voraussetzung, dass sie nicht mit dem Mindestlohn kommt. (Heiterkeit - Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nein!) - Gut. Dann bitte. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Geis, ich frage Sie nicht zum Mindestlohn, sondern zum Elterngeld. Das Elterngeld hat bekanntlich zwei Komponenten. Die eine Komponente ist die Lohnersatzleistung. Ich gebe zu: Die CSU war eigentlich dagegen, hat die Entscheidung aber mitgetragen. Der zweite Bereich ist ein durchaus sozialer Aspekt. Die Leute, die keine Lohnersatzleistung bekommen, erhalten einen Grundbetrag, den Sockelbetrag in Höhe von 300 Euro. Genau diesen Sockelbetrag möchte Ihre Regierung jetzt aber abschaffen, insbesondere für ALG-II-Empfänger, für Empfänger von Transferleistungen. (Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Nein! Es geht um eine Anrechnung! Lesen bildet, Frau Kollegin!) Wären Sie konsequent, müssten Sie diesen Schritt eigentlich ablehnen, wenn ich Sie richtig verstehe, weil Sie genau dieses Instrument bei diesem Thema fordern. Sie wollen, dass es nicht nur eine Lohnersatzleistung gibt, sondern daneben auch einen Sockelbetrag. Ist das richtig? (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN - Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Das soll doch nur angerechnet werden!) Norbert Geis (CDU/CSU): Die 300 Euro sind die Fortsetzung des Erziehungsgeldes, das seit 1986 zunächst für zwei Jahre gezahlt wurde und jetzt, nach Einführung des Elterngeldes, nur noch für ein Jahr gezahlt wird. Das Elterngeld auf der einen Seite wird als Ausgleich an Männer oder Frauen gezahlt, die erwerbstätig waren und dann daheim geblieben sind, um ihr Kind im ersten Jahr zu versorgen, und jetzt eine Lohnersatzleistung in Form des Elterngeldes bekommen. Das Erziehungsgeld auf der anderen Seite ist auch eine Anerkennung der Leistung der Mutter oder des Vaters, die vorher nicht erwerbstätig waren und deswegen keinen Anspruch auf Elterngeld haben. Diese Mütter oder Väter können jetzt auf dieses Erziehungsgeld zurückgreifen. Dieses Erziehungsgeld bleibt selbstverständlich erhalten. Eine ganz andere Debatte gibt es darüber, ob es auch bei Hartz-IV-Empfängern erhalten bleiben soll. Darauf bezieht sich nämlich Ihre Frage. Die 300 Euro werden nicht abgeschafft. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur die Reichen sollen es kriegen!) - Ach ja, das ist Polemik: immer nur die Reichen. Darauf kann ich gar nicht eingehen. Diese Debatte können wir führen, Frau Deligöz, wenn es um Hartz IV und um die Sparmaßnahmen geht. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die Debatte hier angefangen!) An dem Grundsatz, dass die 300 Euro Erziehungsgeld gezahlt werden, wird sich nichts ändern. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege Geis, auch die Kollegin Marks möchte Ihre Redezeit noch durch eine Zwischenfrage verlängern. Norbert Geis (CDU/CSU): Die letzte Frage, bitte! Danach lasse ich keine Fragen mehr zu. Caren Marks (SPD): Herr Kollege, Ihrer Argumentation folgend ist das Betreuungsgeld eine Ersatzleistung für Eltern, die ihre Kinder eben nicht in eine Krippe geben, die ja mit öffentlichen Mitteln - so Ihre Argumentation - subventioniert ist oder sich auch aus öffentlichen Mitteln speist. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das habe ich doch gar nicht gesagt!) Geben Sie mir recht, dass dieser Argumentation zufolge das Prinzip auch für Bibliotheken, öffentliche Theater und kommunale Schwimmbäder gelten müsste? (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das kann man nicht vergleichen!) Setzen Sie sich dann auch dafür ein, dass alle Menschen, die diese Einrichtungen nicht nutzen, die also keine Bibliothek aufsuchen, nicht ins Theater gehen - es geht um öffentlich geförderte Einrichtungen, egal, ob vom Bund, vom Land oder von der Kommune; das ist ja sehr unterschiedlich -, sich demnächst irgendwo, von welcher Stelle auch immer, Barleistungen abholen können? (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Also, wenn man Kinder mit Theatern gleichsetzt, hat man überhaupt nichts verstanden!) Ihrer Argumentation zufolge wäre das logisch. Norbert Geis (CDU/CSU): Danke schön. Ich habe Ihre Frage verstanden. - Ich habe ja gar nicht gesagt, dass es eine Ersatzleistung ist. Für mich ist das Betreuungsgeld eine Anerkennung, die der Staat leistet für die Erziehungsleistung von Vater oder Mutter, je nachdem, wer die Erziehung des Kindes daheim übernimmt. Wenn das Kind in die Kita geht, zahlt der Staat das Gehalt der Betreuerin, die keine andere Leistung erbringt als eben auch eine Erziehungsleistung. Warum soll die Erziehungsleistung der Mutter gar nicht oder schlechter bewertet werden als die Erziehungsleistung der Betreuerin? Es geht um die Anerkennung, und es ist natürlich auch eine Frage der Gerechtigkeit. Auf der einen Seite erhält der Lehrer, der die Kinder erzieht, natürlich zu Recht ein hohes Gehalt und damit eine Anerkennung seiner Leistung. Auf der anderen Seite soll ich die Leistung der Mutter, die ihr Kind daheim erzieht, die ihren Beruf eine Zeit lang an den Nagel hängt und ihre volle Kraft für das Kind aufbringt, nicht anerkennen? Das halte ich für einen Akt der Ungerechtigkeit. Das kann man so nicht stehen lassen. Vorhin wurde gesagt, es gäbe verfassungsrechtliche Probleme. Die gibt es, wenn das Betreuungsgeld nicht eingeführt wird. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) - Ich weiß nicht, wo Sie Verfassungsrecht studiert haben. Es tut mir furchtbar leid. Immer wird gleich die Verfassung herangezogen. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Bonn habe ich das studiert!) - Ja, gut. Vielleicht haben Sie es nicht richtig gemacht. - Man sollte nicht immer gleich die Verfassung anführen und immer gleich sagen, das sei verfassungsrechtlich bedenklich. Das ist kein brauchbares Argument. Lassen Sie mich meine Gedanken weiter ausführen. Ich habe bereits gesagt, was das Betreuungsgeld bedeutet. Es bedeutet zum einen eine Anerkennung der Leistung, die die Mutter oder der Vater erbringt. Diese Anerkennung darf die Gesellschaft auch nicht versagen; denn sie erbringen eine große Leistung. Es ist doch gar nicht gesagt, dass das Kind, das daheim erzogen wird, das die Wärme und die Kinderstube der Heimat erfährt, das daheim bleibt und das von der Mutter und dem Vater das Reden beigebracht bekommt, schlechter als in der Kita erzogen wird. (Caren Marks [SPD]: Das sagt doch keiner! Peinlich!) Wir reden ja von der Muttersprache. Warum reden wir eigentlich von der Muttersprache? - Das tun wir doch, weil die Mutter und der Vater die Ersten sind, die unmittelbaren Kontakt mit dem Kind haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Wie können Sie sich in Ihrem Antrag so versteigen - ich könnte es Ihnen ja wörtlich vorlesen -, zu schreiben, dass nur in der Kita eine ordentliche Erziehung möglich ist? Das kann doch nicht ernst gemeint sein. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So ist es!) Ziehen Sie also Ihren Antrag zurück, bevor es zu spät ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind aus der Zeit gefallen, Herr Geis!) Zum Zweiten ist das Betreuungsgeld ein Ausgleich. Auf der einen Seite wird viel Geld für die Kitas ausgegeben, und auf der anderen Seite soll, obwohl die gleiche Leistung erbracht wird, kein Geld bezahlt werden - nicht einmal Betreuungsgeld, was ja ein minimaler Betrag ist? Das ist sicherlich nicht gerecht. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie das nicht schon längst gemacht, wenn es ungerecht ist?) Deswegen muss die Gesellschaft hier für Gerechtigkeit sorgen, weswegen wir die Forderung gestellt haben, ein Betreuungsgeld zu zahlen. Drittens. Natürlich wird auch dieser geringe Betrag von 150 Euro gebraucht werden. Es ist nicht so, dass die Mutter auf die 150 Euro gern verzichtet. (Caren Marks [SPD]: Wieso eigentlich immer nur die Mutter?) Nein, diese 150 Euro werden gebraucht. Die Mutter muss dann abends nicht an die Kasse gehen und keinen Dienst nebenher tun, sondern sie kann diese 150 Euro für sich in Anspruch nehmen. Gleiches gilt für den Vater, der die Kinder daheim erzieht. Ich meine, Sie sollten das Für und Wider wirklich einmal abwägen. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben sehr gut abgewogen!) Betrachten Sie einmal die Beispiele aus Skandinavien - die Frage von Ihnen war ja keine Antwort darauf -, Frankreich, Spanien und Italien: Warum soll es bei uns nicht möglich sein, eine solche Leistung des Staates für eine Leistung einzuführen, die gesamtgesellschaftliche Bedeutung hat? Wir dürfen die Erziehungsleistung der Eltern nicht bagatellisieren. Sie reden gegen 70 Prozent der Eltern. Sie dürfen diese Leistung der Eltern nicht einfach mit der Erklärung abtun: Nur in der Kita kann richtige Erziehung erfolgen. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Tag hat mehr als acht Stunden!) Deswegen meine ich: Ihr Antrag ist einfach nicht ausgewogen, er ist rechtlich nicht fundiert, und deshalb ist er auch abzulehnen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU - Caren Marks [SPD]: Peinlich! - Katja Dörner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: In Rente gehen! Sie sind aus der Zeit gefallen!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, will ich Ihnen gerne das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung bezüglich des UNIFIL-Einsatzes bekanntgeben: (Markus Grübel [CDU/CSU]: Gut, dann können sich die Kolleginnen wieder beruhigen!) abgegebene Stimmen 571. Mit Ja haben gestimmt 486, mit Nein 76, und es gab 9 Enthaltungen. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 571; davon ja: 486 nein: 76 enthalten: 9 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Gitta Connemann Leo Dautzenberg Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Florian Hahn Holger Haibach Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Julia Klöckner Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Nadine Müller (St. Wendel) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Eckhard Pols Lucia Puttrich Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Dr. Hans-Peter Bartels Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Ulla Burchardt Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Peter Friedrich Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoðuz Heinz Paula Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Alexander Bonde Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Anna Klein-Schmeink Tom Koenigs Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Stephan Kühn Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein SPD Willi Brase Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Rüdiger Veit FDP Helga Daub Joachim Günther (Plauen) DIE LINKE Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Daðdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Konstantin Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Dorothée Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Neškovic Thomas Nord Petra Pau Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Sabine Stüber Alexander Süßmair Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Monika Lazar Dr. Harald Terpe Enthalten SPD Klaus Barthel Dr. Hermann Scheer Ewald Schurer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Winfried Hermann Sylvia Kotting-Uhl Beate Müller-Gemmeke Lisa Paus Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Nun hat die Kollegin Marlene Rupprecht für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Parlament muss die Realität wahrnehmen, was die Bürger von uns auch erwarten. Realität ist: Wir haben jungen Familien, die aus Müttern, Vätern und Kindern bestehen. Wenn das Parlament für diese etwas tut, dann hat es die Verpflichtung, ganz klar zu sagen: Wir stellen einen Rahmen zur Verfügung und haben euch nicht vorzuschreiben, wie ihr zu leben habt. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So ist es!) Uns liegt ein Gesetzentwurf zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - vor. § 16 Abs. 4 soll gestrichen werden. Das klingt für andere sehr technokratisch. Als wir die Kinderbetreuung der unter Dreijährigen gesetzlich festgeschrieben haben, ist darin die Option verankert worden, dass ab 2013 eventuell ein Betreuungsgeld gezahlt wird. Das ist damals gegen den Willen vieler Frauen geschehen. Hierbei schließe ich viele hier im Parlament quer durch alle Fraktionen mit ein, weil sie alle selber entsprechende Erfahrungen haben: ob Frau Bär - sie hat ein Kind und ist hier -, Frau Golze oder Frau Gruß. (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Aber die persönliche Biografie sollte ja nicht ausschlaggebend für unsere Gesetzgebung sein!) - Moment. - Diese ganz persönliche Gestaltung des Lebens schreiben wir niemandem vor. Wir müssen aber den Rahmen dafür schaffen, dass alle ihr Leben so gestalten können, wie sie es möchten. Es gibt Studien zum Betreuungsgeld. Eine Studie ist vom Finanzministerium in Auftrag gegeben worden, eine andere von der Bertelsmann-Stiftung. Beide Studien kommen zu dem Ergebnis, dass das geplante Betreuungsgeld Mitnahmeeffekte verursacht, die den Eltern zugute kommen, die nicht berufstätig sind und ohnehin keinen Betreuungsbedarf haben, aber das Geld gerne entgegennehmen würden. (Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Das ist schlecht, oder wie?) Derzeit wird etwas diskutiert, das ich den Müttern und Vätern gegenüber für fatal halte, die ihr Leben nicht an einer Ideologie ausrichten, sondern aus der Lebenswirklichkeit heraus gestalten. Eltern tragen 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche Verantwortung. Dies ist nicht mit einem drei- oder vierstündigen Kinderbetreuungsangebot abgedeckt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Paul Lehrieder [CDU/ CSU]) Die Verantwortung wird nicht abgegeben. Das heißt, wir können die Betreuungsformen und damit die Eltern nicht gegeneinander ausspielen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Diana Golze [DIE LINKE]) Die Frage muss lauten: Was brauchen Kinder? Nur das ist ausschlaggebend für unser Handeln. Kinder brauchen Eltern. Darin gebe ich Ihnen recht. Sie brauchen Personen, die sie für das Leben emotional stark machen. Das ist entscheidend. Kinder brauchen aber, wie wir wissen, noch andere Kinder zum Aufwachsen. (Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Geschwister zum Beispiel!) - In den wenigsten Familien gibt es Geschwisterkinder. Das wissen Sie. Frauen in Deutschland bekommen im Durchschnitt 1,3 Kinder. Ein Kind kann schlecht mit den übrigen 0,3 spielen. Deshalb brauchen sie andere Kinder zum sozialen Lernen, was Kinder unter Erwachsenen kaum so lernen können wie im Umgang mit anderen Kindern. Kinder brauchen andere Kinder nicht nur zum sozialen Lernen, sondern auch, um Anregungen zu bekommen, die Welt zu entdecken. Wir wissen, dass die Kinderbetreuung unseren Kindern nutzt. 100 Prozent der Kinder, die Eltern mit Hauptschulabschluss haben und in einer Betreuungseinrichtung waren, besuchen später weiterführende Schulen. Ich glaube, es ist durch nichts gerechtfertigt und durch nichts zu begründen, Kindern diese Chance zu nehmen. Wir wollen, dass Eltern Wahlfreiheit haben. Deshalb müssen wir für die notwendige Infrastruktur sorgen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie ihre Erziehungsarbeit leisten können. Alles, was darüber hinausgeht, ist Ideologie, und die lehne ich in diesem Fall rigoros ab, weil auch wir im Parlament niemandem seine Lebensplanung und -gestaltung vorzuschreiben haben. In diesem Sinne stimmen wir vehement der Forderung zu, dass das Betreuungsgeld ausgesetzt wird. Die dafür notwendigen 1,4 Milliarden bis 1,9 Milliarden Euro können sinnvoller angelegt werden. Danke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächste Rednerin ist die Kollegin Miriam Gruß für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Miriam Gruß (FDP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann die Katze gleich aus dem Sack lassen: Liebe Katja Dörner, meine Kritik am Betreuungsgeld besteht weiterhin. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben den Koalitionsvertrag vereinbart. Ein Koalitionsvertrag ist ein Kompromiss zwischen den Positionen. Deswegen ist in diesen Koalitionsvertrag auch das Betreuungsgeld aufgenommen worden. Es ist kein Geheimnis, dass die FDP-Fraktion über das Betreuungsgeld nicht glücklich ist. Allerdings steht es auch erst 2013 an. Ich finde es viel wichtiger, darüber zu reden, was wir jetzt für Familien tun und getan haben. Wir befinden uns haushalterisch in absolut kritischen Zeiten. Eine haushalterische Krise belastet auch uns. Deswegen müssen wir sparen. Wir sind die erste Bundesregierung, die massiv spart und an dem Ziel der Schuldenbremse festhält, das wir im Grundgesetz festgeschrieben haben. Auf Schuldenbergen, lieber Otto, können keine Kinder spielen und erst recht nicht lernen. Man kann diesen Satz nicht oft genug sagen. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Marco Wanderwitz [CDU/CSU]) Deshalb haben wir uns auf den Weg gemacht, tatsächlich zu sparen. Das ist nicht leicht, und wir nehmen Einschnitte vor. Wir haben aber auch Bereiche ausgelassen, in denen wir weiter investieren müssen. Beispielsweise halten wir an dem Ziel fest, den Ausbau der Betreuungsplätze bis 2013 zu gewährleisten, damit jede Mutter und jeder Vater einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz erhalten. (Beifall bei der FDP) Wir halten weiterhin an dem Ziel fest, Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dörner? Miriam Gruß (FDP): Ja. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Bitte. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Gruß, Sie weisen völlig zu Recht auf die schwierige Haushaltslage hin. Sollte man gerade angesichts dieser Haushaltslage nicht jetzt schon Nägel mit Köpfen machen, auch für 2013 ganz klar sagen, dass wir die 2 Milliarden Euro nicht haben, die man für das Betreuungsgeld künftig ausgeben muss, und es deshalb jetzt schon aus dem Gesetz streichen? Ich habe einen sehr interessanten Leserbrief Ihres Generalsekretärs Christian Lindner im aktuellen Spiegel gefunden, in dem er schreibt: Einsparungen für den Staat ergeben sich schließlich nicht nur aus der Kürzung bestehender Ausgabenpositionen, sondern vor allem durch den Verzicht auf künftige Projekte. Wäre nicht das Betreuungsgeld eines dieser künftigen Projekte, das direkt gestrichen werden sollte? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das hat er nicht gemeint! - Dirk Niebel [FDP]: Man kann doch nur sparen, was im Haushalt steht!) Miriam Gruß (FDP): Wir schreiben das Jahr 2010. Das Betreuungsgeld steht nicht in diesem Haushalt. Deshalb brauchen wir in diesem Jahr 2010 auch nicht darüber zu sprechen. (Beifall bei der FDP - Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht in dem Artikel um Mieten!) Diese Koalition steht für eine Familienpolitik, die Freiheit ermöglicht, Freiheit für die Familien gewährt, aber natürlich auch Familien stärken will. Auf welche Weise man dies macht, werden wir miteinander noch besprechen. Auf jeden Fall haben wir viel für die Familien getan. Wir haben beispielsweise das Kindergeld und den Grundfreibetrag für Familien erhöht. Dies entlastet Familien und gibt ihnen Chancen. Auf dieser Grundlage arbeiten wir sehr gut zusammen. Damit nicht gleich wieder Gerüchte gestreut werden, was hier los sei, bedanke ich mich an dieser Stelle bei dir, liebe Dorothee Bär, und bei dir, liebe Ingrid Fischbach, für die hervorragende Zusammenarbeit. Unsere Koalition funktioniert. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat es aber jemand nötig!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Diana Golze das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Diana Golze (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte wieder zu dem Gegenstand zurückkommen, um den es eigentlich gehen sollte, nämlich das Wohl von Kindern. Dafür zitiere ich den ersten Satz aus dem Kinder- und Jugendhilfegesetz: Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Per-sönlichkeit. An dieses Gesetz sind wir alle gebunden, und ich fordere seinen Erhalt. Deshalb empfand ich es als einen Fehler, das Betreuungsgeld in § 16 dieses Gesetzes aufzunehmen, auch wenn es nur irgendwann einmal gelten soll. Wir müssen schon heute diesen Wahnsinn verhindern; da gebe ich den Grünen durchaus recht. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Sowohl die Vorgängerregierung als auch die jetzige haben immer wieder betont, dass Bildung ganz oben auf ihrer Agenda stehe. Dann verstehe ich aber erst recht nicht, warum man mit dem Betreuungsgeld einen Anreiz dafür schafft, dass Kinder nicht in den Genuss frühkindlicher Bildung und Erziehung kommen. Dies passt für mich nicht zusammen. Auch das Spiel, immer wieder öffentliche Kindertagesbetreuung auf die eine Seite und die Erziehung und Betreuung durch die Eltern auf die andere Seite zu stellen, ist von Anfang an ein Griff in die Mottenkiste gewesen, Herr Geis. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich lasse mir auch als Mutter von zwei Kindern, die beide in eine öffentliche Kindertagesstätte gehen, von Ihnen nicht sagen, dass ich meine Kinder nicht erzöge und nicht ausreichend betreute. (Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Das hat er auch nicht gesagt, Frau Kollegin!) Was dabei herauskommt, wenn zu wenige Mütter mit Kindern im Bundestag sitzen, das sieht man sehr deutlich. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wem oder wozu soll also dieses Betreuungsgeld dienen? Eltern, die finanziell bessergestellt sind, werden sich von 150 Euro nicht davon abhalten lassen, ihr Kind in eine Krippe zu geben. Welchen Zweck hat es also dann? Ich möchte dies noch von einer anderen Seite beleuchten: In den letzten Wochen haben uns zahlreiche Hilferufe von Städten und Gemeinden erreicht, die in Anbetracht der angekündigten sogenannten Sparpakete und der im Koalitionsvertrag vereinbarten Steuersenkungen gesagt haben, sie seien am Ende der Fahnenstange, sie seien finanziell handlungsunfähig. Als eine der ersten Maßnahmen, die sie deshalb zur Disposition gestellt haben, wurde der Ausbau der Kindertagesbetreuung für die unter Dreijährigen genannt. Dieser ist zeitlich und finanziell nicht zu stemmen. Meine Fraktion wurde 2008 verhöhnt, als wir gesagt haben, der Anteil des Bundes bei der Realisierung des Ziels, einen Betreuungsplatz für 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren anzubieten, sei zu gering. Damals wurde mir hier im Bundestag entgegengehalten, mehr könne die Bundesregierung nicht beisteuern. Die Realität hat aber nicht meine Fraktion und mich Lügen gestraft, sondern diejenigen, die es anders entschieden haben. (Beifall bei der LINKEN) Das Tragische an der Situation ist aber, dass nicht die Bundesregierung die Rechnung für die sträfliche Ignoranz gegenüber der Situation unserer Städte und Gemeinden zahlen muss, sondern die Kinder, die 2013 keinen Kitaplatz haben werden, und deren Eltern, die Beruf und Familie dann immer noch nicht miteinander vereinbaren können. Für die Berufstätigen ist das Betreuungsgeld kein Fortschritt, weil die Kitaplätze nicht für alle ausreichen werden. Oder ist das Betreuungsgeld für diejenigen gedacht, die schon jetzt von Armutslöhnen und Hartz IV leben und jeden Euro zweimal umdrehen müssen? Diese Eltern werden geradezu gezwungen, ihr Kind zu Hause zu behalten und das Betreuungsgeld in Anspruch zu nehmen, weil sie sich damit das neue Fahrrad für den Kleinen vielleicht schon in drei statt erst in fünf Jahren oder auch den Schulausflug für die Tochter leisten können. Das kann es doch wohl nicht sein! Ich bitte Sie, noch einmal darüber nachzudenken, ob Sie es mit dem Betreuungsgeld ernst meinen. Unsere Arbeitsministerin, Frau von der Leyen, wird am 8. Juni 2010 von der FAZ zitiert: Aber bei denen, die ihr Leben noch in die Hand nehmen können, da wollen wir Anreize geben für Arbeit. Was ist das denn für ein Anreiz, zu arbeiten, wenn man den Leuten Geld dafür gibt, mit ihrem Kind zu Hause zu bleiben? Herr Geis hat immer nur von Frauen gesprochen, zum Beispiel davon, dass sie mit dem Betreuungsgeld abends nicht mehr an der Kasse sitzen müssen. (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Er hat auch von Männern gesprochen!) Das Betreuungsgeld ist kein Anreiz, zu arbeiten, und es ist nicht gut für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es ist ein Griff in die Mottenkiste. Deshalb werden wir dem Antrag der Grünen sehr gerne zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Norbert Geis das Wort. Norbert Geis (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Golze, nichts von dem, was Sie behauptet haben, habe ich gesagt. Es ist nie über meine Lippen gekommen, dass Sie Ihre Kinder nicht richtig erziehen; das weise ich ausdrücklich zurück. Sie sagen, ich würde in die Mottenkiste greifen. Ich weiß aber gar nicht, welche Mottenkiste Sie meinen. Meines Erachtens kommt es aus der Mottenkiste der DDR, ein allzu großes Gewicht auf die Erziehung in der Kita zu legen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Zur Erwiderung hat Frau Golze das Wort. (Caren Marks [SPD]: Das ist so arm, das bedarf keines Kommentars!) Diana Golze (DIE LINKE): Eigentlich könnte man das so stehen lassen; es spricht für sich. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte Ihnen aber noch ein anderes Beispiel nennen. Ich hatte gestern in meinem Büro Besuch von einer jungen Frau, die in München geboren und aufgewachsen ist. Für ihre Eltern war ein Kindergartenplatz für sie wie ein Hauptgewinn im Lotto. Sie hat es dazu gebracht, Beamtin zu werden und einer großen Organisation in Deutschland vorzustehen, die jungen Menschen hilft, für ihre Rechte zu streiten. Allein dieses Beispiel zeigt, dass es auch in den alten Bundesländern Menschen gab, die es als richtig empfunden haben, Kinder frühzeitig zu fördern und miteinander aufwachsen zu lassen. Ich könnte Ihnen jetzt noch viele weitere Argumente nennen, will aber nur Folgendes sagen: Kommen Sie aus der Mottenkiste heraus; es würde Ihnen guttun! (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nun hat der Kollege Marco Wanderwitz für CDU/ CSU das Wort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Bijan Djir-Sarai [FDP]) Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das Betreuungsgeld konterkariert zentrale bildungs- und sozialpolitische Zielstellungen. Qualitativ hochwertige frühkindliche Betreuung und Bildung sind der Schlüssel zu lebenslangem Bildungserfolg ... Dieses Zitat stammt aus dem Antrag der Grünen. Der zweite Satz ist zweifellos richtig; den wird jeder in diesem Hause unterschreiben. Beim ersten Satz war ich mir anfänglich nicht sicher, ob ich Sie falsch verstanden habe. Jetzt weiß ich aber, dass ich Sie richtig verstanden habe. Mit dem ersten Satz machen Sie nichts anderes, als den Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen, die Kompetenz abzusprechen, dies mindestens genauso gut zu können, wie dies bei Einrichtungen der Fall ist. Nichts anderes meinten Sie. (Caren Marks [SPD]: Eltern, die ihre Kinder in der Kindertagesstätte betreuen lassen, erziehen ihre Kinder auch!) Ich sage Ihnen ganz offen, dass ich das für eine unglaubliche Unterstellung halte. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!) Ehrlich gesagt, ich glaube, Sie träumen immer noch von der Lufthoheit über den Kinderbetten, von der Herr Scholz einmal gesprochen hat. Um nichts anderes scheint es Ihnen hierbei zu gehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Merken Sie eigentlich, dass da drüben auch Frauen und Männer sitzen, die ihre Kinder betreuen ließen?) - Schreien Sie nur. Zuhören wäre auch nicht schlecht. Fünf Minuten lang müssen Sie das ertragen. Ich glaube, das ist nicht zu viel verlangt. Wenn Sie einen Antrag einbringen, dann müssen Sie damit leben, dass Sie sich auch die Argumente der anderen anhören müssen. Deshalb möchte ich mich nicht nur mit Ihrem Antrag befassen, sondern auch für unser Betreuungsgeld werben. Unsere zentralen Ziele sind im Grunde die gleichen wie Ihre Ziele. Auch wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für diejenigen Eltern, die das möchten. Wir wollen keine Zwangsbeglückung für alle. Auch wir wollen eine bestmögliche frühkindliche Bildung. Wir sind aber offensichtlich im Gegensatz zu Ihnen der Meinung, dass auch Eltern das leisten können. Wir wollen echte Wahlfreiheit für Familien. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben die Eltern jetzt schon!) Außerdem sind wir der Meinung, dass Eltern einen Ausgleich erhalten müssen, wenn sie sich gegen eine subventionierte Fremdbetreuung entscheiden. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau von der Leyen würde sich für Sie schämen!) Die 150 Euro - das sage ich ganz offen - sind für uns ein erster Schritt, nicht mehr und nicht weniger. Der Rechtsanspruch auf Betreuung wird dann zum Thema, wenn genügend Plätze vorhanden sind. Unser Ziel ist, ihn zu dem gesetzten Zeitpunkt umzusetzen. Den Rechtsanspruch auf Betreuung und das Betreuungsgeld sehen wir als zwei untrennbare Seiten einer Medaille an. Das eine zu tun und das andere zu lassen, wäre nichts anderes als eine Diskriminierung derjenigen, die sich mit Herz und Seele der vollhäuslichen Erziehung und Betreuung ihrer Kinder widmen. (Caren Marks [SPD]: Bitte? - Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Die eigenen CDU-Frauen sehen das doch auch anders!) - Frau Schieder, schreien Sie nur. Wir reden hier über nichts anderes als über das zweite und dritte Lebensjahr, also über die Zeit nach dem Elterngeld, wenn man sich für dieses entscheidet. Danach reden wir über den Kindergarten, dann vielleicht über die Vorschule, dann über die Schule, dann über die Ausbildung und dann möglicherweise noch über ein Studium. Ich bin fast geneigt zu sagen: Lassen Sie doch bei den ersten drei Jahren die Kirche im Dorf. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich fürchte, dass ich Sie damit zum nächsten Widerspruch provoziere, weil ich alles andere als der Meinung bin, dass Ihre Positionen ideologiefrei sind, Frau Kollegin Rupprecht. Im Gegenteil, Ihre Ideologie zieht sich von vorne bis hinten durch. Sie vertreten eine Gesellschaftspolitik, die Sie auch in jedem anderen Politikfeld vertreten. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da klatscht nicht einmal jemand! - Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nun zu den Gutscheinen, die auch in Ihrem Antrag eine Rolle spielen. Ich sage ganz offen, dass wir sehr für Gutscheine sind, allerdings neben dem Betreuungsgeld. Lassen Sie uns darüber reden, welche Gutscheinmodelle umsetzbar sind. In manchen Ländern und Kommunen werden diese bereits umgesetzt. Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. In der gesetzlichen Rentenversicherung honorieren wir Erziehungszeiten von Eltern. Diese Regelung haben wir mehrmals verbessert. Ich glaube, die Honorierung von Erziehungsleistungen innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung ist bei weitem noch nicht ausreichend. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich glaube, dass die zweite Säule unseres Generationenvertrags in den Gesetzlichkeiten unterbelichtet ist. Beitragszahler mit Kindern werden dreifach belastet. Erstens zahlen sie Beiträge für die Rente ihrer Eltern und Großeltern. Das trifft alle. Zweitens tragen sie nicht unerhebliche Kosten für das Großziehen der künftigen Beitragszahler. Das sind Kosten, die nicht bei allen anfallen. Diese werden bei weitem nicht ausgeglichen. Drittens verzichten sie durch Schwangerschaft, Geburt, Erziehungszeiten und Teilzeitarbeit auf Einkommen und Karrieresprünge und nehmen daraus resultierende niedrigere künftige Rentenzahlungen in Kauf. Das alles nehmen sie in Kauf. Ihre Kinder finanzieren dann später alle künftigen Rentenbezieher. Diese Konstruktion halte ich schlicht für nicht gerecht. Die Gesellschaft honoriert die Leistungen der Menschen, die in diesem Land Kinder bekommen, nicht ausreichend. Man könnte das auch stärker über die Steuern machen; man muss es jedenfalls machen. (Beifall der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU]) Die Bilanz von uns als Union in der Familienpolitik der letzten Jahre kann sich sehen lassen: Kindergelderhöhungen, Elterngeld. Wir werden diesen Weg weitergehen, ob mit Ihnen oder ohne Sie. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden wir mal sehen!) Die Mehrheit sitzt auf dieser Seite des Hauses. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Christel Humme für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Christel Humme (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Das - nämlich das Betreuungsgeld - ist eine der törichsten Maßnahmen, die man überhaupt vorschlagen kann. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie hält die Kinder von den Betreuungseinrichtungen fern, finanziert Betreuung durch ältere Geschwister oder unterstützt Familien, die diese Maßnahme nicht benötigen. Das ist nicht meine Meinung - ich könnte das allerdings unterstreichen -, sondern die Meinung eines Professors, die dieser in einem Spiegel-Gespräch - nachzulesen in der Spiegel-Ausgabe vom Montag dieser Woche - geäußert hat. Ich gebe diesem Professor völlig recht: Das Betreuungsgeld bleibt eindeutig eine Antibildungsprämie, und das Betreuungsgeld ist unsozial; denn es schränkt die Zukunftschancen unserer Kinder ein. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Betreuungsgeld geistert nun schon seit drei Jahren durch die politische Debatte, eine Debatte, in der sehr polarisiert wird; das erleben wir ja auch heute. Es ist eine Debatte zwischen denen, die die Politik der 50er-Jahre, Herr Geis, fortsetzen wollen, und denen, die eine zeitgemäße Familienpolitik vertreten, eine Politik für mehr Betreuungsplätze und eine bessere Vereinbarkeit - das ist entscheidend - von Familie und Beruf für Männer und Frauen. Das Betreuungsgeld ist genau das Gegenteil einer zeitgemäßen Politik. Es ist und bleibt eine Zuhausebleibprämie für die Frauen. Das Betreuungsgeld ist ein gleichstellungspolitischer Rückschritt. Herr Geis und auch Herr Wanderwitz, Sie sprechen von der Wahlfreiheit, haben die Wahlfreiheit auch wunderbar in Ihrem Koalitionsvertrag verankert. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin Humme, gestatten Sie denn eine Zwischenfrage des Kollegen Geis? Christel Humme (SPD): Ja gern, natürlich. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Der hat doch schon geredet!) Norbert Geis (CDU/CSU): Frau Kollegin, wenn Sie sagen, das Betreuungsgeld sei ein Rückschritt - Christel Humme (SPD): Natürlich! Norbert Geis (CDU/CSU): - und sei aus den 50er-Jahren - damals gab es das übrigens noch gar nicht; das Erziehungsgeld gibt es erst seit 1986 -, dann frage ich Sie: Können Sie mir sagen, warum dieses Betreuungsgeld in anderen Staaten, in allen skandinavischen Staaten, aber auch in Frankreich, in Spanien und in Italien, begrüßt wird, bei uns aber so schlecht dargestellt wird, wie Sie das eben getan haben? Christel Humme (SPD): Weil diese Länder einen Vorteil haben: Dort gibt es nämlich schon einen Rechtsanspruch auf Betreuung. Dort können über 90 Prozent der Kinder einen Betreuungsplatz in Anspruch nehmen. Das ist echte Wahlfreiheit, die wir noch gar nicht erreicht haben. Darum ist das an dieser Stelle sicherlich noch etwas anders zu bewerten. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es gibt noch einen Unterschied, auf den ich Sie einmal hinweisen darf. Sowohl Herr Wanderwitz als auch Sie, Herr Geis, haben gesagt, so sei es unsozial, wir hätten keine Wertschätzung für die Erziehungsleistung der Frauen. Wissen Sie denn nicht, dass der Staat Jahr für Jahr zweistellige Millionenbeträge zahlt, nämlich für das Ehegattensplitting - ich erwähne hier die Steuer-klasse V - und für die Mitversicherung in der Krankenversicherung? Er unterstützt damit genau die Familien, in denen die Frauen zu Hause bleiben und die Kinder erziehen. Das ist schon eine ganze Menge mehr! (Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Das ist zu wenig!) Da kann man mit Fug und Recht fordern: Wir müssen so viel Geld und noch mehr in die Kinderbetreuung stecken; (Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Warum mehr?) dann hätten wir echte Wahlfreiheit. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin, der Herr Geis möchte noch eine Frage stellen. Christel Humme (SPD): Wir wollen nicht in einen Dialog eintreten, aber das ist natürlich ganz spannend. Warum also nicht? Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Einmal noch, Herr Geis. Norbert Geis (CDU/CSU): Sie sagten eben, dass es in diesen Ländern sowohl einen Anspruch auf einen Kitaplatz als auch einen Anspruch auf Betreuungsgeld gibt. Ist Ihnen völlig entgangen, dass wir das ab 2013 ebenfalls so wollen, nämlich Kitaplatz und Betreuungsgeld? Angesichts dessen müssten Sie eigentlich Ja dazu sagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Christel Humme (SPD): "Ihr Wort in Gottes Gehörgang", würde ich jetzt mal sagen. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Aber Frau Kollegin, ein bisschen mehr Seriosität! - Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Beantworten Sie mal die Frage!) Frau Schröder, die Ministerin, hat heute an die Länder appelliert, etwas mehr in Sachen Betreuung zu tun, weil sie genau weiß, dass sie eigentlich handeln müsste. Sie ist in der Verantwortung. Sie müsste einen Krippengipfel veranstalten. (Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Das machen wir doch!) Sie müsste sich mit den Ländern verständigen. Sie sollte zum Beispiel lieber auch die 1,9 Milliarden Euro, die das Betreuungsgeld kostet, in die Hand nehmen und in mehr und bessere Betreuungsangebote stecken. Ich glaube, das wäre der richtige Weg für Deutschland; wir sind nämlich in Deutschland und nicht in Norwegen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dorothee Bär [CDU/CSU]: Sie haben überhaupt nicht die Frage beantwortet!) Last not least: Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag etwas festgelegt, was auch ich ganz interessant finde. Sie sagen, das Betreuungsgeld kann "gegebenenfalls als Gutschein" ausgezahlt werden. Jetzt habe ich mich gefragt: Was heißt denn "gegebenenfalls"? Bekommen dann in Zukunft die einkommensschwachen Familien einen Gutschein und die reichen Familien die 150 Euro in bar? Misstrauen Sie vielleicht den Eltern, die weniger Geld haben, und unterstellen ihnen, nicht genug für ihre Kinder zu tun? (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wir misstrauen den Eltern nicht!) Ich bin sehr gespannt auf die Antwort von Ihnen, was Sie unter Gutscheinlösung tatsächlich verstehen. Genau das passt aber in Ihr unsoziales, diskriminierendes Politikbild. Das ist eine Grundhaltung von Ihnen. Frau Deligöz hat vorhin schon gesagt, Sie haben vor, zu sparen, und Sie sparen natürlich bei den Familien. (Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Wo denn?) Sie haben ja den reichen Familien über die Freibeträge bis zu 90 Euro mehr Kindergeld gegeben. Bis zu 90 Euro pro Monat haben reiche Familien aufgrund der Erhöhung des Freibetrags nämlich mehr zur Verfügung; das ist viel mehr als diejenigen bekommen, die ein geringes Einkommen haben. Das darf man nicht vergessen. Was machen Sie jetzt? Jetzt wollen Sie das Mindestelterngeld von 300 Euro, das alle erhalten, das auch diejenigen, die nicht berufstätig sind, für ihre Erziehungsleistung bekommen, gerade den Einkommensschwächsten, den Hartz-IV-Empfängerinnen und Alleinerziehenden, wegnehmen. Das verstehe, wer will. Ich verstehe das nicht. (Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Es wird angerechnet!) - Was heißt "angerechnet"? Sie kürzen es, Sie nehmen es ihnen weg. (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Nein!) Verkleistern Sie doch die Tatsache nicht durch Ihre Wortwahl! Sie nehmen den Frauen und den Männern, die in Hartz-IV-Bezug sind, die 300 Euro Elterngeld, die sie jetzt noch bekommen, weg. Das nenne ich unsoziale Klientelpolitik. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe des Abg. Marco Wanderwitz [CDU/CSU]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat festgestellt - Sie konnten das in dieser Woche alle lesen -, dass die Spaltung der Gesellschaft vorangeht, dass es immer mehr Reiche und ebenfalls immer mehr Arme gibt. Das heißt, die Lücke zwischen Arm und Reich wird immer größer. Wenn Sie die Politik, die Sie jetzt angestoßen haben, so, wie Sie gerade in Ihrer Rede angedroht haben, fortsetzen wollen, dann sind Sie verantwortlich für die weitere Spaltung unserer Gesellschaft. Darum bitte ich Sie herzlich: Verzichten Sie auf die Einführung des Betreuungsgeldes! Es ist unsozial, es ist bildungspolitisch eine Katastrophe und gleichstellungs- und familienpolitisch ein Rückschritt. Nehmen Sie dieses Geld für den Ausbau von Betreuungsplätzen, die wir händeringend brauchen. Damit würden Sie sicherlich etwas tun, um die Wahlfreiheit zu stärken. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dorothee Bär [CDU/CSU]: Chance vertan!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/1579 an den in der Tagesordnung aufgeführten Ausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe, das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b auf: a) - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus-schuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Friedensmission der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS) auf Grundlage der Resolution 1590 (2005) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 24. März 2005 und Folgeresolutionen - Drucksachen 17/1902, 17/2172 - Berichterstattung: Abgeordnete Philipp Mißfelder Heidemarie Wieczorek-Zeul Marina Schuster Jan van Aken Kerstin Müller (Köln) - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/2178 - Berichterstattung: Abgeordnete Herbert Frankenhauser Petra Merkel (Berlin) Dr. h. c. Jürgen Koppelin Michael Leutert Sven-Christian Kindler b) - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus-schuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur (UNAMID) auf Grundlage der Resolution 1769 (2007) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007 und Folgeresolutionen - Drucksachen 17/1901, 17/2173 - Berichterstattung: Abgeordnete Philipp Mißfelder Heidemarie Wieczorek-Zeul Marina Schuster Jan van Aken Kerstin Müller (Köln) - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/2179 - Berichterstattung: Abgeordnete Herbert Frankenhauser Petra Merkel (Berlin) Dr. h. c. Jürgen Koppelin Michael Leutert Sven-Christian Kindler Über beide Beschlussempfehlungen werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Damit sind Sie einverstanden, wie ich sehe. Dann werden wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin Marina Schuster von der FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Marina Schuster (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute die deutsche Beteiligung an den beiden UN-Mandaten im Sudan, UNMIS und UNAMID. Ich schicke eines gleich vorweg: Ich wünsche und hoffe, dass es unverändert eine große Mehrheit hier im Haus für die beiden Mandate geben wird. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Denn immer wieder kommt es in verschiedenen Regionen des Sudans zu Gewaltausbrüchen. Auch das belegt: Die beiden Mandate sind nach wie vor dringend notwendig. Wir wissen: Der Sudan befindet sich in einer sehr kritischen, wahrscheinlich in seiner fragilsten Phase. Im Januar wird in einem Referendum über die Abspaltung des Südsudans entschieden. Viele Experten halten es für wahrscheinlich, dass die Südsudanesen für eine Abspaltung votieren. Wir greifen hier nicht dem Votum der Bürger vor. Aber eines ist auch klar: Für den Fall, dass es zu einer Abspaltung kommt, muss es Regelungen und Vorkehrungen geben, damit es nicht zu einem neuen Bürgerkrieg kommt. (Beifall bei der FDP) Das heißt, es muss geregelt werden, wie die Öleinnahmen aufgeteilt werden und wie es mit dem Staatsangehörigkeitsrecht und dem Schutz von Minderheiten weitergeht. Aber auch zukünftige Sicherheitsabkommen müssen beraten und erarbeitet werden. Das alles soll im Rahmen einer VN-Konferenz geschehen, die wir in unserem interfraktionellen Sudanantrag gefordert haben. Ich bin sehr froh, dass die Bundesregierung diesen Antrag unterstützt und dass sie sich im internationalen Rahmen für diese Konferenz einsetzt. Wir wissen: Der Schlüssel für einen tragfähigen Frieden liegt im politischen Prozess. UNMIS und UNAMID sind wichtige, aber eben keine ausreichenden Beiträge der internationalen Gemeinschaft, um diesen dauerhaften Frieden zu gewährleisten. Das kann nur durch einen Waffenstillstand und durch einen umfassenden Friedensprozess erreicht werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN) Das haben wir in dem interfraktionellen Antrag verankert. Ich begrüße, dass dieser Antrag vom März mit seinen über 30 Forderungen Grundlage für das weitere Engagement der Bundesregierung ist. Das ist ein ganz wichtiges Signal. Ich möchte noch speziell auf Darfur eingehen. Es gibt Gott sei Dank auch erfreuliche Entwicklungen bei den Friedensverhandlungen, die mir persönlich ein bisschen Hoffnung machen. Herr Professor Wolfrum vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg hat in einem langen Prozess ein Heidelberg-Darfur-Outcome-Document mit den Vertretern vor Ort erarbeitet. Er ist jetzt von Herrn Bassolé zu den Friedensverhandlungen in Doha eingeladen worden. Das heißt, dieses Dokument wird offiziell in die Friedensverhandlungen eingeführt. Es verlässt die akademische und erreicht nun die politische Ebene. Ich freue mich, dass Herr Bassolé die Expertise von Herrn Professor Wolfrum angenommen hat und den Inhalt des Dokumentes unterstützt. Wir haben jetzt eine juristische Grundlage, die alle Parteien einbezieht. Dies ist sehr wichtig, weil wir in Darfur bereits ein Friedensabkommen, das DPA, hatten, das aber - das war ein wesentliches Problem - nur von einer Rebellenfraktion unterzeichnet wurde. Es war also von Anfang an ein brüchiger Friedensvertrag. Ich möchte noch kurz auf das Mandat selbst eingehen. Ich habe schon die Kritik von SPD und Grünen im Rahmen der Ausschussberatungen gehört. Sie kritisieren beim UNAMID-Mandat die Reduzierung der personellen Obergrenze. Ihre Kritik teile ich eindeutig nicht. Denn wir müssen sehen, dass sich die Mandatsreduzierung an der Wahrheit vor Ort orientiert. Sie können daraus nicht auf ein schwindendes Interesse der Bundesregierung schließen. Zwei Jahre wurden die Kapazitäten für Lufttransporte bereitgehalten, aber nicht benötigt. Deswegen ist es nur richtig, dass wir die Mandatsobergrenze reduzieren. Das heißt aber nicht, dass wir die Zahl der tatsächlich eingesetzten Kräfte vor Ort reduzieren. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch da müssen wir bei der Wahrheit bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen: Die tatsächliche Truppenanzahl war unter Schwarz-Rot, also unter der Vorgängerregierung, auch nicht höher. (Christoph Strässer [SPD]: Wir haben aber jetzt ein Referendum und Wahlen vor uns, Frau Kollegin!) Ich freue mich, dass die Bundesregierung flankierende Maßnahmen unterstützt. Es gibt viele Bereiche, in denen sie sich engagiert. Ich nenne in diesem Zusammenhang: den Aufbau der Polizei im Südsudan mit über 1 Million Euro und das humanitäre Minenräumen mit fast 1 Million Euro. Hinzu kommen die humanitäre Hilfe im Sudan, die nach wie vor so dringend notwendig ist, aber auch die Hilfe für die Flüchtlinge im Tschad und die Demokratisierungshilfe, die über das Carter Center geleistet wird. Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung eine Radiostation, das Radio Miraya, die zur Wähleraufklärung beiträgt, und eine Radiostation in Darfur. Ich könnte noch viele weitere Einzelmaßnahmen aufzählen. Das beweist: Die Bundesregierung misst dem Sudan weiterhin ein besonderes Gewicht im Rahmen der deutschen Außen- und Menschenrechtspolitik bei. Diesen Kurs begrüßen und unterstützen wir ausdrücklich. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul das Wort. (Beifall bei der SPD) Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wichtig, dass wir uns einmal die Größe des Sudans vor Augen führen. Der Sudan ist siebenmal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Er ist das größte Land auf dem afrikanischen Kontinent. Der südlichste Teil Europas liegt nur 2 500 Kilometer vom Sudan entfernt. Wenn wir also über UNMIS und UNAMID reden und diese Begriffe verwenden, muss uns einfach klar sein, dass die Frage, wie die Entwicklung in dieser Region verläuft, für die Stabilität Afrikas und die Millionen Menschen in dieser Region von zentraler Bedeutung ist. Ich möchte auch an die Opfer erinnern; denn sie werden in dieser Diskussion häufig vergessen. Allein der Konflikt im südlichen Sudan hat 2 Millionen Tote gefordert. In Darfur selbst sind es mindestens 300 000 Tote und 2,6 Millionen Binnenvertriebene. Trotz der humanitären Hilfe müssen 250 000 Flüchtlinge in Flüchtlingslagern im Tschad ausharren, Gewalt ertragen und unter elenden Bedingungen leben. Es kann uns im Deutschen Bundestag und den Menschen in unserem Land deshalb nicht gleichgültig sein, welche Entwicklung der Sudan weiter nimmt, und zwar um der Entwicklung der Stabilität, aber auch um der Millionen Menschenleben willen, um die es in dieser Region geht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mit dieser Grundhaltung hat der Deutsche Bundestag über die Jahre hinweg - im Jahr 2004, im Jahr 2005 und zuletzt im März dieses Jahres - fraktionsübergreifend Stellung bezogen. In dieser Grundhaltung werden wir als SPD-Bundestagsfraktion den beiden Mandaten zur Verlängerung von UNMIS und UNAMID zustimmen, auch wenn wir dagegen sind, dass die Reduzierung des Umfangs von UNAMID im Sinne dessen, was hier vorgetragen worden ist, vollzogen wird. Wir sind der Meinung, dass eine Reduzierung des Umfangs ein falsches politisches Signal ist. Insgesamt werden wir den entsprechenden Mandaten aber zustimmen. Es ist schon gesagt worden, dass es bei UNMIS um den Schutz vor Gewalt und um die Demobilisierung von Rebellengruppen und Menschen geht, die diese Gewalt ausüben. Es geht darum, Friedensabkommen wie das Comprehensive Peace Agreement tatsächlich zu begleiten, zivile Polizei auszubilden und die Voraussetzungen für das Referendum zu schaffen. Dazu ist noch vieles notwendig, unter anderem die genaue Grenzziehung. Ich bin manchmal ein bisschen erstaunt, dass an dieser Stelle so wenig Leidenschaft sichtbar wird. Denn die Grenzziehung und die Verteilung der Ressourcen kann für die Frage, welche Entwicklungen nach dem Referendum stattfinden, von zentraler Bedeutung sein. Bei dem Referendum und der Phase danach sind meines Erachtens zwei völlig unterschiedliche Szenarien denkbar. Das eine Szenario ist weiteres Blutvergießen und eine mögliche völlige Fragmentierung des Landes selbst. Das zweite Szenario - das ist der positivste Fall - ist eine Transformation mit dem Ziel einer guten Nachbarschaft. Ich bin der Meinung, dass wir alles tun müssen, damit es eine Transformation ohne Gewalt und einen Übergang zu gutnachbarlichen Beziehungen gibt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das haben wir mit in der Hand. Denn die internationale Gemeinschaft hat seit dem Jahr 2005 ihren Beitrag zur Beendigung des Konfliktes geleistet. Ich möchte aber auch auf Folgendes hinweisen: Die Zahl der UNMIS-Soldaten - die gesamte Mission macht etwa 10 000 Militärs und 715 Polizisten aus - zeigt, um welche Aufgabe es geht, um eine Aufgabe, angesichts derer die europäische und auch die deutsche Beteiligung - ich sage es jetzt sehr vorsichtig - eher unterdimensioniert erscheint. Afrika sollte uns mehr Beteiligung wert sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Diese Position habe ich schon, als damals das ursprüngliche Mandat entschieden worden ist, mit dem Verteidigungsminister diskutiert - mit etwas unterschiedlichen Fronten, um es so auszudrücken. Unsere Beteiligung ist wirklich nicht ausreichend; das muss man ausdrücklich sagen. Natürlich geht es jetzt darum, dass der politische Prozess begleitend in Gang kommt und eine UN-Konferenz einberufen wird, die wir bereits im März fraktionsübergreifend gefordert haben. In diesem Zusammenhang muss dazu beigetragen werden, dass es Regelungen zur Teilung der Öleinnahmen, zum Minderheitenschutz und zu Überprüfungsmechanismen gibt, und vor allen Dingen ein Konsens unter allen beteiligten Konfliktparteien im Sudan hergestellt wird. Dies umfasst natürlich die Afrikanische Union, die Arabische Liga und China. Eine solche internationale Konferenz muss einen Abstimmungsmechanismus und die Einbeziehung in eine friedliche Entwicklung voranbringen. Ich will hinzufügen: Im Vorfeld des Referendums ist die deutsche und europäische Präsenz vor Ort dringend notwendig, nicht nur in Khartoum. Denn es ist Hilfe bei der Erstellung der Wahllisten erforderlich. Dies wäre aber auch ein Signal für die Notwendigkeit einer Monitoringmission, die dafür sorgen sollte, dass das Referendum unter fairen Bedingungen stattfinden kann. Bezogen auf das UNAMID-Mandat - das wurde vorhin von Frau Schuster angesprochen - geht es vor allen Dingen darum, dass diese Mission tatsächlich gut ausgerüstet und ausgestattet ist. Für diese Mission - sie ist die größte der UN - wird eine Zahl von insgesamt 26 000 Soldaten benötigt. Bisher sind überhaupt nur 22 000 Soldaten - das ist schon hoch gegriffen - im Einsatz. Das ist nicht hinnehmbar, wenn wir bedenken, wie katastrophal die Situation nach wie vor in Darfur ist. Der UN-Sicherheitsrat hat am 14. Juni 2010 eine Diskussion zu Sudan geführt. Dabei hat der UNAMID-Vertreter Ibrahim Gambari darauf hingewiesen, dass allein im Mai 447 Menschen im Sudan bzw. in Darfur umgebracht worden sind, dass 50 000 Menschen daraufhin die Flucht angetreten haben und dass nach wie vor sexuelle Gewalt gegenüber Frauen ausgeübt wird. Das können wir nicht hinnehmen. Deshalb ist aus unserer Sicht mehr politisches Engagement, aber auch mehr Engagement in Bezug auf die Beteiligung an einem solchen Mandat notwendig. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich will auf ein Argument eingehen: Die Bundesregierung sagt, die 200 Soldaten, die den Transport von Truppen der Afrikanischen Union organisieren, würden nicht mehr gebraucht. Natürlich werden diese nicht mehr gebraucht. Aber, liebe Frau Kollegin Schuster, noch im Februar hat die UNAMID gesagt, dass man 18 Hubschrauber brauche, damit Überwachungsflüge und die Versorgung im humanitären Bereich möglich seien. Angesichts der dortigen Katastrophe bin ich der Meinung, dass dies eine Aufgabe wäre, die von uns erfüllt werden müsste und die wir nicht beiseiteschieben dürfen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Ich denke, unser Engagement im Rahmen der politischen Aufgabe und der militärischen Mission kann ausschlaggebend dafür sein, entweder das Aufflammen eines Bürgerkriegs zu verhindern oder dazu beizutragen, ihn erneut anzufachen. Ich möchte dazu aufrufen, mit dem Engagement, das wir im Bundestag jedenfalls bei diesen Fragen immer gezeigt haben, dazu beizutragen, dass kein Bürgerkrieg entsteht und die Menschen in dieser Region Afrikas endlich in Frieden und Nachbarschaft leben können. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Florian Hahn für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Florian Hahn (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Im Mai dieses Jahres erlebte die westsudanesische Krisenregion den blutigsten Monat seit mehr als zwei Jahren. Nach Angaben der Vereinten Nationen kamen in Darfur in nur einem Monat fast 600 Menschen ums Leben. Der Mai war damit einer der folgenschwersten Monate seit Entsendung der gemeinsamen Friedensmission von UNO und Afrikanischer Union im Januar 2008. Die Zahlen, die man da hört, sind traurig und erschreckend. Sie unterstreichen jedoch die Notwendigkeit des Engagements der Vereinten Nationen und rechtfertigen unsere Hilfe. Wir müssen uns bei derartigen Einsätzen immer wieder bewusst machen, dass wir unsere Soldatinnen und Soldaten 4 000 Kilometer entfernt von Freunden und Familie großen Anstrengungen und Gefahren aussetzen. Es ist daher sehr wichtig und richtig, die Mandate immer wieder neu im Parlament zu debattieren. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Es ist selbstverständlich, dass wir das Mandat der Situation entsprechend anpassen. So sieht der Antrag der Bundesregierung vor, die personelle Obergrenze des deutschen Beitrags von 250 auf 50 Soldatinnen und Soldaten zu reduzieren. Die Lufttransportunterstützung wurde in der Vergangenheit nicht nachgefragt. Weil auch kein zukünftiger Bedarf absehbar ist, ist es nur richtig, dass die bislang hierfür vorgesehenen Kräfte und Fähigkeiten nicht noch einmal mandatiert werden. Die Mission der Vereinten Nationen, in deren Rahmen unsere Soldaten einen beachtenswerten Beitrag leisten, dient als rahmengebendes Element der Verbesserung der Sicherheitslage in Darfur und begleitet die politischen Bemühungen um ein Ende der dortigen Krise. Auch die UNMIS ist als stabilisierendes Element zur Wahrung der Sicherheit der Zivilbevölkerung im Sudan unverzichtbar. Die personelle Obergrenze des deutschen Beitrags von 75 Soldaten und Soldatinnen soll bestehen bleiben. Sie haben ihren Schwerpunkt bei der Wahrnehmung von Militärbeobachtungsaufgaben sowie in den von UNMIS gebildeten Stäben und Hauptquartieren. Ich meine, dass es eine der Hauptaufgaben von UNMIS sein muss, das Referendum im kommenden Jahr vorzubereiten. Angesichts der Erfahrungen mit den Wahlen im April dieses Jahres halte ich es für unerlässlich, dass eine unabhängige Wahlkommission das Referendum so transparent und fair wie nur irgend möglich begleitet. Wenn auch beim Referendum nachträglich eklatante Fehler sichtbar würden - wir alle wissen, dass dies beispielsweise bei den Wahlen im April der Fall war -, so würden wir das Kind mit dem Bade ausschütten. Außerdem müssen sich die Menschen in Zukunft trauen, in ihre Heimatregionen zurückzukommen. Wir brauchen die Rückkehrer; denn ohne eine breite Bevölkerung wird es dort keine Stabilität geben. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass die Situation für die Bevölkerung im Südsudan katastrophal ist; wir dürfen nicht erst hellhörig werden, wenn uns unsere Nachbarländer in Europa bei der Flüchtlingsproblematik um Hilfe bitten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Es ist deshalb richtig, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten an den mittel- und langfristigen Schwerpunkten der Entwicklungszusammenarbeit nachhaltig festzuhalten. Die bilateralen Schwerpunkte der deutschen Entwicklungspolitik im Südsudan sowohl in der technischen als auch der finanziellen Zusammenarbeit liegen auf der Entwicklung des städtischen Wassersektors, der Dezentralisierung und der Verwaltungsreform. Die entwicklungsorientierte Not- und Übergangshilfe hat sich zum Ziel gesetzt, Rückkehrer nachhaltig in die Lage zu versetzen, ihre Lebensgrundlage zu sichern. Die Ernährungssicherung im Gesamtsudan ist ein weiterer Baustein der Entwicklungshilfe. Ich freue mich darüber, dass die politischen Stiftungen, die kirchlichen Organisationen sowie der Deutsche Entwicklungsdienst das zivilgesellschaftliche Engagement im Gesamtsudan kräftig unterstützen. Die Beteiligung der Bundeswehr an UNMIS und UNAMID ist ein wichtiger Bestandteil der Anstrengungen der Bundesregierung zur Friedenskonsolidierung im Sudan. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Um diese Anstrengungen zu untermauern und unseren Soldatinnen und Soldaten für ihren schwierigen Einsatz den Rücken zu stärken, ist eine breite Unterstützung für die Fortsetzung der Mandate notwendig. Ich danke allen Soldatinnen und Soldaten, aber auch den Polizisten, den Diplomaten und den zivilen Aufbauhelfern und wünsche ihnen auf diesem Weg weiterhin Gottes Segen für ihre Aufgabe. Im Interesse der Menschen im Sudan und in der Region bitte ich Sie um Ihre Zustimmung für die vorliegenden Anträge. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege Wolfgang Gehrcke. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Rainer Stinner [FDP]: Das wird eine schwere Rede!) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Glücklich, wer von sich behaupten kann: Für mich ist alles klar, ich habe alles analysiert, ich habe eine feste Meinung, und so werden wir die Sache machen. (Christoph Strässer [SPD]: Da kennen wir ja welche! Diese Gewissheit!) Glücklich ist, wer sagen kann: Wir danken unseren Soldatinnen und Soldaten. - All das kann ich für mich und auch für meine Fraktion nicht in Anspruch nehmen. (Henning Otte [CDU/CSU]: Nein? Warum denn nicht?) Ganz im Gegenteil: Mir sind viele Sachen völlig unklar. Ich will einige davon ansprechen. Ein Teil der Fraktion Die Linke wird sich zu beiden Mandaten der Stimme enthalten, ein größerer Teil wird gegen die Mandate stimmen; (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Das ist ein Fortschritt!) zu denen gehöre ich. Wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir versuchen, uns ernsthaft mit den Problemen auseinanderzusetzen. Wir wollen das, was man erkennen kann, was man lesen kann, was man in Gesprächen mit Betroffenen und NGOs analysieren kann, gründlich betrachten und dann eine Abwägung vornehmen. Ich will Ihnen einige Punkte vortragen. Aus meiner Sicht gelten zwei Argumente mit Sicherheit nicht. Erstens. Man darf nicht zulassen, dass gesagt wird: Das geht uns nichts an. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Wer sagt das?) Alles, was in dieser Welt passiert, betrifft uns und geht uns in dem Sinne etwas an, dass man die Welt nicht mehr in einzelne Schubladen einteilen kann. Vielmehr muss man endlich begreifen: Man lebt in einer gemeinsamen Welt. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Wer hat hier gesagt: Das geht uns nichts an? - Gegenruf des Abg. Dr. Rainer Stinner [FDP]: Keiner!) Entweder man gestaltet sie gemeinsam, oder man lässt es bleiben. Ich glaube, das kann man für sich in Anspruch nehmen. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]) Zweitens. Ich möchte auf Folgendes aufmerksam machen: Ich vergleiche den Einsatz der Bundeswehr im Sudan nicht mit dem Einsatz in Afghanistan. Es sind unterschiedliche Motive, unterschiedliche Kräftekonstella-tionen, und es ist ein ganz unterschiedlicher Umfang der Mandate. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass Sie das schon gemerkt haben! - Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind auch unterschiedliche Länder!) Das alles können wir abhaken. (Henning Otte [CDU/CSU]: Weitgehende Rede!) Ich komme nun zu einem Problem. Ich habe nie verstanden, warum Menschen, die lange relativ vernünftig zusammengelebt haben, plötzlich übereinander herfallen und sich abschlachten. Was ist passiert, dass eine solche Kälte und eine solche Brutalität bei den Menschen eingezogen sind? Über diese Frage muss man doch zumindest einmal nachdenken. Ich möchte, dass wir darüber nachdenken, welche Interessen hier aufeinandertreffen: Interessen von örtlichen Machthabern, regionale Interessen und Interessen wirtschaftspolitischer Vorteile, die man daraus ziehen kann. Es ist doch bekannt, dass das Elend des Sudan auch in seinem Reichtum an Naturressourcen begründet ist. In diesem Zusammenhang ist China zu nennen, das in hohem Maße Ölausbeutung betreibt. Auch die USA wollen in das Geschäft einsteigen. Sie kooperieren mit einzelnen Kräftegruppierungen und einzelnen Formationen im Sudan selbst. Daraus resultiert ein Teil der Spannungen, nicht alle. Ich sage Ihnen ehrlich: Ich habe die große Sorge - das sagt jeder -, dass das Referendum zu einer Abtrennung des Südsudan führt. Daran gibt es eigentlich keinen Zweifel. Ich habe die große Sorge, dass die Abspaltung des Südsudan, die Auflösung des Gesamtsudan, die Konflikte nicht entschärft, sondern verschärft. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben darüber diskutiert, ob die Stationierung von Soldaten bei der Entschärfung der Konflikte helfen kann, wie einige sagen, oder ob sie die Konflikte verschärft. Die Soldaten können sie zumindest nicht lösen. Ich möchte, dass man sich in diesem Haus zumindest auf zwei Punkte einigt: Erstens. Kein Mitglied des Deutschen Bundestages sollte für eine Verschärfung der Konflikte im Sudan eintreten. Wir müssen mäßigen und das herunterfahren. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Zweitens, und dann würde ich auch schon Schluss machen wollen. Stellen Sie sich einmal die Frage, ob wir nicht einen Beitrag dazu leisten können, dass Waffenlieferungen in diese Region unterbleiben und unterbunden werden! (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD] - Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage) - Jetzt will Herr Ströbele mich fragen, ob ich weiß, dass die Entwaffnung Teil des Programms ist. Das weiß ich, Christian. Aber frage, was du möchtest, wenn die Frau Präsidentin es zulässt. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ihre Redezeit ist schon abgelaufen, Herr Gehrcke. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Schade. Ich hätte die Frage gerne beantwortet und mir auf diese Art und Weise etwas mehr Redezeit verschafft. (Christoph Strässer [SPD]: Pech gehabt!) Also komme ich zu meinem letzten Satz: Bitte lassen Sie uns dazu beitragen, dass gegen Waffenlieferungen in Spannungsgebiete vorgegangen wird! Damit leisten wir einen Beitrag zur Entspannung und möglicherweise auch dazu, dass Gewalt vermieden wird. Vielleicht ist es etwas ungewöhnlich, dass man nicht sagt: Wir wissen alles. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Omid Nouripour für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gehrcke, ich frage mich, was passieren muss, welche Konditionen vorliegen müssen, damit Sie zustimmen. Wenn ein UN-Mandat, eine humanitäre Katastrophe, ein expliziter Friedensansatz und eine geringe militärische Potenz nicht reichen, was muss vorliegen, damit Sie einmal sagen: "Okay, wir sind bereit, zuzustimmen"? (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie enthalten sich doch schon!) Ich sehe nichts. Ich habe nicht den Eindruck, dass Ihre Entscheidung irgendetwas mit dem Sachverhalt zu tun hat. Ich habe den Eindruck, dass Sie zu allem, was auf den Tisch kommt, kategorisch Nein sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die Welt schaut zurzeit nach Afrika, nach Südafrika. Leider wird der Blick in wenigen Wochen wieder abgewendet. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir nicht nur auf die bunten Bilder von den schönen Festen schauen, die derzeit stattfinden, sondern auch auf das große Leid und die vielen Konflikte, die es in Afrika, auf diesem leidgeprüften Kontinent, gibt. Das ist der Grund, warum wir uns weiterhin engagieren müssen, gerade im Sudan. Die Lage in diesem Land ist konfliktträchtig. Die Spannungen haben seit der Wahl alles andere als abgenommen. Die Wahl war selbstverständlich nicht frei, und sie war auch nicht fair. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir gerade jetzt unser Augenmerk und unsere Konzentration darauf richten, dass das Referendum über die Unabhängigkeit im Süden des Landes frei und fair ablaufen wird. Der Friedensprozess im Sudan ist noch lange nicht an seinem Ende und bedarf einer erhöhten internationalen Kraftanstrengung. Dabei kommt es besonders auf die Afrikanische Union an. Ich freue mich, zu sehen, dass es in den letzten Monaten einige Anzeichen dafür gegeben hat, dass die Afrikanische Union auf einem besseren Weg ist. Ich meine beispielsweise die Arbeit und die Ergebnisse des Mbeki-Panels. Das ist ein guter Weg, ein gutes Zeichen. Möge es so weitergehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Erlauben Sie mir, etwas zu den Mandanten zu sagen, die heute zur Abstimmung stehen, zu UNMIS und zu UNAMID. Herr Außenminister, wir hören immer wieder, dass mehr Hilfe gar nicht nachgefragt wird. Wir haben einen interfraktionellen Antrag, aus dem mehrfach zitiert worden ist - auch von der Kollegin Schuster - und in dem steht, dass die Absenkung der personellen Obergrenze eigentlich nur eine Anpassung an die Realität darstellt. Wenn Sie sich aber den Bericht des UN-Generalsekretärs und den interfraktionellen Antrag anschauen, stellen Sie fest, dass darin nicht steht: Wir schauen, wie viele Leute wir tatsächlich haben, und passen das Mandat dann an. - Wir wollten alle gemeinsam - das ist auch das, was der UN-Generalsekretär will - unser Mandat den Gegebenheiten vor Ort anpassen. Das ist aber genau das, was mit diesem Mandat leider Gottes nicht passiert. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD) Die Gegebenheiten vor Ort sind eindeutig. Wir brauchen - das sagt auch die UN-Transporteinheit - Helikopter und Luftraumüberwachung. Vor allem muss man Folgendes sehen: Es gibt einen neuen Kommandeur bei UNAMID. Dadurch ist jetzt deutlich mehr Dynamik vorhanden. Der Einsatz im Rahmen von UNAMID wird effizienter. In dieser Situation zu reduzieren und das, was UNAMID braucht, nicht bereitzustellen, ist leider zu wenig und in erster Linie nur passive Außenpolitik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Genauso passiv ist man bei der Frage eines Sonderbeauftragten. Wir haben einige Male danach gefragt. Wir haben immer wieder gehört, es werde geprüft, ob ein Sonderbeauftragter eingesetzt wird. Wir haben jetzt in den Ausschussberatungen leider erfahren, dass es keinen Sonderbeauftragten geben wird und dass man keinen Grund sieht, einen einzusetzen. Um ehrlich zu sein, ich finde es ein wenig peinlich, wenn es Konferenzen gibt, bei denen die Deutschen nicht dabei sind, weil es keinen zentralen Ansprechpartner gibt, beispielsweise in Addis Abeba im April 2009. Das wird der Tradition, der Kontinuität der deutschen Außenpolitik mitnichten gerecht. Deshalb wäre es zwingend notwendig, so schnell wie möglich einen Sonderbeauftragten einzusetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Wann war die Konferenz?) - Die Konferenz war im April 2009, Herr Außenminister. Da waren Sie noch nicht im Amt, aber Sie haben es jetzt in der Hand, diese Fehler zu korrigieren. Verdammt noch mal, machen Sie das endlich! (Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir müssen einen weiten Weg gehen, wenn wir Frieden im Sudan wollen. Es lohnt sich, den Friedensprozess zu unterstützen. Das sollten wir verstärkt tun. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Hartwig Fischer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es zeugt von einer unglaublichen Ignoranz, wenn man eine solche Rede hält wie Sie, Herr Gehrcke. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wenn wir hier im Bundestag zu wichtigen Themen Entscheidungen fällen, haben wir die Verantwortung, uns vorher zu informieren. Ihre Fraktion hat eine Kleine Anfrage mit 31 Fragen gestellt. Diese Anfrage ist am 4. Juni 2010 beantwortet worden. In dieser Antwort auf die Anfrage ist vom Auswärtigen Amt im Detail genau aufgezeigt worden, was in der Vergangenheit gemacht worden ist, wie in der Gegenwart gehandelt wird und welche Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden. Ihre Fragen zu den Einsatzmitteln und Einsatzzahlen sind im Detail beantwortet worden. Ihnen ist gesagt worden, wie die Bundesregierung mit unseren Durchführungsorganisationen, auch gemeinsam mit den NGOs, dort Krisenprävention betreibt. Nun stellen Sie sich hin und sagen, für Sie sei alles klar, für Sie sei alles erledigt, Sie hätten sich mit einigen NGOs unterhalten. Wären Sie wie Herr Strässer, Frau Müller und Marina Schuster einmal in das Krisengebiet gereist, hätten sich in den Flüchtlingslagern informiert, hätten mit Müttern gesprochen, die ihre Kinder verloren haben, weil die Ernährung nicht mehr gewährleistet werden kann, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) dann würde sich gleich nicht ein Teil Ihrer Fraktion bei dieser Abstimmung enthalten und ein Großteil gegen diesen Einsatz stimmen. Dieser Einsatz wird von Ihnen nicht gewünscht. An diesem Einsatz im Südsudan beteiligen sich jedoch 67 Nationen mit 10 000 Einsatzkräften und bei UNAMID in Darfur 48 Nationen mit 22 000 Einsatzkräften. Das heißt, die Weltgemeinschaft sieht, welches Risiko dort besteht und was geleistet werden muss. Herr Außenminister und Herr Minister Niebel, Sie haben das Thema hier und auch bei Ihrer gemeinsamen Reise in diese Länder angesprochen; das müsste hier noch deutlicher werden. Sie haben dort um eine gemeinsame Unterstützung der Afrikanischen Union gebeten, die jetzt in weiten Bereichen auf Grundlage des Prinzips "Ownership" erfolgt. Sie haben in Frage 11 gefragt, wer die Teilnehmer einer möglichen Sudan-Konferenz sind und wie die Programme unterstützt werden sollen. Wir haben uns speziell im Bereich der Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration ehemaliger Kombattanten eingesetzt. Trotzdem machen Sie hier im Parlament die Aussage, dass Sie erwarten, dass niemand sich konfliktverschärfend betätigt. Es ist ein Hohn, so etwas vor dem Hintergrund der Situation, wie wir sie dort im Land erleben, zu sagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, wir haben eine Reihe von Konfliktpräventionsmaßnahmen zur Verfügung. Es gibt keinen Zweifel - nach den Gesprächen, die wir geführt haben, bin ich davon fest überzeugt -, dass die Frage des Sonderbeauftragten ernsthaft angegangen wird. Mittel dafür stehen im Bundeshaushalt zur Verfügung. Wir haben auch stellenmäßig die Chance, dort zur Unterstützung zusätzlich jemanden einzubringen. All dies ist in Vorbereitung. Es gibt allerdings auch keinen Zweifel, dass die Fragen der Grenzziehung in den nächsten sechs Monaten entschieden werden müssen, weil es, wenn im Referendum für eine Abspaltung gestimmt wird, in diesem gemeinsamen Prozess nur so die Chance auf Frieden gibt. Ohne Grenzziehung wäre das in keinem Falle gewährleistet. Ich will jetzt noch einmal auf Sie zurückkommen, Herr Gehrcke. Was ist passiert? Es ist auch Ihre Aufgabe, sich zu informieren, wie vielschichtig die Probleme sind. Es geht eben nicht nur um Rohstoffe. Wir wissen, dass China noch 2007 und 2008 für 69 Millionen Dollar Waffen geliefert hat. Wir sind inzwischen Gott sei Dank in der Situation, dass, wenn es um den Sudan geht, in Teilbereichen auch gemeinsam mit Russland und China Lösungen gefunden werden können. Sie haben gesagt, dass im ganzen Sudan die Rohstofffrage die entscheidende Frage ist. Sie haben recht: Im Südsudan ist das wichtig. In Darfur spielen Rohstoffe aber überhaupt keine Rolle. Dort geht es um ethnische Fragen und Fragen der Landverteilung, die schon in früheren Zeiten entstanden sind. Auch diesen Hintergrund des Konfliktes muss man kennen. Ich sage ausdrücklich: Ich erwarte, dass die Politik, die im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit gerade in den letzten Monaten gemacht wurde, fortgesetzt wird, weil sie gewährleistet, dass unsere Durchführungsorganisationen in einem einigermaßen abgesicherten Umfeld dafür sorgen können, dass den Menschen dort geholfen wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ein letzter Punkt von meiner Seite. Als ich vor einigen Jahren hier gestanden habe, habe ich das Gleiche gefordert, Frau Wieczorek-Zeul, was wir auch heute fordern, nämlich Hubschrauber. Wir haben uns gemeinsam sehr ausführlich informiert und wissen, dass die Kapazitäten in diesem Bereich und das Spezialmaterial bei unserer Bundeswehr nicht vorhanden sind. Sonst wäre dieser Einsatz mit Sicherheit auch entsprechend unterstützt worden. Ich finde, wir müssen uns, wie wir es auch mit Blick auf andere Krisenherde tun, in der internationalen Gemeinschaft darauf verständigen, dass diejenigen, die dieses Material zur Verfügung stellen könnten, es auch zur Verfügung stellen. Dann müssen wir überlegen, wie wir die personellen Kapazitäten zur Bedienung zur Verfügung stellen können. Dazu müssen wir sicherlich auch Beschlüsse fassen. Wir brauchen keine weiße Salbe. Davon hatten die Menschen in der Vergangenheit genug. Ich bin darüber froh, dass die große Mehrheit in diesem Parlament auch im März dieses Jahres wieder einen Antrag für die Menschen unterstützt hat, mit dem die Bundesregierung in ihrem Bemühen, diesen Friedensprozess abzusichern, begleitet wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zu den Abstimmungen. Zunächst zur Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Friedensmission der Vereinten Nationen im Sudan. Es geht dabei um das UNMIS-Mandat. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2172, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 17/1902 anzunehmen. Wir stimmen nun über diese Beschlussempfehlung namentlich ab. Ich weise schon jetzt darauf hin, dass wir anschließend über einen weiteren Bundeswehreinsatz ebenfalls namentlich abstimmen werden. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, nun die vorgesehenen Plätze an den Urnen einzunehmen. - Hier vorne bei mir fehlt ein Schriftführer von den Koalitionsfraktionen. - Sind die Plätze der Schriftführer an den Urnen mittlerweile überall besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Abstimmung geschlossen. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.2 Wir setzen nun die Abstimmungen fort. Tagesordnungspunkt 9 b. Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur; das ist das UNAMID-Mandat. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2173, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 17/1901 anzunehmen. Wir stimmen auch über diese Beschlussempfehlung namentlich ab. Ich bitte die Schriftführer, ihre Plätze an den Urnen wieder einzunehmen. - Sind alle Plätze besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Abstimmung geschlossen. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Auch dieses Ergebnis wird Ihnen später bekannt gegeben.3 Wir könnten jetzt die Beratungen fortsetzen, wenn wir alle die Gelegenheit hätten, uns darauf zu konzentrieren. Deshalb bitte ich die Kolleginnen und Kollegen, die den weiteren Beratungen folgen wollen, Platz zu nehmen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Ute Kumpf, Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Sicherung der Technologieführerschaft Deutschlands im Verkehrs- und Baubereich - Drucksache 17/931 - Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. - Ich sehe, damit sind Sie einverstanden. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Steffen Bilger, Karl Holmeier, Ute Kumpf, Wolfgang Tiefensee, Petra Müller (Aachen), Herbert Behrens und Winfried Hermann.4 Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 11 a und 11 b auf: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 - WehrRÄndG 2010) - Drucksache 17/1953 - Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses (12. Ausschuss) - Drucksache 17/2174 - Berichterstattung: Abgeordnete Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Dr. Hans-Peter Bartels Elke Hoff Paul Schäfer (Köln) Agnes Malczak - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/2180 - Berichterstattung: Abgeordnete Klaus-Peter Willsch Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Dr. h. c. Jürgen Koppelin Alexander Bonde Roland Claus b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses (12. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Abschaffung der Wehrpflicht - zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Malczak, Omid Nouripour, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN Wehrpflicht beenden - Drucksachen 17/1736, 17/1431, 17/2174 - Berichterstattung: Abgeordnete Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Dr. Hans-Peter Bartels Elke Hoff Paul Schäfer (Köln) Agnes Malczak Zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010 der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über den Gesetzentwurf und über den Entschließungsantrag werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich sehe, damit sind Sie einverstanden. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Markus Grübel für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Markus Grübel (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin heute wohl in der eher seltenen Situation, zum Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 als Mitglied des Verteidigungsausschusses und gleichzeitig als Mitglied des Familienausschusses reden zu können. Wir haben den Sachverhalt lange diskutiert. Er war im Koalitionsvertrag angekündigt, und am 26. März 2010 haben die Bundesminister zu Guttenberg und Schröder den Fraktionen den entsprechenden Gesetzentwurf vorgestellt. Die Minister hatten auch in der Regierungsbefragung jedermann die Möglichkeit gegeben, Fragen zum Gesetzentwurf zu stellen. - Ich möchte noch anmerken: Frau Bundesministerin Schröder ist gerade bei der Jugend- und Familienministerkonferenz, und ich denke, es ist wichtig, dass sie dort ist. Wie ist die Ausgangslage? - Die aktuell günstige Sicherheitslage in Europa erlaubt eine Verkürzung des Wehrdienstes von neun auf sechs Monate. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: "Aktuell günstige Sicherheitslage in Europa"? Von Freunden umzingelt!) Diese Reduzierung ist so maßvoll, dass sie die Vorzüge des Wehrdienstes nicht unverantwortlich gefährdet. Auch in sechs Monaten können Wehrdienstleistende die militärischen Grundfertigkeiten erlernen, wenn der Dienst sinnvoll ausgestaltet wird. Die Verkürzung des Grundwehrdienstes um ein Drittel hat auch die Reduzierung der Dienstzeit beim Zivildienst zur Folge. Dabei werden ähnliche Fragen zu beantworten sein: Wie können wir weiterhin einen qualitativ hochwertigen Zivildienst anbieten, und wie können wir verhindern, dass bei einer kürzeren Dienstzeit bei jungen Männern biografische Lücken entstehen? Mit der Verkürzung auf sechs Monate haben auch viele Verbände, Einsatzstellen und Träger die Befürchtung verbunden, dass der Zivildienst in wichtigen Bereichen, zum Beispiel bei der Betreuung Behinderter und Pflegebedürftiger und bei den Rettungsdiensten, negative Folgen haben könnte und nicht mehr durchführbar ist. Die Einführung eines freiwilligen zusätzlichen Zivildienstes ist deshalb das geeignete und richtige Instrument. Das hat auch die Anhörung ergeben. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach, waren Sie in der Anhörung?) Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, der Caritas, Diakonie, der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband, das Rote Kreuz und andere angehören, hat sich im April in einem Schreiben für die freiwillige Verlängerung ausgesprochen. Nur eine kleine Minderheit lehnt die freiwillige Verlängerung ab, und zwar aufgrund einer grundsätzlichen Ablehnung der Wehrpflicht und des Zivildienstes. Viele Zivildienstleistende haben sich eine solche freiwillige Verlängerung gewünscht. Es gibt empirische Erhebungen, die diese Forderungen bestätigen. Das hat Professor Becker in der Anhörung vorgetragen. Wir gehen davon aus, dass rund ein Drittel der Zivildienstleistenden, also rund 30 000 junge Männer, künftig von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird. Künftig wird es also möglich sein, im Anschluss an den Pflichtzivildienst einen freiwilligen zusätzlichen Zivildienst von drei bis sechs Monaten zu leisten. Es gibt also Z 6, 9, 10, 11 und 12. Im freiwilligen zusätzlichen Zivildienst hat der junge Mann weitgehend die Rechtsstellung eines Zivildienstleistenden, das heißt, er ist ebenso gut versichert, arbeitsrechtlich geschützt und sozial abgefedert. Andererseits haben wir durch den Wegfall der Strafvorschriften den freiwilligen Charakter dieses Dienstes hervorgehoben. Wir haben nach den Ausschussberatungen und der Anhörung noch eine Änderung vorgenommen und die sogenannten Ausgangsbeschränkungen als Disziplinarmaßnahmen aus dem Gesetzentwurf herausgenommen. Es ist schön, dass diesem Änderungsantrag alle Fraktionen, auch die Linken, zugestimmt haben. Das ist in diesem Hohen Hause nicht oft der Fall. In der Anhörung, im Ausschuss und im Plenum hat insbesondere die SPD immer wieder auf diesen Punkt hingewiesen. Vielleicht ist es der SPD jetzt möglich, dem Gesetzentwurf insgesamt zuzustimmen. Die absolute Freiwilligkeit ist also gewährleistet. Wir haben das noch unterstrichen, indem die Verlängerung jederzeit beendet werden kann. Die Lebenshilfe hat uns darauf hingewiesen, dass eine Kündigungsfrist von zwei Wochen für organisatorische Maßnahmen sinnvoll wäre. Wir wollen aber die Freiwilligkeit so beibehalten wie vorgesehen. Wir haben das Ganze auch sehr bürokratiearm umgesetzt; denn für einen jungen Mann im Zivildienstverhältnis ist keine Abmeldung bei den Sozialversicherungen oder eine Neuanmeldung nötig. Im Grunde bleibt es beim Zivildienst. Ich möchte noch einen Punkt ansprechen. Die Opposition hat immer wieder gesagt, dass wir einen neuen Bereich von Lohndumping schaffen oder die Ausbeutung von jungen Männern fördern, die den freiwilligen zusätzlichen Zivildienst leisten. Es wurde darauf hingewiesen, dass Stundenlöhne von 3 bis 4 Euro gezahlt werden. Diese Zahl ist falsch. Ich weiß nicht, woher Sie diese Zahl haben. Unter Berücksichtigung aller Punkte, zum Beispiel der Beiträge zur Sozialversicherung, der Heilfürsorge und des Mobilitätszuschlags, kommen wir auf 5,80 Euro pro Stunde. Ich denke, das ist ein durchaus angemessener Sold für einen Freiwilligendienst. Nun gilt es, den verkürzten Wehr- und Zivildienst erfolgreich in die Praxis umzusetzen. Die Diskussion über die Wehrpflicht und damit auch über die Zukunft des Zivildienstes wird uns erhalten bleiben. Unsere Verfassung, das Grundgesetz, begründet die Wehrpflicht und räumt das Recht auf den Zivildienst ein. Sie sieht die Beteiligung an kollektiven Sicherheitssystemen zur Wahrung des Friedens vor; zu nennen sind UN- oder NATO-Einsätze. Des Weiteren regelt sie die Aufstellung von Streitkräften. Sie gibt uns aber auch die Vorgabe, die Schulden zu begrenzen. Wir müssen künftig für einen schonenden Ausgleich zwischen den verschiedenen Anforderungen unserer Verfassung sorgen. Für uns ist die Wehrpflicht ein hohes Gut. Die Entscheidung, die wir zu treffen haben, hat sicherheitspolitische, gesellschaftspolitische und haushaltspolitische Aspekte. Diese Diskussion werden wir nun ergebnisoffen auf der Grundlage unserer Verfassung, unserer Werte und Grundsätze sowie unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Strukturkommission führen. Darum ist es auch sinnvoll, jetzt das Wehrrechtsänderungsgesetz zu verabschieden. Damit besteht kurz- und mittelfristig Planungssicherheit. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Sönke Rix für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Sönke Rix (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegt der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrrechts einschließlich der Vorschriften für den Zivildienst auf dem Tisch. Er ist ein Kompromiss, der, wenn ich die Äußerungen aus der Koalition richtig verstanden und den Koalitionsvertrag richtig gelesen habe, entstanden ist, weil der eine Koalitionspartner gerne die Aussetzung oder Abschaffung der Wehrpflicht hätte und der andere an der Wehrpflicht - zumindest damals noch - gerne festgehalten hätte. Das Resultat ist nun, dass der Wehrdienst und damit auch die Dauer des Zivildienstes von neun auf sechs Monate verkürzt werden. Diesem Gesetzentwurf liegt also keine fachliche, geschweige denn eine verteidigungspolitische Grundlage zugrunde, sondern einfach nur ein Kompromiss. Dazu sage ich: Ich glaube, dabei ist ein fauler Kompromiss zustande gekommen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sämtliche Fachleute haben in der Anhörung, die wir als Familienausschuss unter der Federführung des Verteidigungsausschusses durchgeführt haben, Kritik an dem Gesetz geäußert, sowohl auf der verteidigungspolitischen Seite als auch beim Thema Zivildienst. Man verkürzt auf sechs Monate und entwickelt nun eine Krücke, um wieder zu verlängern. Erst verkürzt man auf sechs Monate, und dann führt man wieder eine freiwillige Verlängerung ein. Grundsätzlich ist der Zivildienst ein Ersatzdienst für den Wehrdienst. Wenn die Dauer des Wehrdienstes neun Monate oder sechs Monate beträgt, dann hat auch der Zivildienst neun Monate oder sechs Monate zu dauern. Da braucht man keine künstliche freiwillige Verlängerung eines Pflichtdienstes. Die Probleme, die durch diese Krücke nun wieder entschärft werden sollen, haben Sie sich durch Ihre Gesetzesvorlage zuvor selbst geschaffen. Die Planungssicherheit, die Sie jetzt als Grund anführen, machen Sie selbst wieder kaputt. Dieses Gesetz wird hier im Eiltempo vom Bundestag beschlossen. Wir haben erst in der letzten Woche die Beratung begonnen, die Anhörung dazwischengepackt, und jetzt sollen wir es schon verabschieden. Warum dieses Eiltempo? Was noch viel schlimmer ist: Während wir diesen Gesetzentwurf beraten, wird aufseiten der Koalition schon wieder über neue Modelle zum Wehrdienst nachgedacht, nämlich über eine Aussetzung. Dies schafft absolut keine Planungssicherheit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, was müssen wir stattdessen tun? Wir haben ein alternatives Modell auf den Tisch gelegt, über das wir gerne mit Ihnen ins Gespräch kommen wollen. Wenn Sie Ihre eigene Kommission zur Reform der Bundeswehr ernst nehmen, dann warten Sie deren Vorschläge ab, doktern jetzt nicht am Wehr- und Zivildienst herum und machen dann ein langfristiges Konzept. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Statt eine freiwillige Verlängerung beim Zivildienst einzuführen, zumal Sie zugleich darüber nachdenken, die Wehrpflicht auszusetzen, benötigen wir ganz dringend einen anderen wichtigen Schritt: den Ausbau der Freiwilligendienste. Natürlich sind die sozialen Einrichtungen darauf angewiesen, auch mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten und ihnen Felder für ein Engagement zu bieten, aber nur auf wirklich freiwilliger Basis. Daher fordern wir an dieser Stelle: Nehmen Sie mehr Geld in die Hand, und bauen Sie die Freiwilligendienste massiv aus. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Abschließend: Nehmen Sie Ihre eigene Kommission ernst, warten Sie deren Vorschläge ab, und diskutieren Sie auch über unseren Vorschlag, der, wie ich weiß, auch in der Kommission eine Rolle spielen wird. Dabei geht es darum, nur diejenigen einzuziehen, die es tatsächlich wollen. Diskutieren Sie darüber ernsthaft, und machen Sie jetzt keine Schnellschüsse, die nur zu Unsicherheit und vor allen Dingen zu Planungsunsicherheit sowohl bei der Bundeswehr als auch bei Zivildienstträgern führen. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Bevor wir in der Debatte fortfahren, komme ich zu den Ergebnissen der gerade erfolgten namentlichen Abstimmungen. Das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Friedensmission der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS): abgegebene Stimmen 563. Mit Ja haben gestimmt 493 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein haben 44 gestimmt, und 26 haben sich enthalten. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebenen Stimmen: 562; davon ja: 492 nein: 44 enthalten: 26 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Gitta Connemann Leo Dautzenberg Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Florian Hahn Holger Haibach Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Julia Klöckner Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Nadine Müller (St. Wendel) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Eckhard Pols Lucia Puttrich Daniela Raab Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Ulla Burchardt Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Peter Friedrich Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoðuz Heinz Paula Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder (Schwandorf) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabi Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Alexander Bonde Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Priska Hinz (Herborn) Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Anna Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Elisabeth Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein FDP Dr. h. c. Jürgen Koppelin DIE LINKE Agnes Alpers Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Sevim Daðdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Heike Hänsel Inge Höger Andrej Konstantin Hunko Ulla Jelpke Katja Kipping Harald Koch Jutta Krellmann Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Dorothée Menzner Kornelia Möller Niema Movassat Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Sabine Stüber Alexander Süßmair Kathrin Vogler Sahra Wagenknecht Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann Enthalten SPD Petra Hinz (Essen) DIE LINKE Dr. Dietmar Bartsch Steffen Bockhahn Dr. Martina Bunge Roland Claus Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Dr. Lukrezia Jochimsen Jan Korte Caren Lay Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Thomas Lutze Cornelia Möhring Wolfgang Neškovic Thomas Nord Petra Pau Richard Pitterle Paul Schäfer (Köln) Dr. Petra Sitte Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Halina Wawzyniak Das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur (UNAMID): abgegebene Stimmen 557. Mit Ja haben gestimmt 487, mit Nein haben 69 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, und es gab eine Enthaltung. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebenen Stimmen: 556; davon ja: 486 nein: 69 enthalten: 1 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Gitta Connemann Leo Dautzenberg Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Florian Hahn Holger Haibach Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Julia Klöckner Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Nadine Müller (St. Wendel) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Eckhard Pols Lucia Puttrich Daniela Raab Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Ulla Burchardt Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Peter Friedrich Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoðuz Heinz Paula Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Alexander Bonde Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Priska Hinz (Herborn) Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Anna Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein FDP Dr. h. c. Jürgen Koppelin DIE LINKE Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Daðdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Konstantin Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Dorothée Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Neškovic Thomas Nord Petra Pau Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Sabine Stüber Alexander Süßmair Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann Enthalten SPD Petra Hinz (Essen) Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat der Kollege Joachim Spatz für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Joachim Spatz (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird der Grundwehrdienst von neun auf sechs Monate verkürzt und damit ein Beitrag zu mehr Wehrgerechtigkeit geleistet. (Agnes Malczak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Unsinn!) Der vorliegende Gesetzentwurf ist unabhängig von der aktuellen Diskussion über die Wehrpflicht notwendig, damit die jungen Männer, die ab dem 1. Juli ihren Dienst antreten sollen, Rechts- und Planungssicherheit haben. Wenn wir von Rechts- und Planungssicherheit sprechen, meinen wir also nicht in erster Linie die eigenen Regierungseinheiten - die sich allerdings zum Beispiel im Rahmen der Kommission auch beteiligen sollen -, sondern die Betroffenen. Damit ist ein Schritt in die richtige Richtung getan. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Wehrrechtsänderung betrifft auch den Ersatzdienst, weshalb ich dazu ebenfalls ein paar Worte sagen möchte. Wie schon ausgeführt wurde, folgt der Ersatzdienst dem Wehrdienst. Es sollte in der politischen Diskussion nicht zugelassen werden, dass die Notwendigkeiten, die der eine oder andere vielleicht im sozialen Bereich sieht, als Ersatzbegründung für die Aufrechterhaltung der Wehrpflicht herhalten müssen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Spatz, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Nouripour? Joachim Spatz (FDP): Wenn das nicht angerechnet wird, ja. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Uhr ist schon angehalten. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Spatz, als Grund, dieses Gesetz heute zu verabschieden, haben Sie gerade die Planungssicherheit der jungen Männer, die eingezogen werden, angeführt. Was ist aber mit der Planungssicherheit einer Truppe, die die Ausbilder stellen muss und der in zwei Monaten schon wieder ein komplett anderes Modell vorgelegt werden wird? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Joachim Spatz (FDP): Wir sind davon überzeugt, dass die Bundeswehr das hinbekommen wird. (Beifall der Abg. Birgit Homburger [FDP]) Die laufenden Diskussionen sind schon seit einiger Zeit bekannt. Jetzt wird das umgesetzt, was auf Koalitions-ebene vereinbart worden ist. Wir wissen heute noch nicht, was die Zukunft in der Diskussion um die Wehrpflicht bringt und wann Alternativkonzepte tatsächlich zu Beschlüssen führen werden. Ich halte es für nicht hinnehmbar, in der Zwischenzeit bei neun Monaten zu bleiben. (Beifall bei der FDP) Deswegen setzen wir jetzt das um, was bereits umgesetzt werden kann. Im Übrigen kommen auf 26 000 Plätze bei den sozialen Freiwilligendiensten 85 000 Bewerber. Man darf also nicht so tun, als würde im sozialen Bereich die Welt zusammenberechen, wenn wir nicht mehr auf verpflichtende Dienste setzen. Wie Sie schon gesagt haben, werden wir in den bewegten Zeiten, in denen wir leben, weiter über die Zukunft der Wehrpflicht diskutieren können; denn die sicherheitspolitische Situation hat sich im Einsatzjahr 2009 dramatisch weiterentwickelt. Auch auf der Kostenseite gibt es mittlerweile erheblichen Druck. Deshalb werden wir, wenn im Herbst die Ergebnisse der Kommission vorliegen, erneut über eine Gesamtumstrukturierung nachdenken müssen. (Zuruf von der SPD: Das ist Planungssicherheit!) Die Kommission arbeitet ergebnisoffen, wobei ich mir, offen gestanden, nicht vorstellen kann, dass etwas anderes als die Empfehlung, die Wehrpflicht ganz auszusetzen, dabei herauskommen wird. (Beifall bei der FDP - Zuruf von der CDU/ CSU: Warten wir erst mal ab!) Im Übrigen ist nach unserem Dafürhalten die sicherheitspolitische Begründung entfallen. Die Gegner der Aussetzung führen sehr viel häufiger und fast ausschließlich gesellschaftspolitische Gründe an. (Agnes Malczak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gar nicht wahr!) Ich denke, die große Einschränkung, die das für die Betroffenen bedeutet, ist als Begründung zu wenig. Wir brauchen die Ressourcen, die freigesetzt werden, dringend für die Aufgabenstellungen einer Armee im Einsatz. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben deutlich gemacht, dass diese Mittel ganz dringend gebraucht werden. Wir brauchen Längerdiener. Außerdem brauchen wir hinsichtlich der Ausrüstung, des Materials und Ähnlichem entsprechende Möglichkeiten. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir brauchen Fachkräfte!) Wir brauchen eine Attraktivitätssteigerung. Dafür brauchen wir die freien Mittel. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen das Gegenteil: Fachkräfte streichen!) Wie gesagt, all dies sind Dinge, die wir in aller Gründlichkeit diskutieren müssen. Deswegen lehnen wir die Anträge der Grünen und der Linken ab. Es wäre ein Schnellschuss, jetzt die Wehrpflicht auszusetzen, ohne dass wir heute wissen, wie die Antworten auf die Fragen lauten, wie wir die Attraktivität steigern und wie wir gewährleisten, dass wir nicht irgendwelche Bewerber bekommen, sondern Bewerber, die über bestimmte Qualifikationen verfügen. All diese Fragen sind mit einer Grundsatzentscheidung noch nicht beantwortet. Hier geht Sorgfalt vor Schnelligkeit. (Lachen bei Abgeordneten des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNEN - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Woche für ein Gesetz!) Das heißt, wir müssen erst die Antworten im Detail finden und können dann vielleicht dem großen Schritt näherkommen. (Beifall bei der FDP) Alles in allem ist das, was wir jetzt verabschieden, ein Schritt in die richtige Richtung, ein Schritt zu mehr Wehrgerechtigkeit. Wir setzen das um, was im Moment umgesetzt werden kann. Wir greifen nicht Ergebnissen vor, die erst im Herbst erreicht werden können. Danke schön. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Paul Schäfer für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine beliebte Redewendung des Ministers der Verteidigung in diesen Tagen lautet: Man muss die Dinge vom Ende her denken. (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut aufgenommen!) Dieser Gesetzentwurf ist aber nicht vom Ende her gedacht. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist ja auch nicht sein Gesetz! Er ist dagegen!) Das Ende der Wehrpflicht ist absehbar und von ihm selbst angekündigt worden. Mit anderen Worten: Was Sie hier vorlegen, ist Makulatur. Ein Gesetzentwurf, der Makulatur ist, ist nicht nur Murks, sondern verdient es, abgelehnt zu werden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die öffentliche Anhörung in dieser Woche bei den Sachverständigen und den Verbandsvertretern Begeisterungsstürme ausgelöst habe, fällt wohl eher unter die Rubrik der selektiven Wahrnehmung. (Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) Natürlich gab es eine gewisse Erleichterung angesichts der Verkürzung der Pflichtdienstzeit von neun auf sechs Monate. Das ist zunächst einmal positiv. Wenn aber zugleich die Zahl der Betroffenen erhöht wird, die dann eingezogen werden, dann ist das schon mehr als ein Wermutstropfen und löst deutliche Kritik aus. (Markus Grübel [CDU/CSU]: Wehrgerechtigkeit!) Diese wurde auch klar formuliert. Die Unsicherheit, die Sie mit Ihren ständigen Ankündigungen auslösen, ist weit verbreitet, und man fragt sich, was als Nächstes kommt. Die Fraktion Die Linke wird diesen Gesetzentwurf ablehnen, weil wir grundsätzlich gegen Zwangsdienste sind, weil der Gesetzentwurf ungerecht ist, weil er nicht sozial ist und weil wir uns die Wehrpflicht nicht länger leisten können. (Beifall bei der LINKEN) Der Gesetzentwurf ist ungerecht, weil damit eine Situation fortgeschrieben wird. Nicht einmal mehr 15 Prozent eines Jahrgangs der männlichen Jugend leisten den Wehrdienst. Die Bundeswehr ist längst eine Berufs- und Freiwilligenarmee, die sich des Instruments der Wehrpflicht bedient, um Nachwuchs zu rekrutieren. Das ist verfassungsrechtlich nicht in Ordnung und im Übrigen ungerecht. Deshalb lehnen wir das ab. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Gesetzentwurf ist nicht nur deshalb nicht sozial, weil man den Wehrpflichtigen und Zivildienstleistenden Urlaubstage klaut, sondern vor allem deshalb nicht sozial, weil man ein neues öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis bei den freiwillig länger Dienenden konstruiert. Einer der Sachverständigen sprach von "Bundespflegebeamten". Das Interessante ist - ich habe das das letzte Mal schon gesagt -: Diese Bundespflegebeamten, also die Zivis, arbeiten für einen Stundenlohn von 3,75 Euro, Zuschläge inbegriffen. (Markus Grübel [CDU/CSU]: Sie haben nicht zugehört!) Der Mindestlohn, den der Gesetzgeber für den Pflegebereich festgelegt hat - das sei Ihnen noch einmal ins Stammbuch geschrieben -, beträgt 8,50 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten. Das ist sozusagen ein Niedrigstlohnsektor im Niedriglohnsektor, und das ist für uns völlig inakzeptabel. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Stattdessen wäre es nötig, in diesem Bereich ausreichend Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen - das wäre doch eine Herausforderung -, die tariflich entlohnt sind, die langfristig abgesichert sind und für die die Leute auch wirklich qualifiziert sein müssen. Ausbau des öffentlichen Dienstes und in bestimmten Bereichen öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse, das wäre die Antwort auf die Pflegeprobleme und den Pflegenotstand. (Beifall bei der LINKEN) Nun noch ein Wort zu dem Argument: zu teuer; kostet zu viel. Das kostet nicht nur über 1 Milliarde Euro. Es gibt eine neue wissenschaftliche Studie, in der die volkswirtschaftlichen Kosten einer Wehrpflichtarmee berechnet worden sind. Dadurch, dass die jungen Männer dem Arbeitsmarkt entzogen sind, aus dem Produktionsprozess herausgenommen werden, entstehen Kosten von, auf die Bundesrepublik bezogen, 6 Milliarden Euro jährlich. Welch ein Unsinn! Ich stelle zum Schluss fest: Die Bundesregierung hat kein Konzept für die Zukunft der Bundeswehr. Ein Konzept muss auf alle Fälle ohne Wehrpflichtige auskommen, weil Wehrpflichtige für die Landesverteidigung nicht mehr gebraucht werden, nicht einmal für Ihre Auslandseinsätze. Die Fragen, die sich dadurch aufdrängen, lauten: Was ist mit der gesellschaftlichen Einbindung der Streitkräfte? Wie kann man die Kritikfähigkeit gegenüber nicht völkerrechtskonformen Militäreinsätzen aufrechterhalten? Diese Fragen müssen beantwortet werden. Die Antwort lautet: parlamentarisch kontrollierte Streitkräfte, Leitbild des Staatsbürgers in Uniform - statt dienstbeflissener Untertanen -, statt des Auftrags, weltweit militärisch einzugreifen, wenn es der NATO gefällt, Rückbesinnung auf den Kernauftrag "Verteidigung des Landes". Das ist das, was getan werden muss. Hören Sie auf mit dem Stückwerk! Machen Sie jetzt etwas Gescheites, eine klare Zäsur, das heißt Aufhebung der Wehrpflicht! Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Agnes Malczak das Wort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meistens bin ich ja heilfroh, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, die FDP in fast jedem Punkt ausbremsen und kleinhalten: ob bei den Steuersenkungsfantasien oder der weder finanzierbaren noch gerechten Kopfprämie in der Gesundheitspolitik. (Zuruf von der CDU/CSU: Thema verfehlt!) Bei der Frage der Wehrform aber würde ich Ihnen ausnahmsweise doch empfehlen, auf Ihren kleinen Koalitionspartner zu hören. Nicht alles, was die FDP sagt, muss ja automatisch falsch sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Markus Grübel [CDU/CSU]: Da hat sie recht!) Herr Minister, bei diesem Zankapfel der Koalition haben Sie sich selbst für Ihre Fans entzaubert: Vom Ende her denken, eine Aufgabenkritik wagen, kluge Analysen, mutige Antworten statt Festhalten an Traditionsargumenten - das sollte nach Ihren eigenen Aussagen Ihr Amtsverständnis ausmachen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!) Doch was haben Sie in Wirklichkeit getan? Nach langem Hin und Her wollen Sie fürs Erste doch an der Verkürzung des Wehrdienstes festhalten. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er redet ja nicht mal!) Die Wehrpflicht habe sich ja schließlich bewährt, so heißt es. Hektisch, aber ohne jeden Sinn und Verstand jagen Sie den Gesetzentwurf zur Wehrdienstverkürzung durch das Parlament. Damit wollen Sie heute etwas beschließen lassen, das Sie längst schon wieder infrage stellen; (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lars Klingbeil [SPD]) schließlich haben Sie selbst die Aussetzung der Wehrpflicht ins Spiel gebracht. Eine Entscheidung treffen wollen Sie aber erst später. Herr Minister, wo bitte haben Sie hier vom Ende her gedacht? Wo bitte sind bei dieser ganzen Reform die klugen Analysen geblieben? Vielleicht reden Sie heute nicht im Parlament, weil Ihnen das schon selbst aufgefallen ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er kneift! - Markus Grübel [CDU/CSU]: Das ist die Stunde des Parlaments, nicht der Regierung!) So gut wie niemand in der Truppe kann der sechsmonatigen Wehrpflicht etwas abgewinnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Wehrpflicht bindet Personal und Geld und blockiert die dringend notwendige Reform der Bundeswehr. Auch unter den jungen Männern in unserer Gesellschaft findet sich kaum jemand, der von dieser Reform überzeugt ist. Ob neun oder sechs Monate, die Wehrpflicht bleibt ein ungerechter Einschnitt in die Lebensplanung junger Männer. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Da Sie ein überzeugendes Konzept für die Ausgestaltung des verkürzten Wehrdienstes bis heute nicht vorgelegt haben, erwartet die jungen Männer eine sinnlose Warteschleife und die Bundeswehr eine enorme zusätzliche Belastung. Diese Reform schafft mehr Probleme, als bestehende zu lösen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, vom Ende her denken heißt, Reformen der Bundeswehr in eine sicherheitspolitische Gesamtkonzeption einzubinden. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Kirsch, hatte aber in der Expertenanhörung zum Gesetz am Montag kritisiert, dass er noch heute auf eine Antwort auf seine Frage nach der sicherheitspolitischen Begründung dieser Wehrdienstreform wartet. Und nicht nur ihm, sondern diesem Hohen Hause und auch den Bürgerinnen und Bürgern sind Sie genau diese Begründung bisher schuldig geblieben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Minister teilt sie ja nicht! Er ist anderer Auffassung!) Und warum bleiben Sie uns das schuldig? Weil nicht nur diese Reform, sondern auch die Wehrpflicht an sich sicherheitspolitisch nicht mehr begründbar sind. Der einzige Grund für diese Reform, den Sie bisher genannt haben, ist der Koalitionsvertrag. Das ist doch nicht hin- und nicht ausreichend. In Ihrem Koalitionsvertrag steht schließlich viel Unsinn. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kippen Sie doch diese Reform aus dem gleichen Grund, aus dem Sie sich auch von dem Ziel der Steuersenkungen verabschiedet haben: weil beides einfach schlichtweg falsch ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird höchste Zeit, dass wir uns ehrlich machen und die richtigen Fragen stellen. Was soll die Bundeswehr wirklich können, und welche Wehrform ist dafür wirklich notwendig? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die strukturbestimmende Aufgabe der Bundeswehr ist die multilaterale UN-mandatierte Konfliktlösung und -vermeidung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dafür muss die Bundeswehr ausgebildet, ausgerüstet und strukturiert werden. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! Der Minister nickt!) Wenn wir so vom Ende her denken, wird deutlich, dass nur mit der Freiwilligenarmee der notwendige Umbau der Bundeswehr gelingen kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, abschließend möchte ich Sie deshalb darauf hinweisen, dass es auch jetzt noch eine Möglichkeit gibt, Ihren langen Weg der Irrungen und Wirrungen bei der Wehrrechtsreform endlich zu verlassen: Sie wollen hier ein Gesetz beschließen, das Sie selbst nicht für überzeugend halten und dem auch Sie selbst nur eine begrenzte Haltbarkeitsdauer zuschreiben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie haben aber die Möglichkeit, einen geraden Weg - weg von der Wehrpflicht hin zur Freiwilligenarmee - einzuschlagen. Dafür sollten Sie unserem Antrag, dem Antrag der Grünen, zustimmen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Dr. Reinhard Brandl das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wieso redet eigentlich der Minister nicht? Was ist denn mit dem Herrn Minister? - Gegenruf des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU]: Zweite und dritte Beratung sind Stunden des Parlaments!) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben als christlich-liberale Koalition in unserem Koalitionsvertrag festgelegt - damit haben Sie recht, Frau Malczak -, dass wir angesichts grundlegender Veränderungen in der sicherheitspolitischen Lage sowie im Auftrag und im Aufgabenspektrum der Bundeswehr die Wehrpflicht auf sechs Monate verkürzen. Dieses Vorhaben setzen wir heute in die Tat um. Es ist ein Signal an die jungen Männer, dass wir sorgsam mit ihrer Lebenszeit umgehen und die Länge des Pflichtdienstes auf ein Mindestmaß reduzieren. Es ist aber auch ein Auftrag vor allem an die Bundeswehr, in sechs Monaten eine komprimierte Form des Dienstes anzubieten, der sowohl für den Einzelnen als auch für die Bundeswehr selbst sinnvoll ausgestaltet ist. Nur wenn uns das gelingt, werden wir auch mit dieser verkürzten Form der Wehrpflicht langfristig Akzeptanz in der Gesellschaft finden. Auch die zweite große Aufgabe aus unserem Koalitionsvertrag ist Minister Guttenberg gleich nach der Wahl angegangen: die dringend notwendige Reform der Strukturen der Bundeswehr. Die Organisation heute passt nicht zu den Anforderungen einer Armee in permanentem Auslandseinsatz. Verschärfend kommt hinzu, dass auch das Bundesministerium der Verteidigung einen Teil zur Konsolidierung der Staatsfinanzen beisteuern muss. Es wird langfristig also weniger Geld zur Verfügung stehen. Es ist in dieser Situation keine Lösung, an all dem, was wir uns heute an Strukturen leisten, einfach festzuhalten und nur mit der Rasenmähermethode im Budget zu kürzen. Damit werden wir unserer Verantwortung für die Soldaten nicht gerecht. Das Kabinett hat deswegen letzte Woche dem Bundesministerium der Verteidigung den Auftrag erteilt, in Zusammenarbeit mit der Strukturkommission zu prüfen, welche Folgen unter anderem eine deutliche Reduzierung des Personals der Streitkräfte für die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands hätte. Es macht jetzt keinen Sinn, dem Ergebnis dieser Arbeit vorzugreifen und Tabus in Bezug auf die Wehrpflicht aufzustellen. Im Gegenteil: Wir sind es den jungen Männern, die ihren Wehr- oder ihren Ersatzdienst für unser Land ableisten, sogar schuldig, regelmäßig zu überprüfen, ob ihr Dienst sicherheitspolitisch weiterhin begründbar ist oder nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dieser Debatte müssen wir uns immer wieder stellen und sie auch offen und ehrlich führen. Denn auch das ist Grundlage für die Akzeptanz der Wehrpflicht in unserer Gesellschaft. Ausschlaggebend können in einer solch grundsätzlichen Debatte aber nicht nur die momentanen Einsatzanforderungen oder gar die Kassenlage sein. (Florian Hahn [CDU/CSU]: So ist es!) Ein Blick in unsere jüngere Geschichte zeigt doch, wie schnell sich Bedrohungslagen und Einsatzszenarien verändern können. In den 80er-Jahren war die Bundeswehr noch voll auf den Ost-West-Konflikt ausgerichtet. Dann kam für viele überraschend der 9. November 1989 und der Fall des Eisernen Vorhangs. Kurz darauf begann der Krieg auf dem Balkan. Es entstand eine vollkommen neue sicherheitspolitische Lage in Europa, verbunden mit ganz neuen Einsatzaufgaben für die Bundeswehr. Dann kam, wieder überraschend, der 11. September 2001, der uns in schrecklicher Art und Weise die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus vor Augen geführt hat. Diese Bedrohung bestimmt unsere Einsätze heute. Wenn wir uns jetzt im Zuge einer Reformdebatte über die Wehrform der Zukunft unterhalten, müssen wir uns folgende Fragen stellen: Was sind die wahrscheinlichen Einsatzszenarien der Zukunft? Was sind unwahrscheinliche Szenarien - Stichwort Landes- und Bündnisverteidigung -, und bis zu welchem Grad wollen wir uns auch dafür wappnen? Wie muss die Bundeswehr für diese Szenarien aufgestellt sein? Daraus abgeleitet: Brauchen wir in diesen Szenarien die Wehrpflicht zum Beispiel als Grundlage für die Aufwuchsfähigkeit der Bundeswehr im Krisenfall, ja oder nein? Wir begründen die Wehrpflicht sicherheitspolitisch. Die Wehrpflicht hat aber auch zu einer tiefen Verankerung der Bundeswehr in unserer Gesellschaft geführt. Das ist nicht der Grund für die Wehrpflicht, aber es ist für mich ein Wert an sich. (Beifall bei der CDU/CSU) Eine grundsätzliche Debatte werden wir in den nächsten Monaten intensiv führen. Sie ist aber zu trennen von dem Gesetzentwurf, über den wir heute hier diskutieren. Wir haben auch eine Verantwortung für diejenigen Wehrpflichtigen, die jetzt kurz vor ihrer Einberufung stehen. Diesen jungen Menschen geben wir mit diesem Gesetzentwurf Planungssicherheit. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich als letztem Redner in dieser Debatte dem Kollegen Lars Klingbeil (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, es spricht noch Freiherr zu Guttenberg!) das Wort gebe, bitte ich Sie um die notwendige Aufmerksamkeit. Wir haben genügend Sitzgelegenheiten, sodass Sie der Debatte bis zum Schluss folgen können. Bevor wir namentlich abstimmen, haben wir noch einige einfache Abstimmungen durchzuführen. Ich bitte Sie also auch für den letzten Redner um den notwendigen Respekt. Das Wort hat nun der Kollege Lars Klingbeil für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Lars Klingbeil (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit ihrer Einführung haben mehr als 8 Millionen junge Männer Wehrdienst in Deutschland geleistet. Mehr als 50 Jahre hat die Wehrpflicht unsere Gesellschaft geprägt. Aber es sind Zweifel am bestehenden System der Wehrpflicht gewachsen. Es ist unsere Aufgabe als Politiker, sicherheitspolitisch zu begründen, ob wir noch eine Wehrpflicht in Deutschland brauchen. Es ist jetzt an uns, auf der Höhe der Zeit zu sein und den sicherheitspolitischen Herausforderungen gerecht zu werden. Dies ist unsere Pflicht, und hieran werden wir gemessen. Die Diskussion über die Wehrpflicht gehört nicht in das politische Hinterzimmer. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Diese Debatte bewegt unsere Gesellschaft. Im Parlament wird deutlich: FDP, Grüne und Linkspartei sind sich einig, wenn es darum geht, die Wehrpflicht abzuschaffen. In der SPD gibt es Befürworter und Kritiker. Wir haben uns nach einer langen Debatte auf ein Modell verständigt, das auf mehr Freiwilligkeit setzt und vor allem einen gesellschaftlichen Konsens sucht. Selbst in der Union, die bisher aus ideologischen Gründen an der Wehrpflicht festgehalten hat, ist die Aussetzung der Wehrpflicht kein Tabuthema mehr. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur beim Bundesverteidigungsminister!) Der CSU-Verteidigungsminister, der vor kurzem noch verkündete, eine Abschaffung sei mit ihm nicht zu machen, gehört nun zur Speerspitze der Wehrpflichtkritiker. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sehen Sie, wie flexibel dieser Mann ist!) All dies zeigt, wie verschieden die Positionen zur Wehrpflicht sind. Auch durch Umfragen wird belegt, dass unser Land in dieser Frage gespalten ist. Wir haben nun gemeinsam die Herausforderung zu bewältigen, eine politische Reform zu suchen, die für einen breiten gesellschaftlichen Konsens steht. Was aber ist die Antwort der Regierung auf diese Herausforderung? "W6". Sie lassen die Wehrpflicht zu einem sechsmonatigen Praktikum bei der Bundeswehr verkommen. Ich sage Ihnen: Sicherheitspolitisch macht das keinen Sinn. Die Gerechtigkeitsfrage wird nicht gelöst. Der Zivildienst wird in seiner jetzigen Form massiv unter Druck gesetzt. Zu allem Überfluss steigen auch noch die Kosten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich habe bisher niemanden getroffen, der ernsthaft die Meinung vertreten hat, dass ein Wehrdienst von sechs Monaten einen erhöhten Nutzen für unsere Streitkräfte, geschweige denn für unsere Gesellschaft hat. Auch Sie sind heute wieder jede Erklärung schuldig geblieben, worin eigentlich der Sinn einer sechsmonatigen Wehrpflicht liegen soll. (Zuruf von der FDP: Mehr Freiheit!) Wenn Sie ehrlich sind, geht es doch nur darum, endlich einmal ein schwarz-gelbes Projekt aus dem Koalitionsvertrag zu verabschieden. Mit dem Kopf durch die Wand, das ist das Motto der heutigen Abstimmung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Schlimmste ist, dass dieser Gesetzentwurf das Papier nicht wert ist, auf dem er gedruckt wurde. Noch vor der Verabschiedung hier im Parlament hören wir, dass Teile der Union nun für eine komplette Abschaffung der Wehrpflicht plädieren. Herr Minister, ich will Ihnen sagen: Als Neuling im Deutschen Bundestag habe ich aufgehorcht, als Sie von einem Höchstmaß an Transparenz und Zusammenarbeit sowie von Wahrheit und Klarheit gesprochen haben. Nach sieben Monaten muss ich Ihnen aber leider sagen: Es waren nur leere Worte. Wir von der Opposition haben fast damit gerechnet. Aber auch gegenüber Ihren eigenen Reihen haben Sie nicht das eingehalten, was Sie angekündigt haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erst schließen Sie eine Abschaffung der Wehrpflicht aus. Dann wird im Eiltempo eine Verkürzung auf sechs Monate durch das Parlament gejagt. Sie setzen eine unabhängige Strukturkommission ein, die ohne Tabus tagen soll, und dann preschen Sie als Antwort auf das Spardiktat mit der Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht vor, noch bevor die Verkürzung der Wehrpflicht hier im Parlament beschlossen wurde. Diese schwarz-gelbe Logik erschließt sich mir nicht. Ich sage: Auch draußen versteht niemand, was wir hier heute diskutieren und beschließen. In der Truppe versteht das erst recht keiner. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unser Angebot gilt weiterhin. Wir sind zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bereit. Nutzen Sie nicht politische Mehrheiten, sondern suchen Sie gesellschaftliche Mehrheiten. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit den richtigen Maßnahmen diejenigen für die Bundeswehr gewinnen können, die wir brauchen, und zwar auf freiwilliger Basis. Ich fordere Sie also noch einmal auf: Verzichten Sie auf W6! Zeigen Sie heute Stärke und Klarheit! Ich garantiere Ihnen: Es wird keine Häme von unserer Seite geben, (Zuruf von der FDP: Von dir nicht, aber von anderen!) wenn Sie ein weiteres Vorhaben Ihres Koalitionsvertrages abräumen. Wir wissen, dass die sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit größere Antworten brauchen als W6. Herr zu Guttenberg, es liegt an Ihnen. Herzlichen Dank für das Zuhören. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010. Mir liegen mehrere Erklärungen nach § 31 Abs. 1 und eine Erklärung des Kollegen Hans-Ulrich Klose nach § 31 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung vor5. Der Verteidigungsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2174, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/1953 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wir stimmen nun über den Gesetzentwurf auf Verlangen der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen namentlich ab. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir im Anschluss eine weitere namentliche Abstimmung durchführen werden. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen, und ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, zu überprüfen, ob ihr Name auf ihrer Abstimmungskarte steht. Sind alle Schriftführerinnen und Schriftführer an den vorgesehenen Plätzen? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Gibt es noch ein Mitglied des Hauses, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.6 Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde gern die Abstimmungen fortsetzen, vorausgesetzt, jede Kollegin und jeder Kollege kann hören, worum es gerade geht und sich dann entsprechend sachgerecht verhalten. Tun Sie mir den Gefallen und unterstützen Sie mich dabei. Wir setzen die Abstimmungen mit dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/2197 fort. Auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmen wir über den Entschließungsantrag namentlich ab. Ich bitte wiederum die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Wahlurnen besetzt? - Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgeben konnte? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.7 Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Verteidigungsausschusses auf Drucksache 17/2174 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/1736 mit dem Titel "Abschaffung der Wehrpflicht". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1431 mit dem Titel "Wehrpflicht beenden". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 a und 12 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Christine Lambrecht, Petra Crone, Dr. Peter Danckert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften - Drucksache 17/2113 - Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss (f) Innenausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Jan Korte, Cornelia Möhring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Öffnung der Ehe - Drucksache 17/2023 - Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss (f) Innenausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Ute Granold für die Unionsfraktion, Christine Lambrecht für die SPD-Fraktion, Stephan Thomae und Michael Kauch für die FDP-Fraktion, Dr. Barbara Höll für die Fraktion Die Linke und Volker Beck für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.8 Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/2113 und 17/2023 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt - Beschäftigungschancengesetz - Drucksache 17/1945 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO Auch hier wurde interfraktionell vorgeschlagen, die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. - Ich sehe, Sie sind auch hier einverstanden. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Paul Lehrieder für die Unionsfraktion, Gabriele Lösekrug-Möller für die SPD-Fraktion, Dr. Heinrich L. Kolb und Johannes Vogel (Lüdenscheid) für die FDP, Sabine Zimmermann für die Fraktion Die Linke, Brigitte Pothmer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe für die Bundesregierung.9 Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/1945 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Diana Golze, Dr. Petra Sitte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Fachkräfteprogramm - Bildung und Erziehung - unverzüglich auf den Weg bringen - Drucksache 17/2019 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Marcus Weinberg (Hamburg), Ewa Klamt für die Unionsfraktion, Marianne Schieder (Schwandorf), Caren Marks für die SPD-Fraktion, Sylvia Canel für die FDP-Fraktion, Dr. Rosemarie Hein für die Fraktion Die Linke und Priska Hinz (Herborn) für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.10 Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/2019 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 a und 15 b auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen - Drucksachen 17/1291, 17/1457 - Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - Drucksache 17/2181 - Berichterstattung: Abgeordnete Ralph Brinkhaus Manfred Zöllmer Björn Sänger Dr. Gerhard Schick b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicolette Kressl, Joachim Poß, Ingrid Arndt-Brauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Maßnahmenbündel gegen Spekulationen auf den Finanzmärkten und ungerechtfertigte Banker-Boni - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Richard Pitterle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Dem Vorbild Großbritanniens und Frankreichs folgen - Boni-Steuer für die Finanzbranche einführen - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Fritz Kuhn, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gehaltsexzesse nicht länger auf Kosten der Allgemeinheit - Drucksachen 17/526, 17/452, 17/794, 17/2181 - Berichterstattung: Abgeordnete Ralph Brinkhaus Manfred Zöllmer Björn Sänger Dr. Gerhard Schick Der Finanzausschuss hat in diese Beschlussempfehlung den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/794 einbezogen. Über diese Vorlage soll jetzt ebenfalls abschließend beraten werden. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist so beschlossen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die Unionsfraktion der Kollege Ralph Brinkhaus. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben im Mai das Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung verabschiedet. Heute beschließen wir in dritter Lesung ein zweites Gesetz zur Regulierung der Kapitalmärkte, das Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Finanzinstituten. Wir werden mit diesem Gesetz Banken und Versicherungen dazu verpflichten, ihre Vergütungssysteme angemessen, transparent und nachhaltig zu gestalten. Sollte ein Institut in eine ernsthafte Schieflage geraten, wird es den Aufsichtsbehörden ermöglicht, einzugreifen und die Auszahlung von variablen Vergütungsbestandteilen zu verbieten. Der vorliegende Gesetzentwurf ist notwendig geworden, weil durch unangemessen hohe, auf kurzfristige Gewinne ausgerichtete Boni eine Risikobereitschaft gefördert wurde, die letztlich zur Finanzkrise beigetragen hat. In den letzten Wochen haben wir uns alle sehr intensiv mit diesem Gesetzentwurf beschäftigt: in vielen Einzelgesprächen mit Gewerkschaften und Verbänden, in unseren Arbeitsgruppen, in Ausschüssen, in einer öffentlichen Anhörung und natürlich auch hier im Plenum. Die Diskussionen waren fair, sachlich und konstruktiv. Dafür möchte ich mich bei allen Beteiligten bedanken, ganz besonders bei meinem Berichterstatterkollegen von der FDP. Die Zusammenarbeit war wie immer sehr gut. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wird, wie bereits erläutert, durch das Gesetz ermöglicht, in Vergütungssysteme einzugreifen. Im Rahmen unserer Beratungen haben wir alle sehr intensiv diskutiert, ob das Gesetz in die im Grundgesetz festgeschriebene Tarifautonomie eingreift. Um klarzustellen, dass wir diesen Eingriff nicht wollen, haben wir zusätzliche Formulierungen in den Gesetzentwurf eingefügt. Wir haben damit den Bedenken und Änderungswünschen von Gewerkschaften, aber auch von Verbänden Rechnung getragen. Insofern zeigt sich, dass die gerne geschmähten Interessenvertreter oder Lobbyisten hin und wieder auch dazu beitragen, dass ein Gesetz besser wird. Wir haben auch darüber beraten, was passiert, wenn die BaFin die Auszahlung von variablen Vergütungsbestandteilen aufgrund einer Schieflage untersagt. Vom Finanzministerium wurde klargestellt: Wenn sich das Unternehmen wieder erholt, dann kann der Manager oder Anspruchsberechtigte die Auszahlung der einbehaltenen Boni einfordern. Sollte das Institut zum Überleben aber dauerhaft Staatshilfen benötigen, dann ist es wohl nicht fair, dass diese Ansprüche bestehen bleiben. Dies ist bislang allerdings noch nicht geregelt. Die Regierungsfraktionen haben die Regierung daher gebeten, diesen Sachverhalt in ihrem Entwurf eines Restrukturierungsgesetzes, der im Sommer kommen wird, zu berücksichtigen. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Warum nicht gleich?) Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf haben wir auch darüber gesprochen, inwieweit sich das Gesetz mit der gleichen Vergütung von Mann und Frau sowie der Ausrichtung der Vergütungssysteme an der Kundenzufriedenheit beschäftigen sollte. Wir haben in diesem Fall der Schnelligkeit, das heißt, dem Bestreben, das Gesetz zügig zu verabschieden, Vorrang gegeben. Aufgrund der Bedeutung für die Stabilität der Finanzmärkte wollen wir noch vor der Sommerpause eine Entscheidung treffen. Deswegen haben wir dieses Gesetz nicht überfrachten wollen. Das heißt allerdings nicht, dass wir uns mit diesen wichtigen Themen nicht weiter beschäftigen werden. Auch heute hat sich die alte Regel bewahrheitet - ich glaube, sie stammt von der SPD, von Herrn Struck -: Kein Gesetz verlässt das Parlament so, wie es hineingekommen ist. Das ist auch gut so. Es ist unsere Aufgabe, zu prüfen und gegebenenfalls zu ändern. Dem einen oder anderen mag die Regulierungsdichte in diesem Gesetz nicht weit genug gehen. Aber ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, dass dieses Gesetz nach dem Gesetz zu den Vorstandsvergütungen ein weiterer Schritt in Richtung einer guten und nachhaltigen Vergütungsstruktur bei Banken und Versicherungen ist. Ich möchte daher bei allen Beteiligten um Zustimmung für dieses Gesetz werben. Dieses Gesetz ist aber nur ein kleiner Bestandteil eines umfangreichen Maßnahmenpaketes, das die Stabilität und Sicherheit der Finanzmärkte erhöhen soll. Das ist ein Paket, das von der alten und von der neuen Bundesregierung, von europäischen Institutionen und der G-20-Gruppe auf den Weg gebracht worden ist. Ich möchte uns allen noch einmal die wichtigen Elemente vor Augen führen: Wir haben ein europaweites Risikofrühwarnsystem für Finanzkrisen entwickelt. Im nächsten Jahr wird der Europäische Ausschuss für Systemrisiken an den Start gehen. Seine Aufgabe ist es, in enger Zusammenarbeit mit der EZB frühzeitig Probleme zu identifizieren und Handlungsempfehlungen zu geben. Ziel ist es, dass wir Krisen früher erkennen. Besser als eine rechtzeitig erkannte Krise ist es aber, keine Krise zu haben. Deswegen werden wir dafür eintreten, dass solche Krisen unwahrscheinlicher werden. Auch dafür gibt es ein umfangreiches Maßnahmenbündel. Um Krisen frühzeitig verhindern zu können, müssen wir erst einmal wissen, was auf den Finanzmärkten passiert. Das heißt, wir brauchen Transparenz. Diese Transparenz gab es in der Vergangenheit nicht. Wir hatten zum Beispiel keine harten Fakten darüber, ob gegen Griechenland oder den Euro tatsächlich spekuliert worden ist. Deswegen wollen wir den Handel mit Derivaten über Börsen oder einsehbare Handelsplätze abwickeln. Darüber hinaus werden wir für bestimmte Geschäfte wie Leerverkäufe Meldepflichten einführen. Auch das haben wir in dieser Woche auf den Weg gebracht. Um Krisen zu vermeiden, meine Damen und Herren, brauchen wir stabile Finanzinstitute. Je mehr Eigenkapital eine Bank hat, umso stabiler ist sie. Wir haben hierzu in dieser Woche zum Beispiel die Umsetzung einer EU-Richtlinie, der Kapitaladäquanzrichtlinie, beraten. Wir werden zum Thema Eigenkapital im sogenannten Basel-III-Prozess weitere Festlegungen treffen. Die Akteure auf dem Finanzmarkt müssen zudem für ihr Tun haften, das heißt, Verantwortung übernehmen. Deswegen wollen wir es verbieten, dass derjenige, der ein Risiko eingeht, dieses Risiko ohne Eigenbehalt weitergibt. Deswegen beschäftigen wir uns mit den Verbriefungsregeln. Auch das haben wir in dieser Woche auf den Weg gebracht. Außerdem brauchen wir Regelungen für die Vergütungssysteme. Diese werden wir hoffentlich heute Abend verabschieden. Wir sind uns aber darüber im Klaren, dass es trotz all dieser Sicherungsmaßnahmen keine hundertprozentige Sicherheit gibt, dass eine Bank nicht in Schieflage gerät. Das hat viel damit zu tun, dass wir auch weiterhin wollen, dass in der Marktwirtschaft Entscheidungen getroffen werden. Das beinhaltet, dass man auch Fehler machen kann, dass man gegebenenfalls auch vom Markt verschwinden kann. Wir wollen nur eines: dass die Institute, die vom Markt verschwinden, nicht andere Institute mitreißen. Deswegen werden wir ein neues Insolvenz- und Restrukturierungsregime für Finanzinstitute auf den Weg bringen. Im Sommer werden wir hierzu die ersten Vorschläge von der Regierung erhalten. In der Vergangenheit haben wir viel Steuergeld in das Finanzsystem gesteckt. Deswegen werden wir das Bankensystem daran beteiligen, die Haushalte zu konsolidieren. Im Eckpunktepapier zum Sparpaket der Bundesregierung ist dies ausgeführt. (Nicolette Kressl [SPD]: Nein! Das ist etwas anderes! - Manfred Zöllmer [SPD]: Da ist gar nichts ausgeführt!) Wir wollen, dass Krisen vom Finanzsystem zukünftig selbst reguliert werden. Deswegen werden wir einen Rettungsfonds einrichten, der durch eine Bankenabgabe gespeist wird. Auch hierzu hat das Bundeskabinett die Eckpunkte bereits festgelegt. Das sind nur einige Bestandteile eines umfassenden Systems, das die Finanzwelt ein wenig sicherer machen soll. Das heute zu verabschiedende Gesetz ist ein Bestandteil dieses Systems und daher sehr wichtig. Wir alle wissen um die internationale Vernetzung in der Finanzwelt. Wir müssen international und europäisch abgestimmte Lösungen finden. (Manfred Zöllmer [SPD]: Dazu ist doch Merkel nicht in der Lage!) Beim vorliegenden Gesetzentwurf ist uns das im Wesentlichen gelungen. In vielen anderen Bereichen herrscht aber leider Stillstand. Deswegen ist es richtig, dass Deutschland als stärkste europäische Volkswirtschaft gegebenenfalls alleine vorangeht und Zeichen setzt. Die Bundesregierung hat dies mit dem Verbot von bestimmten Leerverkäufen getan. Auch das ist gut so. Ich bin mir sicher, dass andere EU-Staaten folgen werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Manfred Zöllmer [SPD]: Keine Drohungen!) In schwierigen Zeiten ist es wichtig, Führung zu übernehmen. Die christlich-liberale Koalition zeigt mit ihren Gesetzesvorhaben zur Finanzmarktregulierung, dass sie führen kann und will. Wir haben gute Dinge auf den Weg gebracht. Weitere Vorhaben werden folgen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt liegen noch Anträge von SPD, Grünen und Linken vor. In diesen etwas älteren Anträgen werden viele wichtige Probleme angesprochen und Lösungen vorgeschlagen. Wir stimmen, wie nicht anders zu erwarten, nicht in allen Punkten überein; aber wenn Sie das betrachten, was die Bundesregierung in den vergangenen Wochen und Monaten umgesetzt hat, dann sehen Sie, dass sich viele Ihrer Vorschläge erledigt haben. Insofern möchte ich die Übereinstimmungen und nicht den Dissens betonen. Ich möchte das an einigen Beispielen erläutern. Sie von den Linken und auch von den Grünen haben sich sehr stark damit beschäftigt, eine Bonibesteuerung auf den Weg zu bringen. Auch wir sind mit den Bonistrukturen unzufrieden. Deswegen haben wir das Vorstandsvergütungsgesetz beschlossen und beschließen heute das Aufsichtsvergütungsgesetz. Wir werden auch weiterhin die mögliche Einführung einer Financial Activities Tax prüfen, die genau bei diesen Boni ansetzen soll. Sie von der SPD haben unter anderem beantragt - alles auszuführen würde jetzt zu weit führen -, (Nicolette Kressl [SPD]: Aber gut wäre es schon!) dass die öffentlichen Lasten aus der Krisenbekämpfung angemessen verteilt werden. Wir haben hierzu bereits eine risikoadjustierte Bankenabgabe angekündigt. (Nicolette Kressl [SPD]: Angekündigt! - Manfred Zöllmer [SPD]: Im Ankündigen sind Sie groß!) Wir werden dies umsetzen. Insofern kommen wir auch dieser Sache nach. Wir bleiben trotz vieler Übereinstimmungen bei unserem Weg - das ist jetzt kein mangelnder Respekt für Ihre Vorschläge - und werden Ihre Anträge ablehnen. Ich denke, dass uns das nicht daran hindern sollte, weiter vernünftig zusammenzuarbeiten; denn das ist nötig. Einige wichtige Fragen zur Zukunft der Finanzmärkte sind noch nicht beantwortet. Ich möchte hierzu Überlegungen anstellen. Wie soll der Finanzplatz Europa, der Finanzplatz Deutschland in der Zukunft aussehen? Welches Bild haben wir von diesem Finanzplatz? Hierzu stellen sich einige Fragen. Ganz pragmatisch: Wie werden es die deutschen Finanzinstitute in den nächsten Monaten und Jahren schaffen, die notwendigen Eigenkapitalanforderungen zu erfüllen? Sehr grundsätzlich: Welche Wettbewerbsstrukturen möchten wir auf dem Finanzmarkt in Deutschland, in Europa und in der Welt haben? Akzeptieren wir weiterhin oligopolistische Strukturen mit wenigen Global Playern, oder wollen wir einen Mittelstand haben, oder wollen wir beides haben? Was müssen wir dafür tun? Sehr wichtig ist auch die Frage: Wie gehen wir mit den Teilen des Finanzmarktes um, die nicht reguliert sind, zum Beispiel die Hedgefonds? Lassen wir es zu, dass aus dem regulierten Teil Liquidität, das heißt Risiko, in den unregulierten Teil geht, oder wollen wir die Verbindung kappen? Auch das ist eine Frage, die wir beantworten müssen. (Manfred Zöllmer [SPD]: Sie sollten zu Antworten kommen und nicht nur zu Fragen!) Eine Frage, die für die Menschen in diesem Land sehr entscheidend ist und für die wir noch keine überzeugende Antwort gefunden haben, lautet: Ist es möglich, die wesentlichen Akteure auf den Finanzmärkten für ihr Tun in die persönliche Haftung zu nehmen? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Es gibt durchaus noch mehr Fragen. Die gerade genannten erscheinen mir besonders wichtig. Lassen Sie uns Antworten darauf finden, und zwar so fair und konstruktiv, wie wir diesen Gesetzgebungsprozess durchgeführt haben. Wir müssen am Ende des Tages nicht einer Meinung sein - ich befürchte, das werden wir auch heute Abend nicht sein -, aber es lohnt sich, zusammenzuarbeiten und aus dem einen oder anderen politischen oder taktischen Graben zu steigen. Das würde den Finanzmärkten und dem Land an der einen oder anderen Stelle guttun. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich komme zurück zu den namentlichen Abstimmungen. Zuerst das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: abgegebene Stimmen 554. Mit Ja haben gestimmt 303, mit Nein 250 Kolleginnen und Kollegen. Es gab eine Enthaltung. Der Gesetzentwurf ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebenen Stimmen: 552; davon ja: 303 nein: 248 enthalten: 1 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Gitta Connemann Leo Dautzenberg Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Florian Hahn Holger Haibach Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Julia Klöckner Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Nadine Müller (St. Wendel) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Eckhard Pols Lucia Puttrich Daniela Raab Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabi Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Nein SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Ulla Burchardt Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Peter Friedrich Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoðuz Heinz Paula Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder (Schwandorf) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries DIE LINKE Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Daðdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Andrej Konstantin Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Dorothée Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Neškovic Thomas Nord Petra Pau Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Sabine Stüber Alexander Süßmair Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Alexander Bonde Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Priska Hinz (Herborn) Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Anna Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Elisabeth Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Valerie Wilms Enthalten FDP Jimmy Schulz Wir kommen zum Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung. Hier geht es um den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu diesem Gesetzentwurf. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: abgegebene Stimmen 553. Mit Ja haben gestimmt 111 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein 310. Es gab 132 Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebenen Stimmen: 552; davon ja: 110 nein: 310 enthalten: 132 Ja SPD Gabriele Hiller-Ohm Swen Schulz (Spandau) DIE LINKE Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Thomas Lutze Dorothée Menzner Cornelia Möhring Thomas Nord Petra Pau Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Sabine Stüber Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Alexander Bonde Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Priska Hinz (Herborn) Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Anna Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Dr. Valerie Wilms Nein CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Gitta Connemann Leo Dautzenberg Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Florian Hahn Holger Haibach Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Julia Klöckner Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Nadine Müller (St. Wendel) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Eckhard Pols Lucia Puttrich Daniela Raab Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Dr. Hans-Peter Bartels Garrelt Duin Johannes Kahrs Kirsten Lühmann Michael Roth (Heringen) Bernd Scheelen FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Enthalten SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Ulla Burchardt Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Peter Friedrich Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoðuz Heinz Paula Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder (Schwandorf) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries DIE LINKE Herbert Behrens Karin Binder Christine Buchholz Sevim Daðdelen Dr. Diether Dehm Nicole Gohlke Heike Hänsel Andrej Konstantin Hunko Ulla Jelpke Dr. Gesine Lötzsch Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Neškovic Alexander Süßmair Kathrin Vogler Sahra Wagenknecht Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat der Kollege Manfred Zöllmer für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Manfred Zöllmer (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brinkhaus, es ist schön, dass Sie noch einmal betont haben, dass die Koalitionspartner in diesem Fall nicht über Wildsäue und Gurkentruppen gestritten haben, sondern offenkundig an der Sache gearbeitet haben. Wie das Ergebnis ausgefallen ist, ist eine andere Frage. Das werden wir jetzt bewerten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bis zur Finanzkrise waren Banker diejenige Berufsgruppe, die mit großem Abstand am besten bezahlt wurde. Es waren wahre Gehaltsexzesse. Sie waren eine wichtige Ursache für das finanzmarktpolitische Desaster. (Widerspruch bei der CDU/CSU) In den Finanzmärkten wurden nicht Millionen verteilt, es wurden Milliarden verteilt, lieber Herr Kollege - Summen jenseits jedes Vorstellungsvermögens. Es herrschte nackte Gier. Die Profiteure dieser Exzesse lebten auf einem anderen Stern. Das Geld ging im Übrigen auch an Manager, deren Institute heute entweder nicht mehr existieren oder nur noch mit umfassender staatlicher Hilfe weiter existieren. Die Vergütungsmodelle boten Managern einen Anreiz, mehr auf kurzfristige Erträge zu setzen und die langfristige Entwicklung außer Acht zu lassen; dies hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich festgestellt. Die Gehaltsexzesse wurden damit zu einer der zentralen, der wesentlichen Ursachen der Finanzkrise. Im Ergebnis wurden immer abenteuerlichere Konstruktionen im Finanzbereich auf den Markt gebracht, bis das System kollabierte. Jetzt hat sich auch die Wissenschaft mit diesen Fragen beschäftigt. Es ist ein ganz eindeutiger Zusammenhang zwischen Vergütungssystemen auf der einen Seite und der Verursachung der Finanzkrise auf der anderen Seite festgestellt worden. Es stellt sich allerdings die Frage, warum sich die Wissenschaft erst jetzt mit diesem Thema beschäftigt. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wie hieß denn damals der Finanzminister? - Gegenruf der Abg. Nicolette Kressl [SPD]: "Wissenschaft" hat er gesagt, Herr Michelbach! Nicht einmal zuhören kann er! Ist es Ihnen etwa schon zu spät?) - Herr Michelbach, ich spreche von der Wissenschaft. Es war im Übrigen der Finanzminister, der dieses Gesetz auf den Weg gebracht hat, von dem Sie eben so lobend gesprochen haben, nur damit wir uns richtig verstehen. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Unser guter Einfluss!) - Ja, er ist ein guter Mann. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen will die Bundesregierung nunmehr gegen eine wesentliche Ursache, nämlich solche verfehlten Vergütungsanreize, vorgehen. Damit setzt sie den Weg fort, den der eben von mir angesprochene Finanzminister in der Großen Koalition mit dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung auf den Weg gebracht hatte. Es geht um die Frage, wie Vergütungssysteme ausgestaltet, überwacht und weiterentwickelt werden können. Ähnlich wie das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung verfolgt auch dieses Gesetz das Ziel, die Vergütung stärker auf den langfristigen Erfolg eines Unternehmens auszurichten. Vergütungssysteme sollen angemessen, transparent und auf eine nachhaltige Entwicklung des Unternehmens ausgerichtet sein. Das ist im Kern völlig richtig. Die Details der Ausgestaltung - wie sich etwa die Vergütung zusammensetzt und wie die Leistungszeiträume aussehen sollen - wird das Bundesfinanzministerium in nachfolgenden Rechtsverordnungen regeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiteres wichtiges Ziel ist es, zu verhindern, dass vor dem Hintergrund einer schwierigen wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens unangemessen hohe Bonuszahlungen erfolgen. Deshalb wird die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit entsprechenden Eingriffsrechten ausgestattet. Sie kann die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile untersagen oder auf einen bestimmten Anteil des Jahresergebnisses beschränken. Mit dem Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen setzt die Bundesregierung im Wesentlichen die internationalen Vereinbarungen um, die auf dem G-20-Treffen des vergangenen Jahres besprochen und vom Rat für Finanzstabilität als Standards entwickelt wurden. Aber wieder einmal gibt es keine eigenen Initiativen der Bundesregierung, die über solche Vorgaben hinausgehen. Die Ergebnisse der Anhörung zeigen, dass mit dem Gesetzentwurf nur Mindestanforderungen gesetzlich umgesetzt werden. Die Anhörung hat darüber hinaus deutlich gemacht, dass es möglicherweise einen Konflikt zwischen tariflich vereinbarten Entlohnungsbestandteilen und Eingriffen der Aufsichtsbehörde gibt. Wir haben auf dieses Problem aufmerksam gemacht und begrüßen und unterstützen den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, mit dem sie klarstellen, dass tarifvertragliche Regelungen von den gesetzlichen Vorschriften nicht betroffen sind. Die Tarifautonomie bleibt also gewahrt, und das ist auch gut so. (Beifall bei der SPD) Die SPD-Fraktion hatte darüber hinaus einen Entschließungsantrag eingebracht, weil die Anhörung gezeigt hat, dass es wenig Sinn macht, auch bei Aufsichtsratsmitgliedern Boni als Vergütung zuzulassen. Ein solches Vergütungssystem kann erhebliche Fehlanreize setzen und die Kontrollfunktion des Aufsichtsrates gegenüber dem Vorstand untergraben. Aber - Herr Brinkhaus hat darauf hingewiesen - unsere Anträge werden von der Koalition generell abgelehnt. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das habe ich so nicht gesagt!) Auf der anderen Seite will man mit uns fröhlich zusammenarbeiten. Irgendwie passt das nicht. Auch dieser Antrag ist abgelehnt worden. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Weil er inhaltlich falsch ist!) Sie waren noch nicht einmal bereit, einen Prüfungsauftrag an die Bundesregierung zu unterstützen. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Der Antrag ist unsauber formuliert!) - Lieber Herr Brinkhaus, wer so agiert, zeigt, dass er kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Opposition in wichtigen Fragen der Finanzmarktregulierung hat. Wir bedauern das ausdrücklich. Wir vermissen eine Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Gehältern und Boni. Wir sind der Meinung, eine solche Begrenzung würde einen gewissen Automatismus schaffen, um Gehaltsexzesse zu begrenzen. (Beifall bei der SPD) Die Koalitionsfraktionen waren leider nicht bereit, eine solche Regelung in das Gesetz aufzunehmen. Es wäre auch durchaus sinnvoll gewesen, über Malusregeln nachzudenken. Wer durch Fehlspekulation ein Kreditinstitut an die Wand fährt, dem sollte nicht nur der Bonus gestrichen werden - das ist logisch -, der sollte für sein Missmanagement auch finanziell bestraft werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Antrag ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber er bleibt auf halbem Wege stehen. Ein Schritt in die richtige Richtung ist zu wenig. Sie tun nicht das, was möglich ist, Sie tun nur gerade das, was zur Umsetzung von Vorgaben nötig ist. Wir werden uns deshalb bei diesem Gesetzentwurf der Stimme enthalten. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das ist ja nichts Neues! - Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie enthalten sich ja immer!) Wenn wir uns die Anträge der anderen Fraktionen, hier den Antrag der Linken mit der Forderung nach Einführung einer Bonisteuer, ansehen, dann müssen wir feststellen: Eine Bonisteuer kann das zugrunde liegende Problem nicht lösen, da es sehr einfach ist, eine solche Besteuerung zu unterlaufen. Damit wäre dieses Instrument wirkungslos. Wir haben als Sozialdemokraten einen eigenen Antrag eingebracht, der umfassend beschreibt, wie wir auf die Finanzkrise reagieren. Über bestimmte Aspekte dieses Antrages werden wir morgen intensiv diskutieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen ein umfassendes Konzept und wirksame Maßnahmen. Wir wollen keine Politik, die nur an Symbolen herumdoktert und Handeln nur simuliert. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Björn Sänger für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP - Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Viel Lärm um nichts! Das passt!) Björn Sänger (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Brinkhaus, vor uns liegt ein weiterer Mosaikstein in dem Bild, das später, wenn alle Mosaiksteinchen eingefügt sind, die Reform der Finanzmärkte durch diese christlich-liberale Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen darstellen wird. (Nicolette Kressl [SPD]: Das sind nur EU-Vorgaben! - Manfred Zöllmer [SPD]: Das Bild ist aber kaum zu erkennen!) Wir haben als weiteres Steinchen bereits das Ratinggesetz beschlossen. (Nicolette Kressl [SPD]: Alles EU-Vorgaben!) Momentan ist die Umsetzung der Kapitaladäquanzrichtlinie in der parlamentarischen Beratung. Wir beraten das Derivatemissbrauchsgesetz, um die Leerverkäufe zu regulieren; Kollege Brinkhaus hat schon darauf hingewiesen. Das Eckpunktepapier zur Bankenabgabe liegt vor; es wird noch ausformuliert und in einen Gesetzentwurf gegossen werden. (Nicolette Kressl [SPD]: Seit Monaten!) Nicht zuletzt nenne ich das Engagement von Staatssekretär Koschyk und die Initiative der Bundesregierung auf europäischer und internationaler Ebene, um zu einem international abgestimmten Verhalten bei der Regulierung der Finanzmärkte und auch bei der Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten dieser Krise zu kommen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dieses Bild fügt sich Stück für Stück zusammen und ist in sich schlüssig. Schon vor der Sommerpause wird man einen großen Teil dieses Bildes sehen können. Wir legen dieses Bild sorgfältig; denn wenn man es möglicherweise etwas zu schnell legt, dann kann man es am Ende nicht richtig erkennen. (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht man an den Leerverkäufen!) Um was geht es beim vorliegenden Gesetzentwurf? Kollege Zöllmer, es geht nicht unbedingt um Gehaltsexzesse, sondern es geht darum, die Fehlanreize, die durch Vergütungssysteme ausgelöst werden können - kurzfristig orientiertes Handeln -, zu erkennen und zu beseitigen. Darüber hinaus muss in den Vergütungssystemen auch eine Malusregelung enthalten sein. Darüber hinausgehend kann man, Kollege Zöllmer, in der Tat darüber nachdenken, inwieweit man Malusregeln sozusagen auch im laufenden Prozess einfügt. Dazu sage ich aber - darin sind wir uns auch einig -, dass wir dies über eine verstärkte Haftung von Vorständen regeln können, sodass an dieser Stelle viel stärker auch mit dem Privatvermögen gehaftet wird. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich denke, alles in allem ist dieser Gesetzentwurf eine sachgerechte Lösung für die Probleme, die wir haben. Er wird eine disziplinierende Wirkung haben, weil kein Unternehmen sein eigenes Vergütungssystem von der BaFin beanstandet haben möchte. Das wäre ein riesiger Imageverlust und wird keiner riskieren. Wir haben - auch darauf hat der Kollege Brinkhaus hingewiesen - im parlamentarischen Prozess die bestehenden Probleme, ich sage einmal: an der einen oder anderen Stelle, an der der Gesetzentwurf nicht ganz rund war, gelöst und die Anregungen nicht nur aufgenommen, sondern wir haben auch gehandelt. Darin unterscheiden wir uns von denjenigen, die nur Anregungen geben können. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben keinen Eingriff in die Tarifautonomie zugelassen - es ist mir wichtig, das an dieser Stelle zu sagen -, weil wir eben nicht glauben, dass die Probleme in der "Schalterhalle" angesiedelt sind, sondern diese Probleme treten oberhalb der Ebene der Schalterhalle auf; denn in der Schalterhalle arbeiten schlussendlich die Leistungsträger, die durch eine Mehrleistung und besondere Anstrengungen zusätzlich einen variablen Vergütungsbestandteil verdienen. Die Produkte, die dort unter Umständen auch gegen Provisionierung verkauft werden, dienen zunächst einmal dazu, dass ein Deckungsbeitrag für das Unternehmen geliefert wird. Das ist per se nichts, was in irgendeiner Art und Weise für das Unternehmen risikoreich ist. Man kann natürlich - auch darüber müssen wir nachdenken; das wird die Bundesregierung - einen weiteren Mosaikstein für den Anlegerschutz erarbeiten bzw. meißeln, was gerade auch geschieht. Es geht um das Thema Verbraucherschutz. Kollege Schick, Sie haben das sehr stark diskutiert. Das ist in der Tat etwas, was man sich anschauen muss. Wir sind aber der Meinung, dass wir das nicht in diesem Gesetzentwurf regeln, weil man auch alles überfrachten kann. (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein ganz starkes Argument! - Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Man kann aber auch zu wenig machen!) Da sich die BaFin diesen Teil auch noch anschauen soll, sind die personellen Ressourcen möglicherweise besser eingesetzt, wenn man sich um andere Probleme des Finanzmarkts kümmert. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Wir haben ein weiteres Problem erkannt und einer Lösung zugeführt. Es geht um die Frage, was ist, wenn ein Unternehmen in Schieflage geraten ist und gestützt werden muss. Hinsichtlich des Anspruchs auf einen variablen Vergütungsanteil, der derzeit bei Auszahlungsuntersagung durch die BaFin nur suspendiert ist - das heißt, der Anspruch besteht fort -, sind wir der Auffassung: Wenn das Unternehmen in eine Schieflage gerät, sodass es staatlich gestützt werden muss, dann verfällt auch dieser Anspruch. Das werden wir im Restrukturierungsgesetz mit einem zweistufigen Verfahren regeln. Gerät das Unternehmen in schweres Fahrwasser und kommt es ins Schlingern, dann wird der variable Vergütungsanteil aufgrund eines Dekrets der BaFin zunächst nicht ausgezahlt. Ist in einem Zeitraum von zwei Jahren wieder alles in Ordnung und das Unternehmen wieder profitabel, dann kann er ausgezahlt werden. Ist das Unternehmen dann nicht mehr im schweren Fahrwasser, sondern schlussendlich gekentert, und muss es gestützt werden - auch durch Steuergelder -, dann verfällt dieser Anspruch. Schlussendlich: Dieser Mosaikstein ist in sich rund. Er kann in das Bild eingefügt werden. Kollege Zöllmer, selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass es sich um einen zu kleinen Schritt handelt, handeln Sie mit Ihrer Enthaltung ein bisschen so wie der Anhalter, der den Golf vorbeifahren lässt, weil er auf einen Porsche wartet. (Widerspruch der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]) Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist unverantwortlich. Den Schritt können Sie doch mit uns mitgehen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Dr. Barbara Höll für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vergütungsstruktur, insbesondere die massiven Bonuszahlungen in der Finanzbranche, sind auch ein Element in der Fehlentwicklung auf den Finanzmärkten, weil hier nicht langfristige Interessen, sondern kurzfristige Renditeziele im Vordergrund stehen. Daher bestand und besteht die Notwendigkeit, Regelungen vorzunehmen, spätestens seit dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise vor knapp zwei Jahren. Die Finanzbranche selbst ist dazu weder gewillt noch in der Lage. Sie als Koalition haben viel zu lange gewartet. (Beifall bei der LINKEN) Die drei wesentlichen Gründe zur Notwendigkeit der Regulierung der Vergütungsstrukturen in der Finanzbranche sind offenkundig. Erstens werden durch massive Bonuszahlungen ökonomische Fehlanreize gesetzt. So stehen oft nicht der langfristige Erfolg eines Unternehmens, sondern kurzfristige Ziele wie hohe Aktienkurse und Umsätze im Vordergrund. Dies hat auch zur Folge, dass oftmals nicht im Interesse der Kunden gehandelt wird, zum Beispiel bei Beratungen. Letztendlich sind solche fatalen Anreizwirkungen für eine Volkswirtschaft schädlich und können langfristig sogar dem Fortbestand eines Unternehmens schaden. Damit kann eine weitere Destabilisierung des Finanzsektors einhergehen, die sich dann wieder auf die Realwirtschaft auswirkt. Das haben gerade alle unmittelbar erfahren. Der Begriff der Nachhaltigkeit ist zwar gut gemeint, aber inzwischen so schwammig, dass er trotzdem kein richtiges Instrument ist und dies auch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht sein wird. Zweitens geht es eindeutig um die Durchsetzung von Verantwortungsübernahme. Wer überproportional von den Gewinnen von Finanzinstituten profitiert, sollte schließlich auch für Verluste, die aus eigenen Entscheidungen resultieren, einstehen und haftbar gemacht werden. Drittens - das möchte ich dick unterstreichen - ist es eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Es kann nicht angehen, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden. Im Übrigen sind die massiven Bonuszahlungen weder ethisch noch moralisch, noch betriebswirtschaftlich zu rechtfertigen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Hier waren Sie über zwei Jahre lang inkonsequent und untätig. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Wir sind erst seit acht Monaten in der Regierung!) Die mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz beschlossene Regelung zum Beispiel war eine Kannregelung. Bei Instituten, die Geld oder Bürgschaften vom Staat erhalten, sollte eine Begrenzung der Geschäftsführergehälter auf 500 000 Euro erfolgen. Das war aber nur eine Kannbestimmung, die zudem beschränkt war. Nicht einmal die Investmentbanker wurden mit erfasst. Wenn Herr Ackermann als Chef der Deutschen Bank 2009 bereits wieder 9,6 Millionen Euro verdient hat, von denen 1,3 Millionen Euro fix und der Rest Bonuszahlungen waren, dann ist das ungerecht. Denn die Deutsche Bank hat indirekt massiv von der Rettung der HRE profitiert. Diese hohen Zahlungen werden de facto schon jetzt vergesellschaftet, weil sie in voller Höhe als Betriebskosten abzugsfähig sind. Das ist grob ungerecht. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Daniel Volk [FDP]: Das wird zu 50 Prozent über die Einkommensteuer zurückfließen!) Vor einem halben Jahr bezeichnete die Bundeskanzlerin die Bonisteuer als eine interessante Aktivität. Sie haben in diesem Bereich jedoch nichts getan. Andere europäische Staaten sind aktiv geworden. Ich verweise auf Großbritannien und Frankreich. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Befristet!) Sie haben jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, und zwar nicht zur Besteuerung von Bonuszahlungen, sondern zur Regulierung der Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungen. Das ist aber leider eher ein Symbolgesetz. Diese Symbolik mag richtig und wichtig sein. Deswegen stimmen wir auch nicht gegen den Gesetzentwurf, sondern werden uns enthalten. Aber es ist gleichzeitig Zeugnis Ihrer Mutlosigkeit und Feigheit; denn Sie delegieren die Entscheidungen an die Verwaltung und an die BaFin, anstelle selbst festzulegen, wo Grenzen sind. Sie können immer noch nicht über Ihren Schatten springen und die Vorschläge aufnehmen, die von der anderen Seite des Hauses gemacht wurden: von uns unter anderem die Bonisteuer und die Forderung nach einer steuerlichen Begrenzung bei den Betriebsausgaben. Wir halten Ihren Gesetzentwurf tatsächlich für ein Symbol - das Symbol unterstützen wir mit der Enthaltung -, ansonsten aber für völlig unzureichend und hoffen, dass Sie sich in der nächsten Zeit schnell und ein bisschen machtvoller bewegen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Dr. Gerhard Schick das Wort. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bild von dem Mosaik erweckt den Eindruck, als liege ein klares Bild vor uns, (Björn Sänger [FDP]: Ist es auch!) in das wir heute den einen Stein präzise hineinsetzen; wer diesen ablehnt, hat offensichtlich den Charme des ganzen Bildes missverstanden. (Björn Sänger [FDP]: Gut erkannt!) Mit Verlaub, Sie überzeichnen. Es wäre gut, etwas bescheidener an das jetzige Gesetz heranzugehen und vor allem darüber nachzudenken, ob Sie überhaupt das Bild wollen, das wir wollen. Wir wollen ein anderes Bild - das ist der Punkt -, weil Sie heute nur einen bestimmten Teilbereich klären wollen, indem Sie einen Mosaikstein setzen, aber zentrale Mosaiksteine, die ebenfalls dazugehören, nicht setzen wollen. Das eine ist, dass der Gesetzgeber natürlich statt der generellen Ermächtigung an die Aufsichtsbehörden oder das Finanzministerium, etwas zu erlassen, ganz konkrete Regeln festsetzen könnte. Das Europäische Parlament - konkret: sein Wirtschaftausschuss - hat am Montag dieser Woche genau dies beschlossen; interessanterweise gibt es dort eine konservative Mehrheit. Ich glaube, es wird von der europäischen Ebene bald noch ein weitergehender Schritt kommen, der uns zeigen wird, dass das, was wir heute machen, noch nicht ausreichend gewesen ist. Die zweite Lücke - das habe ich im Ausschuss deutlich angesprochen - ist, dass Sie die Frage, wie die Vergütungssysteme in Banken auf das Verhältnis von Bank zu Kunden wirken, nicht aufgreifen wollen. Das Argument, dies sei jetzt eine Überfrachtung dieses Gesetzes, ist nicht überzeugend. Jetzt geht es um die aufsichtsrechtliche Kontrolle, und genau dorthin gehört dieser Punkt. Dies hat übrigens auch der Bundesrat so gesehen. Wir haben dies aber in modifizierter Form noch einmal eingebracht, weil der Vorschlag des Bundesrates Schwächen hat. Ich halte es für nicht hinnehmbar, dass es in den Instituten Vergütungssysteme gibt, die dazu führen, dass die Verbraucherschutzregelungen, die im Gesetzblatt stehen, systematisch verletzt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Am Bankschalter erfolgt eine systematische Fehlberatung. Dies müssen wir, wie ich finde, korrigieren, da wir wissen, dass dies etwas mit den Provisionen zu tun hat. Deswegen können wir einem Gesetz, das dieses Thema nicht angeht, obwohl es hineingehörte, nicht einfach zustimmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Die weitere große Lücke, die Sie lassen - das ist schon angeklungen -, ist die Frage der Besteuerung. Das Problem bei diesen 9,6 Millionen Euro für Herrn Ackermann ist nicht nur, dass dies einen Einfluss auf das Vermögen der Aktionäre hat, die dann weniger Dividende bekommen, sondern auch, dass der Steuerzahler das alles mitträgt, weil es Betriebskosten sind. Auch das wollen wir korrigieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Weil wir meinen, dass es ein Limit dafür gibt, was betriebsnotwendige Ausgaben sind, wie wir es in anderen Bereichen auch haben, müssen wir die Abzugsfähigkeit bei exzessiven Managergehältern begrenzen. Das ist unsere Forderung; Sie aber wollen dies nicht tun. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Damit haben Sie eine Doppelbesteuerung!) Deswegen ist das Mosaikbild, das Sie entwerfen, leider nicht richtig. Vielmehr kommt ein Bild heraus, das nicht für stabile Finanzmärkte sorgt, das immer noch nicht die Fehler im Verhältnis zwischen Kunde und Bank korrigiert und das das Problem nicht löst, dass die soziale Schieflage in diesem Land auch wegen exzessiver Gehälter in manchen Branchen zunimmt. Dies wollen wir korrigieren. Sie haben es nicht vor, und deswegen werden wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit ist die Aussprache geschlossen, und wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2181, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 17/1291 und 17/1457 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen. Bündnis 90/Die Grünen waren dagegen. SPD und Linke haben sich enthalten. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer für den Gesetzentwurf stimmt, den bitte ich, sich von seinem Platz zu erheben. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen. Wir setzen die Abstimmungen zu der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses auf Drucksache 17/2181 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/526 mit dem Titel "Maßnahmenbündel gegen Spekulationen auf den Finanzmärkten und ungerechtfertigte Banker-Boni". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung der Koalitionsfraktionen angenommen. Die SPD-Fraktion war dagegen. Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und die Linke haben sich enthalten. Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/452 mit dem Titel "Dem Vorbild Großbritan-niens und Frankreichs folgen - Boni-Steuer für die Finanzbranche einführen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Dagegen gestimmt hat die Fraktion Die Linke. Die SPD hat sich enthalten. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/794 mit dem Titel "Gehaltsexzesse nicht länger auf Kosten der Allgemeinheit". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen. Bündnis 90/Die Grünen waren dagegen. Enthalten haben sich SPD und die Linke. Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Markus Kurth, Josef Philip Winkler, Fritz Kuhn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes - Drucksache 17/1428 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ihre Reden zu Protokoll gegeben haben die Kolleginnen und Kollegen Mechthild Heil, Dr. Johann Wadephul, Gabriele Hiller-Ohm, Miriam Gruß, Ulla Jelpke und Markus Kurth.11 Ich gehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind. - Das ist der Fall. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/1428 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 17 a und 17 b auf: a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeswaldgesetzes - Drucksache 17/1220 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - Drucksache 17/2184 - Berichterstattung: Abgeordnete Alois Gerig Petra Crone Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Kirsten Tackmann Cornelia Behm b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Crone, Dirk Becker, Gerd Bollmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Bundeswaldgesetz nachhaltig gestalten - Schutz und Pflege des Ökosystems für heutige und künftige Generationen - zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg), Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das Bundeswaldgesetz novellieren und ökologische Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung einführen - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bundeswaldgesetz ändern - Naturnahe Waldbewirtschaftung fördern - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Waldbericht der Bundesregierung 2009 - Drucksachen 17/1050, 17/1586, 17/1743, 16/13350, 17/2184 - Berichterstattung: Abgeordnete Alois Gerig Petra Crone Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Kirsten Tackmann Cornelia Behm Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat in seiner Beschlussempfehlung den Waldbericht der Bundesregierung 2009 auf Drucksache 16/13350 mit einbezogen. Über diese Vorlage soll jetzt ebenfalls abschließend beraten werden. - Ich sehe, dass Sie damit einverstanden sind. Dann ist das so beschlossen. Ihre Reden zu Protokoll gegeben haben die Kolleginnen und Kollegen Alois Gerig, Petra Crone, Dr. Christel Happach-Kasan, Alexander Süßmair und Cornelia Behm.12 - Damit sind Sie ebenfalls einverstanden. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswaldgesetzes. Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2184, in Kenntnis des Waldberichts 2009 auf Drucksache 16/13350 den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 17/1220 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen. Dagegen gestimmt haben Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Fraktion. Die Linke hat sich enthalten. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Diejenigen erheben sich bitte, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen. Tagesordnungspunkt 17 b: Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf Drucksache 17/2184 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1050 mit dem Titel "Bundeswaldgesetz nachhaltig gestalten - Schutz und Pflege des Ökosystems für heutige und künftige Generationen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung bei Zustimmung durch die Koalition angenommen. Dagegen hat die Opposition gestimmt. Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1586 mit dem Titel "Das Bundeswaldgesetz novellieren und ökologische Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung einführen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Dafür gestimmt haben CDU/CSU und FDP. Bündnis 90/Die Grünen und Linke waren dagegen. Enthalten hat sich die Fraktion der SPD. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buch-stabe d seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/1743 mit dem Titel "Bundeswaldgesetz ändern - Naturnahe Waldbewirtschaftung fördern". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und FDP. Dagegen gestimmt haben die Fraktion Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen. Die SPD hat sich enthalten. Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vermeidung kurzfristiger Marktengpässe bei flüssiger Biomasse - Drucksache 17/1750 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) - Drucksache 17/2182 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth Dirk Becker Michael Kauch Eva Bulling-Schröter Hans-Josef Fell Hierzu liegt ein Entschließungsantrag von Bünd-nis 90/Die Grünen vor. Hier haben ihre Reden, wie in der Tagesordnung ausgewiesen, zu Protokoll gegeben: Dr. Maria Flachsbarth, Josef Göppel, Dirk Becker, Michael Kauch, Eva Bulling-Schröter und Hans-Josef Fell. Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Biomasse ist als nachwachsender Rohstoff einer der wichtigsten und vielseitigsten regenerativen Energieträger in Deutschland. Er ist zum Erreichen der ehrgeizigen Klimaschutzziele der Bundesregierung unverzichtbar. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko führt wieder einmal anschaulich vor Augen, wie wichtig es ist, die Abhängigkeit vom Erdöl zu verringern. Da diese Abhängigkeit beispielsweise im Verkehr besonders hoch ist, muss hier übergangsweise Ersatz durch Biokraftstoffe und in Zukunft durch Elektroautos geschaffen werden. Doch beim Einsatz von Biomasse zur Energieerzeugung muss die ökologische Sinnhaftigkeit und ethische Vertretbarkeit gewährleistet sein. Die Ökobilanz für Anbau, Ernte und Transport ist daher kritisch zu hinterfragen; der Erhalt wertvoller Naturräume und zumindest die Einhaltung internationaler Mindestarbeitsbedingungen sind zu gewährleisten. Deshalb muss nach geltender Rechtslage ab dem 1. Juli 2010 für die EEG-Vergütung nachgewiesen werden, dass flüssige Biomasse, wie zum Beispiel Palmöl, nachhaltig hergestellt worden ist und nicht etwa Regenwaldflächen für seine Produktion zerstört wurden. Um die erforderliche Zeit für den Aufbau von Zertifizierungsstrukturen zu gewährleisten, sieht die geltende Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung eine Übergangsregelung vor, mit der die nachhaltige Herstellung nicht bei flüssiger Biomasse nachgewiesen werden muss, die bis zum 30. Juni 2010 zur Stromerzeugung eingesetzt wird. Dieser Nachweis ist mithilfe privatwirtschaftlich organisierter Zertifizierungsstrukturen zu erbringen. Diese Übergangsregelung erweist sich nun aufgrund des umfassenderen Zeitbedarfs für den Aufbau von Zertifizierungsstrukturen allerdings als nicht ausreichend. Ohne eine Verschiebung dieses Stichtages sind Markt-engpässe zu befürchten, die vor allem bestehende kleine und mittelständische EEG-Anlagen stark treffen würden, die in der Regel mehrmonatige Vertrags- und Lieferzeiten benötigen. Für den Bereich der Biokraftstoffe hat die Bundesregierung durch Kabinettsbeschluss am 2. Juni 2010 die Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung geändert und damit für den Verkehrssektor das "Scharfstellen" der Verordnung ebenfalls auf den 1. Januar 2011 verschoben. Die Anhörung im Ausschuss zur Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung hat gezeigt, dass insbesondere nicht genügend Mengen zertifizierter Biomasse vorhanden sind, die auch den Nachweis der Reduzierung von Treibhausgasen erfüllen. Das genau verlangt aber die deutsche Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung. Deshalb lehnt die Union den Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen vom 17. Juni 2010 ab. Die Zahl der bisherigen Anerkennungen ist nicht hoch genug, um die gesamte für eine Vergütung nach EEG erforderliche flüssige Biomasse zu zertifizieren. Von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, BLE, wurden bis jetzt vorläufig zwei Zertifizierungssysteme und elf Zertifizierungsstellen anerkannt. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird daher die Nachweispflicht vom 1. Juli 2010 auf den 1. Januar 2011 verschoben. Durch diese Verschiebung des "Scharfstellens" der Nachhaltigkeitsverordnung wird verhindert, dass kurzfristig nicht genügend flüssige Biomasse auf dem deutschen Markt verfügbar ist und dadurch den Betreibern solcher EEG-Anlagen, meistens kleine und mittlere Unternehmen, ein wirtschaftlicher Schaden droht. Ein unter Umständen existenzbedrohender wirtschaftlicher Totalschaden ist aufgrund des Ausschließlichkeitsprinzips des EEG möglich. Diese Regelung besagt, dass schon ein einmaliger Verstoß gegen die Regeln des EEG den endgültigen Verlust des Bonus für nachwachsende Rohstoffe, Nawaro-Bonus, für den Anlagenbetreiber nach sich zieht. Wir zerstören das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Politik, wenn der Gesetzgeber Anforderungen an den Anlagenbetreiber stellt, die aufgrund von ihm nicht zu vertretender Umstände objektiv nicht erfüllbar sind. Mit der Verschiebung des Scharfstellens der Regelung ermöglichen wir den Anlagenbetreibern, unseren Anforderungen auch nachkommen zu können. Die Zeit bis zum Ende des Jahres muss nun dazu genutzt werden, den Aufbau wirksamer Zertifizierungsstrukturen sicherzustellen. So kann Deutschland seiner europaweiten Vorrangstellung beim Einsatz nachwachsender Rohstoffe im Energiesektor weiter gerecht werden. Josef Göppel (CDU/CSU): Marktengpass für Bioöle zur Verstromung in Blockheizkraftwerken. Euphorie verspüre ich bei der Verschiebung des "Scharfstellens" der Nachhaltigkeitsordnung nicht. Es hat sich aber in der Praxis gezeigt, dass die Zertifizierungsstellen für nachhaltiges Pflanzenöl nicht schnell genug aufgebaut werden konnten, um die Versorgung der bestehenden Pflanzenöl-Blockheizkraftwerke zu sichern. Das hat auch die gestrige Expertenanhörung bestätigt. Besonders kleine Pflanzenölmühlen in Deutschland brauchen mehr Zeit für die aufwendige Zertifizierung. Für diese Unternehmen sind die Blockheizkraftwerke der wichtigste Absatzmarkt. Wir können ihnen nicht die wirtschaftliche Grundlage entziehen. Insbesondere die Treibhausgasbilanzierung über die gesamte Wertschöpfungskette erweist sich als echte Herausforderung. Für mich geht hier Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Ein wesentliches Element einer sauberen Bilanzierung ist nämlich, die Vorgeschichte jeder Anbaufläche zu klären. Wenn für eine Palmölplantage Regenwald gerodet oder für ein Sojafeld Moore trockengelegt wurden, sind dort angebaute Pflanzenöle nicht nur ein Schlag gegen die Artenvielfalt, sondern echte Klimakiller. Durch Landnutzungsänderungen wird über Jahre hinweg im Bodenhumus gespeicherter Kohlenstoff abgebaut und in die Atmosphäre abgegeben. Dies gilt im Übrigen auch für den Grünlandumbruch in der heimischen Landwirtschaft. Die gesamte Treibhausgasbilanz der Pflanzentreibstoffe ist in diesen Fällen sogar schlechter als bei Treibstoffen auf Erdölbasis. Deshalb haben wir die Nachhaltigkeitsverordnung im vergangenen Jahr verabschiedet. Die Sanktionen bei einer Verletzung sind hart. Im EEG ist festgelegt, dass der Betreiber eines Pflanzenöl-Blockheizkraftwerks auf Dauer den Anspruch auf die EEG-Vergütung verliert, wenn er nichtnachhaltige Pflanzenöle einsetzt. Die Anlage steht damit vor dem sicheren wirtschaftlichen Aus. Wenn nun aber noch nicht genügend zertifiziertes Pflanzenöl zur Verfügung steht, gebietet es der Vertrauensschutz für die Betreiber der Blockheizkraftwerke, dass wir diese Tatsache angemessen berücksichtigen. In der Gesamtschau ist die Verschiebung um ein halbes Jahr deshalb gerechtfertigt. In gewisser Weise beweist diese Verknappung sogar, dass wir bei der Verwendung von Biomasse zur Energieerzeugung eine wirksame Kontrollmöglichkeit für den Klimaschutzbeitrag gefunden haben. Ich möchte an dieser Stelle aber auch darauf hinweisen, dass wir damit noch nicht am Ende unserer Aufgabe stehen. Bei der Verabschiedung der Nachhaltigkeitskriterien auf europäischer Ebene wurde eine Ausdehnung auf Pflanzölimporte in anderen Anwendungsbereichen bereits debattiert. Leider konnte sich dieser umfassende Ansatz nicht durchsetzen. Noch immer aber werden weltweit etwa 90 Prozent der Palmölproduktion für Nahrungsmittel und 5 Prozent für Nichtnahrungszwecke wie Reinigungsmittel oder Kosmetika eingesetzt. Nur etwa 5 Prozent werden für Biokraftstoffe verwendet. Eine rasche Einbeziehung dieser Bereiche ist für einen wirksamen Regenwaldschutz also unerlässlich. Im energetischen Bereich haben wir nun den Beweis, dass der schlüssige Nachweis eines nachhaltigen Anbaus möglich ist. Ich möchte deshalb zum Schluss meiner Rede an die Bundesregierung appellieren, auf europäischer Ebene einen neuen Anlauf für eine Ausdehnung der Nachhaltigkeitskriterien auf Pflanzenölimporte in allen Anwendungsbereichen zu unternehmen. Das schützt unser Klima und beseitigt nebenbei noch eine Wettbewerbsverzerrung zuungunsten unserer heimischen Landwirtschaft. Dirk Becker (SPD): Für eine Verschiebung der Frist zur Zertifizierung von nachhaltig produzierter Biomasse auf den 1. Januar 2010 gibt es keinen plausiblen Grund. Sowohl Zertifizierungssysteme als auch -stellen wurden eingerichtet und sind funktionstüchtig. Zudem enthält die Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung dezidierte Übergangsregeln, die die Zertifizierung der Ernte von 2009 erleichtern sollen. Ausreichende Mengen an nachhaltig produziertem, bereits nach RSPO zertifiziertem Palmöl stehen zur Verfügung, wie die Vertreterin des WWF während der Expertenanhörung bestätigte. Das notwendige ISCC-Zertifikat kann dem WWF zufolge binnen weniger Tage ausgestellt werden. Ich kritisiere diese Verschiebetaktik auf das Schärfste. Die Bundesregierung muss damit aufhören, ihre Klientel auf Kosten von Umwelt- und Naturschutz zu bedienen. Ich hege schlimmste Befürchtungen, dass die Zertifizierungsfrist zu einem Verschiebebahnhof der Bundesregierung wird und durch die voranschreitende, nicht nachhaltige Palmölgewinnung weiterhin Regenwälder zerstört und die Bestände bedrohter Tierarten dezimiert werden. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert daher, die in der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung genannte Frist vom 1. Juli 2010 einzuhalten. Aus diesem Grund wird sie dem Gesetzesentwurf in seiner vorliegenden Fassung nicht zustimmen. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat einen Entschließungsantrag gestellt, indem eine Sonderstellung für die heimischen Pflanzenölmühlen gefordert wird. Dieses Antrags wird sich die SPD-Fraktion enthalten. Hocherstaunt nehme ich außerdem zur Kenntnis, dass, während die Regierungskoalition bei der Biomasse Schreckensbilder an die Wand malt, sie den wahren Nachbesserungsbedarf im EEG nicht erkennt oder zumindest nicht anpackt: Wir benötigen dringend eine Änderung der Systemdienstleistungsverordnung, da sich die Frist für die Nachrüstung von bestehenden Windkraftanlagen als unzureichend erwiesen hat. Nach aktuellem Recht erhalten nur diejenigen Betreiber von Windkraftanlagen einen Bonus, deren Anlagen vor dem 1. Januar 2011 Systemdienstleistungen zur Stützung des Stromnetzes bereitstellen können. Während die Bundesregierung plant, die Frist für Neuanlagen um ein Vierteljahr zu verlängern, gerät jedoch das Potenzial von Altanlagen in Vergessenheit: Insgesamt bis zu 5 000 Altanlagen könnten für eine bessere Netzintegration und -sicherheit umgerüstet wer-den - bisher ist dies lediglich bei rund 3 000 geschehen. Angesichts der wachsenden Herausforderungen an unsere Leitungsnetze können wir es uns keinesfalls erlauben, auf eine Umrüstung der restlichen 2 000 Altanlagen zu verzichten. Deshalb wollen wir den Zeitraum zur Nachrüstung von bestehenden Windkraftanlagen um ein Jahr verlängern. Der Änderungsantrag der SPD-Bundestagsfraktion beinhaltet daher neben der Rücknahme der Fristverlängerung bei der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung auch eine Änderung der Systemdienstleistungsverordnung. Damit ist sowohl dem Umweltschutz als auch der Netzsicherheit gedient. Michael Kauch (FDP): Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich in der vergangenen Wahlperiode sehr nachdrücklich dafür eingesetzt, dass flüssige Biomasse, die in Deutschland energetisch verwendet wird, ein Zertifizierungsverfahren durchlaufen muss. Damit soll gewährleistet werden, dass bei der Herstellung dieser Biomasse Nachhaltigkeitsstandards eingehalten wurden. Der Grund hierfür ist, dass in der Vergangenheit die Herstellung von flüssiger Biomasse teilweise mit erheblichen Umweltzerstörungen, wie zum Beispiel Brandrodung von Regenwäldern und Zerstörung der Artenvielfalt, einherging. Zudem soll ein Mindestmaß an Treibhausgaseinsparung abgesichert werden. Die Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung, deren "Scharfstellen" mit dem vorliegenden Gesetzentwurf um ein halbes Jahr verschoben wird, soll sicherzustellen, dass flüssige Biomasse, die zur Stromerzeugung eingesetzt wird, nur unter Beachtung verbindlicher Nachhaltigkeitsstandards hergestellt wird. Damit wird eine Regelung geschaffen, die Klarheit darüber bringt, wann Biomasse nach dem EEG vergütet werden soll. Zu dem Inhalt der Verordnung stehen wir nach wie vor. Allerdings müssen wir auch anerkennen, dass es bei dem Aufbau von Zertifizierungskapazitäten in Deutschland zu erheblichen Verzögerungen kam, die dazu führen, dass die hier in Deutschland produzierte Biomasse nur zum Teil zertifiziert werden kann. Die Folge ist ein Lieferengpass, den die gesamte Wertschöpfungskette zu spüren bekäme. Für die Betreiber von Blockheizkraftwerken und für kleine Ölmühlen hätte die sofortige Zertifizierungspflicht gar existenzbedrohende Folgen. Der Vorwurf, der nun laut wird, dass die Betriebe nur auf eine Verschiebung der Zertifizierungspflicht spekuliert hätten und sich daher auch nicht besonders angestrengt hätten, rechtzeitig zertifiziert zu werden, ist nicht richtig. Das Zertifizierungssystem ISCC wurde erst im Januar dieses Jahres von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zugelassen. Seit Juni gibt es mit REDcert das zweite System. Mit der Zulassung von Systemen sind allerdings natürlich noch keine Kapazitäten geschaffen. Bis Zertifizierungsstellen zugelassen und Mitarbeiter geschult sind, vergeht naturgemäß Zeit. Für die Verzögerungen beim Aufbau von Zertifizierungskapazitäten tragen weder die Anlagenbetreiber, die Biomasse verstromen, noch die Ölmühlen oder die Landwirte Schuld. Aber insbesondere die Anlagenbetreiber würden hart getroffen, wenn wir den Termin für die Zertifizierungspflicht nicht verschieben würden. Sie würden nämlich ihre Förderung auf Dauer verlieren, wenn sie einmal nichtzertifizierte Biomasse verwenden. Dies würde das Aus für viele Anlagen bedeuten und wäre unverantwortlich. Allerdings möchte ich auch betonen, dass dies die letzte Verschiebung der Zertifizierungspflicht sein wird. Das Instrumentarium zur Zertifizierung von flüssiger Biomasse ist nun vorhanden. Die Zertifizierungspflicht wird ab 1. Januar kommen. Andernfalls machen wir uns unglaubwürdig, was unser Ziel angeht, den Regenwald und andere sensible Ökosysteme vor Raubbau zu schützen. Hierauf sollten sich alle Akteure einstellen. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Wir lehnen den Koalitionsentwurf ab; denn hier sollen Ausnahmen zu einem Zertifizierungssystem verlängert werden, welches die Linke ohnehin nicht mitträgt. Es ist doch so. Schon längst übernutzen die Industriestaaten die Umwelt. Das geht nur dadurch, dass auch Deutschland immer mehr Rohstoffe importiert, darunter Rohstoffe, deren Gewinnung im globalen Süden zur Abholzung von Tropenwäldern führt oder zur Vertreibung von Kleinbauern und indigenen Völkern. Die Importe der Pflanzenöle, um die es hier geht, sind beispielhaft dafür. Bei Agrokraftstoffen läuft es nicht anders. Die enorme Nachfrage nach Soja für Futtermittel hat in den vergangenen Jahrzehnten weite Landstriche Brasiliens in eine Wüste von Monokulturen verwandelt. In Asien war es früher vor allem der große Bedarf der Lebensmittelindustrie an Palmöl, der zu Abholzungen wertvollster Wälder führte. Das meiste davon wandert nach Europa und in die USA. Seit einigen Jahren kommt nun noch die Nachfrage nach Soja- und Palmölen für Blockheizkraftwerke und nach Agrokraftstoffen hinzu. Sie kommt zur katastrophalen Bilanz hinzu. Ich hab nichts gegen BHKWs. Aber wir sollten zum Klimaschutz lieber ein großes Kohlekraftwerk abschalten als versuchen, mit solchen Ölen die CO2-Bilanz zu schönen. Es hat sich inzwischen herumgesprochen: Der Sog nach Agrokraft- und Brennstoffen führt zu immer neuen Plantagen. Direkt oder indirekt wird dafür fast immer Dschungel vernichtet. Dann aber ist die schöne Klimabilanz im Eimer. Man müsste solch ein Kraftwerk mehr als 100 Jahre betreiben, damit das bei der Abholzung freiwerdende Kohlendioxid ausgeglichen wird. Aber selbst dann bleiben die anderen Folgen, und das für die Ewigkeit, nämlich die Zerstörung der Lebensgrundlagen für die Menschen, die in den Wäldern leben, und der unwiederbringliche Verlust an Tieren und Pflanzen. Die Orang-Utans sind nur ein Beispiel dafür. Weil es deswegen massive Proteste gab, sind EU und Bundesregierung auf den Trichter gekommen, Zertifizierungssysteme für die Nutzung von Biomasse einzuführen. Aber diese Systeme sind Augenwischerei. Ehrlich gesagt betrübt es mich, dass der WWF da aktiv mitmacht. Das Hauptproblem ist doch Folgendes: Schalten wir hier in Europa den Staubsauger auf eine höhere Stufe, so wird beispielsweise in Indonesien zusätzlich Palmöl abgesaugt. Da können sie tausendmal zertifizieren. Das wird wohl nichts nützen. Dann werden eben alte Plantagen für den neuen "grünen" Export genutzt. Gleichzeitig werden aber Flächen gerodet, um die alte Palmölnachfrage der Nahrungsmittelindustrie zu bedienen. Das liegt doch auf der Hand, wenn man eins und eins zusammen zählt. Das ist auch die Erfahrung der NGOs aus den betroffenen Ländern. Darüber hinaus ist das Zertifizierungssystem in seinen Details ein Witz. Großflächige Monokulturen etwa sind in der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung nicht verboten. Das Treibhausgas-Minderungspotenzial der Agro-Öle soll zunächst nur 35 Prozent gegenüber mineralischen Kraftstoffen betragen. Wie der Nachweis dafür erbracht werden soll, ist völlig unklar. Vor allem aber gibt es keinerlei Sozialstandards. Das Verbot der Vertreibung oder anderer Verletzungen von Menschenrechten ist nicht verankert, nicht einmal das Recht auf Nahrung. Denken wir an den Tortillakrieg in Mexiko, also an die Debatte "Tank oder Teller", so ist das unverständlich. Zudem werden nach der deutschen Verordnung auch andere Zertifizierungssysteme anerkannt, etwa osteuropäische und von einigen im Schnellverfahren zertifiziert. Mauscheleien und Zerstörung sind also auf allen Ebenen vorprogrammiert. Darum wird die Linke bei diesem System nicht mitmachen. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der weitere Ausbau der Nutzung von Bioenergien ist erforderlich, um den ökonomischen Problemen der Ressourcenverknappung, der zunehmenden Erderwärmung und der Verarmung weiter Bevölkerungsschichten entgegenwirken zu können. Wir sehen aber leider eine zunehmend negative Entwicklung wie Urwaldabholzung, intensive Monokulturen und Sozialdumping. Diese Entwicklung behindert die Chancen, die in einer nachhaltigen Nutzung und Erzeugung von Bioenergien liegen. Eine schnell realisierte, verlässliche und weltweite Zertifizierung für die nachhaltige Erzeugung ist daher unerlässlich für die weitere Nutzung von Bioenergien. Die Bundesregierung hat unnötig viel Zeit verstreichen lassen, um klare Vorgaben für die Zertifizierung nachhaltig erzeugter Bioenergien festzulegen. Damit ist sie mitverantwortlich dafür, dass der Zertifizierungsprozess nicht ausreichend fortgeschritten ist. Der Markt für die Verstromung flüssiger Bioenergien nach dem EEG zeigt ein differenziertes Bild. Für Palm- und Sojaöl stehen ausreichende Mengen an zertifizierter Produktion bereit. Beispielsweise sind 600 000 Tonnen nach den Kriterien des RSPO bereits zertifiziert und könnten binnen weniger Tage auch das in Deutschland anerkannte ISCC-Zertifikat erhalten, sofern die Kriterien erfüllt werden. Die Kriterien des ISCC haben höhere und umfassendere Standards als RSPO und umfassen auch soziale Aspekte. Eine wie im Gesetzentwurf der Koalition vorgesehene Verschiebung des Inkrafttretens der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung für Palm- und Sojaöl ist daher nicht notwendig und kontraproduktiv für die schnelle Realisierung von nachhaltiger Produktion. Ganz anders ist die Situation im Bereich der heimischen dezentralen Pflanzenölmühlen. Von den bundesweit etwa 300 Ölmühlen konnte erst eine zertifiziert werden. Alle anderen können den dezentralen BHKWs kein zertifiziertes Pflanzenöl zur Verfügung stellen, obwohl ausreichend Pflanzenöl zur Verfügung stünde, das eigentlich zertifiziert werden könnte. Da das Zertifikat aber nicht ausgestellt werden kann, könnten viele dezentrale BHKW-Betreiber grundlos in Konkurs gehen, da sie ohne Zertifikat keinen EEG-Bonus für nachwachsende Rohstoffe erhalten würden. Hier macht in der Tat die vorgesehene Verschiebung Sinn, löst aber nicht das gesamte Problem. Zu Recht klagen die dezentralen Ölmühlen über kaum mehr verkraftbaren Bürokratieaufwand und finanzielle Lasten. Wir fordern mit unserem Entschließungsantrag die Bundesregierung daher auf, für die heimischen Ölmühlen eine Übergangsregelung in Verbindung mit einem Förderprogramm zu schaffen, welche die betroffenen Unternehmen beim Vollzug der Zertifizierung unterstützt. Zudem fordern wir, dass der Bürokratieaufwand in akzeptablem Rahmen gehalten wird. Um das Überleben der dezentralen Pflanzenölerzeugung zu sichern, sind beide Maßnahmen unverzichtbar. Die heimische Pflanzenölerzeugung, die meist sehr nachhaltig organisiert ist, wurde durch die von der Großen Koalition beschlossene, verfehlte Besteuerung der reinen Biokraftstoffe bereits stark gebeutelt. Es muss verhindert werden, sie auch noch mit hohen Bürokratielasten direkt in den Ruin zu schicken. Kein Verständnis haben wir Grünen für die schwarz-gelbe Ablehnung des Änderungsantrags der SPD, auch den Stichtag für den Systemdienstleitungsbonus für die Windkraftindustrie zu verschieben. Diese Verschiebung ist sinnvoll, damit noch viele alte Windkraftanlagen die Chance bekommen, Nachrüstungen für eine bessere Netzintegration zu schaffen. Alle Fraktionen im Bundestag fordern zu Recht, dass die fluktuierenden Windstrommengen nach Möglichkeit auch einen Beitrag zur Netzstabilität leisten. Die technologischen Möglichkeiten dafür sind vorhanden und durch Nachrüstungen auch erfüllbar. Solche Nachrüstungen werden die Stromversorgung schneller von den großen Atomkraftwerken und Kohleblöcken unabhängig machen. Die heutige Ablehnung des SPD-Antrags ist erneut Beleg dafür, dass Schwarz-Gelb den eigenen Koalitionsvertrag nicht ernst nimmt. Dort haben Sie festgelegt, dass die erneuerbaren Energien Zug um Zug die konventionellen ersetzen sollen. In Wirklichkeit geht es Ihnen um den Bestandsschutz der konventionellen Stromerzeugung mit Laufzeitverlängerungen für Kernreaktoren und den Neubau von Kohlekraftwerken. Wir Grünen stimmen deshalb dem SPD-Antrag zu und kritisieren erneut die rückwärtsgewandte atomare und fossile Energiepolitik der schwarz-gelben Koalition. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2182, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 17/1750 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist bei Zustimmung durch die Koalition angenommen. Dagegen haben SPD und Linke gestimmt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich der Stimme enthalten. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer für den Gesetzentwurf ist, der erhebe sich bitte. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/2209. Wer stimmt für den Entschließungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Zugestimmt hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dagegen haben die Koalitionsfraktionen gestimmt. Enthalten haben sich SPD und Linke. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 a bis c auf: a) Beratung des Antrags der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Todesstrafe weltweit abschaffen - Drucksache 17/2114 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f) Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Folter bekämpfen und Folteropfer unterstützen - Drucksache 17/2115 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f) Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette Groth, Katrin Werner, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Abschaffung der Todesstrafe weltweit - Drucksache 17/2131 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f) Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Interfraktionell ist vorgeschlagen, die Reden zu Protokoll zu geben. - Damit sind Sie wiederum einverstanden. Ihre Reden zu Protokoll gegeben haben Frank Heinrich, Angelika Graf (Rosenheim), Marina Schuster, Annette Groth und Volker Beck (Köln).13 Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf Drucksachen 17/2114, 17/2115 und 17/2131 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das so beschlossen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes - Drucksache 17/1749 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - Drucksache 17/2108 - Berichterstattung: Abgeordnete Alois Gerig Gustav Herzog Dr. Erik Schweickert Alexander Süßmair Ulrike Höfken Nach einer interfraktionellen Verabredung ist vorgesehen, hierzu eine halbe Stunde zu debattieren. - Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Ihre Reden zu Protokoll gegeben haben die Kollegen Norbert Schindler und Gustav Herzog.14 Jetzt gebe ich dem Kollegen Dr. Erik Schweickert das Wort. (Beifall bei der FDP) Dr. Erik Schweickert (FDP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor sich vielleicht der eine oder andere von Ihnen heute Abend das Objekt des Beschlusses zu Gemüte führt, müssen wir noch arbeiten, schließlich auch ein Gesetz verabschieden. Von daher müssen wir uns noch ein paar Minuten gedulden. Für die Zuschauer: Es ist so, dass hier fraktionsübergreifend zu einem großen Teil Einigkeit besteht. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass ich als Einziger rede. In der Weinwirtschaft befinden wir uns in einem sehr stark regulierten Bereich. Der Staat schreibt vor, auf welcher Fläche der Winzer welche Rebsorte anbauen darf. Er sagt ihm, wie viel er ernten darf und wie viel davon zur Vermarktung freigegeben ist, um ihm dann zu sagen, wie ein Wein zu schmecken hat und welche Regelungen er bei der Bezeichnung beachten muss. Freie Entfaltungsmöglichkeiten sehen für mich etwas anders aus. Für mich als Liberalen sind das eindeutig zu viele Staatseingriffe. (Beifall bei der FDP - Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber wir haben doch guten Wein!) - Zum guten Wein kommen wir gleich. Aus dieser Situation heraus sind trotz guten Weines, Herr Kollege, Winzer auf die Idee gekommen, die Hektarhöchstertragsregelungen zu umgehen. Es wurden Gesetzeslücken genutzt. Von daher war es an uns, die wir die Regelungszuständigkeit haben, nachzubessern. Wir korrigieren mit dem Gesetz die Fehlentwicklungen und sorgen dafür, dass nicht von schlitzohrigen Winzern Geschäftsmodelle entwickelt werden, mit denen Gesetzeslücken ausgenutzt werden. Die Wettbewerbsverzerrung beheben wir. Das ist aber nur ein erster Schritt. In einem zweiten Schritt müssen wir auch noch an die Umrechnungsfaktoren wie den Umrechnungsfaktor von Most zu Wein oder auch von Traube zu Wein herangehen. Wir dürfen nicht vergessen: Hier hat der technische Fortschritt Einzug gehalten. Heute ist mit einem Traubenvollernter entrapptes Lesegut Grundlage des Wiegens. Von daher sind höhere Faktoren einschlägig. Wenn Sie es durchrechnen, dann kommen Sie zu dem Ergebnis, dass man bei der Weinherstellung durch Flotation oder Sedimentation 2 bis 3 Prozent Mosttrub hat. Bei der Gärung verliert man noch einmal 2 Prozent. Dann muss man das Ganze schönen. Das ergibt einen Verlust von noch einmal 1 bis 2 Prozent. Wenn Sie das zusammenrechnen, dann kommen Sie zu dem Ergebnis: Aus 100 Litern Most entstehen 94 Liter Wein. Die meisten Fassweine werden angereichert, sind QbA-Qualitäten. Dabei kommen noch einmal 1 bis 2 Prozent heraus. Wenn es ein RTK, ein rektifiziertes Traubenmostkonzentrat, ist, ist es etwas höher. So kommt man auf 97 Prozent. Deswegen ändern wir mit dieser Novelle des Weingesetzes auch gleich die Umrechnungsfaktoren. (Beifall bei der FDP - Hans-Michael Goldmann [FDP]: Alles klar, Herr Professor!) - Das ist das, was wir beschließen. Aber wir beschließen eigentlich noch viel mehr. Das ist untergegangen. Es ist aber für die Branche wichtig, hier ein Zeichen zu setzen. Als wir uns die Hektarerträge angeschaut haben, ist den Juristen aus dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, aber auch aus dem Justizministerium aufgefallen, dass wir in der Weingesetzgebung unverhältnis-mäßig hohe Strafen haben. Wenn sich ein Winzer verrechnet, kann er dafür - das steht im Gesetz - mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug bestraft werden. Das gibt es in keinem anderen Bereich. Wenn sich jemand bei der Milchquote verrechnet, ist das eine Ordnungswidrigkeit. Deswegen war es folgerichtig, dass wir uns entschlossen haben, an diese Regelung heranzugehen. Wir kommen hier zu einer Gesetzesentschärfung, weil nur dann, wenn eine Gesundheitsgefährdung vorliegt, solche Strafen verhängt werden sollten. Ich habe meinen Studenten immer gesagt: Wenn ihr in der Weinwirtschaft tätig seid, dann steht ihr aufgrund dieser Regelung immer mit einem Bein im Kittchen. - Jetzt sorgen wir dafür, dass die Verhältnismäßigkeit der Mittel wieder gewahrt wird und dass wir zu einem im Lebensmittelbereich üblichen Strafmaß kommen. (Beifall bei der FDP) Wir haben die Strafen nur da angepasst, wo es um den Hektarertrag, um die Auspressquote geht. Es hat sich aber gezeigt, dass hier noch viele Sachen im Argen liegen. Von daher ist es sicherlich nicht das letzte Mal, dass wir über das Weingesetz diskutieren. Jetzt möchte ich zu Ihrer Frage kommen: Warum tun wir das? Wir haben es hier mit einem regulierten Bereich zu tun. Dazu müssen wir wissen, dass nur 40 Prozent der in Deutschland getrunkenen Weine aus Deutschland kommen. 60 Prozent werden importiert. Gerade einmal 20 Prozent werden beim Winzer gekauft. Allein der Discount, also Aldi, Lidl und Norma, setzt 44 Prozent des deutschen Weins ab. Da können Sie sich vorstellen, in welchem Wettbewerb ein hiesiger Winzer steht. Da gibt es Regale mit 100 Weinen zur Auswahl. In dem Wettbewerb muss er sich behaupten können. Es liegt an uns als Parlament, als Gesetzgeber, der Branche die Möglichkeit zu eröffnen, auch im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Von daher bin ich mir sicher, dass das Thema Wein nicht nur bezüglich der Gesetzgebung, sondern auch bezüglich dessen, was an dem einen oder anderen parlamentarischen Abend getrunken wird, den richtigen Stellenwert genießt. Ich hoffe, dass es sich um einen deutschen Wein handelt, der zu diesen Veranstaltungen gereicht wird. In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen, damit die Branche dann auch sagen kann: Zum Wohl! Das Parlament hat gute Entscheidungen für uns getroffen, sodass wir auch in Zukunft wettbewerbsfähig sind. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Zu Protokoll gegeben haben ihre Reden außerdem der Kollege Alexander Süßmair und die Kollegin Ulrike Höfken.15 Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes. Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2108, den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/1749 in der Ausschussfassung anzunehmen. Diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen und die SPD angenommen. Es gab keine Gegenstimmen. Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Diejenigen, die zustimmen wollen, mögen sich bitte erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie vorher angenommen. Ich komme zu Tagesordnungspunkt 21: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Kaczmarek, Dirk Becker, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Hochwasserschutz europäisch und ökologisch nachhaltig umsetzen - Für ein integriertes Hochwasserschutzkonzept - zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Kaczmarek, Dirk Becker, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Naturnahen Wasserhaushalt durch Schutz und Renaturierung von Nass- und Feuchtgebieten fördern - Hochwassergefahren mindern, Klima schützen - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Undine Kurth (Quedlinburg), Dorothea Steiner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Auenschutzprogramm vorlegen - Drucksachen 17/1974, 17/1748, 17/1760, 17/ 2176 - Berichterstattung: Abgeordnete Ingbert Liebing Oliver Kaczmarek Horst Meierhofer Eva Bulling-Schröter Dorothea Steiner Zu diesem Punkt haben ihre Reden zu Protokoll gegeben: Ingbert Liebing, Josef Göppel, Oliver Kaczmarek, Horst Meierhofer, Sabine Stüber und Nicole Maisch.16 Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2176 die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1974 mit dem Titel "Hochwasserschutz europäisch und ökologisch nachhaltig umsetzen - Für ein integriertes Hochwasserschutzkonzept". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen. Dagegen gestimmt haben die Oppositionsfraktionen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1748 mit dem Titel "Naturnahen Wasserhaushalt durch Schutz und Renaturierung von Nass- und Feuchtgebieten fördern - Hochwassergefahren mindern, Klima schützen". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen. Dagegen gestimmt hat die SPD. Enthalten haben sich Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1760 mit dem Titel "Auenschutzprogramm vorlegen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Zugestimmt hat die Koalition. Dagegen gestimmt hat die Opposition. Die Beschlussempfehlung ist somit angenommen. Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - Drucksache 17/1684 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) - Drucksache 17/2169 - Berichterstattung: Abgeordneter Max Straubinger Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vor. Zu Protokoll genommen wurden die Reden von Peter Wichtel, Max Straubinger, Anette Kramme, Johannes Vogel (Lüdenscheid), Matthias W. Birkwald und Markus Kurth. Peter Wichtel (CDU/CSU): Die soziale Sicherung der Menschen und deren Vertrauen in den Sozialstaat ist und bleibt eines der zentralen Vorhaben der Bundesregierung. Die seit Beginn der Legislaturperiode gesetzlich verankerten arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Instrumente und insbesondere der weiter anhaltende positive Trend auf dem Arbeitsmarkt verdeutlichen, dass das Engagement der Regierung auf diesem Gebiet ebenso nachhaltig wie erfolgreich ist. Vor diesem Hintergrund ist es überaus erfreulich, dass mit dem heute vorliegenden Antrag ein weiterer Schritt getan wird, um unser Modell der sozialen Sicherung deutlich zu stärken. Mit dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch kommen wir dem Änderungsbedarf nach, der sich in der Sozialgesetzgebung an mehreren Stellen ergeben hat. Neben zahlreichen redaktionellen Anpassungen gibt es dabei mehrere Punkte, die es gesondert hervorzuheben lohnt. Wie bereits in der ersten Lesung vor wenigen Wochen verdeutlicht, ermöglicht der Gesetzentwurf die Teilhabe des Deutschen Gewerkschaftsbundes am elektronischen Entgeltnachweisverfahren ELENA. War bisher bei der Meldepflicht im Rahmen der Sozialversicherung neben diversen Akteuren auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände involviert, so ist es durchaus sachgemäß und angebracht, zukünftig auch den DGB einzubeziehen. Das von der Bundesregierung vorgesehene Anhörungsrecht zur Genehmigung der gemeinsamen Grundsätze im ELENA-Verfahren soll sowohl auf den Vertreter der Arbeitgeber als auch auf den der Arbeitnehmer erstreckt sein. Auch auf dem Feld der gesetzlichen Unfallversicherung sieht der Entwurf mehrere Änderungen vor. Zunächst sollen die Unfallversicherungsträger nach Inkrafttreten des Gesetzes verpflichtet sein, eine Regelung zur Verletztengeldberechnung bei nicht kontinuierlicher Arbeitsverrichtung in ihre Satzungen aufzunehmen. Dieser Ansatz ist zwar nicht neu, war aber bisher nur optional und somit nicht verpflichtend. Als ebenso obligatorisch soll zukünftig die Berücksichtigung von Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit verankert werden, sodass das Verletztengeld auch in atypischen Fällen bei selbstständigen Tätigkeiten seine Funktion als Entgeltersatz erfüllen kann. Besonders zu betonen gilt es zudem die endgültige Umsetzung der Neuorganisation der gewerblichen Berufsgenossenschaften, die im vorliegenden Gesetzentwurf verankert ist. Nach dem im Oktober 2008 verabschiedeten Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz konnte die beabsichtigte Straffung der Organisation durch eine Reduzierung der gewerblichen Berufsgenossenschaften auf freiwilliger Basis nicht vollständig erreicht werden. Die Umsetzung der im UVMG formulierten Zielvorgabe, die Versicherungsträger durch freiwillige Fusionen bis zum 31. Dezember des vergangenen Jahres auf neun zu reduzieren, wurde nicht vollständig erreicht. So ist die logische Folge, dass es nun eine Rechtsgrundlage zu verabschieden gilt, die - wie im Übrigen bereits im UVMG festgeschrieben - die Straffung der Organisation des Systems erfolgreich abschließt. Wir haben mit Freude zur Kenntnis genommen, dass es in diesem Punkt einen parteiübergreifenden Konsens zu geben scheint. Keine Einstimmigkeit herrscht dagegen zu unserem Bedauern bei der vorgesehenen Frist der verbleibenden Fusionen. So sprechen sich einige der noch nicht fusionierten Berufsgenossenschaften und auch die SPD-Fraktion in einem vorliegenden Änderungsantrag für eine zusätzliche Verlängerung der gesetzlichen Frist aus. Dabei ist ein Bedarf für einen weiteren Aufschub nicht erkennbar. Wir sind davon überzeugt, dass die Fusionshindernisse nicht im zeitlichen Bereich zu suchen sind. Es ist daher ebenso notwendig wie zielführend, den Fusionsprozess mit der Beibehaltung der geplanten Frist weiter voranzutreiben. Eine Verabschiedung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze wird nicht nur unnötige Bürokratiekosten einsparen und eine effektivere Gestaltung unseres Modells der sozialen Sicherung ermöglichen. Wir werden insbesondere das Vertrauen der Bevölkerung in das Sozialsystem steigern und die soziale Sicherheit der Menschen weiter ausbauen können. Wir bitten Sie vor diesem Hintergrund um Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf und somit zur Beteiligung an der verantwortungsvollen Aufgabe, unsere Sozialgesetzgebung den wirtschaftlichen Strukturen anzupassen. Max Straubinger (CDU/CSU): Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch werden zahlreiche technische Änderungen sowie neue Rechtsprechung umgesetzt. Aufgrund der Stellungnahme des Bundesrates und zahlreicher weiterer Anregungen, die im Laufe des Beratungsverfahrens erfolgten, wurde ein Änderungsantrag eingebracht. Von besonderer Bedeutung sind folgende Änderungen: Der bisherige Ausschluss von der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung für versicherungsfreie und von der Versicherung befreite Personen wegen Nichterfüllung der Mindestversicherungszeit von fünf Jahren wird aufgegeben. Dadurch wird künftig auch zum Beispiel Beamten und Angehörigen von berufsständischen Versorgungswerken die Möglichkeit eröffnet, freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen. Mit der Erweiterung der freiwilligen Versicherung wird einem Anliegen des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages Rechnung getragen. Es werden für die Zahlung des erhöhten Übergangsgeldes von 75 vom Hundert neben Pflegekindern und Kindern, die mit dem Übergangsgeldberechtigten im ersten Grad verwandt sind, künftig bei der Bemessung dieser Leistung auch Stiefkinder des Übergangsgeldberechtigten berücksichtigt. Mit der Gleichstellung von Stiefkindern mit leiblichen Kindern bei der Bemessung des Übergangsgeldes wird ebenfalls einem Wunsch des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages entsprochen. Aussetzung der Kürzung von Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld und Übergangsgeld nach dem SGB IX. Die diesen Entgeltersatzleistungen zugrunde liegende Berechnungsgrundlage wird normalerweise jeweils nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende des Bemessungszeitraums entsprechend der Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer vom vorvergangenen zum vergangenen Kalenderjahr an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst. Der Änderungsantrag enthält eine Schutzklausel, mit der eine Minderung der genannten Entgeltersatzleistungen für den Fall einer negativen Lohnentwicklung ausgeschlossen wird. Schließlich ist eine Verschiebung des Inkrafttretens der Regelung über die Weiterleitungsstellen um ein Jahr auf 2012 vorgesehen, also die Einrichtungen, an die Arbeitgeber auf Antrag die Meldungen zur Sozialversicherung, Beitragsnachweise und sämtliche Zahlungen einreichen können sollen. Das Inkrafttreten der Regelung wurde um ein Jahr zeitlich aufgeschoben, um zunächst weitere Erfahrungen in der Praxis zu sammeln und die Option für eine Weiterentwicklung des Gesamtkonzepts für den Beitragseinzug offenzuhalten. Von politischer Bedeutung ist insbesondere die Umsetzung der Neuorganisation der gewerblichen Berufsgenossenschaften. Das noch von der Großen Koalition beschlossene Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung, UVMG, vom 30. Oktober 2008 sah vor, dass die 26 gewerblichen Berufsgenossenschaften bis zum 1. Januar 2010 zu neun Trägern fusionieren sollen. Dieser freiwillige Fusionsprozess ist erfolgreich verlaufen. Allerdings wurde die Zahl von neun Trägern nicht ganz erreicht, gegenwärtig existieren noch 13 Träger. Die Reduzierung der Anzahl der Berufsgenossenschaften beruht auf einem Beschluss der Mitglieder des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 1. Dezember 2006. Um diesem Beschluss Nachdruck zu verleihen, ist es daher sachgerecht, dass - wie bereits mit dem UVMG angekündigt - eine gesetzliche Vorgabe erfolgt, welche Berufsgenossenschaften zum 1. Januar 2011 zu gemeinsamen Trägern fusionieren sollen. Der Bundesrat hatte zwar für eine Verlängerung der Frist für die Fusion der Berufsgenossenschaften um neun Monate auf den 1. Oktober 2011 plädiert. Es wird jedoch an den bisherigen Planungen zur Reduzierung der Unfallversicherungsträger und dem Fusionstermin 1. Januar 2011 festgehalten. Würden die Vorstellungen des Bundesrates Gesetz, könnten sich die Verhandlungen weitere neun Monate lang nutzlos hinziehen. Dieses Vorgehen macht keinen Sinn; denn es würde sich nichts am Verhandlungsfortschritt ändern. Die vermeintlichen Fusionshindernisse sind lange bekannt und werden nicht durch noch längere Verhandlungen ausgeräumt. Es fehlt nicht an der Zeit, es fehlt am Willen zur Fusions-entscheidung. Sinn macht es vielmehr, jetzt an dem Termin 1. Januar 2011 für die Fusionen festzuhalten und auf diese Weise den Fusionsdruck aufrechtzuerhalten. Andernfalls würde keine Einigung erzielt. Der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und die Deutsche gesetzliche Unfallversicherung fordern die Verlässlichkeit für die mit dem UVMG getroffenen Entscheidungen ein. Liegen dem Bundesversicherungsamt am 1. Oktober 2010 keine übereinstimmenden Vereinigungsbeschlüsse vor, vereinigt das Bundesversicherungsamt die Berufsgenossenschaften zum 1. Januar 2011. Mit diesen klaren Fristen wird der Verwaltungsvollzug durch die Aufsichtsbehörde vereinfacht und beschleunigt. Wir erwarten, dass die Selbstverwaltungen der betroffenen Berufsgenossenschaften die Fusionen fristgerecht in eigener Verantwortung abschließen werden. Bei den derzeit noch laufenden Verhandlungen im Bereich Metall/Holz wird erwartet, dass ein Interessenausgleich erfolgt. Anette Kramme (SPD): Mit einer in ihrer bisherigen Amtszeit unbekannten Liebe zum Detail formuliert die Regierung im dritten SGB-IV-Änderungsgesetz diverse Änderungen zu einer Vielzahl sozialpolitischer Regelungen. Zu loben ist, dass neben Anregungen vom Bundesrechnungshof, der Sozialversicherungsträger und der Gewerkschaften auch die in etlichen Bereichen inzwischen veränderte Rechtsprechung berücksichtigt wird. Zu kritisieren ist, dass bei genauem Hinsehen erkennbar ist, dass in der Menge der kleinteiligen Änderungen auch einige Absätze versteckt sind, die durchaus von politischer Brisanz sind. Nicht umsonst haben uns in den letzten Wochen so viele Stellungnahmen von Verbänden und betroffenen Organisationen erreicht, die ihre skeptische Einschätzung kundtaten. Zum einen ging es da um den Datenschutz. Der Gesetzentwurf sieht einiges vor, das wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten - und mit uns die Gewerkschaften - sehr kritisch bewerten. Aber Datenschutz ist offenbar eh nicht die große Stärke der Regierung, was man auch daran sieht, dass bis heute ein eigenständiges Arbeitnehmerdatenschutzgesetz nicht verabschiedet ist. Beim Thema Datenschutz muss noch viel passieren in dieser Legislaturperiode. Ein weiterer wichtiger Punkt, auf den in vielen Stellungnahmen eingegangen wurde, sind die sogenannten Weiterleitungsstellen. Hier hat die Bundesregierung auf dem Weg vom Referenten- zum Gesetzentwurf offenbar der Mut verlassen. Während ursprünglich geplant war, die Weiterleitungsstellen komplett zu streichen, wird nunmehr - quasi als Begräbnis zweiter Klasse - eine Verschiebung der Einführung um ein Jahr mit der Begründung formuliert, dass das Konzept "weiterentwickelt" werden solle. Hintergrund ist eine Regelung, die auf Wunsch der Union in das "Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung" aufgenommen wurde. Demnach können Arbeitgeber ab dem 1. Januar 2011 für ihre Beschäftigten Beitragsnachweise, Meldungen zur Sozialversicherung etc. an eine Weiterleitungsstelle ihrer Wahl richten. Wir als SPD-Bundestagsfraktion teilen zwar das Ziel, Arbeitgeber vom Verwaltungsaufwand zu entlasten. Ob Weiterleitungsstellen dafür der richtige Weg sind, bezweifele ich jedoch. Schließlich unterscheiden sich die Umlagesätze für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, U1, und bei Mutterschaft, U2, bei den einzelnen Krankenkassen. Arbeitnehmerbezogene Stammdaten müssen deshalb auch weiterhin geführt werden. Einen Abbau von Verwaltungsaufwand kann ich da kaum erkennen. Diese Einschätzung teilt übrigens auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, mit der wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht so häufig einer Meinung sind. Diese Einschätzung teilen aber auch die Krankenkassen, die Rentenversicherung, die Unfallversicherung sowie der DGB. Alle erachten die Einrichtung von Weiterleitungsstellen für überflüssig. Dass die Regierung hier nicht über ihren Schatten springt und statt einer kompletten Streichung nur eine Verschiebung um ein Jahr anstrebt, ist halbherzig und ein klein wenig jämmerlich. Wir als SPD-Bundestagsfraktion fordern die Bundesregierung auf, dem Votum des Bundesrates zu folgen und die ursprünglich im Referentenentwurf vorgesehene vollständige Streichung vorzunehmen. Das dritte Thema im vorliegenden Gesetzentwurf ist natürlich die neue Formulierung des § 225 SGB VII, der die Neuorganisation der gewerblichen Berufsgenossenschaften regelt. Diese ist noch zu Zeiten der Großen Koalition im Oktober 2008 auf den Weg gebracht worden. Ziel war es, dass die gewerblichen Unfallversicherungsträger bis zum 1. Januar 2010 durch Fusionen die Zahl von damals 26 auf neun Berufsgenossenschaften reduzieren. Durch die Reduzierung auf insgesamt nur noch neun Träger sollten leistungsfähigere und ausgewogenere Organisationen entstehen, die mit höherer Effizienz und hoffentlich auch einigen Einsparungen bei den Verwaltungskosten agieren können. Dass solche Fusionen Schwierigkeiten mit sich bringen, ist wohl normal. Aber im Vergleich zu Daimler-Chrysler und anderen Beispielen aus der Wirtschaft kann man definitiv festhalten, dass die Berufsgenossenschaften sich geschickt angestellt und die ihnen gebotene Chance zur freiwilligen Fusion fast alle gut genutzt haben. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten finden: Dies ist gut, und es ist auch ein Beleg für die funktionierende Selbstverwaltung in der Sozialversicherung. Ganz wurde die angestrebte Zahl von nur noch neun Trägern bisher jedoch leider nicht erreicht. Im Moment existieren im Bundesgebiet 13 Unfallversicherungsträger. Auch für mich als nicht abergläubischen Menschen ist das natürlich keine schöne Zahl. Unser Ziel war neun, unser Ziel bleibt neun. Natürlich kann ich nachvollziehen, dass bei den Beteiligten auch Bedenken gegenüber Fusionen bestehen - nicht nur, weil man sich an Strukturen gewöhnt hat, sondern auch, weil die Sorgen existieren, als kleines Rädchen innerhalb eines größeren Trägers branchenspezifische Belange nicht mehr so gut vertreten zu können. Wir haben hierzu den Vorschlag unterbreitet, bei Fusionen von mehr als vier Trägern für einen befristeten Zeitraum die Vertreterversammlung auf bis zu 76 Personen vergrößern zu können. Hierdurch wären Vertreterinnen und Vertreter aus den verschiedenen Branchen angemessen repräsentiert, und die branchenspezifischen Erfahrungen und Anforderungen könnten gerade bei einer Fusion unterschiedlich großer Träger angemessen artikuliert werden. Die Träger der Sozialversicherungen sind durch staatliche Hoheitsakte geschaffen worden, um die im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben des sozialen Schutzes zu organisieren. Sie können daher auch durch das Parlament neu organisiert werden, was auch Fusionen einschließt. Und: Bereits mit dem Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz war angekündigt, dass gesetzliche Vorgaben erfolgen werden, wenn die Reduzierung auf neun Träger nicht auf freiwilliger Basis gelingt. Die übrigen Unfallversicherungsträger, die teilweise mit großen Mühen Fusionen durchgeführt haben, erwarten jetzt zu Recht, dass wir uns an diese Vorgabe halten. Wenn wir uns jetzt das Votum des Bundesrates, die Frist zur Fusion um neun Monate zu verlängern, zu eigen machen, dann geschieht dies nur in der Absicht, den noch nicht fusionierten Berufsgenossenschaften eine Brücke zu bauen, damit sie bis zum Abschluss der Sozialwahlperiode die Fusion in die Wege leiten können. Keinesfalls darf dies so verstanden werden, dass wir die gesetzgeberische Kompetenz zur Reduzierung der Zahl der Träger infrage stellen, oder gar die Zielzahl von neun Berufsgenossenschaften für falsch halten. Da weder dieser Vorschlag noch unsere anderen Änderungsanträge von den die Regierung tragenden Koalitionsfraktionen angenommen worden sind und auch unseren Bedenken bezüglich des Datenschutzes nicht ausreichend Rechnung getragen wurde, werden wir uns bei der heutigen Abstimmung enthalten. Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): Heute beraten wir abschließend das dritte SGB-IV-Änderungsgesetz. Ich freue mich, dass wir nun die vielen Anregungen, die uns im Lauf des Jahres 2009 erreicht haben, sinnvoll und nach eingehender Beratung zuletzt in eine umfangreiche Gesetzesänderung münden lassen können. Ich möchte noch einmal ein paar Punkte herausgreifen, um unsere Überlegungen zu illustrieren: Ein Beispiel ist die Einfügung in den § 28 b SGB IV. Das damit geschaffene Anhörungsrecht für den Deutschen Gewerkschaftsbund halte ich nach wie vor für eine gute Sache. So stellen wir sicher, dass bei der Meldepflicht im Rahmen der Sozialversicherungspflicht Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite jeweils Berücksichtigung finden und keine Perspektive außen vor gelassen wird. Ich freue mich übrigens besonders, dass wir dadurch auch den Datenschutz der Arbeitnehmer mit einem tatkräftigen Anwalt, nämlich dem DGB, ausstatten. Gerade mit Blick auf die Datenerfassung, die im Zusammenhang mit dem ELENA-Verfahren ansteht, ist es gut, dass hier in gewissem Maße "Vorsorge" getroffen wird. Dazu zählt im weiteren Sinne auch, dass wir eine Informationspflicht bei der unrechtmäßigen Kenntniserlangung von Sozialdaten begründen - etwas, das uns Liberalen sehr wichtig gewesen ist; denn hiermit gelingt uns eine substanzielle Verbesserung beim Datenschutz. Gerade für den sensiblen Bereich der Sozialversicherungsdaten begrüße ich das ausdrücklich. Die Beratungen im Ausschuss haben außerdem gezeigt, dass wir uns in vielerlei Hinsicht einig sind, so etwa mit Blick auf die vorzunehmenden Fusionen der Berufsgenossenschaften. Ich hatte schon in der ersten Beratung ausgeführt, dass das System der Berufsgenossenschaften von einem Anpassungsprozess profitieren würde, auch um solche Probleme wie Beitragsspreizung oder eine überproportionale Beitragssteigerung. Deswegen ist es sinnvoll, die Trägerlandschaft zu einer übersichtlicheren Gliederung zu bringen. Die im Gesetz vorgesehenen Fusionsverpflichtungen werden ohne Frage zu einer Kräftigung der Organisationsstruktur und zu Effizienzgewinnen führen. Insofern ist es auch richtig, dass die Fristen, die für die Fusionen gesetzt wurden, keinen Änderungen unterworfen wurden. Dies ist auch im Ausschuss von Teilen der Opposition so gesehen worden. Dass wir hier nur Rahmenbedingungen setzen und ansonsten den Akteuren die Ausgestaltung überlassen, halte ich für die richtige Vorgehensweise - so wie ich dies grundsätzlich für die richtige Vorgehensweise halte, wenn wir gesetzgeberisch tätig werden. Unter diesem grundsätzlichen Aspekt halten wir von der FDP es auch für absolut richtig, die Möglichkeit der gesetzlichen Rentenversicherung auch für diejenigen zu öffnen, die von der Versicherungspflicht befreit sind. So gelingt es uns, ein Anliegen des Petitionsausschusses aufzugreifen, also unmittelbar auf ein Anliegen der Bürger einzugehen. Ähnlich sinnvoll erscheint die Änderung des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte. Auch darauf hatte ich schon hingewiesen: Hier vereinfachen wir eine Informationspflicht und vereinfachen so unmittelbar das Leben der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Die widerlegbare Fingierung der Fortgeltung des Befreiungsantrags von der Versicherungspflicht bei einer Wiederaufnahme der einschlägigen sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit halte ich für eine intelligente und schlanke Lösung, die den Aufwand für die Betroffenen erheblich zurückführt. Das Problem, dass aus Unkenntnis kein neuer Befreiungsantrag gestellt wird und somit Beitragsrückstände entstehen, erledigt sich damit. Die Beratungen im Ausschuss haben gezeigt, dass über das dritte SGB-IV-Änderungsgesetz weitgehende Einigkeit herrscht. Dass die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen im Ausschuss mit uns gestimmt hat, zeigt in meinen Augen auch die qualitative Güte des ganzen Pakets - auch die anderen Oppositionsfraktionen haben sich lediglich enthalten. Ich werbe nun nochmals um breite Zustimmung und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Seine Rede zur ersten Lesung zum vorliegenden Gesetzentwurf, mit dem verschiedene Bücher des Sozialgesetzbuches geändert werden, leitete Peter Wichtel, CDU, mit einem Lob der Bundesregierung ein. Er rühmte die Koalition aus CDU, CSU und FDP einer Sozialpolitik, die auch "in wirtschaftlich herausfordernder Zeit" die soziale Sicherung der Menschen gewährleiste. Mit dem vorliegenden Gesetz setze die schwarz-gelbe Koalition seines Erachtens nur einen weiteren Schritt auf einem erfolgreichen Pfad. Das ist eine grandiose Fehleinschätzung. Die hier zur Diskussion stehenden Maßnahmen stehen im Kontext einer Politik der Bundesregierung, die unten kürzt und drangsaliert und oben verteilt und tätschelt. Während Vermögende geschont werden, werden insbesondere mit den Kürzungen bei der Arbeitsförderung die Zukunftsperspektiven von Hartz-IV-Betroffenen zunichte gemacht. Mit dem jüngst beschlossenen Kürzungspaket betreiben Bundeskanzlerin Merkel und ihr Vizekanzler Westerwelle eine Streichungspolitik in einem Ausmaß und in einer Art und Weise, die sie nicht einmal mehr in den eigenen Reihen als gerecht vermitteln können. Aus der Perspektive der Linken ist das vorliegende Gesetz jedoch weitgehend unproblematisch. Zahlreiche einzelne Aspekte - wie ein Anhörungsrecht für die Gewerkschaften zum ELENA-Datensatz - werden geregelt, die nicht zu kritisieren sind. Auf zwei Punkte möchte ich genauer eingehen. Der erste Aspekt betrifft das Ziel, die Anzahl der Berufsgenossenschaften zu verringern. In der Tat gilt es, die Struktur der Berufsgenossenschaften zu erneuern. Die Vorgabe von Fristen für die Fusion einiger Berufsgenossenschaften entspricht den Plänen des Unfallversicherungsmodernisierungsgesetzes. Die Fristen waren insofern allen Beteiligten rechtzeitig bekannt. Mit dem Änderungsantrag der Regierungskoalition ist nunmehr einer Zwangsvereinigung durch das Bundesversicherungsamt der Weg geebnet worden. Hier ist jetzt von allen Seiten darauf hinzuwirken, dass mit einer rechtzeitigen Vorlage von Vereinigungsbeschlüssen keine Zwangsmaßnahmen greifen. Der Grund, warum die Linke nicht zustimmen wird, geht auf eine von vielen Fehlentscheidungen zurück, die die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD getroffen hat. Diese Fehlentscheidung trägt den Namen "Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung, GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG". Das GKV-WSG war und ist in toto falsch. Dazu hat Gregor Gysi in den damaligen Beratungen alles gesagt, was nötig ist. Mit dem GKV-WSG führte die Union unter Angela Merkel bei tätiger Mithilfe der SPD unter Franz Müntefering eine Regelung zu zentralen Weiterleitungsstellen ein, die zum 1. Januar 2011 in Kraft treten sollte. Die Vorstellung "einer Beitragseinzugsstelle" für alle Sozialversicherungsbeiträge stand bei dieser Regelung Pate - egal bei welchen Kassen die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen versichert sind. Der Vorteil für die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen liegt scheinbar auf der Hand. Unabhängig von der Krankenkasse könnten Arbeitgeber sich fortan an eine Stelle wenden, wenn denn die Weiterleitungsstellen im gesamten Umfang die Aufgaben der vielzähligen Einzugsstellen übernähmen. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, BDA, erklärt nunmehr ebenso wie die Krankenkassen, dass die Weiterleitungsstellen überflüssig sind und lediglich zusätzliche Bürokratie schaffen. Wir Linken sagen: Statt die endgültige Entscheidung nur um ein Jahr aufzuschieben, wie die Bundesregierung dies plant, sollte die Einführung von Weiterleitungsstellen schlicht und einfach gestrichen werden. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am 20. Mai habe in der ersten Lesung zu diesem Gesetzentwurf festgestellt, dass es gut und notwendig ist, dass man sich neben der Rettung der Finanzmärkte vor Spekulanten und Scharlatanen auch einmal wieder der Fortentwicklung der Sozialversicherungssysteme widmet. Das war da richtig. Heute muss ich sagen, ich bin froh, dass sich diese schwarz-gelbe Koalition überhaupt mal wieder den politischen Inhalten widmet und nicht "Wildsäue" und "Gurkentruppen" durch den Blätterwald treibt; denn um die armen Säue und die wohlschmeckenden Gurken, mit denen da Vergleiche angestellt werden, tut es einem ja schon leid. Zur Sache: Die Anpassungen in diesem Gesetz, die redaktioneller Natur sind und großteils auf Anmerkungen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zurückgehen, sind notwendig und vollziehen häufig einfach nur das nach, was durch Gesetzgebung andernorts notwendigerweise nachvollzogen werden muss. Die Bundesregierungen haben in den letzten Jahren zur Verbesserung der Risikostruktur, zur besseren Verteilung von Altlasten und aus Kostengründen die Fusion unterschiedlicher Berufsgenossenschaften auf freiwilliger Basis vorangetrieben. Viele sinnvolle Fusionen sind auf freiwilliger Basis erfolgt. Das ist begrüßenswert und erspart uns eine Menge Bürokratie. Allerdings hat es mit der Fusion noch nicht überall geklappt. Das Fleischereihandwerk, Nahrung und Gaststätten, aber auch Holz, Metall, Hütten- und Walzwerke haben noch nicht fusioniert. Das soll aber jetzt erfolgen. Deshalb bestimmt der Gesetzentwurf nun eine Frist, innerhalb derer die Fusionen erfolgt sein sollen. Allerdings bleibt der Vorrang der Selbstverwaltung in der Unfallversicherung generell garantiert, und ich bin sicher, dass die Selbstverwaltung sachgerechte Lösungen zur Verteilung von fusionsbedingten Härten und Anpassungsnotwendigkeiten finden wird. Datenschutz ist ein hohes Gut, gerade Sozialdatenschutz. Denn es geht hier nicht um Daten, die freiwillig weitergegeben werden. Vielmehr handelt es sich um solche Daten, die durch die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses als Arbeitnehmer anfallen. Deshalb muss hier eine besondere Sorgfaltspflicht gelten. Die Übertragung allgemeiner datenschutzrechtlicher Grundsätze in den Sozialdatenschutz ist zu begrüßen. Inwieweit allerdings die Beschränkungen sinnvoll sind, ist fraglich. Der Schutz der Informationspflicht sollte sich jedenfalls auch erstrecken auf erstens Berufsgeheimnisse, zweitens auf Daten, die sich auf Ordnungswidrigkeiten beziehen, und drittens auf Daten zu Bankkonten und Kreditkartendaten, sofern sie erhoben werden. Zwar wollen wir Grüne die Hofabgabe als Rentenvoraussetzung komplett abschaffen. Allerdings bedeuten die Vorschläge des Bauernverbands auf Drucksache 17/1684 fast alle einen Schritt in die richtige Richtung und können somit mitgetragen werden. Kleine landwirtschaftliche Betriebe werden nämlich jetzt zur Stilllegung gezwungen, weil ein Landwirt seine Altersrente nur bekommt, wenn er den eigenen Bauernhof nicht mehr selbst bewirtschaftet. Es ist gut und richtig, dass wir hier und heute Verbesserungen an unserem sozialen Sicherungssystem vornehmen. Denn dadurch, dass wir es immer wieder der Zeit anpassen, es sozusagen warten wie eine Maschine, die gut geölt werden muss, machen wir es sogar zu einem internationalen Exportschlager, der auch Krisen aushält. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2169, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/1684 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Max Straubinger und Dr. Heinrich Kolb auf Drucksache 17/2191. Wer stimmt für den Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/ CSU, FDP und Linke. Dagegen hat niemand gestimmt. SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung und mit der eben beschlossenen Änderung zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung angenommen, nachdem wir die zweite Beratung nur mental durchgeführt haben. - Zugestimmt haben CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen gab es nicht. Enthalten haben sich SPD und Linke. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 23 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Caren Lay, Herbert Behrens, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Fluggastrechte stärken - Drucksache 17/2021 - Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss (f) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Tourismus Federführung strittig Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden von Marco Wanderwitz, Lucia Puttrich, Marianne Schieder, Heinz Paula, Marco Buschmann, Caren Lay und Markus Tressel zu Protokoll genommen. Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Die isländische Aschewolke hat vielen auf den Flughäfen dieser Welt gestrandeten Reisenden nicht nur viel immateriellen Ärger beschert, sondern auch Geld gekostet. Höhere Gewalt aber kennt keinen Schuldigen. Die PDS sucht dennoch einen. Diese Hybris muss misslingen. Fluggastrechte sind im europäischen Gemeinschaftsrecht bereits in erheblichem Umfang geregelt. Die Fortschreibung hat sich die Koalition auf ihre Fahnen geschrieben. Wer die bestehenden Verordnungen überblickt, wird aber feststellen, dass es für den Großteil der heute zu diskutierenden Forderungen an der Notwendigkeit einer weitergehenden Regelung fehlt. Die Verordnung 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. September 2008 hat die gemeinsamen Vorschriften 2407, 2408, 2409/1992 über den Zugang und die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft bereits neu gefasst und erheblich verschärft. Mit der Verordnung wurden die Durchgriffsrechte der Behörden gestärkt, die Europäische Kommission kann zudem nationale Behörden zur Überprüfung einzelner Fluggesellschaften auffordern. Die nationalen Handlungsspielräume sind umfangreich genutzt. Wer in Deutschland fliegen möchte, benötigt eine Betriebsgenehmigung. Von der deutschen Luftfahrtbehörde werden solche Genehmigungen nur denjenigen Fluglinien erteilt, die einen regelmäßigen Nachweis der aktuellen und künftigen Finanzlage sowie Geschäftstätigkeit erbringen. In Deutschland beispielsweise haben diese verschärften Regelungen bereits Früchte getragen. Im Frühjahr 2009 wurde einer Fluggesellschaft vom Luftfahrt-Bundesamt die Betriebsgenehmigung erst nach Erbringung bestimmter Sicherheiten wieder erteilt. Dadurch konnte eine kurzfristige Insolvenz ausgeschlossen bzw. abgesichert werden. Wie von den Antragstellern selbst vorgetragen, waren von November 2005 bis September 2008 29 Fluggesellschaften von Insolvenz betroffen. Diese lagen aber eben vor der Verschärfung der Verordnung. Die Regelungen sind demnach dem Grunde nach vorhanden. Entscheidend ist es, für eine einheitliche und konsequente Anwendung der Verordnung in den Mitgliedstaaten als Absicherungsregelung zu sorgen. Dies ist unser vorrangiges Bestreben. Eine dennoch nicht komplett auszuschließende Insolvenz von Reiseanbietern und speziell Fluggesellschaften durch europäische Fondslösungen oder Versicherungspflichten zum Schutz der Verbraucher abzusichern, ist grundsätzlich überlegenswert, jedoch belasten solche Instrumente in erster Linie europäische bzw. deutsche Fluglinien und provozieren damit globale Wettbewerbsverzerrungen. Außereuropäische Fluggesellschaften hätten mangels einer Kostenbelastung einen Vorteil, könnten mit preiswerteren Angeboten den europäischen Verbraucher locken. Die damit einhergehende Gefahr, Fluglinien zu nutzen, die nicht der Betriebs- und Finanzaufsicht der europäischen Luftfahrtbehörde gemäß der Verordnung 1008/2008 unterliegen, konterkariert die Forderung nach verstärktem Verbraucherschutz. Grundsätzlich besteht auch keine besondere Notwendigkeit für solch eine umfassende Insolvenzabsicherung zugunsten Individualreisender. Wo der Pauschalreisende mangels Vertragsbeziehungen zu Hotel und Fluggesellschaft vor deren Insolvenz geschützt werden soll, hat der Individualreisende doch seinen unmittelbaren Anspruch und zudem im Vorhinein die Möglichkeit, sich den Vertragspartner selbst auszusuchen. Als mündiger Verbraucher hat er aber auch gleichzeitig die Pflicht, sich vorher ausreichend über die Seriosität und Liquidität seines individuellen Vertragspartners zu informieren. Einer Absicherung der gesamten Leistungskette vor einer Insolvenz des Mittlers wie im Pauschalreiserecht bedarf es daher nicht. Dennoch sehen wir längerfristig eine weitere Harmonisierung von Individual- und Pauschalreisen gerade aus Einheitlichkeitsgründen der Rechtsordnung als erstrebenswert. Der in einer Insolvenzabsicherung auch bei Pauschalreisen bislang nicht erfasste Rückbeförderungsanspruch steht zur Prüfung. Während wir auch hier zunächst eine konsequente Umsetzung und einheitliche Interpretation der bestehenden Regelungen in den jeweiligen Mitgliedsländern vorantreiben wollen, gleichzeitig die Mündigkeit der Bürger zur Informationsbeschaffung einfordern, erwarten wir natürlich auch eine verbraucherfreundliche Mitwirkung der Fluggesellschaften. Das beginnt und endet nicht mit der aktiven Teilnahme an der verkehrsträgerübergreifenden Schlichtungsstelle. Notfalls werden wir die Fluggesellschaften verpflichten müssen. Die Fluggastrechte insgesamt sind umfangreich ausgestaltet, jedenfalls nicht offensichtlich unzureichend. Der EuGH hat diese mit seinem Urteil vom 19. November 2009 weiter gestärkt, indem er bei Verspätungen von drei oder mehr Stunden einen Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsleistung gewährt. Damit hat er diese Fluggäste denjenigen gleich stellt, die von einer Annullierung oder Nichtbeförderung betroffen sind und nach der Verordnung 261/2004 ausdrücklich Anspruch auf Ausgleichsleistungen in Höhe von - je nach Flugdistanz - 250 bis 600 Euro haben. Es ist letztlich alles hier keine Frage der Rechtssicherheit oder der fehlenden Regelungen, sondern vielmehr eine der Informationsverschaffung und damit der Umsetzung bestehender Regelungen. Damit sind einerseits die Fluglinien gemeint, denen es schlichtweg an Verantwortungsbewusstsein fehlt, wie nicht nur das Beispiel Schlichtungsstelle aufzeigt. Artikel 14 der Verordnung 261/2004 vom 11. Februar 2004 regelt nämlich bereits einige der hier geforderten Punkte der Informationspflichten, es fehlt nur hier und da an der Umsetzung. Wer nun - und damit möchte ich auf den Anfang meiner Rede zurückkommen - allerdings Opfer eines Naturereignisses geworden ist und mit den Mehrkosten eines Zwangsurlaubes konfrontiert ist, der wird keinen Schuldigen finden, auch nicht mithilfe der PDS. Die rechtliche Lage ist angesichts des Verschuldensprinzips des Schadensersatzrechts eineindeutig. Ohne Verschulden kein Anspruch. Wenn "ein von außen kommendes und keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, nicht vorhersehbares, auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis" eintritt, trifft schon denklogisch schlichtweg niemanden ein Verschulden. Da die PDS am Pauschalreiserecht Gefallen zu finden scheint, möchte ich Ihnen die Lektüre des § 651 j Abs. 2 Satz 3 BGB empfehlen. Den Fluggesellschaften das alleinige Risiko und die Kosten aufbürden zu wollen, ist absurd. Eine solche Vollkaskomentalität letztlich zu Lasten der Allgemeinheit, wie sie offensichtlich von der PDS gedacht wird, wird es in unserem Rechtssystem nicht geben. Lucia Puttrich (CDU/CSU): Ein zentrales Thema des Verbraucherschutzes sind die Fluggastrechte. Mit steigender Mobilität der Bürgerinnen und Bürger war es konsequent und richtig, die Rechte der Fluggäste stetig auszubauen; denn ob Vulkanasche, Streiks oder technische Probleme - Flugverspätungen oder Flugausfälle sind unvermeidbar. Aus diesem Grund gibt es von der EU und Deutschland klar beschriebene Fluggastrechte. Denn Mobilität ist eine Schlüsselfunktion unserer Gesellschaft. Schon heute gilt: Die Fluggesellschaften müssen jederzeit ihrer Pflicht nachkommen und die Fluggastrechte einhalten. Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der Linken, haben nun einen Antrag vorgelegt, der sich mit der "Stärkung der Fluggastrechte" befasst. Nur leider stellt Ihr Antrag einen Katalog überzogener Forderungen dar. Die Rechte der Fahr- und Fluggäste sind uns in der Union bereits seit langem ein zentrales Anliegen und wurden von uns - auch auf europäischer Ebene - massiv vorangetrieben. Unser Ziel, die Rechte von Fluggästen zu überprüfen und dort, wo es nötig ist, zu verbessern, haben wir daher auch im Koalitionsvertrag festgehalten, mit Blick für das Machbare wohlgemerkt. Bereits heute gelten klar beschriebene Fluggastrechte: 2005 ist die EU-Fahrgastrechteregelung in Kraft getreten. Wer stundenlang am Flughafen warten muss, hat seitdem Anspruch auf Verpflegung und Unterkunft. Auch wurde hier bereits geregelt, dass Fluggäste bei Nichtbeförderung oder bei Annullierung die Betreuung der Fluggäste, das Angebot einer anderweitigen Beförderung und Ausgleichszahlungen bis zu 600 Euro erhalten können. Auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von November 2009 stärkt die Fluggastrechte: Künftig werden erhebliche Verspätungen den Annullierungen gleichgesetzt. Somit können auch hier gegebenenfalls Ausgleichszahlungen fällig werden. Auch technische Probleme entbinden übrigens nicht mehr von einer Ausgleichzahlung. Darüber hinaus sprach sich der Bundesgerichtshof im März dieses Jahres in einem Urteil dafür aus, dass Fluggesellschaften ihren Fluggästen nicht mehr vorschreiben dürfen, ob und in welcher Reihenfolge sie ihre Flüge antreten. Das heißt: Flugtickets bleiben auch dann gültig, wenn der Reisende den Hinflug oder eine Teilstrecke nicht antritt. Sie sehen, die Fluggastrechte sind auf einem guten Weg. Dennoch gilt es weiterhin, die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher im Flugverkehr beständig voranzubringen. Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der Linken, helfen mit Ihrem Antrag wenig weiter; denn er schießt weit über das Ziel hinaus. Sie fordern, Fluggäste gegen die Insolvenz von Fluggesellschaften per Versicherung abzusichern. Auch schlagen Sie vor, einen Fonds zur Rückabsicherung für Fluggäste einzurichten. Einen Rechtsanspruch auf Rückbeförderung gesetzlich zu verankern, ist praxisfern, ein Fonds nicht zielführend. Mein Kollege Marco Wanderwitz hat in seiner Rede schon hinreichend darauf hingewiesen. Sie fordern, die Beteiligung von Fluggesellschaften an der Schlichtungsstelle gesetzlich festzuschreiben. Dazu kann ich nur sagen: Guten Morgen, auch schon wach. Es stimmt, dass der Handlungsbedarf besonders im Bereich der Schlichtung gegeben ist. Bereits in unserem Koalitionsvertrag fordern wir daher richtigerweise: Die Einrichtung einer unabhängigen, übergreifenden Schlichtungsstelle für die Verkehrsträger Bus, Bahn, Flug und Schiff wird gesetzlich verankert. Die Schlichtungsstelle öffentlicher Personenverkehr, söp, hat am 1. Dezember 2009 ihre Arbeit aufgenommen. Der Verein, der von den beteiligten Verkehrsträgern finanziert wird, leistet gute Arbeit. Derzeit beteiligen sich acht Unternehmen an der Schlichtung, wobei der Großteil der Finanzierung durch die Deutsche Bahn AG erbracht wird. Leider sind die Fluggesellschaften nach wie vor nicht bereit, sich an einer freiwilligen Schlichtung zu beteiligen. Die Fluggesellschaften verweisen bei Beschwerdefällen gerne auf das Luftfahrt-Bundesamt als zuständige Beschwerdestelle. Das Luftfahrt-Bundesamt ist jedoch nicht ermächtigt, etwaige zivilrechtliche Ansprüche des Fluggastes wie beispielsweise Ausgleichs- und Erstattungsleistungen oder Schadensersatz durchzusetzen. Im Gegenteil: Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom November 2009 ist eine weitere Zunahme zivilrechtlicher Streitigkeiten um Entschädigungsansprüche zu erwarten. Es liegt nun an den Fluggesellschaften, sich aktiv an der Schlichtungsstelle zu beteiligen. Geschieht dies nicht, werden wir die Fluggesellschaften zeitnah dazu verpflichten. Das Anliegen von Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner, die Schlichtungsstelle als verkehrsträgerübergreifende Institution gesetzlich zu verankern, unterstützen wir daher nachdrücklich. Denn diese schnelle nationale Lösung ist richtig und realisierbar. Außergerichtliche Streitschlichtungen sind absolut Gerichtsverfahren vorzuziehen. Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von den Linken, schießen aber auch hier wieder über das Ziel hinaus: Sie fordern, die Streitschlichtung durch Gebühren der Fluggesellschaften zu finanzieren. Höhere Ticketpreise wären die Folge. Das widerspricht jedoch unserem Grundsatz, dass Mobilität für die Verbraucherinnen und Verbraucher auch bezahlbar bleiben muss. Schließlich schreiben Sie in Ihrem Antrag, dass die Fluggesellschaften ihren Fluggästen den Erhalt klar erkennbarer Informationen über deren Rechte am Schalter und auf jedem Ticket garantieren. Sie hätten es am liebsten, dass Informationen über Schadensersatzansprüche und Ausgleichsleistungen beim Buchungsvorgang an die Fluggäste ausgehändigt werden. Solche bürokratischen Informationsfluten haben keinerlei Mehrwert für den Verbraucher. Das sind Forderungen, die weder verbraucherfreundlich noch zu Ende gedacht sind. Die christlich-liberale Koalition ist bei den Fluggastrechten auf dem richtigen Weg. Wir wollen die außergerichtliche Streitbeilegung im öffentlichen Personenverkehr voranbringen. Das geht jedoch nur zusammen mit den Fluggesellschaften und nicht ohne sie. Wir sind deshalb entschlossen, im Interesse des Verbraucherschutzes und der Wettbewerbsgleichheit der Verkehrsträger für jeden Fahr- und Fluggast den Zugang zu einem Schlichtungsverfahren notfalls durch eine entsprechende Mitwirkungspflicht der Verkehrsunternehmen sicherzustellen. Denn unterschiedliche Anlaufstellen im Verkehrsbereich sind für die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nachvollziehbar. Für die Verbraucherpolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht fest: Wer in Deutschland startet oder landet, muss sich an unsere Standards halten. Dies gilt auch für Billigflieger. Sicherlich: Manche Fluggesellschaften agieren vorbildlich und andere machen von alleine gar nichts. Aber es ist doch zu einfach gedacht, wieder einmal nur nach dem alles regelnden Staat zu rufen. Wir in der Union gestehen den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu, proaktiv ihre Rechte einzufordern. Wir gehen von einem mündigen Verbraucher aus. Ein Verbraucher, der gut informiert ist, kann selbstbestimmt handeln. Wir stehen für Transparenz, Aufklärung und Rechtsdurchsetzung - und wo nötig, auch mehr Rechte -, ohne gleich die gesetzliche Regelungswut die Oberhand gewinnen zu lassen. Bürokratische Ungetüme haben beim Verbraucherschutz nichts zu suchen. Fahrgastrechte sind für die Verbraucher nur dann von Nutzen, wenn sie durchgesetzt werden können. Unerreichbare Luftschlösser sind wenig hilfreich. Deshalb lehnen wir den Antrag der Linken ab. Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Wir haben im letzten Jahr nach langen und intensiven Diskussionen die Rechte von Bahnkunden gestärkt. Wir haben dafür gesorgt, dass Kundinnen und Kunden der Bahn auf klar geregelte Fahrgastrechte bauen können und nicht mehr als Bittstellerinnen und Bittsteller auf die Kulanz der Bahn hoffen müssen. Bereits seit Februar 2005 ist die EU-Fluggastrechte-Verordnung 261/2004 in Kraft. Auf dieser Grundlage könnten die Fluggäste ihre Rechtsansprüche gegenüber den Fluggesellschaften geltend machen. Eigentlich! Seit Jahren zeigt sich aber, dass die Fluggesellschaften mit allen möglichen Tricks versuchen, sich um die Zahlungsverpflichtungen zu drücken. Aktuellstes Beispiel ist natürlich der Vulkanausbruch in Island und die damit einhergehenden Einschränkungen und massiven Probleme, gegen die Fluggäste anzukämpfen hatten. Zwar haben die meisten Fluggesellschaften auf ihren Internetseiten Hinweise und Möglichkeiten der kostenlosen Stornierung und Umbuchung von Flügen aufgezeigt. Doch nutzte dies den vielen Passagieren, die auf europäischen Flughäfen festsaßen, nichts. Auch das Krisenmanagement der Bundesregierung ließ viel zu wünschen übrig, um nicht zu sagen: Es war katastrophal. Dass sich in vielen Fällen auch die Deutschen Botschaften nicht für zuständig erklärten, ist bis heute nicht nachvollziehbar. Von daher geht der Antrag der Fraktion Die Linke in die richtige Richtung. Allerdings macht sie wieder mal den zweiten vor dem ersten Schritt. Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen 27 Punkte umfassenden Fragenkatalog erarbeitet, in dem die Bundesregierung Stellung nehmen muss zum ungenügenden Krisenmanagement und der mangelhaften Umsetzung von Passagierrechten. Wir werden die Antworten genau prüfen und daraus die notwendigen Forderungen ableiten. Das ist die richtige Vorgehensweise, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke. Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung vom 25. November 2009 zur Entschädigung von Fluggästen im Falle einer Insolvenz der Fluggesellschaft der Kommission entsprechende Vorschläge unterbreitet. Die Kommission ist darin aufgefordert, einen Legislativvorschlag vorzulegen. Wir setzen voraus, dass hier die Bundesregierung im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher verhandelt. Meine Fraktion wird, wie auch bei der Fluggastrechte-Verordnung, die derzeit in der EU auf dem Prüfstand steht, die Verhandlungsergebnisse analysieren und den Handlungsbedarf prüfen. Eine Schlichtungsstelle ist wichtig und notwendig, eine Beteiligung der Luftverkehrsunternehmen ebenso. Es würde ihnen die Chance eröffnen, ihr Verhältnis zu ihren Kundinnen und Kunden zu verbessern, neues Vertrauen aufzubauen und damit den entstandenen Imageschaden zu heilen. Dies gilt vor allem mit Blick auf diejenigen Airlines, die bis heute über kein Beschwerdemanagement verfügen und deren Ziel bisher nur die Abwehr von Verbraucheransprüchen ist. Um es ganz klar zu sagen: Schlichtung ersetzt nicht das Beschwerdemanagement bei den Verkehrsunternehmen. Schlichtung stellt vielmehr eine unverzichtbare Ergänzung zu einem guten Beschwerdemanagement dar. Zuständiger Ansprechpartner für Beschwerden von Fluggästen ist das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig. Ihm obliegt es allerdings nicht, den Verbraucherinnen und Verbrauchern bei der Durchsetzung ihrer privatrechtlichen Ansprüche behilflich zu sein, das ist Aufgabe der Zivilgerichte. Die Informationspflicht der Fluggesellschaften ist klar in Art. 14 der EU-Verordnung geregelt: Das ausführende Luftfahrtunternehmen stellt sicher, dass bei der Abfertigung ein klar lesbarer Hinweis mit folgendem Wortlaut für die Fluggäste deutlich sichtbar angebracht wird: "Wenn Ihnen die Beförderung verweigert wird oder wenn Ihr Flug annulliert wird oder um mindestens zwei Stunden verspätet ist, verlangen Sie am Abfertigungsschalter oder am Flugsteig schriftliche Auskunft über ihre Rechte, insbesondere über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen." Der Bundesregierung sind seit langem Verstöße gegen Art. 14 der Verordnung bekannt. Ich fordere sie deshalb auf, endlich entsprechende ordnungsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Heinz Paula (SPD): Seit dem Ausbruch des Eyjafjallajökull sind die Fluggastrechte wieder in aller Munde. Medienberichten zufolge wurden aufgrund des Flugverbotes 95 000 Flüge gestrichen; 10 Millionen Passagiere konnten ihren ursprünglich gebuchten Flug nicht antreten. Es herrschte Chaos auf europäischen und internationalen Flughäfen. Gestrandete Passagiere in Übersee mussten auf die Freigabe des europäischen Luftraumes warten und waren ungenügend informiert. Keiner wusste zunächst, wann und wie es weitergeht. Es herrschte auch Unklarheit darüber, ob die geltende EU-Verordnung für Fluggastrechte aus dem Jahre 2004 auch einen Anspruch der Passagiere bei Annullierung der Flüge durch Naturkatastrophen bzw. höhere Gewalt abdeckt. Herr Kallas, EU-Kommissar für Verkehr, hat jedoch ziemlich schnell klargestellt, dass jeder Reisende das Recht hat, das Geld für den ausgefallenen Flug erstattet zu bekommen. Dies gelte, so der Kommissar, ohne Ausnahme für Flüge mit allen europäischen Airlines und für alle Flüge mit "ausländischen" Airlines, wenn die ausgefallenen Verbindungen in der Europäischen Union hätte starten sollen. Das Chaos auf den Flughäfen hat jedoch trotz der raschen Klarstellung auf EU-Ebene Defizite sowohl bei den Fluggastrechten als auch in der Informationspolitik der Fluggesellschaften und der Bundesregierung offenbart. Es blieben und bleiben zahlreiche Fragen offen: Wer zahlt die Kosten, die durch einen verlängerten Aufenthalt entstanden sind? Sind die Passagiere ausreichend über ihre Rechte informiert, wie es die europäische Fluggastverordnung vorschreibt? Was hat die Bundesregierung getan, um die gestrandeten Passagiere zu informieren? Gab es Probleme bei der Umbuchung? Haben die Fluggesellschaften sich ihren Pflichten gemäß verhalten? Fragen zur Schlichtungsstelle und zu den Beschwerdeeingängen beim Luftfahrt-Bundesamt, zu den Leistungen der Fluggesellschaften bei Naturkatastrophen schließen sich an. All diese Fragen haben wir - ungefähr zeitgleich mit dem vorliegenden Antrag - in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Wir sind gespannt auf die Antworten. Eines jedoch können wir jetzt schon sagen: Das Krisenmanagement der Bundesregierung war mangelhaft. Auf der Grundlage dieser neuen und aktuellen Daten werden wir dann die entsprechenden Handlungsschritte einleiten. Besonders in der Frage der Beteiligung der Fluggesellschaften an der Schlichtungsstelle herrscht dringender Handlungsbedarf. Ihr Antrag greift viele wichtige Punkte auf, Punkte, die auch in unserer Fraktion als problematisch erkannt werden. Insolvenzabsicherung, Benachteiligung der Individualreisenden bei Flugausfällen aufgrund von Insolvenz und Naturkatastrophen, mangelnde Information der Fluggesellschaften über ihre Rechte - dies sind nur einige davon. Auch hinsichtlich der Beteiligung der Fluggesellschaften an der Schlichtungsstelle sehen wir, wie erwähnt, Handlungsbedarf. Eine gesetzliche Festschreibung allerdings muss aus rechtlicher Sicht unangreifbar und wasserdicht sein. Dies muss sehr genau geprüft werden. Erst dann können wir über das weitere Vorgehen entscheiden und fundierte Forderungen stellen. Daher lehnen wir Ihren Antrag in vorliegender Form ab. Marco Buschmann (FDP): Der Verbraucherschutz ist ein wichtiges Anliegen der FDP. Das hat erst jüngst wieder mein ausgezeichneter Kollege Professor Schweickert mit seinem Konzept gegen Abzocke bei Telefonwarteschleifen gezeigt. Liberale Verbraucherpolitik setzt auf eine Stärkung des Verbrauchers im Markt. Unser Leitbild ist der gut informierte und mündige Verbraucher. Auch die Stärkung von Rechten der Fluggäste hat die FDP stets im Blick: Denken Sie nur an unseren Antrag vom 13. Mai 2009 mit dem Titel "Rechte der Fluggäste stärken". Im Ziel sind wir uns hier im Hause also weitgehend einig. Nur unterschiedliche Wege sind es, die wir beschreiten wollen. Die Fraktion Die Linke bemängelt in ihrem Antrag etwa die unzureichenden Möglichkeiten einer außergerichtlichen Streitschlichtung. Daran muss man uns nicht erinnern. Denn wir waren hier Vorreiter: Im Koalitionsvertrag legte die christlich-liberale Koalition die Einrichtung einer unabhängigen, übergreifenden Schlichtungsstelle für die Verkehrsträger Bus, Bahn, Flugzeug und Schiff fest. Bereits am 1. Dezember 2009 hat die "Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V." ihre Arbeit aufgenommen. Sie ist eine unabhängige Einrichtung der Unternehmen des öffentlichen Verkehrs in Deutschland zur Schlichtung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Beförderungsverträgen. Die Schlichtung wird allen Kunden von Unternehmen im Bahn-, Bus-, Flug- und Schiffsverkehr angeboten, die sich an dem Schlichtungsverfahren beteiligen. Die Koalition hat hier schnell und entschieden gehandelt. Zwar ist es richtig, dass sich Luftverkehrsunternehmen bisher noch nicht an dieser neuen Schlichtung beteiligen. Gleichwohl war die Bundesregierung bereits aktiv: Die Luftfahrtgesellschaften sind nun durch das Bundesministerium der Justiz angehalten worden, sich in einer Arbeitsgruppe zu treffen, um einen Modus zur Beteiligung an der Schlichtung zu finden. Ein erstes Treffen dieser Arbeitsgruppe wird noch vor der Sommerpause stattfinden. Neben den Fluggesellschaften werden auch das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium für Verbraucherschutz in der Arbeitsgruppe vertreten sein. Wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben, werden die Rechte von Fluggästen laufend evaluiert und gegebenenfalls verbessert. In einem ersten Schritt wurde erst vor wenigen Monaten das freiwillige Instrument der "Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V." eingerichtet. Man sollte also der "Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V." schon noch die Chance geben, sich zu entwickeln, bevor man voreilig nach weiterer staatlicher Regulierung ruft, wie es die Linke auch in diesem Antrag wieder einmal macht. Caren Lay (DIE LINKE): Auch in diesem Sommer buchen Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Reisen zunehmend über das Internet. Doch anders als Pauschalreisende bleiben sie auf den Kosten sitzen, wenn die Fluggesellschaft in die Insolvenz schlittert. Der Grund ist die uneinheitliche Rechtslage bei Pauschalreisenden einerseits und im Flugverkehr andererseits. In Streitfällen haben Fluggäste ebenfalls schlechte Karten. Zusätzliche Gebühren, horrende Umbuchungskosten oder verweigerter Schadensersatz bei Ausfällen - es gibt viele Gründe, sich über Fluggesellschaften zu ärgern. Allerdings birgt der Rechtsweg stets das Risiko unverhältnismäßiger Kosten. Aber die Möglichkeit der außergerichtlichen Streitschlichtung bleibt Flugpassagieren verwehrt; denn die Beteiligung an der "Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V." ist für Fluggesellschaften freiwillig. Das bescheidene Ergebnis: Kein einziges Flugunternehmen ist Mitglied. Hinzu kommt: 86 Prozent der Fluggäste erhalten von den Airlines keinerlei Hinweise über ihre Rechte. Das ergab eine Untersuchung der Stiftung Warentest im Mai 2009. Dabei nutzen Fluggesellschaften es kräftig aus, dass Fluggäste ihre Rechte nicht kennen. Im Ergebnis sind Fluggäste den Fluggesellschaften immer unterlegen. Das muss sich ändern. Die fortdauernde Wirtschaftskrise und das Flugchaos durch den Ausbruch des isländischen Vulkans haben nicht nur das Insolvenzrisiko für Fluggesellschaften erhöht. Es besteht auch die Gefahr, dass Ausfälle und Kosten, die den Airlines entstehen, auf dem Rücken von Fluggästen ausgetragen werden. Die unterschiedliche Rechtslage und Rechtsauslegung ist vielen Passagieren bereits auf die Füße gefallen. Viele Reisende saßen wegen der Vulkan-asche fest und wussten nicht, wer die zusätzlich entstandenen Kosten übernimmt, sei es für zwangsweise verlängerte Aufenthalte und Übernachtungen oder teurere alternative Rücktransporte mit Schiff oder Bahn. Deshalb müssen wir die Rechte von Fluggästen stärken. Die Linke fordert, alle Fluggäste wirksam gegen die Insolvenz von Fluggesellschaften abzusichern: nicht nur Pauschalreisende, sondern auch Individualreisende. Eine solche Absicherung muss im Bedarfsfall natürlich auch zahlungsfähig sein. Das kann ein Fonds gewährleisten, in den Fluggesellschaften gemeinsam einzahlen, um im Notfall ungedeckte Ansprüche zu bedienen. Österreich hat dieses Modell erfolgreich erprobt. Leider hat die Bundesregierung europäische Initiativen zur besseren Insolvenzabsicherung von Flugpassagieren bisher blockiert. Diese einseitige Blockadehaltung muss sie überwinden - im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher. Damit Fluggäste ihre Rechte im Zweifelsfall auch durchsetzen können, ist eine unabhängige Schlichtungsstelle unabdingbar. Fluggesellschaften müssen sich selbstverständlich an der Schlichtungsstelle beteiligen. Die freiwillige Teilnahme für Flugunternehmen hat sich als Irrweg zulasten der Flugpassagiere erwiesen. Schließlich kann es nicht sein, dass Flugunternehmen wichtige Informationen vor ihren Fluggästen verstecken. Wir fordern klar erkennbare und verständliche Informationen: auf jedem Ticket, beim Buchungsvorgang am Schalter ebenso wie im Internet und im Wartebereich auf dem Flughafen. Die Bundesregierung muss jetzt handeln - auf nationaler Ebene und europäisch. Der Handlungsbedarf ist offensichtlich. Jeder Aufschub, jede Blockade, jedes Zögern überlässt Fluggäste weiterhin der Willkür der Unternehmen. Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Verkehrschaos infolge des Vulkanausbruchs des Eyjafjallajökull in Island hat eines offenbart: Das Reiserecht in der derzeitigen Form gibt weder Verbrauchern noch Unternehmen wirklich Klarheit über ihre Rechte. Anders als beim Antrag der Linken sehen wir jedoch "den" Grund dafür in vielen nebeneinander wirkenden gesetzlichen Regelungen. Mehr als ein halbes Dutzend Rechtsakte sollen dem Verbraucher auf seiner Reise Rechtssicherheit geben. Das Resultat: Der Unterschied zwischen Pauschalreisendem und Individualreisendem ist unzulänglich geklärt, Unternehmen flüchten teilweise in Rechtslücken, und dem Verbraucher gelingt es häufig nur über juristischen Beistand, an seine Rechte zu gelangen. Das darf nicht sein. Deshalb begrüße ich die Initiative der Linken. Sowohl die Prosa als auch die Begründung sind sehr schön zu lesen. Die Schlussfolgerungen, in die dieser Antrag mündet, sind aber leider nicht konsequent "zu Ende" gedacht. Vielleicht liegt das ja an dem fehlendem europäischen Verständnis, das wir gerne - als mittlerweile wohl einzige proeuropäische Partei - ergänzen wollen. Denn: In vielen Punkten sind wir uns einig. Erstens. Das Insolvenz- und Folgerecht, das im Pauschalreisebereich national sehr gut geregelt ist, sollte auch auf die Individualreisen mit dem Flugzeug ausgeweitet werden. Zweitens. Die Schlichtungsstellen müssen ausgebaut werden. Die Fluglinien müssen sich darin einbringen. Eine Verweigerungshaltung ist hier nicht zu akzeptieren. Gerade an Verkehrsknotenpunkten wie internationalen Flughäfen und Hauptbahnhöfen sollte Personal vor Ort sein. Denn hier ist Schlichtung - im wahrsten Sinne des Wortes - nötig, wenn Blockadehaltung der Unternehmen auf wütende Verbraucherinteressen stößt. Es muss gelingen, dem Verbraucher konkret zu helfen. Drittens. Die Informationspflicht der Unternehmen funktioniert nicht. Die Ansätze der Linken halten wir jedoch für Ergebniskosmetik. Sie packen das Problem nicht an der Wurzel. Viertens. Auch die einheitliche Klärung von Rechtsfragen klingt zunächst lobenswert, halten wir aber letztlich für nicht lösungsorientiert. Lassen Sie mich eines kurz festhalten: Der Theorie und der Rechtslage nach sind die Verbraucher gut geschützt. Das betont auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Insbesondere der deutsche Rechtsrahmen mit den §§ 651 a bis m BGB ist hier hervorzuheben. Es gibt jedoch ein Defizit in den Möglichkeiten zur Geltendmachung beziehungsweise Durchsetzung. Wir - als nationales Parlament und insbesondere die Bundesregierung - sollten in den nächsten Monaten allerdings sehr aufmerksam sein. Bundesminister Ramsauer wirkte auf der außerordentlichen Sitzung des Europäischen Rates am 4. Mai mit dem Thema Verbraucherrechte überfordert. Von der Kommission wurde das als prioritäres Thema in Folge des Vulkan-ausbruchs genannt. Herr Ramsauer hielt es jedoch nicht für nötig, sich zu diesem Feld zu äußern. Erstaunlich, wenn Sie mich fragen. Denn sowohl die Fluggastrechteverordnung als auch die Pauschalreiserichtlinie werden gerade von der Europäischen Kommission evaluiert und vermutlich überarbeitet. Wir sind uns einig - das hat der Tourismusausschuss gezeigt -, dass eine Vollharmonisierung der Pauschalreiserichtlinie für die deutschen Reisenden einen erheblichen Einschnitt bedeuten könnte. Deshalb lassen sie uns kooperieren! Lassen sie uns gemeinsam auf die Europäische Kommission zugehen und auf europäischer Ebene eine einheitliche Regelung zum Reiserecht durchsetzen, in der der Wust von Verordnungen in einer Regelung für den Verbraucher klar und einfach zusammengefasst wird. Liebe Kollegen der Koalition: Sie wollen doch entbürokratisieren. Hier können sie das zum Wohle aller tun. Denn daran möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal hinweisen: Wir haben es zwar zum großen Teil mit EU-Recht zu tun, dennoch haben wir als nationales Parlament einen Handlungsspielraum, den es zu nutzen gilt, und zwar nicht erst dann, wenn die Vorlagen fertig auf unseren Tischen zur Abstimmung im Ausschuss sind. An dieser Stelle möchte ich eigene Vorstellungen ergänzen. Denn was wir neben einem Schadensersatzanspruch benötigen, ist eine klare Regelung von Sanktionen bei Verstoß gegen das Gemeinschafts- oder nationale Recht. Wie kann es sein, dass Italien Ryanair zu einer Millionenstrafe verdonnert, in Deutschland aber nichts dergleichen passiert? Auch kostenlose Warteschleifen bei Hotlines im Falle von außerordentlichen Umständen sind zwingend notwendig, um den ohnehin schon gebeutelten Verbraucher nicht noch weiter zu belasten. Auch die Haftungsgrenze für Gepäck muss angehoben, die Informationspflichten ausgebaut werden. Und noch eines: Wir haben uns wiederholt für die Einführung einer kollektiven Rechtsdurchsetzung in Form der Sammelklagen ausgesprochen. Gerade ein voll besetztes oder ausgebuchtes Flugzeug - aber auch ein Bus oder eine Bahn - mit unzufriedenen Passagieren böte dazu doch wahrlich eine gute Möglichkeit. Es besteht Handlungsbedarf im Reiserecht. Der Verbraucher muss besser geschützt werden. Das betrifft aber nicht nur den Flugreisenden. Es ist Zeit für eine konzertierte Aktion. Der Antrag fügt sich dabei leider in das Bild des gesamten Reiserechts. Viel Stückwerk mit dem fehlenden Blick fürs große Ganze. Dafür stehen weiterhin nur wir Grüne: Denn uns geht es um das Ganze. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/2021 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist jedoch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP wünschen Federführung beim Rechtsausschuss. Die Fraktion Die Linke wünscht Federführung beim Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der Fraktion Die Linke abstimmen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Überweisungsvorschlag abgelehnt. Dafür haben gestimmt die Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen und die Linke. Dagegen haben die anderen Fraktionen des Hauses gestimmt. Jetzt lasse ich über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP abstimmen, also Federführung beim Rechtsausschuss. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Überweisungsvorschlag ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU, FDP und SPD. Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben dagegen gestimmt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Aktionsplan urbane Mobilität (inkl. 14030/09 ADD 1 und 14030/09 ADD 2) (ADD 1 in Englisch) KOM(2009) 490 endg.; Ratsdok. 14030/09 - Drucksachen 17/136 Nr. A.92, 17/815 - Berichterstattung: Abgeordneter Sören Bartol Die Reden werden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die Reden der Kolleginnen und Kollegen Veronika Bellmann, Sören Bartol, Oliver Luksic, Thomas Lutze und Bettina Herlitzius. Veronika Bellmann (CDU/CSU): Es ist keine Übertreibung, zu sagen, dass wir im Zeitalter der Urbanisierung leben. Dieser seit dem Beginn der Industrialisierung andauernde Prozess hat sich in den vergangenen Jahrzehnten noch einmal enorm beschleunigt. Während 1950 nur knapp 30 Prozent der Weltbevölkerung in Städten lebte, sind es gegenwärtig schon 50 Prozent. Bis 2050 wird sich der Anteil nach Schätzungen der Vereinten Nationen auf knapp 69 Prozent weiter erhöhen. In Europa haben wir diese Marke bereits heute überschritten. Im Jahr 2007 lebten 72 Prozent der europäischen Bevölkerung in Stadtgebieten. Die Urbanisierung stellt Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor gewaltige Herausforderungen. Wie in einem Brennglas bündeln sich in den Städten die drängenden Probleme unserer Zeit: demografischer Wandel, öffentliche Gesundheit und sozialer Zusammenhalt, Umwelt- und Klimaschutz, nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Trotz der unbestreitbaren Schwierigkeiten, die diese Entwicklung mit sich bringt, dürfen wir dabei nicht die ökonomischen und ökologischen Vorteile der Urbanisierung übersehen. So lässt sich der Zugang der Menschen zu moderner Infrastruktur in Ballungsgebieten einfacher, kostengünstiger und häufig sogar umweltschonender organisieren als in dünn besiedelten Gebieten. Unternehmen profitieren vom guten Arbeitskräfteangebot, kürzeren Wegen und höherer Nachfrage. Um diese Potenziale auszuschöpfen, bedarf es der richtigen politischen Weichenstellungen - nicht zuletzt im Bereich der urbanen Mobilität. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission im Jahr 2007 ein Grünbuch mit dem Titel "Hin zu einer neuen Kultur der Mobilität in der Stadt" vorgelegt und ein öffentliches Konsultationsverfahren eingeleitet. Auf diesem Weg konnten sich Bürger und Verbände sowie europäische Institutionen und Gremien zu den Vorschlägen äußern. Der im September 2009 vorgelegte Aktionsplan zur urbanen Mobilität basiert auf den eingegangenen Stellungnahmen der Beteiligten. Dass er keine konkreten Gesetzgebungsvorschläge, also keine legislativen Maßnahmen, enthält, ist ein Gebot der Subsidiarität, auf das ich in diesem Zusammenhang später noch einmal zurückkommen werde. Der Aktionsplan benennt 20 Einzelmaßnahmen für eine integrierte Stadtverkehrspolitik. Einige davon will ich kurz ansprechen: Die Europäische Kommission will lokale Behörden bei der Aufstellung von Plänen unterstützen, die die nachhaltige Mobilität für den Personen- und Güterverkehr in städtischen und stadtnahen Gebieten zum Gegenstand haben. Sie will Informationsmaterial zur Verfügung stellen, den Austausch bewährter Verfahren, Best Practice, unterstützen, Maßstäbe, Benchmarks, ermitteln und Fortbildungsmaßnahmen für Fachleute auf dem Gebiet der urbanen Mobilität fördern. Forschungs- und Demonstrationsprojekte sollen auch in Zukunft über das siebte Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung, RP7, unterstützt werden, um die Markteinführung von emissionsarmen und emissionslosen Fahrzeugen sowie von alternativen Kraftstoffen zu erleichtern und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern. Geholfen werden soll bei der Optimierung der Effizienz im Bereich Logistik, etwa zur Verbesserung der Verbindungen zwischen dem Fernverkehr, den innerstädtischen Verbindungen und dem urbanen Güterverkehr, um die "letzte Meile" bei der Zustellung möglichst effizient zu gestalten. Angeboten wird die Unterstützung in Bezug auf ITS-Anwendungen, also intelligente Verkehrssysteme für die urbane Mobilität in Ergänzung des Aktionsplans zur Einführung intelligenter Verkehrssysteme in Europa. Hierbei geht es beispielsweise um elektronische Ticketing- und Bezahlsysteme, Reiseinformationen, Zugangskontrolle und Nachfragemanagement sowie um die Möglichkeiten, die sich mit dem europäischen Galileo-GNSS-System eröffnen. Eine Studie soll sich mit Verbesserungen bei der Interoperabilität von dienste- und verkehrsträgerunabhängigen Ticketing- und Bezahlsystemen befassen sowie mit dem Einsatz sogenannter Smart Cards im Stadtverkehr. Darüber hinaus werden weitere Studien zu einzelnen Themen angekündigt, wie zum Beispiel eine Untersuchung zu den verschiedenen Zugangsvorschriften für unterschiedliche Arten von Umweltzonen in der EU oder zu urbanen Aspekten der Internalisierung externer Kosten. Mit dem Aktionsplan zur urbanen Mobilität werden also vor allem zwei Ziele angestrebt: Zum einen sollen Städte, regionale und nationale Behörden Impulse und Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung von sinnvollen Strategien für die urbane Mobilität erhalten. Zum anderen soll die Wissensgrundlage für Entscheidungsträger auf allen Ebenen im Hinblick auf die Entwicklung und Umsetzung solcher Strategien vergrößert werden. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßen den Aktionsplan, sofern die vorgeschlagenen Maßnahmen einen echten europäischen Mehrwert aufweisen. Insbesondere die neu beigetretenen Mitglieder der Europäischen Union können von einem grenzüberschreitenden Erfahrungs- und Informationsaustausch über bewährte Konzepte urbaner Mobilität profitieren. Die EU kann den nationalen Behörden einen "Werkzeugkasten" mit bewährten Lösungen anbieten, um den Risiken fragmentierter lokaler, regionaler und nationaler Konzepte zu begegnen. Dies sind sinnvolle Konzepte, die unsere Unterstützung finden. Gleichzeitig halten wir gerade im Bereich des städtischen Verkehrs zentrale Regelungen aus Brüssel für problematisch. Aus unserer Sicht sollte sich die europäische Verkehrspolitik auf binnenmarktrelevante und grenzüberschreitende Verkehrsprojekte - wie das Transeuropäische Verkehrsnetz - konzentrieren. Zu Recht stellt die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung fest, dass "die urbane Mobilität vor allem in der Verantwortung der lokalen, regionalen und nationalen Behörden liegt". Dies entspricht im Übrigen dem grundgesetzlich verbürgten Selbstverwaltungsrecht unserer Städte und Gemeinden. Auf den ersten Blick wird der Aktionsplan mit seinen Aktionsvorschlägen den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit auch gerecht. Bei näherer Betrachtung allerdings sieht das ein wenig anders aus. Ich will das gerne erläutern. Ein Blick in die den Aktionsplan begleitenden Dokumente zur Folgenabschätzung lässt den Eindruck entstehen, die Kommission plane mittelfristig eben doch legislative Maßnahmen für den Stadtverkehr. Dies gilt beispielsweise für das Thema Umweltzonen. Im Anhang, der die Politikoptionen auflistet, wird explizit gesagt, dass die EU ein regulatorisches Instrument nutzen könnte, um die Regeln zur Zulassung und Identifikation von Fahrzeugen in Umweltzonen zu harmonisieren. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass dies vermutlich ein langwieriger Prozess sei und nicht klar sei, ob alle Mitgliedstaaten ein Interesse an einer Harmonisierung hätten. Man gewinnt den Eindruck, die Kommission versucht, einzelne besonders umstrittene Vorschläge des Grünbuchs von 2007 nun einfach in den Anhängen des Aktionsplans unterzubringen. Hier gilt es, wachsam zu sein. Wachsam im Sinne der Subsidiarität sollten wir als Deutscher Bundestag auch sein im Hinblick auf die Frage der Finanzierung von Infrastruktur. Die Kommission kommt hier zu der zutreffenden Einschätzung, dass der Finanzbedarf für Infrastruktur, Fahrzeuge und neue Technologien steigen wird, gleichzeitig aber immer weniger öffentliche Mittel zur Verfügung stehen werden. Die Kommission will deshalb unter anderem im Rahmen der Überlegungen zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen prüfen, wie hoch der künftige Finanzbedarf zur Verbesserung der urbanen Mobilität ist. Außerdem will sie in 2011 über bestehende Fördermöglichkeiten von Strukturfonds, Kohäsionsfonds und Europäischer Investitionsbank informieren. Dazu will sie den Zusammenhang von Stadtverkehr und transeuropäischem Verkehrsnetz darlegen. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Die Vergabe von Fördermitteln darf aber in Zeiten knapper Kassen nicht zum Hebel der EU werden, um direkten Einfluss auf die Gestaltung der städtischen Verkehrspolitik zu nehmen. Um in dieser grundsätzlichen Frage der Kompetenzen Klarheit zu schaffen, haben wir als christlich-liberale Koalition eine Entschließung im Verkehrsausschuss eingebracht, die in der vorliegenden Beschlussempfehlung enthalten ist. Darin fordern wir die Bundesregierung auf, bei Verhandlungen auf europäischer Ebene die deutsche Position unter drei Leitlinien zu stellen: Erstens. Die Rolle der Kommission ist darauf beschränkt, den Austausch von Erfahrungen und Beispielen bewährter Verfahren, Best Practice, unter den Städten zu unterstützen. Zweitens. Die Wahrung der Subsidiarität und des kommunalen Selbstverwaltungsrechts ist strikt zu beachten. Drittens. Städtische Gebührensysteme sind auch mit Nachteilen verbunden, die regional verschieden sein können. Hier bestehen aufgrund der jeweiligen Gegebenheiten unterschiedliche Voraussetzungen für Stadtmautsysteme. Dies spricht gegen eine europaweit einheitliche Regelung. Unsere Bedenken werden von den Bundesländern geteilt. In seiner Stellungnahme zum Aktionsplan hat der Bundesrat seine Auffassung bekräftigt, wonach eine EU-Zuständigkeit für den Stadtverkehr im Grundsatz nicht besteht und Eingriffe in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten, Länder und Kommunen abzulehnen sind. Die Rolle der Kommmission sei darauf beschränkt, den Austausch von Erfahrungen und Beispielen bewährter Verfahren, Best Practice, unter den Städten zu unterstützen. Hier könnten gerade die in deutschen Städten bereits erarbeiteten Lösungsansätze zur Bewältigung der Verkehrsprobleme für andere Städte Europas von Interesse sein. Das bedeutet aus meiner Sicht auch, dass die Vergabe von Studien - etwa zu Stadtmautsystemen oder zu Umweltzonen - nicht als ein erster Schritt zur Vorbereitung legislativer Maßnahmen angesehen werden darf. Auch hier gilt der Satz von Montesquieu: "Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen." In diesem Zusammenhang ist auch die angekündigte Einrichtung eines europäischen Beobachtungszentrums für urbane Mobilität in Form einer virtuellen Plattform kritisch zu bewerten. Selbst der Bundesrat kann keinen Mehrwert erkennen, weder in einer Studie zur Verbesserung der Datenerhebung noch in der Einrichtung eines solchen Beobachtungszentrums. Vor Einleitung dieser Maßnahmen sollten Kosten und Nutzen daher noch einmal kritisch abgewogen werden. Aus Erfahrung wissen wir, wie schnell aus einem scheinbar bescheidenen Beobachtungszentrum eine Europäische Agentur mit sehr vielen Mitarbeitern und entsprechend hohem Finanzbedarf werden kann. Was wir in der gegenwärtigen Situation aber wirklich nicht brauchen, das sind zusätzliche europäische Bürokratie durch neue Mitteilungspflichten und Institutionen, die viel kosten, aber von geringem Nutzen sind. Ein letzter wichtiger Punkt, der im Aktionsplan leider zu kurz kommt, ist die Anbindung ländlicher Räume, zum Beispiel über Nahverkehrssysteme. Nur so kann die Mobilität in der Fläche gewährleistet werden. Wenn wir der Abwanderung aus den ländlichen Räumen etwas entgegensetzen wollen, dann müssen die Städte, das städtische Umland und die ländlichen Räume gleichwertig entwickelt werden. Der EU-Verkehrsministerrat wird sich in der nächsten Woche mit dem Aktionsplan zur urbanen Mobilität befassen. Ich bin zuversichtlich, dass der Rat in seinen Schlussfolgerungen unseren begründeten Bedenken Rechnung tragen wird und sich nicht nur für eine strikte Einhaltung der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit im Bereich der urbanen Mobilität aussprechen wird, sondern auch hinweisen wird auf die wichtige Funktion von Nahverkehrssystemen bei der Sicherung der Mobilität in der Fläche. Auch hier gilt als Binsenweisheit: Die Stadt lebt von ihrem Umland und das Umland lebt von der Stadt. Sören Bartol (SPD): Mit "Balancity", einer Vision einer lebenswerten Stadt, präsentiert sich Deutschland auf der Expo in Shanghai. Verkehrslärm und Abgase, verstopfte und unfallträchtige Straßen stören diese heile Welt nicht. Wunsch und Wirklichkeit liegen noch weit auseinander. Von stadtverträglicher Mobilität sind wir auch in Deutschland an etlichen Stellen noch ein gutes Stück entfernt. Ja, es gibt sie, die vielen positiven - auch deutschen - Beispiele für nachhaltigen Stadtverkehr: Bremen zeigt auf der Expo, wie es gehen kann: Es wurde von UN-Habitat als eines von weltweit drei Beispielen ausgewählt, die sich im Bereich Mobilität präsentieren dürfen, und zwar mit seinem wegweisenden Carsharing-Projekt, das nachweisbar Verkehr reduziert und Parkraum entlastet. Damit alle Städte in Europa von solchen guten Beispielen profitieren können, brauchen wir einen europaweiten Erfahrungsaustausch - aber nicht nur das. Wir brauchen Unterstützung und Anreize auch vonseiten der EU für die Städte und Gemeinden bei der Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Stadtverkehrskonzepte und eine konsequente Berücksichtigung des Themas "Urbane Mobilität" in der EU-Förderpolitik. Die SPD begrüßt deshalb ausdrücklich, dass die EU-Kommission 2007 das Thema "Urbane Mobilität" auf die Tagesordnung gesetzt hat und jetzt einen Aktionsplan dazu vorgelegt hat. Das Grünbuch "Hin zu einer neuen Kultur der Mobilität" in der Stadt war der Auftakt zu einem Konsultationsprozess, als dessen Ergebnis die Kommission nun ihren "Aktionsplan Urbane Mobilität" vorgelegt hat. 2008 hat sich der Bundestag mit einem gemeinsamen Antrag von SPD und CDU/CSU in die Beratungen zum Grünbuch eingebracht. Auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, haben damals ausdrücklich begrüßt, dass sich die EU des Themas annimmt - selbstverständlich unter Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips. Mit dem nun vorliegenden Aktionsplan hat die EU-Kommission genau das getan: Der Aktionsplan berücksichtigt durchgehend die Vielfalt der Städte und das Subsidiaritätsprinzip. Die Kommission spricht sich eindeutig gegen Top-down-Maßnahmen aus. Stattdessen setzt sie auf weiche Maßnahmen wie Erfahrungsaustausch, Fortbildung und Förderung nachhaltiger Stadtverkehrskonzepte. Schade, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, dass Ihnen das offenbar entgangen ist und Sie sich in Ihrer Entschließung auf drei magere Punkte beschränken: die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips, die Ablehnung einer City-Maut und die Beschränkung der Kommission auf die Organisation eines Erfahrungsaustausches. Der Bundesrat hat sich in seiner Entschließung deutlich ausführlicher geäußert. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund - und der muss es ja wissen - sieht das Subsidiaritätsprinzip eingehalten. Ich zitiere: "In vielen europäischen Ländern gibt es keine kommunale Selbstverwaltung. Dort sind die Städte oft nicht in der Lage, selbst auf Probleme zu reagieren. Das ist in Deutschland anders. Der jetzt vorgelegte Aktionsplan geht darauf ein. Kommunen können vorgeschlagene Maßnahmen umsetzen, müssen es aber nicht, wenn sie selbst andere Maßnahmen in ihrer Verkehrspolitik treffen können." Vor diesem Hintergrund haben wir im Ausschuss versucht, Sie davon zu überzeugen, dass das Thema "Städtische Mobilität" und die Aktivitäten der EU mehr Beachtung verdienen als dürftige drei Spiegelstriche. Mit unserer - von der Ausschussmehrheit leider abgelehnten - Entschließung begrüßen wir die Maßnahmen zu besserem Informationsaustausch und Förderung nachhaltiger Stadtverkehrskonzepte, insbesondere die Fortführung und Ausweitung des Programms Civitas. Wir unterstützen die Kommission in ihrer Sichtweise, dass der ÖPNV das Rückgrat des städtischen Verkehrssystems bildet und die Nutzersicht und Zugänglichkeit auch für mobilitätseingeschränkte Menschen im Mittelpunkt stehen muss. Wir begrüßen die Vorhaben, Fahrgastrechte auf freiwilliger Basis zu verbessern und ein EU-weites Reiseportal für den Nahverkehr einzuführen. Und was ist einzuwenden gegen eine Auswertung der Erfahrungen auch zu intelligenten Verkehrs- und Gebührensystemen, die eine sachliche Diskussion der Vor- und Nachteile unterschiedlicher Modelle der Stadtverkehrspolitik in Europa ermöglicht? EU-Politik ist doch nicht Politik für Deutschland allein, sondern für ganz Europa. Deswegen ist Offenheit für ganz unterschiedliche Ansätze der Stadtverkehrspolitik gefragt. Ich empfehle Ihnen einen Blick über den Tellerrand! Die SPD fordert eine stärkere Berücksichtigung von städtischer Mobilität in der EU-Strukturfondsförderung mit besonderem Augenmerk auf umweltfreundliche Verkehrsmittel und deren intermodale Verknüpfung. Denn in der Strukturfondsperiode 2007 bis 2013 fließen - das kritisiert auch das EU-Parlament - nur 9 Prozent der Strukturfondsmittel im Verkehrsbereich in den städtischen Verkehr. Aber nicht nur die EU ist gefordert, ihr im Grünbuch formuliertes Ziel einer neuen Mobilitätskultur weiterzuverfolgen, sondern allen voran die Bundesregierung. Leider wird der Spielraum, sozial- und umweltverträgliche städtische Mobilität als Teil einer integrierten Stadtentwicklungspolitik umzusetzen, durch den Raubbau bei der Städtebauförderung verschwindend gering: Mobilität wäre ein wichtiges Thema im Rahmen des ökologischen Stadtumbaus, insbesondere unter den Vorzeichen des demografischen Wandels. Wenn Minister Ramsauer meint, allein mit Elektromobilität alle städtischen Verkehrsprobleme lösen zu können, täuscht er sich gewaltig. Auch Elektroautos brauchen Straßenfläche und Parkplätze. Den Anspruch bezahlbarer Mobilität auch für untere Einkommensschichten können sie absehbar nicht erfüllen. Wir fordern deshalb von Herrn Ramsauer: Setzen Sie klare Prioritäten für den Umweltverbund, für ÖPNV, Fahrrad und Zu-Fuß-Gehen! Sagen Sie endlich, wie Sie die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs in Zukunft sichern wollen! Unterstützen Sie neue Formen der Autonutzung wie Carsharing durch die überfällige Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung! All das wäre ein Beitrag zu sozial- und umweltverträglicher Mobilität, zum Klimaschutz und zu besserer Lebensqualität in Städten. Unterstützung auch vonseiten der EU sollte Ihnen dabei willkommen sein. Oliver Luksic (FDP): Wir widmen uns heute mit dem Aktionsplan zur urbanen Mobilität der EU-Kommission, einem Thema, das bereits in der letzten Legislaturperiode auf der Agenda des Bundestages stand. Damals hatte sich der Bundestag mit dem Grünbuch der Kommission "Hin zu einer neuen Kultur der Mobilität in der Stadt" zu beschäftigen. Auch die FDP-Fraktion hatte sich bereits dort sowohl in der Plenardebatte als auch im Zusammenhang mit einem Entschließungsantrag im Ausschuss intensiv mit dem damaligen Grünbuch beschäftigt. Wenn man sich noch einmal durchliest, was die Kommission in diesem Papier an verkehrspolitischen Maßnahmen gefordert hat, so kann man mit dem jetzt vorliegenden Aktionsplan zur urbanen Mobilität vergleichsweise zufrieden sein. Der Grundsatz muss sein: Grenzüberschreitende Verkehre sind Aufgabe der EU, der regionale Verkehr nicht. Das verstehen wir unter Subsidiarität. Ich darf an Vorschläge im Grünbuch wie die Einrichtung eines zentralen Registers für die europäischen Fahrzeuge und einer europäischen Beobachtungsstelle für städtischen Verkehr erinnern. Das wären Maßnahmen gewesen, für die der Begriff "bürokratische Monster" noch milde ausgedrückt ist. Falls solche dirigistischen Maßnahmen, die tief und unnötig in einen der Kernbereiche der persönlichen Freiheit, nämlich der individuellen Mobilität eindringen, wieder in Vorschlägen der EU-Kommission auftauchen sollten, wird sich die FDP-Fraktion dem genauso entschieden entgegenstellen. Das gilt vor allem auch für Maßnahmen wie die umfassende Videoüberwachung von Bussen und öffentlichen Plätzen. Es gibt für uns auch weiterhin keine Einteilung in guten oder schlechten Verkehr, keine Einteilung in Verkehr, der vermieden werden muss und solchen, der gefördert werden sollte. Verkehrspolitik mit ideologischem Schaum vor dem Mund nützt niemandem, am wenigsten der Umwelt. Intelligente Strategien zur Verkehrslenkung sind die Lösung, nicht solche, die Verkehr vermeiden wollen. Wir wollen dem Bürger nicht vorschreiben, wie er sich fortzubewegen hat. Das ist seine ureigenste Entscheidung. Auf erzieherische Maßnahmen der Politik kann der Bürger gut verzichten. Daher ist es positiv zu bewerten, dass sich viele der ursprünglichen Maßnahmen nicht mehr im Aktionsplan finden. Dies unterstützt die Leitlinie der christlich-liberalen Koalition, die die Subsidiarität in allen Politikfeldern stärken will, gerade auch durch die verbesserten Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente. Wir werden also auch in Zukunft gerade bei solchen Ideen der Kommission äußerst wachsam sein; das kann ich versprechen. Dies gilt insbesondere bei Eingriffen in den kommunalen Bereich. Wir haben in Deutschland ein grundgesetzlich verankertes Selbstverwaltungsrecht der Kommunen. Dies hat sich in der Vergangenheit bewährt und wird es auch in Zukunft tun. Ich sage das auch als engagierter Kommunalpolitiker. Daher muss unter allen Umständen vermieden werden, dass die Kommunen über die europäische Ebene gegängelt und bevormundet werden. Der Kommunalpolitiker vor Ort weiß am besten, was für seinen Ort, seine Gemeinde, seine Stadt die sinnvollen Lösungen sind. Am aktuellen Beispiel der Diskussion um die Passagierrechte im Kraftomnibusverkehr wird deutlich, dass die Kommission gelegentlich über das Ziel hinausschießt und auch Dinge regeln möchte, die wie der Stadt- und Regionalverkehr auf nationaler bzw. regionaler Ebene bleiben sollten. Daher begrüße ich auch die Idee des Werkzeugkastens mit verschiedenen verkehrspolitischen Instrumenten, aus dem sich die Kommunen bedienen können. Kein noch so guter Kommunalpolitiker kann auf alle Ideen alleine kommen. Von daher ist es gut, wenn sie sich durch die Kenntnis vorbildlicher Lösungen für städtische Verkehrsprobleme in anderen Ländern inspirieren lassen können. Und ich betone hier: können. Wir sagen ganz grundlegend: Der Austausch von Best-Practice-Modellen sollte Vorrang vor legislativen Maßnahmen haben. Allerdings muss auch hier darauf geachtet werden, dass durch die Herausstellung geeigneter Modelle keine faktische Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten bzw. deren Untergliederungen entfaltet wird. Daher muss die Bundesregierung bei der Umsetzung des Aktionsplans darauf achten, dass durch die Vergabe von Studien zu Themenfeldern wie City-Maut, Umweltzonen, Datenerhebung im Straßenverkehr etc. keine legislativen Maßnahmen vorbereitet werden. Das Gleiche gilt für Maßnahmen, bei denen der Aufbau zusätzlicher Bürokratie notwendig wäre; das muss vermieden werden. Die Kommission soll stärker in der Rolle des Organisators von Prozessen des Best-Practice-Austauschs wirken, anstatt legislative Maßnahmen vorzuschlagen. Ich habe Vertrauen in die Bundesregierung, dass sie auch weiterhin der Wahrung der Subsidiarität einen hohen Stellenwert einräumt. Der Entwurf der Schlussfolgerungen des Rates, die beim nächsten Verkehrsministerrat in Luxemburg beschlossen werden sollen, geht in die richtige Richtung. Wenn das auch bei der Umsetzung beachtet wird, gilt weiterhin die Marschroute: europäische Probleme in Brüssel lösen, kommunale Probleme vor Ort klären. Thomas Lutze (DIE LINKE): Mit dem Aktionsplan "Urbane Mobilität" hat sich die EU ein lobenswertes Ziel auf die Fahnen geschrieben: Die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Europäische Kommission betont hierbei völlig richtig: "Ein qualitativ hochwertiger und bezahlbarer öffentlicher Nahverkehr ist das Rückgrat eines nachhaltigen städtischen Verkehrssystems." Der sich aus dieser Feststellung ergebenden Zielsetzung eines massiven Ausbaus des ÖPNV wird der Aktionsplan leider nicht gerecht. Mangels EU-Zuständigkeit beschränkt sich der Plan auf Maßnahmen wie die Erstellung von Ratgebern oder die Verbesserung des Informationsaustausches. Diese Vorhaben können wir zwar vorbehaltlos begrüßen, halten sie allerdings für nicht ausreichend. Das Pochen der Bundesregierung auf die strikte Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips hat an dieser Stelle Weitergehendes verhindert. Unabhängig des Streites um Zuständigkeiten gilt es nun, das Beste aus dem Vorliegenden zu machen und die durch den Aktionsplan zur Verfügung gestellten Instrumente zur Verbesserung des Nahverkehrsangebotes zu nutzen. Und eben hier kommen uns Zweifel, ob die Bundesregierung dieses Ziel überhaupt verfolgt: Mit dem Kaputtsparen von Kommunen, der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes und der Festschreibung einer Vergabepraxis, die kommunale Eigenbetriebe schlechter stellt, unternimmt diese Bundesregierung Schritte, die zu einer Schwächung eines attraktiven Nahverkehrsangebotes führen werden. Für die Linke ist die schwarz-gelbe Politik eines forcierten Wettbewerbs zulasten von Fahrgästen und Beschäftigten nicht tragbar. Wir setzen auf eine bedarfsgerechte Finanzierung, soziale und ökologische Standards und die Vergabe an kommunale Eigenbetriebe. Denn Mobilität ist gesellschaftliche Teilhabe, muss allen zugänglich sein und darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland lebt in Städten. Sie alle bewegen sich im öffentlichen Raum der Stadt, und sie alle haben ein Interesse daran, in einer schönen, lebenswerten Stadt mit einer guten Infrastruktur zu leben. Unsere Realität sieht in vielen Fällen leider anders aus: Die Stadt wird vom Autoverkehr dominiert. Das ist nicht immer nur praktisch, sondern verursacht auch eine ganze Menge Lärm, Staub und CO2-Emissionen. Der öffentliche Raum wird auch durch den ruhenden Verkehr deutlich beeinträchtigt, zugeparkte Straßen und Plätze sind an der Tagesordnung. Andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere Fußgänger und Radfahrer, müssen hinter dem motorisierten Individualverkehr zurückstecken. Lebensqualität im städtischen Raum geht verloren. Für die Zukunft unserer Städte und für die Zukunft der Bürgerinnen und Bürger müssen wir alles daransetzen, eine neue Mobilitätskultur zu schaffen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir grundsätzlich das Grünbuch der EU und auch den aktuell vorliegenden Aktionsplan. Nur leider wird der Aktionsplan diesem Ansinnen in keinster Weise gerecht. Denn anstatt den Städten wenigstens einen Rahmen zu setzen oder durch gezielte Förderpolitik eine nachhaltige und umweltfreundliche Verkehrspolitik zu unterstützen, verstecken sich die EU und - wie die Beratungen im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gezeigt haben - auch unsere Bundesregierung hinter dem Subsidiaritätsprinzip. Auf konkrete Initiativen im Bereich Mobilität in der Stadt wird verzichtet. Somit bleibt es einzig bei freiwilligen Aktionen der Mitgliedstaaten. Es werden weder die Fahrgastrechte im öffentlichen Verkehr gestärkt - es bleibt bei freiwilligen Zugeständnissen - noch geht die Kommission konkret das Problem der zahlreichen Verkehrstoten auf innerstädtischen Straßen oder aber die urbanen Umweltprobleme an. Dabei spielt im Kontext des Klimawandels der städtische Verkehr eine zentrale Rolle. Er ist in den Städten für 70 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich. 90 Prozent aller dort zurückgelegten Autofahrten sind kürzer als sechs Kilometer. Entfernungen, die bestens geeignet sind, um auf Bahn, Bus, Rad oder Fußweg umzusteigen. Hier liegt das größte CO2-Einsparpotenzial. An dieser Stelle ist der Aktionsplan "Urbane Mobilität" allerdings ernüchternd. Auch zur Gestaltung des öffentlichen Raums werden keine Aussagen gemacht. Eine nachhaltige, urbane Mobilität kann nur stattfinden, wenn die Verkehrsflächen anders aufgeteilt werden und attraktive, sichere Flächen für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer ausgewiesen werden. Neue Nutzungskonzepte wie "Shared Space" und Instrumente wie die "City-Maut" brauchen dringend einheitliche rechtliche Rahmenvorgaben auf europäischer Ebene. Nur mit einer anderen Verkehrspolitik wird es uns in der EU gelingen, die eigenen Klimaschutzziele zu erreichen, zugleich die Verkehrssicherheit zu verbessern und den öffentlichen Raum als Lebens- und Bewegungsraum für alle aufzuwerten. Die Forderungen der Grünen nach einem generellen Tempolimit und einem Ausbau des ÖPNV sowie der Car-Sharing-Angebote wären hier ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Unser Leitbild dabei sollte die Stadt der kurzen Wege sein, davon würde auch die Lebensqualität der Menschen in Deutschland profitieren! Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/815, in Kenntnis der Unterrichtung eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und FDP. Dagegen gestimmt haben Bündnis 90/Die Grünen und SPD. Die Linke hat sich enthalten. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Biodiversität national und international konsequent schützen - Drucksache 17/2005 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die Reden der Kolleginnen und Kollegen Josef Göppel, Dr. Matthias Miersch, Angelika Brunkhorst, Sabine Stüber und Undine Kurth. Josef Göppel (CDU/CSU): Der Verlust der biologischen Vielfalt ist neben dem Klimawandel die größte globale politische Herausforderung unserer Zeit. Die Natur ist unsere Existenzgrundlage. Wir wissen, dass wir global, EU-weit und in Deutschland das gesetzte 2010-Ziel nicht erreicht haben. Phasen des massiven Artensterbens hat es im Lauf der Erdgeschichte immer wieder gegeben. Seit dem 18. Jahrhundert jedoch wird der Rückgang der biologischen Vielfalt maßgeblich durch menschliches Handeln verursacht. Die Hauptursachen sind bekannt: allen voran Lebensraumzerstörung und Übernutzung von Ökosystemen, das Einbringen und Verschleppen von gebietsfremden Tier- und Pflanzenarten. Auch die vom Mensch verursachte Klimaveränderung trägt zum Artenschwund bei. Der Verlust der Arten ist kein Problem entfernter tropischer Länder. Der Artenverlust ist bei uns zu Hause vor der eigenen Türe angekommen. Dazu möchte ich nur ein Beispiel nennen: eine der bekanntesten Vogelarten der offenen Kulturlandschaft, die Feldlerche. In Deutschland ging der Feldlerchenbestand von 1980 bis 2004 um mehr als 50 Prozent zurück. Heute steht die Feldlerche auf der Roten Liste. Der Artenverlust spielt sich mittlerweile nicht nur bei uns im eigenen Land ab; er geschieht auch im Rahmen geltender Gesetze. Das bedeutet, dass die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen derzeit noch nicht ausreichen. Wir sind gefordert, politisch aktiv zu bleiben und nach neuen Wegen zur Bekämpfung des Artenschwundes zu suchen. Wir brauchen dabei nicht nur den politischen Willen, sondern auch geeignete Instrumente, um dem Verlust der Artenvielfalt entgegenzuwirken. Gerade in der Agrarlandschaft ist der Artenverlust am deutlichsten. Bei der Neuregelung der gemeinsamen Agrarpolitik müssen deshalb der Artenschutz und die Landschaftspflege berücksichtigt und honoriert werden. Wer Leistungen für die Gesellschaft erbringt, muss dafür besser gestellt sein als derjenige, der nur die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt. Am 1. März ist das neue Bundesnaturschutzgesetz in Kraft getreten. Damit sind Landschaftspflegeverbände als gleichwertige und freiwillige Zusammenschlüsse von Kommunen, Landwirten und Naturschützern im Naturschutzrecht verankert. Diese Zusammenschlüsse sind ein Zukunftsmodell. Landschaftspflegeverbände und vergleichbare Organisationen wie biologische Stationen in Nordrhein-Westfalen, lokale Aktionen in Schleswig-Holstein und Landschaftserhaltungsverbände in Baden-Württemberg gestalten und pflegen hochbedrohte Lebensräume und sind maßgeblich an der Umsetzung des europäischen Biotopverbundes Natura 2000 beteiligt. Gewässerrenaturierung im Zuge der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie ist ebenso Arbeitsschwerpunkt wie der aktive Klimaschutz. Sie arbeiten mit neuartigen Konzepten an der Verwertung von Biomasse aus der Landschaftspflege oder am naturverträglichen Anbau von Energiepflanzen. Darüber hinaus setzen Landschaftspflegeverbände Natur und Landschaft wieder in Wert, indem sie regionale Wirtschaftskreisläufe fördern. Projekte zur regionalen Vermarktung verbinden wichtige ökologische Aspekte mit ökonomischem Nutzen. Mit dem kooperativen Naturschutz, wie er mit den Landschaftspflegeverbänden heute schon praktiziert wird, haben wir ein brauchbares Instrument, um die biologische Vielfalt in Deutschland zu stabilisieren. Dr. Matthias Miersch (SPD): Um die Biodiversität ist es weltweit, in Europa und auch in Deutschland nicht gut bestellt. Allen internationalen Verträgen, europäischen Biodiversitätszielen und nationalen Biodiversitätsstrategien zum Trotz nimmt überall - auch in Deutschland - die Artenvielfalt ab; Lebensräume sind bedroht, und die genetische Vielfalt reduziert sich. Das Ziel, bis 2010 den Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen oder zumindest signifikant zu verlangsamen, wurde weder weltweit noch auf europäischer Ebene erreicht. Das ist ein, übrigens überparteilich anerkanntes, Faktum. Leider ist zwischen den handelnden Parteien ein großer Unterschied im Einsatz zur Beseitigung dieses untragbaren Zustandes zu beobachten. Es besteht also nicht nur dringender Handlungsbedarf; es besteht zudem Bedarf an Erkenntnis. Aus diesen Gründen ist der vorliegende Antrag von Bündnis 90/Die Grünen grundsätzlich zu begrüßen. In weiten Teilen treffen und überschneiden sich die Positionen der Grünen und meiner Fraktion, wenn es um den Erhalt der Lebensumwelt geht. Trotz begründeter Kritik darf man nicht vergessen: Es ist bisher in Sachen Naturschutz und Schutz der biologischen Vielfalt durchaus einiges passiert. So wurde die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt mit langfristig angelegten Zielen verabschiedet. Sie ist eine Strategie aller Ressorts, bindet alle gesellschaftlichen Akteure ein und nimmt Länder und Kommunen in die Verantwortung. Mit dem Nationalen Naturerbe sichern wir bereits auf 100 000 Hektar naturschutzfachlich besonders wertvolle Biotope. Die restlichen 25 000 Hektar werden noch in dieser Legislaturperiode als Schutzgebiete ausgewiesen. Außerdem wurde das Grüne Band an der ehemaligen innerdeutschen Grenze gesichert. In diesem Raum konnten sich über 40 Jahre Flora und Fauna ungehindert entwickeln. Die zumeist bereits in der rot-grünen Regierungszeit getroffenen Maßnahmen haben also durchaus einiges bewirkt. Mit der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes wurden nun die in der Föderalismusreform beschlossenen Änderungen umgesetzt. Hier hätte man aus meiner Sicht die Gelegenheit nutzen müssen, den Naturschutz in Deutschland nachhaltig gesetzlich besserzustellen, als es bisher der Fall ist. Eine solche Naturschutzpoltik war aber mit der Union leider nicht machbar. Ein stärkeres Naturschutzrecht haben die Agrarpolitiker der Union verhindert; ihnen war und ist Klientelpolitik wichtiger als Naturschutz. Diese Klientelpolitik wird besonders offensichtlich, wenn man sich die vorgeschlagenen Änderungen bei der "Eingriffsregelung", dem Herzstück des Naturschutzes, im Koalitionsvertrag zu Gemüte führt. Laut Koalitionsvertrag wird den Bundesländern die Kompetenz gegeben, Eingriffe in Natur und Landschaft mit der Zahlung von Ersatzgeld anderen Kompensationsmaßnahmen gleichzustellen. Damit kann sich jeder Investor "freikaufen", sollten seine Vorhaben in schützenswerte Bereiche eingreifen. Hier kommt zum Vorschein, was ich eingangs angesprochen habe: Es mangelt nicht nur an der Umsetzung; es mangelt vor allem an Einsicht. Die schwarz-gelbe Bundesregierung wird letztlich schmerzlich feststellen müssen, dass man einmal ausgestorbene Arten auch mit Milliarden Euro nicht mehr wird zurückbringen können. Hier offenbart sich einer der vielen blinden Flecken der aktuellen Bundesregierung. Die Flächeninanspruchnahme und die Flächenversiegelung werden zunehmen; das Nachhaltigkeitsziel zur Reduzierung des Flächenverbrauches wird nicht erreicht, und dem Naturschutz wird damit ein Bärendienst erwiesen. International fand unter deutschem Vorsitz vor zwei Jahren die Konferenz über die biologische Vielfalt statt. Es wurden Meeresschutzgebiete geschaffen und der Schutz der Wälder vorangetrieben. Auch in diesem Zusammenhang zeigt sich, dass bei Schwarz-Gelb Worte und Taten auseinanderklaffen. Leider hat die Bundesregierung ihre auf der Klimakonferenz in Kopenhagen gemachte Zusage, jährlich zusätzliche Mittel in Höhe von 420 Millionen Euro für den Waldschutz in Entwicklungsländern bereitzustellen, nicht eingehalten. In diesem Jahr wurden lediglich 70 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt; ob es im Jahr 2011 überhaupt Mittel für den Waldschutz geben wird, ist fraglich. Es ist offensichtlich, dass für diese Bundesregierung internationale Zusagen nichts wert sind. Dies zeigt sich beim Schutz der biologischen Vielfalt, beim Klimaschutz, aber auch in andern Politikfeldern, wie zum Beispiel bei der Armuts- und Hungerbekämpfung. Die Bundesregierung ist gerade dabei, die deutsche Reputation zu verspielen. Es bleibt nur zu hoffen, dass unsere internationalen Partner auch ohne uns in diesem Feld weiterarbeiten werden. Bei allen bisher angestrengten Bemühungen für den Naturschutz ist es für den Naturschutz überlebenswichtig, auch andere Politikbereiche mit einzubeziehen. Naturschutz ist ein Thema, das fachübergreifend andere Politikbereiche berührt. Insbesondere ist hier die Landwirtschaft gefordert. Vor allem der zunehmende Anbau von Biomasse geht zulasten des Grünlandes und damit beispielsweise der Wiesenbrüter. Bei diesen Arten verzeichnen wir bereits einen rapiden Rückgang. Dies betrifft aber auch den Erhalt der Moore und Auen. Wir brauchen gerade zum Schutz dieser Lebensräume eine neue Agrarpolitik, die den Erhalt unserer Lebensgrundlage finanziell unterstützt und eben nicht Geld dafür zahlt, dass sich die Landwirte an die gute fachliche Praxis halten. Die herkömmliche Agrarpolitik hat den Artenrückgang in unserer Agrarlandschaft nicht stoppen können. Es bräuchte eine viel stärkere bundesgesetzliche Regulierung, die auf Basis des neuen Naturschutzrechtes durchaus denkbar wäre, um den Erhalt der biologischen Vielfalt zu einer Selbstverständlichkeit zu machen. Aber auch hier ist leider von der Bundesregierung kein Umdenken zu erwarten. Die von mir zuletzt erwähnten Aspekte kommen leider im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen noch zu kurz. Sich nur auf den Naturschutz als singuläres Feld zu beziehen ist schön und richtig. Eine größere Gefahr droht der Biodiversität jedoch aus anderen Politikfeldern, deren Regelungen zum Erhalt der biologischen Vielfalt häufig kaum wirksam, schlimmstenfalls jedoch nicht existent sind. Hier muss in Zukunft dafür gekämpft werden, der aktuellen Bundesregierung auf die Sprünge zu helfen. Angelika Brunkhorst (FDP): Wir stehen unverändert in der Pflicht, entschlossen und umsichtig die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und die Lebensqualität nachfolgender Generationen in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht zu bewahren und weiterzuentwickeln. Wir müssen auch unseren Kindern eine artenreiche Natur hinterlassen, sodass auch sie von den Ökosystemdienstleistungen der Natur profitieren können. Die Natur ist unser größter Schatz. Gerade in diesem Jahr - dem Jahr der biologischen Vielfalt - müssen wir mit Entschlossenheit praktikable Wege finden, um den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen. Viele Pflanzen- und Tierarten sind in ihrer Existenz massiv bedroht, und nur wir Menschen können etwas dafür tun, diese zu schützen. Rückblickend hat es in Bezug auf die Biodiversität stets gravierende Veränderungen gegeben - auch ohne menschliches Zutun. Dabei sind neue Arten entstanden und alte verschwunden. Beim Schutz der Biodiversität geht es also nicht darum, bestimmte Arten in diesem Moment zu konservieren, sondern entscheidend ist, dass die Fähigkeit von Ökosystemen zur Anpassung an sich verändernde Gegebenheiten erhalten bleibt. Der Erhalt der Biodiversität und der Schutz gefährdeter Arten sind Ziele, dem die FDP hohe Aufmerksamkeit widmet. Die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt ist eine klare Basis für eine langfristige Politik. Die Strategie enthält Ziele für dieses Jahr, aber auch zum Beispiel für 2015 oder 2020, und Ziele ohne Zieljahr. Diese Strategie samt ihren Zielen soll mithilfe des Bundesprogramms umgesetzt werden. Momentan wird intensiv daran gearbeitet, dieses Bundesprogramm mit konkreten Maßnahmen auszugestalten. Das alles geschieht vor der Erkenntnis, dass das allgemeine Ziel verfehlt wurde, bis 2010 den Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Erfreulicherweise gab es bei der Bewahrung der biologischen Vielfalt auch einige wichtige Teilerfolge. Viele Bürger zeigten großes Interesse an dem Thema der biologischen Vielfalt und nahmen am 22. Mai 2010, am Internationalen Tag der biologischen Vielfalt, an den bundesweiten Wanderungen teil. Liebe Kollegen der Fraktion der Grünen, in Ihrem Antrag zum Schutz der Biodiversität stellen Sie Forderungen, die zum Teil schon umgesetzt sind oder schon in der Beratungsphase sind. Sie fordern, dass eine Vereinbarung eines verbindlichen europäischen Post-2010-Ziels mit konkreten Unterzielen aufgestellt wird. Die EU-Kommission hat schon Vorschläge für neue EU-Zielsetzungen zur Biodiversitätspolitik, insbesondere für die Zeit nach 2010, gemacht. Es sind ein langfristiges Biodiversitätsziel der EU bis 2050 und vier Optionen für ein mittelfristiges Ziel für 2020 aufgestellt worden. Die Optionen unterscheiden sich in ihrem Ambitionsniveau: Während die erste lediglich anstrebt, den Verlust an Biodiversität zu verlangsamen, hält die zweite Option am bestehenden Ziel der Eindämmung fest, verlängert aber die Frist für sein Erreichen. Die dritte Option zielt nicht nur auf die Eindämmung des Verlusts, sondern auch auf die Wiedernutzbarmachung von Ökosystemen und deren Dienstleistungen. In der vierten Option wird darüber hinaus ein verbesserter finanzieller Beitrag der EU zur Vermeidung globaler Biodiversitätsverluste angestrebt. Diese Vorschläge müssen nun überprüft werden. Auf dieser Grundlage will die Kommission bis Ende des Jahres eine EU-Strategie für Biodiversität vorlegen. Erste Schritte bei der Vereinbarung eines europäischen Post-2010-Ziels sind schon auf bestem Wege. Liebe Kollegen der Fraktion der Grünen, Sie fordern eine nationale Studie zur ökonomischen Bedeutung von Ökosystemdienstleistungen und biologischer Vielfalt, um die ausreichende Berücksichtigung in allen Politikfeldern gewährleisten zu können. Eine übergreifende internationale Studie über den "Ökonomischen Wert von Ökosystemen und biologischer Vielfalt" - TEEB-Bericht - ist von Deutschland und der EU-Kommission lanciert und erstellt worden. Man wird sicherlich Ergebnisse aus dieser Studie auf Deutschland übertragen können. Somit wäre eine weitere nationale Studie nicht zwingend notwendig. Als zusätzliche Informationsquelle ist gerade der Atlas der Biodiversitätsrisiken auf der Green Week 2010 in Brüssel vorgestellt worden. Er kombiniert die Hauptergebnisse des großen EU-Forschungsprojektes ALARM mit einigen Kernergebnissen aus zahlreichen anderen Forschungsnetzwerken. Der neue Atlas der Biodiversitätsrisiken ist der erste seiner Art, der die Hauptfaktoren zusammenfasst, die zum Verlust der Artenvielfalt auf europäischer und globaler Ebene führen. Auf UN-Ebene ist gerade ein neues internationales Wissenschaftlergremium für Biodiversität IPBES - Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services - nach dem Vorbild des Weltklimarats IPCC von der internationalen Gemeinschaft auf einer Konferenz in Südkorea beschlossen worden. Weltweit sollen wissenschaftliche Daten gesammelt, analysiert und anschließend verschiedene Handlungsoptionen angeboten werden. Die Daten sollen als zusätzliche, unabhängige und glaubwürdige Informationen als Entscheidungshilfe genutzt werden. Regierungen in Schwellen- und Entwicklungsländern wird geholfen, eigene Kapazitäten aufzubauen, beispielsweise durch den Aufbau wissenschaftlicher Kooperationen und den vereinfachten Zugang zu Fachliteratur. IPBES soll dazu beitragen, dass Fragen der biologischen Vielfalt sektorübergreifend bei politischen Maßnahmen, Strategien und Programmen berücksichtigt werden, und damit auch einen Bewusstseinswandel der Gesellschaft herbeizuführen. Es ist offensichtlich, dass nicht nur eine einzelne politische Maßnahme die Artenvielfalt retten wird, sondern dass eine systematische Überprüfung aller Politikfelder bzw. Ressorts notwendig ist. Nur durch ein international abgestimmtes Vorgehen kann dem rasanten Verlust an Biodiversität Einhalt geboten werden. Als großes Ereignis im Jahr der biologischen Vielfalt tagt die 10. Vertragsstaatenkonferenz - COP 10 - der Konvention über die biologische Vielfalt - CBD - in Nagoya/Japan. Die deutsche Bundesregierung gibt dann ihre Präsidentschaft nach zweieinhalb Jahren ab. Der Fahrplan, ein Post-2010-Ziel im Herbst festzusetzen, ist schon auf der COP 9 beschlossen worden. Darin wurden konkrete Ziele und Vereinbarungen formuliert. Wir sehen als Hauptaufgabe der deutschen CBD-Präsidentschaft den Beschluss der international verbindlichen Vereinbarung zur gerechten Aufteilung der Vorteile der Nutzung der biologischen Vielfalt - ABS-Regime - im Oktober auf der Konferenz in Japan. Mit einem ABS-Regime haben die Herkunftsländer biologischer Ressourcen endlich die Chance auf einen gerechten Vorteilsausgleich und sie können gegen Biopiraterie vorgehen. Wir hoffen, dass im Oktober ein gutes Ergebnis der 10. Vertragsstaatenkonferenz im Sinne der Erhaltung der Artenvielfalt erreicht wird. Sabine Stüber (DIE LINKE): In Vorbereitung dieser Rede blätterte ich durch verschiedene Zeitschriften, Broschüren und recherchierte im Internet. In themenspezifischen Beiträgen wird immer wieder Alarm geschlagen, ob von Fachbehörden aus Bund und Ländern oder den verschiedenen Umwelt- und Naturschutzverbänden in unserem Land: "Für Fledermäuse geht es ums Überleben", so die Deutsche Umwelthilfe; "Deadline - die Zeit läuft für die letzten 3 200 Tiger", schreibt der WWF; "30 Vogelarten, mehr als je zuvor, sind in Deutschland vom Aussterben bedroht", warnt der NABU; "Rette die Wale", fordert der WWF. Die Liste könnte ich fortführen, aber eigentlich war ich auf der Suche nach einigen guten Beispielen zum Schutz der biologischen Vielfalt. Ich meine nicht die vielen kleinen punktuell wirkenden und gut gemeinten Projekte. Sie sind immens wichtig. Wo wären wir ohne sie? Aber ich suchte nicht nur einen Ansatz zur Rettung einer Art. Denn es sind die Lebensräume, die nicht weiter zerstört werden dürfen - die Meere, die Wälder weltweit, auch die Tropenwälder, die Mangrovensümpfe, die Moore, die Kulturlandschaften. Die Wirkung einer Zerstörung von Lebensräumen ist überregional, ja global. Die Ergebnisse haben mich ebenso deprimiert wie die Beschreibung der Defizite beim Schutz der biologischen Vielfalt im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, um den es heute geht: "Biodiversität national und international konsequent schützen". Im Januar haben wir es alle schon gesagt: Das Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt umzukehren, wird weit verfehlt. Wir schaffen es nicht einmal, ihn zu stoppen. Das war ernüchternd. Nun ist die Hälfte des Jahres um, und wir sind insgesamt nicht sehr viel weitergekommen. Genau das ist unser Dilemma, und genau das ist das Thema des Antrages. Die im Antrag genannten Forderungen an die Bundesregierung benennen treffend die Defizite beim Schutz der Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes, unserer Lebensgrundlage. Es geht um viel, um nicht gleich zu sagen, es geht um alles. Ich will jetzt nicht mit Zitaten aus dem 1972 erschienen Bericht des Club of Rome "Die Grenzen des Wachstums" anfangen. Aber die gleichen Autoren haben 1992 ein weiteres Buch geschrieben: "Die neuen Grenzen des Wachstums". Sie kommen zu keinem anderen Ergebnis: Es geht um ein generelles Umdenken. Einer der Autoren, Stewart Udall, beschreibt es so: "Alles deutet darauf hin, dass wir ständig die Rolle unserer technologischen Schöpferkraft überbewerten und die Bedeutung unserer natürlichen Ressourcen unterschätzen. Uns fehlt der Sinn für die Grenzen und das Bewusstsein für die Bedeutung der Ressourcen dieser Erde ...". Jetzt, nach wiederum 20 Jahren, sage ich, dass uns vielleicht der Sinn für die Grenzen immer noch fehlt, aber die Bedeutung der natürlichen Ressourcen dringt langsam doch in unser Bewusstsein. Die Fakten sind lange genug bekannt; auch, was getan werden muss. Der Schutz der Lebensräume ist heute die Aufgabe - weltweit. Aber lassen Sie uns benennen, was Deutschland leisten kann. Der sozial-ökologische Umbau der Gesellschaft ist zu schaffen, und das wäre schon die halbe Miete. Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dass wir mit unserer Art zu wirtschaften dabei sind, weltweit die biologische Vielfalt zu vernichten, unterstreicht nichts mehr als die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko. Wir sind in rasantem Tempo unterwegs, wenn es darum geht, Natur zu zerstören, biologische Vielfalt zu verringern und Lebensräume zu vernichten. Von den im April 2002 von den Vertragsstaaten des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt für das Jahr 2010 formulierten 21 Teilzielen wurde kein einziges erreicht. Im 3. Globalen Ausblick der CBD, der gerade veröffentlicht wurde, beginnt jede - wirklich jede - Zielbewertung mit der Formulierung "In globalem Maßstab nicht erreicht ...". Das kann und darf so nicht bleiben. Die bevorstehende 10. Vertragsstaatenkonferenz ist eine Chance, neue Ziele und neue Maßnahmen für den weltweiten Schutz unserer Lebensgrundlagen zu vereinbaren. Der von uns heute vorgelegte Antrag richtet sich an die Bundesregierung insbesondere in ihrer Eigenschaft als amtierende Präsidentschaft der CBD, die sie noch bis zur 10. Vertragsstaatenkonferenz in Japan innehaben wird. Dass es eine besonders erfolgreiche Präsidentschaft war, wird nicht einmal die Bundesregierung zu behaupten wagen; denn bei keinem der wichtigen Verhandlungspunkte sind bislang Durchbrüche erzielt worden. Deshalb kommt es darauf an, die verbleibende Zeit zu nutzen - national und international. Beispiel Biosicherheit. Nicht abschätzbare Risiken drohen uns durch den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Diese Risikotechnologie ist geeignet, größte Schäden in unseren Ökosystemen anzurichten. Deshalb sollte auf ihre Anwendung verzichtet werden. Zumindest brauchen wir dringend eine Regelung der Haftungsfragen. Es muss ein rechtlich bindendes Haftungssystem für alle Vertragsstaaten vereinbart werden. Bislang: Fehlanzeige! Beispiel gerechter Vorteilsausgleich. Wenn es weltweit bei der wirtschaftlichen Nutzung der biologischen Vielfalt gerecht zugehen soll, dann muss endlich eine Regelung getroffen werden zum Zugang und zum gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung genetischer Ressourcen. Bisher: Wieder Fehlanzeige! Beispiel Schutzgebiete. Die vereinbarten internationalen Schutzgebiete zu Wasser und zu Land bedürfen dringend einer soliden Finanzierung, hier muss auch die Bundesregierung ihren Anteil leisten - nicht nur bei der Rettung der Banken. Was wir hier bislang erlebt haben, ist eine Mehrfachanrechnung zugesagter Mittel - einmal als Klimaschutz, dann als Biodiversitätsschutz und dann als Entwicklungshilfe. So werden zwar aus 1 Million Euro schnell 3 Millionen Euro; ein redliches Vorgehen ist das aber nicht. Gemeinhin nennt man das Taschenspielertricks. Also: wieder Fehlanzeige! Im Biodiversitätsschutz - also beim Schutz von Pflanzen und Tieren, Lebensräumen und genetischer Vielfalt - geht es aber nicht nur um ferne Regenwälder oder Korallenriffe, sondern auch um konkrete Maßnahmen hier vor Ort. Auch bei uns in Deutschland treiben Flächenverbrauch, Zerschneidung, intensive Landwirtschaft, Verschmutzung und Übernutzung die Natur in immer engere Nischen. Die Ökosysteme verarmen und werden instabil. Intakte Ökosysteme sind aber nicht nur für den Tourismus gut. Wir erhalten von ihnen Nahrung, Baustoffe, Fasern, Energie, Arzneimittel, sauberes Wasser und saubere Luft. Sie dienen als technische Vorbilder, stabilisieren das Klima, schützen vor Extremereignissen und dienen sogar noch der Entsorgung vieler unserer Abfälle. Deshalb geht es nicht nur um das eine oder andere possierliche Tierchen oder die eine oder andere exotisch-schöne Pflanze. Es geht um unsere Lebensgrundlagen und die der Generationen nach uns. Wir alle sollten wissen: Der so wichtige Schutz der biologischen Vielfalt kann nicht Aufgabe nur eines Ressorts sein. Das geht an der Realität der Ursachen des Biodiversitätsverlustes völlig vorbei. Biodiversitätsschutz ist eine klassische Querschnittsaufgabe. Als solche sollte sie in Deutschland endlich begriffen werden. Ich kann Umweltminister Röttgen daher nur auffordern, die Chance zu nutzen und mit dem für dieses Jahr angekündigten Bundesprogramm zur biologischen Vielfalt einen großen Schritt nach vorne zu machen und dabei insbesondere seine Ellenbogen gegenüber seinen Kollegen im Landwirtschafts- und im Verkehrsministerium zu nutzen. Orientieren Sie sich auf keinen Fall an dem hessischen Verkehrs- und Wirtschaftsminister Dieter Posch, FDP, der Denken von vorgestern bietet, wenn er ankündigt, er wolle den Naturschutz "auf ein volkswirtschaftlich akzeptables Niveau bringen". Da hat jemand die Zusammenhänge ganz gewaltig nicht begriffen; denn weniger Naturschutz heute bedeutet mehr volkswirtschaftliche Kosten morgen. Nehmen Sie sich lieber noch einmal die Rechnung des Umweltbundesamtes zur Hand, das Ihnen vorrechnet, dass in unseren Haushalten umweltschädliche Subventionen stecken, die uns jährlich 48 Milliarden Euro kosten. Packen Sie hier an; das ist dann wirklich "intelligentes Sparen". Um meine Rede optimistisch zu beschließen, möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich begrüßen, dass die UNEP, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, vor wenigen Tagen beschlossen hat, ein internationales Wissenschaftlergremium für Biodiversität einzurichten. Damit wird für politische Entscheidungsträger ein zuverlässiges und glaubwürdiges Gremium eingerichtet, das Zustand und Entwicklung der weltweiten Biodiversität beobachtet, analysiert und bewertet. Neben der Klimafrage ist die Frage der biologischen Vielfalt eine der elementaren Herausforderungen unserer Zeit, und dafür muss entsprechendes gesellschaftliches und politisches Bewusstsein geschaffen werden. Das IPBES - so der Name des neuen Gremiums - wird dazu sicherlich einen guten Beitrag leisten. Wir Grünen können uns auch sehr gut mit dem Gedanken anfreunden, dass dieses Gremium in Deutschland angesiedelt wird. Entscheidend wird aber bleiben, dass wir handeln; denn wir haben schon heute kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Handlungsdefizit. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/2005 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 sowie Zusatzpunkt 4 auf: 27 Beratung des Antrags der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Nährwert-Ampel bundesweit einführen - Drucksache 17/2120 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Gesundheit ZP 4 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Nicole Maisch, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die "Information der Verbraucher über Lebensmittel" KOM(2008) 40 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Lebensmittelinformation verbessern - Verbindliche Ampelkennzeichnung einführen - Drucksachen 17/1987, 17/2185 - Berichterstattung: Abgeordnete Carola Stauche Iris Gleicke Dr. Christel Happach-Kasan Karin Binder Ulrike Höfken Hier werden zu Protokoll gegeben die Reden von Carola Stauche, Iris Gleicke, Dr. Christel Happach-Kasan, Karin Binder und Ulrike Höfken. Carola Stauche (CDU/CSU): Wir diskutieren heute wieder über ein Thema, das uns schon seit geraumer Zeit beschäftigt, und die Meinung der Union in dieser Frage hat sich nicht geändert. Im Land des Autos sind wir uns der Bedeutung von Ampeln durchaus bewusst, allerdings gehören diese an Kreuzungen und nicht auf Lebensmittel. Auf der Straße helfen sie, den Verkehr zu regeln; auf Lebensmitteln führen sie dazu, den Verbraucher zu verwirren. Es mag schön aussehen, wenn alle Lebensmittel mit grünen, gelben oder roten Punkten gekennzeichnet sind. Aber ist das nicht zu kurz gedacht? Sollen wir den Bürgern durch eine Ampelkennzeichnung die Entscheidung leicht machen, keine Margarine mehr zu kaufen, weil diese mit einem roten Punkt gekennzeichnet ist? Das klingt polemisch, aber genau das ist die Ampelkennzeichnung auch - Polemik oder vielmehr Aktionismus und Alibipolitik. Nicht die Lebensmittelwirtschaft ist schuld, wenn unsere Bäuche wachsen, sondern unser Verhalten. Es gibt Kinder, die ständig Süßigkeiten essen können, ohne dick zu werden, während sich andere Schwimmringe anfuttern. Warum? Die schlanken Kinder bewegen sich mehr. Der Energieumsatz des Körpers ist außerdem nicht bei jedem Menschen gleich. Statt sich vernünftig zu ernähren oder mehr Sport zu treiben, sollen wir, wenn es nach den Vorstellungen der Opposition geht, jetzt farbigen Punkten unsere Gesundheit anvertrauen. Das ist nicht unser Verständnis von Verbraucherpolitik. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Es ist unbestritten, dass Verbraucherinnen und Verbraucher über den Energiegehalt und die Gehalte an Nährstoffen in Lebensmitteln auf der Verpackung informiert werden müssen. Nur so ist durch die Lebensmittelauswahl eine ausgewogene und gesunde Ernährung möglich. Lassen Sie mich nur ein Argument hervorheben, welches meiner Meinung nach gegen eine Ampelkennzeichnung spricht: Die Ampelkennzeichnung bezieht sich auf 100 Gramm. Viele Lebensmittel würden damit als "rot" klassifiziert, zum Beispiel Nüsse, obwohl sie gar nicht in diesen Mengen verzehrt werden. Die Frage, ob ein Lebensmittel ernährungsphysiologisch günstiger oder ungünstiger ist, hängt aber entscheidend von der verzehrten Menge und vor allem von der Gesamternährung ab. Bei der Ausarbeitung des "1 plus 4 Modells" hat sich die Bundesregierung deshalb bewusst gegen das Ampelmodell entschieden. Die Union unterstützt das Modell von Bundesministerin Aigner: Wir wollen eine klare und informative Lebensmittelkennzeichnung mit übersichtlichen Informationen auf der Verpackung über Nährwerte, Inhaltsstoffe und Abdeckung des Tagesbedarfs auf der Grundlage einheitlicher, vergleichbarer Bezugsgrößen. Die Kalorienzahl in Bezug auf die empfohlene Tageszufuhr muss auf die Vorderseite. Der Rest - also Zucker, Salz, ungesättigte Fettsäuren und Fett - soll auf die Rückseite. Die Entscheidung des BMELV für dieses Modell ist auch aufgrund der Bedenken, die seitens der Wissenschaft gegenüber der Ampelkennzeichnung geäußert wurden und immer noch geäußert werden, getroffen worden. So hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung deutlich gezeigt, dass die wissenschaftliche Eindeutigkeit der international vorgeschlagenen Bezugsgrößen wenig überzeugend ist. Sie kritisiert unter anderem die Spannen der im Ampelsystem vorhandenen Farben. Bei einer Bezugsgröße von 100 Gramm führen 3 bis 20 Gramm Fettanteil zu einem gelben Ampelpunkt. Was das in dieser Größenordnung für ein Unterschied ist, muss ich niemandem näher erläutern. Auch das Beispiel des Cola-Getränks macht deutlich, dass die Ampelkennzeichnung deutliche Schwächen hat. Aufgrund des Fehlens von gesättigten Fettsäuren, von Fett und Salz erhält es drei grüne Punkte und nur für den Zuckergehalt einen roten. Sehr übersichtlich auf der Verpackung angebracht deutet es auf ein gesundes Lebensmittel hin: "Dreimal grün und nur einmal rot, was soll's, das nehm' ich mit, ist doch völlig ungefährlich." Und auch wer glaubt, dass er sich ausgewogen ernährt, wenn er nur noch Produkte mit grünen Punkten, zum Beispiel Äpfel, in seinem Warenkorb hat, liegt falsch. Eine solche Kennzeichnung ist doch total verwirrend. Die eben genannten kleinen Beispiele zeigen doch deutlich, zu welcher Irritation es bei der Ampel kommen kann. Das kann doch nicht im Sinn von verantwortungsvoller Verbraucherpolitik sein. Kurzum: Simplifizierende Farbpunkte, wie die reine Ampelkennzeichnung sie vorsieht, bedeuten schlichtweg irreführende Informationen. Nahrungsmittel werden hier in gut und schlecht eingeteilt. Auch nationale Alleingänge, wie von SPD und Linken gefordert, helfen uns wenig. Sowohl für die Verbraucher wie auch für die Wirtschaft ist vielmehr eine einheitliche europäische Regelung wichtig. Hohe Produktions- und Logistikkosten für die Wirtschaft und Verwirrung für die Verbraucher wären die Folgen eines nationalen Alleingangs. Eines muss uns doch aber auch klar sein: Eine Kennzeichnung ist letztlich nur eine zusätzliche Hilfestellung für den Verbraucher. Die Linke und die SPD versteifen sich mal wieder in der Fehlernährungsdebatte auf Kennzeichnungsregelungen. Doch das Problem wird nicht mit bunten Farben gelöst, sondern mit Verbraucherbildung an Schulen, in Kantinen und im Elternhaus. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Wer sich bis heute nicht über seine Ernährung informiert hat, wird dies auch in Zukunft nicht tun. Da muss verantwortungsvolle Verbraucherpolitik ansetzen. Informieren, aufklären, behilflich sein statt bevormunden - das ist das Credo der Union. Das ist der Weg, den wir alle einschlagen müssen. Diesen Weg müssen alle gemeinsam gehen, Verbraucherinnen und Verbraucher gemeinsam mit Erzeugern, Händlern, Verbraucherschützern und auch der Politik. Bei Bedürfnissen der Verbraucher und Verbraucherinnen müssen Informationsangebote durch Erzeuger, Händler und Politik gemacht werden. Die Politik muss ihrer Sorgfaltspflicht den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber nachkommen und Erzeugern und Händlern bei ihrer Tätigkeit auf die Finger schauen, ohne ihnen dabei die Hände festzubinden. Dass wir in Europa nicht allein stehen mit dieser Meinung, hat die gestrige Abstimmung im Europäischen Parlament gezeigt. Auch hier stimmte man gegen eine verpflichtende Ampelkennzeichnung, übrigens mit den gleichen Argumenten, die wir in dieser Diskussion seit Jahren vorbringen. Die Unionsfraktion begrüßt die Entscheidung des Europäischen Parlamentes ausdrücklich, sich erneut gegen eine stigmatisierende farbliche Ampelkennzeichnung auf europäischer Ebene auszusprechen. Einmal mehr ist deutlich geworden, dass es in Europa keine Mehrheit für eine solche Kennzeichnung gibt. Ein großes Lob sprechen wir der CDU-Europaabgeordneten und Berichterstatterin Renate Sommer für die konsequente und gute Verhandlungsführung aus. Auch die Befürworter einer solchen stigmatisierenden Kennzeichnung sollten die Zeichen der Zeit endlich erkennen und ihren Glaubenskrieg beenden. Was der Verbraucher braucht, sind vergleichende und übersichtliche Informationen, ohne Wertung. An die Kolleginnen und Kollegen der Linken gerichtet: Jetzt werden Sie einen Satz hören, den Sie selten von mir zu hören bekommen. Ich bin Ihrer Meinung, dass Deutschland eine Vorreiterrolle bei der Einführung einer nachvollziehbaren Lebensmittelkennzeichnung einnehmen sollte. Das ist allerdings mit der Ampelkennzeichnung, wie sie von Ihnen gefordert wird, nicht gewährleistet. Das und die oben genannten Gründe sind der Grund dafür, dass wir den Antrag ablehnen. Iris Gleicke (SPD): Die Anträge für die Ampelkennzeichnung können nur unterstützt werden. Seit Monaten diskutieren Politik, Wirtschaft und Verbraucherschützer über die Frage der Nährwertkennzeichnung auf Lebensmitteln; und das europaweit. Bei dieser Diskussion sollte das Ziel ganz klar sein, allen Verbrauchern die Wahl der richtigen Produkte für eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu erleichtern, und zwar so leicht verständlich, dass in Zukunft niemand mit dem Taschenrechner den Supermarkt betreten muss. Wir brauchen eine klare Kennzeichnungspflicht, damit Verbraucherinnen und Verbraucher einfach vergleichen und bewusst entscheiden können, was sie essen und trinken. Sie müssen endlich auch ohne ein ernährungswissenschaftliches Studium verstehen können, was gesund ist und was nicht. Das ist heute leider gar nicht mehr so leicht, da viele Produkte, die in der Werbung als gesund gepriesen werden, versteckte Fette und Zucker beinhalten. Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte, die Bundesärztekammer und auch die gesetzlichen Krankenkassen fordern seit langem die Einführung der Ampelkennzeichnung, die auch schon in Großbritannien zu großem Erfolg geführt hat. Dort ist der Absatz ausgewogener Produkte seit Einführung der Ampelkennzeichnung signifikant gestiegen. Diese Verbände haben meiner Meinung nach ein wesentlich fundierteres Fachwissen zum Thema ernährungsbedingte Krankheiten als die Lobbymaschinerie der Lebensmittelwirtschaft, die sich - aus ihrer Sicht verständlicherweise - gegen die Ampelkennzeichnung ausspricht. Die Einführung des "Nährwertkästchens", also der sogenannten GDA-Kennzeichnung, oder des "1 plus 4 Modells" reicht zur Aufklärung nicht aus und ist irreführend. Die Nährwertangaben, die für frei variable Portionsgrößen angegeben werden können, bieten nur eine abstrakte Vergleichsmöglichkeit. 15 Gramm Schokolade haben weniger Zucker und Kalorien als ein Liter Bioapfelsaft. Da wird der Einkauf schnell zur Mathestunde, und die Verbraucher werden schlichtweg verunsichert. Die Angaben auf dem Etikett müssen einfach, vergleichbar, überschaubar und leicht verständlich sein und dürfen keinen Teil unserer Bevölkerung ausgrenzen. Die farbliche Kennzeichnung der Ampel würde all diese Anforderungen erfüllen. Sie würde insbesondere bei zusammengesetzten Produkten wie Tiefkühlpizza, Müsli oder Fertiggerichten Aufklärungsarbeit leisten. Nicht nur die SPD ist seit langem für die Einführung der Ampel. Bereits im Juli 2009 hat es eine Emnid-Umfrage gegeben, in der sich 69 Prozent der Verbraucher für eine Ampelkennzeichnung ausgesprochen haben. Die Menschen wollen eine einfache Kennzeichnung, die sie auch lesen können, wenn sie einmal ihre Brille vergessen haben, und die sie auch ihren Kindern verständlich machen können. In Großbritannien sprechen sich sogar die Supermärkte selber für eine klare Kennzeichnung aus, da sich Transparenz und Offenlegung auszahlen. Auch wenn sich die Europäische Union am Mittwoch erneut gegen die verpflichtende Ampelkennzeichnung ausgesprochen hat, so brauchen wir wenigstens auf nationaler Ebene diese verständliche Lösung. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Die Nährwertampel ist gestern im Europaparlament mehrheitlich abgelehnt worden. Es hat sich die Vernunft durchgesetzt, und das ist gut. Die vorliegenden Anträge von den Grünen und der Linken haben sich damit erledigt. Bereits jetzt sind auf den meisten Lebensmittelverpackungen Angaben über den Gehalt des Lebensmittels an Kalorien, Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz zu lesen. Die freiwillige Kennzeichnung hat sich weitgehend durchgesetzt. Die Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft haben zumeist sehr zügig auf die Forderungen nach solchen Informationen reagiert und damit akzeptiert, dass selbstverständlich die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Anspruch auf diese Informationen haben. Die Unterlegung dieser Informationen mit Farben bedeutet jedoch eine nicht sachgerechte Emotionalisierung. Die Warnfarbe Rot steht für einen hohen Gehalt. Grün für einen niedrigen Gehalt. Es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass mit diesem einfachen Schema von Gut und Böse keine sachgerechte und den Lebenssituationen der einzelnen Verbraucher entsprechende Verbraucherinformation möglich ist. Wenn die Ampel an der Kreuzung Rot zeigt, sagt die Straßenverkehrs-Ordnung, dass jeder stehen bleiben muss. Die Nährwertampel ist gerade nicht so eindeutig wie die Verkehrsampel. Die Ampelkennzeichnung bei Lebensmitteln ist anders als im Straßenverkehr nicht klar: Rot, Gelb und Grün auf Lebensmitteln würde im Straßenverkehr gleichzeitiges Bremsen, Kuppeln und Gasgeben bedeuten. Und sollte etwa das Matjesfilet, das wegen des hohen Fett- und Kaloriengehalts zwei rote Punkte tragen würde, im Regal liegen bleiben? Wo bleibt die Information, dass der hohe Gehalt an ungesättigten Fettsäuren Matjes als ein besonders gesundes Produkt auszeichnet? Wer nur als Grün gekennzeichnete Lebensmittel zu sich nehmen wollte, würde schwere Mangelerscheinungen in Kauf nehmen. Das kann doch niemand wollen. Als Motivation für die Nährwertampel wird immer wieder genannt, dass zunehmend mehr Menschen und gerade auch Kinder Übergewicht haben. Das ist in der Tat ein Problem. Aber wir beobachten nicht nur eine Gewichtszunahme. Essstörungen wie Bulimie und Magersucht sind vor allem bei jungen Frauen, mittlerweile aber auch bei jungen Männern weit verbreitet. Nach einer Studie des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 2006 hat jedes dritte Mädchen von 11 bis 17 Jahren Essstörungen und Krankheiten wie Magersucht, Ess-Brech-Sucht oder Fettsucht. Bei Jungen im gleichen Alter sind es immerhin 15,2 Prozent. Dieses gesamtgesellschaftliche Problem ist nicht durch eine mit Farben unterlegte Kennzeichnung, die die rationale Information über Nährwertgehalte durch farbliche Unterlegung emotionalisiert, in den Griff zu bekommen. Im Gegenteil, gerade für Menschen mit krankhaften Essstörungen birgt die Nährwertampel eine erhebliche Gefahr der Fehlorientierung. Eine Nährwertkennzeichnung muss jedoch allen Menschen Information und Orientierung geben. Nicht nur die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat sich gegen die Nährwertampel ausgesprochen, sondern auch die Lebensmittelwirtschaft. Dies wurde von den Befürwortern der Nährwertampel sogleich als Lobbyismus gebrandmarkt. Zwei plus zwei ist vier, jeder weiß das. Ist diese wahre Aussage automatisch dann falsch, wenn ein Lobbyist sie bestätigt? Mir haben die von mir persönlich angeschriebenen Krankenkassen keine wissenschaftliche Studie nennen können, die belegt, dass die Nährwertampel die Gesundheit fördert. Die Tatsache, dass Verbraucherverbände sich für die Nährwertampel ausgesprochen haben, ist kein wissenschaftlicher Beleg dafür, dass sie die angesprochenen Probleme lösen hilft. In den beiden letzten Jahrzehnten ist das Durchschnittsgewicht der Kinder, der Anteil zu dicker Kinder gestiegen. Besorgniserregend ist das Auftreten von Diabetes-Typ-2 bei Kindern, der früher erst im Alter auftrat. Ändern wir dies durch rote Punkte auf der Bonbonpackung? Garantiert nicht. Das Bewegungsverhalten der Menschen hat sich in den letzten Jahren verändert. Kinder spielen weniger draußen, sitzen mehr am Computer, und auch Erwachsene bewegen sich wesentlich weniger als früher. Ich habe vor wenigen Tagen einen Hundebesitzer gesehen, der im Auto vorneweg fuhr und seine Hunde hinterherlaufen ließ. Die Menschen bewegen sich zu wenig. Dies hat erhebliche negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit. Hier ist jeder Einzelne gefragt, umzudenken. Die negativen Folgen von Bewegungsmangel können nur durch mehr Bewegung gemindert werden. Deswegen verfolgt beispielsweise die Plattform "Ernährung und Bewegung" den richtigen Ansatz. Die polarisierte Diskussion um die Nährwertampel verdrängt völlig, dass der Bewegungsmangel für sehr viele gesundheitliche Probleme verantwortlich ist. Die gesundheitlichen Folgen der Bewegungsarmut vieler Menschen können nur zu einem sehr geringen Teil durch eine angepasste, das heißt energieärmere Ernährung aufgefangen werden. Es ist bedauerlich, dass viele Verbände, die es besser wissen müssten, zur Durchsetzung einer populistischen Position eine solche Fehlorientierung zum Schaden der Menschen in Kauf nehmen. Die FDP tritt ein für eine sachliche Nährwertkennzeichnung ohne farbliche Bewertung, wie sie inzwischen auf sehr vielen Lebensmitteln zu finden ist. Für eine wirksame Bekämpfung von Fehlernährung sind zudem Ernährungswissen und Ernährungsbildung, eine ausgewogene Ernährung sowie ausreichende Bewegung und Sport notwendig. Initiativen wie das Schulobstprogramm oder der "Ernährungsführerschein" der Landfrauen helfen dabei. Im Übrigen sollte nicht vergessen werden: Wir essen nicht nur, um die notwendige Kalorienaufnahme zu tätigen. Essen ist Kultur. Freude über ein gutes Essen stärkt das Wohlbefinden, ist also gesund. Rote Punkte auf der Verpackung leisten hierzu keinen Beitrag. Karin Binder (DIE LINKE): Die Absage des EU-Parlaments an eine verpflichtende Nährwertampel steht im Widerspruch zu den Wünschen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Diese wollen Nährwertangaben, die mit den Farben Grün, Gelb oder Rot unterlegt sind, um auf den ersten Blick versteckte Dickmacher und Schummelwerbung entlarven zu können. Ohne Frage: Die Lebensmittellobby hat sich gegen die Interessen der Menschen durchgesetzt. Dazu war ihr fast jedes Mittel recht: Verbraucherinnen und Verbraucher wurden für dumm verkauft, Öffentlichkeit und Politik mit einer beispiellosen Gegenkampagne überzogen. Geradezu unerträglich ist es aber, dass an Magersucht leidende Menschen herhalten mussten, um gegen eine nachvollziehbare Kennzeichnung von Lebensmitteln Stimmung zu machen. Bemerkenswert ist auch die Rolle der Bundesregierung. Sie gibt die Parolen der Ernährungsindustrie teilweise im Wortlaut wieder - nachzulesen in den Sitzungsprotokollen des Ausschusses und den Antworten auf Anfragen aus dem Parlament. Frau Aigner hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich mit den Argumenten der zahlreichen Gesundheitsexperten, Ärzten, Verbraucherschützern und der überwältigenden Mehrheit in der Bevölkerung auseinanderzusetzen. Eine derart schamlose Klientelpolitik lassen wir Schwarz-Gelb nicht durchgehen. Dass die Bundesregierung mit ihrer Haltung gegen die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher handelt, möchte ich hier noch einmal verdeutlichen: Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und vorzeitiger Gelenkverschleiß sind unter anderem häufige Folgen von Übergewicht. Nach Ansicht von Gesundheitsexperten, Ärzte- und Patientenverbänden, Krankenkassen und Verbraucherschutzorganisationen ist fett- und zuckerreiche Ernährung neben Bewegungsmangel eine Hauptursache. Schlecht lesbare und unübersichtliche Angaben, insbesondere bei kalorienreichen Fertiglebensmitteln, sowie eine damit einhergehende, oft irreführende Werbung der Hersteller tragen ihren Teil dazu bei. Ein Zuviel an Fett, Zucker und Salz muss häufig ausgleichen, was andere Bestandteile im Fertiglebensmittel vermissen lassen: mehr Geschmack. Von der Lebensmittelindustrie werden die Dickmacher also gezielt zur Absatzförderung eingesetzt, da sie eine geschmacksanregende Wirkung haben. Dem gilt es etwas entgegenzusetzen. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegen nun, dass die Nährwertampel am besten zu einer raschen und richtigen Beurteilung von Produkten und damit zu einer ausgewogenen und gesunden Ernährung beiträgt. Die Angaben beziehen sich einheitlich auf 100 Gramm oder 100 Milliliter, damit alle Produkte miteinander vergleichbar sind. Mithilfe des Ampelmodells können Verbraucherinnen und Verbraucher die Zusammensetzung der Nährwerte eines Lebensmittels auf den ersten Blick richtig einschätzen und auch irreführende Werbung umgehen. Die Mehrheit der Deutschen spricht sich für eine farbliche Gestaltung von Nährwertangaben aus, wie eine Meinungsumfrage im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zeigt. Nach einer repräsentativen Umfrage des AOK-Bundesverbandes und des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte wollen über 90 Prozent der Eltern die Nährwertampel. Eine aktuelle Studie der Fachhochschule Münster verdeutlicht: Eine Ampelkennzeichnung führt zu einer besseren Einschätzung des Zucker- und Kaloriengehaltes und zu richtigen Produktvergleichen. Die Nährwertampel trägt demnach am besten zu einer richtigen und raschen Beurteilung von Produkten durch die Verbraucherinnen und Verbraucher bei. Die Gehalte von Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz werden dabei auf der Vorderseite der Lebensmittelverpackung angegeben und entsprechend der Menge jeweils farblich unterlegt: grün für "gering", gelb für "mittel" und rot für "hoch". Die Linke fordert deshalb zusätzlich zur unbefriedigenden EU-Entscheidung in Deutschland die Einführung der Nährwertampel. Die Brüsseler Regelung gesteht den Einzelstaaten weitere Kennzeichnungen bei Lebensmitteln zu, sofern diese den EU-Vorgaben nicht widersprechen. Die Bundesregierung kann der Lebensmittelindustrie dazu Vorgaben machen. Verbraucherministerin Aigner hat damit die Möglichkeit, sich aus der Umarmung der Lebensmittellobby zu lösen. Mit der Ampelkennzeichnung würde sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern beim Einkauf eine klare und nachvollziehbare Information an die Hand geben. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gegen jede gesundheits- und ernährungspolitische Vernunft lehnt die schwarz-gelbe Koalition die Ampelkennzeichnung weiter ab. Die Haltung von CDU, CSU und FDP hier wie im Europäischen Parlament zeigt: Die 1 Milliarde Euro, die sich die Lebensmittellobby ihre Kampagne für ihr Kennzeichnungsmodell hat kosten lassen, war aus Sicht der Industrie gut investiertes Geld. Die Abgeordneten haben sich dem Druck von Kellogg's, Nestlé und Co. gebeugt. Das Nachsehen haben die Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Entscheidung wird sich als ernährungspolitischer Bumerang erweisen. Die dramatische Zunahme der Zahl ernährungsbedingter Krankheiten, die uns inzwischen 100 Milliarden Euro jährlich kostet, wird sich fortsetzen. Die Hersteller schmeißen weiter ihre Kalorienbomben auf den Markt und tun so, als seien dies sportliche Fitnessprodukte. Besonders gut zu beobachten ist das gerade jetzt zur Fußballweltmeisterschaft. Da wird zum Beispiel die Milka Alpenmilch-Haselnuss-Schokolade in einer zweigeteilten Packung - 1. Halbzeit und 2. Halbzeit - verkauft. In 90 Minuten verzehrt der Zuschauer 80 Gramm Schokolade. Die Nährwertangaben beziehen sich jedoch auf eine Miniportion von 25 Gramm, wodurch der Nährwertgehalt entsprechend niedrig erscheinen soll. Ohnehin wird kaum ein Fan neben dem Spiel das Kleingedruckte lesen. Wir fordern - wieder und immer noch, zusammen mit Krankenkassen, Ärzten und Elternverbänden - die Einführung der Lebensmittelampel als einfaches, verbraucherfreundliches Kennzeichnungssystem. Noch steht die Abstimmung im Ministerrat an. Das Argument, die Ampel verwirre die Menschen, ist fadenscheinig. Seit Jahren macht die englische Kette Sainsbury's vor, wie es funktionieren kann. Alle Eigenprodukte sind dort mit der Ampel gekennzeichnet. Das Einkaufsverhalten der Leute hat sich nachweislich hin zu gesünderen Produkten geändert. Und nicht nur das: Mittlerweile nutzt die Supermarktkette diese Erkenntnis auch umgekehrt für die Produktion, das heißt, die Produktentwicklung prüft, ob nicht der Salz-, Zucker- oder Fettgehalt in Produkten reduziert werden kann. Dies ist für uns ein Effekt, der besonders wünschenswert ist. Die Produkte werden besser. Der Trend zum Übergewicht konnte mit einem Bündel an ernährungspolitischen Maßnahmen inzwischen nicht nur in England, sondern zum Beispiel auch in den USA gestoppt werden. Nur in Deutschland geht die Fehlentwicklung munter weiter, weil die geeigneten politischen Maßnahmen fehlen. Die Ministerin belässt es bei Appellen. Frau Aigner, haben Sie den Supermarkt gesehen, der nach Ihrer Aufforderung die Süßigkeiten von den Kassen weggeräumt hat und jetzt die Gurken und Tomaten dort auftürmt? Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich eine Ernährungs- und Verbraucherpolitik zu machen, die ihren Namen verdient: Setzen Sie sich im Ministerrat für die verbindliche Ampelkennzeichnung und Werbeverbote für Süßigkeiten im Umfeld von Kindersendungen und einen Verkaufsstopp von Softdrinks in Schulen ein. Wälzen Sie den flächendeckenden Ausbau der Kindergarten- und Schulernährung nicht auf die Länder ab, sondern gehen sie über ein Bund-Länder-Aktionsprogramm mit in die Verantwortung und Finanzierung. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/2120 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das so beschlossen. Zusatzpunkt 4: Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2185, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1987 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen und Ablehnung der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 sowie Zusatzpunkt 5 auf: 29 Beratung des Antrags der Abgeordneten Oliver Krischer, Sven-Christian Kindler, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aufhebung der Haushaltssperre und Weiterführung des Marktanreizprogramms und der nationalen Klimaschutzinitiative zur Förderung erneuerbarer Energien - Drucksache 17/2007 - Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, Sören Bartol, Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Marktanreizprogramm und nationale Klimaschutzinitiative fortsetzen - Drucksache 17/2119 - Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Die folgenden Kolleginnen und Kollegen haben ihre Reden zu Protokoll gereicht: Bernhard Schulte-Drüggelte, Bettina Kudla, Sören Bartol, Heinz-Peter Haustein, Michael Leutert und Oliver Krischer. Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU/CSU): Mit dem Marktanreizprogramm werden Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien zur Wärmenutzung gefördert. Dies ist im Interesse einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Energieversorgung und des Klimaschutzes. Es werden Investitionskostenzuschüsse für Solarkollektoranlagen zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung, kleinere Anlagen zur Verbrennung fester Biomasse und effiziente Wärmepumpen gewährt. Das Marktanreizprogramm ist eine Erfolgsgeschichte. Allein im Jahr 2009 wurden gut 253 000 Investitionszuschüsse vergeben. Die Bundesregierung hat dafür 374 Millionen Euro aufgewendet. Des Weiteren wurden 2 100 Förderkredite in Höhe von 300 Millionen Euro zugesagt. Mit diesen Darlehen und Zuschüssen wurden insgesamt 3 Milliarden Euro Investitionen ausgelöst. Bundesumweltminister Röttgen hat im Berichterstattergespräch am 17. Mai 2010 noch einmal auf den Erfolg des Marktsanreizprogramms hingewiesen. Mit jedem staatlich geförderten Euro werden circa 8 Euro private Investitionen ausgelöst. Damit ist dieses Programm das erfolgreichste Investitionsprogramm der Bundesregierung. Zudem erfolgen nahezu 90 Prozent der Wertschöpfung in Deutschland. Die Berichterstatter des Einzelplans 16 im Haushaltsausschuss setzen sich für eine Fortführung und Verstetigung dieses Programms ein. In den letzten Jahren ist in vielen Bereichen eine Verstetigung von klimaschützenden Programmen gelungen. Dazu zählt auch das Marktanreizprogramm. Die Mittel für die Förderung der erneuerbaren Energien wurden kontinuierlich aufgestockt. Damit wurde deutlich: Die Investoren und Handwerksbetriebe haben Planungssicherheit. Planungssicherheit bedeutet aber nicht, dass dieses Programm bei der anstehenden Konsolidierung des Bundeshaushalts unangetastet bleiben soll. Wichtig ist allerdings ein eindeutiges und klares Signal über die Höhe der Förderung in den folgenden Jahren. Das Programm ist gut für den Klimaschutz, es schafft Arbeitsplätze in Deutschland und hilft unserem Land, die internationale Vorreiterrolle im Bereich der erneuerbaren Energietechnik zu sichern und auszubauen. Aus diesem Grund hatte ich bereits in der Debatte zum Haushalt 2010 Bedenken hinsichtlich einer Sperre und der Verknüpfung mit den Erlösen aus dem CO2-Zertifikateverkauf. Im Zuge der Beratungen konnte erfreulicherweise eine Veranschlagung der Einnahmen aus dem Verkauf der Emissionszertifikate im allgemeinen Haushalt erreicht werden. Alle Einnahmen aus dem Handel mit CO2-Emissionszertifikaten stehen nun dem Gesamthaushalt zur Verfügung. Das ist eine gute Vorbedingung für nachhaltigen Klimaschutz, unabhängig von kurzfristigen Preisschwankungen an den Emissionshandelsbörsen. Aus diesem Grund befürworte ich nun auch die Aufhebung der Sperre beim Titel "Förderung von Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien". Hier sind Ausgaben in Höhe von 115 Millionen Euro für das laufende Jahr gesperrt. Laut Auskunft des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sind schon jetzt von den verfügbaren rund 333 Millionen Euro, die auf das Marktanreizprogramm entfallen, circa 265 Millionen Euro gebunden. Es wird deutlich, dass zur Sicherstellung einer kontinuierlichen Bewirtschaftung des Marktanreizprogramms die Aufhebung der Sperre angezeigt ist. Investitionszuschüsse für Solarkollektoren, Anlagen zur Verfeuerung fester Biomasse und effizienter Wärmepumpen sind gefährdet. Die Sperre steht einer kontinuierlichen Verausgabung der Mittel entgegen und führt zur Verunsicherung bei geplanten Investitionen. Daher hoffe ich sehr, dass das Bundesministerium der Finanzen dem Haushaltsausschuss noch vor der parlamentarischen Sommerpause eine entsprechende Vorlage zur Entsperrung der Mittel vorlegt. Bettina Kudla (CDU/CSU): Zum Sachverhalt: Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat im Rahmen der Haushaltsberatungen 2010 im März 2010 eine Haushaltssperre über das Marktanreizprogramm und die nationale Klimaschutzinitiative zur Förderung erneuerbarer Energien verhängt. Von der Sperre betroffen sind 115 Millionen Euro des Bundeshaushaltes 2010. Der Haushaltsansatz für dieses Programm insgesamt beträgt 448 Millionen Euro. Aufgrund der mehreren Tausend Anträge sind bereits 333 Millionen Euro an Fördergeldern gebunden. Diese generieren ein Investitionsvolumen von rund 1 Milliarde Euro bis April 2010. Mit dem vorliegenden Antrag fordert die Fraktion der Grünen, dass der Bundestag sich grundsätzlich zu dem Marktanreizprogramm und der nationalen Klimaschutzinitiative bekennt und dass die Haushaltssperre umgehend wieder aufgehoben wird. Hierzu ist Folgendes zu sagen: Die christlich-liberale Koalition steht zu ihren im Koalitionsvertrag festgelegten, ehrgeizigen Klimazielen. Zur Umsetzung dieser Klimaziele sind regenerative Energien unverzichtbar. Diese sollten auch gefördert werden. Gleichwohl ist die Bundesregierung in der Verantwortung, mit den öffentlichen Mitteln sparsam und wirtschaftlich umzugehen. Insofern ist jeweils eine Abwägung zu treffen zwischen dem, was gesetzlich notwendig ist, und dem, was wünschenswerte Projekte sind. Der Haushalt 2010 weist eine Nettoneuverschuldung von über 80 Milliarden Euro aus. Dies ist eine bisher nie dagewesene Größe. Das heißt, der Bund gibt über 80 Milliarden Euro mehr aus, als er einnimmt. Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise sind erhöhte Unsicherheiten entstanden, was die Prognose der Einnahmen und auch der Ausgaben betrifft. Hinzu kommt, dass im Währungsraum des Euro aufgrund der hohen Verschuldung der europäischen Staaten zusätzliche Unsicherheiten im Hinblick auf die Stabilität der Währung des Euro zu verzeichnen sind. Im Mai 2010 wurde ein umfangreiches Rettungspaket sowohl für den griechischen Staat als auch für die gesamte Euro-Zone beschlossen. Die europäischen Staaten sind daher ganz besonders gefragt, ihre öffentlichen Haushalte zu konsolidieren. Dies bedeutet, dass die Bundesregierung und sämtliche Fachministerien im Haushaltsvollzug darauf achten müssen, dass möglichst wenig Geld der entsprechenden, im Haushalt vorgesehenen Ausgaben verbraucht wird. Diesem Zweck dient eine Haushaltssperre. Die Haushaltssperre hat zur Folge, dass das Bundesfinanzministerium die Ausgaben nochmals einer exakteren Überprüfung hinsichtlich ihrer Notwendigkeit unterzieht. Öffentliche Haushalte, über die eine Haushaltssperre verhängt wurde, geben in der Regel wesentlich weniger aus als geplant. Die Haushaltssperre ist also ein Instrument, die Ausgaben zu senken. Im Hinblick auf eine hohe Verschuldung ist daher eine Haushaltssperre notwendig und gerechtfertigt. Der Haushaltsausschuss hat auch deshalb die Haushaltssperre verhängt, weil bereits zu Beginn des Jahres 2010 erkennbar war, dass die Planansätze der Einnahmen nicht erfüllt werden können. Ursache dafür sind Einnahmeausfälle für den Bund aus dem Handel mit CO2-Zertifikaten. Es ist daher vernünftig, auf diese Einnahmeausfälle auch entsprechend zu reagieren. Zu beachten ist jedoch ein Vertrauensschutz gegenüber den Bürgern. Auf die Erfüllung gesetzlicher Pflichtaufgaben hat der Bürger einen Anspruch. Diese Ausgaben müssen auch jeweils bei einer Haushaltssperre geleistet werden. Bei freiwilligen Aufgaben, wie zum Beispiel bestimmten Förderprogrammen oder -initiativen, besteht diese gesetzliche Verpflichtung nicht. Folglich besteht ein Spielraum, diese Ausgaben zu kürzen. Bei einer möglichen Kürzung sollte berücksichtigt werden, welchen Mehrwert diese Ausgabe hat. Damit meine ich den entsprechenden Multiplikatoreffekt für Investitionen. Auch sollte Bürgern und Unternehmen möglichst Planungssicherheit gegeben werden, das heißt, entsprechende Förderprogramme sollten nicht kurzfristig wegfallen, was bei einer Haushaltssperre unter Umständen gegeben ist. Allerdings ist allgemein bekannt, dass bei Förderprogrammen, die auf ein bestimmtes Volumen begrenzt sind, die Antragssteller keine Sicherheit haben, ob ihrem Antrag wirklich stattgegeben wird. Kritiker an dem Instrument der Haushaltssperre sollten daher in Zeiten hoher Verschuldung auch akzeptieren, dass Haushaltsansätze bei Aufstellen neuer Haushalte verringert werden. Hiermit richte ich meinen Blick insbesondere auf das Haushaltsjahr 2011 und auf das von der Bundesregierung vorgelegte Sparpaket. Dies sollten wir uns alle vor Augen führen. Es ist immer eine Abwägung zu treffen, ob es vertretbar ist, eine Ausgabe auf Kosten der nachfolgenden Generationen zu finanzieren und Schulden aufzunehmen, oder ob man nicht andere Wege suchen muss, den gewünschten Förderzweck zu erreichen, aber ohne sich zu verschulden. Diese Möglichkeit sehe ich bei dem vorliegenden Marktanreizprogramm und der Klimaschutzinitiative durchaus. In den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden allein 82 000 Förderanträge bewilligt, für Solarkollektoren, Biomasseheizungen, Wärmepumpen und Kraft-Wärme-Kopplung. Das Förderprogramm hat also bereits erheblich dazu beigetragen, Privatpersonen und Unternehmen zu Investitionen in den Klimaschutz zu veranlassen. Es besteht für die Bürger selbst ein Anreiz, entsprechende klimaschutzfreundliche Investitionen vorzunehmen, sie sparen dann langfristig Energiekosten. Dies sollte man im Blick haben bevor man Geld des Steuerzahlers ausgibt, das eigentlich gar nicht vorhanden ist. Vor dem Hintergrund der hohen Verschuldung des Bundes und der Möglichkeit, entsprechende Investitionen durch Private selbst vorzunehmen, würde ich das Beibehalten der Haushaltssperre begrüßen. Geld, das nicht vorhanden ist, kann auch nicht mit vollen Händen ausgegeben werden. Ich wünsche der Bundesregierung weiterhin viel Mut bei der Kürzung von Ausgaben und bei der Aufstellung des Bundeshaushaltes 2011. Sören Bartol (SPD): Das Marktanreizprogramm und die nationale Klimaschutzinitiative: Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass diese Themen uns immer wieder beschäftigen werden, bis in der Sache die richtige Entscheidung getroffen ist; denn mittlerweile dürfte es allen hier im Hause klar sein: Die Auswirkungen der Haushaltssperre für das Marktanreizprogramm sind so weitreichend und negativ, dass wir im Bundestag die Sperre nicht einfach so stehen lassen und zur Tagesordnung übergehen können. Wir alle haben eine große Anzahl an Schreiben von den von den Auswirkungen Betroffenen erhalten. Da sind die Antragsteller von Förderungen: In laufenden Maßnahmen werden ihnen unvermittelt Finanzierungsanteile gestrichen. Der Fortgang und die Vollendung ganzer Baumaßnahmen sind dadurch infrage gestellt. Sie sehen ihr Vertrauen in die Maßnahmen des Bundes zutiefst verletzt. Da sind die Handwerker und kleinen Firmen, die fest mit Aufträgen und Lieferungen gerechnet haben, und denen diese von jetzt auf gleich wegen der fehlenden Förderung wegbrechen und deren Betriebspersonal dadurch plötzlich nicht mehr ausgelastet ist. Auch hier: Vertrauen zerstört, Existenzen bedroht. Genauso stark betroffen: die Umwelt. Hier kann man die Hoffnung auf einen raschen, nachhaltigen Umstieg mit wirksamer Veränderung der CO2-Bilanz begraben. Und das, da wir alle wissen, dass es in Sachen Klimaveränderung ab einem gewissen Punkt keine Möglichkeit mehr gibt, die Dinge umzukehren und Schäden zu reparieren. Dies alles wissen wir. Wir wissen es jetzt, nach dem Wirksamwerden der Haushaltssperre beim Marktanreizprogramm. Wir alle wussten es aber bereits vorher. Schon in der ersten Lesung des Bundeshaushalts 2010 haben wir das hier in diesem Hause angesprochen, auch die verehrten Kollegen aus den Reihen der Koalition, mit dem Ergebnis, dass wir gemeinsam die vorgesehene Haushaltssperre nicht beschlossen haben. Wir haben bei der zweiten Lesung des Haushalts versucht, eine erneute Sperrung zu verhindern. Dabei waren sich die mit der Sache Betrauten fraktionsübergreifend einig, wie kontraproduktiv eine solche Haushaltssperre ist. Durchgesetzt haben sich andere mit anderen Motivationen. Und ausgelöst hat es die eben angeführten Auswirkungen destruktiver Art. Im Haushaltsausschuss haben die Vertreter von SPD, Grünen und Linken am 29. April 2010 umgehend einen gemeinsamen Antrag gestellt und die Bundesregierung aufgefordert, die Aufhebung der Haushaltssperre zu beantragen. Zur Begründung haben wir bereits dort ausgeführt, dass eine Unterbrechung der Programme der Bedarfssituation und den Zielen der Klimaschutzinitiative nicht gerecht würde. Denn durch die Sperre sind unter anderem die Investitionszuschüsse für Solarkollektoren, Anlagen zur Verfeuerung fester Biomasse bis 100 Kilowatt und effiziente Wärmepumpen gefährdet, da schon der ursprüngliche Ansatz mit 291,3 Millionen Euro um fast ein Viertel unter dem Betrag lag, der 2009 in Höhe von 374,3 Millionen Euro nachgefragt und bewilligt wurde. Sie sehen, es waren und sind die gleichen Argumente, die auch heute in der Debatte von Bedeutung sind und die den Bundesrat zu seiner Entscheidung bewogen haben. Darüber hinaus haben wir in dem Antrag vom 29. April 2010 auch darauf hingewiesen, dass die Bindung der Haushaltssperre an das Erreichen der Zielmarke von Einnahmen aus der Veräußerung von Emissionszertifikaten in Höhe von 815 Millionen Euro mit dem Haushaltsgrundsatz der Bruttoveranschlagung und dem Prinzip der Gesamtdeckung nicht vereinbar ist. Dies ist ein haushaltssystematischer Beleg dafür, dass die Haushaltssperre nicht begründet und deshalb aufzuheben ist. Dieser Antrag ist bis heute im Haushaltsausschuss nicht abschließend behandelt, da die Koalition mit den unterschiedlichsten Begründungen eine Verschiebung durchgesetzt hat. Wohl will sie damit warten bis zu dem fernen Tag, an dem die Vertreterinnen und Vertreter der Koalition wissen, was sie dazu meinen. Wenn wir uns heute im Bundestagsplenum auf der Basis der Entschließung des Bundesrates erneut mit dem Thema befassen, dann ist dabei zu konstatieren, dass der Bundesrat sich mehrheitlich den Argumenten der Gegner der Haushaltssperre angeschlossen hat, wie auch ich sie in den Beratungen zum Haushalt vorgetragen habe. Das belegt erneut die Stichhaltigkeit dieser Argumente ebenso wie die Notwendigkeit zur Aufhebung der Haushaltssperre. Heute, nach den Beschlüssen der Bundesregierung zum Sparen bei künftigen Haushalten, müssen wir den Argumenten zur Aufhebung der Haushaltssperre noch ein weiteres hinzufügen: In der "Süddeutschen Zeitung" vom 8. Juni 2010 wird in dem Artikel "Schlechtes Klima" ein Gutachten zitiert, nach dem jeder Euro Förderung aus dem Programm 6 Euro Investitionen bewirkt. Das zeigt, dass das Marktanreizprogramm wirksamer als manch ein Konjunkturförderungsprogramm ist. Allein durch die Mehrwertsteuer nimmt der Herr Finanzminister für jeden ausgegebenen Euro bei den resultierenden Investitionen 1,04 Euro ein. Dazu kommen Steuereinnahmen an anderer Stelle im Steuersystem wie bei der Einkommensteuer oder der Gewerbesteuer. Damit sind diese resultierenden Einnahmen höher als das eingesetzte Förderkapital. Womit die Aufhebung der Haushaltssperre ein aktiver Beitrag zum Verringern des Haushaltsdefizits ist. Deshalb ist dieser Schritt umgehend geboten: aus den dargelegten fiskalischen Überlegungen, aus den bekannten umweltpolitischen Beweggründen und nicht zuletzt aus dem angesprochenen Vertrauensschutz für die Investoren und Gewerbetreibenden. Und deshalb haben wir Sozialdemokraten einen Antrag vorgelegt, in dem wir zum wiederholten Male die Aufhebung der Sperre fordern. Wir hoffen, dass die Bundesregierung sich umgehend zu seiner Umsetzung entschließt. Heinz-Peter Haustein (FDP): Ich könnte es mir leicht machen und zu Protokoll geben, dass der Antrag der Grünen, der hier zur Debatte steht, bereits erledigt sei; denn die Grünen sind wieder einmal nicht auf der Höhe der Zeit. Doch lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal darstellen, worum es in den letzten Wochen ging, als die Aufhebung der Haushaltssperre diskutiert wurde, und warum die Haltung meiner Fraktion die einzig richtige war und ist; denn so einfach, wie es sich die Grünen hier machen, ist staatliche Verantwortung nicht! Es gibt einen Zusammenhang zwischen Ausgaben des Marktanreizprogramms (MAP) und den Einnahmen des Zertifikatehandels. Die Einnahmen aus dem Zertifikatehandel sollten für das MAP verwendet werden. Ziel und Zweck beim Marktanreizprogramm während der Beratungen zum Bundeshaushalt 2010 war es, einen Teil der Haushaltsmittel zu sperren, bis man die Einnahmesituation beim Emissionszertifikatehandel im Jahresverlauf besser beurteilen kann. Hier bestanden aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklungen - vor allem im Zuge der Wirtschaftskrise - noch große Unwägbarkeiten, und sie bestehen auch weiterhin. Angesichts der auch heute noch herrschenden extremen Prognoseunsicherheit über die Erlösentwicklung bei der Veräußerung der Emissionszertifikate konnte nicht ausgeschlossen werden, dass im schlechtesten Fall eine um den entsprechenden Betrag höhere Verschuldung eintritt, was angesichts der Staatsverschuldung unbedingt zu vermeiden ist. Insofern wäre die Sperre aus haushaltspolitischer Sicht nach wie vor aufrechtzuerhalten. Und nichts, gar nichts wäre daran falsch. Das muss ich als Haushälter hier auch in aller Deutlichkeit sagen; denn bei den Mitteln für das Marktanreizprogramm handelt es sich um eine Subvention. Und bei Subventionen reichen die zur Verfügung gestellten Mittel ohnehin niemals aus, um die Nachfrage, die besteht, oder die Nachfrage, die überhaupt erst durch die Subvention entsteht, zu befriedigen. Das war beim MAP auch im vergangenen Jahr schon so. Nur durch Verwendung anderer Haushaltsmittel konnten weitere Anträge genehmigt werden. Wenn nun in diesem Jahr die verfügbaren Mittel aufgrund der Antragsflut erschöpft sind, dann ist das nur der Eintritt des Falls, der bereits im vergangenen Jahr absehbar war. Im Übrigen werden die Mittel nach Einschätzung der Experten im BMU auch nach Aufhebung der Sperre absehbar im Jahresverlauf nicht reichen, um die Nachfrage nach Förderung zu stillen. Insofern werden diejenigen, die schon immer verantwortungslos nach Aufhebung der Haushaltssperre verlangt haben, ohne zu erklären, woher die Mittel kommen sollen, wenn eine höhere Staatsverschuldung ausgeschlossen ist, auch jetzt nicht zufrieden sein. Sie werden verantwortungslos noch mehr Subventionen fordern und bereitwillig eine höhere Verschuldung in Kauf nehmen. Auf der einen Seite die hohe Verschuldung des Bundes kritisieren, gleichzeitig aber sehenden Auges ohne Gegenfinanzierung beim MAP in eine höhere Verschuldung laufen - das sage ich in Richtung von SPD und Grünen -, ist widersprüchlich. Diesen Widerspruch sollten Sie in Ihren eigenen Reihen klären. Wer derartig agiert, betreibt keine verantwortungsvolle und vor allem keine nachhaltige Politik, wie Sie es gerade von den Grünen gerne für sich reklamieren. Trotz der haushaltspolitischen Notwendigkeiten und unter Berücksichtigung der schwierigen Finanzlage infolge der größten Finanzkrise in der Geschichte der Bundesrepublik hat sich die FDP von Anfang an um eine sachgerechte Lösung in der Frage bemüht. Die Vorlage zur Entsperrung der Haushaltsmittel lag einige Zeit beim Bundesministerium der Finanzen. Verantwortlich für die Verzögerung bei der Zuleitung der Vorlage an den Bundestag war die Suche nach einer Gegenfinanzierung für die Mittel, da, wie geschildert, auch derzeit die Einnahmesituation beim Zertifikatehandel kaum seriös prognostizierbar ist. Wir als FDP haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die betroffenen Programme insbesondere für das Handwerk die Grundlage für Auftragsvergaben in erheblichem Umfang sind, was angesichts der wirtschaftlichen Lage besondere Bedeutung gewinnt. Die nachgewiesenen Multiplikatoreneffekte erreichen gerade im Marktanreizprogramm eine Größenordnung von 1 : 7, was eine exzellente Multiplikatorwirkung ist. Nicht vergessen werden sollte, dass es der frühere SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel gewesen ist, der die Keimzelle für die aktuellen Probleme gelegt hat. Es war seine Entscheidung, die Ausgaben des Marktanreizprogramms an die Versteigerungserlöse des CO2-Emissionshandels zu koppeln. Diese Erlöse brechen in der Wirtschaftskrise nun ein. Dass der Mittelstand einer solchen Planungsunsicherheit mit all den jetzt zu besichtigenden Folgen unterworfen ist, ist von Herrn Gabriel zu verantworten. Dass das BMF die Vorlage zur Entsperrung der Haushaltsmittel in voller Höhe nun dem Parlament zuleiten und der Haushaltsausschuss Anfang Juli darüber entscheiden und die Aufhebung der Sperre beschließen wird, ist aus wirtschaftspolitischer und mittelstandspolitischer Sicht richtig, um Investitionen zu ermöglichen und Arbeitsplätze zu sichern. Dass die Entsperrung erst nach erfolgter Gegenfinanzierung der Ausgaben in Verantwortung für dieses Land erfolgt, ist Verdienst und Kennzeichen dieser Bundesregierung. Michael Leutert (DIE LINKE): Das Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien, über das wir heute reden, und die nationale Klimaschutzinitiative stehen für die wenigen Beispiele, bei denen ökologische und ökonomische Ziele zusammen erfolgreich angestrebt und erreicht werden. Dies belegen die Zahlen. Allein im Jahr 2009 wurde über eine viertel Million Investitionszuschüsse mit einem Gesamtumfang von über 374 Millionen Euro gewährt und damit Gesamtinvestitionen von circa 3 Milliarden Euro ausgelöst. Besonders für die ostdeutschen Bundesländer, in denen von einem selbsttragenden Aufschwung nicht die Rede sein kann, haben die Zukunftsindustrien auf diesem Sektor eine große Bedeutung. Die erneuerbaren Energien sind einer der ganz wenigen Wachstumsbereiche, in dem sowohl technisches Know-how als auch Arbeitsplätze neu und dauerhaft entstanden sind. Insofern sind das Marktanreizprogramm und die Klimaschutzinitiative insgesamt auch ein Wirtschaftsförderprogramm, welches nicht wie viele andere kurzlebige Subventionsgräber geschaffen hat, sondern im Gegenteil zum Aufbau nachhaltiger Wirtschaftsstrukturen beigetragen hat. Ausgerechnet das Marktanreizprogramm mit einer Haushaltssperre zu belegen, ist deshalb ökologischer und ökonomischer Unfug. Es ist schlicht politisch falsch. Die Linke wird aus diesem Grund dem Antrag der Grünen zustimmen. Zuletzt war zu hören, dass die Bundesregierung doch noch vor der Sommerpause die Haushaltssperre für das Marktanreizprogramm aufheben will. Einen solchen Schritt würden wir natürlich begrüßen. Allerdings frage ich mich, wie es um die Nachhaltigkeit des ganzen Programmes bestellt ist, wenn, wie ebenfalls zu hören war, dafür einfach Mittel aus dem nächsten Haushalt vorgezogen werden. Dies ist nichts anderes als eine vorweggenommene Kürzung. Es bliebe damit bei der grundsätzlichen Infragestellung des Programms und zögert dessen Abwürgen nur um ein paar Monate hinaus. Um sowohl eine verlässliche Wirtschaftspolitik als auch einen langfristigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, muss diese Politik der Ungewissheit, des Aufschiebens und Abwürgens erfolgreicher Programme ein Ende haben. Neben der Senkung der Einspeisevergütung für Solarstrom und den Kürzungen im Bereich der energetischen Gebäudesanierung ist dies bereits der dritte wichtige klimapolitische Bereich, welcher der Politik der Regierung von CDU/CSU und FDP zum Opfer fällt oder zu fallen droht. Doch auch der wirtschaftpolitische Bereich hat erhebliche Dimensionen. Jeder Förder-Euro mobilisiert 7 bis 10 weitere Euro, welche in die Anlageninvestitionen fließen. Direkt oder indirekt sichert das Programm bis zu 10 000 Arbeitsplätze. Dies sind Zahlen, an denen eine verantwortungsvolle und soziale Politik, vor allem auch in Zeiten einer akuten Wirtschaftskrise, nicht einfach vorübergehen darf. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Marktanreizprogramm, MAP, ist - oder war, muss man inzwischen wohl eher sagen - das Instrument zur Förderung der erneuerbaren Energien im Wärmebereich und für Mini-KWK und kommunale Klimaschutzprojekte. Das MAP dient nicht nur dem Klimaschutz und dem Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung, sondern hat die Technologienentwicklung einer ganzen Branche vorangebracht und Zehntausende Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen und gesichert. Damit ein solches Programm auf Dauer erfolgreich sein kann ist es wichtig, dass es zuverlässig für alle Beteiligten läuft. Denn nur stabile Rahmenbedingungen schaffen Investitionssicherheit und damit Arbeitsplätze in der heimischen Industrie und im Handwerk. Aber bereits seit Monaten verunsichert die schwarz-gelbe Bundesregierung die gesamte Branche, indem sie Antragsteller und Unternehmen über die Zukunft des MAP im Unklaren lässt. Das seit Monaten andauernde Hick-Hack um die Zukunft des MAP - Finanzminister gegen Umweltminister, CDU gegen FDP, CSU gegen CDU, alle gegen alle - ist wie vieles andere auch sinnbildlich für den Zustand dieser Koalition. Man könnte sich amüsiert zurücklehnen, wenn nicht die Zukunft einer ganzen Branche auf dem Spiel stände; denn die verhängte Haushaltssperre in Höhe von 115 Millionen Euro und die bereits erfolgten Kürzungen der Mittel haben dazu geführt, dass seit geraumer Zeit keine neuen Anträge mehr bewilligt werden. Im Bereich der Mini-KWK erhalten Antragsteller zum Teil jetzt die Ablehnung ihres Antrags, den sie im August (!) 2009 gestellt haben. So stehen Zehntausende von Investitionsvorhaben vor dem Aus. Handwerksbetriebe und Industrieunternehmen, die sich auf diese Bereiche spezialisiert haben, haben keine Aufträge mehr. Dabei sollte die wirtschaftliche Bedeutung des MAP eigentlich allen Beteiligten klar sein: Verschiedene Gutachten, auch des Bundesumweltministeriums, BMU, haben eindrucksvoll dargelegt, dass bis zu 8 Euro Investitionen pro Förder-Euro ausgelöst werden. Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass das so erfolgreiche MAP gestoppt wird. Denn durch das Förderprogramm kommen erhebliche Steuereinnahmen zurück in den Bundeshaushalt. Die eingesetzten Haushaltsmittel bringen also einen doppelten Gewinn: zum einen setzen sie nachhaltige Anreize, einen Betrag zum Klimaschutz zu leisten. Zum anderen werden Arbeitsplätze im Handwerk und im Mittelstand geschaffen und nachhaltig gesichert. Angesichts der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Ziele zum Klimaschutz, zum Ausbau der erneuerbaren Energien und der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland benötigt die Branche bei der erneuerbaren Wärme und der Mini-KWK nachhaltige Anreize wie das MAP. Die von Ihnen erlassene Haushaltssperre, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus der CDU/CSU- und FDP-Fraktion, konterkariert diese Bemühungen. Sie blenden offensichtlich aus, dass das MAP und die NKI zusammengenommen in 2009 Investitionen in Höhe von circa 3,75 Milliarden Euro ausgelöst haben. Diese Investitionen fehlen in Deutschland jetzt und in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise und kosten Zehntausende Arbeitsplätze. Die Auswirkungen dieser Politik bekommen auch die Kommunen zu spüren. Zum Beispiel die NRW-Klimaschutzkommune Saerbeck kann ihre ehrgeizigen Ziele hin zu einer erneuerbare Energien und energieeffiziente Verfahren nutzenden Gemeinde aufgrund des Förderstopps kaum noch verwirklichen. Diese Auswirkungen für den Mittelstand und das Handwerk vor Ort sind verheerend. Seit mehreren Monaten haben wir immer wieder Anfragen zur Zukunft des MAP an die Bundesregierung gestellt. Doch klare Aussagen sind Sie uns und den Antragstellern und Unternehmen bis heute schuldig geblieben. Es wird sich entweder hinter dem zu erarbeitenden Energiekonzept, den Mindereinnahmen durch die CO2-Emissionszertifikate oder noch nicht abgeschlossenen Beratungen - wahrscheinlich sind es eher Querelen, was ja in Ihrer Regierung nichts Neues ist - zwischen den einzelnen Bundesministerien und den Regierungsfraktionen versteckt. Diese fehlende Planungssicherheit hat eine gesamte Branche stark verunsichert und ihr Vertrauen in die Verlässlichkeit der Politik tief erschüttert. Das muss ein Ende haben, besser spät als nie. Selbst Teile Ihrer eigenen Parteien auf Bundes- und Landesebene stellen sich gegen Sie und fordern, dass die Hängepartei beim MAP eine Ende hat. So haben im Mai dieses Jahres acht Landesumweltminister - auch der CDU - in einem Brandbrief an Finanzminister Schäuble eine Aufhebung der Haushaltssperre für das MAP gefordert. Das BMU hat sich ebenfalls in einem Brandbrief vor wenigen Wochen an das BMF gewandt mit der Forderung nach Freigabe der gesperrten Mittel. Auch von Abgeordneten der schwarz-gelben Koalition vernehme ich immer wieder die Bereitschaft, sich für eine Aufhebung der Sperre einzusetzen. Nur fehlt uns bis jetzt der Glaube, dass es dazu demnächst auch kommen wird. Ich kann mich noch sehr gut an die Beteuerungen von Herrn Pfeiffer aus der CDU oder Herrn Breil von der FDP auf verschiedenen Veranstaltungen am Anfang dieses Jahres erinnern, dass das Impulsprogramm zur Förderung von Mini-KWK fortgeführt werde. Doch nur wenige Wochen später wurde das Programm eingestellt. Schließlich hat sich zudem der Bundesrat in seiner Sitzung am 4. Juni 2010 nachdrücklich für eine Aufhebung der Haushaltssperre beim MAP ausgesprochen. Diesen Entschließungsantrag des Bundesrates, von ihren Parteifreundinnen und -freunden mit verfasst und beschlossen, stellen wir heute zur Abstimmung, um Ihnen gesichtswahrend eine Zustimmung und damit eine Aufhebung der Haushaltssperre zu ermöglichen. Denn den durch Ihr Regierungshandeln entstandenen Missstand wollen wir korrigieren, und wir begrüßen die Entschließung des Bundesrats zur weiteren Förderung erneuerbarer Energien aus dem MAP und der NKI. Wir fordern Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, auf, der Entschließung des Bundesrates, die wir hier zur Abstimmung stellen, zuzustimmen und die Haushaltssperre beim MAP unverzüglich aufzuheben, auch wenn der Kollateralschaden durch die in den letzten Monaten entstandene Verunsicherung von Investoren und Unternehmen schon nicht mehr zu reparieren sein wird. Das MAP nützt nicht nur Handwerk und Mittelstand, sondern hilft dem Klima und schafft nachhaltige Anreize Energie zu sparen. Wachstumsbranchen wie die der erneuerbaren Energien benötigen Investitionssicherheit und keine Hängepartien. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/2007 und 17/2119 an die Ausschüsse vorgeschlagen, die Sie in der Tagesordnung finden, wobei die Vorlage auf Drucksache 17/2007 federführend beim Haushaltsausschuss beraten werden soll. - Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das so beschlossen. Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und den Genuss der gewonnenen Einsichten. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 18. Juni 2010, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 21.30 Uhr) Redetext Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Zu Protokoll gegebene Reden Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich van Aken, Jan DIE LINKE 17.06.2010 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 17.06.2010 Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.06.2010 Bülow, Marco SPD 17.06.2010 Fischer (Karlsruhe-Land), Axel E. CDU/CSU 17.06.2010** Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 17.06.2010 Fritz, Erich G. CDU/CSU 17.06.2010** Groschek, Michael SPD 17.06.2010 Hempelmann, Rolf SPD 17.06.2010 Höger, Inge DIE LINKE 17.06.2010 Hörster, Joachim CDU/CSU 17.06.2010** Koczy, Ute BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.06.2010 Kunert, Katrin DIE LINKE 17.06.2010 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 17.06.2010* Nahles, Andrea SPD 17.06.2010 Nietan, Dietmar SPD 17.06.2010 Pflug, Johannes SPD 17.06.2010** Polenz, Ruprecht CDU/CSU 17.06.2010 Sager, Krista BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.06.2010 Schipanski, Tankred CDU/CSU 17.06.2010 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 17.06.2010 Steinke, Kersten DIE LINKE 17.06.2010 Dr. Tackmann, Kirsten DIE LINKE 17.06.2010 Wolff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 17.06.2010 Zapf, Uta SPD 17.06.2010 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Thomas Dörflinger (CDU/ CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 - WehrRÄndG 2010) (Tagesordnungspunkt 11 a) Dem Gesetzentwurf über die Verkürzung von Wehr- und Zivildienst auf sechs Monate werde ich heute unter Zurückstellung großer Bedenken meine Zustimmung erteilen. Aus jahrelanger Tätigkeit als Berichterstatter für den Bereich Zivildienst weiß ich um den Umstand, dass schon die Verkürzung des Zivildienstes auf neun Monate und die damit entstehende Unterjährigkeit zu großen Problemen bei der Umsetzung sowohl bei den Zivildienststellen als auch bei den Zivildienstleistenden geführt hat. Es besteht die berechtigte Befürchtung, dass sich diese Probleme durch die neuerliche Verkürzung nochmals vergrößern. Zwar sorgt die Option, die Dauer des Zivildienstes freiwillig zu verlängern, im Interesse der Einrichtungen für eine gewisse Entspannung der Situation. Es ist aber schlecht zu bestreiten, dass nach Abzug von Einführungslehrgang, staatsbürgerlichem Unterricht und eventuellen Rüstzeiten für die eigentliche Dienstzeit nur ein überschaubarer Zeitraum zur Verfügung steht, was weder im Interesse der Zivildienstleistenden noch der Einrichtungen liegen kann. Es stellt sich zudem die Frage, ob die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgelegte und begrüßenswerte Konzeption zum "Zivildienst als Lerndienst" innerhalb der nunmehr geltenden Dauer des Zivildienstes überhaupt umsetzbar ist. Anlage 3 Erklärung nach § 31 Abs. 2 GO des Abgeordneten Hans-Ulrich Klose (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 - WehrRÄndG 2010) und über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Tagesordnungspunkt 11a und b) An den namentlichen Abstimmungen a) auf Antrag der SPD zur 2./3. Lesung des CDU/CSU-und-FDP-Entwurfs eines Wehrrechtsänderungsgesetzes 2010 und b) zum Antrag der Grünen "Wehrpflicht beenden" werde ich mich nicht beteiligen, und zwar aus folgenden Gründen: Ich bin Mitglied der vom Bundesverteidigungsminister berufenen Strukturkommission, die sich unter anderem auch mit der Wehrpflicht und der Wehrverfassung beschäftigt. Vor Abschluss der Beratungen in der Kommission möchte ich mich in der Sache nicht festlegen; ich kann mich aber auch nicht enthalten, weil ich zu beiden Punkten eine Meinung habe. Daher die mit meinem Fraktionsvorsitzenden abgesprochene Nichtbeteiligung an der Abstimmung. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO, Absatz 1 der Abgeordneten Jens Ackermann, Daniel Bahr (Münster), Florian Bernschneider, Sebastian Blumenthal, Marco Buschmann, Dr. Bijan Djir-Sarai, Patrick Döring, Manuel Höferlin, Sebastian Körber, Horst Meierhofer, Björn Sänger, Florian Toncar, Serkan Tören und Johannes Vogel (Lüdenscheid) (alle FDP) zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 - WehrRÄndG 2010) (Tagesordnungspunkt 11 b) Die Verkürzung der Wehrpflicht von neun auf sechs Monate ist das Ergebnis einer Abwägung zwischen den Grundrechten der von der Wehrpflicht betroffenen jungen Männer und den sicherheitspolitischen Erfordernissen unseres Landes in der derzeitigen Struktur unserer Streitkräfte. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Wehrpflicht einen massiven Grundrechteingriff darstellt und wichtige Kapazitäten in den Strukturen der Bundeswehr, die längst eine Armee im internationalen Einsatz geworden ist, bindet. Deswegen bleiben wir der Meinung, dass diese Abwägungsfrage auch grundsätzlich im Sinne der Grundrechte der jungen Männer entschieden werden kann. Daher ist und bleibt die Aussetzung der Wehrpflicht unser Ziel. Wir brauchen stattdessen eine moderne Freiwilligenarmee, die Schaffung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze anstelle von Zivildienststellen im Sozialbereich und die Förderung freiwilligen Engagements für die Gesellschaft im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres oder verwandter Modelle. Aus unserer Sicht ist jeder Monat Pflichtdienst, der wegfällt, für die jungen Männer und gleichermaßen für das Gemeinwesen selbst ein Freiheitsgewinn. Schon jetzt haben wir also mehr erreicht als Bündnis 90/Die Grünen in ihrer Regierungszeit, in der die Wehrpflicht nur von zehn auf neun Monate verkürzt werden konnte. Diese Errungenschaft der jetzigen Koalition werden wir auch durch ein gemeinsames Abstimmungsverhalten in dieser Frage unterstreichen. Daher lehnen wir den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen samt Entschließungsantrag ab. Die Ablehnung des Antrags der Linken ist schon allein wegen der Unterstellung einer "Kriegspolitik" geboten, die nichts mit dem Dienst unserer Soldatinnen und Soldaten im Ausland zu tun hat. Sollte davon abgesehen beim Koalitionspartner noch ein Umdenken einsetzen und dieser sich einer Aussetzung der Wehrpflicht nicht mehr in den Weg stellen, würden wir dies ausdrücklich begrüßen und in guter Zusammenarbeit schnellstmöglich umsetzen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Sicherung der Technologieführerschaft Deutschlands im Verkehrs- und Baubereich (Tagesordnungspunkt 10) Steffen Bilger (CDU/CSU): Vor zwei Monaten habe ich im Deutschen Bundestag schon einmal zum Thema alternative Antriebe gesprochen. Vieles von dem damals Gesagten ist auch heute noch aktuell. Anlass waren damals ein umfassender Antrag der Grünen und ein Antrag der SPD-Fraktion zu nachhaltiger Mobilität. Bei dem SPD-Antrag fehlte allerdings - wie ich es damals schon kritisiert hatte - jeder Bezug zur Elektromobilität. Umso mehr freut es mich, dass wir heute über eine Große Anfrage der Sozialdemokraten zu diesem Thema diskutieren können. Um es aber gleich vorwegzunehmen: Außer einem Haufen Fragen an die Bundesregierung ist den Kollegen von der SPD zur Elektromobilität nichts eingefallen. Die christlich-liberale Koalition macht das anders: Wir geben Antworten und handeln. Am 3. Mai haben wir mit dem Kanzlergipfel den Startschuss für die Nationale Plattform Elektromobilität gelegt. Ich habe im März gesagt, dass wir nach dem Kanzlergipfel loslegen. Das halten wir auch so. Derzeit arbeiten wir sehr konkret an einem Koalitionsantrag zur Elektromobilität. Die Arbeitsgruppen der Nationalen Plattform sitzen mit Hochdruck an ihren Empfehlungen. Dies alles dient dem Ziel, Deutschland zum Leitmarkt und Leitanbieter für alternative Antriebe und CO2-arme Fahrzeuge zu machen. Dieses Ziel sollte ein gemeinsames Ziel von uns allen sein. Daher habe ich auch erfreut zur Kenntnis genommen, dass Sie in Ihrem Antrag durchaus Positives am bisherigen Vorgehen der Bundesregierung sehen. Die Elektromobilität hat für uns allein schon einen hohen Stellenwert, weil sie ein Beitrag sein kann zum Schutz der Umwelt, zur Schonung von Ressourcen und damit letztendlich zur Bewahrung der Schöpfung. In der Anfrage geht es aber in erster Linie um die Sicherung der Technologieführerschaft Deutschlands im Verkehrsbereich. Konkret bedeutet das, Deutschland zum Leitanbieter für alternative Antriebe zu machen. Die Elektromobilität ist eine große Chance für den Wirtschaftsstandort Deutschland - und eine große Herausforderung: Immer mehr neue Autos werden in Zukunft elektrisch fahren oder zumindest über einen zusätzlichen Elektromotor verfügen. Der Bau von Elektrofahrzeugen, innovativen Energiespeichersystemen und Ladestellen wird in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten Marktchancen eröffnen und Arbeitsplätze schaffen. Diese werden allerdings nicht nur auf Automobilkonzerne und Zulieferindustrie beschränkt sein. Dabei versteht sich von selbst, dass wir einen technologieoffenen Ansatz verfolgen. Insgesamt gilt es, heute schon an die genannten Punkte zu denken und die Weichen richtig zu stellen. Mit der bereits erwähnten Gründung der Nationalen Plattform Elektromobilität wurde eine Arbeitsstruktur geschaffen, um den Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität der Bundesregierung von 2009 fortzuentwickeln. Darüber hinaus ist es ihre Aufgabe, konkrete Konzepte zu seiner praktischen Umsetzung vorzulegen. Bis Ende 2010 werden eine Zwischenbilanz der Arbeitsgruppen und erste Vorschläge vorliegen. Wir begrüßen diese Initiativen der Bundesregierung ausdrücklich. Insgesamt muss die Politik gemeinsam mit Verbrauchern, Wirtschaft und Wissenschaft eine Strategie für diese wichtige Zukunftstechnologie erarbeiten. Ich will nicht verschweigen, dass wir noch viel vor uns haben. Es ist noch viel zu tun in den Bereichen Aus- und Weiterbildung, bei der Grundlagenforschung in der Speichertechnologie, der Vernetzung von Forschungsprojekten, beim Bilden von Forschungsclustern, der Einbeziehung von Verkehrstelematik, beim Recycling, den Rohstoffabhängigkeiten, bei intelligenten Netzen, der Auswertung der Modellregionen, der Ausweitung von Elektromobilität auf andere Verkehrsträger und und und. Wir wissen das und arbeiten an Antworten. Außerdem kann sicherlich auch die Koordinierung der vier beteiligten Ressorts noch verbessert werden. Der Gemeinsamen Geschäftsstelle Elektromobilität der Bundesregierung jedenfalls sollten durchaus mehr Kompetenzen übertragen werden. Unsere Aufgabe als Parlament ist es, die Arbeit der Gemeinsamen Geschäftsstelle intensiv zu begleiten. Für Deutschland die Technologieführerschaft zu sichern, geht nicht ohne finanzielle Förderung. Dabei ist für uns als Union klar, dass es sich bei dieser Förderung nicht um eine Kaufprämie handeln kann. Klar ist aber auch, dass wir bei der Forschung und Entwicklung fördern müssen. In Zeiten des Sparens und der Haushaltskonsolidierung geht es um besonders effektiven Einsatz von staatlichen Fördermitteln. Wir müssen die Forschungsförderung über 2011 hinaus fortsetzen und zusätzliche Fördermöglichkeiten prüfen. Dabei hilft das klare Bekenntnis der Bundesregierung zu weiteren intensiven Investitionen in Forschung und Bildung. Von den im Koalitionsvertrag erwähnten zusätzlichen 12 Milliarden Euro bis 2013 sollten meiner Meinung nach umfangreiche Mittel für Elektromobilität bereitgestellt werden. Damit könnte das erfolgreiche 500-Millionen-Paket aus dem zweiten Konjunkturprogramm über 2011 hinaus fortgesetzt werden. Da die Elektromobilität für die Bundesregierung Priorität hat, wäre das nur folgerichtig. Wir haben einen Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität und eine Nationale Plattform. Die Elektromobilität macht aber nicht an nationalen Grenzen halt. Wir brauchen multinationale Vereinbarungen bei der Standardisierung, der Rechtssicherheit und der Verbraucherfreundlichkeit. Sprich: Wir brauchen Europa! Deshalb sind wir hierzu mit unseren französischen Kollegen im Gespräch. Wir begrüßen auch im Großen und Ganzen die Strategie der Kommission für saubere und energieeffiziente Fahrzeuge und unterstützen die Arbeit in den zuständigen Standardisierungsgremien. National handeln, aber europäisch denken, ist das Gebot der Stunde. Darauf kommt es ganz besonders beim weiteren Ausbau der Elektromobilität an. Karl Hohlmeier (CDU/CSU): "Sicherung der Technologieführerschaft Deutschlands im Verkehrs- und Baubereich" - ein bedeutendes Thema, das die Kolleginnen und Kollegen von der SPD hier aufgegriffen haben. Ich finde es nur schade, dass sie es in ihrer Großen Anfrage so auffällig einseitig darstellen. Aus meiner Sicht und der Sicht meiner Fraktion umfasst dieses große Thema doch etwas mehr als nur Klima- und Energiefragen, alternative Antriebstechnologien und ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen. Meine begrenzte Redezeit erlaubt es mir leider nicht, hier heute für umfassende Aufklärung bei den Kollegen der Opposition zu sorgen. Das will ich auch gar nicht, die Anfrage richtet sich schließlich an die Regierung. Aber erlauben Sie mir doch den Hinweis auf unseren Koalitionsvertrag. Dort steht sehr viel Wichtiges zu diesem Thema. Ich möchte mich gern auf ein paar Bereiche beschränken, die aus meiner Sicht besonders hervorzuheben sind und in denen ich dringenden Handlungsbedarf zur Sicherung der Technologieführerschaft Deutschlands sehe. Zum Thema Verkehr/Infrastruktur. Für den Verkehrsbereich will ich zunächst einmal auf eine Grundvoraussetzung für die Sicherung der Technologieführerschaft Deutschlands hinweisen: die uneingeschränkte Mobilität. Es geht, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nicht darum, Mobilität zu verhindern, sondern sie uneingeschränkt zu ermöglichen. Wir müssen sicherstellen, dass die Verkehrsströme in unserem Land reibungslos fließen können. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund stetig steigender Wachstumsraten im Frachtbereich. Hierfür brauchen wir eine optimale Funktionsfähigkeit aller Verkehrsträger und eine gute Vernetzung. Hierzu brauchen wir intelligente Verkehrslenkungs- und Verkehrsmanagementsysteme, und hierzu brauchen wir vor allem Maßnahmen zum Erhalt sowie zum Neu- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Zu den konkreten Infrastrukturmaßnahmen. Lassen Sie mich kurz auf den konkreten Nachholbedarf in der Verkehrsinfrastruktur eingehen. Wir brauchen dringend ein Straßenbauprogramm West. Der Zustand zahlreicher Bundestraßen und Bundesautobahnen im Westen Deutschlands ist schlecht und bedarf der Verbesserung. Hier hat das SPD-geführte Verkehrsministerium viel zu lange geschlafen und den Anschluss verpasst. Das werden wir nun nachholen. Natürlich bedeutet das nicht, dass wir Abstriche in den neuen Ländern machen dürfen. Die Verkehrsprojekte "Deutsche Einheit" werden wir ohne Wenn und Aber abschließen. Hier darf Ost und West nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern wir brauchen eine vernünftige Balance. Der Verkehrsminister, Peter Ramsauer, hat dies ganz klar betont. Wir müssen außerdem den zunehmenden Verkehrsströmen im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung auf Schiene und Straße gerecht werden. Hier ist vorausschauendes Handeln gefragt, um nicht später der Entwicklung hinterherzuhinken. Als konkretes Beispiel kann ich hier aus eigener Erfahrung aus meinem Wahlkreis in Ostbayern, an der Grenze zur tschechischen Republik berichten. Beim Bahnausbau sind uns unsere tschechischen Nachbarn schon etwas voraus. Sie haben längst die Notwendigkeit erkannt, dass die direkte Bahnverbindung von Prag nach München über Pilsen, Furth im Wald, Schwandorf und Regensburg ausbaut werden muss. In Gesprächen mit dem tschechischen Verkehrsministerium haben die Kollegen aus dem Nachbarland klargemacht, dass für sie eine optimale Vernetzung der europäischen Zentren Grundvoraussetzung für den innergemeinschaftlichen Handel ist. Wenn wir unsere Stellung als Technologie- und Logistikstandort langfristig sichern und weiterentwickeln wollen, müssen wir hier mitziehen, und zwar vorausschauend. Wir müssen politisch gestalten und dürfen uns nicht allein auf die Aussagen von Gutachtern zu Kosten- und Nutzenberechnungen zurückziehen. Zum Thema Bauen und Wohnen. Vorausschauendes Handeln ist auch die Maxime für die Bau- und insbesondere die Wohnungsbaupolitik. Hier sind wir auf einem sehr guten Weg, den wir dank des Einsatzes unseres Verkehrs- und Bauministers auch konsequent weitergehen. In Deutschland entfallen immer noch 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs auf das Heizen und Kühlen von Gebäuden. Das zeigt uns, dass hier ein enormes Einsparpotenzial besteht. Peter Ramsauer hat daher durchgesetzt, dass die Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung weitergeführt werden. Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm bleibt uns auch in dieser historisch schwierigen Finanzlage weiter erhalten. Das war nicht einfach und ein gewaltiger Kraftakt, für den ich den Minister ausdrücklich lobe und Kritik an seinem Handeln entschieden zurückweise. Wir sind weiterhin auf einem sehr guten Weg, das erfolgreiche Marktanreizprogramm fortzuführen. Wir bringen die Entwicklungen zum Passivhaus stetig voran, denn Energie, die gar nicht erst verbraucht wird, ist immer noch die beste. Lassen Sie mich abschließend an dieser Stelle auch einmal die immer wieder vergessene Bedeutung der Rollladen- und Sonnenschutzbranche hervorheben. Wärme, die an kalten Tagen durch eine intelligente automatische Steuerung von Rollläden nicht nach außen verloren geht, braucht nicht durch Heizungen ersetzt zu werden. Und Wärme, die an warmen Tagen gar nicht erst in die Gebäude eindringt, muss auch nicht gekühlt und abgeführt werden. Wir haben in Deutschland exzellente Technologien im Rollladen- und Sonnenschutzbereich. Genauso, wie wir exzellente Technologien in zahlreichen anderen Bereichen haben. Zur Sicherung unserer Technologieführerschaft müssen wir daher auch weniger bekannte Branchen unterstützen und dürfen uns nicht nur auf bestimmte Technologien konzentrieren und verlassen. Die Technologieführerschaft Deutschlands ruht auf mehreren Säulen. Eine einseitige Betrachtung sichert diese Führerschaft mit Sicherheit nicht. Ute Kumpf (SPD): Klimawandel und Klimaschutz gehören zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Klimaschutz ist auch die soziale Frage dieses Jahrhunderts. In diesem Bereich wird entschieden, ob wir das Ziel einer gerechten Teilhabe - weltweit und national - erreichen. Auch nach dem Scheitern der Klimakonferenz von Kopenhagen muss Deutschland seine Vorreiterrolle beim Klimaschutz in Europa weiter ausbauen. Bis 2020 sollen die Treibhausgasemissionen in Deutschland um mindestens 40 Prozent, bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 vermindert werden. Aktuell verursachen die Sektoren Gebäude und Verkehr rund 40 Prozent des CO2-Ausstoßes in Deutschland. Das ist eine Herausforderung für die Baupolitik, Energie- und Klimakonzepte zu entwickeln, eine Herausforderung für die Verkehrspolitik, CO2-freie Mobilität zu organisieren, mit Energieeffizienz, Elektromobilität und nachhaltigen Verkehrskonzepten. In der rot-grünen Bundesregierung und der Großen Koalition haben wir die Weichen dafür gestellt, und zwar mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, dem Integrierten Energie- und Klimaprogramm, der Schaffung der Nationalen Plattform für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie NOW, dem Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität und dem Ziel, bis 2020 1 Million Elektroautos auf deutsche Straßen zu bringen, den 500 Millionen Euro an Fördergeldern im Konjunkturprogramm II für die Forschung, Entwicklung und Erprobung von Elektromobilität in acht Modellregionen bis 2011. Bleiben wir beim Verkehr und dem Thema Elektromobilität. Was macht die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel? Eigene Ideen? Fehlanzeige! Sie macht Produktpiraterie, was uns ehren sollte, gibt aber unsere Projekte und Maßnahmen als ihre aus. Sie inszeniert einen Elektroautogipfel Anfang Mai mit viel Blitzlichtgewitter und legt dann im Anschluss alles in die Hände der Automobilindustrie. Vier Ministerien und Minister machten sich beim Gipfel den Platz auf dem Podium gegenseitig streitig, sprachen mit vielen Zungen, sind aber bis heute nicht in der Lage, unsere Große Anfrage, gestellt im März, zu beantworten. Leadership und eine nachhaltige Verkehrspolitik im Interesse der Menschen sieht anders aus. So verspielt die Bundesregierung Merkel auch hier Vertrauen - bei den Verbrauchern, bei der Wirtschaft, bei der Industrie. Die Menschen sind offen für Elektromobilität und für nachhaltige Verkehrskonzepte. Das belegen Umfragen. 85 Prozent würden beim nächsten Mal ein Elektrofahrzeug kaufen, so eine Studie der Münchener Unternehmensberatung Barkawi vom Oktober 2009; bei einer Umfrage des ADAC bei seinen Mitgliedern im September 2009 waren es 75 Prozent. Die deutsche Automobilindustrie ist auf diese Nachfrage und auf diese Erwartungen nicht vorbereitet. Es gibt noch keine alltagstauglichen deutschen Produkte, die einem Pkw mit Verbrennungsmotor gleichkommen; der Preis bei den Erprobungsfahrzeugen stimmt noch nicht, denn circa 40 Prozent der Befragten wollen und können nicht mehr Geld für ein Elektroauto als für ein Auto mit Verbrennungsmotor ausgeben. Eine nationale Plattform Elektromobilität der Automobilindustrie alleine reicht also nicht aus. Die Politik versagt, wenn wir alles der Automobilindustrie überlassen. Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung, wir brauchen eine konzertierte Aktion für eine CO2-freie Mobilität, und wir brauchen politische Rahmenbedingungen für Elektromobilität. Ein Leitmarkt Elektromobilität fällt nicht vom Himmel. Ein Leitmarkt braucht Leitplanken, wie ein Förderkonzept für Forschung und Entwicklung, eine Qualifizierungsstrategie in Ausbildung, Studium und Lehre, ein Förderkonzept für die Infrastruktur in den Kommunen und in der Fläche, Normen, Standards und Vorgaben, damit wir die Vorreiter im internationalen Wettbewerb in der Automobilindustrie bleiben. Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir uns schöner reden als wir sind. Die Automobilindustrie hat in den 90er-Jahren durch Outsourcing viele Kompetenzen nach Asien verlagert, gerade bei der Batterietechnologie. Schlüsseltechnologien für die Elektromobilität sind Fahrzeugbatterien, elektrische Motoren, mechanische Antriebsstränge und Leistungselektronik. Deutschland ist gerade in diesen Schlüsselbereichen schlecht aufgestellt. Japan, Korea und China laufen uns hier den Rang ab, so die Einschätzung der Expertenkommission "Forschung und Innovation" in ihrem Gutachten 2010 an die Bundesregierung. Und wir laufen Gefahr, weiter zurückzufallen: So fördert China mit einer Milliarde Euro, in Korea forschen 8 000 Wissenschaftler an der Weiterentwicklung der Batterietechnologie, die USA stecken 2 Milliarden Euro in die Forschung und Entwicklung. Und wo sind die Konzepte der deutschen Regierung? Deutschland muss starke Anstrengungen unternehmen, um gerade in der Batterietechnologie wieder eigene Stärken zu entwickeln, um wieder Produktionsstätte für Batterien zu werden. Was macht die Regierung? Die SPD fordert von der Bundesregierung, noch in diesem Jahr auch die Frage zu beantworten, wie es 2011 in den acht Modellregionen weitergeht, wenn die Förderung durch das Konjunkturprogramm aus der Großen Koalition ausläuft. Wie wird das Wissen, werden die Erfahrungen und Konzepte zugänglich gemacht, damit andere Regionen davon profitieren und ein Wissenstransfer möglich wird? Wissensmanagement muss organisiert werden. Wie geht es vor Ort weiter? Wie wird die Infrastruktur, ein enges Netz an Ladestationen vorangetrieben? Ohne Infrastruktur kann Elektromobilität nicht flächendeckend organisiert werden. Die Experten sind sich weltweit seit langem einig: Batteriefahrzeuge werden sicherlich billiger werden, die Zahl der Ladezyklen wird genauso wie die Zuverlässigkeit steigen, ihre Reichweite wird aber nie die von Verbrennungsmotoren sein. Nur den Antrieb zu wechseln, reicht also nicht aus. Elektroautos brauchen ein neues Fahrzeug- und Mobilitätskonzept. Es ist die Chance für eine neue Mobilitätskultur. Das zeigen die Modellversuche in London oder auch bei uns, das Projekt car2go in Ulm. Mehr Menschen werden in naher Zukunft das Auto nutzen, jedoch nicht zwangsläufig eines besitzen wollen. Da schlägt die Stunde für Carsharing, für ein nachhaltiges Mobilitätsmanagement in den Städten mit der Vernetzung der Verkehrsträger. Dieses muss mit politischen Maßnahmen begleitet werden: mit Privilegierung von Elektromobilität im öffentlichen Raum. Stichwort: Parkplätze, Benutzen von Busspuren und Ladestationen im Parkhaus. Die öffentliche Hand muss mit ihren Fuhrparks Vorreiter werden. Diese Maßnahmen sind für die SPD sinnvoller, bevor wir die Forderung nach einer Prämie in Höhe von 5 000 Euro beim Kauf eines Elektroautos, wie es die Grünen fordern, unterstützen. Da sind wir ganz auf der Seite von Bremens grünem Umweltsenator Loske, der von einer "unnötigen Zweitwagenprämie" spricht. Was wir jetzt vor allem brauchen, ist eine handlungsfähige Bundesregierung, keine Regierung, die alles dem Markt und der Automobilbranche überlassen will und die hinter einer Plattform in Deckung geht und abwartet. Wir brauchen eine konzertierte Aktion für die Elektromobilität, die nicht an unserer nationalen Grenze endet. Wir brauchen diese auch für Europa. Die nationale Brille alleine reicht nicht. Die unterschiedlichen Industrien und Forschungsdisziplinen müssen miteinander reden, branchenübergreifende und internationale Forschungs- und Umsetzungsprogramme festlegen, neue strategische Allianzen schmieden. Die SPD hat den Weg vorgezeichnet. Jetzt muss die Bundesregierung zeigen, was ihre schönen Worte wert sind! Um mit Weert Canzler und Andreas Knie, zwei renommierten Mobilitätsforschern, zu enden: "Der angestrebte Leitmarkt von morgen kann nicht mit Geschäftskonzepten von gestern gesichert werden. Es braucht zukunftsfähige Mobilitätsangebote für die regenerativ versorgte Metropole und ihre anspruchsvollen, aber nicht mehr autoabhängigen Bewohner." Wir brauchen keine Gipfelinszenierung, sondern politische Rahmenbedingungen, damit wir keine Spätzünder beim Elektroauto werden und Weltspitze beim Auto und im Verkehrssektor bleiben. Wolfgang Tiefensee (SPD): Deutschland steht vor einer Richtungsentscheidung: Wollen wir in der Elektromobilität eine Revolution anschieben, oder lediglich ein paar Forschungsprojekte fördern? Schreitet die Bundesregierung mit beherzten, mutigen Maßnahmen voran oder verliert sie sich wieder im Klein-Klein, wie bei anderen Themen auch? Mit dem Elektromobilitätsgipfel am 3. Mai 2010 hat sie wieder einmal eine Chance verpasst, einen Aufbruch in ein neues Zeitalter zu wagen. Dabei müssen jetzt die Weichen für die Zukunft gestellt werden, weil sich Mobilität grundlegend verändern wird. Ich weiß, dass sich das nur wenige vorstellen können; denn seit unserem ersten Kindheitsblick auf eine Weltkarte steht Europa im Mittelpunkt; Deutschland ist im Zentrum, Asien und die USA kleben am Rand. Das Land der Dichter, Denker und Ingenieure steht naturgemäß für Weltgeltung. Beispiel Autoindustrie: Autos wurden hier erfunden und vervollkommnet, Deutschland ist seit Carl Benz Autonation Nummer eins. Es geht um eine Revolution. Was aber, wenn sich die Koordinaten rasend schnell und dramatisch verschieben würden? Was, wenn Asien ins Zentrum rückte, die Landkarten korrigiert werden müssten, wenn dort ein Know-how versammelt wäre, das einen Sprung in ein neues Zeitalter ermöglichte, in die Epoche der Elektromobilität? Das Thema ist absolut in - noch; denn wie üblich wird das Interesse bald erlahmen; die Medienkarawane zieht weiter. Nach gründlicher Beschäftigung mit der Materie ist es nichtsdestotrotz meine Überzeugung, dass wir dranbleiben müssen, weil es hier entgegen aller Unkenrufe um eine Revolution geht. Sie steht der in der Kommunikationsbranche in nichts nach. Wer nun glaubt, mit zaghaften Schritten mithalten zu können, wird im Wettbewerb dramatisch an Boden verlieren. Umgekehrt kann, wer die Zeichen der Zeit erkennt, wer kraftvoll investiert, riesige PotenZiale heben. Worum geht es? Verkehrsadern werden wieder bewohnbar, Abgase verschwinden. Auch in 30 Jahren wird der gute alte Ottomotor seinen Platz haben, weil Effizienzsteigerungen machbar sind. Biogas, synthetische Kraftstoffe, die Wasserstoff- und Brennstoffzelle vervollkommnen die Palette der Zukunft. Im Zentrum steht jedoch die Elektromobilität. Sie führt nicht nur zu einem Paradigmenwechsel in der Mobilität selbst - man kauft kein Auto mehr, sondern Mobilität - sondern sie ermöglicht auch Umweltfreundlichkeit neuer Qualität, greift man auf grünen Strom zurück. Sie generiert neuartige Werkstoffe, die Einfluss auf Gewicht und Design haben werden. Es entwickelt sich eine Verschränkung von Kraftfahrzeug und Energiewirtschaft. Ein Auto steht bisher zu 95 Prozent seiner Lebenszeit einfach nur platzverschwendet herum. Mit den Batterien gibt es plötzlich ein Speichermedium, das die dezentrale Speicherung von Strom aus Wind und Sonne in völlig neuer Weise zulässt. Verkehrsadern werden wieder bewohnbar, weil Lärm und Abgase verschwinden. Skeptiker werfen ein - und die erheischen immer große Aufmerksamkeit -, das zentrale Problem der Batterie sei in naher Zukunft nicht lösbar. Zu schwach auf der Brust, heißt es da, zu schwer, zu teuer, zu gefährlich, mit ewigen Ladezeiten, nicht recycelbar. Deren Fazit: Macht mal halblang, das wird dauern. In diesem Geist agiert auch die deutsche Bundesregierung. Sie ließ eine schnelle und direkte Zusage für eine bessere staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung verstreichen; denn im Rahmen der Neugründung der "Nationalen Plattform Elektromobilität" wurden keine konkreten Maßnahmen festgelegt. Dass die Bundesregierung aus ihrer lahmen Forschungspolitik schon erste Konsequenzen zieht, hat sich leider in der Abschlusserklärung nach dem Mobilitätsgipfel gezeigt. Das Ziel von einer Million Elektroautos aus heimischer Produktion im Jahr 2020 wird nun nicht mehr angestrebt. Stattdessen wird nun nur noch von einer Million Elektroautos auf deutschen Straßen gesprochen, egal ob diese in Deutschland produziert wurden oder nicht. Dies zeigt wiederum, dass mit dieser Bundesregierung keine zukunftsgerichtete Technologiepolitik zu machen ist. Damit die nächste Welle an Elektroautos aus Deutschland kommt, muss sofort und mit mehr Dynamik und Innovation auf die grundlegenden Veränderungen reagiert werden. Noch hat Deutschlands Automobilindustrie eine Chance, ihren Rückstand auf die ausländische Konkurrenz im Bereich der Elektromobilität aufzuholen. Doch um dies zu schaffen, muss eine erhöhte Forschungsförderung Kernpunkt aller politischen Steuerung sein. Der Evonik-Chef und Leiter der Arbeitsgruppe Batterietechnologie sagt: "Wenn wir international vorne mitspielen wollen, brauchen wir gezielte Unterstützung", und: "Entscheidungen muss es so schnell wie möglich geben." In Asien geht man schrittweise vor. Laut einer Studie von McKinsey wird jedoch die staatliche Förderung von FuE und der Infrastruktur von Elektroautos in Deutschland innerhalb der nächsten fünf Jahre weit hinter der von anderen wichtigen Automobilnationen zurückbleiben. So belegt Deutschland in der vorliegenden Untersuchung mit 0,615 Milliarden Euro nur den fünften Platz. Die USA mit 22,187 Milliarden Euro, China mit 3,337 Milliarden Euro, Frankreich mit 2,182 Milliarden Euro und selbst Spanien mit 1,390 Milliarden Euro fördern deutlich stärker die FuE von Elektroautos. Diese Zahlen machen deutlich, dass vor allem in China und den USA die Elektromobilität als Möglichkeit angesehen wird, die eigene Automobilindustrie an die Spitze des neu entstehenden Massenmarktes Elektroauto zu katapultieren. Daher unterstützen die dortigen Regierungen auch in solch erheblichem Umfang und mit solch hoher Umsetzungsgeschwindigkeit die heimische Automobilindustrie. In Asien kann man exemplarisch sehen, wie es anders gehen kann. Dort peilt man derweil mit deutschen Batterieexperten an, in etwa fünf Jahren den Elektroantriebsstrang für 7 000 Euro anzubieten: vergleichbar dem herkömmlichen Motor- und Getriebepaket, Reichweite über 300 Kilometer, kurze Ladezeiten und höchste Sicherheit. Vorreiter ist SB LiMotive in Stuttgart, eine koreanisch-deutsche Kooperation, in Sachsen die Firma Li-Tech. Deutsche Automobilhersteller warnen zu Recht: Drosselt nicht den Kauf herkömmlicher Autos durch das Gerede vom verfügbaren Elektroauto. Sie suchen die perfekte Lösung. So liegen unsere Tugenden und Wettbewerbsnachteile eng beieinander. Hierzulande werden sämtliche Schritte einer Neuentwicklung von heute bis zum fernen Ziel als gerade Linie mit allen Risiken vorbedacht. In Asien setzt man Schritt für Schritt, kalkuliert den Irrtum ein und korrigiert sich. Über 70 Prozent der Patente werden nicht etwa in der Grundlagenforschung, sondern in der Produktion generiert. Unterstreicht das nicht die Notwendigkeit, Forschung und Fertigung von Beginn an zu verschränken? Die jetzige Bundesregierung tut alles, die Erwartung tief zu hängen und das Budget überschaubar klein zu halten. In ihrer Geschäftsstelle Elektromobilität mühen sich Beamte - dreieinhalb Stellen - um die Koordinierung komplizierter Projekte. Vier Ministerien streiten um Kompetenzen. Begleitet von einem Geldministerium, das die Taschen zuhält, wo visionärer Umgang mit Finanzen nötig wäre. In Asien und Amerika werden ehrgeizige Ziele gesetzt. Innenstädte abgasfrei, öffentliche Wagenparks komplett elektromobil. Mit Milliardenbeträgen wird die Grundlagenforschung angetrieben, die öffentliche Hand zum Kauf animiert, der Kunde mit Prämien geködert. Ihr Credo: Die Europäer sind bei den herkömmlichen Technologien nicht zu toppen, also schlagen wir sie durch einen Paradigmenwechsel. Das wollen und müssen wir verhindern. Aber wie? Stichworte: Deutschland wird Technologieführer Elektroenergie. Das sollte das große Ziel sein. Der Begriff Leitmarkt verwirrt, denn nicht die Anzahl gekaufter Fahrzeuge am Markt steht im Vordergrund. Wir brauchen einen europäischen Pakt Elektromobilität. Statt des x-ten deutschen Gipfels aller ohnehin Überzeugten ist ein europäisches Projekt, ein europäischer Pakt Elektromobilität vonnöten. Er zielt auf klare Arbeitsteilung, kluge Standardisierung der wesentlichen Komponenten und auf beherzte öffentliche Förderung, die sich an den außereuropäischen Wettbewerbern misst, ohne im Brüsseler Notifizierungsdschungel stecken zu bleiben, auf Bündelung der industriellen, wissenschaftlichen und öffentlichen Ressourcen zu einem Gesamtpaket auf milliardenschwere Förderung der Grundlagenforschung jetzt, statt der Bezuschussung von Autokäufen, auf Unterstützung der Kommunen beim Aufbau der Strominfrastruktur durch gesetzliche Flankierung, Standards und Finanzen, auf Ausbau der Bildungszweige auf dem Felde der Elektrochemie, auf Verschränkung der Energiewirtschaft, Automobilindustrie und Kommunen zu einem schlagkräftigen Ganzen. Eine Herkulesaufgabe ist das, aber das lohnenswert! Petra Müller (Aachen) (FDP): Klimaschutz und Energieeinsparungen gehören zu den großen Herausforderungen. In diesem Punkt sind wir uns wohl alle einig, fraktionsübergreifend. Deutschland hält seine Spitzenposition in der Technologieführerschaft. Genau deshalb müssen wir weiterhin durch eine verstärkte Forschungsförderung die Technologieentwicklung und Innovationskraft und damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft stärken. Der sauberen Energie wird die Zukunft gehören. Auch im Hinblick auf die Öl-Katastrophe am Golf. Der Baubereich spielt neben dem Verkehr bei der Energieeinsparung eine zentrale Rolle. Durch nachhaltiges Bauen und Sanieren erreichen wir eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes und kommen somit unseren ambitionierten Klimaschutzzielen immer näher. Deshalb bin ich auch sehr glücklich, dass das CO2-Gebäudesanierungsprogramm auch über 2011 hinaus seine Erfolgsgeschichte weiterschreiben kann. Die heißt: Gebäude sanieren, Klima schützen, Geld sparen. Die energetische Gebäudesanierung entlastet dabei nicht nur die Umwelt, sondern auch die Geldbörse der Bürgerinnen und Bürger, zum Beispiel bei den Heizkosten. Als stadtentwicklungspolitische Sprecherin meiner Fraktion möchte ich die Weichen stellen und über das einzelne energetische Gebäude hinausblicken. Die FDP strebt eine quartiersbezogene Lösung an, die energetisch-dynamische Stadtentwicklung. Wir wollen Verkehr, Wohnen und Leben in der Stadt harmonisieren. Das trägt zu einer ressourcenschonenden Stadtentwicklung bei, etwa über kürzere Wege und weniger Erschließungsflächen und geringere Wärmeverluste durch kompaktere Baustrukturen. Bei der Zertifizierung von Gebäuden und Quartieren - es geht um die Bereiche Klimawandel, Energiekosten, demografischer Wandel, altersgerechtes Bauen - werden kontinuierlich neue Qualitätsstandards entwickelt und fortgeführt. Wir, die Koalition, haben durch das aktuelle Sparpaket bewiesen, dass wir den Bundeshaushalt stärker auf die Zukunft ausrichten können, indem wir die Investitionen in die Zukunft unseres Landes trotz Konsolidierungsdruck - erhalten und weiter ausbauen. Heute leben über 6 Milliarden Menschen auf dieser Erde, in 40 Jahren werden es wohl 9 Milliarden sein, die alle danach streben, an der Entwicklung teilzuhaben. Allein aus Gründen der Ressourcenverknappung sind wir gezwungen, in vielen Bereichen neue Wege zu gehen. Aber das ist auch die Chance. In den rasant wachsenden Ländern wie China und Indien wird individuelle Mobilität genauso eingefordert, wie es bei uns der Fall ist. Es ist unsere Aufgabe in Deutschland, dass wir im Verkehrs- und Baubereich ressourcenunabhängiger, umweltfreundlicher und nachhaltiger agieren. Im Koalitionsvertrag bekennen wir uns zum einen zur regenerativen Energie, zum anderen zur Elektromobilität. Die christlich-liberale Koalition möchte dazu beitragen, dass Deutschland Leitmarkt für Elektromobilität wird und dass bis 2020 eine Millionen Elektrofahrzeuge auf unseren Straßen fahren. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Das unterstützen wir durch eine leistungsfähige und gut vernetzte Verkehrs, Stadt- und Energieinfrastruktur. Wir im Bund sind dazu Impuls- und Innovationsgeber. Wir brauchen ein umfassendes Konzept über Stromerzeugung und -verteilung, die Entwicklung einer Lade-infrastruktur, intelligente Verkehrsleitsysteme. Auch oder gerade weil ich von der Zukunft der Elektrofahrzeuge überzeugt bin, weiß ich dass letztlich nicht der Staat darüber entscheidet, in welchem Maße sich am Markt bestimmte Fahrzeugtypen durchsetzen, sondern einzig und allein der Verbraucher, die Nutzer. Das ist liberale Politik. Der technische Fortschritt stellt uns aber auch vor neue Anforderungen an die Berufsbilder. Denn, wenn wir keine Ingenieure oder Kfz-Mechaniker mehr ausbilden können, können wir auch nicht die Führung, beispielsweise in der Elektromobilität, übernehmen. Genau deshalb wird auch nicht im Haushalt in den Punkten Bildung und Forschung gespart. Nur wenn wir das alles bedenken, wird eine neue Wertschöpfungskette entstehen, und wir können Technologieführer für alternative Antriebe, CO2-arme Fahrzeuge und eine energetisch-dynamische Stadtentwicklung sein. Wir haben den Mut, die Weichen richtig zu stellen. Deutschland wird zu den Gewinnern der multipolaren Welt gehören. Wir sind schon auf einem guten Weg. Das zeigen die aktuellen Zahlen der Wirtschaftsinstitute. Herbert Behrens (DIE LINKE): Heute geht es um die Technologieführerschaft der Bundesrepublik. Was heißt denn eigentlich Technologieführerschaft eines Landes? Ich kenne sie bislang von Unternehmen, zum Beispiel von OHB-System GmbH in Bremen, die in der Weltraumtechnologie ganz vorne sind und Satelliten für den militärischen Einsatz entwickelt haben, oder von Rheinmetall Defence, die mit ihrer Bremer Drohne, dem Flugroboter für den Kriegseinsatz, führend sind. Technologieführerschaft ist kein Wert an sich. Wir müssen fragen: Wem nützt eine Technologie? Ich will nicht unfair sein: In diese Richtung zielt diese große Anfrage nicht. Sondern? Ihnen geht es um das Erneuerbare-Energien-Gesetz, um das Integrierte Energie- und Klimapaket und den Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität. Erstaunlicherweise beziehen sich zwölf Ihrer 27 Fragen auf Elektroautomobilität. Ich frage Sie: Gehen wir wirklich einen innovativen Weg, wenn wir den Individualverkehr mit dem Auto auf Stromantrieb umstellen? Ich finde, wir begeben uns auf den technologischen Holzweg, wenn wir jetzt deutsche Unternehmen, gefördert mit Millionenbeträgen aus dem Bundeshaushalt, zu Technologieführern in der Elektroautomobilität entwickeln wollen. Es geht meiner Meinung nach um etwas anderes: Die Umwelt kann nur nachhaltig geschützt werden, wenn man, statt am Auto rumzuschrauben, nach umweltverträglichen Alternativen sucht. Wir bleiben dabei: Wir wollen eine sozial und ökologisch nachhaltige Verkehrspolitik. Das bedeutet keine Technologieführerschaft, aber unsere Alternativen sind hochinnovativ. Dazu brauchen wir ein sicheres und kundenfreundliches Verkehrssystem mit Bus und Bahn; wir brauchen kundenfreundliche Angebote der Bahn AG im Güterverkehr, die von den Unternehmen angenommen werden. Wie gesagt, das hat nichts mit High-Tech oder Technologieführerschaft zu tun, aber es senkt den CO2-Ausstoß und wirkt gegen den Klimawandel. Selbstverständlich werden weiter Autos auf unseren Straßen unterwegs sein. Aber ein innovatives Verkehrskonzept darf diesen Verkehr nur als einen Teil begreifen. Statt Milliarden ins Elektroautos zu investieren, braucht es effektive Maßnahmen: Tempolimit, Einsatz von schadstoffarmen Verbrennungsmotoren, Carsharing - auch das ist heute schon machbar. Die Technologie ist vorhanden. All die Maßnahmen, die ich hier angesprochen habe, sind aktive Beiträge zum Klimaschutz und zur Verbesserung des Verkehrssektors, womit Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Ihre große Anfrage begründen. Was wir wirklich brauchen, ist eine Grundlagenforschung für erneuerbare Energien und für moderne Transport- und Logistikketten. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nicht bei Großen Anfragen stecken bleiben. Schauen Sie in den Sachstandsbericht des Umweltbundesamtes mit dem Titel "CO2-Emissionsminderung im Verkehr in Deutschland". Da steht ja drin, was wir tun müssen, um dieses Ziel zu erreichen: Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung, Verkehrsoptimierung, ökonomische Maßnahmen, und direkte Emissionsvermeidung, alles Maßnahmen, die wir als Linke-Fraktion in unser Konzept für eine "ökologisch und sozial nachhaltige Verkehrswende" aufgenommen haben. Statt Milliarden für Brennstoffzellenforschung wollen wir mehr Geld für die Entwicklung alternativer Energieerzeugung; statt Technologieführerschaft bei Elektroautos wollen wir innovative Mobilität und Klimaschutz, und das nicht morgen, sondern heute. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit der großen Anfrage zielt die SPD-Fraktion auf die Nichtaktivitäten der Bundesregierung zum Klimaschutz. Zu Recht wird danach gefragt, was die Bundes-regierung konkret tut, wie und wann sie welche Maßnahmen ergreifen will, um den selbstgesteckten Zielen näher zu kommen. Die Fragen zur Umsetzung des IKEP, des Integrierten Klimaschutz- und Energieprogramms der Bundesregierung, sind so berechtigt wie die Fragen zur Festlegung und Realisierung der Sektorziele im Bau- und Verkehrsbereich. Denn leider war die Koalition in all diesen Feldern bisher eher untätig. Beispiel: Elektromobilität und der Elektromobilitätsgipfel der Kanzlerin. Alle waren gespannt, was die Bundesregierung am 3. Mai 2010 vor der versammelten Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Medien vorstellen würde. Präsentiert wurde das Logo für die nationale Plattform Elektromobilität, sieben Arbeitsgruppen und Politik im Talkshowstil auf Unterhaltungsniveau. Keine Konzeption! Das war eine große Luftnummer ohne Substanz. Auch die Koalitionsfraktionen haben in dieser Sache keine Eile. Den angekündigten Antrag wird es erst nach der Sommerpause geben - wenn überhaupt. Meine Damen und Herren von der Koalition: Klimaschutz ist kein Thema von übermorgen. Technologieführerschaft bei der Elektromobilität gewinnt man nicht im Schlafe. Auch nette Bekenntnisreden des Ministers, "wir wollen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität machen", helfen da nicht weiter. Während man in China, USA, Japan und Frankreich mit kräftigen Marktanreizprogrammen die E-Mobility vorantreibt, um die Technologieführerschaft zu gewinnen, wartet die Bundesregierung auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppen in einem Jahr. So wird man die Zukunft nicht gewinnen. Das Argument, in diesen Zeiten knapper Kassen und großer Schuldenberge verbieten sich teure Marktanreizprogramme, lassen wir nicht gelten. Wir wollen keine Subvention des Kaufs von E-Autos wie bei der Abwrackprämie. Wir wollen den Kaufanreiz für klimafreundliche Autos dadurch finanzieren, dass wir die Kfz-Steuer für Spritschlucker, SUVs und andere große Wagen deutlich erhöhen. Wir wollen das Dienstwagensteuerprivileg, das den Kauf und Betrieb von Fahrzeugen mit drei bis vier Milliarden Euro steuerlich begünstigt, korrigieren. Klimaschädliche und teure Wagen sollen nicht mehr voll abgeschrieben werden können. Mit den so erzielten Einnahmen wollen wir Forschung und Entwicklung von klimafreundlichen Mobilitätstechnologien, insbesondere Speichertechniken, fördern. Wer die Arbeitsplätze in der Autoindustrie in Deutschland erhalten will, der muss den technologischen Wandel zu klimafreundlichen Fahrzeugen massiv vorantreiben. Die Debatte zum Nichtstun der Bundesregierung beim Klimaschutz ist überfällig. Die große Anfrage der SPD gibt dazu einen Anstoß. Man hätte sicher allerdings gewünscht, dass die SPD in diesem Sinne schon als Regierungspartei gehandelt hätte. Notwendig ist ein umfassender Klimaschutz-Aktionsplan mit klaren Zielen und Maßnahmen für die Bereiche Verkehr und Bauen. Klimaschutz kann nur gelingen, wenn wir in diesen Bereichen ansetzen. Während frühere Regierungen sich bemühten, die Vorreiterrolle zu übernehmen, hat man bei dieser Regierung den Eindruck, sie wolle sich die rote Laterne erschlafen. Wir werden alles tun, sie aufzuwecken. Wir sind gespannt auf die Antworten der Bundesregierung. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: - Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften - Öffnung der Ehe (Tagesordnungspunkt 12) Ute Granold (CDU/CSU): Wir beraten heute einmal mehr über die rechtliche Besserstellung eingetragener Lebenspartnerschaften. Bei dieser Gelegenheit sollten wir uns einmal vor Augen halten, was in diesem Bereich bereits geschehen ist. Vor nunmehr fast zehn Jahren hat die damalige rot-grüne Koalition das Lebenspartnerschaftsgesetz verabschiedet. Nachdem die verfassungsrechtlichen Fragen durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2002 geklärt wurden, ist Anfang 2005 das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsgesetzes in Kraft getreten. Dabei wurde - neben der politisch sehr umstrittenen Einführung der Stiefkindadoption - das Unterhalts-, Güter- und Versorgungsausgleichsrecht auf eingetragene Lebenspartnerschaften übertragen und eine Gleichstellung bei der Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung vollzogen. Eingetragene Lebenspartnerschaften sind damit im Zivilrecht weitestgehend gleichgestellt. Das sollte auch einmal von den Kolleginnen und Kollegen der Opposition positiv zur Kenntnis genommen werden. Des Weiteren haben zahlreiche Bundesländer in den vergangenen Jahren ihre Landesbeamten im Bereich des Familienzuschlages, der Hinterbliebenenversorgung und der Beihilfe gleichgestellt. Für den Bereich des öffentlichen Dienstrechts hat es zudem mehrere Gerichtsentscheidungen gegeben, die wir als Gesetzgeber selbstverständlich zu beachten haben: Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2007 hatte die Frage zum Gegenstand, ob das öffentliche Dienstrecht in Deutschland gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot verstößt. Im vergangenen Jahr hat zudem der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf die betriebliche Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ganz explizit entschieden, dass die Benachteiligung eingetragener Lebenspartner verfassungswidrig sei, soweit es nicht einen gewichtigen Grund für die Differenzierung gebe. Unabhängig von der Frage, inwiefern aus besagten Entscheidungen konkrete gesetzgeberische Maßnahmen abgeleitet werden können, haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, die familien- und ehebezogenen Regelungen bei Besoldung, Versorgung und Beihilfe im Bereich der Bundesbeamten auf die eingetragenen Lebenspartnerschaften zu übertragen. Das federführende Bundesministerium des Innern hat hierzu bereits im April dieses Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der eine vollständige Gleichstellung im öffentlichen Dienstrecht zum Gegenstand hat. Das Gesetz befindet sich derzeit in der Abstimmung mit den Verbänden, wobei noch einige rechtliche Details zu klären sind, wie zum Beispiel die Frage einer etwaigen Rückwirkung. Es ist geplant, das Gesetz in der zweiten Jahreshälfte in den Bundestag einzubringen. Wenn alles klappt, wird es bereits zum Jahreswechsel eine entsprechende gesetzliche Regelung geben. Dieser Aspekt des SPD-Antrags hat sich also erübrigt. Ein weiterer Punkt im Antrag der SPD betrifft die Frage des Steuerrechts. Auch dazu haben wir eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag: "Wir wollen gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht abbauen und insbesondere die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten umsetzen." Soweit die Antragsteller der SPD nun auch im Steuerrecht eine vollständige Gleichstellung, das heißt insbesondere eine Ausweitung des Ehegattensplittings auf eingetragene Lebenspartnerschaften anmahnen, möchte ich zunächst auf das kürzlich vom Bundeskabinett verabschiedete Jahressteuergesetz 2010 hinweisen: Das sieht für die Bereiche Erbschaft-, Schenkung- und Grunderwerbsteuer eine vollständige Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe vor. Bei Schenkungen und Erbschaften gilt folglich für Lebenspartner künftig die gleiche Steuerklasse wie bei Eheleuten. Darüber hinaus soll wie bei Eheleuten bei Grundstücksübertragungen keine Grunderwerbsteuer mehr anfallen. Diese Änderungen bedeuten erhebliche Verbesserungen, die für die Betroffenen im Ergebnis in der Praxis mehr bringen als die hier von Ihnen geführten symbolischen Debatten über Änderungen des Art. 3 des Grundgesetzes oder die Frage, ob das Institut der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden sollte. Mit diesen Maßnahmen haben wir unsere Koalitionsvereinbarung bereits in zentralen Punkten umgesetzt. Darüber hinaus wird aber nun auch gefordert, das Ehegattensplitting auf eingetragene Lebenspartnerschaften auszuweiten. Hier wundert es mich schon, dass ausgerechnet die Parteien, die seit Jahren bei jeder Gelegenheit mit der Behauptung, dass es sich hierbei um ein "anachronistisches Instrument" handele, das Frauen von der Erwerbstätigkeit abhalte und sie auf die Rolle der Hausfrau reduziere, die Abschaffung des Ehegattensplittings fordern, nunmehr die Ausweitung auf eingetragene Lebenspartnerschaften wollen. Das erscheint mir mehr als paradox. Vielleicht gelingt es Ihnen, diesen Widerspruch in den anstehenden Beratungen aufzuklären. Natürlich erkennen auch wir an, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft wie die Ehe eine auf Dauer geschlossene solidarische Einstandsgemeinschaft bildet. Indem die Menschen füreinander eintreten und sorgen, entlasten sie an vielen Stellen die Gemeinschaft; damit ist diese Form des Zusammenlebens und des Füreinanderdaseins auch Ausdruck der gerade von uns immer wieder eingeforderten Subsidiarität. Wo steuerliche oder sonstige staatliche Privilegien ausschließlich an diese Einstandspflicht anknüpfen, bedürfen Differenzierungen zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft daher einer genauen Prüfung und gegebenenfalls einer Anpassung. Eben aus diesem Grund haben wir jetzt die hier beschriebenen Änderungen auf den Weg gebracht. Auf der anderen Seite ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die deutsche Rechtsordnung den verschiedenen Formen familiären Zusammenlebens gerade nicht wertneutral gegenübersteht. Das Grundgesetz trifft vielmehr eine Grundentscheidung zugunsten der Ehe als Leitbild des familiären Zusammenlebens, indem es diese unter den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz stellt. Soweit ein steuerliches Privileg Ausdruck der gezielten Förderung eben dieser speziellen Form des Zusammenlebens ist, ist eine Differenzierung auch weiterhin geboten. Es gilt vor diesem Hintergrund, das Verhältnis von Förderung einer besonderen, verfassungsrechtlich geschützten Form des Zusammenlebens auf der einen Seite und der steuerlichen Freistellung konkreter Einstandspflichten als Ausdruck der steuerlichen Leistungsgleichheit auf der einen Seite ganz generell zu überprüfen und gegebenenfalls neu auszutarieren. Diese Prüfung darf sich allerdings nicht auf das Verhältnis von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft beschränken, sondern muss sich vielmehr ganz generell auf alle Unterhaltspflichten, die aus einer familiären Beziehung resultieren, erstrecken. Deshalb plädieren wir bereits in unserem Grundsatzprogramm für eine Prüfung, ob sich das Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting weiterentwickeln lässt. Wir sehen daher für eine kurzfristige, zumindest so weitreichende Änderung zugunsten einer einzelnen Gruppe innerhalb des geltenden Einkommensteuersystems derzeit keinen Bedarf und lehnen insbesondere die Ausweitung des Ehegattensplittings ab. Ähnlich wie jetzt im Bereich der Schenkung- und Erbschaftsteuer sollten wir uns vielmehr auf notwendige punktuelle, kurzfristig zu realisierende Anpassungen beschränken. So wird jetzt zum Beispiel über Angleichungen bei der einkommensteuerlichen Höchstgrenze für Zuwendungen an politische Parteien diskutiert. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer vergleichbarer Regelungen, beispielsweise bei den Sonderausgabenpauschbeträgen, den Vorsorgeaufwendungen oder den Freibeträgen bei Kapitalerträgen. Soweit Forderungen nach einer vollständigen Gleichstellung immer wieder verfassungsrechtlich abgeleitet bzw. begründet werden, möchte ich in Erinnerung rufen, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung von 2002 ganz explizit festgestellt hat, dass das Grundgesetz nicht gebietet, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft bis ins Detail dem Institut der Ehe anzupassen. Das sollten auch die Kolleginnen und Kollegen der Opposition einmal zur Kenntnis nehmen. Hieran ändert auch die jüngste - bereits erwähnte - Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem letzten Jahr nichts; denn hier ging es - wie gesagt - lediglich um die spezielle Frage der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes. Unmittelbare Rückschlüsse auf andere Rechtsbereiche sind daher nicht zulässig. Im Bereich des Adoptionsrechts lehnen wir auch zukünftig jede Weiterung, also insbesondere das Recht zur Volladoption, entschieden ab. Da gibt es mit uns keine Diskussionen; denn anders als bei der rechtlichen Ausgestaltung der Lebenspartnerschaften stehen die Interessen der Kinder und nicht die Interessen der betroffenen Erwachsenen im besonderen Fokus. Kinder haben ein Recht auf Vater und Mutter. Die unterschiedliche Geschlechtlichkeit ist für die Erziehung und Persönlichkeitsentwicklung der Kinder von besonderer Bedeutung. Kinder sind daher - bei vergleichbaren sozialen Verhältnissen - im Zweifel bei Vater und Mutter grundsätzlich besser aufgehoben als bei gleichgeschlechtlichen Paaren. Vieles spricht dafür, dass Kinder von gleichgeschlechtlichen Ehen häufiger Stigmatisierungen erfahren und Opfer von Mobbing werden. Die Auswirkungen davon können insbesondere bei sensiblen und labilen Kindern sowie in der Pubertät für die betroffenen Kinder und Jugendlichen gravierend sein. Der Staat hat hier eine Schutzpflicht und muss im Zweifel von entsprechenden Gesetzesänderungen absehen. Nach der vom Bundesjustizministerium veröffentlichte Studie "Die Lebenssituation von Kinder in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften" haben 47 Prozent der Kinder und Jugendlichen angegeben, aufgrund ihrer Lebenssituation Benachteiligungen erfahren zu haben. Hier haben wir als Gesetzgeber einen eindeutigen Schutzauftrag. Soweit die Studie an anderer Stelle zu dem Ergebnis kommt, dass Kinder und Jugendliche aus gleichgeschlechtlichen Familien im Vergleich zu den Kindern aus verschiedengeschlechtlichen Familien in ihrer Entwicklung angeblich keine Nachteile haben, ist darauf hinzuweisen, dass die Studie diesbezüglich nur begrenzte Aussagekraft hat; denn insbesondere die soziale Herkunft der Kinder wird nicht berücksichtigt. Diese ist jedoch für den Bildungsstatus, die familiäre sowie psychologische Situation und damit für die persönliche Entwicklung der Kinder von entscheidender Relevanz. Man kann dabei durchaus unterstellen, dass gleichgeschlechtliche Eltern häufig einen überdurchschnittlich hohen sozialen Status haben. Um eine belastbare Aussage zu etwaigen Nachteilen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Familien zu erhalten, hätte man also die soziale Herkunft in die Untersuchung einbeziehen müssen bzw. die Situation bei verschieden- und gleichgeschlechtlichen Familien in jeweils gleichen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen miteinander vergleichen müssen. Dies ist aber leider nicht geschehen. Die Ergebnisse der Studie sind in Bezug auf das jetzt geforderte gemeinsame Adoptionsrecht auch aus einem anderen Grund nicht aussagekräftig. Kinder, die im Wege der Fremdkindadoption angenommen worden sind, bilden in der Gesamtstichprobe seltene Ausnahmefälle. Gerade einmal 13 von 693 Familien, also weniger als 2 Prozent, haben ihr Kind im Wege der Fremdkindadoption angenommen. Entsprechend bewertet die Studie selbst die Aussagekraft ihrer Ergebnisse für diese spezielle Familienform infolge der geringen Datenbasis als eingeschränkt. Auch die Befunde der Studie zur Entwicklung dieser Kinder können aufgrund der Stichprobengröße nicht verallgemeinert werden. Darüber hinaus steht ein vollständiges Adoptionsrecht im Widerspruch zum Europäischen Übereinkommen vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern. Dies hat das Bundesjustizministerium jetzt noch einmal in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Grünen betont. Abschließend möchte ich noch kurz auf den zweiten heute zur Beratung stehenden Antrag der Fraktion Die Linke eingehen. Der Antrag fordert im Wesentlichen, das Institut der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartner zu öffnen und gleichzeitig das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaften abzuschaffen. Allein aus verfassungsrechtlichen Gründen ist dieser Vorschlag abwegig. Zwar enthält das Grundgesetz selbst keine Definition der Ehe, sondern setzt diese vielmehr als besondere Form des menschlichen Lebens voraus; das Bundesverfassungsgericht hat jedoch diesbezüglich in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2002 ganz klar festgestellt - ich zitiere -: "Zum Gehalt der Ehe, wie er sich ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der damit einhergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung bewahrt und durch das Grundgesetz seine Prägung bekommen hat, gehört, dass sie die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist, begründet auf freiem Entschluss unter Mitwirkung des Staates, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen und über die Ausgestaltung ihres Zusammenlebens frei entscheiden können." Die Ehe ist also von Verfassungs wegen der Beziehung von Frau und Mann vorbehalten. Eine Öffnung gegenüber gleichgeschlechtlichen Beziehungen scheidet damit aus. Ich denke, dass damit zum Antrag der Fraktion Die Linke alles gesagt ist. Ich wünsche mir nun sachliche Beratungen in den Ausschüssen, die sich ausschließlich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und nicht in ideologischen Grabenkämpfen erschöpfen. Christine Lambrecht (SPD): Man mag sich fragen, warum wir gerade jetzt einen Antrag zur vollständigen Gleichstellung von Lebenspartnerschaften vorlegen. Der Zeitpunkt ist jedoch nicht zufällig gewählt; denn, wie viele von Ihnen wissen, werden in nächster Zeit zahlreiche Veranstaltungen anlässlich des Christopher Street Days stattfinden. Auch in den Straßen von Berlin werden in zwei Tagen wieder die Regenbogenfahnen wehen. Ich habe mich gefreut, sehr geehrte Frau Bundesjustizministerin, dass Sie die Schirmherrschaft über diese Veranstaltung übernommen haben. Aber wenn Sie sich so engagiert für die Rechte der Lesben und Schwulen einsetzen, dann frage ich mich schon, warum Ihren Anträgen aus der letzten Legislaturperiode und den Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag bisher keine Taten gefolgt sind. Der Koalitionsvertrag sieht vor, im öffentlichen Dienst die Ausgewogenheit von Rechten und Pflichten von Eingetragenen Lebenspartnern zu verbessern. Dazu sollen die familien- und ehebezogenen Regelungen über Besoldung, Versorgung und Beihilfe auf Lebenspartner übertragen werden. Der Koalitionsvertrag sieht ebenfalls den Abbau gleichheitswidriger Benachteiligungen im Steuerrecht und insbesondere die Umsetzung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten vor. Noch in Ihrer Regierungserklärung vom 11. November 2009 haben Sie Verbesserungen im öffentlichen Dienstrecht und im Steuerrecht angekündigt. Sie hatten sich hiernach in der Gesellschaftspolitik nach eigenen Aussagen viel vorgenommen. Passiert ist jedoch nichts! Nach sieben Monaten des Wartens sehen wir uns jetzt veranlasst, die Bundesregierung an die Realisierung ihrer Ankündigungen zu erinnern. Seit August 2001 bietet das Institut der Eingetragenen Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit, ihrer Partnerschaft einen gesicherten Rechtsrahmen zu geben. Eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner sind Eheleuten jedoch bis heute nicht in allen Bereichen gleichgestellt. In den vergangenen Legislaturperioden scheiterten die Bemühungen der SPD-Bundestagsfraktion um weitere Angleichungen häufig am Bundesrat, in der vergangenen Wahlperiode an unserem Koalitionspartner, der Union. Zurzeit ist zwar die Adoption von leiblichen Kindern des Lebenspartners zulässig - die sogenannte Stiefkindadoption -, nicht jedoch die gemeinsame Adoption eines Kindes durch beide Lebenspartner. Bisher wurde von Kritikern des großen Adoptionsrechts gerne eingewendet, das Aufwachsen von Kindern bei gleichgeschlechtlichen Partnern sei der Kindesentwicklung abträglich. Das Ergebnis der von unserer damaligen Bundesjustizministerin in der vergangenen Legislaturperiode in Auftrag gegebenen Studie "Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften" widerlegt diese These. Demnach ist der bedeutsame Einflussfaktor für die kindliche Entwicklung in allen Familienformen die Beziehungsqualität in der Familie. Der Studie zufolge wachsen Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften genauso gut auf wie bei heterosexuellen Eltern. Das Ergebnis der Untersuchung fordert eindeutig: Die gemeinsame Adoption für Lebenspartner ist jetzt endlich zuzulassen. Frau Justizministerin, das Ergebnis der Studie liegt seit Juli 2009 vor. Dürfen wir noch mit einer Vorlage Ihres Hauses rechnen? Auch im Einkommen- und Grunderwerbsteuerrecht steht die Gleichstellung noch aus. Im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht ist die Angleichung der Steuersätze nicht erfolgt. Im öffentlichen Dienst werden Lebenspartner bisher nur in Teilbereichen berücksichtigt. Auch hier scheint vollkommener Stillstand eingetreten zu sein in Ihrer Koalition und in Ihrem Ministerium. Weiterhin begrüßen wir zwar, dass der Bundesinnenminister für das öffentliche Dienstrecht einen Referentenentwurf zur Übertragung ehebezogener Regelungen auf Lebenspartnerschaften vorgelegt hat. Der Entwurf sieht ein Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung vor. Um den Vorgaben der umzusetzenden Richtlinie 2000/ 78/EG Genüge zu tun, müsste das Gesetz jedoch rückwirkend mit Ablauf der Umsetzungsfrist in Kraft treten. Auch dies lässt auf Stillstand im Handeln der Bundesregierung schließen. Der ebenfalls im Koalitionsvertrag angekündigte Abbau von Benachteiligungen im Steuerrecht und insbesondere die Umsetzung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten ist nicht erfolgt. Im Einkommensteuerrecht werden eingetragene Lebenspartnerschaften aber entgegen den Ankündigungen im Koalitionsvertrag insbesondere beim Ehegattensplitting immer noch gegenüber Ehegatten benachteiligt. Der gleichheitswidrige Zustand hält für die Lebenspartnerschaften damit an. Ihre Schirmherrschaft allein wird den Stillstand nicht beenden. Wir fordern Sie daher auf, endlich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Eingetragene Lebenspartnerschaften in allen Bereichen mit der Ehe gleichstellt und bestehende Benachteiligungen abschafft. Stephan Thomae (FDP): Ihnen allen ist bekannt, dass die FDP immer beharrlich und unbeirrbar dafür eingetreten ist, dass jeder Mensch seinen Lebensentwurf verwirklichen kann. Dies galt immer und gilt weiterhin, auch im Hinblick auf unterschiedliche sexuelle Orientierungen. Die FDP hat dabei immer ihr Augenmerk auf das Machbare gelegt. Es war und ist uns immer wichtig, zu fragen, was politisch umsetzbar ist. Mit Schaufensteranträgen kann man manchmal Teile der Öffentlichkeit beeindrucken. Aber entscheidend ist, sein Ziel im Auge zu behalten und - wenn man es nicht sofort erreichen kann - sich ihm Schritt für Schritt zu nähern. Dies tut die FDP. Wir haben in unserem Koalitionsvertrag mit der CDU und der CSU vereinbart, den nächsten Schritt zu unternehmen, um die Schlechterstellung gleichgeschlechtlicher Paare im Beamtenrecht zu korrigieren. Neben der Gleichstellung von Lebenspartnern im BAföG haben wir im Jahressteuergesetz 2010 sowohl die Gleichstellung von Lebenspartnern bei den Steuersätzen der Erbschaft- und Schenkungsteuer als auch die Befreiung des Lebenspartners bei der Grunderwerbsteuer vorgesehen. Das ist pragmatische Politik, die den Betroffenen mehr nützt als zur Schau getragene Maximalforderungen, wie zum Beispiel im Antrag der Linken, der vielleicht viel Beifall finden mag und hohe Erwartungen weckt, aber dann in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion Widerstand hervorruft. Und auch der SPD vermag ich heute kein viel besseres Zeugnis auszustellen. Heute beglückt uns die SPD mit ihren guten Ideen. Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist 2001 zu rot-grüner Regierungszeit in Kraft getreten. Und es fällt uns Liberalen auch gar kein Zacken aus der Krone, das anzuerkennen. Die FDP hat damals dem Gesetz nicht zugestimmt, weil sie 1999 selbst schon einen eigenen Vorschlag in den Bundestag eingebracht hatte. Es ist allerdings, in manchen Teilen, unvollständig geblieben. Ich nenne hier Lücken in den Bereichen des Adoptionsrechts, des Beamtenrechts, des Einkommensteuerrechts und des Erbschaftsteuerrechts. 2004 hat die FDP dem Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz zugestimmt. Umstrittenster Punkt darin war die Stiefkindadoption. Der Freistaat Bayern hatte deshalb damals auch gegen dieses Ergänzungsgesetz einen Normenkontrollantrag vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben. Nachdem sich nunmehr die FDP in der bayerischen Staatsregierung befindet, hat der Freistaat Bayern diesen Normenkontrollantrag zurückgezogen. Daran, dass die Union mit uns nun in dieser Legislatur die nächsten Schritte tun wird, kann man erkennen: CDU, CSU und FDP tun gemeinsam weitere Schritte. Summa summarum kann ich Ihnen versichern, dass diese Regierung einen klaren rechts- und innenpolitischen Kompass besitzt und eine Justizministerin, die mit diesem Kompass umzugehen versteht. Ein Kompass ist kein Zauberstab, der den Wanderer gleich ans Ziel zaubert. Aber wer seinem Kompass vertraut und unbeirrt Schritt für Schritt macht, der nähert sich unweigerlich seinem Ziel. Seien Sie gewiss: Die Regierungskoalition befindet sich auf dem richtigen Weg. Michael Kauch (FDP): Die FDP hat Wort gehalten. In den zurückliegenden Monaten hat die FDP in der Gleichstellungspolitik für Lesben und Schwule mehr durchgesetzt als die SPD in den vier Jahren Regierung zuvor. Deshalb ist es schon sehr fragwürdig, dass die SPD kurz vor den Christopher Street Days in den großen Städten Deutschlands diesen Antrag vorlegt. Mit der heißen Nadel gestrickt, will sie der FDP Nachhilfe geben. Diese Nachhilfe hätte eher die SPD in der Großen Koalition gebraucht, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten. Wir Liberale stehen für Stärkung der Bürgerrechte. Wir haben mit dem gleichen Koalitionspartner, den die SPD in den letzten Jahren hatte, erheblich mehr für Lesben und Schwule durchgesetzt; denn wir haben uns nachdrücklich engagiert, hatten Erfolg und arbeiten diesbezüglich alle Punkte des Koalitionsvertrages ab, Schritt für Schritt. FDP und Union haben vereinbart: "Wir wollen die Ausgewogenheit von Rechten und Pflichten von Eingetragenen Lebenspartnerschaften verbessern. Dazu werden wir die familien- und ehebezogenen Regelungen über Besoldung, Versorgung und Beihilfe auf Lebenspartnerschaften übertragen." Zur Umsetzung befindet sich ein Gesetzentwurf in der Ressortabstimmung. FDP und Union haben weiter vereinbart: "Wir werden gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht abbauen und insbesondere die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten umsetzen." Als ersten Schritt hat das Bundeskabinett im Mai beschlossen, dass Eingetragene Lebenspartner bei Grunderwerb- und Erbschaftsteuer völlig mit Ehegatten gleichgestellt werden. Das erfolgt im Jahressteuergesetz. Die Änderung bei der Erbschaftsteuer bringt eingetragenen Lebenspartnern nun nicht nur gleiche Freibeträge, sondern auch gleiche Steuersätze wie Ehegatten. Durch die Änderung bei der Grunderwerbsteuer wird die Übertragung von Grundstücken zwischen Lebenspartnern steuerfrei. Gleiches gilt für den Grundstückserwerb aus dem Nachlass bei Tod eines der Lebenspartner. Jetzt gilt auch im Steuerrecht zunehmend: Wer gleiche Pflichten hat, muss auch gleiche Rechte bekommen. Hier werden wir weiter machen, auch bei den verbleibenden Benachteiligungen im Steuerrecht. Bereits von der Bundesregierung beschlossen und in das parlamentarische Verfahren eingebracht ist die BAföG-Reform. Lebenspartner werden bei der Ausbildungsförderung und bei den Aufstiegsfortbildungen gleichbehandelt. Die Gleichstellung hat übrigens für die Betroffenen zwei Seiten, nämlich bei Rechten und Pflichten. Einerseits werden künftig die Partnereinkommen bei der Berechnung der BAföG-Leistungen angerechnet, andererseits werden dem Paar auch die gleichen Freibeträge bei Einkommensberechnung, Darlehensrückzahlung und sonstigen Abzugsmöglichkeiten wie bei Ehegatten eingeräumt. Zudem - und das ist ein bedeutsamer Fortschritt - werden auch ausländische Lebenspartner künftig förderberechtigt sein. Sie sehen, welche Fortschritte die FDP bereits erreicht hat. Die FDP setzt in der Regierung das um, was sie vor der Wahl versprochen hat. Schritt für Schritt zur Gleichstellung, das ist der Weg der FDP-Bundestagsfraktion und von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Klar ist aber auch: Nicht alle Forderungen der FDP konnten in der Koalition umgesetzt werden. Wir treten weiterhin für das volle gemeinsame Adoptionsrecht eingetragener Lebenspartner ein, auch wenn wir wissen, dass die Union diesen Weg noch nicht mitgehen will. Wir werden auf diesem Weg weiter vo-ranschreiten. Unser Ziel ist die vollständige Gleichstellung Eingetragener Lebenspartner mit der Ehe. Welchen Namen sie trägt, ist dann nicht mehr entscheidend. Die Liberalen sind der Motor für Bürgerrechte in der Koalition mit der Union. Der Stillstand aus der Zeit von Schwarz-Rot wurde beendet. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Am kommenden Wochenende findet der 32. Christopher Street Day in Berlin statt. Der CSD gedenkt alljährlich dem Aufstand von Schwulen und Transgendern. Sie rebellierten gegen einen brutalen Polizeiüberfall am 27. Juni 1969 auf das Lokal "Stonewall Inn" in der Christopher Street in New York. Der Berliner CSD erwartet mehr als eine halbe Million Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die bunt, vielfältig und schrill demonstrieren werden. Lesben, Schwule, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle gehen selbstbewusst auf die Straße. Sie fordern endlich in allen Bereichen "normal", das heißt gleichbehandelt zu werden. Sie fordern ein Ende der vielen kleinen und großen Diskriminierungen, denen sie sich immer noch im täglichen Leben ausgesetzt sehen. Viele Berlinerinnen und Berliner werden sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen und damit ihre Solidarität ausdrücken. Sicher ist vieles erreicht worden; Homosexualität wird nicht mehr strafbewehrt oder als Krankheit klassifiziert. Als vorläufigen Höhepunkt jahrzehntelangen Kampfes beschloss der Deutsche Bundestag im Jahre 2001 das Lebenspartnerschaftsgesetz. Dieses Gesetz ermöglichte erstmals eine staatlich anerkannte Partnerschaft von Lesben und Schwulen. Der deutsche Gesetzgeber entschloss sich zu einem sehr mutigen und wichtigen Schritt. Doch von Beginn an war dieses Gesetz mit einem Makel behaftet. Es schuf ein eigenes Rechtsinstitut für Lesben und Schwule, das deutlich weniger Rechte, aber nahezu alle Pflichten der Ehe vorsah. Einige europäische Staaten gingen einen anderen Weg. Die Niederlande, Belgien, Spanien, Norwegen, Schweden und Portugal öffneten die Ehe. Dieser Schritt ist konsequent, denn er schafft nicht eine Sondergesetzgebung, die sich durch zahlreiche Einzelgesetze zieht und - wie im Fall des Transsexuellengesetzes - zu erheblichen rechtlichen Problemen führt. Am 7. Juli 2009 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass es verfassungsrechtlich nicht begründbar sei, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind. Es schloss sich in der Argumentation dem sogenannten Maruko-Urteil des EuGH vom 1. April 2009 an. Das Urteil des BVerfG ist fundamental. Es erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag die Diskriminierung der eingetragenen Lebenspartnerschaft endlich zu beenden. Wir könnten nun das Lebenspartnerschaftsgesetz in allen Bereichen der Ehe gleichstellen, wie es die SPD fordert. Dies ist ein möglicher, aber sehr mühevoller Weg und erfordert die Änderung einer Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Darüber legt die heutige, in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedliche Situation ein beredtes Zeugnis ab. Fast zehn Jahre nach der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes haben es einige Bundesländer immer noch nicht in Landesrecht überführt. So darf der Akt der Verpartnerung in Baden-Württemberg nicht in den Standesämtern vollzogen werden, sondern wird in die Ordnungsämter verbannt. Zum Teil verlangen Kommunen für eine Verpartnerung doppelt so hohe Gebühren wie für eine Eheschließung. Zudem würden wir weiterhin zwei Rechtsinstitute haben, eines für heterosexuelle Menschen und eines für homosexuelle Menschen. Dies ist nicht mehr zeitgemäß. Tun wir es dem isländischen Parlament gleich, das sich am vergangenen Wochenende einstimmig für die Öffnung der Ehe entschied und zugleich die seit 1996 geltende eingetragene Lebenspartnerschaft außer Kraft setzte. Auch der Berliner Senat wird demnächst eine Initiative zur Öffnung der Ehe in den Bundesrat einbringen. Diskriminierung ist nicht mehr zeitgemäß, und die Öffnung der Ehe wäre ein wesentlicher Baustein, um die Diskriminierung von Lesben und Schwulen endlich zu beenden. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Bundesverfassungsgericht hat 2009 die Gleichstellung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe vom Gesetzgeber verlangt. Was ist seither geschehen? Nichts. Die Gleichstellung bei der Erbschaftsteuer? - Die wurde im November 2009 von der schwarz-gelben Koalitionsmehrheit abgelehnt. Die Gleichstellung bei der Einkommensteuer? - Fehlanzeige! Die Gleichstellung bei der Beamtenversorgung? - Die verfassungswidrige Benachteiligung von Soldatinnen und Soldaten und Beamtinnen und Beamten, die in einer Lebensgemeinschaft leben, dauert bis zum heutigen Tag an. Und wo ist die Bundesjustizministerin? Mehr als warme Worte sind nicht zu hören. Die Ratifizierung des revidierten europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern, das die Adoption durch Lebenspartner endlich zulässt, steht noch immer aus, und dies obwohl Deutschland bis zum Jahr 2008 besonders hartnäckig - auch in Person der früheren Bundesjustizministerin Zypries - dafür gearbeitet hat! Die Ermöglichung der gemeinschaftlichen Adoption, die von der FDP zehn Jahre lautstark gefordert wurde, wird offensichtlich nicht einmal vorbereitet. Die Fraktionen der SPD und der Linken legen heute zwei Anträge vor, die im Ergebnis zum selben, richtigen Schluss kommen und deshalb von der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen in der Sache unterstützt werden. Ich freue mich, dass gerade die SPD jetzt auch für die volle Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe inklusive des Adoptionsrecht für lesbische und schwule Paare eintritt. In der Vergangenheit, insbesondere in der gemeinsamen Regierungszeit, war die Haltung der Sozialdemokraten in dieser Frage nicht immer eindeutig. Deswegen begrüße ich die Klarstellung, die dieser Antrag für die zukünftige Zusammenarbeit mit sich bringt. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat bereits in der vergangenen Legislaturperiode Initiativen eingebracht, die die vollständige rechtliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe bzw. die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule gefordert haben. Im Gegensatz zu den jetzt vorgelegten Anträgen handelte es sich jedoch um ausformulierte, umfassende Gesetzentwürfe, die wir der Bundesregierung gern zur Verfügung stellen, um die heute von der SPD und den Linken geforderten Anliegen umzusetzen. Die Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht nur möglich, sondern sogar zwingend erforderlich. Dies hat das Bundesverfassungsgericht am 7. Juli des letzten Jahres in einem Entscheid zur Hinterbliebenenversorgung deutlich gemacht. Das Gericht hat festgestellt, dass eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe juristisch vergleichbar sind, weil sie - ich zitiere - "eine auf Dauer übernommene, auch rechtlich verbindliche Verantwortung für den Partner" begründeten - BVerfG, 1 BvR 1164/07 Rn. 102ff. Und - das sage ich insbesondere in Richtung der Konservativen in CDU/CSU und in der FDP -: "Ein Grund für die Unterscheidung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft kann nicht darin gesehen werden, dass typischer Weise bei Eheleuten aufgrund von Kindererziehung ein anderer Versorgungsbedarf entstünde als bei Lebenspartnern. Nicht in jeder Ehe gibt es Kinder. Es ist auch nicht jede Ehe auf Kinder ausgerichtet." Und das Gericht weiter: "In zahlreichen eingetragenen Lebenspartnerschaften leben Kinder." Das Bundesverfassungsgericht ist hier in seiner Wahrnehmung der gesellschaftlichen Realität sehr viel weiter als große Teile der Regierungskoalition. Während das Justizministerium und die Bundesregierung es noch nicht einmal schaffen, das revidierte europäische Übereinkommen über die Adoption von Kindern zu zeichnen, erkennt das Bundesverfassungsgericht die gelebte Wirklichkeit von liebevollen Regenbogenfamilien an. Wieder einmal ist es Karlsruhe, das der Regierung den Weg weisen muss. Das Gericht ist zum Ergebnis gekommen, dass Unterscheidungen zwischen den Instituten der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft sachlich nur dann zulässig sind, wenn diese Unterschiede in der Natur der Beziehungen selbst liegen. Meine Fraktion hat die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage aufgefordert, zu zeigen, welche Unterscheidungen das sein könnten. Die einzige Unterscheidung, die den Beamten eingefallen ist: Auch in Zukunft soll es kein Lebenspartnerschaftsbefähigungszeugnis analog zum Ehebefähigungszeugnis geben. Da kann man doch nur sagen: Selbst Ihnen von der CDU/CSU und der FDP fehlt es inzwischen an Fantasie, wie man die von Ihnen betriebene Diskriminierung noch seriös begründen kann! Die Schlussfolgerungen aus dem Entscheid des Bundesverfassungsgerichts sind klar: Der Gesetzgeber ist verpflichtet, sämtliche Ungleichbehandlungen zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft zu beseitigen. Dies gilt insbesondere für das Steuerrecht, das Beamtenrecht und auch für das Adoptionsrecht. Diese Auffassung bestätigen auch mehrere Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen bleiben jedoch untätig. Auch ein Jahr nach dem Entscheid liegen dem Parlament keine Gesetzentwürfe vor, welche die Missstände beseitigen. Die Bundesregierung behält sich vor, nur bei Neuregelungen von bestimmten Sachgebieten die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zu berücksichtigen. Das genügt nicht. Es kann nicht sein, dass die Grund- und Bürgerrechte von Lesben und Schwulen weiter ignoriert werden, weil es nicht in das gemächliche Arbeitstempo, um es höflich zu formulieren, der schwarz-gelben Regierung passt. Als Deutscher Bundestag ist es unsere Pflicht, selbst tätig zu werden; denn jeder Tag ohne rechtliche Gleichstellung verletzt die Verfassung unseres Landes. Es gibt verschiedene Wege zur Gleichberechtigung. Die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben wäre der einfachste und gradlinigste Weg: Diesen Weg sind zahlreiche europäische Nachbarn gegangen, darunter die katholisch geprägten Staaten Portugal und Spanien. Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare anerkennt, dass Liebe, Fürsorge und gegenseitige Verantwortung nicht in einer heterosexuellen und einer homosexuellen Ausprägung existieren. Es sind dieselben gelebten Werte und deswegen sollte es auch nur ein Institut geben. Dennoch: Bis zur Öffnung der Ehe und der Neudefinition des Ehebegriffs als eine auf Lebenszeit geschlossene Verbindung zweier Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen, muss das Parlament seiner Aufgabe gerecht werden und gleiche Rechte schaffen. Deswegen ist es konsequent, jetzt die Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe vorzunehmen. Dieser Weg ist vom Verfassungsgericht vorgezeichnet, und deswegen kann und muss er jetzt gegangen werden. Meine Fraktion hat in den vergangenen Wochen weitere Gesetzentwürfe eingebracht: zur Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft im Adoptionsrecht und im Beamtenrecht. Auch im Detail werden wir diese Regierung stellen, wo es notwendig ist. In diesen Tagen finden überall in der Republik Demonstrationen und Paraden für die Rechte von Schwulen, Lesben, Trans- und Intersexuellen statt. Nunmehr 41 Jahre dauert der Kampf um Anerkennung und gleiche Rechte. Mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft und der Möglichkeit der Stiefkindadoption haben insbesondere wir Grünen unseren Beitrag dazu geleistet. Die Große Koalition aus SPD und CDU und auch die jetzige schwarz-gelbe Mehrheit haben in der Bürgerrechtspolitik vor allem Stillstand bedeutet. Es ist an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt - Beschäftigungschancengesetz (Tagesordnungspunkt 13) Paul Lehrieder (CDU/CSU): Noch ist die derzeitige Wirtschafts- und Finanzkrise nicht überwunden, aber wir sind hier auf einem sehr guten Weg. Jetzt ist nicht die Zeit, resigniert auf der Stelle zu treten, sondern die Zeit des Vorwärtsschauens. Bei der Opposition, vor allem bei den Linken, ist aber das Schlechtreden der gegenwärtigen Situation symptomatisch. Sie verhält sich damit statisch und rückwärtsgewandt. Aus vielerlei Gründen ist die Stimmung derzeit oft schlechter als die Lage. Statt hier gegenzusteuern, gießen gerade die Linken mit ihrer Angstrhetorik hier immer wieder Öl ins Feuer. Zwei gegensätzliche Tendenzen sind derzeit sichtbar: Einerseits bewegen sich viele Unternehmen mit ihren Haltekosten noch immer an den Grenzen der Belastbarkeit, andererseits beginnt allmählich die wirtschaftliche Erholung. Manche Unternehmen erreicht die Krise vermutlich erst in den nächsten Monaten und wird sie über 2010 hinaus vor Herausforderungen stellen. Hier greift die Bundesregierung mit dem Beschäftigungschancengesetz ein. So wird die Sonderregelung zur Förderung der Kurzarbeit bis März 2012 verlängert und den Unternehmen damit Planungssicherheit gegeben. Darüber hinaus verlängern wir die Sonderregelung, dass Kurzarbeitergeld für Zeitarbeitnehmer unter gleichen Voraussetzungen wie für andere Arbeitnehmer möglich ist. Für Qualifizierungsmaßnahmen während der Kurzarbeit werden den Arbeitgebern die vollen Sozialversicherungsbeiträge erstattet, wenn die Arbeitnehmer während mindestens der Hälfte der ausgefallenen Arbeitszeit qualifiziert werden. Die volle Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für Kurzarbeit ab dem 1. Januar 2009 erfolgt ab dem siebten Kalendermonat des Bezugs; die Erstattung erfolgt arbeitgeberbezogen. Dabei darf die Kurzarbeiterregelung aber nicht den Charakter einer Dauersubvention bekommen. Deshalb soll zum Beispiel auch die Konzernklausel nicht verlängert werden, nach der Unternehmen Sozialabgaben sofort erstattet wurden, wenn an einem anderen Standort schon die Kurzarbeit eingeführt war. Im Krisenjahr 2009 sind wir wegen des klugen Krisenmanagements der Bundesregierung gut gefahren. Das ist vor allem auch der Kurzarbeit zu verdanken, sozusagen dem Kriseninstrument Nummer eins. Kurzarbeit verhindert Arbeitslosigkeit zum einen dank der Arbeitgeber, die ihren Beitrag geleistet haben, indem sie die Haltekosten getragen haben, und zum anderen dank der Politik, die das Kurzarbeitergeld bewilligt hat. Kurzarbeitergeldregelung und flexiblere Tarifvertragsgestaltung haben es vielen Unternehmen erlaubt, ihre Arbeitnehmer auch in der Krise weiterzubeschäftigen. Vor allem können sich aber auch die Beschäftigten, die Lohneinbußen auf sich genommen haben, um ihre Arbeitsplätze zu behalten, diesen Erfolg zurechnen. Vor allem vom Mittelstand wird die Kurzarbeit genutzt. Sie sichert Unternehmen ihre gut eingespielte Belegschaft, die sie für den nächsten Auftrag braucht. Zu beobachten ist in diesen Zeiten auch: Viele Betriebe stehen zu ihren Beschäftigten, insbesondere zu den älteren unter ihnen. Es gab keine Entlassungs- und auch keine Frühverrentungswellen. Gerade vor dem Hintergrund des sich wieder verstärkenden Fachkräftemangels war und ist es ein Gebot der ökonomischen Vernunft, zumindest die Stammbelegschaften zu halten. Hunderttausende Arbeitsplätze konnten so gerettet werden, zwei Drittel davon vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen. Laut DGB gäbe es ohne Kurzarbeit jetzt wahrscheinlich 200 000 bis 300 000 Arbeitslose mehr. Drei Aspekte möchte in diesem Zusammenhang besonders hervorheben: Erstens. Gerade kleine und mittelständische Betriebe profitieren von der Regelung. Über die Hälfte der Kurzarbeit, 52 bis 56 Prozent, wird in mittelständischen Betrieben zwischen 20 und 500 Mitarbeitern geleistet. Zweitens. Durch Kurzarbeit werden auch innovative Betriebe mit hochqualifizierten Arbeitskräften gefördert. Müsste ein Teil dieser Belegschaft gehen, ginge den Unternehmen Innovationspotenzial verloren. Drittens. Viele Betriebe bilden weiter aus, statt die Ausbildung im Zuge der Krise und vor dem Hintergrund drohender Entlassungen einzustellen. Der derzeitige Rückgang der Kurzarbeit beweist noch einmal, wie wichtig es ist, sie als Instrument zur Bewältigung der Krise einzusetzen. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB, belief sich die Zahl der Kurzarbeiter im Monatsdurchschnitt des ersten Quartals 2010 auf rund 933 000 Personen, nach 1,12 Millionen im dritten und 984 000 im vierten Quartal des Jahres 2009. Sie sehen: Das Beschäftigungschancengesetz ist ein weiteres Instrument, um der Wirtschafts- und Finanzkrise entschlossen entgegenzutreten. Unser Ziel ist es, aus der Krise heraus neue Brücken zu mehr Beschäftigung zu bauen und gezielt die zu unterstützen, die es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer haben. Jetzt ist nicht die Zeit der Zauderer und Bedenkenträger, sondern die Zeit derjenigen, die Mut zum Handeln haben. Springen Sie deshalb über Ihren Schatten und stimmen Sie unserem Maßnahmenpaket zu! Gabriele Lösekrug-Möller (SPD): Gut, dass ein Gesetz gilt, von niemandem angezweifelt, nicht beklagt und als absolut verfassungskonform bewertet. Es ist nicht das Beschäftigungschancengesetz, das wir heute in erster Lesung behandeln, sondern es ist das sogenannte Struck'sche Gesetz. Denn für den Entwurf eines Gesetzes für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt muss es dringend Anwendung finden. Kein Gesetz kommt so aus dem Bundestag heraus, wie es hereingekommen ist. Warum ist das so wichtig in diesem Fall? Vom Entwurf sind viele arbeitsmarktrelevante Maßnahmen berührt. Zusammengefasst sollen sie dem Ziel dienen, die Chancen auf Beschäftigung zu verbessern. Daran möchte ich die geplanten Veränderungen messen und sie auf Folgendes hin prüfen: Was wird besser, was verschlechtert sich - und für wen? Beginnen wir mit der freiwilligen Versicherung in der Arbeitslosenversicherung, § 28 a SGB III. Es ist richtig, diese Möglichkeit zu entfristen. Es ist nachvollziehbar, dass die Beiträge erhöht werden sollen. Aber die Beiträge für eine Gründungsphase nur ein Jahr lang auf 50 Prozent zu reduzieren, das scheint mir zu wenig. Der DGB schlägt 24 Monate vor; das finde ich angemessen. Schon die Umbenennung in "Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag" dokumentiert Ihren lobenswerten Willen zur Neustrukturierung. Ich möchte Ihnen Mut machen, noch einen weiteren Punkt einer besseren Lösung zuzuführen. Es geht dabei um mehr Gerechtigkeit bei der Leistung aus diesem Versicherungsverhältnis. Wenn die Beitragshöhen gleich sind, sollte beim Leistungsanspruch in der Höhe nicht nach sogenannten Qualifizierungsstufen differenziert werden. Im Übrigen plädiere ich für ein wesentlich größeres Zeitfenster für einen möglichen Beitritt nach Inkrafttreten des Gesetzes. Geben Sie auch den langjährig Selbstständigen eine Chance! Wesentliche Änderungen nehmen Sie beim Kurzarbeitergeld vor. Ihre Verlängerung der flexibleren und kraftvolleren Kurzarbeitergeldregelung findet sich da; meines Erachtens wäre sie unter Fortführung der geltenden Bedingungen besser. Von herausragender Bedeutung sind jedoch die Veränderungen, die Sie für Transfergesellschaften vornehmen wollen. Wir wissen, Transfergesellschaften sind ein bewährtes arbeitsmarktpolitisches Instrument. Sie dienen als Brücke von und in Beschäftigung. Sie haben sich bewährt, wenn es darum geht, strukturelle Umbrüche sozialverträglich zu gestalten. Sie erlauben, stichtagbezogen und unabhängig von individuellen Kündigungsterminen Strukturveränderungen umzusetzen. Ihr Ziel ist es, die Betroffenen für eine weitere, der Qualifikation entsprechende oder auf ihr aufbauende Tätigkeit zu qualifizieren und in eine entsprechende Tätigkeit zu vermitteln. Wenn wir Ihre Novellierung an diesen Kriterien messen, stellen wir fest, dass nicht alle zielführend sind. Dafür drei Beispiele: So ist die Regelung "Profiling durch BA" eine Einladung zur Doppelarbeit, also besser zu modifizieren. So wäre die Erweiterung des Transferkurzarbeitergeldes von 12 auf bis zu 24 Monate jetzt zu diskutieren und gegebenenfalls einzubringen. Dazu findet sich jedoch nichts. So fehlt es insgesamt an Klarheit in den Regelungen zu Erfolg und Qualität. Ich hoffe, dass die geplante Anhörung Ihnen auch hier Gelegenheit gibt, die jetzt vorliegenden Regelungen zu verbessern. Lassen Sie uns gemeinsam auch noch einmal auf § 131 Abs. 3 SGB III schauen, das sogenannte Bemessungsentgelt. Sollte es nicht unser gemeinsames Ziel sein, Teilnehmer an Transfergesellschaften bei Eintritt von Arbeitslosigkeit so zu stellen, als hätten sie unmittelbar Arbeitslosengeld in Anspruch genommen? Bei mehreren Förderinstrumenten im SGB III schlagen Sie eine Verlängerung der Laufzeit vor. Das bewerten wir positiv. Hier greife ich drei heraus: die Verlängerung des Programms WeGebAU; noch besser wäre die Entfristung dieses erfolgreichen Instrumentes, § 417 SGB III; die Verlängerung des Eingliederungszuschusses für Ältere, §421 f SGB III; die Verlängerung des Ausbildungsbonus im Zusammenhang mit Insolvenz oder Stilllegung, § 421 r SGB III. Aber Sie wissen, dass es zum Ausbildungsbonus weitaus mehr zu sagen und zu regeln gäbe. Leider konnten Sie sich - bis jetzt - nicht entschließen, andere Instrumente über Dezember 2010 hinaus zu verlängern, so zum Beispiel den Ausbildungsbonus für Altbewerber. Junge Menschen, die es besonders schwer haben, in Ausbildung zu kommen, dürfen wir nicht abschreiben; vielmehr müssen wir uns verstärkt um sie kümmern. In den Reden der Ministerin höre ich das immer wieder. Recht hat sie. Setzen Sie es in die Tat um! Ein Problem will, nein: muss ich hier ansprechen. Es ist das Ende der Förderung des dritten Ausbildungsjahres in der Altenpflege. Dazu haben wir im Ausschuss den Parlamentarischen Staatssekretär Brauksiepe gehört. In Ihrem Gesetzentwurf finde ich keine Verlängerung dieser Förderung, § 421 t Abs. 5 Nr. 6 SGB III. Ich schließe daraus, dass die Bundesregierung beabsichtigt, tatsächlich "auszusteigen". Ich halte das für grundfalsch. Die Ausbildungsanfängerzahlen lagen 2009 noch unter denen des Jahres 2001/2002. Die Ausbildungskosten in der Altenpflege werden von den Bundesländern nur bei den öffentlichen Schulen übernommen. In Niedersachsen zum Beispiel ist jedoch jeder zweite Ausbildungsplatz in einer privaten Schule. Hier fällt Schulgeld von circa 260 Euro im Monat an. Das sogenannte Pflegepaket in Niedersachsen sieht keine Lösung vor, und ich fürchte, Niedersachsen ist nicht das einzige Bundesland, das belastbare Antworten nicht liefert. Ja, es stimmt: Der Streit um die Finanzierung der Altenpflegeausbildung dauert bereits viele Jahre. Ja, dafür brauchen wir eine bundesweite Lösung. Ja, wir dürfen die Bundesländer nicht aus der Verantwortung entlassen. Aber wollen Sie das auf dem Rücken potenzieller Fachkräfte austragen? Wollen Sie den Fachkräftemangel tatsächlich auf diese Weise befeuern? Schon diese Beispiele zeigen: Das Struck'sche Gesetz muss angewendet werden, damit aus diesem Entwurf etwas werden kann, das den Namen "Chancengesetz" verdient. Die SPD-Bundestagsfraktion wird Ihre parlamentarische Nacharbeit kritisch-konstruktiv begleiten. Die Arbeitsuchenden werden Sie daran messen, ob ihre Chancen auf Arbeit tatsächlich steigen. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung, das Beschäftigungschancengesetz, ist ein wichtiger Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung am Ende der Krise in Deutschland. Hierbei möchte ich insbesondere den Aspekt des Kurzarbeitergeldes beleuchten. Mein Kollege Johannes Vogel wird sich den Fragen des privaten Vermittlungsgutscheins widmen. Grundsätzlich muss man sagen, dass das Kurzarbeitergeld ein wichtiges arbeitsmarktpolitisches Instrument in der Krise war und ist. Die Zahl der Arbeitslosen während der größten Wirtschafts- und Finanzkrise Deutschlands ist stabil geblieben; es kam - im Gegensatz zu unseren europäischen Nachbarländern - in deutschen Unternehmen kaum zu Massenentlassungen, und die Zahl der Arbeitslosen geht beständig zurück - nicht so schnell, wie wir uns das gewünscht hätten, aber doch zügiger als erwartet. Das ist auch gerade angesichts des bevorstehenden, ja schon aktuellen Fachkräftemangels enorm wichtig. Die Betriebe wissen, dass es für sie unerlässlich ist, Wissen in den Betrieben zu halten und es nicht durch Entlassungen zu verlieren. Hierbei hat das Kurzarbeitergeld geholfen. Gerade die Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld haben dazu geführt, dass es von den Unternehmen so gut angenommen wurde. Die Lockerungen bei den Anforderungen an die Anspruchsstellung, aber natürlich insbesondere die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge hat das Kurzarbeitergeld für die Unternehmen attraktiv gemacht. Es hat viele Menschen damit vor der Arbeitslosigkeit geschützt, die gerade in der Krise vermutlich Schwierigkeiten gehabt hätten, einen neuen Job zu finden. Wir alle wissen, dass die Gefahr der Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit mit jedem Tag ohne Beschäftigung steigt. Dadurch wurde auch die Bundesagentur für Arbeit bei den Arbeitslosengeldzahlungen erheblich entlastet. Denn es ist klar, dass das Kurzarbeitergeld im Endeffekt günstiger ist als die Finanzierung der Arbeitslosigkeit und die Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit, zumindest dann, wenn sich nicht doch noch Arbeitslosigkeit an die Kurzarbeit anschließt. Trotz allem ist beim Einsatz dieses Mittels auch Vorsicht geboten. Nicht aus einer Befürchtung des Missbrauchs hinaus - da habe ich großes Vertrauen in unsere Unternehmen -, sondern um einen notwendigen Strukturwandel in den Unternehmen zu ermöglichen. Eins ist klar: Mit der FDP wird es keine Verlängerung der gesetzlichen Bezugsfrist geben. Das würde Sinn und Systematik des Kurzarbeitergeldes widersprechen, weil der Arbeitsausfall gerade nicht mehr "vorübergehend" ist. Das ist aber das gesetzliche Erfordernis, das überhaupt eine solche staatliche Unterstützung rechtfertigt. Bei einer 36-monatigen Bezugsdauer ließe sich der maßgebliche vorübergehende Arbeitsausfall kaum noch von dauerhafter Verminderung des Arbeitsvolumens abgrenzen. Eine seriöse Marktprognose und personalwirtschaftliche Planung ist auf eine so lange Frist kaum zu erstellen. Belastbare betriebswirtschaftliche Prognosen zum zukünftigen Arbeitsvolumen erscheinen über einen Zeitraum von 36 Monaten nahezu ausgeschlossen. Das haben auch alle Experten bei der entsprechenden Anhörung im Ausschuss gesagt. Genau aus diesen Gründen beträgt der gesetzliche Grundfall der Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld sechs Monate. Kurzfristig in der Krise kann die Solidargemeinschaft für angeschlagene Unternehmen einstehen; aber bei wirtschaftlichen Problemen von bis zu oder sogar mehr als drei Jahren - denn die Unternehmen beginnen ja nicht am ersten Tag der Schwierigkeiten mit Kurzarbeit, sondern gehen verantwortungsbewusst mit diesem Mittel als Ultima Ratio um - muss sich ein Unternehmen auch der Realität stellen, dass gewisse strukturelle Veränderungen wohl unvermeidlich sind. Vor allem soll das Kurzarbeitergeld die Beschäftigungsverhältnisse sichern, die auch langfristig Bestand haben, und keine abzusehende Arbeitslosigkeit verzögern. Denn das ist ein Punkt, der häufig vergessen wird: Die Kurzarbeit wird durch Mittel der Beitragszahler finanziert, und die Kosten sind insbesondere seit der Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge beachtlich. Deshalb haben wir nützliche Maßnahmen im Beschäftigungschancengesetz befristet verlängert und werden weniger hilfreiche Maßnahmen auslaufen lassen. Denn wichtiger als die Quantität ist der richtige Einsatz der Mittel. Einzelne Regelungen haben nicht den gewünschten Erfolg gezeigt. Daher soll die 100-prozentige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge ab dem siebten Monat künftig betriebsbezogen und nicht mehr konzernbezogen möglich sein. Damit schaffen wir die sogenannte Konzernklausel ab, die Konzerne bevorzugt und kleine und mittlere Unternehmen ohne Grund benachteiligt hat. Die 100-prozentige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge bei Qualifizierungsmaßnahmen war jedoch eine bewusste Entscheidung, die wir als Liberale getroffen haben. Wir haben immer die Relevanz von Bildung und Weiterbildung im (Berufs-)Leben anerkannt und gefördert. Dabei muss klar sein, dass es eine Exit-Strategie gibt. Wir sind in einer Erholungsphase; es gibt einen deutlichen Ausblick auf das Ende der Krise. Daher gibt es in dem Beschäftigungschancengesetz keine vollständige Synchronisierung der möglichen verlängerten Bezugsfristen des Kurzarbeitergeldes und der Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge. Diese Erstattung wird bis Frühling 2012 verlängert. Nicht zuletzt müssen die Unternehmen langsam wieder an die Erhöhung der Remanenzkosten gewöhnt werden. Als Fazit lässt sich zusammenfassen, dass das Kurzarbeitergeld ein wichtiges Instrument ist, das maßvoll eingesetzt werden muss. Haltlose Ausweitungen der Bezugsfrist oder ein Systemwechsel zur gesetzlich festgeschriebenen Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge hilft nicht den Unternehmen und vor allem nicht den Arbeitnehmern. Unsere Strategie steht; unser Augenmerk muss in Zukunft noch mehr auf den Anstrengungen zur wirtschaftlichen Erholung liegen. Denn trotz aller Effizienz wünschen wir uns doch alle eine wirtschaftliche Situation, die den Einsatz solcher Maßnahmen überflüssig macht. Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): Es wird Sie wenig überraschen, aber ich kann mich den Argumenten meines Fraktionskollegen Herrn Dr. Kolb nur anschließen. Wir leisten mit dem Beschäftigungschancengesetz einen wichtigen, entscheidenden Beitrag zum Ende der Krise auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Ich will noch einmal kurz und abschließend die zentralen Punkte mit Blick auf das Kurzarbeitergeld bekräftigen: Das Kurzarbeitergeld war in der Krise wirklich das Mittel der Wahl. Nur durch seinen Einsatz konnten wir verhindern, dass sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt dieselben schwerwiegenden Einbrüche gezeigt haben, wie wir es im europäischen Ausland erlebt haben. Man kann es gar nicht oft genug betonen: Es gibt ein einziges Land in der Europäischen Union, das im Jahresverlauf 2008 bis 2009 nicht nur keinen Anstieg der Arbeitslosigkeit erlebt hat, sondern sogar einen leichten Rückgang, nämlich Deutschland. Das ist nicht nur, aber zu ganz wesentlichen Teilen auch dem Kurzarbeitergeld zu verdanken. Allerdings - und darauf haben wir Liberale auch schon immer hingewiesen - sollte uns diese Erfolgsgeschichte nicht übersehen lassen, dass wir nun die ersten deutlichen Aufschwungsindikatoren haben. Das heißt, eine Verlängerung des Kurzarbeitergelds ohne Augenmaß wäre fatal. Deswegen haben wir eine Regelung gewählt, die die Unternehmen unterstützt, aber auch dafür sorgt, dass sie nicht einen möglicherweise notwendigen Strukturwandel vernachlässigen. Außerdem haben wir schlichtweg Unsinniges abgeschafft, etwa die Konzernklausel. Sie sehen, wir waren uns hier im Hause nicht im Prinzip uneinig, wohl aber in den Details, und da haben wir unsere Hausaufgaben besser gemacht. Abgesehen davon gehen wir mit dem Beschäftigungschancengesetz noch eine ganze Reihe anderer arbeitsmarktpolitischer Aufgaben an. Denn es wäre wenig hilfreich, im anstehenden Aufschwung arbeitsmarktpolitische Instrumente, deren Befristung zum Jahresende ansteht, ohne nähere Prüfung auslaufen zu lassen. Grundsätzlich bleibt an dieser Stelle erst einmal festzuhalten, dass die christlich-liberale Koalition bis Ende des Jahres 2011 alle - ich betone: alle - arbeitsmarktpolitischen Instrumente evaluieren wird. Bei dieser Evaluation kann es für uns nur einen Maßstab geben. Dieser Maßstab wird die Frage sein: Was bringt Menschen in Arbeit? Wir werden dies keinesfalls kurzfristig und einseitig verstehen, sondern langfristig und umfassend. Der Maßstab muss also ein Augenmerk auf die Eröffnung von Chancen legen. Mit Blick auf die konkreten Maßnahmen will ich Folgendes festhalten: Die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung stellen wir auf eine neues, solides Fundament. Außerdem ist es uns gelungen, die bisherigen Erfahrungen einfließen zu lassen, weswegen wir beispielsweise die Antragsfrist auf drei Monate verlängern und so Existenzgründern ganz praktisch das Leben leichter machen. Ferner verlängern wir die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer, den Eingliederungszuschuss für Ältere, die Weiterbildung beschäftigter älterer Arbeitnehmer in kleinen und mittleren Unternehmen, die erweiterte Berufsorientierung sowie den Ausbildungsbonus bei Insolvenz. Wie gesagt, hierbei geht es vor allem darum, nicht den ersten Schritt vor dem zweiten zu tun. Alle Maßnahmen werden im nächsten Jahr überprüft, und dann werden wir in Ruhe entscheiden, was Sinn hat und was nicht. Abgesehen davon werden wir noch Änderungsanträge zum Beschäftigungschancengesetz einbringen, beispielsweise, um den Vermittlungsgutschein nach § 421 g SGB III zu verlängern. Darüber hinaus wollen wir ihn dahin gehend umgestalten, dass er gleich zu Beginn der Arbeitslosigkeit von Erwerbslosen in Anspruch genommen werden kann. Auch der Vermittlungsgutschein wird sich natürlich der neutralen Evaluation des nächsten Jahres stellen müssen. Aber ich möchte doch einmal festhalten, dass es ein Grundanliegen der rot-grünen Arbeitsmarktreformen gewesen ist, auch private Arbeitsvermittlung zuzulassen, womit ein Markt- und Wettbewerbselement in den Bereich der Arbeitsvermittlung Einzug gehalten hat. Als Liberaler kann ich das nur begrüßen, auch weil ich persönlich bisher den Eindruck gewonnen habe, dass der Vermittlungsgutschein ein erfolgreiches Instrument ist. Abschließend bleibt also festzuhalten, dass das Beschäftigungschancengesetz ein gutes Beispiel dafür ist, dass man auch mit einer Summe im Einzelnen wenig spektakulären gesetzgeberischen Maßnahmen gute Arbeitsmarktpolitik betreiben kann. Das Beschäftigungschancengesetz zeichnet sich durch Bedacht und Ausgewogenheit aus. Nach den Änderungen der zweiten Lesung werbe ich für breite Zustimmung in der dritten Lesung. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Das Beschäftigungschancengesetz, das die Regierung heute in den Bundestag einbringt, ist ein Scheingesetz. Denn so sinnvoll einzelne Regelungen dieses Gesetzes sein mögen: Durch das zeitgleich von der Bundesregierung angekündigte Sparpaket wird die Axt bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik angelegt. 16 Milliarden Euro sollen hier bis 2014 gekürzt werden. So wird den Arbeitsmarktmaßnahmen, die die Bundesregierung mit dem Gesetz verlängern will, die finanzielle Grundlage entzogen. Zum Gesetzentwurf konkret. Dieser enthält drei zentrale Punkte: Erstens. Die Bundesregierung will die Kurzarbeiterregelungen verlängern. Das ist vernünftig. Aber leider hat sie es abgelehnt, die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes auf 36 Monate zu verlängern und die steuerliche Benachteiligung von Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeitern, den Progressionsvorbehalt, zu beseitigen. Auch Vorschläge der IG Metall, tarifliche Regelungen mit gesetzlichen Maßnahmen zu unterstützen, wurden nicht aufgegriffen. Zweitens. Die Möglichkeit für eine bestimmte Gruppe von Selbstständigen, sich freiwillig in der Arbeitslosenversicherung zu versichern, soll bestehen bleiben. Hier sind Sie dem Druck der Linken und den Grünen gefolgt, die dies schon vor drei Monaten in den Bundestag eingebracht hatten. Nicht aufgegriffen haben Sie jedoch unsere Vorschläge, die Arbeitslosenversicherung für weitere Gruppen von Selbstständigen zu öffnen. Und Sie können nicht nachvollziehbar begründen, warum Sie die Beiträge für Selbstständige in dieser Form erhöhen. Drittens. Die Regierung will bestimmte zeitlich befristete Regelungen verlängern, bis die Überprüfung der Instrumente der Arbeitsförderung abgeschlossen ist. Es geht hier zum Beispiel um Beschäftigungshilfen und die Weiterbildung älterer Arbeitnehmer. Es geht um Maßnahmen zur Berufsorientierung oder den Ausbildungsbonus, der es Auszubildenden von pleitegegangenen Betrieben ermöglichen soll, ihre Ausbildung abzuschließen. So weit, so gut. Das Absurde an der Politik der Bundesregierung ist: Sie will Maßnahmen verlängern und streicht zugleich die Gelder, mit denen diese Maßnahmen finanziert werden. Union und FDP betreiben damit eine Placebopolitik auf dem Rücken der Erwerbslosen. Unsere Arbeitsministerin Frau von der Leyen hat ihr Wort gebrochen. Noch Ende April kündigte Sie an: "Wir werden nicht sinnlos kürzen." Nun soll genau das stattfinden. Unsere Arbeitsministerin entpuppt sich immer mehr als Ankündigungsministerin; sie tritt in der Öffentlichkeit mit schönen Worten auf, aber die Taten bleiben aus. Das erleben wir auch bei dem Thema Leiharbeit. Aufgrund des öffentlichen Drucks kündigte sie Maßnahmen gegen den Missbrauch von Leiharbeit an. Nun kursiert in ihrem Haus ein dürftiger Gesetzentwurf, mit dem weder die Benachteiligung der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter beseitigt noch das Lohndumping mittels Leiharbeit unterbunden wird. Diese schwarz-gelbe Regierung braucht Druck inner- und vor allem außerhalb des Parlaments. Dafür wird die Linke in den nächsten Monaten streiten. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Name Beschäftigungschancengesetz ist Etikettenschwindel. Denn die Chancen Arbeitsloser, auf Basis dieses Gesetzes einen neuen Job zu bekommen, sind gleich Null. Die Verlängerung der Sonderregelungen zur Kurzarbeit wird vielleicht weiterhin einem Anstieg der Arbeitslosigkeit entgegenwirken, obwohl die Kurzarbeit gerade deutlich zurückgeht - neue Impulse für Beschäftigung entstehen dadurch aber nicht. Für einzelne Branchen und Unternehmen kann im Gegenteil eine zu lange Entlastung der Arbeitgeber im Falle von Kurzarbeit, die zudem noch nicht einmal einen Anreiz für mehr Qualifizierung setzt, dazu führen, dass der notwendige Strukturwandel behindert und so ein nachhaltiger Aufschwung gehemmt wird. Neue Beschäftigungschancen, meine Damen und Herren von Union und FDP, und neue zukunftstaugliche Jobs entstehen nur, wenn die Arbeitsplatzpotenziale in den Zukunftsbranchen Umwelt, Bildung, Gesundheit und Pflege erschlossen werden. Dafür brauchen wir eine Neuausrichtung der Aus- und Weiterbildung. Genau das leisten Sie aber nicht. Im Gegenteil, viele der mit den Konjunkturpaketen eingeführten Qualifizierungsanreize sollen nicht fortgeführt werden. Das gilt beispielsweise für die komplette dreijährige Förderung von Umschulungen in den Bereichen Kranken- und Altenpflege. Auch die Sonderregelung, mit der Arbeitnehmer gefördert werden können, deren Berufsabschluss länger zurückliegt, wird gestrichen. Ich finde: Zumindest solange es die krisenbedingten Sonderregelungen für das Kurzarbeitergeld gibt und die Arbeitgeber bei den Sozialabgaben entlastet werden, sollten auch diese Sonderregelungen weitergelten. Auch andere arbeitsmarktpolitische Instrumente laufen Ende des Jahres aus, beispielsweise die Vermittlungsgutscheine und der Qualifizierungszuschuss für Jüngere. Die Bundesregierung selbst weist in dem vorliegenden Gesetzentwurf darauf hin, dass eine ganzheitliche Überprüfung aller Arbeitsmarktinstrumente im Jahr 2011 ansteht. Da wäre es nur folgerichtig, alle Maßnahmen, die 2010 auslaufen, um ein Jahr zu verlängern. Dann ließe sich tatsächlich fachlich beurteilen, welche Instrumente geeignet sind, um die Menschen zügig und dauerhaft wieder in Arbeit zu bringen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, ich befürchte, dass Sie das aber gar nicht wirklich wissen wollen. Bei Ihnen geht es nur noch um kurzfristig wirksame Einspareffekte. Das wird aber langfristig eine teure Sache; denn nur wenn es gelingt, die Arbeitslosigkeit nachhaltig abzubauen, wird auch der Etat dauerhaft entlastet. Mit dem Beschäftigungschancengesetz soll auch die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige entfristet werden. Das fordern wir seit langem; aber Sie, meine Damen und Herren von CDU, CSU und FDP, verbinden damit eine Vervierfachung der Beiträge. Das werden sich viele Gründerinnen und Gründer nicht leisten können. Die Solo-Selbstständigen gehören nicht zu den Besserverdienern. Diese Menschen, die sich eine neue Existenz mit ihrer Selbstständigkeit aufbauen und die in den ersten Jahren oft nur ein sehr bescheidenes Einkommen erzielen, wollen Sie jetzt mit höheren Beiträgen abzocken. Dem Finanztableau des Beschäftigungschancengesetzes ist doch zu entnehmen, dass die Selbstständigen mittelfristig ein 11-Millionen-Euro-Plus für die Kasse der Bundesagentur für Arbeit bringen sollen. Das ist unanständig, und ich sage Ihnen: So wird Deutschland nicht zum Gründerland, und Sicherheit bleibt für viele Menschen ein Fremdwort. Dieses Gesetz werden wir im Ausschuss ausführlich debattieren müssen. Ich setze darauf, dass es noch Änderungen geben wird. Das hoffe ich insbesondere für die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige, damit diese Versicherungsoption auch zukünftig für Solo-Selbstständige mit kleinen Einkommen bezahlbar bleibt. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Die Entwicklung des Arbeitsmarktes in der Wirtschaftskrise zeigt, dass mit den richtigen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen Beschäftigung und Wirtschaftswachstum gesichert werden können. Dieser Erfolg, der allen zugutekommt, wird mit dem Beschäftigungschancengesetz fortgeführt. Im Jahr 2009 ging die wirtschaftliche Produktion in Deutschland in bisher nicht gekanntem Ausmaß zurück. Der deutsche Arbeitsmarkt hat sich jedoch als stabil erwiesen. Es ist weder zu dem erwarteten massiven Rückgang der Beschäftigung noch zu einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit gekommen. Nach der für uns alle überraschend geringfügigen Eintrübung der Arbeitsmarktlage im Jahr 2009 verbessert sich die Situation zusehends. Im Mai gab es erstmals wieder mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte als im Vorjahresmonat. Auch die Zahl der arbeitslosen und unterbeschäftigten Personen - ohne Kurzarbeiter - ist geringer als noch vor einem Jahr. Nach der letzten Meldung von Eurostat ist die Arbeitslosigkeit in 26 Mitgliedstaaten gestiegen, einzig in Deutschland ist sie gesunken. Das Instrument Kurzarbeit hat den deutschen Arbeitsmarkt stabilisiert und verhindert nach wie vor Arbeitslosigkeit in größerem Umfang. Im März 2010 gab es noch knapp 700 000 konjunkturelle Kurzarbeiter. Allein gegenüber dem Vormonat ist dies ein Rückgang um rund 100 000 Kurzarbeiter. Es zeigt sich, dass die Kurzarbeit kontinuierlich zurückgeht und gleichzeitig die Arbeitslosigkeit sinkt. Die Befürchtung, Kurzarbeit könne Arbeitslosigkeit nicht verhindern, sondern nur verzögern, ist bislang unbegründet. Trotz der positiven Entwicklung deutet die hohe Zahl an Kurzarbeitern auf eine immer noch anhaltende Unterauslastung der Betriebe hin, die weiterhin eine Gefährdung für den Arbeitsmarkt darstellt. Es muss den Betrieben daher frühzeitig signalisiert werden, dass ihr Bemühen um ein Festhalten an ihren Mitarbeitern auch zukünftig unterstützt wird. Mit dem Beschäftigungschancengesetz verlängern wir die im Jahr 2009 eingeführten Sonderregelungen beim Kurzarbeitergeld bis Ende März 2012. Sie sind bislang bis Ende 2010 gültig. Dies betrifft die Erleichterungen bei den gesetzlichen Voraussetzungen und die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge. Die Maßnahmen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der Arbeitsmarkt sich in der Krise äußerst stabil zeigt. Ich nenne Ihnen drei wesentliche Vorteile der Kurzarbeit: Erstens. Arbeitslosigkeit, die viel teurer geworden wäre als die Kosten, die für die Kurzarbeit anfielen, wurde vermieden; Zweitens. Das für die Betriebe wichtige Know-how wurde in den Betrieben erhalten Drittens. Die Kaufkraft der Kurzarbeiter wurde gesichert. Auch im nächsten Jahr werden Teile der Wirtschaft von Auftragsausfällen betroffen sein. Diesen Unternehmen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wollen wir helfen, die Phase mit Auftragsrückgängen möglichst ohne Entlassungen zu überstehen. Welchen Betrieben wird damit geholfen? Teilweise wurde vermutet, es seien vor allem Großunternehmen. Im Gegenteil: Wir wissen inzwischen, zwei Drittel der Kurzarbeiter arbeiten in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Lediglich ein Drittel der Kurzarbeiter ist in Großbetrieben ab 500 Mitarbeitern beschäftigt. Der Fokus auf kleine und mittelständische Unternehmen wird durch die Verlängerung noch einmal gestärkt. Die sogenannte Konzernklausel werden wir nicht verlängern. Betriebe mit mehreren Standorten sind somit künftig Betrieben mit einem Standort gleichgestellt. Ich bin überzeugt, dass wir so weiterhin die Krise meistern können. Und gerade in Zeiten knapper Kassen ist es sozialpolitisch verantwortungsvoll, Beschäftigung in den Unternehmen zu sichern statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Die Geschichte der Kurzarbeit ist eine Erfolgsgeschichte. Vielfach war vom deutschen Beschäftigungswunder die Rede. Lassen Sie uns diese deutsche Erfolgsstory weiterschreiben. In diesen schwierigen Zeiten haben wir auch die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Blick. Speziell für Ältere werden drei arbeitsmarktpolitische Instrumente verlängert: die Weiterbildung beschäftigter älterer Arbeitnehmer, der Eingliederungszuschuss für Ältere und die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer. Damit werden Beschäftigungschancen für Ältere aufrechterhalten. Diese arbeitsmarktpolitischen Instrumente werden bis Ende des Jahres 2011 verlängert. Auch der Vermittlungsgutschein soll zunächst um ein Jahr verlängert werden. Wie es danach weitergehen wird, werden wir im Zusammenhang mit der für das Jahr 2011 vorgesehenen Überprüfung aller arbeitsmarktpolitischen Instrumente zu entscheiden haben. Besonders wichtig ist es, jungen Menschen beim Start in das Berufsleben die erforderlichen Hilfen zu geben. Deshalb wird die erweiterte Berufsorientierung bis Ende des Jahres 2013 verlängert. Sie unterstützt junge Menschen bei der Berufswahl. Außerdem wollen wir den Ausbildungsbonus für Auszubildende insolventer Betriebe bis Ende des Jahres 2013 verlängern. Dies sichert den erfolgreichen Abschluss von Berufsausbildungen in den von der Wirtschaftskrise beeinflussten Jahren. Im Jahr 2009 wurden 2 456 Ausbildungsboni in Insolvenzfällen bewilligt. Wir wollen weiterhin auch denjenigen einen verbesserten sozialen Schutz bieten, die eine "Anwartschaft" auf Arbeitslosengeld erworben haben und den Schritt in die Selbständigkeit wagen. Deshalb soll die bis Ende des Jahres 2010 befristete Möglichkeit für Existenzgründer und Auslandsbeschäftigte, ein Versicherungsverhältnis auf Antrag einzugehen, fortgeführt werden. Aber wir vergessen auch nicht diejenigen, die keine Beschäftigung mehr haben. Neue Ansätze wie die "Bürgerarbeit" werden ab Juli 2010 bundesweit erprobt. Die Modellprojekte werden im regionalen Konsens entwickelt. Denn alle Arbeitsmarktpartner sollen sich für die Bezieher von Arbeitslosengeld II verantwortlich fühlen und entsprechend handeln. Es ist nicht das Hauptziel, möglichst viele Bürgerarbeitsplätze zu besetzen. Hauptziel ist, durch eine gute Betreuung und Vermittlung möglichst vielen Betroffenen vorher zu einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verhelfen. Und nur für diejenigen, die trotz intensiver Hilfen keine Arbeit finden können, stehen die Bürgerarbeitsplätze bereit. Ich bin überzeugt, dass wir mit diesen Regelungen für die nächste Zeit zur Sicherung von Beschäftigung und Wirtschaftswachstum gut aufgestellt sind. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Fachkräfteprogramm - Bildung und Erziehung - unverzüglich auf den Weg bringen (Tagesordnungspunkt 14) Marcus Weinberg (CDU/CSU): Die christlich-liberale Koalition legt Priorität auf Bildung. Das haben wir mit den Aussagen im Koalitionsvertrag, mit der Aufstockung des Haushalts und dem Festhalten am 10-Prozent-Ziel bis 2015 mehr als deutlich gemacht, und zwar weil wir davon überzeugt sind, dass wir in die Zukunft unseres Landes, in die Köpfe unseres Landes investieren wollen und müssen. Dabei haben wir uns auch zum Ziel gesetzt: Bildung von Anfang an mit gerechten Chancen für alle. Lebenslanges Lernen, die Berücksichtigung heterogener Lerngruppen, Durchlässigkeit der Bildungswege und Transparenz des Bildungssystems dienen als Eckpfeiler einer modernen Bildungspolitik; denn in den vergangenen Jahren und auch zukünftig haben wir mit diesen neuen Herausforderungen zu kämpfen. Es gilt, im immer schnelleren weltweiten Wissenszuwachs zu bestehen, soziale Aufstiegschancen zu ermöglichen, Migrantinnen und Migranten mit hohem Qualifikationsniveau zu integrieren und dem aufgrund des demografischen Wandels drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Bildungspolitik muss deshalb am Anfang ansetzen und alle Stationen der Bildungsbiografie begleiten. Dass wir auf dem richtigen Weg sind, bestätigt der dritte nationale Bildungsbericht "Bildung in Deutschland 2010", der heute veröffentlicht wurde - und zwar mit vielen positiven Ergebnissen. Danach lagen die Bildungsausgaben je Bildungsteilnehmer in 2009 über dem OECD-Durchschnitt und waren damit höher als in 2006. Es gab einen Rückgang der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss. Die ganztägige Bildung und Betreuung im Schulalter wurde erheblich ausgeweitet. Darüber hinaus ist der Hochschulpakt laut Bildungsbericht nachweislich ein Erfolgsrezept. Die Studienanfängerzahl erreichte in 2009 einen Höchststand. Sie stieg von 2006 bis 2009 um 23 Prozent auf rund 423 000. Die Zielgröße des Hochschulpaktes von 91 000 zusätzlichen Studienanfängern bis 2010 gegenüber dem Basisjahr 2005 wurde damit bereits 2009 überschritten. Die Studienanfängerquote lag mit 43 Prozent über der hochschulpolitisch angestrebten Marke von 40 Prozent. Die Zahl der Bildungsausländer erhöhte sich in 2008 ebenfalls. Und schließlich etablierte sich entgegen aller Unkenrufe die Studienaufnahme in den Bachelorstudiengängen. Nun gilt es, diese Anstrengungen fortzuführen, und zwar in den Bereichen frühkindliche Bildung, Sprachförderung und Berufsorientierungsprogramm. Im Bereich der frühkindlichen Bildung legen wir neben der Schaffung der Infrastruktur besonderes Augenmerk auf die Qualifizierung der Erzieherinnen und Erzieher. Die Schulleistungsuntersuchungen der jüngsten Vergangenheit zeigten mehrfach, dass eine entsprechende Ausbildung des pädagogischen Personals eine Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Bildungssystem ist. Um sowohl Quantität als auch Qualität zu verbessern, hat der Bund, auch wenn die Frage der Kapazitäten, Ausbildung und Weiterbildung in die Zuständigkeit der Länder fällt, unterstützend Maßnahmen ergriffen: Das Kinderförderungsgesetz sichert neben einem Betreuungsplatzausbau die Verbesserung der Qualität der Erziehungsangebote zu. Mit der Qualifizierungsinitiative für Deutschland "Aufstieg durch Bildung" für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern unterstützt der Bund die Länder in der Verbesserung der Ausbildung der Fachkräfte, unter anderem durch zusätzliche Weiterbildungsangebote. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder beschlossen auf dem Bildungsgipfel im Dezember 2009 die Durchführung von Maßnahmen in den Bereichen frühkindliche Sprachförderung und Bildung, Förderung von benachteiligten Kindern und Jugendlichen sowie vertiefte Berufsorientierung. Die "Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte" erarbeitet Qualifizierungsansätze für die Fort- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen. Und das "Aktionsprogramm Kindertagespflege" unterstützt seit 2008 die Länder beim quantitativen und qualitativen Ausbau im Bereich der Kindertagespflege. In Zahlen ausgedrückt, lassen sich laut nationalem Bildungsbericht bereits positive Entwicklungen für den qualitativen und quantitativen Ausbau festmachen. So standen rund 47 000 Tageseinrichtungen für Kinder zur Verfügung, und das Personal in den Kindertagesstätten wurde um 42 000 Personen erhöht. Weiter heißt es, dass das Angebotsprofil, vor allem in den alten Bundesländern, gestiegen sei, und im Bereich der Dreijährigen am stärksten ausgebaut wurde. Dabei wurde eine Steigerung zwischen 2006 und 2009 von 167 Prozent erreicht - von 20 000 auf 53 000 Kinder. Ebenso fand eine Steigerung in der Bildungsbeteiligung der Vier- bis Fünfjährigen von 74 Prozent in 2006 zu bundesweit 95 Prozent in 2009 statt. Bei den unter Dreijährigen stieg die Quote der Bildungsbeteiligung im Westen auf 15 Prozent in 2009, 2006 waren es noch 8 Prozent. Folglich wurden hier innerhalb von drei Jahren 100 000 Plätze geschaffen. Was die Frage der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern auf Hochschulniveau angeht, so bleibt festzustellen, dass eine wissenschaftliche Unterlegung in der frühen Bildung eine von mehreren sinnvollen und wichtigen Zielsetzungen sein sollte. Die tatsächliche pädagogische Befähigung drückt sich jedoch nicht allein durch die Erlangung eines akademischen Abschlusses aus. Hier widerspreche ich den Aussagen der Kollegen der Linken. Der von mir eingangs genannte Begriff der Durchlässigkeit sollte eine größere Gewichtung erhalten. Aufgrund einer flexibleren Handhabung sollten unter Einhaltung der Qualitätsstandards Quereinstiege ermöglicht werden. Und damit ich nicht missverstanden werde: Ich bin nicht gegen eine universitäre Ausbildung, aber ich halte nichts von einer Konzentration auf eine generelle Hochschulausbildung, sondern vielmehr von einer dauerhaften begleitenden Qualifizierung. Das würde auch kurzfristigere Lösungen für die Erwerbssuchenden und den Arbeitsmarkt schaffen, der an pädagogischen Fachkräften unterbesetzt ist. Zur Verbesserung aller frühkindlichen, schulischen und außerschulischen Angebote halten wir als Union auch weiterhin die Fortführung und Erweiterung von Leistungsstanduntersuchungen für unerlässlich. Es gilt, die vereinbarten Bildungsstandards in ihrer Bedeutung für die "Bildungsrepublik" zu stärken und umzusetzen und eine Gleichwertigkeit der Bildungsabschlüsse innerhalb Deutschlands zu gewährleisten. Hierzu sollte nach Möglichkeit über weitere Fachbereiche in der Hochschulreifeprüfung und einen verstärkten Einsatz vereinheitlichter Lehr- und Lernmittel nachgedacht werden. All diese Maßnahmen zeigen, dass wir kein neu aufgelegtes Fachkräfteprogramm - wie hier von den Linken gefordert - benötigen. Wir werden die bestehenden Programme umsetzen, ob Bildungsbündnisse, Bildungsketten oder eine Weiterentwicklung des Ausbildungspaktes. Die von mir angesprochenen neuen bildungspolitischen Ansätze werden wir zukünftig ebenso energisch und mit hervorgehobener Bedeutung weiterverfolgen, wie wir bisher damit erfolgreich begonnen haben. Durchlässigkeit und individuelle Förderung sehen wir dabei als Treiber einer modernen Bildungspolitik an statt überholter Diskussionen um Strukturen oder Gleichmacherei. Wir setzen auf Qualität statt auf rückwärtsgewandte Verteilungspolitik. Die regional unterschiedlich gewachsenen Strukturen der Bildungslandschaft erkennen wir an. Zur Bewältigung der neuen Herausforderungen und gesellschaftlichen Veränderungen werden wir allerdings eine offene Diskussion mit allen Betroffenen und Beteiligen darüber führen, was Bildung in Zukunft bedeutet, und darüber, was die Politik auf welcher Ebene zu leisten hat. Ewa Klamt (CDU/CSU): Die Bundesregierung und die Länder haben mit dem Hochschulpakt die Voraussetzung für die Aufnahme neuer Studierender an den Hochschulen geschaffen. Die Hochschulen werden bis 2010 insgesamt 91 370 zusätzliche Studienanfänger gegen-über 2005 aufnehmen. Dementsprechend erfolgt selbstverständlich auch eine Erhöhung der Anzahl der Lehramtsstudienplätze. Bereits jetzt können die Länder für den Ausbau des Lehramtes Unterstützung des Bundes aus dem Hochschulpakt erhalten. Der Hochschulpakt sichert mit der ersten Säule der Vereinbarung ein bedarfsgerechtes Studienangebot. Hierbei leistet der Bund einen Beitrag pro zusätzlichen Studienanfänger von 13 000 Euro, einen vergleichbaren Beitrag stellen die Länder bereit. Die fächerspezifische Steuerung des Ausbaus - in den Jahren 2011 bis 2015 sollen 275 000 zusätzliche Studienmöglichkeiten entstehen - obliegt den Ländern. Wenn die Länder den Lehramtsbereich ausbauen wollen, dann erhalten Sie für jeden zusätzlichen Studienanfänger im Lehramt den oben genannten Betrag vom Bund. Darüber hinaus besteht aus hochschulpolitischer Sicht derzeit keine Notwendigkeit für zusätzliche Maßnahmen. Die Länder können zudem jetzt schon Mittel für zusätzlich geschaffene Studienmöglichkeiten im Zuge einer Akademisierung von Erziehungsberufen erhalten. Eine Weiterentwicklung der Erzieherausbildung an Hochschulen und der Ausbau der vorhandenen Kapazitäten werden entsprechend dem Zuwachs der Studienanfängerinnen und Studienanfänger in diesem Bereich im Hochschulpakt berücksichtigt. Auch hier steuert der Bund für jeden zusätzlichen Studienanfänger insgesamt 13 000 Euro bei. Die Bundesregierung hat mit einer Vielzahl von Programmen und einem immensen finanziellen Aufwand verbesserte Rahmenbedingungen in den Bereichen Bildung und Erziehung geschaffen. Beispielhaft genannt werden können hier folgende Projekte: die Weiterbildungsinitiative frühpädagogische Fachkräfte zur Förderung der Anschlussfähigkeit zwischen Aus-, Fort- und Weiterbildung, um individuelle Bildungs- und Karrierechancen in der Frühpädagogik zu verbessern, Modelle der Anerkennung und Anschlussfähigkeit bei Aus-, Fort- und Weiterbildung zu unterstützen und auszuweiten. Der Expertenkreis zum Qualifikationsprofil Frühpädagogik - Fachschule/Fachakademie beabsichtigt die horizontale und vertikale Durchlässigkeit zu verbessern. Das wissenschaftlich begleitete Projekt "BIBER - Netzwerk Frühkindliche Bildung" bietet Fachkräften Informationen zu aktuellen Fragestellungen und Themen sowie die Möglichkeiten der Vernetzung und Weiterbildung. Die Qualifizierung von Erzieherinnen und Erziehern im MINT-Bereich wird im Zuge der Initiative "Haus der kleinen Forscher" gefördert. Anders als im sozialistischen Einheitsstaat ist es im föderalistischen System der Bundesrepublik Deutschland aus gutem Grund die Aufgabe der Länder, innerhalb dieses Rahmens und unterstützt durch die begleitenden Maßnahmen des Bundes mit konkreten Maßnahmen auf den regionalen Bedarf zu reagieren. Grundsätzlich sind es die Länder, die für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern und anderer Fachkräfte sowie die Festlegung der Einstellungsvoraussetzungen zuständig sind. Der Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern - auch an akademisch qualifiziertem Personal - wird vor Ort durch Länder, Kommunen und Träger der Einrichtungen ermittelt und gedeckt. Nun gehen die Länder zugegebener Maßen sehr unterschiedlich mit dieser Verantwortung um. Deshalb erlaube ich mir, mein Bundesland Niedersachsen exemplarisch zu nennen, um zu erläutern, wie verantwortungsvoll und vorausschauend Maßnahmen ergriffen werden können, um die Lehrerausbildung nachhaltig zu verbessern und den Bedarf an Lehrkräften zu sichern. Entsprechend dem gestiegenen Bedarf an neuen Lehrkräften wurde bezogen auf das Jahr 2002 die Zahl der Auszubildenden im Vorbereitungsdienst bis 2009 um fast 35Prozent gesteigert. Für das Lehramt an Gymnasium ist eine weitere Anhebung im Jahr 2009 erfolgt. Seit 2006 wurden in jedem Jahr mehr Einstellungen an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen vorgenommen als Abgänge zu verzeichnen waren, und dies bei gleichzeitig sinkenden Schülerzahlen. 1 200 Stellen, die wegen sinkender Schülerzahlen eingespart werden sollten verblieben im Schulbereich. Im Jahr 2008 wurden alle durch Pensionierung frei werdenden Lehrerstellen wieder besetzt. Diese werden zur Verbesserung der Qualität in allen Bildungsbereichen eingesetzt. Die Zahl der Einstellungen in den Schuldienst an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen ist im Jahr 2009 auf 3 374 Lehrkräfte gestiegen. Mit über 86 000 Lehrkräften hat Niedersachsen im Jahr 2009 damit die höchste Zahl in der Geschichte des Landes erreicht. Die Zahl der Vollzeiteinheiten für Lehrerinnen und Lehrer ist von 2003 bis 2009 um fast 300 erhöht worden. So sind in den sogenannten Berufswissenschaften der Lehrerbildung an den niedersächsischen Hochschulen erhebliche positive Veränderungen eingetreten. Dies betrifft sowohl strukturelle Aspekte als auch die inhaltliche Profilbildung. Niedersachsen ist in den letzten Jahren der Überzeugung gefolgt, dass eine kompetenz-orientierte und forschungsbasierte Ausbildung unerlässlich für die Gewinnung guter Lehrkräfte ist. Deshalb hat mein Bundesland die berufsfeldbezogene Professionalisierung, die Forschungsorientierung, das exemplarische Lernen und die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen in den Mittelpunkt der Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte gestellt. Das Land hat mit der Verordnung über Masterabschlüsse für Lehrämter eine bundesweit beachtete Vorreiterrolle bei der kompetenzorientierten Formulierung von Anforderungen an zukünftige Lehrerinnen und Lehrer übernommen. In Niedersachsen werden damit die von der Kultusministerkonferenz im Herbst 2008 beschlossenen "Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung" bereits umgesetzt. Damit ist Lehrerbildung eines der zentralen Handlungsfelder der Hochschulentwicklung in Niedersachsen. Im Rahmen des Hochschulpaktes werden außerdem zusätzliche Studienplätze in Studiengängen mit Lehramtsoption geschaffen werden. So standen beispielsweise im Wintersemester 2009/10 bereits 413 zusätzliche Studienplätze in Zwei-Fach-Bachelorstudiengängen mit Lehramtsoption zur Verfügung, die im Rahmen des Hochschulpaktes 2020 geschaffen wurden. Im Bereich der frühkindlichen Bildung sind bundesweit bereits eine Vielzahl von verschiedenen Institutionen, Projekten und Ausbildungsgängen entstanden, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Bildung und Betreuung von Kindern in Deutschland sowohl quantitativ wie qualitativ auszubauen und zu verbessern. Seit knapp fünf Jahren erfolgt in Deutschland ein rascher Aufbau zahlreicher Bachelor-und Master-Studiengänge im Bereich Pädagogik der frühen Kindheit an deutschen Fachhochschulen, Universitäten und Fachakademien. Auch hier ist Niedersachsen hervorragend aufgestellt. Im Rahmen des Projektes "Professionalisierung, Transfer und Transparenz im frühpädagogischen Praxis- und Ausbildungsumfeld" des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung, nifbe, soll exemplarisch die Professionalisierung der Erzieher und Frühpädagogen vorangetrieben und Modelle für eine Verbesserung von Transparenz und Durchlässigkeit im System der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften in Kindertageseinrichtungen entwickelt werden. Das Projekt fügt sich ein in die Qualifizierungsinitiative "Aufstieg durch Bildung" der Bundesregierung, in dessen Rahmen unter anderem seit 2008 auch 80 000 Erzieherinnen und Erzieher sowie Tagesmütter und -väter erreicht und die frühpädagogische Forschung gestärkt werden sollen, ein weiteres Beispiel für die positive Wirkung bereits bestehender Förderungsmaßnahmen des Bundes. Das wissenschaftlich begleitete Projekt soll als Beispiel für andere Bundesländer dienen und zeichnet sich durch eine frühzeitige Kontaktaufnahme und Vernetzung mit den zuständigen Ministerien der Bundesländer, auch mit den von Ihnen mit regierten, aus. Die Ausgaben für frühkindliche Bildung wurden seit 2003 verdoppelt: Bis 2013 werden sie verdreifacht. Den Ausbau der Qualität in der Kindertagespflege hat Niedersachsen bereits 2007 mit dem Landesprogramm "Familien mit Zukunft" in Angriff genommen. Hier hat das Land bis 2010 100 Millionen Euro für die Verbesserung von Betreuungsangeboten für Kinder zur Verfügung gestellt. Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit fördert mit 80 Millionen Euro den flächendeckend qualitativen Betreuungsausbau vor allem für die unter Dreijährigen. Mit dem Projekt "Brückenjahr" soll die Kontinuität des Lernens beim Übergang vom Kindergarten in die Grundschule gesichert werden. Bis Ende 2010 stellt das Niedersächsische Kultusministerium dafür 20 Millionen Euro bereit, um alle Kinder vor der Einschulung bestmöglich zu fördern. Die Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen und Grundschule wird gezielt ausgebaut und optimiert, Bildungsziele und -inhalte aufeinander abgestimmt. Mit dem Modellvorhaben "Offene Schule Niedersachsen" werden aufbauend auf dem Projekt "Anrechnung beruflicher Kompetenzen" Studienangebote für neue Zielgruppen mit beruflichen Abschlüssen und deren Anrechenbarkeit auf das Studium erprobt, um damit die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und schulischer Bildung sowie die Anerkennung beruflicher Qualifikation zu verbessern. Auch hier werden zusätzliche Projektmittel durch das Land investiert. Entsprechend haben wir seit mehreren Jahren eine Steigerung berufsbegleitender Studien- und Weiterbildungsangebote zu verzeichnen. Um den Zugang zu diesen Weiterbildungs-angeboten zu verbessern, wurde ein entsprechendes Portal im Internet eingerichtet. Die Bundesregierung hat in der Krise und trotz eines Sparpakets in Höhe von 80 Milliarden Euro von Einsparungen im Bildungsbereich ausdrücklich abgesehen. Stattdessen wird zu Recht an dem Beschluss festgehalten, 12 Milliarden Euro in Bildung und Forschung zu investieren. Die Rahmenbedingungen für die Bildung zusätzlichen pädagogischen Nachwuchses für den frühkindlichen und schulischen Bereich sind geschaffen worden. Nun liegt es bei den Ländern, ihre Fachkräfte auf Bildungseinrichtungen für die Herausforderungen des demografischen Wandels zu rüsten. Das von CDU und FDP regierte Land Niedersachsen hat bewiesen, dass dies möglich ist. Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Die Bundesregierung wird nicht müde, immer und immer wieder zu betonen, dass im Bereich Bildung nicht gespart werden dürfe, ja sogar mehr Geld zur Verfügung gestellt werden müsse. Doch was nützt dies, wenn durch die verfehlte Politik der Bundesregierung den Bundesländern, die bei den meisten Fragen entweder ganz das Sagen haben oder zumindest ein gewichtiges Wort mitzureden haben, das Geld dafür entzogen wird. Durch Aktionen wie das Wachstumsbeschleunigungsgesetz oder das unsoziale Sparprogramm wird die Situation immer schwieriger. So ist eher davon auszugehen, dass die Ausgaben der öffentlichen Hand für Bildung insgesamt weniger werden, auch wenn der Bund zulegt. Nicht zuletzt der gescheiterte Bildungsgipfel von letzter Woche macht deutlich, wie ernst die Lage ist und wie sehr die Länder von Finanznöten geplagt sind. Der gescheiterte Gipfel zeigt aber auch, wie wenig ernst es der Bundesregierung tatsächlich mit der Bildung in unserem Land ist, denn sonst hätte man schon längst dieses grundlegende Problem in Angriff genommen. Daher ist es begrüßenswert, wenn mit dem vorliegenden Antrag der Fraktion Die Linke ein Fachkräfteprogramm "Bildung und Erziehung" gefordert wird. Bei allem Verständnis dafür, dass das im Grundgesetz verankerte Kooperationsverbot beseitigt werden muss und mehr Zusammenarbeit zwischen den Ländern und mit dem Bund dringend nötig ist, kann es aber nicht das Ziel sein, jetzt die ureigenen Aufgaben der Länder auf den Bund zu übertragen. Ziel eines Bund-Länder-Programms kann es meines Erachtens nicht sein, zusätzliche Lehramtsstudienplätze für alle Schularten zur Verfügung zu stellen, wie im Antrag gefordert, um schließlich in spätestens sieben bis acht Jahren den Ländern 10 000 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stellen zu können, um 25 000 zusätzliche vollzeitschulische Ausbildungsplätze für Erzieherinnen und Erzieher einzurichten. Sinnvoll ist auch nicht, eine bessere Vergleichbarkeit der Statistiken zu fordern, um zukünftig die Modellberechnungen für den Lehrerbedarf zu vereinfachen. Ich gebe zu, dass auch ich noch nie nachvollziehen konnte, warum zum Beispiel mein Bundesland, der Freistaat Bayern, es bislang nie fertig gebracht hat, seinen Lehrerbedarf richtig zu berechnen, wo doch jedes Kind sechs Jahre alt wird, bis es zur Schule kommt, und jedes Kind standesamtlich gemeldet ist, also die Zahl der Kinder dem Ministerium lange vor dem Einschulungstermin bekannt ist. Aber diesen Mangel zu beseitigen, ist nicht Aufgabe eines Bund-Länder-Programms. Besonders drängend ist, dass wir endlich mehr Gleichklang bei den Schulsystemen bekommen und der ständige Reformaktionismus, den so manches Bundesland seit Jahren an den Tag legt, endlich ein Ende hat. Gerade im Bereich der schulischen Bildung brauchen wir ein viel stärkeres Zusammenwirken der Bundesländer und eine vernünftige Finanzausstattung. Ein gutes Bildungsangebot erreicht man nicht nur durch Quantität, sondern vor allem durch Qualität. Wir brauchen eine massive Verbesserung der kompletten Bildungskette, von der frühkindlichen Bildung über den Ausbau der Ganztagsschulen bis hin zur Ausstattung der Hochschulen. Wir brauchen einen nationalen Pakt von Bund, Ländern und Kommunen, der bundesweit einheitliche Standards festschreibt, um die Teilhabe an Bildung für alle sicherzustellen. Erzieherinnen und Erziehern kommt dabei zwar eine Schlüsselstellung zu, doch sie brauchen ideale Rahmenbedingungen in den verschiedensten Einrichtungen, um eine optimale Betreuung zu gewährleisten. Nicht zuletzt braucht es eine bessere Entlohnung für die Berufsgruppe der Erzieherinnen und Erzieher. Auch hierzu kann ich leider nichts im vorliegenden Antrag finden. Kommen wir zum Bereich der Schule. Ich stimme damit überein, dass wir mehr Lehrerinnen und Lehrer brauchen. Doch einfach eine Zahl in den Raum zu stellen, ist mir zu wenig. Vielmehr müssen wir die Qualität und die Kompatibilität der Lehrerausbildung in den Blick nehmen. Es kann doch nicht sein, dass jemand, der in Baden-Württemberg studiert hat, in Bayern keine Chance hat, als Lehrer zu arbeiten, oder dass die Ausbildung so auf eine Schulart zugeschnitten ist, dass die Verwendung in einer anderen Schulart nicht möglich ist. Da bringt es wenig, wenn der Bund jetzt einseitig mehr Fachkräfte anordnet und deren Ausbildung qualifiziert. Es braucht vielmehr ein abgestimmtes Vorgehen auf breiter Front. Darüber hinaus dürfen wir die Kommunen nicht vergessen. Insbesondere im Bereich der frühkindlichen Bildung kommt ihnen eine wichtige Rolle zu. Wenn es darum geht, mehr und besser qualifizierte Fachkräfte einzusetzen, dann darf auch die Frage der Finanzierung nicht ausgeklammert werden. Vollmundige Forderungen nach mehr Personal sind nur mit einer soliden Finanzierung realistisch. In dem von der SPD-Fraktion in der vergangenen Woche vorgelegten Antrag zur Verbesserung der frühkindlichen Betreuung und Bildung haben wir deshalb auch diese Frage aufgegriffen. Wir halten fest an unserer Forderung, einen Aufschlag auf den Spitzensteuersatz zugunsten der Bildung einzuführen. Es darf nicht sein, dass die Leistungen für sozial Schwache von der Bundesregierung gekürzt werden, um damit zum Beispiel einkommensunabhängige Stipendien für Studierende aufzulegen. Da im vorliegenden Antrag viele Bereiche angesprochen werden, die in der Finanzierungsverantwortung der Länder liegen, muss auch die Frage geklärt werden, wie wir deren Kassen wieder füllen können. In unserem Antrag von vergangener Woche fordern wir daher, die durch das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz bei den Kommunen entstandenen Einnahmeausfälle von 1,6 Milliarden Euro jährlich vollständig zu kompensieren und damit die Kommunen, die eine wichtige Verantwortung zum Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung tragen, zu entlasten. Außerdem muss die Bundesregierung auf weitere Steuerermäßigungen, die zu zusätzlichen Belastungen der Kommunen führen, verzichten und den von der SPD geforderten Rettungsschirm für Kommunen zeitnah angehen. Den Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke sage ich: Der vorliegende Antrag geht in seiner grundsätzlichen Intention zwar in die richtige Richtung. Er klammert leider viele Bereiche, die für eine tatsächliche Verbesserung der Bildungsinfrastruktur erforderlich sind, aus und gibt insbesondere auf die Frage nach den notwendigen Finanzmitteln keine Antwort. Gerade bei der Bildungsfinanzierung gilt es aber, der Bundesregierung auf den Zahn zu fühlen. Wir als Opposition dürfen es nicht zulassen, dass sich Schwarz-Gelb mit einer Erhöhung des Bundesetats für Bildung brüsten, während sie andernorts Familien und Bildungsträgern Milliarden wegnehmen, um sie an Hoteliers und andere Günstlinge zu verteilen. Caren Marks (SPD): Heute debattieren wir über den drohenden Fachkräftemangel in Schulen und Kindertagesstätten, dem Schwarz-Gelb bislang in keiner Weise entgegenwirkt; denn wo bleibt die Initiative der Bundesregierung, damit die offenen Fachkräftestellen schnell besetzt werden können? Wo ist das Engagement der Bundesfamilienministerin, den Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung voranzutreiben und mehr Erzieherinnen und Erzieher zu gewinnen? Wo sind die Rettungsmaßnahmen für die Kommunen, damit diese finanziell in der Lage sind, den Betreuungsausbau zu stemmen? Weit und breit ist nichts in Sicht. In den letzten Wochen und Monaten hatten wir es mit einer Reihe von Rettungspaketen zu tun: Rettungspakete für die Stabilisierung der Banken, für Griechenland, für den Euro. Große Gesetzespakete sind in Windeseile durch den Bundestag gepeitscht worden. Aber bei der Verbesserung der Bildung und der Qualifizierung von Menschen, die im sozialen Bereich arbeiten wollen, hat die Bundesregierung keine Eile. Der Bildungsgipfel letzte Woche, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, war eine große Chance, die Sie verpasst haben. Ich möchte daran erinnern: 2008 hat die Kanzlerin die "Bildungsrepublik" ausgerufen. Sie hat die Steigerung der Ausgaben für Bildung und Forschung auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2015 versprochen. Doch was ist letzte Woche passiert? Die Bundesregierung hat konkrete Verabredungen wieder auf die lange Bank geschoben, die CDU-Länder haben wieder einmal gebockt. Der Spiegel titelte zum Scheitern des Bildungsgipfels treffend "Vertagen, verschleppen, vertrösten". Ich sage Ihnen: Wenn das Thema Bildung vertagt und verschleppt wird, ist dies ein Armutszeugnis für unser Land. Die Zukunftschancen der Kinder und Jugendlichen stehen auf dem Spiel. Um nichts Geringeres geht es dabei. Was den Fachkräftemangel in den Kitas betrifft, fehlt es der Regierung nicht an Erkenntnissen. Die Bundesregierung selbst hat auf eine Kleine Anfrage der SPD geantwortet, dass sie mit einem Bedarf von bis zu 40 000 Erzieherinnen und Erzieher bis 2013 rechnet. Der Fachkräftemangel ist heute schon in einigen Regionen spürbar. Ein weiteres Vertagen und Verschleppen ist daher absolut unverständlich. Nicht nur in dem Antrag der Linken wird zu Recht ein Fachkräfteprogramm gefordert. Auch die SPD fordert in ihrem Antrag zum Thema frühkindliche Bildung und Betreuung, den wir vergangene Woche eingebracht haben, eine Fachkräfteoffensive. Wir sagen klar: Kinder können nur dann optimal gefördert werden, wenn es eine ausreichende Zahl an qualifizierten Fachkräften in Kitas gibt. Das macht eine gute Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur aus, und das erwarten auch die Eltern zu Recht. Als Sofortmaßnahme müssen arbeitslose und arbeitsuchende Erzieherinnen und Erzieher möglichst schnell und unbürokratisch auf offene Stellen vermittelt werden. Der Beruf der Erzieherin bzw. des Erziehers muss attraktiver werden; daher sind Aus-, Fort- und Weiterbildung zu verbessern. Wichtig sind auch eine gerechte Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern und gute Arbeitsbedingungen in Kitas. Weil in Kitas nur 3 Prozent männliche Erzieher beschäftigt sind, müssen deutlich mehr Männer motiviert werden, sich für diesen Beruf zu entscheiden. Das alles geht nur mit einer klugen Arbeitsmarktpolitik. Aber der von der Regierung angekündigte Kahlschlag bei den Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose wird die Lage verschlimmern. Mehr Arbeitslose mit weniger Chancen wird das Ergebnis dieser Politik sein, nicht aber mehr qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher. Es geht auch anders. SPD-geführte Länder haben längst erkannt, dass gehandelt werden muss. Die Qualitätsoffensive "Zukunftschance Kinder - Bildung von Anfang an" in Rheinland-Pfalz unterstützt angehende und ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher landesweit mit einem vorbildlichen Aus- und Fortbildungsprogramm. Wir sagen klar: Der Bund darf die Länder mit der Herausforderung, den Fachkräftemangel in Kitas zu bewältigen, nicht alleine lassen. Daher muss die Bundesregierung endlich aktiv werden und konkrete Maßnahmen mit den Ländern verabreden, um mehr Personal für Kitas zu gewinnen. Es ist eine Zukunftsaufgabe, mehr Menschen für die Arbeit mit Kindern zu begeistern und somit dem Fachkräftemangel in Kitas und Schulen entgegenzuwirken. Vor dieser Aufgabe darf sich Schwarz-Gelb nicht länger drücken, die zuständigen Ministerinnen dürfen dies erst recht nicht. Sylvia Canel (FDP): Der Fachkräftebedarf in den Kindertagesstätten und den Schulen ist nicht von der Hand zu weisen. Die Situationsbeschreibung und die Bedarfsprognosen des Antrags der Linken sind stichhaltig. Die Verfehlungen einer irregeleiteten Bildungspolitik mit ihren verheerenden Auswirkungen lassen sich besonders schön und plakativ am Beispiel des rot-rot regierten Berlins nachvollziehen. Die Defizite in der Betreuungsqualität in den Kindertagesstätten, der Unterrichtsausfall, die Probleme bei der Lehrergewinnung und -versorgung und eine stetige Verschlechterung der Hochschulfinanzierung lassen vor allem eines zurück: eine desaströse Situation und unzufriedene Schüler, Studierende, Eltern, Lehrer und Hochschulangehörige. Das Land Berlin und andere Bundesländer kommen ihrer Kernaufgabe offensichtlich nicht gewissenhaft und zuverlässig nach. Der heute veröffentlichte Bildungsbericht zeigt, dass wir alle zusammen, Bund und Länder, unsere Anstrengungen intensivieren müssen, wenn solche schlechten Ergebnisse endlich der Vergangenheit angehören sollen. Professor Weishaupt, unter dessen Leitung der Bildungsbericht erstellt wurde, erklärt als dessen wichtige Botschaft an die Bildungspolitik, dass die Entwicklungen im Bildungswesen es erforderlich machten, die Mittel für Bildung mindestens auf dem gegenwärtigen Niveau zu erhalten und für neue Aufgaben zusätzliche Mittel bereitzustellen seien. Der Präsident des Deutschen Studentenwerkes, Professor Dobischat, äußerte sich heute in einer Pressemitteilung mit folgenden Worten: "Bessere Bildung für alle, bessere Zukunftschancen für alle - das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, hier stehen die Länder in der Pflicht, dem Bund zu folgen." Der Bund investiert schon jetzt tatkräftig in den Bildungsbereich. Die zusätzlichen Investitionen belaufen sich auf 12 Milliarden Euro. Das ist eine bislang unerreichte Summe für den Bildungsbereich und zeigt deutlich unsere Prioritätensetzung. Im Bund haben wir große Projekte auf den Weg gebracht und deren Finanzierung sichergestellt. Der Bildungsgipfel am 10. Juni hat gezeigt, dass die Punkte, die vonseiten des Bundes zugesagt wurden, eingehalten werden. Am 10-Prozent-Ziel halten wir fest, und 40 Prozent der Finanzierungslücke von 13 Milliarden Euro für Bildungsausgaben werden übernommen, und zwar durch konkrete Projekte: die Erhöhung des BAföG, das Stipendienprogramm und vor allem der Qualitätspakt Lehre, als dritte Säule des Hochschulpaktes. Der Qualitätspakt Lehre führt zu einer Verbesserung der Studienbedingungen und zur Weiterentwicklung guter Lehre in der gesamten Breite der Hochschullandschaft. Bis 2020 wird der Bund rund 2 Milliarden Euro hierfür bereitstellen. Diese einmalige und zuvor noch nie unternommene Kraftanstrengung kann jedoch nicht dazu führen, dass die Länder aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Sie stehen in der Pflicht, die ihnen vom Grundgesetz zugesprochene Kernaufgabe verantwortungsvoll wahrzunehmen. Es kann nicht sein, dass die Länder Mittel vom Bund einfordern, ohne ihre eigenen Hausaufgaben zu machen, also durch eine eindeutige Prioritätensetzung die entsprechenden Mittel im Landeshaushalt freizumachen. Es kann nicht sein, dass sich die Länder mit ihrem Ausgabenverhalten verzetteln, nachrangige Politikfelder hochpäppeln und schließlich die Ausfälle im Bildungsbereich dann über Bundesmittel begleichen wollen. Bundesmittel sind keine Kompensationsmittel! Bundesmittel sollen Investitionen und Bildungsausgaben der Länder sinnvoll ergänzen, um unser Land voranzubringen und unsere Zukunftschancen zu verbessern. Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern darf nicht zu einem Nullsummenspiel werden. Wir benötigen frisches Geld im System. Gerade deswegen ist die derzeitige Unbeweglichkeit der Länder so enttäuschend. Die Ministerpräsidenten werden derzeit ihrer Verantwortung nicht gerecht. Mit den elenden Erpressungsversuchen in Sachen Umsatzsteuerpunkte muss Schluss sein. Es ist Zeit für eine konstruktive Zusammenarbeit! Damit muss endlich begonnen werden. Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Eine alte Volksweisheit sagt: "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" oder in neue, aus Finnland kommende Erkenntnisse und geschlechtergerecht übersetzt: "Auf den Anfang kommt es an". Diese Einsicht hat sich in den letzten Jahren auch in Deutschland durchgesetzt. Aber von der Einsicht bis zur Besserung ist es noch ein weiter Weg. Wir stellen uns die Frage, wie viele internationale Studien noch erhoben und ausgewertet werden müssen, bis klar ist, dass man gegen den aktuellen und den drohenden Mangel an pädagogischem Personal in Kindereinrichtungen und Schulen etwas tun muss. Da hat die Bundesregierung vor Jahren endlich einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Bildung und Betreuung eingeräumt, und Länder und Kommunen tun sich schon schwer damit, den Ausbau der Platzzahlen entsprechend voranzubringen. Dass es aber für eine qualitativ hochwertige Betreuung auch gut ausgebildeten Personals bedarf, ist in der Euphorie untergegangen. Zwar wird etwas nebulös auf Bildungsgipfeln von Qualifizierung und Weiterbildung geredet, aber frühkindliche Bildung braucht hochwertig und vollwertig ausgebildetes Personal. Allein für das Ausbauziel der Bundesregierung, von dem wir heute schon wissen, dass es nicht reicht, und für den Ersatz älterer Kolleginnen, die heute schon das 50. Lebensjahr überschritten haben und in absehbarer Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen, werden in den nächsten Jahren 130 000 zusätzliche Fachkräfte in der Kinderbetreuung benötigt. Etwa die Hälfte davon müsste bereits in zwei Jahren zur Verfügung stehen. Diese Aufgabe zu erfüllen, sind Bund, Länder und in der Folge Kommunen weit entfernt. In meinem Bundesland, Sachsen-Anhalt, in dem es seit 20 Jahren einen Rechtanspruch für alle Kinder unter drei Jahren gibt, liegt die Betreuungsquote bei den Jüngsten bei 55 Prozent. Wenn man diese Betreuungszahlen bundesweit hochrechnet, fehlen mehr als doppelt so viele Erzieherinnen und Erzieher für die Krippenkinder. Nicht besser wird es in der Schule. Zwar glaubt man heute noch in einigen Bundesländern, dass man, zumindest in der Summe ausreichend, teilweise sogar zu viele Lehrerinnen und Lehrer habe, tatsächlich sind aber heute schon vielerorts nicht genügend Lehrerinnen und Lehrer da, um den Unterricht zu 100 Prozent abzudecken. Zudem sind mehr als die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen in den Ländern älter als 50 Jahre, werden also in absehbarer Zeit den Schuldienst verlassen. Nach Erhebungen auf Bundesebene werden aber in fast allen Ländern zu wenige Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet, um diesen Bedarf rechtzeitig zu ersetzen. Auch Referendariatsplätze stehen nicht genügend zur Verfügung. Die Länder können zwar mehr Stellen für Lehrerinnen und Lehrer in ihren Landeshaushalten einplanen, sie werden aber schon die heute vorhandenen nicht mehr besetzen können. Dann wird sich die Personalsituation an den Schulen dramatisch verschärfen, und es müssen womöglich Klassen zusammengelegt und Unterricht gekürzt werden, oder aber die Lehrerarbeitszeit muss noch weiter erhöht werden. Das alles sind untaugliche Maßnahmen, wenn die Bildungsqualität verbessert werden soll. Der Bundesregierung und den Ländern blieben dann nur weitere Hilfsprogramme wie das Programm mit den Berufseinstiegsbegleitern, die Qualität schulischer Bildung würde sich weiter verschlechtern, und die soziale Schieflage beim Bildungszugang würde weiter zunehmen. Dies gilt es zu verhindern, sofern das überhaupt noch möglich ist. Deshalb fordert die Linke, umgehend ein Fachkräfteprogramm "Bildung und Erziehung" zwischen Bund und Ländern zu vereinbaren, das den zügigen Ausbau der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern sowie Erzieherinnen und Erziehern zum Ziel hat. Dabei geht es sowohl um Lehramtsstudienplätze für alle Schularten und um die frühkindliche Bildung, die in einer - nunmehr vierten - Säule des Hochschulpaktes zu vereinbaren wären, als auch um die vollzeitschulische Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern und natürlich um berufsbegleitende Weiterbildung, die zum Berufsabschluss führt, und zwar für alle diejenigen in der Kinderbetreuung Tätigen, die heute noch keinen solchen Abschluss haben. Auch wenn wir perspektivisch für die Arbeit im frühkindlichen Bereich eine Ausbildung auf Hochschulniveau für alle dort Beschäftigten anstreben, muss in einer längeren Übergangszeit noch die tradierte vollzeitschulische Ausbildung an Berufsfachschulen genutzt werden. Das sind zwar noch nicht alle Aufgaben, die bei der Ausbildung pädagogischen Personals für Kinderbetreuung und Schule anstehen, wenn die Qualität der Bildung verbessert werden soll, aber es sind die dringendsten. Darum beschränken wir uns in unserem Antrag zunächst auf diese. Sie zu ignorieren, in dieser Sache auf die Länder zu verweisen und im Übrigen nach der Devise zu verfahren "Kommt Zeit, kommt Rat", wäre eine fahrlässige Unterlassung politischen Handelns, die von der jungen Generation bezahlt werden muss. Das darf nicht hingenommen werden, darum stimmen sie unserem Antrag nach Beratung in den Ausschüssen zu. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In dem Antrag der Linken wird die Einsetzung eines Fachkräfteprogramms "Bildung und Erziehung" gefordert. Sie schreiben in ihrem Antrag, die Bundesregierung solle dieses Programm "in Abstimmung mit den Ländern" aufsetzen. Doch hier ergibt sich schon das erste Problem: Spätestens nach dem Scheitern des Bildungsgipfels am 10. Juni ist dieses Ansinnen zwar nett gemeint, läuft politisch aber ins Leere. Ein echter Bildungsgipfel hätte für diese ohne Frage äußerst relevanten Problemstellungen Lösungsstrategien aufzeigen müssen. Passiert ist in dieser Hinsicht jedoch nichts. Zum inhaltlichen Sachstand lässt sich festhalten: Seit Jahren ist klar, dass Deutschland auf einen riesigen Mangel an pädagogischen Fachkräften zusteuert, sei das in Schulen oder in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung. Laut nationalem Bildungsbericht 2010 sind 50 Prozent der Lehrkräfte im Schulbereich 50 Jahre und älter. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland hinter Italien und Schweden hier an dritter Stelle. Obwohl die Pensionierungswelle von Lehrerinnen und Lehrern gerade erst anrollt, fehlen schon heute bundesweit Tausende von Lehrkräften, fallen Woche für Woche zig Tausende Unterrichtsstunden aus. Bis 2015 werden, so belegen es Studien unter anderem von Bildungsforscher Klaus Klemm, 10 000 Junglehrerinnen und -lehrer jährlich fehlen. Um dem Lehrermangel entgegenzutreten, hat die KMK nach etlichen Anläufen Vereinbarungen getroffen, um das Lehramtsstudium zu verbessern, unter anderem um die länderübergreifende Vergleichbarkeit zu fördern. Diese Vereinbarung ist gut und richtig, herausgekommen ist bisher allerdings nichts. Da fragt man sich schon, was KMK-Beschlüsse überhaupt wert sind. Zudem müssen Mobilitätshindernisse für Lehrerinnen und Lehrer zwischen den Ländern abgebaut werden, wobei klar sein muss, dass dies nicht zu einem Wettkampf um Lehrerinnen und Lehrer führen darf. Auch für Seiteneinsteiger wird von den Ländern viel zu wenig getan. Wir wollen, dass Quereinsteiger, die über relevante Fachkompetenzen verfügen, ein verkürztes Lehramtsstudium absolvieren und auch berufsbegleitend qualifiziert werden können. Für junge Menschen, die Lehrerin oder Lehrer werden wollen, müssen ausreichend viele Lehramtsstudienplätze zur Verfügung stehen. Wir halten jedoch nichts davon, wie von der Linken gefordert, eine weitere Säule im Hochschulpakt 2020 für die Lehrerausbildung zu schaffen. Im Rahmen einer dritten Säule im Hochschulpakt fordern wir eine Gesamtstrategie für gute Lehre, zu der unter anderem der Ausbau von zusätzlichen Studienplätzen gehört. Darüber hinaus muss gewährleistet sein, dass jede und jeder, der ein Lehramtsstudium beendet hat, seine Ausbildung im Rahmen des Referendariats fortsetzen und beenden kann. Hier liegt zurzeit das eigentliche Problem. Für uns Grüne ist es wichtig, den Schwerpunkt nicht nur auf die Quantität des pädagogischen Personals, sondern auch auf die Qualität zu legen. Hier möchte ich einige Stichpunkte nennen: Eine elementare Frage ist die Akquisition geeigneter Lehrkräfte. Werbung für den Lehrerberuf sollte bereits in der Schule in der gymnasialen Oberstufe beginnen, gezielt sollten Studienberechtigte mit Migrationshintergrund angesprochen werden. Vor dem Studium ist es notwendig, beispielsweise über Praxisphasen und intensive Beratung, die Eignung der Lehramtsstudiumsinteressierten zu überprüfen. Für die Lehrerausbildung gilt, dass wir eine Reform der Ausbildung brauchen: hin zur frühzeitigen Heranführung an die Praxis. Ein stärkerer Praxisbezug, der früh im Studium beginnt, könnte zudem die hohe Zahl der Studienabbrecher erheblich verringern. Die Studierenden müssen so ausgebildet werden, dass sie den Anforderungen, die im späteren Berufsleben an sie gestellt werden, begegnen können. Dazu gehören die individuelle Förderung aller Schülerinnen und Schüler, die Gestaltung eines modernen inklusiven Schulsystems und ein an dem einzelnen Schüler orientierter Unterricht. Die Zukunftsperspektiven eines Kindes werden maßgeblich geprägt von den Förder- und Bildungsangeboten in frühen Jahren. Daher fordern wir ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertagesbetreuung und die Verbesserung des Personals in der Kindertagesbetreuung durch wissenschaftliche Ausbildung. Seit Jahren fällt im Vergleich zu anderen Bildungsbereichen der geringe Akademisierungsgrad auf: Seit 2006 hat sich dieser nur um 0,4 Prozentpunkte auf 3,2 Prozent erhöht. Der Beruf der Erzieherin bzw. des Erziehers muss dringend ergänzt werden durch akademisch qualifizierte Frühpädagoginnen und -pädagogen. Erzieherinnen und Erziehern soll die Möglichkeit eröffnet werden, sich zu Frühpädagoginnen und Früh-pädagogen weiterzubilden. Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt, um dem Mangel an pädagogischem Personal zu begegnen, ist die Weiterbildung. Hier liegt die Bundeskompetenz beim Bund und beim Bildungsministerium. Das Scheitern des Bildungsgipfels zwischen Bund und Ländern lässt einen daran zweifeln, wie der Bund jetzt seine Aufgaben in diesem Bereich wahrnehmen soll. Wir brauchen aber einen wirklichen Aufbruch hin zu mehr Weiterbildung! Das bestehende Meister-BAföG, mit dem auch Erzieherinnen und Altenpfleger gefördert werden können, ist nur ein Trippelschritt in die richtige Richtung. Um jedem Menschen eine Weiterbildung zu ermöglichen, fordern wir ein neues Erwachsenen-BAföG, das in dem bisherigen Meister-BAföG aufgehen soll. Im Bereich der Kindertagespflege fordern wir von der Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, eine Weiterentwicklung der Qualifikationen. Laut Bildungsbericht entspricht das Qualifikationsniveau des Tagespflegepersonals häufig nicht den fachlichen Anforderungen. 55 Prozent des Personals verfügen noch nicht einmal über die Minimalqualifikation eines 160-Stunden-Kurses, für Ostdeutschland ist der Anteil sogar noch höher! Hier sind dringend Verbesserungen notwendig. Der Bund sollte im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes seine Möglichkeiten ausnutzen, hier bessere Standards zu setzen. Der gewünschte Prozess der Verberuflichung der Kindertagespflege muss auch zu einer angemessenen Entlohnung der Tätigkeit führen. Abschließend lässt sich sagen: Vieles kann von Bundesseite nur angeregt, aber nicht umgesetzt oder durchgesetzt werden. Der Antrag, den wir heute diskutieren, hat vieles Richtige benannt, läuft aber in großen Teilen leider ins Leere. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 16) Mechthild Heil (CDU/CSU): Seit seiner Entstehung kritisieren Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, das Asylbewerberleistungsgesetz. Eine Ausnahme bildet nur die Zeit, in der Sie an der Regierung waren. In dieser Zeit gab es dazu keine Initiative von Ihnen, den als so schlecht gebrandmarkten Zustand zu ändern. Der uns heute vorliegende Antrag ist zuletzt vor einem Jahr hier im Hohen Hause gescheitert. Sie versuchen es erneut. Immerhin haben Sie den Antrag überarbeitet und aktualisiert. Sie kritisieren wieder, dass Asylsuchende nicht die gleichen Sozialhilfeleistungen wie deutsche Staatsbürger bekommen. Als "Ausschluss" bezeichnen Sie dies und als "sozialrechtlich diskriminierend". Das sehe ich nicht so! Asylsuchende und bedürftige Bürger unseres Landes werden im Sinne des Staatsbürgerrechts unterschieden. Das Gesetz versteht unter Asyl einen zunächst begrenzten Aufenthalt in Deutschland, bei dem es um eine vorübergehende Versorgung der Betroffenen geht und deren Schutz vor politischer Verfolgung und unmenschlicher Behandlung in ihrem Herkunftsland, bis über den Asylantrag entschieden wird, um nicht mehr, aber auch nicht weniger. Folglich müssen Menschen, die sich womöglich nur kurz in unserem Land aufhalten, nicht umgehend sozial integriert und mit inländischen Bedürftigen gleichgestellt werden. Sobald Asylbewerber sich aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen länger als vier Jahre in der Bundesrepublik aufhalten, erhalten sie die gleichen Leistungen wie deutsche Staatsangehörige. Sie werden gleich behandelt. Von Diskriminierung kann keine Rede sein. Zuvor erhalten sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die geringer als die Leistungen für Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger sind. Ja, Asylsuchende und Geduldete erhalten medizinische Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die auf die unabweisbar notwendige Behandlung "akuter Schmerzzustände" beschränkt ist. Das Gesetz garantiert darüber hinaus auch beispielsweise eine Impfvorsorge oder umfassende Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt. Die Menschen werden also ausreichend versorgt. Das Asylbewerberleistungsgesetz ist vor allem nach dem Sachleistungsprinzip aufgebaut. Die Sachleistungen folgen der Preisentwicklung. Steigende Preise werden vom Staat getragen, nicht von Asylsuchenden. Hinzu kommt, dass Leistungen für Asylbewerber nicht - wie im SGB XII und im SGB II - pauschaliert werden, sondern im Einzelfall individuelle Beihilfen - zum weit überwiegenden Teil ebenfalls als Sachleistungen - etwa für Bekleidung, Hausrat usw. gewährt werden. Auch diese einmaligen Beihilfen folgen der Preisentwicklung und belasten die Tasche der Asylanten nicht. Soviel zu Ihrem Vorwurf, die Leistungen wären seit 1993 nicht mehr angepasst worden. Für mich ist das Asylbewerberleistungsgesetz kein "ungeeignetes, überflüssiges und unverhältnismäßiges Gesetz", wie Sie es in Ihrem Antrag bezeichnen. Im Gegenteil: Das Gesetz hat seinen Zweck voll erfüllt und erfüllt ihn noch heute. Das Ziel der damaligen Bundesregierung war es vor allem, den Missbrauch des Asylrechts einzuschränken und damit den Zustrom von Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland zu begrenzen. Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts hat unser Land europaweit den Hauptanteil der Flüchtlingsströme aufgenommen. Dies hat unsere sozialen Sicherungssysteme in Deutschland enorm belastet. In diesen Zustand wollen wir von der christlich-liberalen Koalition nicht zurück. Wir wollen auch die Kommunen, die die Träger der Asylhilfe sind, nicht mit höheren Kosten belasten. Ein Weiteres: Im Jahre 1992 hatten 438 191 Menschen Asyl in Deutschland beantragt. 95 Prozent wurden nicht als Asylberechtigte anerkannt. Das zeigt: Ein großer Teil der Asylsuchenden berief sich auf das Asylrecht, ohne tatsächlich politisch verfolgt oder einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt gewesen zu sein. Viele kamen über sichere Drittstaaten zu uns. Wirtschaftliche Gründe waren also oft das ausschlaggebende Motiv für die Einreise und den Aufenthaltswunsch. Um diesem Asylmissbrauch entgegenzutreten, einigten sich CDU/CSU, SPD und FDP im Jahr 1992 im Asylkompromiss, Regelungen zum Mindestunterhalt von Asylbewerbern zu schaffen, und im Folgenden wurde das Asylbewerberleistungsgesetz erlassen. Dass diese Idee richtig war, zeigt uns die Entwicklung der letzten Jahre. Das Gesetz verhindert Missbrauch und gewährt politisch Verfolgten und unmenschlich Behandelten die nötige Unterstützung. Wir lehnen Ihren Antrag ab. Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Ihr Gesetzentwurf, den Sie fast wortgleich schon im November 2008 in den Deutschen Bundestag eingebracht haben, enthält in der Sache keine neuen überzeugenden Argumente. Insofern interpretieren Sie wieder einmal ein Bundesverfassungsgerichtsurteil nach eigenem Gutdünken, obwohl Ihnen alle Argumente seit den Antworten auf Ihre Anfragen vom Dezember 2007 und März dieses Jahres bekannt sind. Es handelt sich vielmehr wieder einmal um einen typischen Oppositionsentwurf, der die Realität ausblendet. Dabei tun die Grünen so, als ob sie schon immer in der Opposition gewesen wären und nicht sieben lange Jahre mit der SPD in der Regierungsverantwortung gestanden hätten. Die Bundesregierung prüft genau, welche Bedeutung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Februar 2010 zu den Hartz-IV-Regelsätzen für die Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz hat. In der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage im März dieses Jahres hat die Bundesregierung bereits deutlich gemacht, dass es sich dabei um komplizierte Sach- und Rechtsfragen handelt, deren Prüfung noch nicht abgeschlossen ist. Keineswegs ist seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klar, wie es der vorliegende Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen suggeriert, dass die Leistungen für Asylbewerber nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Das Bundesverfassungsgericht führt in seinen Entscheidungsgründen eben aus, dass der Gesetzgeber für die Hilfeleistung gruppenbezogene Differenzierungen vornehmen kann. Eine solche Differenzierung liegt dem Asylbewerberleistungsgesetz zugrunde. Wir reden hier von Asylbewerbern. Das bedeutet, dass es also nicht um einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland geht, sondern um eine vorübergehende Versorgung der Betroffenen bis zu einer Entscheidung über ihren Asylantrag. Leistungen für eine Integration sind daher nicht erforderlich. Aus diesem Grund dürfen die Grundleistungen für eine eingeschränkte Zeit geringer ausfallen. Außer Frage steht dabei natürlich, dass die Asylbewerber gerade im Vergleich zu anderen Nationen ausreichend unterstützt werden. Dies beinhaltet selbstverständlich auch den Bereich der medizinischen Versorgung. Um auf die eingangs erwähnte Realitätsferne der Grünen zurückzukommen, möchte ich auf den Ursprung des Asylbewerberleistungsgesetzes zu sprechen kommen. Unter dem damaligen Eindruck massiv steigender Asylbewerberzahlen haben sich CDU/CSU, SPD und FDP im Jahr 1992 auf einen Asylkompromiss geeinigt, auf dessen Grundlage dann ein Jahr später das Asylbewerberleistungsgesetz entstanden ist. Hauptanliegen dieses Gesetzes war und ist es, die Leistungen für Asylbewerber gegenüber der Sozialhilfe zu vereinfachen und auf die notwendigen Bedürfnisse eines vorübergehenden Aufenthaltes in Deutschland abzustimmen. Dieses Gesetz war notwendig und richtig und erfüllt nach wie vor seinen Anspruch. Zum einen gewährleistet es eine ausreichende Versorgung der Asylbewerber für die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik, zum anderen reduziert es aber auch die Zahl der Einreisen von Asylsuchenden nach Deutschland und bewegt die bereits abgelehnten Asylsuchenden bzw. Geduldeten zu einer schnellen Ausreise aus Deutschland. Aber noch einen weiteren wichtigen Punkt dürfen wir in dieser Debatte nicht vergessen: Letztendlich kommt es auch hier wie in so vielen Bereichen auf einen angemessenen Ausgleich zwischen den Leistungszahlungen und den Steuerzahlern an. Das heißt in diesem Fall konkret, einen Ausgleich zwischen den Leistungen der asylsuchenden Menschen auf der einen und den Steuerzahlern auf der anderen Seite zu schaffen. So können wir doch die Augen nicht davor verschließen, dass in Deutschland die steuerzahlenden Leistungsträger unserer Gesellschaft bereits jetzt bis an die Schmerzgrenze belastet werden. Erklären Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, einem Hartz-IV-Empfänger einmal, warum er ebenso viele Leistungen empfangen soll wie ein Asylbewerber, der bedingt durch den nur vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland ganz andere finanzielle Ansprüche hat. Die ohnehin schon strapazierten sozialen Sicherungssysteme würden durch die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes noch mehr unter Druck geraten. Die Forderung einer Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes durch den Entwurf der Grünen entbehrt somit jeglicher Grundlage und dient wohl eher der Pflege der eigenen Klientel als einem konstruktiven Beitrag zum Umgang mit Asylbewerbern. Fazit: Das globale und schwerwiegende Problem steigender Flüchtlingsströme lösen wir nicht dadurch, dass wir die Leistungen für Asylbewerber generell anheben und dadurch unser schlechtes Gewissen zu beruhigen versuchen. Eine ausreichende Versorgung der Asylbewerber bei uns in Deutschland steht dabei jedoch außer Frage. Deshalb sollten wir die Prüfung der Bundesregierung im Hinblick auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil abwarten. Erst dann gibt es eine neue Sachlage. Eine vorherige Diskussion ist völlig überflüssig. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Schade, dass wir die Debatte zum Asylbewerberleistungsgesetz heute nur zu Protokoll führen. Aber besser spät als nie. Auch wir sehen - genau wie die Antragsteller - dringenden Handlungsbedarf. Das Bundesverfassungsgericht hat am 9. Februar 2010 ein wegweisendes Urteil gesprochen. Es geht darum, was ein Mensch braucht, um in Würde leben zu können. Art. 1 des Grundgesetzes spricht dabei von allen Menschen, nicht nur von deutschen Staatsbürgern! Leider gelten hinsichtlich der Absicherung des Existenzminimums unterschiedliche Regeln für deutsche und für viele nicht deutsche Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Für alle, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, gab es seit seiner Einführung im Jahr 1993 keinerlei Erhöhung der Regelsätze. Der tatsächliche Kaufkraftverlust beläuft sich für diesen Zeitraum auf rund 25 Prozent. Schon 2001 haben wir gemeinsam mit den Grünen versucht, die Leistungen für Asylsuchende wenigstens geringfügig heraufzusetzen. Die damalige Mehrheit im Bundesrat von CDU, CSU und FDP brachte unsere Gesetzesinitiative allerdings zum Scheitern. In der Großen Koalition hat sich die Situation für Bezieher nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leider weiter verschlechtert. Sie müssen seither nicht mehr nur drei, sondern jetzt vier Jahre im niedrigen Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes verbleiben, ehe sie Anspruch auf Sozialhilfe haben. Diese Kröte haben wir geschluckt, um dafür im Gegenzug Verbesserungen für geduldete Ausländer beim Zugang zum Arbeitsmarkt durchzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt sehr klare Worte zu Regelsätzen und Härtefällen in der Grundsicherung gesprochen. Wir erwarten, dass nicht nur die Regelsätze in der Sozialhilfe und im Arbeitslosengeld II, sondern auch im Asylbewerberleistungsgesetz entsprechend angepasst werden. Wir haben diese Forderung in unserem Antrag zur Neufestsetzung der Regelsätze vom 2. März 2010 formuliert. Wir wollen, dass die Regelleistung in voller Höhe bar ausgezahlt und nicht als Sachleistung zur Verfügung gestellt wird. 1,34 Euro am Tag - das ist der durchschnittliche gesetzliche Barbetrag, wovon Flüchtlinge und Asylbewerber im Leistungsbezug heute in Deutschland leben müssen. Einer vierköpfigen Familie mit zwei Kindern zwischen 6 und 13 Jahren stehen im Monat 736 Euro zu. Diesen Betrag erhält die Familie aber nicht zwangsläufig in voller Höhe. Die Bundesländer sind nur verpflichtet, einen Barbetrag von lediglich 81,80 Euro auszuzahlen. Der Rest kann in Sachleistungen erbracht werden. Auf das Jahr gerechnet beträgt die Regelleistung - in Bar- und Sachleistungen - für vier Personen 8 832 Euro. Zum Vergleich: Das sächliche Existenzminimum liegt für einen alleinstehenden deutschen Mitbürger im Jahr 2010 bei 7 656 Euro, für Paare bei 12 996 Euro und für Kinder bei 3 864 Euro. Wir hatten im Mai 2009 eine Anhörung zum Asylbewerberleistungsgesetz. Die Sachverständigen waren sich einig: Insbesondere die Sachleistungen, die von der schwarz-gelben Bundesregierung gerne bei jeder Gelegenheit für die Sozialpolitik propagiert werden, erweisen sich als ineffizient, stigmatisierend und schikanierend. Das Zusammenstellen von Essenspaketen entspricht weder einem würdigen Umgang mit den Hilfebedürftigen, noch ergibt es aus finanzieller Sicht Sinn; denn durch den logistischen Aufwand fallen erhebliche Verwaltungskosten an, die eingespart werden könnten. Eine Erhöhung der Regelsätze für Asylbewerber ist von der Union immer wieder mit dem Argument ausgebremst worden, dass durch höhere Leistungen ein wirtschaftlicher Anreiz, nach Deutschland zu kommen, geschaffen würde. Schlepperbanden würden dadurch Tor und Tür geöffnet. Warum aber flüchten Menschen aus ihrer Heimat, und warum suchen sie in einem fremden Land Asyl? In der Regel sind diese Menschen in ihrem Heimatland massiv bedroht. Sie müssen um das eigene Leben und um das ihrer Familie fürchten. In einer solchen existenziellen Situation fragt man nicht danach, wie hoch die Sozialleistungen in dem Land sind, in das man flüchten kann. Man geht dorthin, wo man sicher leben kann. In der Europäischen Union ist darüber hinaus geregelt, dass nur in einem Staat Asyl beantragt werden darf. Das Übereinkommen von Dublin regelt klar, dass das der EU-Staat ist, den der Flüchtling zuerst betritt, und das ist normalerweise nicht Deutschland! Deswegen ist die Zahl der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz seit Jahren stark rückläufig: Im Jahr 1996 hatten wir in Deutschland rund 490 000 Leistungsberechtigte, Ende des Jahres 2008 waren es nur noch knapp 128 000. Das wirkt sich natürlich auch auf die Ausgaben für die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz aus: Hatten wir im Jahr 1996 noch Ausgaben von knapp 2,9 Milliarden Euro, lag diese Summe für das Jahr 2008 bei rund 842 Millionen. Euro. Aber nicht nur die Regelsätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und die Zuteilung von Lebensmitteln oder Gutscheinregelungen sind menschenunwürdig. Es gibt nach wie vor Bundesländer, die Asylbewerbern keine eigene Wohnung zugestehen, sondern lediglich Sammelunterkünfte anbieten. Auch dies müssen wir ändern! Eine nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung von deutschen Sozialleistungsempfängern und Asylbewerbern zeigt sich auch bei der medizinischen Versorgung. Ein Beispiel: Einem Kind von Asylsuchenden wird in der Regel ein dringend notwendiges Hörgerät verweigert. Eine massive sprachliche Entwicklungsstörung wird dabei in Kauf genommen. Traumatisierte Flüchtlinge erhalten keinerlei psychologische Betreuung. Auch die Kinder nicht. Das hat mit Menschenwürde nichts zu tun. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, auch wir sehen dringenden Handlungsbedarf und werden einen Gesetzentwurf einbringen. Wir möchten die Missstände im Asylbewerberleistungsgesetz verändern. Das bedeutet: Anpassung der Regelsätze an die Sozialhilfesätze, Barauszahlung statt Sachleistungen, gleichwertige medizinische Versorgung. Sie fordern eine komplette Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Dafür sehen wir keine politischen Mehrheiten, nicht hier im Bundestag - das könnte sich allerdings bei dem derzeitigen Regierungschaos schnell ändern -, aber es müssen auch die Länder zustimmen. Sie fordern in Ihrer Gesetzesinitiative, dass für Asylsuchende und deren Angehörige die Rechtskreise der Grundsicherung für Arbeitsuchende bzw. der Sozialhilfe gelten sollen. Das würde bedeuten, dass erwerbsfähige Asylsuchende sofort eine Förderung zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erhalten. Bei ungeklärtem Aufenthaltsstatus ist das aus unserer Sicht kein geeigneter Weg. Zu diesem Schluss kommt auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Deswegen spricht sich die SPD-Bundestagsfraktion dafür aus, das Asylbewerberleistungsgesetz als Rechtskreis beizubehalten. Man muss aber, wie bereits ausgeführt, das Asylbewerberleistungsgesetz grundgesetzkonform und menschenwürdig ausgestalten. Miriam Gruß (FDP): Asylbewerbern muss bestmöglich geholfen werden. In erster Linie brauchen sie eine wirkliche Perspektive für ihr weiteres Leben. Ihr Antrag bietet da leider keine Lösungen. Eines ist klar: Viele Zustände, in denen Asylbewerber leben, sind nicht akzeptabel, so bei Teilen ihrer Unterbringung. Was hier manchenorts lange Zeit Alltag war und teilweise noch ist, war und ist nicht hinnehmbar. Wir setzen uns jetzt intensiv für eine Verbesserung dieser Verhältnisse ein. Die Koalition befasst sich deshalb mit unterschiedlichen Ansätzen, um die Situation von Asylbewerbern zu optimieren. Im Folgenden möchte ich Ihnen diese gern skizzieren. Uns Liberalen war es wichtig, die Prüfung des Sachleistungsprinzips im Koalitionsvertrag zu verankern. Die Bundesregierung wird dies umsetzen, um dann den Asylbewerbern möglichst eine schnelle Hilfe zuteil werden zu lassen. Dass es immer Spielräume gibt für praktische Verbesserungen, beweist mein Heimatland Bayern. Die ersten Korrekturen sind dort eingeleitet. Künftig dürfen Familien und Alleinerziehende nach Abschluss ihres Asylverwaltungsverfahrens in eine eigene Wohnung ziehen. Das ist ein erster, wichtiger Schritt. Außerdem sieht der Koalitionsvertrag auf Bundesebene vor, die Residenzpflicht so auszugestalten, dass eine hinreichende Mobilität, insbesondere im Hinblick auf eine zugelassene Arbeitsaufnahme, möglich ist. Das ist ein Beispiel, das Schule machen kann. Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelsätzen ist im Zusammenhang mit der Höhe der Leistungen für Asylbewerber zu beachten. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 9. Februar 2010 entschieden, dass die Regelleistung für Erwachsene und Kinder nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfüllen. Dieses Urteil hatte bereits die Fraktion Die Linke zum Anlass genommen, die Bundesregierung im Rahmen einer Kleinen Anfrage vom 17. Februar 2010 nach den Auswirkungen auf das Asylbewerberleistungsgesetz zu fragen. Das BVerfG hat mit seinem Urteil den Gesetzgeber beauftragt, dieses Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum zu konkretisieren. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist mit der Ausarbeitung eines Lösungsansatzes betraut, der für Herbst dieses Jahres zu erwarten ist. Für uns Liberale ist neben der rechtlichen Situation von Asylbewerbern eines besonders wichtig: Wir möchten die Möglichkeit fördern, dass Asylbewerber möglichst schnell einen Zugang zum Arbeitsmarkt finden. Es ist Teil des liberalen Selbstverständnisses, dass die Menschen ihren Lebensunterhalt ganz oder teilweise selbst erwirtschaften können. Durch einen solchen Schritt würde man den Asylbewerbern wirklich eine Perspektive bieten. Ihr Gesetzentwurf führt gerade in diesem zentralen Bereich nicht zu einer Verbesserung. Vielmehr geht es auch hier darum, die Anspruchsberechtigten in finanzieller Abhängigkeit des Staates zu halten. Lassen Sie mich eines noch zum Ende sagen: Es ist schon erstaunlich, dass Sie jetzt das fordern, was Sie in Ihrer Regierungszeit längst hätten umsetzen können. Sie entlarven damit Ihren Antrag als einen reinen Scheinantrag. Wir als Regierungskoalition halten uns lieber an die Realität und machen eine Politik, die sich am Menschen orientiert, damit die Asylbewerber eine echte Chance auf ein eigenständiges Leben bekommen. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde 1993 beschlossen, um Asylbewerber von einer Flucht nach Deutschland abzuschrecken. Es war Teil des sogenannten Asylkompromisses, also der faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl in Deutschland. Dieses Gesetz arbeitet mit der Unterstellung, Asylbewerber kämen ohnehin nur wegen des Bezugs von Sozialleistungen nach Deutschland. Es bedient rassistische Vorstellungen von vermeintlichen Wirtschaftsflüchtlingen und Sozialschmarotzern, gegen die sich Deutschland endlich zur Wehr setzen müsse. Und es wurde noch ein weiteres Argument ins Feld geführt. Da die Betroffenen ja sowieso nur kurze Zeit in Deutschland bleiben würden, brauchten sie auch nur das Allernötigste zum Leben. Die verringerten Sozialleistungen sollen auch eine Integration in die Gesellschaft verhindern. Dieses Gesetz ist nicht nur in seinen Grundannahmen rassistisch, es befördert auch Rassismus in der Gesellschaft; denn in diesem Gesetz ist auch die Unterbringung von Asylbewerbern in Wohnheimen geregelt. Damit trägt dieses Gesetz zur Stigmatisierung von Asylsuchenden aktiv bei. Sie werden zum leichten Ziel für rassistische Attacken und Pöbeleien bis hin zu gewalttätigen Angriffen. Die Serie von Brandanschlägen auf Asylbewerberunterkünfte zu Beginn der 90er-Jahre hat dies auf erschreckende Art vor Augen geführt. Der größte Skandal an diesem gesamten Gesetz ist aber, dass hier eine ganze Menschengruppe allein aufgrund ihrer Herkunft und ihres Aufenthaltsstatus weit unter dem Existenzminimum vegetieren muss. Diese Menschen erhalten nur 60 Prozent des Satzes, den Empfänger von Hartz-IV-Leistungen erhalten. Zudem gilt das diskriminierende Sachleistungsprinzip. Neben der Unterbringung in Wohnheimen bedeutet das Ausgabe von Kleidung und Nahrungsmittelpaketen oder Gutscheinen. Damit wird diesen Menschen jede Möglichkeit genommen, selbst zu bestimmen, was sie essen und welche Kleidung sie tragen. Und das gilt nicht nur vorübergehend. Zuletzt hat die Koalition aus SPD und Union das Gesetz dahin gehend geändert, dass die Betroffenen nun vier Jahre lang unter dieses Sonderregime fallen, vier Jahre, in denen keine Integration dieser Menschen stattfinden soll, vier Jahre, in denen sie übrigens auch nicht durch eigene Arbeitsleistung ihre Situation verbessern können, weil sie einem Arbeitsverbot unterliegen. Wir alle wissen, wie schwer es für Langzeitarbeitslose ist, wieder in das Berufsleben einzusteigen. Bei diesen Menschen kommen noch sprachliche Schwierigkeiten hinzu; denn Sprachkurse und Ähnliches können sie nicht besuchen. Dieses Gesetz dient also der systematischen Ausgrenzung von Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlingen, soweit sie auch unter die Regelungen des Gesetzes fallen. Es zielt darauf, eine Integration dieser Menschen zu verhindern und das Abschreckungspotenzial dieser Regelungen aufrechtzuerhalten. Das Asylbewerberleistungsgesetz verletzt eklatant das Recht jedes Menschen auf ein Leben in Würde. Diese und alle vorhergehenden Bundesregierungen stellen dieses Menschenrecht unter einen Kostenvorbehalt. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern Ole Schröder hat zu Beginn dieser Woche bei einem Symposium des UN-Flüchtlingshilfswerks weiteren Widerstand Deutschlands gegen neue EU-Regelungen angekündigt, Asylbewerber und Bezieher von Sozialleistungen gleichzustellen. Selbst Verbesserungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt werden von dieser Bundesregierung abgelehnt. Die Bundesregierung ignoriert dabei im Übrigen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Festlegung der Hartz-IV-Sätze für Kinder. Das Gericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, ein transparentes und sachgerechtes Verfahren zur realitätsgerechten Bedarfsermittlung zu wählen. Das betrifft Asylbewerber ganz offensichtlich genauso wie die Kinder von Hartz-IV-Empfängern. Denn in diesem Fall hat der Gesetzgeber einfach einmal vor 18 Jahren einen Regelsatz festgeschrieben. Der Bedarf wurde also nicht ermittelt, sondern schlicht politisch festgelegt. Darüber hinaus wurde er niemals erhöht, sondern stattdessen wurde die Bezugsdauer immer weiter ausgedehnt. Legt man die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts in dem genannten Urteil an das Asylbewerberleistungsgesetz an, ist vollkommen klar: Dieses Gesetz ist verfassungswidrig und muss endlich abgeschafft werden. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die schwarz-gelbe Koalition beschwört jetzt die bürgerlichen Tugenden, entnehme ich der Presse. Eine dieser Tugenden ist, sich an Gesetze zu halten, zuvörderst an das Grundgesetz, dort an Art. 1, der die Grundrechte einleitet und gleichzeitig programmatische Grundaussage unserer Verfassung ist. Dort heißt es: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Es heißt nicht: Die Würde der Deutschen ist unantastbar." - Dementsprechend gelten die Leitsätze des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar zu den ALG-II-Regelsätzen nicht nur für Deutsche, sondern für alle Menschen im Geltungsbereich des Grundgesetzes. Das menschenwürdige Existenzminimum ist zu gewährleisten und nach einem transparenten und nachvollziehbaren Verfahren zu ermitteln. Das Bundesverfassungsgericht sagt ganz klar, dass das soziokulturelle Existenzminimum nicht "ins Blaue hinein" zu schätzen ist. Es dürfte doch hier allen einleuchten, dass das selbstverständlich ein universaler Anspruch ist, der nicht nur für das Zweite Buch Sozialgesetzbuch gilt. Dieser gilt für alle Menschen, und deshalb brauchen wir kein Sondergesetz, das Menschenwürde für Flüchtlinge separiert und im Ergebnis Menschen in ihrer Würde herabsetzt. Doch seit es das Asylbewerberleistungsgesetz gibt, seit 17 Jahren, geschieht genau dies mit vielen Menschen. Ob asylsuchend, ob geduldet oder bleibeberechtigt, der Aufenthaltstitel unterscheidet sich, nicht aber die Unterversorgung. Die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes liegen um ein Drittel unter den ohnehin schon zu niedrig bemessenen Sätzen des SGB II. Und sie sind, entgegen geltender Rechtslage, nach § 3 Abs. 3 Asylbewerberleistungsgesetz nie angepasst worden - nicht ein einziges Mal in 17 Jahren. Da sage ich nur: Bürgerliche Tugenden? Von wegen. Stattdessen will ich die Kolleginnen und Kollegen hier in diesem Hause fragen, die alle erkennbar keinen Hunger leiden: Wie soll man mit 40,90 Euro "Taschengeld" und 184,07 Euro für Ernährung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts im Monat als erwachsener Haushaltsvorstand auskommen? Und dann noch ein Hinweis: Das Geld wird nicht unbedingt auf das Girokonto überwiesen. Stattdessen gibt es regelmäßig Gutscheine und Sachleistungen. Was für ein Unsinn und was für ein Bürokratiewahn! Schon all dies rechtfertigt die sofortige Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Einen weiteren wichtigen Punkt darf ich mir nicht ersparen: Zum Gesundheitssystem in Deutschland haben Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen, keinen Zugang. Nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen gibt es Hilfe. Konkret heißt das: keine Prävention, keine Untersuchungen. Es muss schon erst so schlimm sein, dass der Krankenwagen vorfahren muss, bevor es Hilfe gibt. Überlegen Sie sich einmal, welche Situationen in Ihrem Leben bei einer solchen medizinischen Versorgung schon ganz anders hätten ausgehen können! Ich denke, einige hier hätten Chancen, diese Debatte aus dem Jenseits zu betrachten. Besonders unmenschlich ist, dass die Bundesregierung bewusst die sogenannte EU-Aufnahmerichtlinie nicht umsetzt. Deshalb gibt es für von physischer, psychischer oder sexueller Gewalt betroffene Flüchtlinge auch keinen Therapieanspruch, der garantiert ist. Die Menschen sind auf den guten Willen angewiesen. Auch Leistungsbeziehende nach dem Asylbewerberleistungsgesetz brauchen endlich eine vernünftige Krankenversicherung, so wie wir alle sie haben. Angeblich hat das wohl auch die Bundesregierung verstanden. Sonst wäre gar nicht zu erklären, dass sie auf europäischer Ebene im Stockholmer Programm zur EU-Rechtspolitik erst im Dezember zugestimmt hat, dass Flüchtlinge in der EU überall ähnliche Lebensbedingungen haben sollen. Aber an der praktischen Umsetzung hapert es dann gewaltig. Das ist das übliche System dieser Bundesregierung: Sonntagsreden, wenn man zu Gast in Europa ist, hier in Deutschland nichts tun, wenn es um Menschen geht, die Hilfe benötigen. Staatssekretär Ole Schröder geht es aber nur um angeblich anfallende Kosten, weil "die Vorschläge der EU-Kommission ... die Asylverfahren verlängern und verteuern" würden - so zitiert in der taz vom 15. Juni 2010). Ein merkwürdiges Politikverständnis. Geht es doch beim Asyl häufig um Leben und Tod. Von christlicher Nächstenliebe zeugt diese Haltung nicht. Diesmal sollte der Gesetzgeber das Heft des Handelns nicht aus der Hand geben. Anders als beim ALG-II-Regelsatz hat er die Möglichkeit, einen offensichtlichen Verfassungsbruch selbst zu heilen. Wir alle sollten sie nutzen. 17 Jahre nach Inkrafttreten des Asylbewerberleistungsgesetzes ist es Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen, Schluss zu machen mit einem Gesetz, das Menschen ausgrenzt, Schluss zu machen mit einem Gesetz, das diskriminiert und extrem bürokratisch ist, Schluss zu machen mit einem Gesetz, dass Menschen das Existenzminimum vorenthält und ihnen nicht die Möglichkeit gibt, in Deutschland ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Sagen Sie Nein zur Diskriminierung und damit Ja zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeswaldgesetzes - Beschlussempfehlung und Bericht: - Antrag: Bundeswaldgesetz nachhaltig gestalten - Schutz und Pflege des Ökosystems für heutige und künftige Generationen - Antrag: Bundeswaldgesetz ändern - Naturnahe Waldbewirtschaftung fördern - Antrag: Das Bundeswaldgesetz novellieren und ökologische Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung einführen - Unterrichtung: Waldbericht der Bundesregierung 2009 (Tagesordnungspunkt 17 a und b) Alois Gerig (CDU/CSU): Bei der Novellierung des Bundeswaldgesetzes biegen wir heute auf die Zielgerade ein. Der heute zur abschließenden Beratung stehende Gesetzentwurf wurde vom Land Niedersachsen über den Bundesrat eingebracht. Die Koalitionsfraktionen haben am Gesetzentwurf wichtige Ergänzungen vorgenommen. Mit dem Gesetzentwurf wollen wir notwendige Änderungen am Bundeswaldgesetz vornehmen und gleichzeitig an Bewährtem festhalten. Die Koalition lässt sich bei der Bundeswaldgesetznovelle von der Zielsetzung leiten, die vielfältigen Funktionen des Waldes für Pflanzen, Tiere und den Menschen zu erhalten. Intakte Wälder sind notwendig, um die biologische Vielfalt zu bewahren. Als CO2-Speicher sind unsere Wälder zudem aktive Klimaschützer. Für den Menschen leistet der Wald nicht nur einen wichtigen Beitrag für die Trinkwasserversorgung und zum Immissionsschutz; der Mensch findet im Wald auch Ruhe und Erholung. Daneben hat der Wald eine zunehmend große wirtschaftliche Bedeutung: Die Forst- und Holzwirtschaft sorgt nicht nur für Wertschöpfung im ländlichen Raum, sie ist dort auch ein wichtiger Arbeitgeber. Die Aufgabe der Waldpolitik ist, die unterschiedlichen Waldfunktionen in einen vernünftigen Ausgleich zu bringen. Dies ist vor dem Hintergrund des Klimawandels keine leichte Aufgabe. Ich bin überzeugt, dass wir mit dieser Bundeswaldgesetznovelle die richtige Richtung einschlagen, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Der Gesetzentwurf sieht als Erstes vor, den Waldbegriff zu präzisieren. Künftig sollen Kurzumtriebsplantagen nicht unter den Waldbegriff des Bundeswaldgesetzes fallen. Auf Kurzumtriebsplantagen werden schnell wachsende Bäume und Sträucher angebaut, um innerhalb weniger Jahre den nachwachsenden Rohstoff Holz ernten zu können. Kurzumtriebsplantagen sind kein Wald, weil sie nicht auf dauerhafte und nachhaltige Nutzung ausgelegt sind. Diese Kulturform ist eindeutig landwirtschaftlich geprägt. Es ist deshalb richtig, Kurzumtriebsplantagen vom Waldbegriff auszunehmen. Mit der angestrebten Gesetzesänderung werden bessere Bedingungen für Kurzumtriebsplantagen geschaffen. Holz ist der mit Abstand wichtigste erneuerbare Energieträger in Deutschland. In den kommenden Jahren ist mit steigender Nachfrage nach Energieholz zu rechnen. Kurzumtriebsplantagen können dazu beitragen, das Potenzial an Energieholz zu vergrößern, ohne dass wir die Nachhaltigkeit der Waldbewirtschaftung gefährden. Beim Waldbegriff muss noch an einer weiteren Stelle nachgebessert werden. Wir wollen, dass mit Forstpflanzen teilweise bestockte Flächen, die landwirtschaftlich genutzt werden und deshalb unter die InVeKoS-Verordnung fallen, kein Wald im Sinne des Bundeswaldgesetzes sind. Die bessere Abgrenzung zwischen landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen dient dem Ziel, Almen aus dem Waldbegriff herauszunehmen und ihre Bewirtschaftung dauerhaft zu ermöglichen. Dies ist im Alpenraum nicht nur für die betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe von Bedeutung. Die Almwirtschaft leistet seit Generationen einen wertvollen Beitrag zur Pflege der Kulturlandschaft und für die Offenhaltung der Flächen. Almen sind aus diesem Grund auch für den Tourismus äußerst wichtig. Mit dem Gesetzentwurf wollen wir des Weiteren erreichen, dass forstwirtschaftliche Vereinigungen das Holz ihrer Mitglieder vermarkten dürfen. Forstwirtschaftliche Vereinigungen sind Zusammenschlüsse von Forstbetriebsgemeinschaften, die wiederum Zusammenschlüsse von Waldeigentümern sind. Zu den Aufgaben der forstwirtschaftlichen Vereinigungen gehört beispielsweise die Beratung ihrer Mitglieder. Die Vermarktung von Holz ist ihnen bislang nicht erlaubt. Die Entwicklung der Holzindustrie ist seit einigen Jahren durch Konzentrationsprozesse geprägt. Den rund 2,9 Millionen Waldbesitzern und Kleinstwaldbesitzern in Deutschland stehen immer weniger - aber dafür mächtige - Holzabnehmer gegenüber. Damit sich Erzeuger und Abnehmer auf Augenhöhe begegnen können, wollen wir es den forstwirtschaftlichen Vereinigungen ermöglichen, das Holz ihrer Mitglieder zu vermarkten. Mit der Gesetzesänderung will die Koalition dazu beitragen, dass sich die forstwirtschaftlichen Strukturen marktgerecht entwickeln können und die Forstwirtschaft ein starkes wirtschaftliches Standbein des ländlichen Raums bleibt. Eine weitere Neuregelung betrifft die Verkehrssicherungspflicht im Wald. Es geht um die Frage, wer haftet, wenn Besucher im Wald zu Schaden kommen. Von Waldbesitzern wird aus Naturschutzgründen verlangt, vermehrt Totholz - umgefallene Bäume oder abgefallene Äste - im Wald zu belassen. Dadurch ergeben sich mehr Gefahrensituationen für Erholungssuchende. Dies ist deshalb problematisch, weil die Anzahl der Erholungssuchenden zugenommen hat und sich auch die Erholungsformen ändern; Beispiele hierfür sind Joggen und Mountainbikefahren. Der Wald ist als Erholungsraum unverzichtbar. Die erfreulich vielen Waldbesucher sind ein wesentlicher Grund dafür, dass der Wald in Deutschland eine hohe Wertschätzung genießt und der Schutz des Waldes in der gesamten Gesellschaft unumstritten ist. Da der Wald für alle zugänglich ist und dies auch bleiben soll, kann der Waldbesitzer seiner Verkehrssicherungspflicht nicht dadurch nachkommen, dass er den Zutritt zum Wald verwehrt. Deshalb muss im Bundeswaldgesetz nun klargestellt werden, dass Waldbesitzer für waldtypische Gefahren nicht haften. Im Gesetzgebungsverfahren hat die Koalition geprüft, ob der niedersächsische Gesetzentwurf ausreichend ist. Neben der bereits angesprochenen Herausnahme der Almen aus dem Waldbegriff halten wir weitere Änderungen am Bundeswaldgesetz für erforderlich. So wird der Begriff Staatswald eindeutiger definiert, weil viele Forstverwaltungen in Körperschaften des öffentlichen Rechts oder andere Rechtsformen umgewandelt wurden. Da viele Wälder Bodendenkmäler aufweisen oder aus Parkanlagen oder Friedhöfen hervorgegangen sind, stellen wir sicher, dass in Zukunft der Denkmalschutz im Wald berücksichtigt wird. Unser Wald ist ein Kulturgut. Damit Deutschland seine Berichtspflichten gegenüber der Europäischen Union und gegenüber dem Klimasekretariat der UN-Klimarahmenkonvention besser erfüllen kann, wird zudem die Bundeswaldinventur zu einem umfassenden Waldmonitoring ausgeweitet. Die Vorschläge der Opposition haben wir geprüft. Die Forderung, die gute fachliche Praxis im Bundeswaldgesetz zu verankern, kann die Union nicht unterstützen. Wir sehen uns in unserer Auffassung durch die Anhörung bestätigt. Aufgrund der regionalen Besonderheiten in der Waldstruktur ist es zweckmäßig, dass die ordnungsgemäße Waldbewirtschaftung wie bisher durch die Länder geregelt wird. Da die Holzvorräte der Wälder in den vergangenen Jahren zugenommen haben und unsere Wälder bereits jetzt einen unverzichtbaren Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt leisten, halte ich eine bundeseinheitliche Festlegung der guten fachlichen Praxis für entbehrlich. Wichtiger als neue bürokratische Vorschriften erscheint mir, dass in der Forstwirtschaft und in der Forstverwaltung gut ausgebildete Fachkräfte eingesetzt werden. Dies stellt sicher, dass das Holz fachgerecht dem Wald entnommen wird und die Wälder naturnah und nachhaltig weiterentwickelt werden. Meinungsverschiedenheiten in der Frage, ob die gute fachliche Praxis ins Waldgesetz gehört, haben in der Großen Koalition eine Novellierung des Bundeswaldgesetzes blockiert. Die Koalition aus Union und FDP nimmt nun die notwendigen Änderungen vor und leistet damit einen wichtigen Beitrag, unseren Wald auf die Zukunft vorzubereiten. Dies zeigt einmal mehr: Die christlich-liberale Koalition zahlt sich für unser Land aus. Mit der Änderung des Bundeswaldgesetzes nehmen wir wichtige Weichenstellungen vor: Wir stellen den Anbau von Energieholz auf eine neue Rechtsgrundlage und unterstützen so den Ausbau erneuerbarer Energien. Für Waldbesitzer schaffen wir mehr Rechtssicherheit in Haftungsfragen und stärken zudem ihre Stellung auf dem Holzmarkt. Wir sichern die Almwirtschaft und sorgen dafür, dass in unserem Kulturgut Wald der Denkmalschutz größere Beachtung findet. Dies sind alles gute Gründe, die Bundeswaldgesetznovelle heute zu beschließen. Mit der Gesetzesänderung erreichen wir, dass unser Wald - immerhin 31 Prozent der Fläche Deutschlands - zukünftig neben allen angesprochenen Funktionen auch als grüne Lunge für unsere Bevölkerung dienen kann. Ich bitte um Ihre Zustimmung. Petra Crone (SPD): Der dritte Anlauf, das Bundeswaldgesetz zeitgemäß und nachhaltig zu gestalten, ist gescheitert. Union und FDP verweigern sich ihrer Verantwortung für unsere Lebensgrundlage Wald, indem sie naturschutzfachlichen Aspekten im Bundeswaldgesetz eine klare Absage erteilen. Starrsinnig verneinen die Regierungskoalitionen die ökologischen und ökonomischen Zusammenhänge im Wald. Dadurch liefern sie ein Bundeswaldgesetz ab, das weit hinter den Erwartungen vieler forstlicher Akteure und Akteure des Naturschutzes zurückbleibt. Für die SPD-Bundestagsfraktion war und ist die Integration eines Mindestmaßes an Naturschutz auf der gesamten Waldfläche unabdingbar. Gemeinsam mit Verbändevertretern fordern wir weiterhin die Verankerung der guten fachlichen Praxis im Bundeswaldgesetz. Nach der erfolgten Anhörung sprach noch mehr für die Aufnahme der Zielstellung einer guten fachlichen Praxis in die Bundesgesetzgebung als bereits vorher. Union und FDP haben nur mit einem Ohr den Sachverständigen zugehört. Auf dem naturschutzfachlichen Ohr sind sie taub. Dabei liegt eine ressourcenschonende und nachhaltige Bewirtschaftung klar im ureigenen, ja gar existenziellen Interesse des Waldbesitzers. Erfreulicherweise hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Die Entwicklung geht weg von reinen Nadelbaumkulturen hin zu mit Laubbäumen durchsetzten Mischwäldern. Ich begrüße dies ausdrücklich; denn Mischwälder sind stabiler gegen Witterungsverhältnisse und Baumschädlinge als die Nadelbaumkulturen der Vergangenheit. Mischwälder machen deshalb sowohl für die Umwelt als auch unter forstwirtschaftlichen Gesichtspunkten Sinn. Des Weiteren wirtschaftet eine hohe Zahl von Betrieben der Forstwirtschaft bereits auf einem hohen ökologischen Standard, einem Standard, der oftmals über die naturschutzfachlichen Mindestanforderungen laut GfP hinausreicht. Ökologische Waldnutzung und die Vermarktung ökologischer Holzprodukte gehen Hand in Hand. Umso unverständlicher ist, dass Union und FDP in den 70er-Jahren feststecken. Ich bin schon enttäuscht, dass das Gesprächsangebot aus meiner ersten Rede keinen Widerhall fand, liebe Frau Kollegin Happach-Kasan, meine von Ihnen so gelobte Charmeoffensive hin oder her. Nicht jeder Waldbesitzer achtet seinen Besitz. Auch das ist eine Tatsache, die man dem Waldbericht der Bundesregierung entnehmen kann. Sie scheinen immer noch glauben zu wollen, liebe Kollegen und Kolleginnen der Koalition, dass gierige Investoren vor der Natur haltmachen. Wer schnelles Geld verdienen will, dem ist egal, dass nach einem Kahlschlag die Waldfläche für Jahrzehnte keine Nutzungen mehr abwirft und die Leistungsfähigkeit des Waldbodens empfindlich zerstört wird. Berichte, in denen unseriöse Holzeinschlagsunternehmen den Waldbesitzern einen Kahlschlag empfehlen oder private Investoren innerhalb weniger Tage so viel Holz einschlagen, dass eine weitere nachhaltige Entwicklung des Waldes auf lange Sicht nicht mehr möglich ist, sind leider keine Seltenheit mehr. Daraus resultierend ist es eine Bagatellisierung, wenn vonseiten der Koalitionsfraktionen immer wieder gesagt wird, dass in unseren Wäldern die Dinge zum Besten stünden. Die Mindestanforderungen der guten fachlichen Praxis, verankert in einem Bundesgesetz, könnten in diesen Fällen entsprechende Sanktionierungen nach sich ziehen, die der bezweckten Garantiewirkung einer ökologischen Mindestsicherung Rechnung tragen. Häufig sind die Landeswaldgesetze eben nicht ausreichend hinsichtlich ihrer mit Ordnungswidrigkeiten belegten Regelungen oder diese fehlen in einigen Ländern in Gänze. Es kann auch nicht trösten, dass das Bundeswaldgesetz an der einen oder anderen Stelle an Effizienz gewinnt. Als Resultat aus naturschutzfachlicher Sicht bleibt es ein Fossil aus dem Jahre 1975. Mit keinem Federstrich werden die Ursachen der Missstände in unseren deutschen Wäldern bekämpft. Ich bin verwundert, dass sich die Kollegen und Kolleginnen der Linken durch ihre Zustimmung zum Gesetz mit so wenig zufrieden geben, zumal sie in ihrem Antrag ein anderes, besseres Bundeswaldgesetz fordern. Diese Gesetzesänderung begünstigt alleinig Waldnutzer. Sie vernachlässigt komplett den Adressaten von Waldpolitik, sprich: den heimischen Wald selbst mit seinen 4 000 Pflanzen- und rund 7 000 Tierarten. Wir lehnen auch die Änderung hinsichtlich der Almflächen ab. Diese Ergänzung führt dazu, dass in den bayerischen Alpen circa 7 000 Hektar Bergwald und davon die Hälfte ausgewiesener Schutzwald aus der Walddefinition herausfallen. Damit unterliegen sie nicht mehr dem Schutz des Bundeswaldgesetzes. Berg- und Schutzwälder haben eine zentrale Bedeutung für den Erosions-, Lawinen- und Hochwasserschutz. Hier wird auf dem Umweg über Berlin ureigene bayerische Landespolitik erledigt, um vor Ort keine Aufregung zu verursachen und geräuschlos die Klientel zu bedienen. Auch dem Ausgleich zwischen Almbauern und Waldschützern, der von der Kollegin Cornelia Behm beantragt wurde, verweigerten Sie Ihre Zustimmung. Die Bitte der Almbauern haben Sie aber gern erfüllt. Um unseren Wald, dessen Erzeugnisse und Leistungen offenkundig immens sind, haben sich Union und FDP hingegen nicht bemüht. Der Wald ist mit seinen Multifunktionen unersetzbar, und es bedarf für seine Zustandsverbesserung verstärkt einer nationalen und internationalen Politik für Nachhaltigkeit. Ein gesunder Wald muss Zielmarke von Waldpolitik sein. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Ich freue mich sehr, dass es der christlich-liberalen Koalition gelungen ist, die überfällige Änderung des Bundeswaldgesetzes zum Abschluss zu bringen. Es ist der dritte Anlauf: Rot-Grün ist gescheitert, Schwarz-Rot ist gescheitert, jetzt klappt es. Das ist ein schöner Erfolg für den Wald, die Waldbesitzer, die nachhaltige Produktion von Biomasse und die bessere wissenschaftliche Begleitung der vom Klimawandel verursachten Änderungen im Wald. Ich bedanke mich für die Zustimmung der Linken, deren Anregung aus der Anhörung wir gern umgesetzt haben. Das Bundeswaldgesetz hat sich insgesamt bewährt; aber vor allem in drei Bereichen ist eine Ergänzung erforderlich geworden: bei der Verkehrssicherungspflicht, der Walddefinition und der Holzvermarktung durch forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse. Durch die multifunktionale Nutzung der Wälder ergeben sich verschiedene Zielkonflikte zwischen Waldbesitzern und Erholungssuchenden. Im Interesse der faunistischen Biodiversität sind in den vergangenen Jahren die Totholzanteile im Wald gesteigert worden. Damit ist die Gefahr gestiegen, dass Menschen durch abfallende Äste oder umstürzende Bäume zu Schaden kommen. Für die Waldbesitzer, die den Wald bewirtschaften, entstehen hierdurch spezielle Anforderungen. Sie sind durch das Gesetz verpflichtet, das freie Betretungsrecht zu gestatten; allerdings erfolgt das Betreten auf eigene Gefahr. Wir wollen, dass Waldbesitzer nicht für ihre Dienste zum Wohle der Allgemeinheit belastet werden. Die Verkehrssicherungspflicht an Waldwegen bleibt bestehen; aber waldtypische Gefahren werden in Zukunft von der Haftung ausgeschlossen sein. Ein Blick auf verschiedene Gerichtsurteile der letzten Jahre zeigt, dass wir mit dieser Formulierung Waldbesitzer entlasten können. Wir sind uns allerdings bewusst: Wir können durch Regelungen im Bundeswaldgesetz nicht die Haftungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches aushebeln. Die Holznutzung hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend in Zukunft noch verstärkt. Die Produktion von Biomasse in Kurzumtriebsplantagen, KUP, hat gegenüber Monokulturen wie dem Maisanbau ökologische Vorteile: Sie zeigen eine deutlich höhere Biodiversität und benötigen weniger Dünge- und Pflanzenschutzmittel. Der Wissenschaftliche Beirat des Agrarministeriums hatte schon im Jahr 2007 in seinem Gutachten auf die ökologischen und ökonomischen Vorteile der Nutzung von Holz aus Kurzumtriebsplantagen hingewiesen. In verschiedenen Regionen Deutschlands gibt es daher Projekte, in KUP Holz für die energetische und stoffliche Nutzung zu produzieren. Diese Projekte können Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Produktionen von Biomasse nur erreichen, wenn sie Rechtssicherheit haben. Dafür müssen Kurzumtriebsplantagen und auch Agroforstsysteme vom Waldbegriff ausgenommen werden. Angesichts der deutlichen ökologischen und ökonomischen Vorteile der Produktion von Biomasse in Agroforstsystemen gegenüber dem Maisanbau ist diese Weichenstellung überfällig. Die Herausnahme der licht bewaldeten Bergalmen im Alpenraum erfolgte auf bayrischen Wunsch. Um die traditionelle Bewirtschaftungsform zu gewährleisten, haben wir einen vernünftigen Weg gefunden, der sich an einer fortdauernden landwirtschaftlichen Nutzung der betroffenen Flächen orientiert. Bei Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung und zunehmender Bestockung werden diese Almen zu Wald. Die Umsetzung der Alpenkonvention wird durch diese Klarstellung gestärkt. Schutzwälder sind keine landwirtschaftlich genutzten Flächen und daher von der Regelung nicht betroffen. Wälder sind ein Archiv der Kulturgeschichte. Der Limes, slawische Wallanlagen, mittelalterliche Pflugspuren sind Beispiele für kulturgeschichtliche Entwicklungen, die in Wäldern bewahrt wurden. Historische Parkanlagen und Friedhöfe sind mit ihrem teilweise großen Baumbestand ebenfalls Wälder. Der Denkmalcharakter dieser Anlagen verdient besonderen Schutz. Wir wollen, dass die Bewirtschaftung der Wälder auch ihre kulturgeschichtliche Dimension berücksichtigt, und haben dafür den § 11 ergänzt. Diese Anpassung wird die Pflege und den Erhalt der bedeutenden Kulturgüter im Rahmen des Waldgesetzes vereinfachen. Die multifunktionale Nutzung unserer Wälder gibt Freiräume, auch denkmalpflegerische Aspekte bei der Waldnutzung zu berücksichtigen. In einem Aufsatz, veröffentlicht in Band 55 der Schriftenreihe des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz, wurde die Forstwirtschaft pauschal als Monokultur-Kahlschlag-Methode bezeichnet. Ein solches Zerrbild hat nichts mit der forstwirtschaftlichen Realität in Deutschland zu tun und kann daher auch eine Herausnahme von historischen Parkanlagen aus dem Geltungsbereich des Bundeswaldgesetzes nicht begründen. Im Bereich der Sägewerke hat in den letzten Jahren eine erhebliche Konzentration stattgefunden. Der Privatwald ist dagegen überwiegend klein strukturiert. Fast 60 Prozent der Waldbesitzer bewirtschaften Wälder, die kleiner als 20 Hektar sind. Wir wollen deren Möglichkeiten, ihr Holz gemeinsam zu vermarkten, verbessern. Um die nachhaltige und wirtschaftliche Nutzung dieser Ressourcen zu verbessern, wollen wir die forstwirtschaftlichen Vereinigungen in die Lage versetzen, diese Waldbesitzer bei der Vermarktung des bedeutendsten nachwachsenden Rohstoffes Holz zu unterstützen. Zu diesem Zweck haben wir mit Änderungen in § 37 und § 40 die forstwirtschaftlichen Vereinigungen bessergestellt. Dies wird eine größere Flexibilität schaffen und gleichzeitig den Verwaltungsaufwand deutlich reduzieren. Insbesondere die Holzvermarktung der privaten Kleinwaldbesitzer wird gestärkt und kann helfen, die wirtschaftliche Nutzung des Rohstoffes Holz aus diesen Waldflächen unter nachhaltigen Gesichtspunkten zu verbessern. Die insbesondere von den Naturschutzverbänden erhobene Forderung nach der gesetzlichen Festlegung einer guten fachlichen Praxis im Bundeswaldgesetz sehen wir nicht als notwendig an. In den meisten Landeswaldgesetzen gibt es dazu bereits Regelungen. Gesetzliche Regelungen für Selbstverständlichkeiten wie die Vermeidung des flächigen Befahrens der Waldfläche helfen nicht weiter. Detailliertere Regelungen können nicht allgemeingültig für alle Wälder von der norddeutschen Tiefebene über die Mittelgebirge bis zum Alpenrand festgelegt werden. Viele Waldeigentümer haben zudem bereits freiwillig höhere Kosten akzeptiert, um höheren Standards in der Waldbewirtschaftung zu genügen. So sind fast 70 Prozent der Waldfläche in Deutschland zertifiziert. Die Ergebnisse der letzten Bundeswaldinventur zeigen, dass die Waldbesitzer sehr verantwortlich mit ihren Wäldern umgehen. Der Waldumbau hin zu stabilen, naturnahen Mischwäldern geht voran, und auch der Schutz von Primärwäldern wird verstärkt. Der Anteil von Totholzanteilen im Wald steigt und leistet einen Beitrag zur Biodiversität. Der Bundeswaldbericht zeigt, dass im Wald ein wesentlich geringerer Artenschwund zu verzeichnen ist als auf der Freifläche. Untersuchungen zeigen uns, dass in den letzten Jahren Erkenntnisse der Wissenschaft vergleichsweise schnell von der Praxis übernommen worden sind. Dabei leistet die gute forstliche Ausbildung der Forstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter einen wichtigen Beitrag. Wir brauchen eine wissenschaftsbasierte Weiterentwicklung unserer Wälder. Dafür müssen wir verschiedene Daten erheben, die den jetzigen Zustand beschreiben. Durch Vergleich mit früheren Waldinventuren lässt sich die Entwicklung unserer Wälder aufzeigen. Daraus lassen sich Prognosen für die Waldentwicklung ableiten und Handlungsoptionen für Eingriffe ausarbeiten. Dafür haben wir auch Änderungen bei der Waldinventur durchgesetzt. Nur eine breite Wissensbasis ermöglicht sachgerechte Entscheidungen. Neben den Daten zum Holzbestand, dem Baumartenbestand und der Baumgesundheit wollen wir vor allem die Erkenntnisse aus der Bodenzustandserhebung mit einbeziehen. Ebenso soll im Rahmen von internationalen Verpflichtungen der Kohlenstoffbestand, also die Holzmenge, im Abstand von fünf Jahren erhoben werden. Diese Maßnahmen sollen das Monitoring unserer Wälder verbessern und noch aussagekräftiger machen. Alexander Süßmair (DIE LINKE): Die gute Nachricht zuerst: Der heute zu beschließende Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswaldgesetzes, BWaldG, hat gezeigt, dass die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen lernfähig sind. Wie ich mir von Kolleginnen und Kollegen, die bereits länger im Agrarausschuss des Bundestages sitzen, habe sagen lassen, kommt es selten bis nie vor, dass die Regierung aus einer Anhörung lernt und Erkenntnisse aus einer Anhörung in ihren Gesetzentwurf einfließen lässt. Doch dieses Mal ist genau das passiert. Der von der Linken benannte Sachverständige Enno Rosenthal, Vorsitzender des Brandenburger Waldbauernverbandes, machte in der Anhörung deutlich, dass Änderungen im § 37 BWaldG zur Erleichterung der Arbeit der forstwirtschaftlichen Vereinigungen unbedingt auch Folgeänderungen im § 40 nach sich ziehen müssen. Der Hinweis war berechtigt, was man schon an den offenen Mündern und staunenden Blicken auf der Regierungsbank bemerken konnte. Gut, dass Herr Rosenthal die Bundesregierung noch rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass ihr bei einem Gesetzentwurf, über welchen bereits gefühlte 100 Jahre debattiert wird, ein dicker Patzer passiert ist. Eine andere zentrale Forderung aus der Anhörung - die Definition der "ordnungsgemäßen Forstwirtschaft" im Sinne einer naturnahen Waldbewirtschaftung - wurde natürlich nicht aufgenommen. Genau an diesem Punkt streiten sich die jetzigen Regierungsfraktionen und die jetzigen Oppositionsfraktionen bereits seit Jahren. Für SPD und Grüne ist das ein Grund, die komplette Gesetzesnovelle nun abzulehnen. Wir als Linke wollen uns dieser Totalverweigerung nicht anschließen, denn der Gesetzentwurf enthält viele Forderungen, welche auch bereits in unserem Antrag 17/1743 "Bundeswaldgesetz ändern - Naturnahe Waldbewirtschaftung fördern" aufgelistet sind: Erleichterungen bei der Verkehrssicherungspflicht, Neudefinition des Waldbegriffes zur Unterstützung der Agroforstwirtschaft - meine Kollegin Dr. Kirsten Tackmann hat speziell zu diesem Thema bereits mehrfach im Bundestag gesprochen - und die Aufgabenerweiterung der forstwirtschaftlichen Vereinigungen. Richtig sind darüber hinausgehende Forderungen, wie sie nicht nur in unserem Antrag, sondern auch in den anderen beiden Oppositionsanträgen zu finden sind. Daher werden wir auch allen drei Anträgen zustimmen. Ich kann nicht verstehen, warum SPD und Grüne nicht diesen wenigstens kleinen Schritt in die richtige Richtung mitgehen wollen und den Gesetzentwurf der Koalition unterstützen. Wenn Ihnen eine Novelle des Bundeswaldgesetzes mit naturschutzfachlichen Anforderungen so wichtig gewesen wäre, dann hätten Sie dazu von 1998 bis 2005 gemeinsam Zeit gehabt. Damals war, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, die SPD der große Blockierer. Doch zurück zum Wald: Die Linke steht für eine naturnahe Waldbewirtschaftung. Daran halten wir fest. Daher werden wir auch weiterhin an der Notwendigkeit einer Novelle des Bundeswaldgesetzes mit dem Ziel einer sinnvollen Definition der "ordnungsgemäßen Forstwirtschaft" festhalten. Liebe SPD, liebe Grüne: Vielleicht sind die Mehrheitsverhältnisse ab 2013 so, dass wir dies dann mit Ihren Stimmen erreichen können. Zu einer naturnahen Waldbewirtschaftung gehört für uns, dass eine größere Naturnähe durch die Wahl standortgerechter einheimischer Baumarten, kahlschlagsfreies Wirtschaften, Waldrandgestaltung, Reduzierung der Bodenbearbeitung und Bodenverdichtung, Vermeidung des Einsatzes von Herbiziden, Pestiziden und Düngemitteln, waldverträgliche Wilddichten und Verzicht auf gentechnisch verändertes Pflanz- und Saatgut erreicht wird. Darüber hinaus sind soziale und Qualifizierungsstandards für die Erholungs- und Bildungsfunktion des Waldes sowie für die in der Forstwirtschaft Beschäftigten zu entwickeln. Alle Aufgaben sind durch qualifiziertes forstliches Personal abzusichern. Heute haben wir einen längst fälligen ersten Schritt getan. Die Linke wird weiter dafür werben, dass diesem weitere Schritte folgen. Einer könnte eine Novelle des Bundesjagdgesetzes sein. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach der Expertenanhörung war klar, dass die Bundesregierung den unzureichenden Bundesratsentwurf für eine Waldgesetznovelle nachbessern musste. Das betraf selbst Punkte, über die im Grundsatz parteiübergreifend Einigkeit besteht. Mit den vorgelegten Änderungsanträgen sind den Regierungsfraktionen allerdings nur teilweise befriedigende Lösungen gelungen. An manchen Stellen wurden sie den Anforderungen nicht gerecht. Wie von dieser Regierung nicht anders zu erwarten, betrifft das in erster Linie die von allen drei Oppositionsfraktionen geforderten ökologischen Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung. Diese werden im Bundeswaldgesetz auch zukünftig fehlen. Für Bündnis 90/Die Grünen ist das Bundeswaldgesetz angesichts gestiegenen Nutzungsdrucks so nicht zustimmungsfähig. Wir werden aber den beiden anderen Oppositionsanträgen zustimmen, die wie unser Antrag ebenfalls Mindeststandards fordern. Nun komme ich zur Abgrenzung von Wald und Agroforstsystemen. Auch aus bündnisgrüner Sicht ist es richtig, das Flächenidentifizierungssystem von InVeKoS zu nutzen, um Wälder im Regelfall klar und eindeutig von Agrarflächen abzugrenzen. Aber es gibt in den Alpen eine Schnittmenge von Almweiden und Schutzwäldern. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die CSU bestreitet, dass es diese Schnittmenge gibt. Alle Beteiligten, die sich in dieser Streitfrage mit ihren gegensätzlichen Interessen geäußert haben, gehen davon aus, dass es viele Flächen gibt, die sowohl Schutzwald als auch von Almbauern genutztes Weideland sind. Angesichts der grundlegenden Bedeutung von Schutzwäldern muss das Gesetz klarstellen: Schutzwälder müssen Wald bleiben, so wie wir Bündnisgrüne es gestern im Agrarausschuss beantragt haben. Da das Land Bayern aber per Gesetz viele Almen zu Schutzwäldern erklärt hat, die auch aus Sicht der biologischen Vielfalt zukünftig kein Wald sein sollten, ist es Aufgabe des Landes Bayern, das einzelflächenbezogen zu ändern. Stattdessen, wie es die Koalition tut, im Bundeswaldgesetz pauschal für alle als Almweide genutzten Schutzwälder den Waldstatus aufzuheben, ist jedenfalls der für den Schutz der Berge falsche Weg. Denn nunmehr steht zu befürchten, dass viele Bergwälder, die das auch bleiben sollten, ihren Waldstatus verlieren. Auch beim Thema Verkehrssicherungspflicht lässt sich bereits heute vorhersagen, dass die Diskussion darüber unter Waldbesitzern und unter Naturschützern mit Sicherheit weitergehen wird. Denn eine Lockerung war nicht das Ziel der vom Bundesrat vorgelegten und von der Koalition nunmehr unverändert übernommenen Ergänzung dieser Regelung um den Verweis auf waldtypische Gefahren. Hier wird lediglich das derzeit ausgeübte Richterrecht festgelegt, wie aus der Gesetzesbegründung hervorgeht. Sowohl Waldbesitzer als auch Naturschützer haben eine Lockerung der Verkehrssicherungspflicht erwartet. Genau deswegen wird die Diskussion darüber weitergehen. Hinzu kommt, dass die Verantwortung und die Kostenträgerschaft für die Verkehrssicherungspflicht an Straßen gemäß dem Verursacherprinzip dem Straßenbaulastträger zuzuweisen ist. Wer Straßen baut, muss auch die Folgekosten tragen. Es kann nicht sein, dass sie weiterhin auf die Waldbesitzer abgewälzt werden. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, selbst wenn man feststellt, dass das für die leidgeprüften öffentlichen Haushalte eine große Herausforderung ist. Sachdienlicher und kostenschonender wäre es, wenn weniger Straßen und Wege durch Wälder geführt würden. Zwar hat der Gesetzentwurf den Aufgabenbereich der forstwirtschaftlichen Vereinigungen um die Holzvermarktung erweitert, nicht aber auch um die Durchführung forstwirtschaftlicher Maßnahmen. Ich bedaure sehr, dass die Regierungskoalition diese Anregung aus der Expertenanhörung nicht aufgegriffen hat; denn das wäre im Interesse einer effizienten Bewirtschaftung des Kleinprivatwaldes gewesen. Die Behauptung von Frau Happach-Kasan, die meisten forstwirtschaftlichen Vereinigungen würden das ja bereits heute tun, obwohl sie dazu eigentlich nicht ermächtigt sind, kann ja wohl nicht das letzte Wort gewesen sein. Gerne hätten wir diesem Gesetz zugestimmt. Aber die Mängel bei den vorgelegten Änderungen und der völlige Verzicht auf die Vorgaben für die nachhaltige und ordnungsgemäße Waldwirtschaft lassen das nicht zu. Die Novellierung des Bundeswaldgesetzes bleibt daher weiterhin auf der Tagesordnung. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: - Todesstrafe weltweit abschaffen - Folter bekämpfen und Folteropfer unterstützen - Abschaffung der Todesstrafe weltweit (Tagesordnungspunkt 19 a bis c) Frank Heinrich (CDU/CSU): In diesen Tagen ist man als Mitglied des Menschenrechtsausschusses versucht, der Opposition ein herzliches Dankeschön zu sagen. Wir haben Woche für Woche die Gelegenheit, unsere Positionen zu den wesentlichen Menschenrechtsthemen coram publico neu zu erklären. Dass wir diese bereits im Dezember 2009 in einem Antrag formuliert und im März 2010 hier im Bundestag beschlossen haben, entbindet uns nicht von der Aufgabe, den Stellenwert und die konkrete Ausgestaltung der Menschenrechte in den verschiedenen Themenfeldern wieder und wieder zu betonen, und dadurch ins kollektive Bewusstsein zu transportieren. In diesem Sinne, liebe Freunde von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und auch von der Linkspartei: Herzlichen Dank für ihre Vorlage zu einer neuen Debatte! Die CDU/CSU hat als christliche Partei dezidiert zu Menschenrechten Stellung genommen und wird es weiter Doch das ist nur eine Perspektive auf die Sache, ich möchte mein Unverständnis zu einer anderen Perspektive nicht verhehlen. Hier werden wichtige, ja wesentliche Sachthemen parteipolitisch instrumentalisiert. Der Bundestag hat beschlossen, die Menschenrechte weltweit zu schützen. Die Themen Todesstrafe und Folter sind ausdrückliche Bestandteile dieses Beschlusses. Wenn Sie nun Antrag auf Antrag zu diesen Themen formulieren, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie von der eigentlichen Arbeit ablenken wollen. Polemik statt Tagesgeschäft, darin kann sich doch die Rolle einer Opposition nicht erschöpfen! Wie wenig Ihnen an dieser Stelle an einer konstruktiven Zusammenarbeit gelegen ist, zeigt das Scheitern eines interfraktionellen Antrags zur Ächtung der Todesstrafe. Trotz unserer eindeutigen Beschlüsse zum Thema wollte die CDU/CSU-Fraktion gemeinsam mit der FDP und der SPD einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen als gemeinsamen Antrag auf den Weg bringen, um der besonderen Bedeutung des Themas Ausdruck zu verleihen. Was in den vergangenen Legislaturperioden noch möglich war, ist diesmal an der Sturheit und Verbissenheit der Bündnisgrünen gescheitert. Wir bedauern es außerordentlich. Hier noch einmal der Kern unserer unterschiedlichen Auffassungen: Ihr Antrag nennt Namen einzelner betroffener Menschen und einzelne Staaten, die bestimmte Konventionen oder Protokolle nicht ratifiziert haben, aber eine positive Entwicklung aufweisen. So wichtig jedes einzelne Schicksal eines Menschen ist, der in einer Todeszelle sitzt - und wir sind dankbar für die hervorragende Arbeit der Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, die diese Namen international bekanntmachen, kein Mensch ist eine Nummer, auch ein Todeskandidat bleibt ein Geschöpf mit persönlicher Würde -, so wenig dürfen wir die Augen vor einer bitteren Realität nicht verschließen: Insbesondere politische Häftlinge in autoritären Regimen sind immer wieder zusätzlichen Repressionen ausgesetzt, wenn sie exemplarisch als Regimeopfer benannt werden. Die Nennung von Namen in ihrem Antrag ist daher menschlich absolut verständlich und doch in der Sache nicht zweckdienlich. Gestern war der Bundesaußenminister im Menschenrechtsausschuss. Sehr glaubwürdig hat er den Einsatz der Bundesrepublik für die Rechte der Menschen als prioritäres Ziel deutscher Außenpolitik betont. Zugleich hat er dabei den unschätzbaren Wert der "Stillen Diplomatie" herausgestellt. Ja, Politik muss Missstände auch anprangern. Aber einzelne Schicksale werden gefährdet, wenn sie mit Sanktionsandrohungen und öffentlichen Bloßstellungen einhergehen. Das Gleiche lässt sich von einzelnen Ländern sagen. Wenn wir diese Länder auf dem Weg zu Ratifizierungen internationaler Abkommen vorschnell an den Pranger stellen, geht dieser Schuss nach hinten los. Lassen Sie es mich als Pädagoge sagen: Verstärkung und Unterstützung heißen die Zauberworte, nicht Ermahnung und Entmutigung. Ein Antrag, der die Todesstrafe weltweit ächtet, sollte daher aus unserer Sicht generelle, ja universelle Forderungen und Feststellungen enthalten, um so den Charakter einer Resolution zu erfahren. Konkrete Bezichtigungen dagegen kommen einem politischen Tribunal gleich und können, wie soeben ausgeführt, letztlich das genaue Gegenteil des Beabsichtigten bewirken. Lassen Sie mich zur Position der CDU/CSU zurückkommen. Ich zitiere aus dem Antrag und Beschluss "Menschenrechte weltweit schützen". Gleich im ersten Punkt äußern wir uns klar und unmissverständlich zur Todesstrafe. "Unveräußerliche Prinzipien wie körperliche und geistige Unversehrtheit, Gedanken- und Meinungsfreiheit und die Freiheit von Diskriminierung sind in vielen Teilen der Welt gefährdet. Die grausamste und unmenschlichste Form der Bestrafung, die Todesstrafe, wurde in vielen Staaten der Welt abgeschafft. Darunter sind alle Staaten der Europäischen Union. Doch immer noch wird die Todesstrafe verhängt bzw. vollstreckt, und dies nicht nur in autoritären Regimen wie Iran, China oder Sudan, sondern auch in Demokratien wie den USA und Japan. Es gibt keinen rechtsstaatlichen Grund, der die Todesstrafe rechtfertigt; zudem können Fehlurteile nie ganz ausgeschlossen werden. Ein Grundanliegen deutscher Menschenrechtspolitik bleiben deshalb die Aussetzung und in letzter Konsequenz die Abschaffung der Todesstrafe." Deutlicher und eindeutiger kann man die Todesstrafe nicht ablehnen. Menschenrechtliche, rechtsstaatliche und humanitäre Gründe sprechen unisono gegen die Todesstrafe. Die Damen und Herren von der Opposition haben unserem Antrag die Zustimmung verweigert. Auch zur Ächtung der Folter nimmt unser Beschluss Stellung und führt eindeutige, evidente Gründe ins Feld - ich zitiere -: "In mehr als 150 Staaten der Welt sind Menschen Folter sowie grausamster und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt. In Konfliktsituationen sind in den letzten Jahren verstärkt auch Kinder, Jugendliche und Frauen Opfer von Folter geworden. Aber auch Tausende von politischen Dissidenten sind in den Gefängnissen weltweit tagtäglich Folter und Misshandlungen ausgesetzt. All dies geschieht, obwohl die Folter völkerrechtlich in einer Vielzahl internationaler Abkommen verboten wurde. Seit 1984 ist mit dem ,Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung' der Vereinten Nationen das Folterverbot für die Vertragsstaaten bindend und die Überwachung des Verbots von unabhängigen Stellen vorgesehen. Das Folterverbot gilt absolut und darf nicht gegen andere Rechtsgüter abgewogen werden." Mit diesem Beschluss haben wir dezidierte Grundlagen, Folter als Menschenrechtsverletzung zu benennen und zu bekämpfen, und wir tun es auch. Allerdings nicht nur in den Ländern, die uns eine Folterpraxis vermuten lassen. Nein, wie ernst wir uns als Bundesrepublik und als Mitglied der Europäischen Union selber nehmen müssen und nehmen, zeigt ein Bespiel aus der jüngsten Vergangenheit. Der Fall Gäfgen ging zu Genüge durch den Medienwald. Ich zitiere eine Meldung der dpa vom 10. Juni diesen Jahres: "Kindermörder Gäfgen erzielt juristischen Teilerfolg. Straßburg. Der Kindsmörder Magnus Gäfgen hat einen Teilerfolg mit seiner Folterbeschwerde gegen Deutschland erreicht. Mit der Gewaltandrohung gegen Gäfgen bei der Fahndung nach einem entführten Kind habe Deutschland gegen das Folterverbot der Menschenrechtskonvention verstoßen, befand der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag in Straßburg. Die Richter warfen Deutschland eine mangelnde juristische Aufarbeitung dieser Folterandrohung vor." Dass der EGMR der Bundesrepublik vorwirft, gegen das Folterverbot verstoßen zu haben, mag auf den ersten Blick erschüttern: In Deutschland wird gefoltert. Doch auf den zweiten und dritten Blick sieht das Bild ganz anders aus. Der zweite Blick: Wer kann emotional nicht nachempfinden, wie die Gewaltandrohung zustande kam. Ein Entführer verbirgt sein grausames Geheimnis, ein Kind könnte vielleicht noch gerettet werden. Ich verstehe die Drohung gut. Doch eben hier zeigt sich die sittliche Reife einer Gesellschaft. Folter ist grundsätzlich falsch, auch wenn sie emotional verständlich ist, und daher lehnen wir sie ab. Der dritte Blick: Es ist ein Beweis wahrer Rechtstaatlichkeit, auch unangenehme Urteile zu akzeptieren. Wer sich dem Urteil eines EGMR stellt, erwirbt sich auch das Mandat, selber für die Einhaltung von Menschenrechten zu werben und zu kämpfen. Wer Standards im Ernstfall gelten lässt, kann sie im Regelfall proklamieren. Ein letzter Gedanke. Todesstrafe und Folter stehen im Zusammenhang mit anderen Menschenrechtsthemen, auch dazu führt unser Antrag einiges aus: "Folter und Misshandlungen stehen in engem Zusammenhang mit Formen der Sklaverei und des Menschenhandels. Sklaverei ist kein Übel der Vergangenheit, sondern den Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge Schicksal von zwölf Millionen Menschen weltweit - hauptsächlich von Frauen und Kindern. 70 Prozent der gehandelten Menschen werden als Zwangsprostituierte Opfer sexueller Ausbeutung. Die übrigen Betroffenen werden als Zwangsarbeitskräfte, Kindersoldaten, unfreiwillige Organspender und zu Zwecken illegaler Adoption verkauft. Sklaverei und Menschenhandel sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts auf Grundlage internationaler Abkommen geächtete Verbrechen. Im Rahmen des Protokolls zur Konvention der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität aus dem Jahr 2000 wird ein notwendiger Schritt getan, um Menschenhandel zum Zweck der Prostitution und der Sklavenarbeit zu bekämpfen." Internationale Unternehmen dürfen in ihrem Engagement nicht wertfrei handeln und stehen in der Pflicht, in ihrer unternehmerischen Tätigkeit die Menschenrechte zu achten. Bereits heute gibt es Mechanismen, die gewährleisten, dass Produkte und Dienstleistungen nicht unter Verletzung der Menschenrechte erbracht werden. Initiativen, wie der von Kofi Annan begründete Global Compact, durch den sich Unternehmen freiwillig verpflichten, Menschenrechtsprinzipien in ihrem Engagement zu achten, sind von herausragender Bedeutung. Aber auch andere freiwillige Selbstverpflichtungen, Verhaltenskodizes und Zertifizierungsmaßnahmen haben gezeigt, dass Unternehmen ihre Verantwortung erkannt haben und bereit sind, diese wahrzunehmen. Mittel- bis langfristig werden sich konkrete Außenwirtschaftsinteressen besser verwirklichen lassen, wenn Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte beachtet werden. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Mehrmals haben wir parteiübergreifend im Deutschen Bundestag beschlossen, die jeweilige Bundesregierung aufzufordern, sich für die weltweite Ächtung und Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen. Das tun wir aus gutem Grund; denn die Todesstrafe verstößt gegen das Recht auf Leben, ein elementares Grundrecht jedes Menschen. Der Staat ist verpflichtet, dieses Grundrecht zu sichern. In exakt 58 Ländern gibt es derzeit noch die Todesstrafe. Im Jahr 2007 sind Schätzungen von Amnesty International zufolge 1 252 Menschen hingerichtet worden; im Jahr 2008 waren es 2 390 Menschen, das heißt, weltweit wurden täglich sieben Menschen hingerichtet, davon allein mindestens 1 700 in China. Hinter vorgehaltener Hand spricht man allerdings von jährlich circa 8 000 Hinrichtungen in diesem Land. Sollte sich der Eindruck des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning, bestätigen, scheint sich in China derzeit etwas zu verändern, nicht nur, was die Delikte, welche zur Todesstrafe führen, betrifft, sondern auch bezüglich der Rechte der Angeklagten, der Abkehr von der Erpressung von Geständnissen durch Folter sowie von der Öffentlichkeit von Hinrichtungen. Doch klar ist: Die Bedingungen der Todesstrafe zu verbessern ist keine Lösung; die Todesstrafe gehört abgeschafft. Im Iran ist die Lage weiter dramatisch. Die Todesstrafe droht nicht nur bei Gewaltverbrechen, sondern auch bei politischer Meinungsäußerung. Die Befürchtungen, dass der Jahrestag der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad am 12. Juni 2010 von einer Hinrichtungswelle begleitet würde, haben sich leider bestätigt. Nicht vergessen sollten wir die unerträgliche Vielzahl von Todesurteilen nach dem Scharia-Recht: wegen Homosexualität, Ehebruchs oder Apostasie, also dem Abfall vom wahren Glauben. Entsetzt bin ich nach wie vor über die Situation in den USA, die ebenfalls zu den fünf Staaten gehören, welche weltweit die meisten Hinrichtungen zu verantworten haben. Im vergangenen Jahr waren es 52 Menschen. Zudem sitzen mehr als 1 000 Häftlinge in Todestrakten; häufig tun sie das mehrere qualvolle Jahre, manche jahrzehntelang, und ohne, dass man ihnen mitteilen würde, wann die Todesstrafe vollstreckt wird. Meines Erachtens ist das eine unmenschliche Behandlung, die der Folter gleichgesetzt werden kann. Dass auch Präsident Obama sich öffentlich für die Todesstrafe ausgesprochen hat, zum Beispiel für Terroristen und für Kinderschänder, entsetzt mich nicht nur, weil er wissen sollte, dass es auch bei Gerichtsverfahren, die zur Todesstrafe führen, Fehlurteile gibt. Seit 1973 wurden in den USA 139 zum Tode verurteilte Menschen wegen erwiesener Unschuld entlassen; für 23 andere Menschen kam die Einsicht in ihre Unschuld zu spät. Besonders tragisch an der Tatsache, dass die USA in der Spitzengruppe der Todesstrafenverhänger und -anwender sind, ist insbesondere, dass die USA global für die Entwicklung von Menschenrechten und Demokratie eintreten wollen. Gelten sie in diesem Bereich als Vorbild, dann haben wir es schwerer, weiterhin für die Abschaffung und Ächtung der Todesstrafe einzutreten. Immerhin ist im Kampf gegen die Todesstrafe Bewegung. Vor nur 20 Jahren hatten noch zwei Drittel aller Staaten die Todesstrafe. Heute haben sie bereits zwei Drittel aller Staaten abgeschafft. Das macht Mut - hoffentlich auch allen Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Kampf gegen die Todesstrafe einsetzen. Wir reden heute auch über eine andere schwere Menschenrechtsverletzung, nämlich die Folter. Hierzu haben wir ebenfalls einen SPD-Antrag eingebracht, zum einen um auf den internationalen Tag zur Unterstützung von Folteropfern am 26. Juni aufmerksam zu machen und zum anderen um die wichtige Arbeit der psychosozialen Behandlungszentren für Folteropfer zu würdigen. Ein besonderer Grund ist aber auch, dass nun der 5. Staatenbericht Deutschlands zur Umsetzung der UN-Anti-Folter-Konvention, CAT, vorliegt. Darin wird bemängelt, dass Deutschland den vorgeschriebenen nationalen Präventionsmechanismus nicht ausreichend umsetzt. Wie wichtig dieser ist, haben wir in den letzten Tagen gesehen. Zudem kritisieren wir die schrittweise Aushöhlung des nach der Genfer Flüchtlingskonvention gültigen Non-Refoulement-Prinzips (Art. 33). Es verbietet, Flüchtlinge in Länder aus- oder zurückzuweisen, in denen ihnen Verfolgung oder Gefahr für Leben und Freiheit drohen würde. Ich appelliere wie bereits vor einigen Wochen eindringlich an die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen: Lösen Sie das aktuelle Rücknahmeübereinkommen mit Syrien auf! Lassen Sie mich abschließend noch einen traurigen Punkt ansprechen: Leider ist es - im Gegensatz zu früher - nicht möglich gewesen, einen fraktionsübergreifenden Antrag zur Ablehnung der Todesstrafe vorzulegen, vor allem wegen der Unionspolitiker im Menschenrechtsausschuss. Sie sollten sich ein Beispiel an den Entwicklungspolitikern nehmen, die ganz selbstverständlich eine gemeinsame fraktionsübergreifende Erklärung zur Verhängung der Todesstrafe wegen homosexueller Handlungen in Uganda verabschieden. Im Menschenrechtsausschuss hatten wir übrigens auch versucht, gemeinsam gegen diese schlimme Menschenrechtsverletzung vorzugehen. Das ist leider - wie so vieles - an Ihrem Starrsinn und Ihrer Überheblichkeit gescheitert. Kehren Sie um auf diesem Weg! Die Türe zwischen der ersten und der zweiten Lesung ist noch offen: Sie können sich dem Antrag von SPD und Grünen noch anschließen. Marina Schuster (FDP): Weltweit werden weiterhin Menschen gehängt, erschossen, vergast, mittels Injektion vergiftet, gesteinigt, geköpft oder auf andere Weise hingerichtet. Die Liste der Straftaten, die mit dem Tode geahndet werden können, reicht in den Ländern mit Todesstrafe von Mord, Vergewaltigung, Landesverrat, Entführung, Veruntreuung bis zu Dingen wie Abfall vom Glauben, Homosexualität und sogar außerehelichem Sexualverkehr. Bei Letzterem gilt in manchen Ländern sogar das vergewaltigte Opfer als Täterin oder Täter, die oder den es hinzurichten gilt. All diese Fälle zeugen von tiefer Menschenverachtung. Aus tiefster Überzeugung, dass die Todesstrafe eine unmenschliche und grausame Strafe ist, treten wir für ihre weltweite Ächtung und Abschaffung ein. Die Bundesregierung hat im Kampf gegen die Todesstrafe bereits konkrete Erfolge erzielt. Ich möchte an dieser Stelle besonders das Engagement von Dirk Niebel herausstellen: Als bekannt wurde, dass in Uganda ein Gesetzentwurf zur Einführung der Todesstrafe auf Homosexualität in das Parlament eingebracht wurde, hat er gegenüber der ugandischen Regierung umgehend deutlich gemacht, dass eine Verabschiedung des Gesetzes spürbare Folgen für die Entwicklungszusammenarbeit haben werde. Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, war selbst in Uganda vor Ort und hat das Gespräch mit Menschenrechtsaktivisten und Regierungsvertretern gesucht. In der letzten Sitzung des Menschenrechtsausschusses konnte er berichten, dass dieses Gesetz aufgrund des internationalen Drucks und infolge der anstehenden Wahlen in Uganda vom Tisch sei. Das ist eine Nachricht, die uns alle erleichtert. Denn wir kämpfen alle hier im Haus für die Abschaffung der Todesstrafe weltweit. Der Fall belegt aber auch, dass der Kampf genauso geboten ist, damit nicht noch mehr Länder auf die furchtbare Idee kommen, die Todesstrafe für immer mehr oder neue Tatbestände einzuführen. Denn eines ist für uns klar: Wir wollen nicht, dass der Gesetzentwurf des Abgeordneten Bahati in anderen afrikanischen Staaten Nachahmung findet. Ich danke allen, die sich deutlich dagegen positioniert haben, und ich freue mich, dass die Opposition das Engagement von Markus Löning in ihrem Antrag ausdrücklich lobt. Die Todesstrafe ist grausam, unmenschlich und mit unserem Wertesystem nicht vereinbar. Sie ist ein antiquiertes Relikt eines primitiven Verlangens nach Rache. Doch Rache steht einem aufgeklärten Staat nicht zu. Hier darf ich Thomas Dehler zitieren: "Wie der Staat seine Rechtsbrecher behandelt, kennzeichnet seinen Geist." Die Todesstrafe gehört abgeschafft. Ob ein Staat die Todesstrafe abschafft oder nicht, das hängt nicht davon ab, ob dieser arm oder reich ist; die Abschaffung hängt einzig vom politischen Willen der Verantwortlichen ab. Der Kampf gegen die weltweite Ächtung und Abschaffung der Todesstrafe ist ein gemeinsamer Kraftakt. Umso bedauerlicher finde ich es, dass es keinen interfraktionellen Antrag dazu geben wird. Der rot-grüne Antrag führt einige Einzelfälle auf. Das Nennen von Einzelfällen bringt aber gerade bei diesem Thema erhebliche Probleme mit sich. Denn es ist nicht an uns, einzelne Verfahren, die zu einem Todesurteil geführt haben, zu evaluieren. Unsere Kernaussage muss vielmehr lauten, dass jedes Todesurteil, egal wo, egal wie zustande gekommen und egal gegen wen, falsch ist. Das muss doch das klare Signal sein! Der Antrag von SPD und Grünen bekommt ein Gesicht, nämlich jenes der Symbolfigur der Linken. Unser Antrag umfasst aber auch die vielen gesichts- und namenlosen Hingerichteten weltweit, die keine prominente Stimme haben. Mehrere Tausend Menschen sind nach Schätzungen von Amnesty International allein in China hingerichtet worden. Genaue Zahlen kennt man nicht; sie werden von der chinesischen Staatsführung geheim gehalten. Der Antrag der Linken enthält einen begrifflichen Fehler. Die sogenannten gezielten Tötungen sind nicht mit der Tötung aufgrund einer verhängten Todesstrafe gleichzusetzen. Gleiches gilt für die extralegalen Tötungen. Selbstverständlich sind beide Handlungen ethisch-moralisch verwerflich und verstoßen gegen geltendes Recht. Extralegale Tötungen erwähnt die Linke zu meiner großen Verwunderung nur in Kolumbien. Die alleinige Bezugnahme auf Kolumbien wird der globalen Problematik nicht gerecht. Erst diese Woche haben wir die Menschenrechtssituation im Nordkaukasus geschildert bekommen. Dass Sie hier nur Kolumbien erwähnen, zeigt, dass Sie auf einem Auge blind sind. Abschließend möchte ich noch kurz auf den Antrag der SPD eingehen. Die SPD hat eine etwas missverständliche Formulierung im zweiten Absatz. Da wir ihren Antrag aber in den Ausschuss überweisen, werden wir dort die Diskussion dazu mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD führen. Für die FDP ist klar: Das Folterverbot gilt umfassend und absolut. Die Koalition fährt hierzu auch einen klaren Kurs. Im Koalitionsvertrag heißt es auf Seite 150 auch ganz klar: In unserem Regierungshandeln treten wir für die weltweite Abschaffung von Todesstrafe, Folter und unmenschlicher Behandlung ein. Auch in dem Antrag "Menschenrechte weltweit schützen", den die Koalitionsfraktionen im Dezember 2009 eingebracht haben, haben wir bereits klare Aussagen dazu getroffen. Annette Groth (DIE LINKE): Wir fordern in unserem Antrag die weltweite Abschaffung der Todesstrafe. Die Todesstrafe ist eine durch nichts zu rechtfertigende Form grausamer und unmenschlicher Strafe. Sie ist bei Fehlurteilen nicht korrigierbar und wird oftmals rassistisch motiviert verhängt. Darüber hinaus lehnen wir die Todesstrafe ab, weil sie politisch immer wieder dazu missbraucht werden kann und missbraucht wird, um politische Gegner und Oppositionelle auszuschalten. Neben der klassischen, legalisierten Form der Todesstrafe hat die Anzahl der extralegalen Tötungen in den letzten Jahren - auch im Zusammenhang mit dem sogenannten Krieg gegen den Terror - in besorgniserregendem Ausmaß zugenommen. Die extralegalen Tötungen werden entweder durch staatliche Sicherheitsorgane oder durch parastaatliche Gruppen vollsteckt. Extralegale Tötungen sind Ausdruck einer menschenverachtenden Willkür und gehen meist Hand in Hand mit der Anwendung von Folter und dem Verschwindenlassen der betreffenden Personen. Obwohl es - übrigens im Gegensatz zur Todesstrafe, die grundsätzlich völkerrechtlich nicht verboten ist - völkerrechtliche Instrumente gibt, fehlt eindeutig der politische Wille zu deren Anwendung. Die UN-Generalversammlung hat 2008 erneut mit einer Resolution, 63/182, ihre Grundsätze hinsichtlich der Verhütung und Untersuchung von außergesetzlichen, willkürlichen und summarischen Hinrichtungen bekräftigt und die wichtige Rolle des Sonderberichterstatters hervorgehoben. Jedoch wird dieser Mechanismus nicht genutzt und scheint somit politisch nicht gewollt zu sein. Ich fordere an dieser Stelle die Bundesregierung ausdrücklich auf, das Thema der extralegalen und gezielten Tötungen international auch bei ihren Verbündeten auf die Tagesordnung zu setzen. Zurück zur klassischen Form der Todesstrafe: Aktuell haben 139 Länder die Todesstrafe per Gesetz oder de facto abgeschafft, während 58 Staaten weiterhin an der Todesstrafe festhalten. Weltweit gibt es einen erfreulichen Trend zur Abschaffung der Todesstrafe. So haben in den letzten 15 Jahren 54 Staaten die Todesstrafe abgeschafft, davon allein 15 Länder in den letzten drei Jahren. Am 18. Dezember 2007 gab es in der Generalversammlung der Vereinten Nationen erstmalig die notwendige Mehrheit zur Verabschiedung einer Resolution, die zu einem sofortigen weltweiten Hinrichtungsmoratorium als erstem Schritt zur Abschaffung der Todesstrafe aufruft. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass ein Moratorium häufig der erstes Schritt zur tatsächlichen Abschaffung der Todesstrafe in vielen Ländern war. Ich fordere die Bundesregierung auf, weitere Länder als Unterstützer für diese wichtige Resolution zu gewinnen. Trotz dieser positiven Initiative werden weltweit mehrere tausend Menschen jährlich hingerichtet und zum Tode verurteilt. Die Länder, in denen die meisten Exekutionen stattfinden, sind China, der Iran, der Irak, Saudi-Arabien, die USA und der Jemen. Mit den vier letztgenannten Staaten unterhält Deutschland umfangreiche Programme zur Polizei- und Militärkooperation und liefert Technologie zur Ausrüstung der Sicherheitskräfte. In China werden mit Abstand die meisten Todesurteile weltweit vollstreckt. Da Exekutionen in China als Staatsgeheimnis behandelt werden, gibt es keine genauen Angaben. Nachdem der Oberste Chinesische Gerichtshof 2008 alle Todesurteile aus dem Jahr 2007 überprüft hat und 15 Prozent aller Urteile als fehlerhaft eingestuft hat, wurde dieses Jahr ein neues Gesetz eingeführt, das unter anderem durch Folter erzwungene Geständnisse als ungültig für die Urteilsfindung, besonders bei der Verhängung von Todesurteilen erklärt. Experten erwarten dadurch eine deutliche Reduzierung der Todesurteile. Vor allem möchte und muss ich an dieser Stelle die Vollstreckung von Todesurteilen an zwei besonders vulnerablen Gruppen, nämlich an Kindern bzw. Minderjährigen und an Personen mit geistiger Behinderung oder psychisch kranken Personen als unmenschliche Praxis verurteilen. Zu den Ländern, die in diesem oder im letzten Jahr die Todesstrafe an Minderjährigen vollzogen haben, gehören Afghanistan, China, der Iran und Saudi-Arabien. Die Praxis der Hinrichtung von Kindern und Jugendlichen ist durch die UN-Kinderrechtskonvention international geächtet, die auch von den betreffenden Ländern ratifiziert worden ist. Zu den Ländern, die die Todesstrafe an Personen mit geistiger Behinderung oder an psychisch kranken Personen vollziehen, gehören neben China, dem Iran und Japan auch die USA. Obwohl der Oberste Gerichtshof der USA 2002 die Hinrichtung von Straftätern mit einem gestörten geistigen Entwicklungsstand für verfassungswidrig erklärt hat, ist dagegen die Vollstreckung der Todesstrafe an geistig kranken Personen in den USA weiterhin erlaubt. Ich fordere von der Bundesregierung, sich gegenüber den betreffenden Ländern deutlich gegen die Vollstreckung von Todesurteilen an Kindern und Menschen mit geistiger Behinderung bzw. psychisch Kranken einzusetzen. Darüber hinaus verfolge ich mit großer Besorgnis die Entwicklung im Iran, wo allein in diesem Monat rund 20 Todesurteile vollstreckt worden sind. Am 9. Mai wurden in Teheran vier Männer und eine Frau kurdischer Abstammung gehängt. Bereits Anfang des Jahres wurde die Hinrichtung von zwei Männern bekannt, die im Zuge der Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen vor einem Jahr in Schauprozessen zum Tode verurteilt worden waren. Gegenwärtig befinden sich mindestens neun weitere Personen, die in ähnlichen Prozessen verurteilt worden sind, im Todestrakt. Als menschenrechtliche Sprecherin meiner Fraktion verurteile ich jede Anwendung der Todesstrafe ebenso wie jede Form von extralegalen Tötungen weltweit und werde weiterhin für deren Abschaffung kämpfen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Todesstrafe muss weltweit abgeschafft werden. - Das ist keine Floskel und keine Binsenweisheit; die Forderung nach der Abschaffung der Todesstrafe ist eine der, wenn nicht gar die zentrale Forderung der weltweiten Menschenrechtspolitik. Es war deshalb in den vergangenen Legislaturperioden nur folgerichtig und auch der Sache angemessen, dass die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, der FDP und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in dieser allzu wichtigen Sache gemeinsam Anträge gestellt haben. Hierdurch konnte der Deutsche Bundestag ein starkes Zeichen an all jene Staaten senden, die nach wie vor auf der Todesstrafe beharren. Wir konnten ein starkes Zeichen an jene Menschen senden, die von der Todesstrafe bedroht sind. Und wir konnten ein starkes Zeichen an jene Nichtregierungsorganisationen senden, die tagtäglich für die Abschaffung und Zurückdrängung der Todesstrafe kämpfen und dafür unsere Unterstützung benötigen. Dieses starke Zeichen bleibt in dieser Wahlperiode unter Schwarz-Gelb aus - unter einer Koalition, die sich christliche Werte und liberale Freiheitsrechte auf ihre Fahnen geschrieben hat. Das ist eine Schande für diese Koalition und blamiert den Deutschen Bundestag. Ein gemeinsamer Antrag konnte nicht zustande kommen, weil die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen, insbesondere die angeblichen Menschenrechtspolitikerinnen und -politiker der Union, nicht mit den Oppositionsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zusammenarbeiten wollten. In der Finanzpolitik, der Innenpolitik, der Wirtschaftspolitik - auf vielen Politikfeldern - kann, vielleicht sogar: muss die Koalition ihren Weg alleine gehen. In der Menschenrechtspolitik aber ist eine solche Verweigerungshaltung schlicht borniert und zeugt von der mangelnden Souveränität, sich Diskussionen und Argumenten zu stellen. Die Arroganz der Macht können in einer Demokratie jene zeigen, die die Mehrheit haben. In einer Diskussion über die Abschaffung der Todesstrafe kostet sie jedoch möglicherweise Menschenleben. Diese Verweigerungshaltung hat zwei überaus bittere Facetten: Erstens ist die Sache, um die es hier geht, viel zu wichtig, um sich einer Diskussion einfach zu verschließen. Die Forderung nach der Abschaffung der Todesstrafe folgt unmittelbar aus der Menschenwürde. Dies kann in zahlreichen Menschenrechtspakten nachgelesen werden; zumindest sei den Koalitionsabgeordneten aber ein Blick in das Grundgesetz empfohlen: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt", steht dort als allererstes in Art. 1 Abs. 1. Das scheint bei den vermeintlichen Menschenrechtspolitikern von Schwarz-Gelb in Vergessenheit geraten zu sein. Denn was, wenn nicht die Drohung mit dem Tod macht den Menschen mehr zum Objekt staatlichen Handelns und beraubt ihn damit seiner Würde? Für was, wenn nicht die Abschaffung der Todesstrafe lohnt es sich als aufgeklärter Mensch und Menschenrechtspolitiker mehr zu streiten? Zweitens betreibt die Koalition parteipolitische Machtspielchen, zum einen mit den Oppositionsfraktionen - was nur ein wenig peinlich, aber nicht weiter schlimm ist -, zum anderen aber auf dem Rücken der von der Todesstrafe bedrohten Menschen. Ich werfe kurz einen Blick zurück: Wir haben gemeinsam an einem Antragsentwurf gearbeitet, lange und intensiv, haben die Änderungswünsche der Koalition berücksichtigt und eingearbeitet und uns bei Zahlen und Fakten immer wieder bei Amnesty International rückversichert. In alle Entscheidungsprozesse war die Koalition eingebunden - bis schließlich und plötzlich der Rückzieher kam. Dies war ein Schlag ins Gesicht für alle von der Todesstrafe bedrohten Menschen, für alle NGOs, die gegen die Todesstrafe kämpfen, und für Amnesty International, die kurz zuvor den Bericht zur Todesstrafe veröffentlicht hatte. Freuen dürften sich dagegen all jene, die an der Todesstrafe weiter festhalten, die Regimes in China, dem Iran oder Sudan beispielsweise. Was tun nun wir Menschenrechtspolitiker, wenn wir in diese Länder reisen und Vertreter der dortigen Regierungen treffen? Ein starkes und einstimmiges Votum des Bundstages können wir ihnen nicht vorhalten. Nur einen Oppositionsantrag, der von der Mehrheit des Hauses überstimmt wurde, oder ein gespaltenes Votum, wenn der Antrag der Koalition in der nächsten Woche kommt. Als ob wir in dieser Frage unüberbrückbare Differenzen hätten. Eine Schande ist das. Ich kenne ja die Argumente der Koalition. Sie hat sie lapidar vorgetragen, als sie erklärte, bei einem gemeinsamen Antrag nicht weiter mitarbeiten zu wollen. Erstens sagte die Koalition, sie wolle keine Einzelfallpolitik betreiben. Sieben Einzelfälle aus drei verschiedenen Staaten haben wir exemplarisch aufgeführt. Waren dies sieben zu viel oder 10 000 zu wenig? Keiner konnte es uns erklären. Wer aber wie die Koalitionsfraktionen meint, Menschenrechtspolitik könne man losgelöst von Einzelschicksalen betreiben, der hat das Wesen und den Sinn der Menschenrechte nicht verstanden. Denn Menschenrechtspolitik hat immer zwei Dimensionen, einerseits die Strategie der Verrechtlichung und der Durchsetzung der Menschenrechtsabkommen, andererseits den Kampf um Einzelschicksale. Denn wenn Staaten zu großen rechtlichen und politischen Veränderungen noch nicht willens oder in der Lage sind, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns um die einzelnen Betroffenen zu kümmern. Das mag exemplarisch sein und muss deshalb Stückwerk bleiben. Vielleicht ist es auch nicht ganz gerecht gegenüber denjenigen Menschen, für die man sich nicht hat einsetzen können, weil ihr Einzelfall nicht bekannt geworden ist. Doch diesem moralischen Dilemma kann man nicht dadurch begegnen, rein gar nichts zu unternehmen. Denn im Einsatz für die Menschenrechte geht es in erster Linie immer um die Menschen, nicht nur um große politische Ziele oder pathetische Reden. Einzelschicksale exponiert herauszuheben wird also nie obsolet werden, andernfalls würden viele Chancen, Menschen zu helfen und Menschenleben zu retten ungenutzt verstreichen, während wir auf den großen Wurf warten. Wer da behauptet, sie oder er könne einem Antrag zur Abschaffung der Todesstrafe aus dem Grund nicht zustimmen, es gehe darin um Menschen und Individuen, der ist schlichtweg zynisch und an der Sache nicht wirklich interessiert. Zweitens sagt die Koalition, sie fordere die Abschaffung der Todesstrafe ja auch, nur halt nicht so explizit. Die Forderung stünde schließlich in dem Antrag von CDU/CSU und FDP mit dem schönen Titel "Menschenrechte weltweit schützen". Natürlich steht sie dort drin. Als dritte von siebzehn Forderungen. Diese versteckte Forderung ist ein politisches Nullum, und die Koalition unterstreicht diese Einstellung durch ihr Verhalten in der hiesigen Debatte. Nun hat sie einen Antrag zur Abschaffung der Todesstrafe für die nächste Sitzungswoche angekündigt, ohne Debatte und Aussprache. Der Bundestag zerfällt also in dieser Wahlperiode bei der Forderung nach der Abschaffung der Todesstrafe erstmalig seit langer Zeit in Koalition und Opposition. Das ist blamabel. Denn nur ein klares gemeinsames Signal hätte eine große Wirkung erzielen können. Wem die Zurückdrängung und Abschaffung der Todesstrafe wirklich ein politisches Anliegen ist, der muss aufstehen und sich aktiv dafür engagieren. Selbst unser Antrag ist hierbei nur ein kleiner Beitrag. Aber er ist wertvoll und wichtig, um den Kampf gegen die Todesstrafe zu unterstützen. Wir fordern etwa, China an die Umsetzung seiner Selbstverpflichtung zur Ratifizierung zu erinnern und auf die chinesische Führung einzuwirken, die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe sukzessive einzuschränken. Eine Forderung, die es Amnesty International deutlich erleichtern würde, im kommenden Jahr wieder einen Bericht über die Todesstrafe vorlegen zu können, in dem auch valide Zahlen zu China genannt werden können. Durch diesen Bericht wiederum würde sich die weltweite Aufmerksamkeit auf die immense Zahl an Exekutionen in China richten und viele Menschenleben retten. Auch fordern wir, gegenüber Russland auf die Ratifikation des 6. Zusatzprotokolls zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe zu drängen. Schließlich ist Russland nach wie vor das einzige Land im Europarat, das sich dem verweigert. Bundesaußenminister Westerwelle propagiert momentan, mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow über eine Modernisierungspartnerschaft zu verhandeln. Warum sollte er diese Forderung also im Rahmen dessen nicht erheben? Warum soll der Bundestag in vorauseilendem Gehorsam darauf verzichten, ihn hierzu zumindest aufzufordern? Der Iran richtet Minderjährige hin und bricht dadurch seine eigenen völkerrechtlichen Verpflichtungen. Die Bundesregierung muss gegenüber Iran darauf drängen, dass dies beendet wird. Und auch auf die USA sollte die Bundesregierung einwirken, damit die Todesstrafe in allen Bundesstaaten abgeschafft und die zum Tode verurteilten Menschen begnadigt werden. - Viele kleine Schritte sind dies, zugegeben. Aber es wären enorm wichtige. Es geht hier um einen langen Atem. Es geht um konsistente und kohärente Politik. Es geht um den Wesenskern unseres Grundgesetzes und aller Menschenrechtspakte. Ich bitte Sie daher herzlich und nachdrücklich, dem Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zuzustimmen. Alles andere wäre fatal. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes (Tagesordnungspunkt 20) Norbert Schindler (CDU/CSU): Wir beraten heute eine Änderung des Weingesetzes. Mit dieser Änderung soll wieder mehr Gerechtigkeit für alle weinerzeugenden Betriebe geschaffen werden. Wir wollen bislang bestehende Möglichkeiten einer Umgehung der qualitätsorientierten Mengenbegrenzung im Weinbau ab der Ernte 2010 verhindern. Ich sehe darin das Schließen einer Lücke, die es bislang ermöglicht hat, mehr Wein auf den Markt zu bringen, als die bestehende Hektarhöchst-ertragsregelung zulässt. Mit der Novellierung des Weingesetzes wird die von unterschiedlichsten Verbänden und Interessengruppen der Weinwirtschaft in der Vergangenheit mehrfach vorgetragene Forderung erfüllt, wonach der gesetzlich vorgeschriebene Hektarertrag nicht nur von den Erzeugern, sondern auch von allen nachfolgenden Handelsstufen einzuhalten ist. Wenn Umrechnungsfaktoren von Trauben in Kilogramm zu Wein in Liter oder von Most in Liter zu Wein in Liter verwendet werden, müssen diese realistisch definiert und von allen eingehalten werden. Jeder Winzer muss sich an die gesetzliche Vorgabe halten, pro Hektar Rebfläche nicht mehr als die erlaubte Menge an Wein in Litern zu erzeugen. Werden geerntete Trauben zur Weiterverarbeitung etwa an eine Kellerei verkauft, wird deren Gewicht in Liter umgerechnet, um die Übereinstimmung mit der Höchstertragsregel festzustellen. Dies geschieht der Einfachheit halber nach dem generellen Schlüssel: 100 Kilogramm Trauben = 75 Liter Wein. Im Gegensatz zu diesem theoretischen Umrechnungsfaktor 0,75 konnten bisher aber in der Praxis auch deutlich darüber liegende Mengen als Qualitätswein vermarktet werden. Die Hektarertragsregelung muss heute daher im Weingesetz so verankert werden, dass eine Umgehung künftig ausgeschlossen ist. Der Verkauf von Trauben hat sich in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt und belief sich in der Ernte 2009 bereits auf 10 Prozent der rheinland-pfälzischen Gesamterntemenge von 6,1 Millionen Hektoliter. Die mehrjährige Statistik des Genossenschaftsverbandes zu den Auskelterungsergebnissen der größten Winzergenossenschaften in Rheinland-Pfalz belegt, dass der geltende Umrechnungsfaktor 0,75 in diesen Betrieben nach wie vor dem tatsächlichen Ergebnis entspricht. Eine Erhöhung auf einen durch intensive Auspressung erzielbaren Wert von 0,80 oder mehr widerspricht unserem konsequenten Qualitätsstreben. Deshalb bleibt es heute beim für alle Rebsorten gültigen Umrechnungsfaktor 0,75 von Trauben zu Wein. Die Abgabe von Most durch Erzeuger an nachfolgende Handelsstufen lag in den letzten Jahren bei etwa 18 Prozent der Gesamterntemenge. Aufgrund der durch Einsatz schonender Ernte- und Verarbeitungstechnik nur noch niedrigen Trubanteile im Most wollen wir die Änderung des Umrechnungsfaktors 0,95 von Most - in Liter - zu Wein - in Liter - auf 0,97 im jetzigen Gesetzgebungsverfahren festlegen. Als Auswirkung der Änderung des Mostfaktors erwarte ich, dass vor allem die aufkaufenden Kellereien bei der Weinbereitung aus Most nicht in die missliche Lage kommen, erzeugte Mehrmengen in die Destillation abführen zu müssen. Weiterhin wird erst der aufnehmenden Hand eine Abstufung in niedrigere Qualitätsstufen analog zum Winzerbetrieb ermöglicht, damit Gerechtigkeit für alle Wettbewerber auf gleichem Niveau hergestellt ist. Ich denke, dass die oben angegebenen Maßnahmen ein richtiger und wichtiger Schritt zur Wiederherstellung der Chancengleichheit im Weinbau sind. Ich möchte mich ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit mit der SPD-Fraktion und auch der Landesregierung in Mainz bedanken, aber auch bei der Bundesministerin Ilse Aigner, MdB, und der Parlamentarischen Staatssekretärin Julia Klöckner, MdB, für ihre konstruktive Hilfe bei der Überarbeitung dieses fraktionsübergreifenden Antrags, der jetzt beschlossen werden soll. Ich bedanke mich auch bei den Bundesländern, die für eine abschließende Beratung im Bundesrat ihre Zustimmung signalisiert haben und so den Wünschen des Landes Rheinland-Pfalz und der Weinwirtschaft entsprechen. Sie alle haben eingesehen, dass Qualität unser bestes Verkaufsargument ist. Dieses Gesetz dient der Qualitätssicherung, wenn nicht sogar der Qualitätsverbesserung. Damit sind wir auch auf gutem Weg, wenn es bei der Umsetzung der Weinmarktreform der Europäischen Union darum geht, unseren deutschen Wein entsprechend positiv herauszustellen. Hierzu erwarte ich auch konstruktive Vorschläge der Weinbau- und Kellereiverbände. Ich freue mich, gleich im Anschluss auf dem Sommerfest meines Heimatlandes ein Glas hochwertigen Weins zu genießen und danke allen, die daran beteiligt waren, dieses Qualitätsniveau zu bewahren. Gustav Herzog (SPD): Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung das sechste Gesetz zur Änderung des Weingesetzes. Seit der ersten Lesung am 21. Mai hat sich nicht wirklich viel getan, doch auch heute hat sich das Struck'sche Gesetz wieder einmal bewahrheitet: Kein Gesetz kommt ins Parlament und verlässt es unverändert. Bereits vor der ersten Lesung haben wir uns so eng sowohl mit der Weinwirtschaft als auch mit den Landesregierungen der Weinbau betreibenden Länder abgestimmt, dass wir das Gesetz überfraktionell einbringen konnten. Wir waren uns alle einig, die notwendigen und längst überfälligen Änderungen in der Hektarertragsregelung schnell und unkompliziert in Kraft zu setzen, damit sie pünktlich zur Lese 2010 rechtskräftig werden. Besonders hilfreich war hier die gute Zusammenarbeit mit dem Ministerium in Mainz und die Beratungen mit der Weinwirtschaft. Die Ergebnisse mündeten dann auch im Änderungsantrag der Koalition, dem wir nach einer kurzen aber fruchtbaren Ausschusssitzung zustimmen konnten. Alles in allem ein schnelles und konstruktives Gesetzesverfahren, gut vorbereitet, klar in der Sache und schnell durchgesetzt. Das hätte die Koalition alleine sicher nicht so reibungslos hinbekommen, auch wenn sie im Nachhinein so tut, als hätte sie es alleine getan. Ich muss schon sagen, dass das, was ich am 9. Juni in der Presse vom Kollegen Bleser gelesen habe, schon recht peinlich war. Ich zitiere: "Die christlich-liberale Koalition hat heute eine dringend notwendige Korrektur des Weingesetzes vorgenommen und damit auf Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre reagiert." Hier wurden so oft das Koalitionshandeln und die Wichtigkeit des Vorhabens beschworen, dass es schon verdächtig ist. Herr Bleser, nur um es gerade zu rücken: Dieses Gesetz haben wir überfraktionell eingebracht und beschlossen. Ohne Ihre ganz persönliche Blockade hätten wir es schon 2009 erledigt, und auch in diesem Verfahren haben Sie sich sicher nicht als Öl im Getriebe hervorgetan. Die Lorbeeren Ihrer Fraktion darf sich Ihr Kollege Schindler abholen, der eine gute und konstruktive Zusammenarbeit im Interesse der deutschen Weinwirtschaft geleistet hat. Alexander Süßmair (DIE LINKE): Vor wenigen Wochen, im Mai, haben wir eine Gesetzesänderung beraten, die sowohl Erzeugern wie Verbrauchern nutzen sollte und die eigentlich auch alle wollten. Die Hektarertragsregelungen sollten nicht nur für Winzer, sondern für alle Wein verarbeitenden Betriebe gelten. Unsere Fraktion wurde an der Erarbeitung der Gesetzesnovelle aufgrund des immer noch geltenden Unvereinbarkeitsbeschlusses der CDU/CSU nicht beteiligt. Dieses parlamentarisch unwürdige und undemokratische Verhalten kennen wir bereits. Inhaltlich allerdings trennt uns in der Weingesetzfrage nur wenig von den Fraktionen, die auf dem Antrag stehen; wir sind uns eigentlich einig: Deutscher Wein soll nicht durch Menge, er soll durch Qualität punkten. Um dies zu ermöglichen - ich hatte bereits in der ersten Lesung darauf hingewiesen - will die Linke regionale Wertschöpfungsketten fördern und ökologisch unsinnige Transporte teurer machen. Denn es ist nicht einzusehen, warum Wein, der mehrere 10 000 Kilometer entfernt industriell von prekär Beschäftigten hergestellt wurde, nur ein Drittel des hier bei uns sozial und ökologisch nachhaltig produzierten Weins kostet. Hier müssen wir ansetzen, um unsere europäische, unsere deutsche Weinwirtschaft zu stärken. Damit wäre eigentlich alles gesagt. Aber plötzlich kommt die CDU/CSU mit einem Änderungsantrag zur Novelle heraus, die sie selbst mit eingebracht und verfasst hatte. Der Umrechnungsfaktor von Most zu Wein soll von 95 auf 97 erhöht werden. Sind wir denn in Auerbachs Keller? Genau so, wie Mephisto in Goethes Faust dort jedem den gewünschten Wein aus dem Tisch herauszaubert, scheint es, dass Sie es allen recht machen wollen; denn was bedeutet denn Ihre Änderung faktisch? Durch die Anhebung des Umrechnungsfaktors für Most zu Wein von 95 auf 97 kann nun mehr Wein aus dem Most hergestellt werden als bisher. Damit machen Sie die ursprüngliche Änderung, nämlich die Hektarertragsregelung auch auf Betriebe anzuwenden, welche selbst keine Weintrauben produzieren, wieder zunichte. In der Novelle sollte nun erst die Weinqualität gesichert werden, damit deutscher Wein eben durch Qualität punkten kann. Vor wem aber knicken Sie hier nun wieder ein? Reicht es aus, wenn ein paar Lobbyisten oder Unternehmen sich beklagen, damit Sie eine Änderung, die vielen nutzen würde, auch dem Verbraucher, wieder zurücknehmen? Bei Ihnen verwandelt sich der Wein in Wasser; denn sie wollen einfach den Umrechnungsfaktor von Most zu Wein anheben. Wie ich schon bei der ersten Lesung befürchtete, geht es hier um Flickschusterei. Dabei haben wir davon im Weinrecht wirklich schon genug. Was wir brauchen, ist keine Zahlenklauberei, sondern ein mit Weitblick verfasstes neues Weinrecht innerhalb der Gemeinsamen Marktordnung. Darüber hinaus schaden Sie mit Ihrem legislativen "Gepansche" der Qualität und dem Ruf des deutschen Weins. Ihr Zickzackkurs mag gut sein für den Wahlkampf in Rheinland-Pfalz, er mag einigen Winzern und Kellereien Hoffnung machen. Das, was die Gesetzesnovelle aber bewirken sollte, nämlich Verlässlichkeit und Sicherheit für Erzeuger und Verbraucher, das konterkarieren Sie mit Ihrem Hin und Her. Die Linke kann und will sich dem nicht anschließen. Die Linke tritt aber genau so, wie es im ursprünglichen Antrag vorgesehen war, für die Verbindlichkeit der Hektarertragsregelungen ein. Wir werden deshalb den Änderungsantrag ablehnen und uns bei der Abstimmung über die Novelle enthalten. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bereits in unserer Stellungnahme zur ersten Lesung hatten wir den Ansatz einer sinnvollen Mengenregulierung bei den Weinerträgen begrüßt und deshalb aktiv die interfraktionelle Initiative zur Änderung des Weingesetzes in den relevanten Punkten mitgetragen. Es ist äußerst bedauerlich, dass die Regierungsfraktionen und hier spe-ziell die Union durch einen formalen wie inhaltlichen Zickzackkurs diese seltene interfraktionelle Geschlossenheit jetzt aufbricht, so dass uns eine Zustimmung leider nicht mehr möglich ist. Der deutsche Weinbau hätte eine fraktionsübergreifende Unterstützung verdient, aber wie sollen wir dem Aufruf der Regierungsfraktionen zur Zustimmung entgegenkommen, wenn diese offenbar selbst nicht so genau wissen, was Sie eigentlich wollen?! Der quasi in letzter Minute eingebrachte Änderungsantrag der Unionsfraktion im AfELV ist ein Signal an die Branche, dass in Sachen Umrechnungsfaktoren und damit der tatsächlichen Mengenbegrenzung noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Statt ein klares Bekenntnis zur Qualitätsausrichtung - und damit zu einer gezielten Mengenregulierung - abzugeben, ermuntern die Regierungsfraktionen damit die Profiteure der Mehrungen, an ihrer Strategie der Ausreizung aller Möglichkeiten zur Volumensteigerung festzuhalten. Abschließend noch eine kurze Bemerkung zu einem aktuellen Thema, dass vielen Winzern auf der Seele liegt: in vielen Regionen gibt es zurzeit Unmut über die laufende Registrierung von Flächen im neuen Erosionskataster. Wir finden es bedauerlich, wenn die an sich sehr sinnvolle Erfassung potenziell erosionsgefährdeter Flächen und deren Einstufung in verschiedene Risiko-kategorien durch handwerkliche Fehler in der Umsetzung auf Landesebene als bürokratische Eingriffe wahrgenommen werden. Auch wenn es für die Betriebe kein Trost sein dürfte: zu den jetzigen Problemen hat maßgeblich auch die Verzögerungstaktik von Union und DBV beigetragen. Jahrelang hat man sich auf die Verschleppung und Verdrängung der Thematik konzentriert. Diese Zeit hätte man besser nutzen können und müssen, um die Betriebe und Behörden auf das Erosionskataster vorzubereiten. Wir fordern die Bundesregierung und die Landesregierungen deshalb auf, jetzt schleunigst die Betriebe bei der konkreten Umsetzung der neuen Vorgaben zu unterstützen und sie nicht in einem bürokratischen Chaos allein zu lassen! Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: - Hochwasserschutz europäisch und ökologisch nachhaltig umsetzen - Für ein integriertes Hochwasserschutzkonzept - Naturnahen Wasserhaushalt durch Schutz und Renaturierung von Nass- und Feuchtgebieten fördern - Hochwassergefahren mindern, Klima schützen - Auenschutzprogramm vorlegen (Tagesordnungspunkt 21) Ingbert Liebing (CDU/CSU): In den vergangenen Wochen kam niemand umhin, über die Fernseher den abermaligen rasanten Anstieg der Pegel am deutschen Lauf der Oder verfolgen zu müssen. Die Bilder des Jahrhunderthochwassers an der Oder im Jahr 1997 sind nach wie vor in unseren Köpfen präsent. Doch obwohl sich auch in diesem Jahr wieder eine außergewöhnliche Flutwelle ankündigte, unterschied sich die diesjährige Situation doch grundlegend von der vor 13 Jahren: Das Gros der Deiche ist seit 1997 fast durchweg von Grund auf saniert worden, und die Schäden der diesjährigen Flut fielen erheblich geringer aus als noch 1997. Die daraus resultierende grundlegende Verbesserung der Hochwassersituation in Deutschland ist Ergebnis entschiedenen Handelns aller politisch Verantwortlichen: Die Hochwasserproblematik wurde erkannt, es wurden zeitnah die richtigen Maßnahmen ergriffen, und der Hochwasserschutz befindet sich in Deutschland heute auf dem richtigen Weg. Diese Ansicht äußerte im Übrigen auch der ehemalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel in einer Pressemitteilung vom 26. April 2007 anlässlich der Verabschiedung der europäischen Hochwasserschutzrichtlinie. Aus diesem Grund überrascht die Kritik, die die SPD in ihrem der heutigen Debatte zugrunde liegenden Antrag "Hochwasserschutz europäisch und ökologisch nachhaltig umsetzen" übt. Bis vor einem guten halben Jahr war doch ein SPD-Umweltminister für den Hochwasserschutz verantwortlich! Dabei will ich den Kollegen von der SPD grundsätzlich durchaus zustimmen, belegt durch das von mir eingangs bereits skizzierte Beispiel: Hochwasserschutz ist und bleibt wichtig! An dieser Stelle möchte ich auf zwei Anträge zurückkommen, mit denen wir uns in der vergangenen Sitzungswoche im Plenum beschäftigt haben: zum einen auf einen Antrag von der SPD zum Wasserhaushalt in Feuchtgebieten, Drucksache 17/1748, zum anderen auf einen Antrag von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Vorlage eines Auenschutzprogramms, Drucksache 17/1760. Da diese drei Vorlagen durchaus grundsätzlich wichtige Anliegen aufgreifen und auch der Koalitionsvertrag der christlich-liberalen Bundesregierung die Reaktivierung natürlicher Auen für den Natur- und Hochwasserschutz sowie die Renaturierung von Flusstälern, wo immer möglich, beabsichtigt, möchte ich zusammen mit meinem Kollegen Josef Göppel anbieten, dass wir hier zu einem gemeinsamen Beschluss kommen und diesen Themenkomplex erneut behandeln. Bis dahin widerspreche ich allerdings entschieden dem Eindruck, den der vorliegende SPD-Antrag vermittelt, Hochwasserschäden würden immer dramatischer und die Bundesregierung arbeite diesen nicht entschieden und aktiv genug entgegen. Einige ausgewählte Beispiele belegen das Engagement der Bundesregierung: Umsetzung der EU-Hochwasserrisikorichtlinie durch das neue Wasserhaushaltsgesetz, wobei der Kernbestandteil ein integrierter Ansatz im Bereich der Hochwasserrisikovorsorge ist; Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhalts in der Landschaft und Rückbau von Deichen zur Wiedergewinnung von Überschwemmungsgebieten im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes"; Weiterentwicklung der deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, die im Dezember 2009 verabschiedet wurde und an deren Weiterentwicklung die Bundesressorts derzeit mit der Zielsetzung arbeiten, im Frühjahr 2011 einen mit den Bundesländern abgestimmten Aktionsplan vorzulegen. Neben dem falschen Eindruck, den der vorliegende Antrag bezüglich des Hochwassermanagements der Bundesregierung erweckt, gibt es einen weiteren wesentlichen Grund, warum wir diesen ablehnen: Er verkennt in wesentlichen Punkten die kompetenzrechtlichen Rahmenbedingungen, aufgrund derer die Zuständigkeit für Planung und Umsetzung der Maßnahmen des vorsorgenden Hochwasserschutzes bei den Bundesländern liegen. Beispielsweise ist ein eigenes Auenschutzprogramm der Bundesregierung verfassungsrechtlich nicht möglich. Abschließend möchte ich festhalten: Deutschland befindet sich beim Hochwasserschutz auf dem richtigen Weg; das letzte Oder-Hochwasser hat dies eindrücklich belegt. Es wurde bereits viel Gutes auf den Weg gebracht; wir nehmen die Thematik dennoch weiterhin ernst. Aus diesem Grund sind auch wir an einer noch besseren Verknüpfung der Bereiche naturnaher Wasserhaushalt, Renaturierung von Feuchtgebieten und Schutz der Auen interessiert; denn davon würde wiederum auch der Hochwasserschutz profitieren. Das Angebot an die Oppositionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu gemeinsamen Gesprächen ist hiermit gemacht. Josef Göppel (CDU/CSU): Wir haben die Bilder der Hochwasser an Weichsel und Oder der letzten Wochen und Monate vor Augen. Die Zahl der Todesopfer in unserem Nachbarland Polen ist indes auf 15 angestiegen. Tausende Häuser und Straßen stehen unter Wasser. Für Polen sind es die schlimmsten Überschwemmungen seit über 100 Jahren. Polens Regierungschef Donald Tusk beziffert die Schäden auf 2,5 Milliarden Euro. In Deutschland nehmen die Hochwasserschäden nicht zu. Nach der Flutkatastrophe von 1997 und den Hochwassern an Elbe und Oder 2002 wurden alte Dämme und Deiche saniert und neue gebaut. In Deutschland ist viel für den Hochwasserschutz getan worden. Alle Regierungen der vergangenen Jahre, gleich welcher politischen Konstellation, haben zu dieser Verbesserung beigetragen. Die jetzige Koalition steht ebenfalls für einen konsequenten Hochwasserschutz. Ich darf hierzu aus dem Koalitionsvertrag zitieren: Frei fließende Flüsse haben einen hohen ökologischen Wert. ... Für den Natur- und Hochwasserschutz sollen natürliche Auen reaktiviert und Flusstäler, wo immer möglich, renaturiert werden. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der sich ergebenden Folgen für den Wasserhaushalt wird sowohl der Hochwasserschutz als auch der Schutz der Ressource Trinkwasser immer bedeutender. Hochwasserschutz meint dabei nicht nur technischen Schutz und Verbauungen. Der effektivste Hochwasserschutz ist unbestritten der Schutz der natürlichen Flusslandschaften und der Flussauen mit allen positiven Nebeneffekten für den Grundwasser- und Naturschutz. Wir müssen den Flüssen wieder mehr Raum geben, damit Flüsse ihrer natürlichen Dynamik folgen können und Rückhalteflächen geschaffen werden. Deshalb bin ich aktives Mitglied der parlamentarischen Arbeitsgruppe "Frei fließende Flüsse". Die am 7. November 2007 verabschiedete Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt umfasst auch den Auenschutz. Das Bundesumweltministerium hat den Auenzustandsbericht im Oktober 2009 vorgelegt. Es ist vereinbart, dass im Rahmen der Umsetzung der Nationalen Strategie ein Bundesprogramm "Biologische Vielfalt" erarbeitet werden soll. Das Bundesumweltministerium arbeitet an der Vorbereitung dieses Bundesprogramms. Es sieht einen Förderschwerpunkt beim Schutz der Flussauen vor. Ein nur auf die Kompetenzen des Bundes bezogenes Auenschutzprogramm ist nicht sinnvoll, weil die Kompetenzen nicht alleine beim Bund liegen, sondern sich auf Bund, Länder und Gemeinden verteilen. Dennoch greifen die Anträge wichtige Anliegen auf. Dazu gehören die Reinhaltung des Grundwassers, die Sicherung der Trinkwasservorräte und die Sicherung der Artenvielfalt. Es ist allgemein bekannt, dass gerade in den Feuchtgebieten, Flussauen und Mooren die Artenvielfalt am meisten bedroht ist. Die Forderung, den Erhalt und die Renaturierung von Feuchtgebieten bei der Neuregelung der Gemeinsamen Agrarpolitik einzubeziehen, ist sinnvoll. Ich persönlich unterstütze die Forderung nach der Schaffung einer Genehmigungspflicht für den Umbruch von Grünland und ein Umbruchverbot auf feuchten und anmoorigen Standorten. Genauso sinnvoll ist die bekannte Forderung, die Ausweisung von Bauland in der Aue zu unterlassen. Bauland in der Aue provoziert Hochwasserschäden und erzwingt teure technische Schutzmaßnahmen, die sich volkswirtschaftlich nicht rechnen. Wir benötigen durchaus bundesweite Lösungsansätze. Ein Hochwasser macht nicht an einer Landesgrenze halt. Die Themen, die wir auf Bundesebene anpacken können, sollten wir gemeinsam in Angriff nehmen und zielorientiert diskutieren. Ökologischer Hochwasserschutz und Auenschutz gehen dabei Hand in Hand. Ich möchte deshalb mein Angebot für einen gemeinsamen Antrag zum Schutz des Wasserhaushaltes und der Feuchtgebiete erneuern. Oliver Kaczmarek (SPD): Wir reden nicht häufig über Wasser in Deutschland. Hohe Standards in der Wasserwirtschaft, der Trinkwasserversorgung und der Abwasserbeseitigung gehören zum Alltag. Der damit verbundene Aufwand wird zu häufig nicht gesehen. Gesprochen wird über Wasser meist im Zusammenhang mit Bedrohungen oder manchmal auch Katastrophen. Diese Ereignisse stellen uns immer wieder vor die He-rausforderung, neu über den Gewässerschutz und den Schutz vor Hochwassern zu debattieren. Vor allem vor dem Hintergrund des Klimawandels spielt der ökologische Gewässerschutz eine immer wichtigere Rolle. Naturnahe Gewässer sind der beste Schutz vor Hochwasser und somit auch ein Schutz des Menschen. Die jüngsten Hochwasser an Weichsel und Oder mit ihren Nebenflüssen haben deutlich gemacht, welche Herausforderungen infolge klimatisch bedingter Extremwetterereignisse zukünftig zu erwarten sind: Hochwasser folgen nicht nur in immer kürzeren Abständen; auch die Sachschäden für die Bürgerinnen und Bürger werden von Mal zu Mal schwerwiegender. Der Klimawandel verschärft durch zunehmenden Starkregen die Probleme. In der Folge werden in Deutschland die Niederschläge im Winter zu-, im Sommer jedoch abnehmen. Als mögliche Auswirkungen auf den Wasserhaushalt ist von einer steigenden Hochwasserwahrscheinlichkeit im Winter und im Frühjahr - unter anderem durch die geringere Niederschlagsspeicherung als Schnee - auszugehen. Wir müssen jetzt konsequent handeln, um auf diese Herausforderung zu reagieren: Erstens. Nachhaltiger Hochwasserschutz ist ökologischer Hochwasserschutz. Naturnahe Wasserspeicher leisten den nachhaltigsten Beitrag zum effektiven Schutz vor Hochwassern in den Siedlungsgebieten. Zweitens. Wir müssen uns stärker als bisher bewusst machen, dass Programme und Maßnahmen nicht singulär zu betrachten sind. Die Formel ist: Naturschutz ist Klimaschutz und Klimaschutz ist Hochwasserschutz. Deswegen ist Hochwasserschutz auch untrennbarer Teil der Strategie zur Bewältigung des Klimawandels. Drittens. Europäisch denken heißt: Wir müssen miteinander über ökologischen Hochwasserschutz einen Konsens finden. Das haben uns die Ereignisse an der Weichsel noch einmal deutlich vor Augen geführt. Der Wasserhaushalt hat sich in der gesamten Landschaft drastisch verändert. In den letzten 100 Jahren wurden Flüsse und Bäche begradigt, Auen ausgedeicht und landwirtschaftlich genutzt oder bebaut, Moore und Feuchtgebiete entwässert, Böden verdichtet und versiegelt und Wälder zu nicht standortgerechten artenarmen Forsten umgebaut. Wer allerdings verheerende Hochwasser nachhaltig vermeiden möchte, der kommt nicht umhin, den Flüssen ihren Raum zurückzugeben. Die Fehler der Vergangenheit wie Kanalisierung und Begradigung der Flüsse, Wiesenumbruch in den Talauen und Bodenverdichtung werden mittlerweile gebietsweise rückgängig gemacht. Aber bis heute setzen sich die Flächenversiegelung und der Zugriff auf Überschwemmungs- und Flusseinzugsgebiete für neue Straßen, Bau- und Gewerbegebiete fort. Natürliche Wasserspeicher wie Auen und Moore sind gegenwärtig zu einem Großteil zerstört. Sie schützen aber wirksamer vor Hochwasser als technische Lösungen wie Stahlmauern oder immer höhere Deiche. Hinzu kommt, dass Auen und Moore natürliche CO2-Senken sind und damit einen wichtigen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leisten. Außerdem findet sich in keinem anderen Ökosystem eine so eindrucksvolle Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten wie in naturnahen Flüssen und Flussauen. Über 12 000 Arten kommen hier vor, darunter viele ausgesprochene Seltenheiten wie Biber, Pirol oder der Schwarzstorch. In einem landwirtschaftlich und industriell genutzten Raum sind immer wieder Kompromisse zwischen ökologischer und ökonomischer Nutzung notwendig. Seit der Industrialisierung bis heute hat die einseitige Fokussierung jedoch nicht nur zu einem Verlust der Artenvielfalt und Biodiversität geführt, sondern auch zu einer Verschärfung der Hochwassergefahr. Umso wichtiger ist es, Industrie, Landwirtschaft und Binnenschifffahrt in die Planung von wirkungsvollen Hochwasserschutzmaßnahmen mit einzubeziehen. Hochwasserschutz darf nicht auf den Deichbau verengt werden. Auch beim letzten Hochwasser an der Oder vor einigen Wochen haben Behördenvertreter und Politiker fast ausnahmslos darüber geredet, ob die Deiche halten oder nicht. Kaum jemand spricht über die Notwendigkeit, im Einzugsbereich der Flüsse den ursprünglichen natürlichen Zustand wiederherzustellen und mehr Überschwemmungsflächen zu schaffen. Hier wird auch ein offensichtlicher Mangel der Bundesregierung deutlich: Mit dem Hinweis auf Länderzuständigkeiten zieht man sich aus der Verantwortung. Dabei wäre es richtig, wenn die Bundesregierung ein Bündnis für den Hochwasserschutz und für den Schutz des naturnahen Wasserhaushalts anführen würde, und zwar sowohl auf Bundes- wie auch auf europäischer Ebene. Denn es ist banal: Flüsse machen an keiner Landesgrenze halt. Dennoch muss darauf hingewiesen werden, weil heute kaum ein gemeinsames Verständnis über den ökologischen Hochwasserschutz in den Regierungen Europas herrscht. Deshalb ist es unabdingbar, nachhaltigen Hochwasserschutz stärker auf der europäischen Ebene zu verankern und zu kontrollieren. Wir müssen gemeinsam dafür werben, nachhaltigem Hochwasserschutz durch natürliche Wasserspeicher den Vorrang vor kurzfristigen Maßnahmen, wie der Errichtung von Rückhaltebecken oder Stahlmauern, zu geben. In der Debatte im Umweltausschuss habe ich dazu parteiübergreifend viel Zustimmung gesehen. Daher bin ich hoffnungsfroh, dass wir das Thema nun nicht einfach wieder beiseitelegen und beim nächsten Hochwasser erneut aufrufen, sondern es kontinuierlich bearbeiten und am Ende über Wasser in Deutschland tatsächlich nicht nur reden, wenn es uns bedroht. Horst Meierhofer (FDP): Wir werden die Qualität der Gewässer weiter verbessern. Hierzu werden wir die Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie an die Gewässergüte gemeinsam mit unseren Nachbarn zügig umsetzen, Schadstoffeinträge weiter vermindern und den Gewässern mehr Raum geben. Die Förderung von Agrar-Umweltmaßnahmen ist stärker auf die Verringerung der Einträge von Nährstoffen und Pflanzenschutzmitteln in Gewässer auszurichten. Soweit das Zitat auf Seite 25 des Koalitionsvertrages. Inhaltlich begrüße ich die Vorschläge der SPD und der Grünen. Allerdings zeigt das Zitat auf, dass die Anträge keine Fortentwicklung unserer Pläne bringen. Ich möchte anhand einzelner Bereiche hervorheben, welche Bemühungen bisher getroffen wurden, und aufzeigen, dass wir hier keineswegs untätig bleiben. Hinsichtlich der Grundwasserqualität werden wir uns bald mit der neuen Grundwasserverordnung auf einem Schutzniveau bewegen, das höher ist als jemals zuvor. Die europäischen Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie werden mehr als nur eingehalten. Mit der FDP-Fraktion wird es keine Verringerung des Grundwasserschutzstandards geben. Zweiter Bereich: Oberflächengewässer. Selbstverständlich ist es richtig, wenn im Antrag der Grünen der Auenschutz als eines der zentralen Themen für eine angemessene Hochwasservorsorge hervorgehoben wird. Der Auenschutz liegt uns ohnehin besonders am Herzen. "Für den Natur- und Hochwasserschutz sollen natürliche Auen reaktiviert und Flusstäler, wo immer möglich, renaturiert werden." Auch dies ist ein wörtliches Zitat aus dem Koalitonsvertrag. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, darüber hinaus Auenschutz, mehr Retentionsräume und weniger Verbauung nicht nur an Donau, Rhein, Elbe oder Oder im Blick zu haben, sondern das Hochwasserproblem am Ort seiner Entstehung zu verhindern oder zumindest zu reduzieren. Das heißt im Klartext: Wenn Bächen und kleinen Zuflüssen genügend Raum gegeben ist, nimmt auch der Druck auf die großen Ströme ab. Auch ein Blick zurück zeigt, dass dieser Bereich seit Jahren und über Parteigrenzen hinweg immer im Fokus stand. Erwähnenswert ist zum Beispiel die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt aus dem Jahr 2007: Wir wollen bis 2020 die Fließgewässer und ihre Auen in der Funktion als Lebensraum soweit sichern, um den gesamten Naturraum in seiner Vielfalt wiederherzustellen. Gleichzeitig soll die Anzahl der Überflutungsräume deutlich erhöht werden. Weiter haben wir pünktlich am 22. März 2010 für alle relevanten Flussgebietseinheiten die Bewirtschaftungspläne an die Europäische Kommission übermittelt und eine Planung für die Verbesserung der Fließgewässer vorgenommen. Hier muss erwähnt werden, dass alleine die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie bis Ende 2015 geschätzte 9,4 Milliarden Euro kosten wird. Wie Sie hieran erkennen können, zeigt sich auch auf haushalterischer Ebene der politische Wille der Regierung, den Naturschutz trotz finanzieller Sparzwänge hoch zu gewichten. Erneut darf ich Ihnen erfreut mitteilen, dass die Arbeit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltungen auch aufgrund unseres politischen Drängens mittlerweile beinhaltet, bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie einen ökologischen Part zu übernehmen und sich aktiv für den Umweltschutz einzusetzen - eine sehr erfreuliche Entwicklung! Lassen Sie mich noch in aller Kürze auf Schutzmaßnahmen vor Hochwasser eingehen, die trotz aller erforderlichen natürlichen Maßnahmen hilfreiche und sinnvolle Ergänzungen darstellen. Ein Deich wird nicht vollständig durch Auen ersetzbar sein. Technische Lösungen sind bis zu einem gewissen Grad gerade in dicht besiedelten Gebieten erforderlich. Wie Sie anhand des letzten Hochwassers an der Oder sehen konnten, ist der Zustand und die Pflege dieser Konstruktionen in keinem schlechten Zustand, auch wenn an manchen Stellen noch Verbesserungsbedarf besteht. Ich begrüße die Debatte um das elementarste aller Güter und bin stets bereit, gute Ideen aufzunehmen, will Ihnen aber auch sagen: Die Koalition hat dieses Thema im Griff. Sabine Stüber (DIE LINKE): Das Thema Gewässer- und Hochwasserschutz wird immer dann aktuell, wenn die Resultate von jahrelangen Versäumnissen in aller Härte spürbar werden, nämlich dann, wenn es Hochwasser gibt. Das Vorsorgeprinzip verlangt aber, vor Eintreten der Katastrophe Maßnahmen zu ergreifen, die diese zumindest eindämmen oder bestenfalls sogar ganz verhindern. Deshalb würde ich mir eine Beschäftigung des Parlaments mit dem für viele Menschen existenziellen Thema "Hochwasserschutz" auch einmal unabhängig von aktuellen Hochwasserereignissen wünschen. Die bedeutendsten Klimaprognosen für den mitteleuropäischen Raum sagen voraus, dass sich fortschreitend die Jahresniederschlagsmengen auf immer weniger, aber umso heftigere Niederschlagsereignisse verteilen werden. Das stellt bereits heute, da wir die ersten Auswirkungen dieser Entwicklung zu spüren bekommen, besondere Herausforderungen und Ansprüche an den Gewässer- und Hochwasserschutz. Die Forderungen nach einem integrierten Hochwasserschutzkonzept sind sinnvoll und begrüßenswert, in der vorliegenden Form aber nicht konsequent genug. Sie wären besser angelegt in konkreten Gesetzesänderungen oder Programmen. In den Anträgen findet sich unserer Meinung nach auch die europäische Komponente nicht ausreichend wieder. Eine bessere Koordinierung als bloße Formulierung reicht nicht aus; denn hier muss schnellstens gehandelt werden. Höhere Deiche in Brandenburg allein sind zwar gut für die örtliche Bevölkerung. Sie können aber nicht die Lösung des Problems sein, wenn auf der anderen Seite der Oder ganze Dörfer unter Wasser stehen. Hochwasser kennt keine Grenzen. Grenzenloses Denken und Planen muss auch Leitschnur jeder Hochwasserpolitik sein. Die Wechselwirkungen zwischen Fluss und Aue beeinflussen maßgeblich den ökologischen Zustand beider Lebensräume. Flussauen haben vielfältige Funktionen. Sie dienen als Lebensraum, als Biotopverbundachsen, sie sorgen für sauberes Grundwasser und sind Erholungsräume. Als Retentionsräume für Flüsse dienen sie auch dem Hochwasserschutz. Der Schutz von Flussauen ist daher ein wichtiger Bestandteil zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, die uns verpflichtet, bis 2015 für einen guten ökologischen und chemischen Zustand der Gewässer zu sorgen. Aus dem Auenschutzbericht geht allerdings hervor, dass die Auen in Deutschland ihre Funktion als Lebensraum, Wasserfilter und Überflutungsfläche nicht ausreichend erfüllen. Deshalb begrüßt Die Linke den Antrag von Bünd-nis 90/Die Grünen, der die Bundesregierung auffordert, die Ergebnisse des Auenschutzberichtes endlich in konkretes Handeln umzusetzen. Wir stimmen zu, dass die Einbeziehung der verschiedenen Akteure zum überregionalen Ausgleich unterschiedlicher Nutzungsinteressen erforderlich ist. Genauso hoch schätzen wir auch den jeweiligen regionalen Interessenausgleich ein. Hier erinnere ich noch einmal an das geglückte Beispiel der Deichrückverlegung an der Elbe bei Lenzen. Dort entstanden 425 Hektar Überflutungsfläche und nach Initialpflanzung wächst seit zehn Jahren auf 300 Hektar Auwald. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es gehen kann, wenn der politische Wille vorhanden ist. Dass es aber gravierende Defizite gibt, zeigen die Ziele für Feuchtgebiete und Moore in der nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt, die bis heute nicht erreicht sind. Deshalb geht uns der Antrag der SPD zum Schutz von Nass- und Feuchtgebieten auch nicht weit genug. Für uns ist es wichtig, dass Prioritäten gesetzt werden, die in konkretem Handeln münden statt allgemeiner Erklärungen zum Ernst der Lage. Um ein Beispiel zu nennen: Moore bedecken nur 3 Prozent der Landfläche, binden aber 30 Prozent des terrestrischen Kohlenstoffs in sich. Das zeigt, welche Bedeutung ihnen nicht nur für die Artenvielfalt, sondern auch für den Klimaschutz zukommt. Moorschutz hat daher höchste Priorität! Die Länder sind aufgefordert, Moorschutzkonzepte zu erstellen. Als Grundlage müssen Zustandsbewertungen her als Basis für einen flächendeckenden Moorschutz. Ein Umbruchverbot von Moorböden kann nur ordnungsrechtlich durchgesetzt werden. Dazu muss die Bundesregierung für eine konsequente Umsteuerung der EU-Agrarpolitik in diesem Punkt einsetzen. Intensive Landnutzung, Begradigung von Flüssen und Dezimierung natürlicher Auenflächen muss mit konkreten Programmen begegnet werden - durch Renaturierung von Gewässern, Rückverlegung von Deichen und Verbesserung der Wasserrückhaltefähigkeit von Mooren und Feuchtgebieten. Die Bundesregierung ist gefordert, endlich die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, es ist höchste Zeit. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unser Antrag zum Auenschutzprogramm und der SPD-Antrag zum Wasserhaushalt wurden hier im Plenum bereits einmal beraten. Herr Liebing und Herr Göppel von der Unionsfraktion hatten sich in dieser Debatte für einen gemeinsamen Beschluss im Bundestag ausgesprochen. Schade nur, dass sie dann in den Ausschüssen unseren Antrag mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt haben. Wir hätten gemeinsam einen sinnvollen Beitrag zu Artenschutz, Hochwasserschutz und Gewässerschutz leisten können. Stattdessen hören wir von Schwarz-Gelb in Sachen Auenschutz bisher nur Sonntagsreden, obwohl der Koalitionsvertrag die Renaturierung von Auen und Flusstälern verspricht. Mit der Zustimmung zu unserem Antrag hätten sie beweisen können, dass sie es damit ernst meinen. Auch über die SPD habe ich in diesem Zusammenhang gestaunt. Denn wider Erwarten haben Sie sich bei der Abstimmung unseres Antrages im Agrarausschuss enthalten. Hat Ihre interne Abstimmung nicht funktioniert oder hat die Agrarlobby erfolgreich ihre Muskeln spielen lassen? Dann hätten Sie sich aber auch bei Ihrem eigenen Antrag zum Wasserhaushalt enthalten müssen, dessen Forderungen sich weitgehend mit unseren decken. Der SPD-Antrag für ein integriertes Hochwasserkonzept beinhaltet viele richtige Ansätze, die wir bereits formuliert und in die Debatten im Deutschen Bundestag eingebracht haben. Aber er geht nicht weit genug. Es muss eine klare Priorität für den naturnahen Hochwasserschutz vor dem technischen Hochwasserschutz geben. Natürliche Rückhalteflächen müssen konsequent geschützt werden, und verloren gegangene Rückhalteflächen müssen als Überschwemmungsgebiete zurückgewonnen werden. Die jüngsten Überschwemmungen in Frankreich, Polen und Tschechien haben uns wieder vor Augen geführt, wie gefährlich Hochwasser sein kann. In Folge des Klimawandels werden wir immer häufiger starke Überschwemmungen erleben. Darauf müssen wir uns vorbereiten, und dazu reichen die bisherigen Maßnahmen nicht aus. Naturnaher Hochwasserschutz braucht gesellschaftliche Akzeptanz. Die Landwirtschaft, die Waldwirtschaft und die Menschen in den Flusstälern müssen für dieses Konzept gewonnen werden. Wir sind davon überzeugt: Auenschutz und damit Hochwasserschutz sind ein Gewinn für alle, für Mensch und Natur. Dabei ist die Rolle der Flussgebietsgemeinschaften besonders wichtig, vor allem international. Denn die Überschwemmungen in Polen haben dazu geführt, dass bei uns das Hochwasser nicht mehr so mächtig war. Unsere Deiche wurden entlastet. Wenn die Polen ihren technischen Hochwasserschutz verbessern, bleiben sie beim nächsten Mal verschont, und wir haben wieder mit verschärften Problemen zu rechnen. Höhere Deiche und ein schnellerer Abfluss des Wassers verlagern die Probleme immer nur flussabwärts. Dabei wächst die Gewalt der Wassermassen. Aus dieser Spirale müssen wir ausbrechen, und das geht nur mit einer modernen naturnahen Hochwasserpolitik, die auf Wasserrückhalt, Wasserspeicherung und langsamere Abflussgeschwindigkeiten setzt, und das in der gesamten Flussgebietsgemeinschaft. Dafür brauchen wir die nötigen Flächen, die nötigen Mittel und ein ressortübergreifendes, stimmiges Konzept. Darauf werden wir weiterhin drängen. 1Ergebnis Seite 5044 C 2Ergebnis Seite 5063 D 3Ergebnis Seite 5066 C 4Anlage 5 5 Anlagen 2 bis 4 6 Ergebnis Seite 5078 D 7 Ergebnis Seite 5081 C 8 Anlage 6 9 Anlage 7 10 Anlage 8 11 Anlage 9 12Anlage 10 13Anlage 11 14Anlage 12 15 Anlage 12 16 Anlage 13 ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 4960 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 49. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 49. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 4961 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 5044 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 49. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 49. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5045