Plenarprotokoll 17/54 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 54. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Die neue Effizienz der deutschen Entwicklungspolitik - Strukturreformen für eine wirkungsvollere technische Zusammenarbeit Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Karin Roth (Esslingen) (SPD) Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Niema Movassat (DIE LINKE) Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Dr. Sascha Raabe (SPD) Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Jürgen Klimke (CDU/CSU) Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Burkhard Lischka (SPD) Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Holger Haibach (CDU/CSU) Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Manfred Grund (CDU/CSU) Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 17/2371, 17/2407) Dringliche Frage 1 Inge Höger (DIE LINKE) Erkenntnisse der Bundesregierung zu den Aufgaben eines bei einem Angriff in Kunduz auf die dortige Filiale der US-Organisation Development Alternatives Inc. getöteten ehemaligen Bundeswehrsoldaten Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Inge Höger (DIE LINKE) Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Harald Koch (DIE LINKE) Mündliche Frage 1 Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Maßnahmen der Bundesregierung zur Verhinderung einer Schließung der Medizinischen Fakultät der Universität Lübeck Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sönke Rix (SPD) René Röspel (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Swen Schulz (Spandau) (SPD) Mündliche Frage 2 Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Kritik der Hochschulrektorenkonferenz an der vorgesehenen Schließung der Universität Lübeck und an der Bildungspolitik der Länder Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) René Röspel (SPD) Mündliche Frage 3 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Strukturpolitische Stärkung der Region nach einer möglichen Schließung der Universität Lübeck Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfrage Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 4 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Gefährdung von Studiengängen in Flensburg durch das schleswig-holsteinische Sparpaket und Auswirkungen auf das deutsch-dänische Verhältnis Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Sönke Rix (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 6 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Übernahme der Kosten des Pakts für Qualität in der Lehre durch den Bund Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 7 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Aufgaben der im Rahmen des Pakts für Qualität in der Lehre angekündigten Akademie der Lehre Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 8 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Vorlage eines Gesetzentwurfs zur besseren Anerkennung ausländischer Qualifikationen Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Swen Schulz (Spandau) (SPD) Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 9 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Umsetzung des auf dem Bildungsgipfel in Dresden vereinbarten 10-Prozent-Ziels bei den Ausgaben für Bildung und Forschung Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Swen Schulz (Spandau) (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 12 René Röspel (SPD) Einsparmöglichkeiten in Programmen der Rubrik 1 a des EU-Haushalts Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen René Röspel (SPD) Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 13 René Röspel (SPD) Finanzierung des Projekts ITER unter anderem mit Forschungsfördermitteln aus dem EU-Haushalt Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen René Röspel (SPD) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 14 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bereitstellung von Mitteln für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern im Bundeshaushalt 2011 Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 19 Franz Thönnes (SPD) Haltung der Bundesregierung zu den geplanten Kürzungen bei den Zuschüssen für die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein und die deutsche Minderheit in Dänemark Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Franz Thönnes (SPD) Mündliche Frage 20 Franz Thönnes (SPD) Bewertung der Bundesregierung der aus den geplanten Kürzungen bei den Zuschüssen für die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein und die deutsche Minderheit in Dänemark resultierenden etwaigen Gefährdung des guten Zusammenlebens und des Miteinanders der jeweiligen Minderheiten Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Franz Thönnes (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 21 Sönke Rix (SPD) Vereinbarkeit der Reduzierung der öffentlichen Mittel für das Schulwesen der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein mit der Bonn-Kopenhagener Erklärung von 1955 und Bewertung der Wirkungen durch die Bundesregierung Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Sönke Rix (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 22 Sönke Rix (SPD) Vereinbarkeit der Reduzierung der öffentlichen Mittel für das Schulwesen der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein mit der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten und der Sprachencharta Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Sönke Rix (SPD) Franz Thönnes (SPD) Mündliche Frage 23 Bettina Hagedorn (SPD) Erörterung der Kürzung der Zuschüsse für dänische Schulen in Schleswig-Holstein beim deutsch-dänischen Treffen der Außenminister sowie Ergebnisse zugesagter Gespräche mit der dortigen Landesregierung Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Bettina Hagedorn (SPD) Mündliche Frage 24 Bettina Hagedorn (SPD) Stellenwert des Themas "Kürzung der Zuschüsse für dänische Schulen in Schleswig-Holstein" beim Auswärtigen Amt Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Bettina Hagedorn (SPD) Franz Thönnes (SPD) Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Steigende Beiträge als Ergebnis der Gesundheitsreform - Weniger Netto vom Brutto Elke Ferner (SPD) Johannes Singhammer (CDU/CSU) Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Heinz Lanfermann (FDP) Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Jens Spahn (CDU/CSU) Dr. Carola Reimann (SPD) Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär BMG Dr. Marlies Volkmer (SPD) Rudolf Henke (CDU/CSU) Lars Lindemann (FDP) Mechthild Rawert (SPD) Karin Maag (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Neuabdruck einer Erklärung der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur (UNAMID) auf Grundlage der Resolution 1769 (2007) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007 und Folgeresolutionen (49. Sitzung, Tagesordnungspunkt 9 b) Anlage 3 Mündliche Frage 10 Klaus Hagemann (SPD) Gegenmaßnahmen zu Ausgabenkürzungen bei Ländern und Kommunen, insbesondere im Bereich Bildung und Betreuung Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 4 Mündliche Frage 11 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Höhe des rechnerischen Anteils der Aktivität in der sogenannten Atomsuppe der Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe vor Beginn des Verglasungsbetriebs Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 5 Mündliche Fragen 15 und 16 Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) Fortführung des Stipendienprogramms des Kompetenzzentrums Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des Instituts für Auslandsbeziehungen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 6 Mündliche Frage 17 Edelgard Bulmahn (SPD) Einführung einer Budgetierung der Zuwendungen an das Institut für Auslandsbeziehungen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 7 Mündliche Frage 18 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verhinderung der Unterschlagung deutscher und internationaler Finanzhilfen in Afghanistan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 8 Mündliche Frage 25 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Unterstützung der international nicht anerkannten Regierung Somalilands beim Polizei- und Justizaufbau sowie bei der Vorbereitung und Durchführung der Präsidentschaftswahlen durch die Europäische Union Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 9 Mündliche Frage 26 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Kenntnis der Bundesregierung über Einschätzungen des CIA zum iranischen Nuklearwaffenprogramm Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 10 Mündliche Frage 27 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Beurteilung der Möglichkeiten eines substanziellen Angebots durch den Iran im Streit um dessen Nuklearprogramm und entsprechende außenpolitische Initiativen der Bundesregierung Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 11 Mündliche Fragen 28 und 29 Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) Fortsetzung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei; Verhinderung einer Abwendung der Türkei von den bisherigen westlichen Partnern Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 12 Mündliche Frage 30 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Definition des Begriffs der vernetzten Sicherheit Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 13 Mündliche Frage 31 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusammenarbeit mit Methoden der Folter anwendenden ausländischen Geheimdiensten und Staaten Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 14 Mündliche Frage 32 Kirsten Lühmann (SPD) Rechtliche Zulässigkeit der Abschiebung von erkrankten und behinderten Roma in den Kosovo Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 15 Mündliche Frage 33 Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Fehlbetrag im Haushalt des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 16 Mündliche Fragen 34 und 35 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Maßnahmen zur Erhöhung der Einbürgerungszahlen; Senkung bzw. Streichung der Einbürgerungsgebühren für Schüler, Studenten und Rentner Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 17 Mündliche Frage 36 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Vereinbarkeit der Einsparungen bei den Zulassungen zu Integrationskursen für sogenannte Altzuwanderer mit der im Koalitionsvertrag beschlossenen quantitativen und qualitativen Aufwertung der Kurse Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 18 Mündliche Frage 37 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Festnahme des deutsch-syrischen Staatsbürgers Rami M. durch pakistanische Sicherheitskräfte Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 19 Mündliche Fragen 38 und 39 Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) Geplante Kürzungen der Fördermittel für die deutsche Minderheit in Dänemark Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 20 Mündliche Fragen 40 und 41 Heinz Paula (SPD) Pläne der EU-Kommission zur Stärkung der Fahrgastrechte für alle Reisenden Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 21 Mündliche Fragen 42 und 43 Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesetzliche Verpflichtung der Fluglinien zum Beitritt der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr sowie der Pauschalreiseanbieter zur Aufklärung der Kunden über ihre Rechte und Reklamationsmöglichkeiten gemäß der EU-Verordnung Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 22 Mündliche Frage 44 Erika Steinbach (CDU/CSU) Kenntnis der Bundesregierung über Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit Menschenhandel in den letzten drei Jahren Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 23 Mündliche Frage 45 Dr. Carsten Sieling (SPD) Bewertung des für den G-20-Gipfel in Toronto vorgelegten Berichts der sogenannten Issing-Kommission Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 24 Mündliche Fragen 46 und 47 Harald Koch (DIE LINKE) Überarbeitung der Berechnungsgrundlage der Grundsteuer und Zeitplan für die Reform Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 25 Mündliche Frage 48 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ort und Zeitpunkt der Unterzeichnung des Rahmenvertrags der European Financial Stability Facility Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 26 Mündliche Frage 49 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Hinwirken auf gleiche Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 27 Mündliche Frage 50 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zusätzliche Einnahmen aus der Vermeidung des Schein-Contractings und der Reduktion des Spitzenausgleichs im Rahmen der Verringerung der Ausnahmeregelungen für die Ökosteuer Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 28 Mündliche Frage 51 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus dem im Juni 2010 gegen Hans-Joachim Metternich eingeleiteten Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Nürburgring-Affäre Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 29 Mündliche Frage 52 Doris Barnett (SPD) Umgehung des deutschen Arbeitsrechts durch Verbreitung von Informationen im Internet durch eine Einrichtung der Europäischen Kommission Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 30 Mündliche Fragen 53 und 54 Hans-Joachim Hacker (SPD) Fördermöglichkeiten für die Tourismusbranche aus EU-Fonds Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 31 Mündliche Frage 55 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bemessungsgrundlage der geplanten Brennelementesteuer Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 32 Mündliche Frage 56 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Entwicklung der Stromerzeugung nach Energieträgern und der energiebedingten CO2-Emissionen im ersten Quartal 2010 Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 33 Mündliche Frage 57 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ablehnung von Subventionen für den Neubau von ausländischen Atomkraftwerken bei Nachteilen für die heimische Energiewirtschaft Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 34 Mündliche Fragen 58 und 59 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Beauftragung von zwei Korvetten in Deutschland durch Israel Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 35 Mündliche Frage 60 Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusammensetzung der gezahlten Leistungen der Bundesagentur für Arbeit an Beschäftigte der Leiharbeitsbranche bei Bezug von aufstockendem Arbeitslosengeld II Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 36 Mündliche Frage 61 Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Leiharbeit als arbeitsmarktpolitisches Instrument Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 37 Mündliche Frage 62 Doris Barnett (SPD) Ausdehnung des Niedriglohnsektors und Schädigung der Sozialversicherungen durch Anmeldung tschechischer Arbeitnehmer als Scheinselbstständige Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 38 Mündliche Fragen 63 und 64 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Soziale Verwerfungen in der Callcenterbranche; Auswirkungen der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit auf die Situation in der Callcenterbranche Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 39 Mündliche Frage 65 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Anpassung der Arbeitsstättenverordnung gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 40 Mündliche Frage 66 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Erstattung der Mehrkosten an Menschen mit Behinderungen für erforderlich werdende Gutachten und Stellungnahmen hinsichtlich ihrer Eignung für den Erwerb des Führerscheins Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 41 Mündliche Frage 67 Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) Ermöglichung einer bundesweit einheitlichen Bewertung des Grades der Behinderung gemäß der Publikation Versorgungsamt Report von Dr. Dieter Schneider Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 42 Mündliche Fragen 68 und 69 Angelika Krüger-Leißner (SPD) Anpassung der Regelsätze im Bereich des SGB II an die Preisentwicklung Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 43 Mündliche Fragen 70 und 71 Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Weitere Anbauzulassungen für gentechnisch veränderte Pflanzen durch die EU erst nach der rechtsverbindlichen Absicherung gentechnikfreier Regionen; Novellierung des Gentechnikgesetzes Antwort Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin BMELV Anlage 44 Mündliche Fragen 72 und 73 Caren Marks (SPD) Pläne für eine regelmäßige Erhebung des tatsächlichen Bedarfs an Kinderbetreuungsplätzen und kurzfristige Maßnahmen zur Deckung des Bedarfs; Vereinbarung mit den Ländern zur Gewährleistung der Ausgaben für frühkindliche Bildung und Betreuung Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 45 Mündliche Frage 74 Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) Individuelle Entschädigungen für die Opfer des Medikaments Contergan bzw. seines Wirkstoffes Thalidomid nach dem Verursacherprinzip Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 46 Mündliche Fragen 75 und 76 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Befristete Weiterführung der Verträge zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Unabhängigen Patientenberatung auf der Grundlage des § 65 b SGB V; Start neuer Modellvorhaben bzw. gesetzliche Neuregelung Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 47 Mündliche Frage 77 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Grund und rechtliche Basis für die Beteiligung des Bundes an den Kosten für die Machbarkeitsstudie A 99 Südring München Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 48 Mündliche Frage 78 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rechtsgültigkeit von Umweltzonen sowie Anfechtbarkeit entsprechender Bußgeldbescheide Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 49 Mündliche Frage 79 Uwe Beckmeyer (SPD) Verwendung der Dividendenzahlung der Deutschen Bahn AG Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 50 Mündliche Frage 80 Uwe Beckmeyer (SPD) Konsequenzen aus dem Infrastrukturzustands- und -entwicklungsbericht sowie Vorlage beim Deutschen Bundestag Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 51 Mündliche Frage 81 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Folgen der Nichteinhaltung der Zusagen von Kopenhagen für die weiteren Klimaverhandlungen und die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 52 Mündliche Fragen 82 und 83 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einhaltung der Emissionshöchstgrenzen für Ammoniak im Jahre 2010; Schätzung der Emissionsinventare und -prognosen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 53 Mündliche Fragen 84 und 85 Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kenntnis der Bundesregierung über den "Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung zur Ausräumung immissionsschutzrechtlicher Hinderungsgründe beim Neubau oder der Erweiterung von Tierhaltungsanlagen" und des hierzu vorliegenden Gutachtens Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 54 Mündliche Frage 86 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorgesehener Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung für 2020 im Nationalen Aktionsplan für Erneuerbare Energien und Übernahme des Aktionsplans in das Energiekonzept der Bundesregierung Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 55 Mündliche Frage 87 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Folgen der Sperrung der Mittel des Marktanreizprogramms und des nationalen Klimaschutzprogramms Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU 54. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsidentin Petra Pau: Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Die neue Effizienz in der deutschen Entwicklungspolitik - Strukturreform für eine wirkungsvollere technische Zusammenarbeit. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Herr Dirk Niebel. - Bitte. Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat mit ihrem heutigen Beschluss über die neue Effizienz in der deutschen Entwicklungspolitik die Umsetzung der wohl wichtigsten Strukturreform in der entwicklungspolitischen Landschaft der Bundesrepublik in Auftrag gegeben. Ich bin sehr froh, dass wir diesen großen Schritt heute gehen können. Diese wichtigste entwicklungspolitische Reform ist seit vielen Jahren nicht nur national, sondern vor allem auch international eingefordert worden, insbesondere von der OECD, die regelmäßig unsere Leistungsfähigkeit überprüft hat und die immer wieder festgestellt hat, dass die Organisationenvielfalt der deutschen technischen Zusammenarbeit in der Entwicklungspolitik, aber auch die Verfahrensvielfalt nicht nur zu Effizienzverlusten führen, sondern auch dazu führen, dass unsere Partner in den Entwicklungsländern durch die Kooperation mit der Bundesrepublik oft vor große Herausforderungen gestellt werden. Insbesondere gilt das dann, wenn noch vielfältige andere internationale Geber hinzukommen. Die Neuordnung der Entwicklungszusammenarbeit wird die Wirksamkeit unseres Engagements international deutlich verstärken. Mit dieser Reform, die wir jetzt umsetzen werden, geben wir für den MDG-Gipfel in New York das klare und sehr starke Signal, dass wir bereit und in der Lage sind, unsere Hausaufgaben zu machen und unsere Mittel effizienter und wirksamer einzusetzen und dadurch pro ausgegebenem Steuer-Euro eine höhere Wirkung zum Wohl unserer Partnerländer zu erzielen. Darüber hinaus gibt uns diese Reform die Chance, im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung das zu machen, was eigentliche Aufgabe des Ministeriums ist, nämlich die politische Steuerungsfähigkeit und das entwicklungspolitische Agendasetting im internationalen Bereich, was in den vergangenen Jahren faktisch nicht möglich gewesen ist, weil man sich viel zu sehr in der Mikrosteuerung der Durchführung verloren hat und auch die Gewichtung von politischer Leitung im Bundesministerium auf der einen Seite und Durchführungsorganisationen auf der anderen Seite über die Jahre in eine Schieflage geraten ist. Wir werden durch die Zusammenführung von Deutscher Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, InWEnt und Deutschem Entwicklungsdienst unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit einen einheitlichen, klaren Außenauftritt haben. Unsere Leistung wird aus Sicht der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zielgenauer, wirksamer und auch sichtbarer werden. Das ist ein wesentliches Argument für die dauerhaft hohe Akzeptanz entwicklungspolitischen Engagements bei den Bürgerinnen und Bürger gerade in Zeiten schwieriger Haushaltssituationen. Wir wollen durch die neue Aufstellung in der technischen Durchführung der Entwicklungszusammenarbeit unser Angebot zu einem deutschen Exportschlager machen. Wir wollen ausdrücklich die Chance wahrnehmen, nicht nur mit den Mitteln verschiedener öffentlicher Geber aus der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch gemeinsam mit denen anderer Gebernationen sowie im sogenannten Drittgeschäft weiterhin die guten Leistungen anzubieten, die wir in unserem Portfolio haben. Die Gestaltungskraft des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird durch diese Reform nicht nur wiederhergestellt, sondern auch gestärkt. Unsere Durchführungsorganisation wird sich um die wirksame und gute Umsetzung dieser Politik kümmern. Die Außendarstellung wird besser. Man wird erkennen können, was hier im wohlverstandenen Interesse der Bürgerinnen und Bürger zum Wohle unserer Partnerländer initiiert worden ist. Wir werden durch die Akzeptanzerhöhung die Chance haben, unsere Instrumentenvielfalt für die Zukunft zu erhalten; denn die Vielfalt des Instrumentariums der technischen Zusammenarbeit ist ein Pfund, mit dem wir international wuchern können. Die Leistungen, die wir anbieten können, sind international in höchstem Maße geschätzt und sollen ausdrücklich erhalten bleiben. Die Steuerungsfähigkeit in der Politik wird erhöht, und auch die Kohärenz des deutschen Auftritts wird verstärkt. Dafür führen wir einen Ressortkreis ein, in dem alle diejenigen, die die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit mit Aufträgen versehen, im Vorfeld von Auftragsvergaben und Aufsichtsratssitzungen in alle wesentlichen Entscheidungen einbezogen werden. Derzeit ist die Situation so, dass sich Länder finden lassen, in denen zehn Bundesministerien und verschiedene Bundesländer tätig sind. Die Koordinierung des deutschen Außenauftritts ist daher oft unzulänglich. Das wird in Zukunft nicht mehr der Fall sein. Jeder kann seine Aufgaben durchführen, aber man weiß voneinander, sodass man einen gesamtdeutschen Auftritt darstellen kann, der unsere Partner in Zukunft nicht mehr überfordert. Ich freue mich ausdrücklich, dass wir durch den Beschluss des Kabinetts eine neue Phase der Reform einleiten. Wir befinden uns am Tag eins der Umsetzung. Nachdem wir bereits einen anspruchsvollen Zeitplan - genauso wie er im Koalitionsvertrag klar vorgegeben ist - eingehalten haben, werden wir vom Willen beseelt sein, diesen anspruchsvollen Zeitplan bis zur Umsetzung der Reform weiterhin durchzuhalten. Ich freue mich auf die rege Unterstützung vonseiten des Parlaments. Ich weiß, dass die Notwendigkeit dieser Reform vom Grundsatz her über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg unstreitig ist, national ebenso wie über die Grenzen der internationalen Staatengemeinschaft sowie der EZ-Community. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Herr Bundesminister. - Die erste Frage stellt die Kollegin Karin Roth für die SPD-Fraktion. Karin Roth (Esslingen) (SPD): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Minister, vielen Dank für Ihre Einführung und Darstellung der Reform, die wir vor uns haben. Sie wissen, dass am Tag eins nicht alles geglückt ist und dass Ihre Ankündigungen nur daran zu messen sind, ob sie in Wirklichkeit zustande kommen. Wir hoffen, dass vieles von dem, was Sie sich vorgenommen haben, gelingt. Einige Punkte haben Sie allerdings noch nicht auf dem Plan - das wissen Sie auch -, zum Beispiel die Integration der Finanzentwicklungshilfe. Wir hätten uns gewünscht, dass dieser Aspekt in die Reform aufgenommen worden wäre. Wir werden Sie an Ihren Taten messen. Ihre Ankündigungen sind für uns noch unzureichend. In meiner Frage geht es um innere Angelegenheiten. Es geht also nicht um die Außendarstellung, sondern darum, dass Organisationsreformen nur dann gelingen, wenn auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Prozess der Beteiligung einbezogen sind. 17 000 Menschen aus unterschiedlichen Organisationsstrukturen müssen zusammenkommen. Dabei spielt die Frage, ob es soziale Sicherheit für die Menschen gibt, eine wichtige Rolle. Ich habe dem Papier, das Sie heute verabschiedet haben, entnommen, dass es künftig einen einheitlichen Tarifvertrag geben soll. Das ist gut und richtig. Aber es ist zu lesen, dass es lediglich beabsichtigt ist, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Betriebsbedingte Kündigungen sind für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Problem, weil sie befürchten müssen, dass sie im Rahmen dieses Prozesses gekündigt werden. Deshalb wäre es gut und richtig, wenn Sie hier und heute betriebsbedingte Kündigungen ausschließen könnten. Das würde den Prozess nach innen verbessern. Sie sagen, dass Sie nach Möglichkeit die getroffenen Maßnahmen und die Zielvereinbarung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beibehalten wollen - - Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Roth, versuchen Sie bitte, das alles in eine Frage zu fassen. (Beifall bei der FDP) Karin Roth (Esslingen) (SPD): Das kommt jetzt. - Sie wissen genau, dass das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig ist, um Frauen in diesem Bereich in Führungspositionen zu bringen. Wie wollen Sie das organisieren? Sie wissen, dass gerade in diesem Bereich viele Frauen engagiert sind. Können Sie uns zusagen, dass die bisher bestehende Zielvereinbarung bestehen bleibt, um diesen frauenpolitischen Aspekt zu realisieren? Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Roth, vielen Dank für die vielfältigen Fragen, die Sie gestellt haben. Ich werde versuchen, sie alle ausführlich zu beantworten. Ein Grund dafür, warum diese Bundesregierung in acht Monaten so viel weiter gekommen ist als zwei Vorgängerregierungen in acht Jahren, ist erstens, dass wir uns, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, auf die technische Zusammenarbeit konzentriert haben. Der weitaus größere personelle Anteil entfällt übrigens auf den Bereich der technischen Zusammenarbeit. Die Masse derjenigen, die im entwicklungspolitischen Bereich in den staatlichen Durchführungsorganisationen beschäftigt sind, arbeiten in den jetzt zu fusionierenden technischen Durchführungsorganisationen und eben nicht bei der KfW Entwicklungsbank, dabei geht es ungefähr um 600 Stellen. Des Weiteren soll die Arbeit an den Schnittstellen der finanziellen Zusammenarbeit deutlich verbessert werden; auch das sieht der Koalitionsvertrag vor. Dies ist ein erster Schritt auf dem Weg, einen insgesamt besseren und kohärenteren Auftritt von technischer und finanzieller Zusammenarbeit innerhalb der deutschen EZ zu organisieren. Aus diesem Grund ist dieser Schritt nur folgerichtig. Zweitens sind wir deshalb so viel erfolgreicher als die beiden Vorgängerregierungen, die an dieser Reform gescheitert sind, weil wir von Anfang an einen anderen Weg gegangen sind; diesbezüglich stimme ich Ihnen vollkommen zu. Wir haben nicht einen kleinen Arbeitskreis im Ministerium gegründet, der einen Auftrag an eine Consultingfirma vergeben hat, welche ein Konzept entwickelt hat, das dann übergestülpt wurde. Das hätte nur zu Widerständen geführt, wie Sie in Ihrer Regierungszeit leidvoll feststellen mussten. Wir haben die Beteiligten und die Betroffenen im BMZ und in allen Organisationen, die die Fusion durchführen sollen, von Anfang an einbezogen. Wir wollen nämlich keine einheitliche Gesellschaft gründen, die drei unterschiedliche Gesellschaften unter einem Dach vereint, sondern wir wollen ein integriertes Geschäftsmodell haben. Wir wollen, dass alle zusammenwachsen. Unser Ansatz hat dazu geführt, dass die Betroffenen eigene Vorstellungen zur Fusion entwickelt und selbst Vorschläge unterbreitet haben. Man steht nun einmal eher hinter Vorschlägen, die man selbst gemacht hat, als hinter Vorschlägen, die andere Leute gemacht haben. Das wird so weitergehen. Wir werden auch in Zukunft die Organisationen mitnehmen und sie in der weiteren Verhandlungsphase begleiten. Deswegen wird das BMZ auch keinen Übergangstarifvertrag schließen; das ist Sache der Organisationen. Wir werden den Vorgang aber begleiten, weil wir ausschließen wollen, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Wir können Ihnen das hier nicht zusichern. Das ist nicht Sache des BMZ. Wir sind nicht der Arbeitgeber dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Betriebsbedingte Kündigungen sind aber nicht unser Ziel. Es ist auch nicht unser Ziel, Geld einzusparen. Mittelfristig ist das wahrscheinlich das Ergebnis, aber unser eigentliches Ziel ist es, die Wirksamkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen. Durch die Erhöhung der Wirksamkeit und den effizienten Einsatz der geringen finanziellen Mittel der öffentlichen Hand wollen wir erreichen, dass die Akzeptanz der Steuerzahler, Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen, auch in Zukunft so hoch ist, wie es bisher der Fall ist. Darüber hinaus ist es unser Ziel, die gute Vereinbarung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in die neue Organisation hinüberzuretten. Aus den vielen Gesprächen, die wir geführt haben, wissen Sie, dass ich einer der wenigen männlichen Kollegen in diesem Hause bin, die Erziehungsurlaub gemacht haben. Das hieß damals so, obwohl das mit Urlaub nicht viel zu tun hatte. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am Ende der Legislaturperiode das familienfreundlichste Ministerium ist. (Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird goutiert!) Wenn das Ministerium das schaffen will, dann macht es viel Sinn, die Durchführungsorganisationen dazu anzuhalten, ähnlich zu arbeiten. Wir haben, glaube ich - Herr Staatssekretär Beerfeltz, korrigieren Sie mich -, 132 - oder 145 - verschiedene Teilzeitmodelle bei uns im Haus, was ein anspruchsvolles Arbeiten der Personalverwaltung, aber auch ein hohes Maß an Vielfalt mit sich bringt. Wenn wir den Durchführungsorganisationen das als Ziel vermitteln, dann glaube ich, dass sie versuchen werden, diesen Herzenswunsch zu erfüllen. Ich kann Ihnen dies hier aber nicht zusichern, weil ich nicht der Arbeitgeber der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Durchführungsorganisationen bin. Vizepräsidentin Petra Pau: Gestatten Sie mir für die nachfolgenden Fragen und Antworten den Hinweis, dass wir beim Tagesordnungspunkt "Befragung der Bundesregierung" sind. Wir erfahren hier sicherlich sehr interessante Dinge, die über das vorgegebene Thema hinausgehen. Wir sollten aber allen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen, und der Bundesregierung die Möglichkeit, entsprechend kurz zu antworten. Die nächste Frage stellt die Kollegin Sabine Weiss für die Unionsfraktion. Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Schönen Dank, Herr Minister. - Im Zusammenhang mit der Vorfeldreform wird Ihnen von der Opposition ständig vorgeworfen, dass das zu kurz gesprungen sei und das, wenn überhaupt, nur ein ganz kleiner Wurf sei. Deswegen lautet meine Frage: Inwiefern ist die Vorfeldreform aus Ihrer Sicht die Basis für eine engere Anbindung, vielleicht auch für eine Fusion mit dem Bereich der finanziellen Entwicklungszusammenarbeit? Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Weiss, vielen Dank. - Noch einmal ganz deutlich zur Anzahl der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Durch die jetzt betroffenen Organisationen wird die überwiegende Mehrzahl abgedeckt. Die KfW Entwicklungsbank hat ungefähr 600 Mitarbeiter; das sind also deutlich weniger als die 16 000 bis 17 000, über die wir jetzt hier sprechen. Deswegen ist das der entscheidende Schritt, um die Wirksamkeit und die Effizienz zu erhöhen. Darüber hinaus habe ich schon angedeutet, dass zwei Vorgängerregierungen an dieser Fusion gescheitert sind. Ich glaube, sie ist wichtig, notwendig und vor allem auch dringlich. Sonst würden sie international und national nicht ständig eingefordert werden. Im Hinblick auf den Millenniumsgipfel in New York müssen wir deutlich machen: Wir sind jetzt, fünf Jahre vor der angestrebten Zielerreichung, zwar noch nicht in der Lage, alle Ziele zu erreichen. Aber wir sind zumindest in der Lage, unsere Hausaufgaben zu machen und die Grundlagen dafür zu schaffen, unsere Ziele zu erreichen. Deswegen ist dieser erste Schritt der entscheidende. Ich gehe davon aus, dass durch die Aufstellung der deutschen Häuser, mit denen wir über die KfW Entwicklungsbank Kooperationsverträge abschließen wollen, ein deutlich einheitlicherer Außenauftritt für unsere Partner im Ausland gegeben sein wird, als das heute noch oft der Fall ist. Darüber hinaus sage ich Ihnen - aus tiefster Überzeugung und gar nicht parteipolitisch - noch zwei Dinge. Es ist wahrscheinlich nicht einfach, die KfW Entwicklungsbank aus der KfW herauszulösen. Wie genau dies gemacht werden kann, vermag ich nicht zu beurteilen; dafür bin ich nicht Fachmann genug. Aber ich weiß zumindest eines: Das Entwicklungsministerium entscheidet jetzt bei dieser Reform über die Entwicklungspolitik. Bei einer Fusion mit der KfW Entwicklungsbank bestünde die Gefahr, dass der Finanzminister über die Entwicklungspolitik entscheidet. Da Sie Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind, glaube ich, dass das nicht das Ziel ist, das Sie erreichen wollen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Jürgen Koppelin. Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Herr Minister, ich finde es sehr beeindruckend, was Sie hier und heute als Ergebnis vorlegen. Sie haben schon darauf hingewiesen, wie viel Zeit Sie dafür benötigt haben. Ich finde, Sie haben verhältnismäßig wenig Zeit gebraucht, um zu diesem Ergebnis zu kommen. Sie haben auch auf das hingewiesen, was die Vorgängerregierungen gemacht haben. Vor allem beeindruckend finde ich, dass Sie nicht wie Ihre Vorgängerin Gutachten in Auftrag gegeben haben, die 128 000 Euro gekostet haben, deren Empfehlungen man aber nicht verwirklichen konnte. Ich will an das anknüpfen, was die Kollegin Roth von den Sozialdemokraten gefragt hat. Sie haben demonstriert, dass Arbeitnehmerinteressen bei der FDP in guten Händen sind, bei Verdi anscheinend weniger. Daher interessiert mich: Was geschieht mit den Rechten, die Arbeitnehmer in den Organisationen haben? Sie haben bestimmte Ansprüche und Rechte in den alten Gesellschaften. Werden diese Rechte gesichert? Das halte ich für eine sehr wichtige Frage. In den Gesprächen, die wir mit Personalvertretungen führen konnten, ist immer wieder der Wunsch geäußert worden, die Rechte zu behalten; das kann ich verstehen. Bei der Gelegenheit, Herr Minister, wenn ich das noch sagen darf: Ich glaube, Sie sind auch dank der neuen Leute im Ministerium, die Sie eingestellt haben, und der Mannschaft im Außenministerium so schnell zu diesem guten Ergebnis gekommen. (Zurufe von der SPD: Oh!) Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Vielen Dank, Herr Kollege Koppelin, für diese Frage. - In einem Punkt muss ich Ihnen widersprechen. Wir führen sehr konstruktive Gespräche mit Verdi, und wir wollen diese natürlich auch bezüglich des Überleitungstarifvertrags für die Zukunft gerne so weiterführen. Ich stelle mir vor, dass die erworbenen Ansprüche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dergestalt gesichert werden, dass sie, wenn der neue Tarifvertrag für die gesamte Gesellschaft abgeschlossen sein wird, ein Wahlrecht bekommen und selber entscheiden, ob sie nach dem alten oder nach dem neuen Recht behandelt werden wollen. Das wünsche ich mir als Ziel. Die Tarifvertragsparteien mögen dies bitte in die Verhandlungen aufnehmen. Ich selbst bin, wie Sie wissen, nicht Tarifvertragspartei, sondern nur derjenige, der dafür sorgen muss, dass es funktioniert. Aber das ist ausdrücklich unser Ziel. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt der Kollege Niema Movassat. Niema Movassat (DIE LINKE): Danke, Frau Präsidentin. - Herr Minister, natürlich ist die Zusammenführung - das ist, glaube ich, so weit Konsens - auf technischer Ebene richtig. Aber bei dem Entwurf muss man sozusagen einen Unterpunkt machen: Das alles steht unter Finanzierungsvorbehalt. Es wird sich noch zeigen, ob das Papier, das vorgelegt wurde, am Ende in der Realität umgesetzt wird und inwiefern der Finanzminister mitmacht. Sie legen in Ihrem Papier - natürlich auch in Ihrer gesamten Entwicklungspolitik - einen sehr starken Akzent auf die Wirtschaftsförderung, insbesondere auf die Förderung der deutschen Wirtschaft. In dem Papier wird auch deutlich, dass die Consultingfirmen mehr Aufträge erhalten sollen. Meine Frage, die sich daran anschließt, lautet: Glauben Sie, dass Consultingfirmen automatisch effizienter arbeiten? Wenn dies so ist, warum denken Sie das, und wenn nein, warum legen Sie dann einen so starken Akzent auf diesen Bereich? - Danke schön. Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Vielen Dank, Herr Kollege Movassat. - Zunächst einmal möchte ich sagen: Das Konzept steht nicht unter einem Finanzierungsvorbehalt; vielmehr bedarf es einer Wirtschaftlichkeitsanalyse. Diese Wirtschaftlichkeitsanalyse konnte vor Beschluss des Kabinetts nicht erstellt werden. Das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsanalyse hängt natürlich auch von dem weiteren Prozess ab: Wie werden die Tarifverträge in Zukunft ausgestaltet sein? Wie wird die Zusammenführung der Organisationen im Hinblick auf den Zeitablauf durchgeführt? Das sind Dinge, die im Vorfeld der Beschlussfassung des Kabinetts überhaupt noch nicht überprüft werden konnten. Aber jetzt, nachdem das Kabinett den Beschluss gefasst hat, werden wir sehr zeitnah eine Ausschreibung für eine solche Wirtschaftlichkeitsanalyse durchführen. Erst nach Abschluss der Wirtschaftlichkeitsanalyse können wir den rechtlichen Fusionsprozess abschließen; denn natürlich ist es notwendig - es ist völlig legitim, dass der Finanzminister dies einfordert; denn es ist geltendes Recht -, deutlich zu machen, dass das, was wir vorhaben, wirtschaftlich sinnvoll ist. Wir wollen nicht, dass es am Ende zu Mehrkosten kommt. Vielmehr wollen wir mehr Wirksamkeit und Effizienz, also eine sogenannte Fusionsrendite erzielen, die es ermöglicht, heute mit TZ-Mitteln finanzierte Stellen von GTZ-Mitarbeitern im Ministerium durch eigene Dienstposten zu ersetzen, weil es einfach ein besserer Weg ist, hier eine klare Trennung zwischen der politischen Steuerung und der Durchführung vorzunehmen. Sie haben die Consultingwirtschaft angesprochen. Damit beziehen Sie sich wahrscheinlich auf den Bereich "Wettbewerb und Vergabe". Sie wissen genauso gut wie wir, dass es immer wieder Diskussionen gegeben hat, ob es wettbewerbsverzerrend wirkt, wenn eine staatliche Durchführungsorganisation eine Aufgabe übernimmt. Wir haben ausdrücklich am Prinzip der Direktvergabe festgehalten, weil wir davon ausgehen, dass ein großes öffentliches Interesse an der Entwicklungszusammenarbeit besteht und darüber hinaus viele der Dinge, die dort getan werden, nicht marktgängig sind. In all den Bereichen, die marktgängig sind, soll wie bisher die Möglichkeit geschaffen werden, über ein Ausschreibungsverfahren privatwirtschaftliche Akteure einzubeziehen, sei es durch Wettbewerbselemente bei der politischen Beratung - wenn man zum Beispiel einen Think Tank beauftragt, neue Konzepte zu entwickeln - oder in sektoralen Bereichen, in denen die GIZ, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Unteraufträge an private Firmen vergibt; denn wir wollen nicht, dass möglicherweise Arbeitsplätze in der privaten Wirtschaft mit Steuergeldern vernichtet werden. Darüber hinaus ist festzuhalten: Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist auch für wirtschaftliche Zusammenarbeit zuständig; sonst würde es nicht so heißen. Aus diesem Grund sieht der Koalitionsvertrag vor, dass einer der Schwerpunkte darin besteht - das ist tatsächlich eine Veränderung im Vergleich zur Vorgängerregierung -, dass wir versuchen, Armut zu bekämpfen, indem unsere Partnerländer Wirtschaftswachstum generieren und idealerweise Wertschöpfungsketten im eigenen Land implementieren können; denn dann haben die Menschen eine Chance auf Arbeit, mit der sie ein Einkommen erzielen können, das wiederum armutsbekämpfend wirkt. Wenn sich hier deutsche Unternehmen, die nicht reine Absatzmärkte erschließen, sondern Entwicklungsprojekte mitentwickeln sollen, beteiligen, ist das wünschenswert. Das wollen wir in Zukunft von allen einfordern. Wenn wir ein solches Engagement - auch mit staatlichen Mitteln - unterstützen, erwarten wir selbstverständlich, dass die Unternehmen im Bereich der Corporate Social Responsibility etwas mehr tun, als nur einen Fußball an eine benachbarte Schule zu übergeben, und sich entwicklungspolitisch engagieren. Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Katja Dörner. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Mich interessiert der Standort der neuen Organisation. Im Zusammenhang mit der Standortfrage hat es sehr viel Hin und Her gegeben: Zunächst waren zwei Hauptsitze vorgesehen; dann war Bonn als alleiniger Hauptsitz angedacht. Jetzt ist relativ kurzfristig wieder ein Doppelmodell in Ihre Vorlage hineingekommen. Meine Frage lautet: Welche Gründe waren für diese Entscheidung ausschlaggebend? Müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den jeweiligen Standorten davon ausgehen, dass sie im Zuge dieses Fusions- und Zusammenführungsprozesses ihren Lebensmittelpunkt verlagern müssen? Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Vielen herzlichen Dank. - Sie beziehen sich auf eine Frage, die die gesamte Diskussion im Vorfeld maßgeblich mitgeprägt hat, obwohl sie inhaltlich eigentlich nicht entscheidend ist. Das BMZ hat im ersten Vorschlag eine Doppellösung vorgesehen. Im Rahmen der Ressortabstimmung wurde eine Lösung mit nur einem Standort präferiert. Durch Steuerung von unten ist daraus wieder eine Doppellösung geworden. Man muss sich das wie bei anderen Fusionen vorstellen. ThyssenKrupp ist ein Beispiel dafür: Das Unternehmen verfügte über zwei Standorte, weil bei der Fusion beide Standorte aufgrund der traditionellen Gegebenheiten dieses Unternehmens so wichtig für das Gesamtunternehmen waren, dass es die Registergerichte akzeptierten, beide Standorte einzutragen. Die letzte Entscheidung treffen die Registergerichte in Bonn und Eschborn. Unser Ziel ist, dass beide Standorte gleichberechtigt eingetragen werden. Sollte das aus irgendwelchen Grünen nicht möglich sein, gilt selbstverständlich das Berlin/Bonn-Gesetz. Danach ist der erste Dienstsitz - so muss man es korrekt sagen; denn es geht nicht um den ersten Standort, sondern um den ersten Dienstsitz - Bonn. Was die anderen Standorte betrifft - InWEnt zum Beispiel hat Standorte in acht Bundesländern -, haben wir zugesichert, dass dann, wenn die Bundesländer bereit sind, ihre Anteile an den Bund abzugeben - die GIZ soll eine 100-prozentige Bundestochter sein -, auf jeden Fall gewährleistet ist, dass die Standorte erhalten bleiben. Das liegt im ausdrücklichen Interesse der beteiligten Länder. Wer als Wahlkreisabgeordneter schon einmal Diskussionen über Bundeswehrstandorte erlebt hat, der weiß, dass man mit Standortdiskussionen jede noch so gute Fusion und jede noch so gute Reform totmachen kann. Ziel ist ausdrücklich nicht eine Mitarbeiterlandverschickung. Aber es ist nicht auszuschließen, dass einige Mitarbeiter von Eschborn nach Bonn und andere von Bonn nach Eschborn werden umziehen müssen. Wir werden das so weit wie irgend möglich minimieren. Die Größenordnung, um die es geht, ist mit Sicherheit im zweistelligen oder unteren dreistelligen Bereich anzusiedeln. Bei 17 000 Mitarbeitern weltweit ist das nicht viel. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt der Kollege Sascha Raabe. Dr. Sascha Raabe (SPD): Herr Minister, Sie haben ausgeführt, dass Sie als ersten Schritt die technische Zusammenarbeit fusionieren möchten. Auf die Nachfragen der Kollegen haben Sie aber auch gesagt, dass Sie an die finanzielle Zusammenarbeit, an die KfW, nicht herangehen wollen. Weil Sie immer die OECD zitieren, frage ich Sie: Ist Ihnen bekannt, dass dies eigentlich die Hauptforderung des Entwicklungsausschusses der OECD ist, und wie viele andere Länder kennen Sie, in denen es eine solche Trennung zwischen finanzieller und technischer Zusammenarbeit gibt? Da Sie von Effizienz geredet haben: Was die Personalfrage angeht, steht zu befürchten, dass Sie das, was Sie in Ihrem Ministerium gemacht haben - Sie haben Experten durch Parteifunktionäre ersetzt -, (Zurufe von der FDP: Oh! Oh! - Harald Leibrecht [FDP]: Schon wieder die gleiche alte Leier!) auch an dieser Stelle tun werden. Sie haben sogar Eckhard Deutscher, den Vorsitzenden des OECD-Entwicklungsausschusses, einen Effizienzexperten, abberufen, weil er das falsche Parteibuch hat. (Zurufe von der FDP: Na, na!) Haben Sie vor, die Politik, Experten durch FDP-Parteifunktionäre zu ersetzen - dass Sie das getan haben, hat übrigens auch der Personalrat des BMZ kritisiert -, in den neuen Organisationen zu betreiben? (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Ach Gott! Dieser Rabe krächzt aber schlecht!) Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege, die Koalitionsvereinbarung sieht vor, dass der erste Schritt darin besteht, die technische Zusammenarbeit zusammenzuführen, und dass man dann überprüfen muss, ob eine weitere Zusammenführung mit der KfW notwendig bzw. sinnvoll ist. Mein erstes Ziel ist, den ersten Schritt zu machen, der von Ihrer Ministerin unter zwei Regierungen nicht gegangen worden ist. Mein zweites Ziel ist, die Schnittstellen zur KfW dann so zu verbessern, dass ein Höchstmaß an Effizienz vorhanden ist, und durch beide Organisationen für ein höheres Maß an Steuerungsfähigkeit zu sorgen, als es heute der Fall ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass die OECD vor allem gefordert hätte, die KfW zu integrieren, sondern die OECD hat in erster Linie die Organisationenvielfalt und die Instrumentenvielfalt kritisiert. Ihre Aussagen zu bestimmten Personalentscheidungen werden dadurch, dass Sie sie regelmäßig wiederholen, nicht richtig. Sie sind nach wie vor so unwahr, wie sie es schon in der Vergangenheit gewesen sind; (Beifall des Abg. Harald Leibrecht [FDP]) Sie können das nachlesen. Ich werde Ihnen übrigens gerne eine Zusammenstellung von Presseartikeln über meine Amtsvorgängerin zukommen lassen, in denen exakt die gleichen Äußerungen des Personalrats ihr gegenüber gemacht worden sind, und zwar über Jahre hinweg. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Sascha Raabe [SPD]: Das kann nicht sein! FDP-Funktionäre hat sie nie eingestellt!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Jürgen Klimke. Jürgen Klimke (CDU/CSU): Herr Minister, aus unserer Sicht und nach meiner persönlichen Überzeugung zeigt das Ergebnis der Verhandlungen: Die Regierung handelt effektiv und schnell, und das ist gut so, gerade für den Entwicklungsbereich. Ein wichtiger Bestandteil ist das Drittgeschäft, das die GTZ und andere Organisationen im Auftrag anderer Länder, aber auch internationaler Banken durchführen. Dies hat dazu geführt, dass Umsätze gemacht worden sind und auch in Deutschland Arbeitsplätze gesichert werden konnten. Ist das Drittgeschäft aller Organisationen im gleichen Umfang wie in der Vergangenheit gesichert, und welche Drittgeschäftsstrukturen sind vorgesehen? Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege, ich würde gern ein wenig Orientierung in die Sprachverwirrung bringen. Das Drittgeschäft ist nämlich nur ein Teil dessen, was Sie beschrieben haben. Es besteht erstens die Möglichkeit, dass andere deutsche öffentliche Auftraggeber die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit beauftragen, zum Beispiel Bundesministerien, Bundesländer oder Kommunen. Das ist im Prinzip das Gleiche, als ob das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sie beauftragte. Hier war die Abstimmung in der Vergangenheit suboptimal. Man muss wissen, wer wo was tut. Dies wird in der Zukunft durch die Arbeit des Ressortkreises verbessert. Das Zweite ist die sogenannte Kombifinanzierung, das heißt, dass andere internationale Geldgeber mit uns gemeinsam Geld poolen, um ein bestimmtes Projekt durchzuführen. Beides ist ausdrücklich hundertprozentig gewährleistet. Wir wollen die deutsche EZ "made in Germany" oder "made by Germany" zu einem Exportschlager machen. Denn wir werden hinterher eine sehr durchschlagskräftige Durchführungsorganisation haben, die vielen anderen zeigen kann, dass man sich gerne daran beteiligen kann, wenn man erfolgreich arbeiten möchte. Wir wollen ganz bewusst zusätzliche Mittel aktivieren und akquirieren, damit die Kombifinanzierung deutlich verstärkt werden kann. Der letzte Bereich ist das sogenannte Drittgeschäft, also der wirtschaftliche Geschäftsbereich, in dem andere Geberregierungen oder Entwicklungsländer selbst eigene Programme in Auftrag geben. Ich nenne als Beispiel den Irak, der einen enorm großen Entwicklungsbedarf, aber auch enorm viel Geld hat. Solche Länder könnten im entwicklungspolitischen Teil auf unsere Kompetenz zugreifen, müssten es dann aber selbst bezahlen. Dieses sogenannte Drittgeschäft wollen wir in der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit integrieren. Nach Rechtsgutachten, die wir haben, ist das wettbewerbsrechtlich kein Problem. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir die Synergieeffekte nutzen sollten, um über dieses Drittgeschäft mögliche zusätzliche neue Finanzierungsinstrumente zu generieren. Man kann darüber nachdenken, einen entwicklungspolitischen Fonds aufzulegen, in den zum Beispiel Klein- oder gerne auch Großanleger ihr Geld investieren, damit zusätzliche Maßnahmen durchgeführt werden können, für die öffentliche Mittel vielleicht nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Das ist also ein wesentlicher Bestandteil der neuen Organisation. Vizepräsidentin Petra Pau: Es stehen noch sechs Minuten zur Verfügung, und es liegen noch vier Wortmeldungen vor. Damit alle noch zu ihrem Recht kommen, bitte ich die Fragesteller und auch den Bundesminister, sich daran zu orientieren. Das Wort hat die Kollegin Ute Koczy. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin. - Es ist natürlich gut, dass wir einen Kabinettsbeschluss haben. Aber wir sollten auf dem Teppich bleiben. Ich bin der Meinung, dass den Ambitionen des Hauses mit dem vorliegenden Kabinettsbeschluss die Flügel gestutzt worden sind. Ich verweise auf die Informationen, die wir jetzt auch von Herrn Beerfeltz bekommen haben. Danach übernimmt das BMZ in der Frage der Kohärenz nämlich eben nicht die Koordination zwischen den einzelnen Ressorts, sondern die Reform erfolgt in allen Punkten unter Bestandswahrung der jeweiligen Bundesressorts und ohne wirkliche gemeinsame Ausrichtung. Sie wollten eigentlich "driver in the seat" sein. Daher frage ich Sie: Wie will die Bundesregierung bei Erhalt des Ressortprinzips eine verstärkte Kohärenz für die Erreichung entwicklungspolitischer Ziele gegenüber den Partnerländern sicherstellen, wenn das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nicht als Anwalt der Kohärenzpolitik auftreten kann? Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Koczy, ich teile Ihre Auffassung ausdrücklich nicht. Die Flügel sind uns nicht gestutzt worden. Im Gegenteil, wir fangen jetzt erst an zu fliegen. Tatsache ist, dass wir durch die Einrichtung eines Ressortkreises einer Selbstverständlichkeit Geltung verschaffen, nämlich dass die Ressortzuständigkeiten ihre Berücksichtigung finden. Es ist nicht nur im Interesse des BMZ, sondern auch im Interesse unserer Partnerländer, dass die anderen Ressorts sich in ihren Kompetenzbereichen mit ihren Haushaltsmitteln entwicklungspolitisch organisieren. Der Ressortkreis wird vom BMZ geleitet. Wir werden dadurch eine Neuerung erfahren, die wir bisher nicht kennen. Wir erhalten - was heute oftmals nicht der Fall ist - Kenntnis von den Maßnahmen, die andere durchführen. Aufgrund dieser Kenntnis weiß man - was heute oft nicht der Fall ist -, ob man in einem Partnerland gemeinsam in die gleiche Richtung agiert. Mit dieser Kenntnis kann man feststellen - was heute nicht der Fall ist, es sei denn, man stößt zufällig darauf -, ob womöglich verschiedene Ressorts gleiche Maßnahmen in ähnlichen Regionen durchführen. Darüber hinaus wird die Steuerungsfähigkeit des BMZ auch dadurch erhöht, dass der Aufsichtsrat, aber auch die Gesellschafterversammlung in ihren Rechten entsprechend dem Public-Governance-Kodex der Bundesregierung, der übrigens von 2009 ist, deutlich gestärkt werden. Durch die Einbeziehung der anderen Ressorts, die ausdrücklich von mir eingeladen sind, entwicklungspolitisch tätig zu sein und im Ressortkreis über ihre Aktivitäten zu berichten, wird der deutsche Außenauftritt insgesamt wesentlich zielgerichteter; er wird für unsere Partner wesentlich effizienter und einschätzbarer, vor allem durch das Institut der Deutschen Häuser. Das heißt, unsere Partnerländer werden nach dem Prinzip "one face to the customer" nur noch einen Ansprechpartner haben, und die große Zahl der verschiedenen Ansprechpartner, die wir aus der Vergangenheit mitgeschleppt haben, wird deutlich minimiert. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt der Kollege Burkhard Lischka. Burkhard Lischka (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister Niebel, in dem Kabinettsbeschluss ist von fusionsbedingten Mehrkosten die Rede, die übernommen werden sollen. Meine Frage ist: Welcher Art sind diese Mehrkosten? Sind das lediglich Mehrkosten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verschmelzungsvertrag stehen, also für das Handelsregister und den Notar anfallen, oder gibt es darüber hinaus Mehrkosten, und, wenn ja, welcher Art sind diese? Können Sie in etwa den Umfang dieser Mehrkosten beziffern? Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Den Umfang kann ich mangels des noch nicht vorliegenden Wirtschaftlichkeitsgutachtens noch nicht beziffern. Wir wissen ja auch noch nicht, wie die Vertragsverhandlungen zwischen den unterschiedlichen Organisationen ausgehen. Die Erfahrung zeigt aber, dass es zu Beginn einer großen Fusion in aller Regel Mehrkosten gibt. Das sind nicht nur die von Ihnen beschriebenen Mehrkosten, zum Beispiel für Anwalt, Gericht oder Gutachter, die man in einigen Fragen sicher benötigen wird, sondern dabei handelt es sich zum Beispiel auch um Kosten aufgrund der Anpassungen von Gehaltsstrukturen. Wir alle gehen sicher davon aus, dass wir nicht die obersten Gehaltsstrukturen für die neue Organisation werden durchsetzen können; aber bei einer Verschmelzung von drei Partnern auf Augenhöhe - das ist ja das Ziel bei dieser Fusion - wird es natürlich auch zu einer gewissen Angleichung der Strukturen in beide Richtungen kommen müssen. Vor dem Hintergrund der Bestandsschutzregelung, die wir ausdrücklich vorsehen, ahne ich einmal, dass es zu Anfang eher Mehrkosten geben wird, die dann allerdings von der neuen Gesellschaft zu übernehmen sind und nicht vom Bund; die Gesellschaft finanziert die Mehrkosten aus den Mitteln, die sie erwirtschaften muss. Diese Mittel fließen aber mittelfristig in eine Fusionsrendite, mit der - vor allem durch das Personal im BMZ und in den Außenstrukturen, zum Beispiel in den Botschaften, in denen wir heute noch nicht vertreten sind - die Steuerungsfähigkeit sichergestellt werden kann. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Holger Haibach. Holger Haibach (CDU/CSU): Frau Präsidentin, ich danke Ihnen erst einmal dafür, dass Sie mir einen Doktortitel zugeeignet haben, den ich gar nicht besitze; das freut mich sehr. Vizepräsidentin Petra Pau: Das war der Kollege. Holger Haibach (CDU/CSU): Herr Kekeritz, ich bin mehr als geehrt. Herr Minister, ich wollte kurz noch einmal zum Thema Kohärenz nachfragen. Ich glaube, dass es einen entscheidenden Fortschritt bedeutet, innerhalb der Bundesregierung einen Ressortkreis neu einzurichten. Wir alle wissen, dass im Gegensatz zu den Zeiten vor 20 oder auch vor 10 Jahren inzwischen eine wesentlich größere Zahl an Ministerien ODA-fähige Mittel hat, nämlich etwa zehn. Insofern kommt einem solchen Ressortkreis natürlich eine große Bedeutung zu. Sie haben gerade gesagt, dass das BMZ dort die Geschäftsführungsfunktion übernehmen soll. Ich würde gerne noch ein bisschen genauer nachfragen, in welcher Art und Weise dieser Ressortkreis arbeiten soll und welche Effekte Sie sich genau erwarten. Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Haibach, es ist schade, dass Sie auf die Promotion verzichtet haben. Das hätte Ihnen viel Zeit und Geld erspart. Nichtsdestotrotz ist dieser Ressortkreis erstens ein wichtiges Instrument, damit die anderen Ressorts, die ODA-Mittel einsetzen, auch entsprechend des Einsatzes ihrer öffentlichen Mittel an der entwicklungspolitischen Agenda beteiligt sind. Zweitens ist es für uns als BMZ die erste Chance, überhaupt einen Überblick über die Vielfalt des deutschen Engagements in der Phase der Umsetzung von Projekten zu bekommen. Meistens ist es so, dass wir erst bei der Abrechnung der entsprechenden Mittel, die an die OECD gemeldet werden und die die ODA-Quote ergeben, wissen, wer überhaupt was gemacht hat. Oftmals merkt man zwischendrin, man hätte eine größere Wirksamkeit erzielen können, wenn man die Mittel zum Beispiel gepoolt hätte, um gemeinsame Projekte durchzuführen. Der Ressortkreis soll regelmäßig vor den Aufsichtsratssitzungen und vor den Gesellschafterversammlungen tagen, damit auch hier die Wünsche und Diskussionspunkte der unterschiedlichen Ressorts eingebracht werden können. Die Chance, dass das BMZ diesen Ressortkreis leiten kann, ist im Prinzip der erste große Schritt zur Erreichung eines gemeinsamen und einheitlichen deutschen Außenauftritts in der Entwicklungszusammenarbeit, weil die Vielfalt des deutschen Engagements, zumindest was die Bundesregierung anbetrifft, minimiert wird. Es wäre wünschenswert, dass - das werden wir eventuell durch die neue Struktur des Aufsichtsrates erreichen, der vielleicht vergrößert wird - auch die Länder, die sich engagieren, mit einbezogen werden. Sie wissen: Acht Bundesländer sind an InWEnt beteiligt. Wir werden mit ihnen natürlich ins Gespräch über die Kompensation für die Abtretung der Anteile an dem Unternehmen kommen müssen, das hier mit integriert wird. Ich ahne, dass man dort zu einer weiteren Kohärenzsteigerung kommen kann; allerdings kann ich die Verhandlungen natürlich nicht vorwegnehmen. Vizepräsidentin Petra Pau: Die letzte Frage stellt der Kollege Manfred Grund. Manfred Grund (CDU/CSU): Vielen Dank. - Mit der letzten Frage schließe ich an die vorletzte an. Diese drei Durchführungsorganisationen - GTZ, InWEnt und DED - haben ja nicht nur eine unterschiedliche Geschichte, sondern auch unterschiedliche Arten der Verwaltung, der Aufsicht und der Beratung. InWEnt hat ein Kuratorium, in dem die Länder vertreten sind, aber auch die Wirtschaft vertreten ist. Wie findet sich so ein Konstrukt - Kuratorium oder Beratungsstruktur - im zukünftigen Aufsichtsrat wieder? Gibt es dazu einen Ansatz? Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ausdrücklich ja. Das ist einer der schwierigen Punkte bei dieser Fusion. Es gibt nicht nur drei unterschiedliche Haustarifverträge, sondern auch unterschiedliche Rechtsformen. Deswegen findet diese Zusammenführung ähnlich wie bei der deutschen Einheit statt. InWEnt und DED treten dem Rechtsmantel der GTZ bei. Auch bei der deutschen Einheit gab es einen Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes; aber wir reden von der Wiedervereinigung und nicht vom Beitritt. Das wird das Grundprinzip sein. Diejenigen, die jetzt noch Anteilseigner sind - wir sind mit ihnen seit insgesamt acht Monaten im Gespräch -, werden entsprechend beteiligt, je nachdem, welche Art von Anteilseigner sie sind. Ich könnte mir vorstellen, dass zum Beispiel die Bundesländer im Aufsichtsrat beteiligt werden könnten, wenn sie Interesse daran haben und wir uns einig werden. Die deutsche Wirtschaft könnte es mit Sicherheit nicht werden, und auch die zivilgesellschaftlichen Akteure, die teilweise Anteilseigner sind, könnten das nicht; denn sonst wäre es keine 100-prozentige Bundestochter, also keine klassische Regierungsorganisation. Die anderen wollen ja überwiegend Nichtregierungsorganisationen bleiben. Aus diesem Grund haben wir uns überlegt, einen Beirat mit entsprechenden Beratungsrechten zu gründen, in dem die Stimme der anderen Teilnehmer gehört werden muss, damit die Einflussmöglichkeit weiter bestehen bleibt. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Herr Minister. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich beende die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 17/2371, 17/2407 - Zu Beginn rufe ich gemäß Ziffer 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche Frage auf Drucksache 17/2407 auf. Zur Beantwortung steht die Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verfügung. Ich rufe die dringliche Frage 1 der Kollegin Höger auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu den Aufgaben des laut Medienberichten am vergangenen Freitag bei einem bewaffneten Angriff auf die in Kunduz gelegene Filiale der US-Organisation Development Alternatives Inc., DAI, getöteten 32-jährigen ehemaligen Bundeswehrsoldaten aus Schleswig-Holstein? Bitte. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Abgeordnete Höger, ich darf Ihnen für die Bundesregierung auf Ihre Frage Folgendes antworten: Uns liegen zu den Aufgaben des bei einem bewaffneten Angriff getöteten deutschen Staatsangehörigen keine eigenen Erkenntnisse vor. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich aus personenschutzrechtlichen Gründen den Namen des deutschen ehemaligen Bundeswehrsoldaten nicht nennen kann, der in dieser Woche beerdigt werden soll. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Höger. Bitte. Inge Höger (DIE LINKE): Nach § 20 a des Soldatengesetzes müssen es ehemalige Bundeswehrsoldaten anzeigen, wenn sie eine Arbeit in einem Bereich aufnehmen, in dem sie Aufgaben ähnlich denen während ihres Wehrdienstes erfüllen. Hatte der Getötete seine Tätigkeit angezeigt? Zusätzlich möchte ich fragen: Wie viele ehemalige Bundeswehrsoldaten haben inzwischen in ähnlichen Sicherheitsdiensten Tätigkeiten aufgenommen und dies angezeigt? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Wie Sie wissen, Frau Abgeordnete, besteht in Deutschland gemäß Art. 12 Grundgesetz Berufsfreiheit. Solange die Tätigkeit nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstößt wie das Anwerben für den Kriegsdienst bei einer ausländischen Macht, bestehen keine Einschränkungen solcher Tätigkeiten. Deswegen liegen uns dazu auch keine weiteren Erkenntnisse vor. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Frage, bitte. Inge Höger (DIE LINKE): Ich frage noch einmal nach: Nach § 20 a des Soldatengesetzes müssen ehemalige Bundeswehrsoldaten die Aufnahme einer Tätigkeit bei Sicherheits-, Wach- oder Personenschutzdiensten anzeigen - zumindest innerhalb der ersten fünf Jahre nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr. Das gehört dazu. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Mir ist von einer solchen Anzeige in unserem Haus nichts bekannt. Aber ich kann dem gerne - auch im Verteidigungsministerium - noch einmal nachgehen. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt die Kollegin Daðdelen. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin, und gute Besserung an dieser Stelle. Frau Staatsministerin Pieper, ich habe eine Nachfrage. Das Auswärtige Amt hat gesagt, dass es sich hierbei um den Anschlag auf eine amerikanische Hilfsorganisation, DAI, handelt. Das haben Sie gerade auch noch einmal bestätigt. In der Presseberichterstattung in Deutschland, aber auch über Deutschland hinaus wird gesagt, dass es sich bei DAI, das in den meisten Agenturmeldungen als Hilfsorganisation beschrieben wird, tatsächlich um ein US-Unternehmen handle, das einer der größten Auftragnehmer des State Departments, also des US-Außenministeriums, des Pentagons und der US-Agentur für Internationale Entwicklung, USAID, die als humanitäre Frontorganisation des US-Geheimdienstes CIA gelte und arbeite, sei. Deshalb würde ich gerne wissen: Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass das Anschlagsziel eine Einrichtung des US-Geheimdienstes CIA ist? Falls sie keine Kenntnisse darüber hat: Geht sie den Informationen in den Medien nach, um zu erfahren, in welcher Weise bzw. in welchem Zusammenhang der ehemalige Bundeswehrsoldat dort tätig war? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Abgeordnete, die Fakten sind: Neben den Durchführungs- und Mittlerorganisationen der Bundesregierung wie der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit und der Kreditanstalt für Wiederaufbau betreiben, wie Sie wissen, auch eine Reihe anderer Staaten im Raum Kunduz Entwicklungszusammenarbeit und Aufbauhilfe, so auch die USA mittels ihrer Durchführungsorganisation USAID. Durch die Development Alternatives Incorporated, kurz: DAI, werden diese Projekte umgesetzt, wie Sie schon richtig festgestellt haben. DAI ist eine uns bekannte Politikberatungsgesellschaft. Sie wurde 1970 in den USA gegründet und ist seit 2005 eine Aktiengesellschaft im Besitz der Mitarbeiter mit Sitz in Maryland. Sie hat 350 Mitarbeiter und ist im Auftrag verschiedener staatlicher Mittlerorganisationen wie USAID oder der japanischen Entwicklungsbank, aber auch für private Unternehmen wie Unilever in über 60 Staaten bei der Umsetzung von Projekten von der ländlichen Entwicklung bis hin zur Bekämpfung des Klimawandels tätig. DAI betreibt in der Provinz Kunduz im Auftrag des USAID ein Programm zur Stärkung kommunaler Verwaltungsstrukturen. Das sind die Fakten, die ich Ihnen dazu nennen kann. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Mützenich stellt die nächste Frage. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Vielen Dank für die Aussagen, Frau Staatsministerin. - Ich habe Ihre Antwort eben so verstanden, dass es eine gewisse Unklarheit über die Beschäftigung von Personen, die früher bei der Bundeswehr tätig gewesen sind, und darüber gibt, welchen Vorschriften sie unterliegen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sehr freundlich formuliert!) Sie haben auch gesagt, dass Sie dieser Unklarheit in Ihrem Haus oder vielleicht auch in Rücksprache mit anderen Häusern nachgehen werden. Kann ich daraus schließen, dass Sie der Auffassung sind, dass insbesondere im Regelungsbereich nichtstaatlicher militärischer Sicherheitsfirmen in Zukunft mit weiterem Handlungsbedarf vonseiten der Bundesregierung zu rechnen ist, insbesondere was die Regelungen im Inland betrifft, aber auch in Bezug auf völkerrechtliche Verträge? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Es ist durchaus nicht abzustreiten, dass man sich noch einmal über den Handlungs- und Regelungsbedarf, insbesondere was ehemalige deutsche Bundeswehrsoldaten betrifft, verständigen sollte. Wie ich schon sagte, werde ich auf Bitten der Abgeordneten Höger dem konkreten Fall nachgehen. Das halte ich für selbstverständlich. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Koch hat das Wort. Harald Koch (DIE LINKE): Frau Staatsministerin, zu Ihrer Beantwortung der Frage meiner Kollegin habe ich eine Nachfrage: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu der Anzahl von im Auslandseinsatz privater Unternehmen getöteten ehemaligen Bundeswehrangehörigen? Wenn Sie heute keine Zahl nennen können, dann bitte ich Sie, sie schriftlich nachzureichen. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Das ist Ihnen zugesagt. Vizepräsidentin Petra Pau: Damit ist die dringliche Frage beantwortet. Wir kommen nun zu den Fragen auf Drucksache 17/2371 in der üblichen Reihenfolge. Zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Hiller-Ohm auf: Wie sind - vor dem Hintergrund der Antworten der Bundesregierung in der Fragestunde vom 1. Juli 2010, Plenarprotokoll 17/51 - die in den Medien zitierten Aussagen der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan, zu bewerten, denen zufolge sie die Medizinische Fakultät der Universität Lübeck vor dem Aus bewahren und nicht mit ansehen wolle, wie der Studiengang abgewickelt werde, und welche konkreten Maßnahmen oder Initiativen hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung bzw. die Bundesregierung ergriffen, um diese Ankündigung tatsächlich umzusetzen? Bitte schön. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Präsidentin! Frau Kollegin Hiller-Ohm, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Die Bundesregierung setzt sich ausdrücklich für ein leistungsfähiges Hochschulwesen in Deutschland ein. Den Erhalt der Medizinischen Fakultät, die profilbildend für den universitären Standort Lübeck ist und deutlich über 50 Prozent der Gesamtkapazität der Hochschule einnimmt, würde die Bundesregierung daher besonders begrüßen. Jedoch hat der Bund nach der verfassungsrechtlichen Kompetenz keine Zuständigkeit für die Initiierung von Strukturmaßnahmen an Hochschulen. Die Bundesregierung hat daher keine konkreten Aussagen getroffen oder Maßnahmen ergriffen. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Herr Staatssekretär, ich möchte eine Nachfrage stellen: Können Sie heute definitiv ausschließen, dass es für die Universitätsstandorte Lübeck und Flensburg eine Lösung geben wird, bei der der Bund eine Rolle spielt? Denn laut Ihrer Aussagen gibt es ja keine diesbezüglichen Überlegungen im Forschungsministerium und keine Aktivität von Ministerin Schavan. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Kollegin, die Haushaltsautonomie und auch die Kulturhoheit der Länder führen dazu, dass universitäre Regelungen, erst recht was die Grundausstattung betrifft, von dem jeweiligen Bundesland zu treffen sind. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz auf ihrer Sitzung am 21. Juni 2010 den vereinbarten Beschluss zur Einsetzung einer Arbeitsgruppe zum Ärztemangel und zum Bedarf an Medizinstudienplätzen nicht umgesetzt hat, und zwar mit der ausdrücklichen Begründung, dass die Abwicklung des Medizinstudiengangs der Universität Lübeck vorgesehen sei, und warum hat die Bundesregierung dem Parlament diese Information bei ihren Antworten in der Fragestunde am 1. Juli 2010 vorenthalten? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Kollegin, wir antworten auf die Fragen, die uns gestellt werden. Der Bund leistet bereits mit dem Hochschulpakt 2020 einen wichtigen Beitrag zur Ausstattung mit Studienplätzen. Die KMK hat auf ihrer Sitzung am 27. Mai in München beschlossen, mit dem Bund Gespräche über ein mögliches Sonderprogramm für zeitlich befristete Studienplätze in der Medizin aufzunehmen. Auf der GWK-Sitzung am 21. Juni dieses Jahres sind weitere Gespräche zwischen Bund und Ländern vereinbart worden. Ergebnisse dazu liegen noch nicht vor. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt die Kollegin Sager. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Rachel, es ist auf die Dauer etwas ermüdend, (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ja!) wenn Sie uns Woche für Woche nur über die Verfassungslage informieren. Tatsache ist doch nun einmal, dass es Gespräche zwischen Vertretern der Landesregierung von Schleswig-Holstein und Vertretern des Bundes über die Medizinerausbildung in Lübeck gegeben hat. Ich frage Sie: Welche Möglichkeiten sind bei diesen Gesprächen in Betracht gezogen worden, damit es der Landesregierung im Rahmen der Verfassung in ihrem eigenen Verantwortungsbereich erleichtert wird, die Medizinerausbildung in Lübeck zu erhalten? Sieht der Bund Möglichkeiten, der Landesregierung die Erhaltung der Medizinerausbildung zu erleichtern? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Die Frage, ob die Medizinische Fakultät erhalten werden soll, ist eine Frage, die die Landesregierung von Schleswig-Holstein zu beantworten hat. Da sie diese Frage zu beantworten hat, muss sie auch entscheiden, welche Maßnahmen sie ergreift. Dies sind Maßnahmen, die ausschließlich das jeweilige Sitzland selber ergreifen kann. (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht die Frage!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die nächste Frage stellt der Kollege Rix. Sönke Rix (SPD): Herr Staatssekretär, ich hätte gerne gewusst, wie oft es Gespräche zwischen der Landesregierung von Schleswig-Holstein und der Bundesregierung, also zwischen den jeweils zuständigen Ministern oder eventuell sogar zwischen dem Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin, über die Fachhochschulstandorte Lübeck und Flensburg gegeben hat. Wenn Sie nicht wissen, wie viele es waren, oder sie vielleicht sogar bestreiten und sagen, dass es aufgrund der Verfassung natürlich keine Gespräche gab, weil nur das Land zuständig ist: Kann ich dann davon ausgehen, dass gar nicht darüber geredet wurde und dass die Ministerin sich überhaupt nicht nach dem Fachhochschulstandort bei der jeweiligen Landesregierung erkundigt hat? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Von Letzterem können Sie nicht ausgehen. Selbstverständlich bietet die Verfassung zahlreiche Möglichkeiten, dass Bund und Länder - in dem Fall das Land Schleswig-Holstein mit der Bundesregierung und vice versa - über die verschiedenen Themen, die die Wissenschaft betreffen, reden. Das steht ohne Zweifel fest. Es ändert aber nichts daran, dass über die Grundausstattung einer Hochschule sowie über die Existenz oder die Veränderung einer Fakultät ausschließlich das jeweilige Sitzland zu entscheiden hat. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege Röspel. René Röspel (SPD): Herr Staatssekretär, im Flensburger Tageblatt vom 2. Juli 2010 wird der schleswig-holsteinische Wissenschaftsminister und Parteikollege von Frau Schavan, Herr de Jager, mit den Worten zitiert, dass Frau Schavan ihm gegenüber "sehr großes Interesse" am Erhalt der Lübecker Fakultät geäußert habe. Auch soll Herr de Jager gesagt haben, er sei "zuversichtlich, dass es jetzt zügig eine Lösung geben wird, wie der Bund das Land bei der Hochschulmedizin in Lübeck unterstützen kann", da er "in regelmäßigem Kontakt zu Schavan" stünde. Wie passen denn diese Aussagen zu den Erklärungen, die wir heute und in der letzten Woche gehört haben, dass der Bund keine Kompetenz in Sachen Hochschulpolitik der Länder habe? (Iris Gleicke [SPD]: Überhaupt nicht!) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Kollege Röspel, vielen Dank für Ihre Frage. Sie haben richtig aus dem Flensburger Tageblatt zitiert. Dabei wird Ihnen aufgefallen sein, dass Sie nicht die Ministerin Schavan zitiert haben, sondern einen Vertreter einer Landesregierung. Ich stelle fest, dass dies Äußerungen aus einem Land sind, die von einer Tageszeitung wiedergegeben wurden, und keine Originaläußerung der Ministerin. Generell möchte ich darauf hinweisen, dass die Bundesregierung es selbstverständlich begrüßen würde, wenn die hervorragende Hochschullandschaft in Deutschland und auch die Medizinische Fakultät der Universität Lübeck erhalten blieben. Über diese Frage hat aber nicht die Bundesregierung zu entscheiden, sondern das Land Schleswig-Holstein. (Lachen des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD]) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, die erste Frage muss jetzt einmal eine ironische sein; denn Frau Sager sagte schon, dass Sie offensichtlich nicht bereit sind, hier allzu viel an Konstruktivem erkennen zu lassen, was der Bund tun könnte und was er auch tun will. Deshalb frage ich Sie andersherum: Schließen Sie aus, dass sich Frau Schavan zusammen mit anderen Beteiligten zu irgendeinem Zeitpunkt in der nächsten Zeit in der Form präsentieren wird, dass sie aktiv zur Rettung der Lübecker Medizinerausbildung beigetragen hat? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Eine Lebensweisheit ist, dass man nie irgendetwas ausschließen soll. Ich schließe auch nicht aus, dass ich gleich vom Blitz getroffen werde. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das würde ich ausschließen! Das zeugt von wenig naturwissenschaftlicher Kenntnis!) Unabhängig davon gilt aber: Die Frage der rechtlichen Zuständigkeit und der Regelungskompetenz liegt ausschließlich beim Land. Ob die Fakultät erhalten bleibt, ist daher eine Frage, die das Land - sowohl in Bezug auf die Entscheidung selbst als auch finanziell bezogen auf seinen Hochschuletat - zu entscheiden hat. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Lassen Sie mich im Namen der Verwaltung des Hauses feststellen, dass unsere Blitzableiter ganz sicher funktionieren, Herr Staatssekretär. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Das ist beruhigend. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt auch kein Gewitter!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Beck: Sie haben das Wort zur nächsten Frage. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich will noch einmal auf die Frage zurückkommen, die Sie Frau Sager nicht beantwortet haben. Hat es denn Gespräche von Frau Schavan oder anderen Mitgliedern der Bundesregierung oder Mitarbeitern Ihres Hauses mit der Landesregierung von Schleswig-Holstein über die hier in Rede stehende Frage der Medizinischen Fakultät gegeben? Und wenn es diese Gespräche gegeben hat: Was hat die Bundesregierung in diesen Gesprächen vertreten? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Kollege Beck, wie ich vorhin schon geantwortet habe, hat es selbstverständlich Gespräche - die natürlich zulässig, möglich und im Übrigen vollkommen normal sind - zwischen der Bundesregierung, dem BMBF, und der Landesregierung Schleswig-Holstein über die Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in Lübeck sowie über die Absicht der Landesregierung gegeben. Dabei haben das BMBF und die sie vertretenden Repräsentanten deutlich gemacht, dass der Erhalt der Medizinischen Fakultät aus Sicht der Bundesregierung zu begrüßen wäre, weil sie für den universitären Standort Lübeck profilbildend ist und deutlich über 50 Prozent der Kapazität der Hochschule einnimmt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Schulz, bitte. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Herr Staatssekretär, da Sie nach der x-ten Nachfrage nun endlich gesagt haben, dass es Kontakte zwischen dem Bund und dem Land Schleswig-Holstein gegeben hat, möchte ich genauer nachfragen: Was ist der Bund zur Lösung des Problems, über das wir hier sprechen, beizutragen bereit? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Die Landesregierung in Schleswig-Holstein diskutiert ganz offensichtlich darüber, ob sie die Medizinische Fakultät der Universität Lübeck verändert oder schließt. Diese Entscheidung liegt ausschließlich bei der Landesregierung und nicht bei der Bundesregierung; sie ist also Ländersache. Insofern wird die Bundesregierung bezüglich der finanziellen Ausstattung der Universität Lübeck und ihrer Medizinischen Fakultät nichts unternehmen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen jetzt zur Frage 2 der Kollegin Hiller-Ohm: Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Hochschulrektorenkonferenz (Pressemitteilung vom 30. Juni 2010), laut der das Vorgehen der schleswig-holsteinischen Landesregierung und die vorgesehene Schließung der Universität Lübeck als Bildungsbankrott gebrandmarkt und vor den fatalen Folgewirkungen gewarnt wird, und teilt die Bundesregierung darüber hinaus die Auffassung der Hochschulrektorenkonferenz, dass offensichtlich bestimmte Länder ihrem Auftrag der Zukunftssicherung nicht mehr nachkommen bzw. nachkommen können? Herr Rachel, bitte. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Kollegin Hiller-Ohm, auch hier ist es so, dass das Land Schleswig-Holstein seine Überlegungen in der Sache gegenüber der Hochschulrektorenkonferenz wie auch den regionalen Hochschulen zu vertreten hat. Die Prioritätensetzung erfolgt nämlich im Haushalt des Landes Schleswig-Holstein entsprechend der Haushaltsautonomie und der Kulturhoheit der Länder. Die Prioritätensetzung bezogen auf den Studienstandort Lübeck ist insofern ausschließlich vom Land und damit selbstständig und unabhängig vom Bund zu treffen. Dies gilt auch für die Entscheidungen zur Grundfinanzierung einzelner Hochschulen. Darüber hinaus haben Bund und Länder im Oktober 2008 zur Zukunftssicherung durch Bildung und Forschung vereinbart und im Dezember letzten Jahres noch einmal bestätigt, gesamtstaatlich 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung aufzuwenden. Dieses Ziel wird weiterhin gemeinsam verfolgt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wie ich sehe, möchten Sie eine Nachfrage stellen. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Herr Staatssekretär, ich versuche es noch einmal. Wir konnten heute norddeutschen Medien entnehmen, dass der Vorschlag zur Schließung der Medizinischen Fakultät der Universität Lübeck ganz offensichtlich von der Universität Kiel stammt. Es soll bereits im vergangenen Jahr ein Geheimtreffen mit dem damaligen Wissenschaftsstaatssekretär de Jager gegeben haben, bei dem darüber verhandelt worden ist. Können Sie denn bestätigen, dass es Bund-Länder-Programme im Hochschulbereich gibt? Falls Sie diese Frage mit Ja beantworten: Welche Konsequenzen für die Bund-Länder-Programme wird die Bundesregierung aus den Geschehnissen ziehen? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Kollegin, die Darstellung der lokalen Presse, die Sie gerade wiedergegeben haben, kann ich weder bestätigen noch verneinen; sie ist mir nicht bekannt. Die Frage nach Konsequenzen für Bund-Länder-Programme möchte ich an dieser Stelle so beantworten: Bund und alle 16 Länder haben gemeinsame Verträge geschlossen, übrigens zum Wohle der Hochschulen, der Wissenschaftslandschaft und auch der außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Deutschland. Aus Sicht der Bundesregierung besteht überhaupt kein Anlass zu der Annahme, dass die Länder die dort festgelegten Verpflichtungen nicht erfüllen; vielmehr geht die Bundesregierung davon aus, dass die Länder ihre Verpflichtungen, zum Beispiel die Einhaltung des Hochschulpakts 2020, wie vereinbart umsetzen werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine weitere Nachfrage. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Ich habe Ihnen die Informationen hinsichtlich der Presseberichte gegeben. Ich möchte Sie fragen, ob es im Sinne der Bundesregierung ist, dass ein freier Wettbewerb zwischen den Universitäten stattfindet, und ob das, was jetzt zwischen den Universitäten Lübeck und Kiel geschieht, nicht im Gegensatz zu einem Exzellenzwettbewerb - ein solcher sollte aus meiner Sicht befördert werden - steht. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Den ersten Teil Ihrer Frage kann ich mit Ja beantworten. Selbstverständlich stehen wir zum Wettbewerb in der deutschen Hochschullandschaft, zum Wettbewerb zwischen den Hochschulen. Wir haben im Übrigen mit dem Wettbewerb der Exzellenzinitiative gerade hervorragende Erfahrungen gemacht. Er hat eine enorme Dynamik ausgelöst, und die Hochschulen haben sich durch verstärkte Profilbildung darum bemüht, in den drei Säulen der Exzellenzinitiative erfolgreich zu sein. Ich sehe eigentlich keinen Grund für die Skepsis, die in Ihrer Frage sichtbar wird; denn beide Hochschulen, sowohl Kiel wie auch Lübeck, sind in der Exzellenzinitiative in der ersten bzw. zweiten Runde erfolgreich gewesen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, die Hochschulrektorenkonferenz hat mit der Aussage vom Bildungsbankrott und der Aussage, dass man vor den Folgen nur warnen könne, ein dramatisches Licht auf das geworfen, was in Lübeck geschieht. Meine Frage an die Bundesregierung lautet: Wie viel Zeit will die Bundesregierung - in Verantwortung für das Land, für die Hochschulbildung und auch für die Ausbildung im Gesundheitsbereich - den Schleswig-Holsteinern noch geben, den Bankrott zu verhindern, und ab wann sieht sie den Zeitpunkt für gekommen, dass sie sich nicht mehr aus der Schuld entlassen kann und an dem, was in Lübeck geschieht, mitschuldig wird? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Rossmann, Sie unterliegen hier einem grundlegenden Missverständnis. Sie sprechen von der Verantwortung der Bundesregierung. Die Verantwortung für die Einrichtung, die Veränderung oder die Schließung von Hochschulstandorten oder Fakultäten liegt ausschließlich bei den jeweiligen Bundesländern, in dem Fall beim Land Schleswig-Holstein. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Sager. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, der Wissenschaftsrat hat in einer bundesweiten Dringlichkeitsliste für Forschungsneubauten an der dritten Stelle, also sehr weit oben positioniert, ein "Interdisziplinäres Zentrum Gehirn, Hormone und Verhalten" für die Universität Lübeck empfohlen. Was würden Sie da ganz persönlich denken? Welche Chancen hätte ein solches Forschungszentrum noch, wenn die Medizinerausbildung dort abgewickelt wird? Wie würden Sie vor diesem Hintergrund und auch im Kontext mit den Forschungszielen, die Bund und Länder sich gemeinsam vorgenommen haben, die Abwicklung der Medizinerausbildung bewerten? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Kollegin Sager, die Äußerungen des Wissenschaftsrats, auf die Sie Bezug genommen haben, sind wohl als deutliches Signal der Unterstützung für diese regionale Hochschule zu verstehen. Ich denke, das bettet sich ein Stück ein in die Aussage, die ich eingangs getroffen habe, nämlich dass aus Sicht der Bundesregierung der Erhalt der Medizinischen Fakultät dort zu begrüßen wäre, weil diese Fakultät dort für den universitären Standort Lübeck profilbildend ist. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich über die Frage, wer welchen Neubau nachher bekommt, hier keine Spekulationen anstellen möchte. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege Röspel. René Röspel (SPD): Herr Staatssekretär, in der Regierungskoalition, einschließlich Bundesgesundheitsminister Rösler, wird ständig darüber diskutiert, inwieweit der Ärztemangel in Deutschland behoben werden kann, welche Maßnahmen gegen einen solchen Mangel ergriffen werden können. Teilen Sie vor diesem Hintergrund die Auffassung, dass in Zeiten von Ärztemangel und zunehmenden Fallzahlen eine Reduzierung der Hochschulkapazitäten in dem Bereich in Schleswig-Holstein kontraproduktiv wäre? Warum ist der Presse zu entnehmen, dass Frau Ministerin Schavan offenbar viele Zugeständnisse oder Angebote macht, und warum wird das hier verleugnet? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: In der Diskussion über einen Ärztemangel - eine solche Diskussion ist in der Tat vorhanden, und in dem Rahmen gibt es unterschiedliche Bewertungen - sprechen, wie Sie wissen, Kollege Röspel, viele von einem relativen Ärztemangel. Das Problem liegt vor allem darin, dass der Ärztebedarf regional unterschiedlich ist. Zu diesem relativen Ärztemangel steht die Entscheidung zu Lübeck in einem auffallenden Spannungsverhältnis. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen zur Frage 3 der Abgeordneten Marianne Schieder: Welche Maßnahmen wären aus Sicht der Bundesregierung geeignet und wünschenswert, um nach einer möglichen Schließung der Universität Lübeck die Region unter strukturpolitischen Gesichtspunkten zu stärken, und welche Kosten kämen schätzungsweise auf den Bund zu, um die langfristigen - ökonomischen und sozialen - Folgen einer Schließung der Universität Lübeck abzumildern? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Kollegin Schieder, herzlichen Dank für Ihre Frage. - Die Zuständigkeit für die Initiierung von strukturpolitischen Maßnahmen für die Region Lübeck, nach denen Sie gefragt haben, liegt natürlich beim Land Schleswig-Holstein. Insofern ist auch eine Aussage der Bundesregierung nach einer möglichen Kostenbelastung des Bundes nicht notwendig und nicht sinnvoll. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Eine Nachfrage des Kollegen Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, weil ja vieles miteinander zusammenhängt, möchte ich noch einmal auf die Bundessicht zu sprechen kommen. Fakt ist ja, dass auch der Bund in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz vertreten ist. In der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz hat es eine Debatte über den Beschluss der Kultusministerkonferenz gegeben, 10 Prozent mehr Studienplätze im Bereich Medizin zu schaffen. Wie ist die Haltung des Bundesvertreters in dieser Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz in Bezug auf diese Forderung nach diesen zusätzlichen 10 Prozent gewesen? Welche Zusammenhänge sehen Sie zwischen dieser Forderung nach zusätzlichen 10 Prozent an Studienplätzen, die gegebenenfalls ja auch der Bund als notwendig ansehen könnte, einerseits und andererseits der Tatsache, dass aktuell Studienplätze abgebaut werden sollen? Mich interessiert vor allen Dingen, wie die Haltung des Bundesvertreters bezüglich dieser Fakten aussieht. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Rossmann, wie ich diesen Zusammenhang sehe, habe ich schon in der Antwort auf eine Frage des Kollegen Röspel gesagt, nämlich dass ich hier ein auffallendes Spannungsverhältnis empfinde. Wie Sie vielleicht aus meinen bisherigen Antworten erkannt haben, ist es nicht so, dass sich der Bund gar verweigert oder nicht an diesen Gesprächen teilnimmt, sondern es ist im Gegenteil so, dass er sich in Gesprächen mit den Bundesländern befindet. Daran sehen Sie, dass auch die Bundesregierung und wir im BMBF diesen relativen Ärztemangel sehr wohl wahrnehmen. Die Aufgabe ist, zunächst einmal genauer einzuschätzen, ob und in welchem Umfang ein solcher Ärztemangel vorhanden ist und wie dem begegnet werden kann bzw. muss. Dabei ist es aus Sicht der Bundesregierung entscheidend und notwendig, dass die 16 Bundesländer in der Beurteilung genau dieser Fragestellung zu einer klaren und möglichst einvernehmlichen Problem- und auch Lösungsbeschreibung kommen. Dies ist bisher noch nicht erfolgt. Wir befinden uns hier aber im Gespräch. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen nun zur zweiten Frage der Kollegin Schieder, nämlich der Frage 4: Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass mit dem schleswig-holsteinischen Sparpaket auch die exzellenten Studiengänge in Flensburg gefährdet sind, die in Kooperation mit der süddänischen Region realisiert und einzigartig in Deutschland und Europa sind, und welche Konsequenzen erwartet die Bundesregierung für das deutsch-dänische Verhältnis daraus? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Kollegin Schieder, ich finde es zunächst einmal sehr schön, dass sich auch eine Abgeordnete aus Bayern, soweit ich das weiß, (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Ja! Wir Bayern sind weltoffen!) für die Frage des schleswig-holsteinisch-dänischen Verhältnisses interessiert. Ich antworte Ihnen dazu gerne. Sie wissen, dass die Länder gemäß ihrer Kultur- und Haushaltsautonomie Entscheidungen, wie in verschiedenen Studiengängen verfahren wird, treffen. Ich möchte aber in der Frage der Kooperationen mit Dänemark ausdrücklich darauf hinweisen, dass zurzeit allein im Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz 368 Kooperationen deutscher und dänischer Hochschulen registriert sind, davon übrigens nur zwei bei der Universität in Flensburg. Somit sind Konsequenzen für das deutsch-dänische Verhältnis im Hochschulbereich insgesamt nicht zu erwarten. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ach nein? Das geht so aber nicht!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Rix hat eine Nachfrage. Sönke Rix (SPD): Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, dass Sie der Meinung sind, dass die Kooperationen zwischen einer deutschen und einer dänischen Hochschule nicht weiter zu fördern sind, weil es sich angesichts ihrer geringen Zahl nicht lohnt, oder kann ich davon ausgehen, dass auch die Bundesregierung Wert darauf legt, dass bezüglich der Kooperationen auch kleine Pflänzchen gegossen werden müssen? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Wovon Sie ausgehen können, können nur Sie selbst entscheiden. Ich habe Ihnen beschrieben, dass wir in der deutschen Hochschullandschaft glücklicherweise ein breites Netz von Hochschulkooperationen mit Dänemark - es gibt fast 400 Kooperationen - haben. Unabhängig von der Einschätzung dieser beiden Kooperationen, die konkret angesprochen wurden, können wir feststellen, dass insgesamt ein tragfähiges Netz von Kooperationen besteht. Welche Themen im Rahmen von Kooperationen letztendlich behandelt werden, ist eine Frage, die die Hochschule oder gegebenenfalls das Land unter Gesamtwürdigung aller Aspekte beantworten muss. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, es ist sicherlich zu begrüßen, dass es fast 400 deutsch-dänische Hochschulkooperationen gibt. Ich möchte dies insofern ergänzen, als die Wirkung und die Symbolkraft einer Hochschulkooperation unmittelbar im Grenzgebiet von Dänemark und Deutschland - es handelt sich um die Region Flensburg/Südjütland, die eine geschichtlich belastete Vergangenheit aufweist, die sich aber positiv entwickelt hat - eine andere Qualität haben. Deshalb meine Frage: Können Sie sich der Meinung anschließen, dass gerade im Grenzgebiet von Dänemark und Deutschland ein besonderes Bedürfnis an ortsnahen Hochschulkooperationen besteht, sie somit den Charakter eines Schlüsselprojekts haben? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Dr. Rossmann, es wäre verfehlt, wenn man von Berlin aus den Inhalt einzelner Kooperationen bewerten würde. Dies traue ich mir an dieser Stelle nicht zu. Ich habe großes Verständnis dafür, dass Sie als Abgeordneter aus Schleswig-Holstein besonders die Leuchtkraft dieser Kooperationen sehen, betonen, wahrnehmen, sich in ihr sonnen (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Weniger sonnen, sondern dafür werben!) und sich dafür einsetzen, dass sie fortgesetzt werden. Das ist verständlich. Das ist im Übrigen bei Kooperationen von Hochschulen in anderen Regionen nicht anders. Ich habe mich differenziert genug geäußert, indem ich gesagt habe: Wir freuen uns darüber, dass es - unabhängig von diesen beiden Kooperationen - insgesamt ein breites Geflecht von deutsch-dänischen Kooperationen gibt - es gibt 368 solcher Hochschulkooperationen -, die über die Region hinaus sicherlich bedeutsam sind und die die guten Beziehungen im Wissenschaftsbereich zwischen Dänemark und Deutschland garantieren. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Frage 5 der Kollegin Ulla Burchardt wird nicht beantwortet, da die Kollegin nicht anwesend ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Rossmann auf: Wie rechtfertigt es die Bundesregierung, dass beim Pakt für Qualität in der Lehre der Bund die gesamten Kosten allein trägt und damit die Länder auf einem Kerngebiet ihrer Bildungszuständigkeit keinen eigenen Finanzbeitrag leisten? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Dr. Rossmann, wie Sie als Sprecher Ihrer Fraktion im Bildungs- und Forschungsausschuss wissen, haben die Regierungschefs von Bund und Ländern am 10. Juni der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern über ein gemeinsames Programm für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre zugestimmt, worüber wir uns gemeinsam gefreut haben. Darin ist geregelt, dass der Bund die Sach- und Personalausgaben trägt, die den Hochschulen für die Durchführung der bewilligten Maßnahmen zusätzlich entstehen, während das jeweilige Sitzland die Gesamtfinanzierung sicherstellt. Mit diesem Programm mit einem Volumen von 2 Mil-liarden Euro bis zum Jahr 2020 hat der Bund einen weiteren ganz wesentlichen Beitrag zur Erreichung des 10-Prozent-Ziels für Bildung und Forschung erbracht. Dieses Bund-Länder-Sonderprogramm wird einen starken Impuls für bessere Studienbedingungen und mehr Lehrqualität an den Hochschulen setzen. Unbeschadet dessen ist die Grundfinanzierung der Hochschulen Aufgabe der Länder. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine Nachfrage. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, die gemeinsame Freude über die Verbesserung der Qualität der Lehre an den Hochschulen zu konzedieren, steht mir nicht zu. Der entscheidende Punkt ist, dass hier der Bund Kernaufgaben der Länder zu 100 Prozent finanziert. Nun ist die Frage, ob diese gute Tat an anderer Stelle böse Früchte trägt. Können Sie also ausschließen, dass es bei weiteren aktuell anstehenden bildungspolitischen Entscheidungen - ich nenne zum Beispiel das Stipendienprogramm - ein entsprechendes Angebot durch den Bund gibt, die entsprechende Finanzierung zu 100 Prozent zu übernehmen? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege, ganz unabhängig von Ihrer spezifischen Frage ist es eine Lebensweisheit - die ich auch in Bezug auf alle Fragen im Deutschen Bundestag beherzige -, generell nichts auszuschließen. Die Zukunft ist offen, und deswegen weiß auch keiner, was auf uns zukommt. Was die konkrete Frage der Finanzierung des Pakts für Qualität in der Lehre - überwiegend durch den Bund, aber auch, wie ich gerade deutlich gemacht habe, durch die Länder - anbetrifft, glaube ich, dass das eine richtige und notwendige Entscheidung war. Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass die Länder hier noch verstärkt eingetreten wären. Dies war nicht möglich. Im Rahmen einer Gesamtabwägung hat die Bundesbildungsministerin Frau Professor Schavan entschieden, dass wir eine Verbesserung der Qualität der Lehre brauchen, wie dies auch die Studierenden in den vergangenen Monaten angemahnt haben. Die Bundesregierung steht nicht abseits, sondern wird ihren Beitrag dazu leisten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben noch eine weitere Nachfrage. Bitte schön. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Können Sie dem Parlament darlegen, wie die Abläufe waren? Wir haben gehört, dass der Bund - wie es auch an vielen anderen Stellen üblich ist - den Ländern den Vorschlag gemacht hat, in eine 90/10-Finanzierung einzutreten, dass aber einige Länder - vor allem aus dem konservativen Bereich - gesagt haben: Wir tragen das Programm nur mit, wenn du, Bund, unserer Erpressung nachgibst und zu 100 Prozent finanzierst. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Schon angesichts einer solchen Sprache möchte und werde ich auf eine in dieser Form gestellte Frage nicht antworten. Ich werde mich an Spekulationen nicht beteiligen. Die Bundesregierung hat Wort gehalten. Sie hat gesagt, dass sie sich an dem Pakt zur Verbesserung der Lehre an den Hochschulen beteiligen wird, und macht dies mit einem namhaften 2-Milliarden-Programm. Dies ist das größte Programm, das es in der Geschichte der Bundesrepublik je zur Verbesserung der Lehre gegeben hat. Ich finde, dies macht deutlich, dass es uns ernst ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Rossmann auf: Welche Aufgabe sieht die Bundesregierung im Rahmen des Paktes für Qualität in der Lehre für die von der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan, öffentlich angekündigte Akademie für die Lehre, oder verfolgt sie das Konzept nicht weiter? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Dr. Rossmann, Bund und Länder haben in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz am 28. Mai dieses Jahres vereinbart, gemeinsam mit den Hochschulen - also denjenigen, um die es letztlich auch geht - diesen Vorschlag, nämlich die Einrichtung einer Akademie für Studium und Lehre, zu prüfen. Dieser Vorschlag wird weiter verfolgt und geprüft. Eine solche Akademie für Studium und Lehre könnte nachhaltige Beiträge zur Verbesserung der Qualität der Lehre und des Studiums sowie zur Qualifizierung von Lehrenden auch auf ihrem weiteren Berufsweg leisten. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz wird sich dann später auf dieser Grundlage erneut mit dem Vorschlag befassen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Es gibt eine weitere Nachfrage. Bitte sehr. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, weil das von uns gemeinsam begrüßte Programm für die Verbesserung der Qualität in der Lehre auch Zeitvorstellungen beinhaltet, die mit den Jahren 2011 bzw. 2012 beginnen, liegt der Gedanke nahe, dass auch eine solche Akademie in dieses Gesamtkonzept hineinpasst. Deshalb meine Frage: Streben Sie ein Zeitfenster an, in dem diese Akademie in Bezug auf eine qualitativ möglichst hochwertige Umsetzung dieses guten Hochschulprogramms für die Verbesserung der Qualität in der Lehre noch wirksam werden kann? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Rossmann, gut Ding will Weile haben. Selbstverständlich sind wir an einer qualitativ hervorragenden Umsetzung interessiert. Das setzt die frühzeitige Einbindung der betroffenen Hochschulen voraus. Um die bemühen wir uns gerade. Wir werden das Gespräch und die Prüfung mit den Hochschulen abwarten und dann in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz mit den Ländern zu einer abschließenden Beratung kommen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben noch eine weitere Nachfrage. Bitte schön. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Wir haben in der Fragestunde einmal mehr gehört, wie schwierig die Klärung von Finanzfragen zwischen Bund und Ländern ist. Deshalb meine Frage: Mit welcher Finanzierungsvorstellung geht der Bund in die Verhandlungen mit den Ländern, was seine Beteiligung an der gut gedachten Akademie angeht? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Bevor man über Finanzen spricht, muss man über Konzepte sprechen und schauen, ob die Konzepte tragfähig sind und Chancen haben, qualitativ erstklassig umgesetzt zu werden. Dies steht zunächst im Vordergrund. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dann kommen wir zur Frage 8 des Kollegen Schulz: Aus welchen Gründen war es der Bundesregierung nicht möglich, ihre Ankündigung einzuhalten, vor dem Sommer 2010 und damit über ein halbes Jahr nach Vorlage ihrer Eckpunkte dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur besseren Anerkennung ausländischer Qualifikationen vorzulegen? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Dr. Schulz, die Vorbereitung des Gesetzentwurfs erfordert eine sorgfältige - - (Unruhe) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Unruhe liegt, glaube ich, daran, dass Sie Herrn Schulz zum Doktor ehrenhalber ernannt haben. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Es ist doch schön, dass er sich darüber freut. Den Doktortitel von Herrn Rossmann habe ich auf Herrn Schulz übertragen. Ich hoffe, das ist okay. So schnell geht das. Zur Sache selber. Die Vorbereitung des Gesetzentwurfs erfordert eine sorgfältige Prüfung der Kompatibilität der geplanten Regelungen mit bestehenden berufsrechtlichen Regelungen auf Bundesebene und auch mit entsprechenden Vorgaben im EU-Recht. Das macht es schwierig und auch etwas langwieriger, als wir uns das gedacht haben. Unter anderem sind bei der Vorbereitung des Gesetzentwurfs die bestehenden Regelungen zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und sonstige Regelungen zum Berufszugang und zur Berufsausbildung in den jeweiligen Berufsgesetzen auf Bundesebene zu berücksichtigen. Die entsprechenden Vorschriften beinhalten sehr unterschiedliche und teilweise sehr komplexe Regelungsansätze, die sich über mehrere Jahrzehnte hinweg entwickelt haben und den unterschiedlichen Regelungsnotwendigkeiten der einzelnen Berufsgruppen Rechnung tragen. Vor dem Hintergrund dieser komplexen Rechtsmaterie wurde der ursprüngliche Zeitplan für die Erarbeitung eines Gesetzentwurfs geringfügig revidiert. Nach derzeitigem Planungsstand soll ein entsprechender Referentenentwurf im auslaufenden Sommer 2010 vorgelegt werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine Nachfrage? - Bitte schön. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Danke schön, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt, wann der Referentenentwurf vorgelegt werden soll. Meine Frage: Gibt es eine Planung, wann der Gesetzentwurf dem Deutschen Bundestag zugeleitet werden kann? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. - Wir gehen davon aus, dass der Referentenentwurf im auslaufenden Sommer vorgelegt werden kann. Dann gibt es natürlich eine Kabinettsbefassung. Das kann natürlich nicht die Dauer des anschließenden Bundestagsverfahrens wie auch die Befassung im Bundesrat präjudizieren. Insofern ist ein genauer Zeitpunkt für das Inkrafttreten des Gesetzes im Moment noch nicht festzulegen. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Herr Staatssekretär, ich habe nicht nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gefragt, sondern ab wann die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag den Gesetzentwurf zuleiten wird. Nachgeschoben: Wir haben in dieser Woche im Ausschuss eine Sachverständigenanhörung zu diesem Thema durchgeführt. Wird die Bundesregierung bei der Erarbeitung des Referentenentwurfes bzw. des Gesetzentwurfs die Ergebnisse dieses Fachgesprächs mit einbeziehen? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank. - Eine genaue zeitliche Einordnung, wann der Gesetzentwurf dem Bundestag zugeleitet wird, kann ich nicht vornehmen. Aber dies soll in möglichst zeitlicher Nähe geschehen - das ist ganz klar -, weil wir daran interessiert sind, dass die Sache vorangeht. Selbstverständlich wird die Bundesregierung die Aspekte, die in der Anhörung des zuständigen Fachausschusses angesprochen worden sind, aufnehmen. Sie wissen, dass Vertreter der Bundesregierung bei der Anhörung anwesend gewesen sind und die Dinge aufmerksam verfolgt haben. Wir wollen versuchen, die Aspekte in den Referentenentwurf bzw. den Gesetzentwurf einzubeziehen. Das ändert nichts daran, dass das Parlament nachher selbstverständlich frei ist, bei der Gesetzgebung entsprechend mitzuwirken und Änderungen durchzusetzen. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Entsprechend den verfassungsrechtlichen Kompetenzen!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Daðdelen. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Auch ich möchte eine Frage stellen. Erster Punkt. Nachdem 2007 die Linksfraktion mit einem entsprechenden Antrag das Thema auf die Tagesordnung gebracht und den Bundestag aufgefordert hat, aktiv zu werden - leider hat das die Große Koalition in der letzten Wahlperiode versäumt; jetzt aber hat diese Koalition den Anspruch, hier etwas zu tun -, möchte ich fragen, ob vielleicht schon bei der Erarbeitung des Referentenentwurfs, aber zumindest bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs das Gespräch mit Betroffenengruppen und -initiativen gesucht wurde bzw. wird und ob auch Fachverbände zurate gezogen wurden. Zweiter Punkt. Ist geplant, dass die Menschen einen Rechtsanspruch auf die Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüsse haben, wie es zum Beispiel in den skandinavischen Ländern der Fall ist, oder ob andere Möglichkeiten zur Anerkennung geplant sind, wie das - ich glaube, das war Staatsministerin Böhmer - im Bundestag gesagt wurde? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Kollegin, selbstverständlich werden auch die Meinungen von außenstehenden Organisationen und Verbänden in den Diskussionsprozess einbezogen. Zum Inhalt kann ich Ihnen heute allerdings keine Auskunft geben, da, wie gesagt, der Referentenentwurf noch nicht erarbeitet ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Sager, bitte. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, ich bin darüber gestolpert, dass Sie zwar genau sagen können, wann der Referentenentwurf fertig sein soll - Sommerende -, aber gleichzeitig bei der Frage, wann der Gesetzentwurf dem Bundestag zugeleitet werden soll, sehr vage geblieben sind. Deswegen meine Nachfrage: Haben Sie Pläne, den Referentenentwurf in einem Vorverfahren mit den Ländern abzustimmen, bevor Sie den Gesetzentwurf dem Bundestag zuleiten? Oder weswegen sind Sie so vage geblieben? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Meine offene Antwort ist: Im Moment habe ich schlicht und einfach keine Information darüber, wann der Gesetzentwurf vorgelegt wird. Deswegen bin ich vage geblieben. Ich kann Ihnen das jetzt nicht beantworten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Swen Schulz auf: Welcher weitere Prozess ist von der Bundesregierung vorgesehen, um mit den Ländern die Umsetzung des 10-Prozent-Ziels von Dresden, bis 2015 mindestens 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und 3 Prozent für Forschung aufzuwenden, sicherzustellen? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Kollege Schulz, anlässlich des Qualifizierungsgipfels am 22. Oktober 2008 in Dresden haben sich die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder auf das gemeinsame Ziel verständigt, bis zum Jahr 2015 die Investitionen in Bildung und Forschung in Deutschland auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Dieses Ziel gilt weiterhin. Wir arbeiten daran und auch dafür. Auf dem Weg zur Erreichung des 10-Prozent-Ziels wird der Bund - wie Sie wissen - in dieser Legislaturperiode 12 Milliarden Euro zusätzlich investieren, 6 Mil-liarden Euro in die Bildung und 6 Milliarden Euro in die Forschung. Der Bund wird damit in zentralen Bildungsbereichen zusätzliche Maßnahmen ergreifen. Auf der Grundlage des von der KMK am 27. Mai beschlossenen Maßnahmenkatalogs zur Ausfüllung und Erreichung des 10-Prozent-Ziels für Bildung und Forschung werden Bund und Länder Schwerpunkte und Maßnahmen in den jeweiligen Bildungsbereichen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten umsetzen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Eine Nachfrage? - Bitte schön. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Herr Staatssekretär, heißt das, dass nach dem gescheiterten Bildungsgipfel vor wenigen Wochen momentan keine weiteren Bildungsgipfel geplant sind, um verbindliche Verabredungen zwischen Bund und Ländern hinsichtlich des 10-Prozent-Ziels zu treffen? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Schulz, ich möchte Ihrer Grundthese widersprechen, dass es ein gescheiterter Gipfel gewesen ist. In einer Zeit höchster finanzieller Konsolidierungsnotwendigkeit und angesichts von Einsparungen in Milliardenhöhe auf allen Themenfeldern ist die Entscheidung, einen Qualitätspakt für die Lehre an den Hochschulen auf den Weg zu bringen und zu finanzieren - die Bundesregierung stattet ihn bis zum Jahr 2020 mit 2 Milliarden Euro aus -, kein Scheitern, wie Sie das beschreiben, sondern eine notwendige und wichtige Entscheidung. Die weitere Umsetzung wird zwischen Bund und Ländern in den dafür vorgesehenen Gremien von GWK und KMK - wenn die Ministerin beteiligt ist - besprochen. Wir werden spätestens im Jahr 2014 Bilanz ziehen können, was wir auf dem Weg zum 10-Prozent-Ziel im Bereich Forschung und Bildung erreicht haben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Eine weitere Nachfrage? - Bitte schön. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Ein nächster sogenannter Bildungsgipfel auf Einladung der Bundeskanzlerin ist demnach im Moment nicht geplant? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Wir haben eine Vielzahl von Möglichkeiten der Kooperation zwischen Bund und Ländern im Bereich der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung. Diese werden zunächst intensiv genutzt. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Also nein. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Dr. Rossmann, bitte. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, es wäre gut, wenn das mit der "Gipfeleritis" vorbei wäre. Im Übrigen stelle ich fest, dass Sie mit der positiven Bewertung dieses dritten Anlaufes ziemlich alleine dastehen. Es gab Äußerungen von Finanzminister Schäuble, nach denen man das Thema noch einmal im Zusammenhang mit der Gemeindefinanzreform und den Kommunalsteuern aufrufen würde. Die Bundeskanzlerin hat sich eingelassen und gesagt: Spätestens 2014, vielleicht aber auch früher. Mit welchem Zeitplan und welchen konkreten Schritten geht die Bundesregierung an die Aufgabe, verloren gegangenes Vertrauen in ein gemeinsames Bildungsprojekt von Bund, Ländern und Kommunen wieder aufzubauen? Ich frage das, weil die Öffentlichkeit ein Interesse daran haben dürfte, die konkreten Schritte der Bundesregierung bezogen auf Projekt und Finanzen zu erfahren. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Dr. Rossmann, ich bin ein bisschen enttäuscht über Ihre Wahrnehmung der Prozesse. Betrachtet man die letzten Jahre, und zwar nicht nur die Regierungszeit dieser Bundesregierung, sondern auch die der letzten Bundesregierung, der die SPD angehörte, stellt man fest, dass dies ein einmaliger Vorgang ist. Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesbildungs- und -forschungsministerin, hat für eine klare Schwerpunktsetzung bei Bildung und Forschung gesorgt, und zwar in einem Ausmaß, wie es das in früheren Jahren und Jahrzehnten in unserem Land nicht gegeben hat. Ich finde es schade, dass Sie das, woran Sie selbst mitgewirkt haben, im Nachhinein in ein schlechtes Licht setzen, weil das der Sache nicht angemessen ist. Das Gleiche kann ich auf die jetzige Regierungskoalition beziehen. Wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen vereinbart, angefangen beim Qualifizierungsgipfel in Dresden. Wir haben beim Pakt für Forschung und Innovation einen Aufwuchs von 5 Prozent vereinbart. Das muss jedes Jahr in den Haushaltsberatungen bei Bund und Ländern faktisch umgesetzt werden. Wir haben beim Hochschulpakt vereinbart, dass im Rahmen der ersten Säule 90 000 zusätzliche Studienplätze und in der zweiten Tranche 275 000 zusätzliche Studienplätze in Deutschland finanziert werden. Der Bund geht dabei voran, aber auch die 16 Bundesländer werden sich in erheblichem Maße beteiligen. Das wird im Laufe der Zeit Stück für Stück umgesetzt und trägt dazu bei, dass das 10-Prozent-Ziel erreicht werden kann. Sie haben nach Meilensteinen gefragt. Wir haben eine erfolgreiche Exzellenzinitiative auf den Weg gebracht. Im Rahmen des wissenschaftsbegleiteten Prozesses haben wir Spitzenuniversitäten in Deutschland herausgefiltert. Die Exzellenzinitiative befindet sich fast am Ende der Phase 1. Im nächsten Jahr werden wir die Phase 2 beginnen. Auch hier werden neue Mittel zur Verfügung gestellt, abgestimmt zwischen Bund und Ländern. Sie sehen, wir sind voll im Prozess und dabei, dieses Ziel zu erreichen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Frage 10 des Kollegen Klaus Hagemann wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 11 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl. Ich rufe jetzt die Frage 12 des Kollegen Röspel auf: In welchen Programmen der Rubrik 1 a des EU-Haushaltes sieht die Bundesregierung Einsparmöglichkeiten, um die Finanzlücke von 1,4 Milliarden Euro bei dem Projekt ITER wie vorgeschlagen zu schließen, und gibt es Programme, die von dieser Kürzung aus Sicht der Bundesregierung ausgenommen werden sollten? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Die EU-Kommission, die einer der sieben internationalen Partner ist - präzise Euratom, aber handelnd ist die Kommission -, ist für die Durchführung der Programme des EU-Haushalts verantwortlich. Folglich muss sie einen Finanzierungsvorschlag zur Deckelung des Fehlbedarfs machen. Hierzu ist sie von deutscher Seite aufgefordert worden. Dies deckt sich mit dem Entwurf der Ratsschlussfolgerung vom 28. Juni 2010, über den ich Sie heute im zuständigen Fachausschuss Bildung und Forschung informiert habe. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine Nachfrage, Herr Röspel. - Bitte schön. René Röspel (SPD): Vielen Dank. - Heißt das auch, dass über die exakten finanziellen Kürzungen in der Rubrik 1 a des EU-Haushaltes ebenso die Kommission entscheiden und das für uns nicht nachvollziehbar sein wird? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Röspel, vielen Dank für die Frage. - Die EU-Kommission ist nun in der Verantwortung, einen Vorschlag zu unterbreiten, was die Mitgliedstaaten im Rat auch zum Ausdruck gebracht haben. Die Mitgliedstaaten haben vorgeschlagen - ich darf zitieren - "Primarily" also in erster Linie, wenn ich das so übersetzen darf, die Finanzierung der Mehrkosten vor allem in den Jahren 2012 und 2013 für ITER aus der Haushaltslinie 1 a zu finanzieren. In welchen Bereichen genau das gemacht wird, das wird jetzt die EU-Kommission vorschlagen. Denkbar ist auch, dass neben der Haushaltslinie 1 a - diese wird in erster Linie in Anspruch genommen - auch die Haushaltslinie 2 in Anspruch genommen wird; dies war auch bei anderen Programmen in der Vergangenheit der Fall. Die Kommission macht den Vorschlag, und im weiteren Verfahren wird - schließlich geht es hier auch um Budgetrechte - das Europäische Parlament selbstverständlich mit einbezogen werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine weitere Nachfrage? René Röspel (SPD): Ja. - Vorgesehen ist eine Deckelung des Budgets bei 6,6 Milliarden Euro. Meine Frage ist: Welche Mechanismen werden in Gang gesetzt und von wem, wenn diese Deckelung nicht einzuhalten ist? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Röspel, Sie haben dankenswerterweise eine ganz wesentliche von einer Vielzahl von Veränderungen, die die Taskforce zum Thema ITER vereinbart hat, angesprochen. Wir sind aus Sicht der deutschen Bundesregierung der Meinung, dass die von der EU-Kommission nach eindringlichen Nachforderungen offenbarte Kostensteigerung des europäischen Anteils an der Finanzierung auf 7,2 Milliarden Euro nicht akzeptabel ist. Deswegen hat die Bundesforschungsministerin im Wettbewerbsrat damals ihre Zustimmung verweigert und eine Neukalkulation und Kosteneinsparungen eingefordert. Daraufhin hat die spanische Präsidentschaft besagte Taskforce eingesetzt, die eine Analyse der Kostenentwicklung und Maßnahmen erarbeitet hat, die nun umgesetzt werden sollen. Zu diesen Maßnahmen gehört die Einigung der Mitgliedstaaten, eine Deckelung der Kosten für das Projekt bei 6,6 Milliarden Euro einzuführen. Dabei ist vorgesehen, dass es künftig - das hat es in der Form in der Vergangenheit nicht gegeben - ein Monitoring- und Controlling-System geben soll, das industriellen Standards genügt und das durch externe Gutachter überwacht wird. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Kollegin Kolbe. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, beim ITER-Projekt geht es um die Entwicklung von Fusionstechnologie. In weiteren Forschungsprojekten soll es darum gehen, kommerzielle Fusionsreaktoren zu entwickeln. Diese sollen frühestens 2055 ans Netz gehen. Wir haben in diesem Bereich ja schon häufiger Verschiebungen erlebt. Meine Frage an Sie ist deshalb: Wir werden ja aus unterschiedlichen Gründen - Ressourcenknappheit, Ressourcenverteuerung und Klimawandel - relativ zeitnah zu einer Energiewende kommen müssen. Wann sollte denn aus der Sicht der Bundesregierung diese Energiewende geschafft sein? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Dies ist eine spannende Frage, die den Deutschen Bundestag insgesamt, aber auch die Bundesregierung derzeit intensiv beschäftigt. Sie wissen, dass die Bundesregierung an einem energiepolitischen Konzept arbeitet, in dem bezogen auf unser Land aufgezeigt werden soll, in welchen Phasen und Zeitabschnitten ein Umsteuern möglich ist. Nun kann man darüber sprechen, was eine Energiewende ist. Ich glaube, dass dies etwas Prozesshaftes sein wird. Diese Energiewende wird nicht durch einen Klick herbeigeführt werden. Dabei ist klar - das ist das Ziel der Bundesregierung -, dass man den Anteil der regenerativen Energieträger sukzessive weiter hochfahren wird, je mehr sie mit anderen Energiebereichen wirtschaftlich konkurrenzfähig sind. Andere Bereiche können dann an Bedeutung verlieren. Die Bundesregierung möchte aber - darauf zielen Sie ab - auf jeden Fall, wenn es möglich ist, an dem Forschungsprojekt ITER festhalten. Es wäre, glaube ich, vermessen, wenn man heute beurteilen wollte - Sie haben das Thema angesprochen -, wann es eine kommerzielle Umsetzung geben wird. Klar ist, dass ITER die Chance eröffnet, durch eine weltweite Forschungskooperation zwischen Indern, Chinesen, Südkoreanern, Russen, Japanern, Amerikanern und Europäern eine neue Lösung der Energieprobleme zu erarbeiten. Diese Option sollten wir auch im Interesse unserer Kinder nicht ausschlagen. Wir sollten ihnen die Möglichkeit geben, zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sich das Projekt als wissenschaftlich, technologisch und auch ökonomisch konkurrenzfähig erwiesen hat, zu entscheiden, ob sie die Technologie anwenden wollen und, wenn ja, in welchem Umfang. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Sager. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, die Kommission hat im Vorfeld, als über die verschiedenen Optionen, wie mit der Kostenexplosion bei ITER umzugehen ist, diskutiert wurde, ihre Position sehr deutlich gemacht: Sie geht davon aus, dass es nicht möglich ist, aus den Wettbewerbs- und Forschungsprogrammen der Rubrik 1 a die Mehrkosten bei ITER zu finanzieren, ohne dass es zu einer nachhaltigen Beschädigung der EU-2020-Ziele und zu einer Beschädigung von Programmen, die für die Erfüllung der EU-2020-Ziele von strategischer Bedeutung sind, kommen wird. Jetzt ist natürlich die Frage: Teilen Sie die Einschätzung der Kommission nicht? Wenn ja, warum teilen Sie sie nicht? Wenn Sie sie teilen, warum halten Sie die Fortsetzung des ITER-Projekts für wichtiger als die Umsetzung der EU-2020-Ziele und der entsprechenden Programme? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Kollegin Sager, ich teile die Auffassung der EU-Kommission nicht. Nachdem die Kommission monatelang die Mitgliedstaaten im Unklaren darüber gelassen hat, wie sich die Kostenentwicklung bei ITER darstellt, und die Zahlen nur auf Drängen mehrerer Mitgliedstaaten - vor allem auch wegen der deutschen Nachfragen - auf den Tisch gekommen sind, hatte sie die Vorstellung, dass die Mitgliedstaaten, die nationalen Parlamente, zusätzliches Geld zur Verfügung stellen; die entstandenen Mehrkosten sollten ausschließlich über die nationalen Haushalte finanziert werden. Ich würde gern wissen, welche Fragen Sie mir heute stellen würden, wenn wir das eins zu eins umgesetzt hätten. Dann würde der Deutsche Bundestag mit den Mehrkosten konfrontiert und müsste schauen, wo die entsprechenden Mittel herkommen sollen. Wir halten das nicht für einen angemessenen Weg. Warum? Dieses Projekt wird von sieben internationalen Partnern getragen: China, Indien, Japan, Südkorea, Russland, den USA sowie Europa, in diesem Fall in der Rechtspersönlichkeit von Euratom. Das heißt, Euratom ist Handelnder; wir sind einer der Mitgliedstaaten, die sich in diesen Diskussionsprozess einbringen. Zu der Frage, wie die Finanzierung aussehen könnte: Ich fände es gut, wenn der Deutsche Bundestag - auch die Fraktion der Grünen - gegenüber der EU-Kommission deutlich die Erwartung äußern würde, dass die EU-Kommission bei einem solchen Projekt, bei dem sich Europa, Euratom, mit eingebracht hat, eine Finanzierung über den europäischen Haushalt sicherstellt. Die Möglichkeiten dazu sind vielfältig; die Kommission muss hier Vorschläge machen. Die Mittel können aus der Rubrik 1 a des EU-Haushaltes kommen, also aus den Bereichen des Wettbewerbs, der transeuropäischen Netze und der Forschung. Das wäre nicht sachfremd; denn bei ITER geht es um Forschung, um Grundlagenforschung. Die Ratsmitglieder haben klar gesagt, dass die Mittel "primarily", also in erster Linie, aus dieser Rubrik kommen sollen. Das heißt, die Mittel sollen auch aus anderen Bereichen kommen. Die Mittel könnten zum Beispiel aus dem Agrarbereich kommen, in dem es erhebliche Rückflüsse gibt. Ich meine, die entsprechenden Möglichkeiten sollten ausgelotet werden. Es gab auch andere europäische Projekte, die aus Sicht Europas und der beteiligten Mitgliedstaaten von großer Bedeutung sind - ich erinnere, um zwei Beispiele zu nennen, an Galileo und an das EIT -, bei denen es eine Umschichtung im europäischen Haushalt gegeben hat, um sie zu ermöglichen. Ich denke, dies wird auch bei diesem Thema möglich sein. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dann kommen wir zur Frage 13 des Kollegen Röspel: Aufgrund welcher Überlegungen ist die Bundesregierung zu der Entscheidung gelangt, künftig zur Finanzierung des ITER-Projekts auch Forschungsfördermittel aus dem EU-Haushalt verwenden zu wollen und damit eine schädliche Mittelkonkurrenz zwischen ITER, Euratom und der Forschungsförderung zu schaffen? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Röspel, grundsätzlich ist die Rubrik 1 a der Bereich des EU-Haushalts, über den ITER finanziert wird. Der von der Kommission vorzulegende Vorschlag wird deshalb in erster Linie auf Umschichtungen innerhalb der Rubrik 1 a beruhen. Davon wird natürlich auch die Forschung betroffen sein, wobei zunächst nicht verwendete Mittel berücksichtigt werden sollen. Kurzfristig sollen die zusätzlichen Verpflichtungsermächtigungen am besten aus mehreren Finanzquellen gespeist werden. Das ist im Entwurf der Ratsschlussfolgerung vom 28. Juni deutlich zum Ausdruck gebracht worden; ich habe Ihnen darüber heute im Fachausschuss für Bildung und Forschung berichtet. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie habe eine Nachfrage? - Bitte schön. René Röspel (SPD): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass die Steigerung der Kosten für den Kernfusionsreaktor - von 2,7 auf 7,2 Milliarden Euro - nicht zulasten der Erforschung intelligenter Netze, erneuerbarer Energien, alternativer Energien und der Energieeffizienz geht, die in genau jener Rubrik des EU-Haushalts, über die wir gerade reden, angesiedelt sind? Wie kann sie also dafür Sorge tragen, dass die Erforschung anderer Möglichkeiten der Energiegewinnung und -einsparung nicht behindert wird? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Röspel, ich glaube, es wäre vermessen, zu versuchen, in einer Fragestunde des Deutschen Bundestages den Auftrag der EU-Kommission zu erfüllen, die als zuständige Institution im europäischen Geflecht den Vorschlag zu unterbreiten hat. Wenn dieser Vorschlag vorliegt, werden wir uns intensiv mit ihm auseinandersetzen, wie im Übrigen auch das Europäische Parlament, zu dessen ureigenem Budgetrecht es gehört, über die Frage der Mittelverwendung und über Prioritäten zu entscheiden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Bitte. René Röspel (SPD): Gibt es bereits jetzt Überlegungen seitens der Bundesregierung, inwieweit der Umstand, dass zusätzliche Mittel benötigt werden, Auswirkungen auf die Planung des 8. Forschungsrahmenprogramms haben, und gibt es Anstrengungen, diese dort zu kompensieren? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Zur Erläuterung für die Kollegen: Herr Kollege Röspel zielt darauf ab, dass es ab dem Jahr 2014 voraussichtlich das sogenannte 8. Forschungsrahmenprogramm geben wird. Die Finanzierung des 8. Forschungsrahmenprogramms wird im Rahmen der finanziellen Vorausschau zu regeln sein. Es wird im Verlauf der allgemeinen politischen Debatten auf europäischer und nationaler Ebene, also in den einzelnen Mitgliedstaaten, zu entscheiden sein, wo Europa in Zukunft Prioritäten setzt. Sie können sich vorstellen, dass gerade das Bundesforschungsministerium wegen der volkswirtschaftlich notwendigen Schwerpunktsetzung bei Forschung und Innovation ein Interesse daran hat, dass der Anteil der europäischen Gelder für das 8. Forschungsrahmenprogramm erhöht wird, weil diese Investitionen im Unterschied zu manch anderen Investitionen auf europäischer Ebene zukunftsgerichtet sind. Für die Zeit ab 2014 wird man selbstverständlich einplanen müssen, dass auch für ITER entsprechende Kosten anfallen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, habe ich Sie eben richtig verstanden, dass die Bundesregierung durchaus damit einverstanden wäre bzw. akzeptieren würde, wenn sich die EU-Kommission dafür entscheiden würde, die Mittel für Forschungsprogramme zu den Themen Energiespeicherung, Energieeffizienz und energieeffiziente Netze - Technologien, die wir sehr bald und sehr schnell zur Integration der erneuerbaren Energien, für den Klimaschutz usw. brauchen - zu kürzen, um die Kostensteigerungen bei ITER aufzufangen? Bei ITER haben wir es mit einer Technologie zu tun, von der selbst die Forschenden sagen, dass man mit ihrer kommerziellen Anwendung frühestens 2050 rechnen kann, also zu einem Zeitpunkt, zu dem es in Deutschland - so verstehe jedenfalls ich den Bundesumweltminister - bereits eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien gibt, sodass diese Technologie dann gar nicht mehr benötigt wird. Meine konkrete Frage: Wären Sie damit einverstanden, wenn zugunsten von ITER die Mittel für andere Energieforschungsprogramme gekürzt würden? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sie haben mehrere Fragen gestellt. Die erste Frage beantworte ich mit: leider nein. Die zweite Frage. Die Prioritätensetzung muss die EU-Kommission leisten. Wir werden uns sehr konstruktiv in diesen Prozess einschalten, sobald die EU-Kommission ihren Vorschlag gemacht hat. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Ott auf: Welche Mittel für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern sollen laut Haushaltsentwurf der Bundesregierung 2011 bereitgestellt werden, und handelt es sich insgesamt um zusätzliche und nicht bereits anderweitig versprochene Mittel? Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp zur Verfügung. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Ott, am heutigen Vormittag ist der neue Haushaltsentwurf im Kabinett behandelt und verabschiedet worden. Es ist bislang üblich gewesen, dass detaillierte Aussagen zu Schwerpunkten und Ansätzen erst nach der Zuleitung des Regierungsentwurfes an das Parlament erfolgten. Ich kann Ihnen sagen, dass die Zuleitung an das Parlament, also auch an Sie, nach gegenwärtigem Stand der Planungen Mitte August erfolgen wird. Erst dann kann ich sehr detaillierte Angaben machen. Ich will aber, wenn Sie mögen, gerne ausführen, dass im BMZ-Haushalt im laufenden Jahr, im Jahr 2010, für die Klimafinanzierung insgesamt 1,131 Milliarden Euro eingestellt waren, und zwar 930 Millionen Euro über die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit zur Anpassung an den Klimawandel, 166 Millionen Euro zur Stärkung der Biodiversität, für Entwicklungsvorhaben und für multilaterale Hilfen zum weltweiten Umweltschutz sowie 35 Millionen Euro über den Haushaltstitel "Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern". Die Gesamtsumme beläuft sich also auf 1,131 Milliarden Euro. Das wiederum stellt einen Mittelaufwuchs gegenüber dem Haushaltsansatz 2009 in Höhe von 205 Millionen Euro dar. Es sieht jetzt so aus - danach fragten Sie; das kann ich Ihnen bestätigen -, dass dieser Betrag zusätzlich bereitgestellt wurde. Dieser Betrag stellte im BMZ im letzten Jahr einen Teil der Aufwendungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit für Klimaschutzmaßnahmen dar. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ott, Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön. Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, das, was Sie gesagt haben, stimmt mich nicht glücklich; denn nach dem mir vorliegenden Entwurf des Haushaltsplans für 2011, der gerade im Kabinett verabschiedet worden ist, sind die im Einzelplan ursprünglich an zusätzlichen Mitteln vorgesehenen 35 Millionen Euro auf null reduziert worden. Das Gleiche gilt übrigens für den Einzelplan 16. Die Kollegin sitzt vor Ihnen und nickt. Meine Frage ist: Ist es richtig, dass diese Mittel im Entwurf des Haushaltsplans auf null reduziert worden sind und, falls ja, was gedenken Sie zu tun? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Bezüglich der 35 Millionen Euro bestätige ich Ihnen noch einmal, dass es mir im Moment nicht möglich ist, Einzelangaben zu den verschiedenen Ansätzen zu machen. Das wird erst nach Austarieren bzw. nach Zuleitung zum Parlament möglich sein; daran ändert sich nichts. Ich kenne die Zahlen im Haushaltsplanentwurf 2011. Aber, wie gesagt, der wird Ihnen zugeleitet, und dann werde ich genaue Angaben machen können. Ich will Ihnen jedoch noch einmal ausdrücklich sagen, dass die Bundeskanzlerin auf der Kopenhagen-Konferenz zugesagt hat, im Zuge der Fast-Start-Finanzierung für den Zeitraum von 2010 bis 2012 durchschnittlich 420 Millionen Euro pro Jahr für den Klimabereich zur Verfügung zu stellen und dass diese Mittel auch eingestellt worden sind. Sie sollen für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel verwendet werden. Als erster Beitrag - auch das werden Sie gesehen haben - werden bereits in diesem Jahr 350 Millionen Euro an die Entwicklungsländer fließen. Von diesen Mitteln kommen 205 Millionen Euro aus dem Haushalt des BMZ und 145 Millionen Euro aus dem Haushalt des BMU. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine weitere Nachfrage. Bitte. Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, die Mittel für 2010 - dessen bin ich mir bewusst - erfüllen, jedenfalls nach formalen Kriterien, das Versprechen der Kanzlerin, 420 Millionen Euro pro Jahr bereitzustellen, obwohl es sich auch dabei nicht in vollem Umfang um zusätzliche Mittel handelt. Lediglich 70 Millionen Euro, nämlich jeweils 35 Millionen Euro aus den Einzelplänen 16 und 23, können als echte zusätzliche Mittel gelten, wofür die Minister ja auch hart kämpfen mussten. Meine Frage ist nun: Stimmt es, dass ausländische Botschaften sehr besorgt sind und sich bei Ihnen - vermutlich auch beim BMU - erkundigt haben, was nun aus den versprochenen zusätzlichen 35 Millionen Euro in den beiden Einzelplänen wird? Was glauben Sie, wie sich die Reduzierung der vorgesehenen Haushaltsmittel auf null auf das Verhältnis von Deutschland zu wichtigen Handelspartnern und Partnern in der internationalen Klimapolitik auswirken wird? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Ott, vor Haushaltsaufstellung und auch in der Phase des Diskutierens über das Geld gibt es sehr viele Anfragen, werden viele Besorgnisse ausgedrückt. Aber seien Sie versichert, dass das BMZ von sich aus gerne sämtliche Zusagen erfüllen möchte, sich auch in der Pflicht sieht, das zu tun. Sie haben recht mit Ihrer Annahme, dass der Kampf um die Mittel vor dem Hintergrund der allgemeinen Finanzknappheit und der notwendigen Schuldenrückführung natürlich sehr hart ist. Er wurde und wird aber geführt. Ich sage Ihnen noch einmal: Wir setzen alles daran, diese Verpflichtungen und die Zusagen zu erfüllen. Es gibt im Augenblick noch keinen Grund, übermäßig besorgt zu sein. Ich kann Ihnen noch einmal versichern: Wenn der Haushalt dem Parlament zugeleitet ist, dann werden Sie einzelne Ansätze und auch die jeweiligen Zuweisungen sehr gerne und sehr detailliert mitgeteilt bekommen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Danke schön. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zur Beantwortung der Fragen steht die Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verfügung. Die Fragen 15 und 16 der Kollegin Ulla Schmidt werden schriftlich beantwortet. Das gilt ebenso für die Frage 17 der Kollegin Edelgard Bulmahn und die Frage 18 des Kollegen Hans-Christian Ströbele. Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Franz Thönnes auf: Welche Auffassung hat die Bundesregierung zu der in der Tageszeitung Der Nordschleswiger vom 26. Juni 2010 gegenüber der Tageszeitung Flensborg Avis wiedergegebenen Einschätzung der dänischen Außenministerin Lene Espersen zu den von den Regierungen in Berlin und Kiel geplanten Kürzungen von Zuschüssen für die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein und die deutsche Minderheit in Dänemark, wonach sie besorgt sei "wegen der schiefen Entwicklung" bei den Zuschüssen für beide Minderheiten, von denen Dänemark inzwischen 70 Prozent aller Zuschüsse für beide Minderheiten leistet, und kann die Bundesregierung bestätigen, dass sich diese Prozentzahl von einem einstmals zwischen beiden Ländern gleichgewichtigen Zuschussverhältnis nun auf die genannte Prozentzahl entwickeln wird, wenn es bei den beabsichtigten Kürzungen bleibt? Bitte schön, Frau Staatsministerin. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Abgeordneter Thönnes, ich möchte seitens der Bundesregierung erst einmal zum Ausdruck bringen, dass wir uns freuen, dass Sie sich dafür einsetzen, dass Bildungsinvestitionen gesteigert werden. Das ist ja auch die Politik der Bundesregierung, und das werden wir bei den bevorstehenden Haushaltsberatungen vornehmen. Zur Förderung der deutschen Minderheit in Dänemark, nach der Sie in Ihrer Frage ja gefragt haben. Die Förderung mit Bundesmitteln ist seit über zehn Jahren nominell gleich. Für 2009 und 2010 wurde sogar ein Sonderzuschuss vereinbart. Daran können Sie erkennen, dass die Bundesregierung hier auch aktiv geworden ist. Nun im Konkreten zu Ihrer Frage. Die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein erhält eine finanzielle Förderung sowohl vom Land Schleswig-Holstein und seinen kommunalen Strukturen als auch vom Königreich Dänemark und der Bundesrepublik Deutschland, die ich ja gerade nannte. Die deutsche Minderheit im dänischen Nordschleswig erhält ebenso eine finanzielle Förderung, und zwar sowohl vom Königreich Dänemark und seinen Belegenheitskommunen als auch von der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Schleswig-Holstein. Im Einzelnen ist das Geflecht der gegenseitigen Fördermaßnahmen sehr vielschichtig und kompliziert. Valide Zahlen über die tatsächlichen Einsparergebnisse können heute noch nicht genannt werden, da die entsprechenden Haushalte noch nicht abschließend beraten wurden. Nach den Vorschlägen der Haushaltsstrukturkommission ist vorgesehen, dass die Zuschüsse vom Doppelhaushalt 2011/2012 an auf 85 Prozent des Schülerkostensatzes an staatlichen Schulen sinken. Die anderen Schulen in freier Trägerschaft erhalten einen Zuschuss in Höhe von 80 Prozent. Damit liegen wir in absoluten Zahlen jedoch noch immer über dem Niveau von 2007. Ähnliche Einsparungen hat im Übrigen auch der dänische Staat für die deutsche Minderheit in Dänemark angekündigt. Ich will Ihnen das auch gerne konkret sagen: Die Schulen der deutschen Minderheit sind, wie Sie wissen, als Privatschulen organisiert. Die dänische Regierung kürzt den Zuschuss an Privatschulen von 75 Prozent auf 71 Prozent der in öffentlichen Schulen entstehenden Kosten. Hinzu kommt, dass die dänische Regierung durch die Zusammenlegung öffentlicher Schulen größere Einsparungen erzielen will. Sie sehen: Auch dort muss aus den Ihnen bekannten Gründen gespart werden. Die Bundesregierung kann die Einschätzung der dänischen Außenministerin Lene Espersen, wonach es zu einer "schiefen Entwicklung" bei den Zuschüssen für beide Minderheiten gekommen sei, nicht bestätigen. Die Angehörigen der Minderheiten sind Staatsangehörige des Staates, in dem sie leben. Sie nehmen einerseits staatliche Leistungen in Anspruch, zum Beispiel im Sozial- und Kulturbereich, und tragen andererseits durch Steuern und Abgaben zu deren Finanzierung bei. Darüber hinaus benötigen die Minderheiten weitere Leistungen, die durch ihre spezifischen und zum Teil unterschiedlichen kulturellen und sozialen Bedürfnisse und durch die Anzahl ihrer Mitglieder, ihren Altersaufbau und ihre Siedlungsstruktur bedingt sind. Die entsprechenden zusätzlichen Aufwendungen werden zu einem bedeutenden Anteil vom jeweils anderen Staat getragen. Angesichts der sowohl in Dänemark als auch in Deutschland anzutreffenden horizontalen und vertikalen Aufteilung der materiellen und Finanzierungskompetenzen nehmen beide Minderheiten eine Vielzahl von Leistungen beider Staaten in Anspruch. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Thönnes, bitte schön. Franz Thönnes (SPD): Schönen Dank, Frau Staatsministerin, für die einleitenden Bemerkungen. - Aber auch wenn Sie sagen, dass man sich bemüht, bei den Bildungsausgaben nicht zu sparen, also seitens der Bundesebene nicht zu kürzen - wir reden über Kürzungen; das ist kein Sparen; beim Sparen legt man etwas auf die Seite und hofft, dass es mehr wird -, so sind Kürzungen seitens der schleswig-holsteinischen Landesregierung in Aussicht gestellt. Das haben Sie in Teilbereichen auch in Bezug auf die dänische Regierung dargelegt. Gleichwohl hat Frau Espersen dies bei dem Gespräch mit Herrn Außenminister Westerwelle vorgetragen und sich hinsichtlich der Schieflage schon besorgt gezeigt. Selbst wenn sich das Verhältnis bei der Leistung der Zuschüsse nicht in der Form entwickelt, wie es in der Grenzregion befürchtet wird und wie es auch seitens Dänemarks gesehen wird - Dänemark trägt demnächst 70 Prozent der Kosten und Deutschland, die große Wirtschaftsnation, nur 30 Prozent; wodurch sich das bisherige Gleichgewicht, die Symmetrie, verschieben würde -: Würden Sie bestätigen, dass bei den beabsichtigten Kürzungen am Ende kein 50 : 50-Verhältnis bei den Beträgen herauskommt? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich will erst einmal festhalten, dass ich, wie Sie wissen, nicht für die schleswig-holsteinische Regierung sprechen kann. Es gibt die Kulturhoheit der Länder. Das heißt, die Prioritätensetzung im Haushalt - auch im Bildungsbereich, auch mit Blick auf die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein - ist Aufgabe und Pflicht der Landesregierung in Schleswig-Holstein, und es ist Aufgabe der Opposition dort, darüber zu beraten. Die Sparmaßnahmen fallen, wie gesagt, in die Kompetenz des Landes Schleswig-Holstein. Die Bundesregierung begrüßt allerdings auch die Initiative des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen, der mit der dänischen Regierung und Vertretern der dänischen Minderheit zu dem Thema, das Sie angeführt haben, Gespräche führt. Der Ministerpräsident beabsichtigt ferner - so ist mir bekannt -, im Juli 2010 nach Kopenhagen zu reisen und dort Gespräche mit Vertretern der dänischen Regierung zu führen. Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Herr Staatssekretär Dr. Bergner, den Sie auch kennen, wird seinerseits am 10. August dieses Jahres zu Gesprächen nach Kopenhagen reisen und dieses Thema noch einmal aufgreifen. Ich darf Ihnen auch zur Kenntnis geben - wenn Sie es nicht schon wissen -, dass sich der Ministerpräsident Herr Carstensen und der dänische Regierungschef, Lars Lökke Rasmussen, in einem Telefonat am 29. Juni darauf verständigt haben, in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe die finanziellen Grundlagen der Minderheiten, auch der Minderheitenschulen, auf beiden Seiten der Grenze zu dokumentieren. Ich glaube, das alles sind Signale, die man positiv aufnehmen kann, weil sie zeigen, dass man im Gespräch ist und die Probleme klären will. Von daher geht das, glaube ich, in die richtige Richtung. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Eine weitere Nachfrage, Herr Kollege Thönnes. Franz Thönnes (SPD): Frau Staatsministerin, wenn hier beschrieben wird, wer jetzt alles auf Reisen geht, dann könnte man ja auf den Gedanken kommen, dass es vielleicht sinnvoller gewesen wäre, diese Gespräche vorher zu führen, und zwar bevor man dazu beiträgt, dass an die 14 000 Eltern und Schüler im Norden Deutschlands, die Sie vorhin als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler beschrieben haben, die deutsche Staatsbürger sind, aber zur dänischen Minderheit gehören, für eine Gleichbehandlung mit den anderen deutschen Schülerinnen und Schülern demonstrieren. Dann hätte man sich das alles ersparen können. Jetzt fängt eine Diplomatie an, sozusagen um den Schaden zu begrenzen, den man selbst herbeigeführt hat. Dazu muss ich dann einmal - auch wenn Sie sich zu Recht auf die Kulturhoheit der Länder berufen - die Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 in Erinnerung rufen - die Richtschnur dafür, wie man mit den Minderheiten in der Grenzregion umgehen soll und wie auch die Minderheiten miteinander umgehen sollen -, die damals von dem christdemokratischen Bundeskanzler Adenauer und auf der dänischen Seite von Ministerpräsident Hansen unterschrieben worden sind. Es muss einen doch verwundern, dass eine christdemokratische Landesregierung diese Schieflage auslöst und dann in eine vielfältige diplomatische Reisetätigkeit verfällt und versucht, den Schaden wieder rückgängig zu machen. Die dänische Außenministerin hat das in Berlin dem deutschen Außenminister vorgetragen. Die Bundesregierung ist von daher durchaus angesprochen und muss versuchen, das zu wahren, was 1955 vereinbart worden ist. Insofern lautet meine Frage: Wenn sich gar die dänische Außenministerin und die dänische Regierung darüber Sorgen machen, was tut denn dann unsere Regierung in Berlin unter Führung der christdemokratischen Bundeskanzlerin Frau Merkel in dieser Angelegenheit, damit vor dem Hintergrund der beabsichtigten Kürzungsmaßnahmen kein Misstrauen entsteht und etwas Falsches in die Bonn-Kopenhagener Erklärungen hineininterpretiert werden kann? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Abgeordneter, ich will als Erstes für die Bundesregierung zum Ausdruck bringen, dass uns sehr viel an den Bonn-Kopenhagener Erklärungen vom 29. März 1955 liegt und dass wir sie auch weiterhin mit Leben ausfüllen und mit konkreten Maßnahmen nicht nur im Bildungsbereich umsetzen werden. In diesem Zusammenhang möchte ich auf Frage 20 eingehen, Herr Präsident. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Dann rufe ich die Frage 20 des Abgeordneten Franz Thönnes auf: Wie bewertet die Bundesregierung die aus einer derartigen Verschiebung heraus resultierende Gefährdung des inzwischen nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Bonn-Kopenhagener Erklärungen entstandenen guten Zusammenlebens und des Miteinanders der jeweiligen Minderheiten innerhalb und mit den Gesellschaften auf dänischer und deutscher Seite, und wie stellt sie sich zu der Aussage der dänischen Außenministerin: "Das Ungleichgewicht darf nicht weiter zunehmen", wie sie in der Tageszeitung Der Nordschleswiger vom 26. Juni 2010 wiedergeben wird? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Wie Sie wissen, waren die angekündigten Kürzungen der schleswig-holsteinischen Landesregierung bei der dänischen Minderheit eines der Themen der bilateralen außenpolitischen Konsultationen, die am 1. Juni dieses Jahres zwischen Deutschland und Dänemark stattgefunden haben. Bundesaußenminister Westerwelle hat seine dänische Kollegin Lene Espersen getroffen. Beide betonten in der nachfolgend stattfindenden Pressekonferenz übereinstimmend, dass sie vertrauensvolle und partnerschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Ländern fortsetzen werden, die sich zur vollen Zufriedenheit entwickeln. Ich kann aus diesen Erklärungen der beiden Außenminister nicht erkennen, dass es aus diesem Grund, wegen der Sparmaßnahmen, zu irgendwelchen Spannungen beider Länder gekommen ist. Ich finde es sehr wichtig, dass wir in der Außen- und Europapolitik auf Kooperation und Dialog statt auf Konfrontation setzen, wenn man schwierige Zeiten erlebt und die öffentlichen Haushalte konsolidieren muss. Dies betrifft nicht nur Deutschland und Dänemark, sondern es ist aufgrund der Euro-Krise in ganz Europa notwendig. Von daher will ich das nicht überhöhen, sondern sage ganz klar: Es sind weiterhin im Bildungsbereich Prioritäten zu setzen. Die Maßnahmen, die die schleswig-holsteinische Regierung zur Konsolidierung des Haushaltes vornehmen musste, sind nicht schön, aber sie waren wahrscheinlich notwendig, um die Zukunft der nächsten Generation gerade auch bei Bildungs- und Sozialmaßnahmen zu sichern. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Thönnes hat eine Nachfrage. Franz Thönnes (SPD): Wenn Sie jetzt die Kürzungen als nicht schön, aber notwendig bezeichnen, Frau Staatsministerin, frage ich Sie: Was soll dann die Arbeitsgruppe, die jetzt eingerichtet wird? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich glaube, Herr Abgeordneter, dass Sie die falsche Regierung fragen. Sie richten die Frage an die Bundesregierung, aber es handelt sich um eine Arbeitsgruppe der Landesregierung. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich bei den Abgeordneten des Landtages von Schleswig-Holstein und der dortigen Regierung auf dem Laufenden zu halten. Ich glaube, dass die Gespräche in der Arbeitsgruppe sehr fruchtbringend sein werden. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Rossmann, bitte. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Frau Staatsministerin, die bedeutenden Erklärungen heißen nicht Kiel-Kopenhagener Erklärungen, sondern Bonn-Kopenhagener Erklärungen bzw. Berlin-Kopenhagener Erklärungen, wie es jetzt heißen müsste. Deshalb habe ich eine Nachfrage in Verbindung mit einem Zitat des schleswig-holsteinischen CDU-Fraktionsvorsitzenden, Herrn von Boetticher, der sich über die "Erschütterungen bis Kopenhagen und Berlin" überrascht zeigte. Sie stehen hier so unerschütterlich. Was sind die Erschütterungen, die Herr von Boetticher in Bezug auf die Treuhänderschaft Ihrer Bundesregierung für das gute Verhältnis zwischen deutscher und dänischer Minderheit in den beiden Staaten gemeint haben könnte? Andersherum gefragt: In welcher Weise wollen Sie Ihre Treuhänderschaft für die Einlösung der Bonn/Berlin-Kopenhagener Erklärungen aktiv wahrnehmen? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen im Rahmen meiner Kompetenzen für die Bundesregierung nur sagen, dass das Bundesaußenministerium und ich alles daransetzen werden, um auch in dem Bereich der auswärtigen Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik unsere Zusammenarbeit mit Dänemark zu verstärken. Wir wollen gerne die deutsche Minderheit in Dänemark, aber auch die dänische Minderheit in Deutschland bei diesen Programmen berücksichtigen. Das liegt in der Kompetenz der Bundesregierung. Alles Weitere ist auf der Ebene der Landesregierung zu klären. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Eine weitere Nachfrage des Kollegen Thönnes, bitte. Franz Thönnes (SPD): Können Sie nicht verstehen, dass bei Menschen, die zur dänischen Minderheit gehören und Steuerzahler wie alle anderen deutschen Staatsbürger auch sind, Unruhe entsteht, sie Ärger und ein Stück weit Wut empfinden, wenn für die Schulen ihrer Kinder nur 85 Prozent gezahlt werden sollen, für alle anderen Schulen der Kinder deutscher Staatsbürger aber 100 Prozent? Denn sie werden dadurch anders behandelt, nur weil sie der dänischen Minderheit angehören. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Abgeordneter Thönnes, ich kann durchaus den Ärger und auch die Enttäuschung einiger Eltern der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein verstehen. Ich selbst habe bisher nicht mit der dänischen Minderheit gesprochen. Ich bin gern bereit, das im Rahmen meiner Möglichkeiten zu tun. Ich bitte Sie aber, zu berücksichtigen, dass es nicht nur die Eltern von Kindern der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein trifft, sondern dass ebenso die Mittel für die Förderung der deutschen Minderheit in Dänemark herabgesetzt worden sind. Das habe ich in meinen anfänglichen Ausführungen gesagt. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, das Thema Bildungsinvestitionen unabhängig von Glauben, Geschlecht und Herkunft weiterhin im Fokus zu behalten und darauf zu achten, dass es keine weiteren Kürzungen gibt. Ich kann bekräftigen, dass die Bundesregierung alles daransetzen wird, dies zu tun. Das wird sich auch im Haushalt 2011 niederschlagen. Ich bitte Sie, als Opposition im Landtag von Schleswig-Holstein Ihre Forderungen an die Landesregierung zu stellen. Das ist der richtige Ort, weil das Land Schleswig-Holstein die Kulturhoheit und somit auch die Hoheit über die Bildung hat. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zu der Frage 21 des Kollegen Sönke Rix: Steht nach Auffassung der Bundesregierung die Entscheidung der Landesregierung Schleswig-Holstein, wonach die öffentlichen Mittel für das Schulwesen der dänischen Minderheit ab 2011 von 100 Prozent auf 85 Prozent der Durchschnittskosten für Schüler an öffentlichen Schulen reduziert werden sollen, in Übereinstimmung mit dem am 29. März 1955 vom damaligen Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer im Rahmen der Bonn-Kopenhagener Erklärungen unterzeichneten Text, insbesondere der Einleitung, Kap. I Nr. 12 und Kap. II Nr. 3, und wie bewertet die Bundesregierung diese Entscheidung sowie deren Wirkungen in Bezug auf die deutschen Verantwortlichkeiten aus den Bonn-Kopenhagener Erklärungen? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rix, Ihre Fragen sind ähnlich gelagert. Die angesprochenen Sparmaßnahmen für das Schulwesen der dänischen Minderheit - das sage ich noch einmal - fallen in die Kompetenz der Landesregierung und werden von der Bundesregierung nicht kommentiert. Ähnliche Einsparungen hat im Übrigen auch der dänische Staat für die deutsche Minderheit in Dänemark angekündigt. Die Maßnahmen sind Teil der Konsolidierungsmaßnahmen der staatlichen Haushalte beiderseits der deutsch-dänischen Grenze. Nur wenn diese Maßnahmen den gewünschten Erfolg erzielen, kann die Förderung der beiden Minderheiten auf Dauer sichergestellt werden. Ich glaube, das ist ein wichtiger Aspekt, den man berücksichtigen muss. Sie verstoßen aus Sicht der Bundesregierung nicht gegen das in den Bonn-Kopenhagener Erklärungen niedergelegte Recht auf Gleichbehandlung, sondern dienen vielmehr im Sinne einer solidarischen Beteiligung dem dauerhaften Erhalt der beiden Minderheiten. Im Übrigen möchte ich auf die Antwort der schleswig-holsteinischen Landesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Rasmus Andresen von Bündnis 90/Die Grünen zu "Geplanten Sparmaßnahmen bei den Schulen der dänischen Minderheit" Drucksache 17/614 verweisen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Rix, bitte. Sönke Rix (SPD): Vor dem Hintergrund, dass wahrscheinlich 22 Schu-len geschlossen werden, geht es nun doch um Kürzungen auch im Bildungsbereich. Sie haben gerade selber angesprochen, dass anscheinend eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden soll, in der die Fragen der dänischen Minderheit, aber auch der deutschen Minderheit geklärt werden sollen. Denn dort soll es auch vonseiten der Bundesregierung zu Kürzungen kommen. Meine Frage lautet: Werden Sie darauf Wert legen, als Bundesregierung an diesen Gesprächen teilzunehmen? Oder werden Sie sagen: "Nein, auch wenn es die Bonn-Kopenhagener Erklärungen betrifft, wollen wir dabei nicht mitreden"? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, auch als frühere Bildungs- und Wissenschaftspolitikerin nicht, dass ich mir schon mehr Kooperation des Bundes mit den Ländern in Fragen von Bildung, Wissenschaft und Hochschulen wünsche. Dazu haben wir in einigen Punkten auch als Bundesregierung beigetragen. Hier denke ich zum Beispiel an den Hochschulpakt oder die Exzellenzinitiative. Ich selbst bin nicht Mitglied der Arbeitsgruppe der Landesregierung Schleswig-Holstein und der dänischen Regierung. Daher kann ich Ihnen auch nicht verbindlich sagen, dass sich aus den angekündigten - noch nicht einmal beschlossenen - Kürzungen im schleswig-holsteinischen Haushalt die Schließung von 22 Schulen ergibt. Ich kann Sie nur bitten, auch als Opposition im Landtag von Schleswig-Holstein alles daranzusetzen - so wie wir es auch hier von der Bundesregierung leisten -, dass es keine Kürzung im Bildungsbereich und keine Schließung von Schulen gibt. (Zuruf von der FDP: Genau!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Es gibt eine weitere Nachfrage des Kollegen Rix, bitte. Sönke Rix (SPD): Danke. - Wir werden unserer Aufgabe als Opposition im schleswig-holsteinischen Landtag nachkommen und in diesem Zusammenhang auch auf Sie und diese Anregung der Bundesregierung verweisen. Herzlichen Dank! Lassen Sie mich noch einmal zur Zusammensetzung der Arbeitsgruppe kommen. Da es schon öffentliche Irritationen - denken Sie an die Äußerungen der Außenministerin - gegeben hat, möchte ich noch einmal nachfragen, ob denn neben den angekündigten Gesprächen auch weiterhin versucht wird, gemeinsam mit Landesregierung und dänischer Regierung zu Dreiergesprächen zu kommen, damit es hier nicht wieder ein Pingpongspiel gibt, wie wir es leider auch ein bisschen erleben müssen. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich muss noch einmal nachfragen. "Dreiergespräche" heißt für Sie was? Sönke Rix (SPD): Land, Bund und dänische Regierung. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Aufgrund der derzeit bestehenden grundgesetzlichen Vorschriften, die wir natürlich einhalten werden - ich sage noch einmal: Der Bund hat keine Hoheit, was die Schulen und die Bildung in den Ländern anbelangt -, sehe ich keine Möglichkeit, auf die Arbeit einer solchen Arbeitsgruppe einer Landesregierung Einfluss zu nehmen. Sie können aber davon ausgehen, dass die Bundesregierung alles daransetzen wird, in Gesprächen mit der schleswig-holsteinischen Landesregierung darauf hinzuwirken, dass es zu keinen weiteren Kürzungen im Schulbereich kommt. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Rossmann, bitte. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Frau Staatsministerin, das, was dort im deutsch-dänischen Grenzland - mittlerweile ist es fast kein Grenzland mehr - gewachsen ist, hat ungemein viel mit Vertrauen und einem fairen, vorweg informierenden Umgehen miteinander zu tun. Das setzt auch bestimmte Standards in Bezug auf finanzielle Anpassungen und Restriktionen, die gegebenenfalls kommen. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Welchen Standard erlegt die Bundesregierung sich, wenn sie zu solchen finanziellen Klärungen kommt, in Bezug auf einen vertrauensvollen Umgang mit den Partnern auf der dänischen Seite oder auf der Seite der deutschen Minderheit auf? Und sehen Sie das, was in Schleswig-Holstein passiert ist - dort hat das Handeln der CDU/FDP-Landesregierung zu gravierender Empörung geführt -, als vorbildhaft in Bezug auf einen solchen vertrauensvollen Umgang auch in Zeiten enger finanzieller Verhältnisse an? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rossmann, ich kann auf Ihre Frage nur antworten, dass die Bundesregierung, insbesondere der Außenminister, ein sehr vertrauensvolles und enges Verhältnis zur dänischen Außenministerin hat und dass wir diesen Kontakt auch in regelmäßigen Gesprächen, Treffen und Vorhaben umsetzen werden. Wenn Sie mich nach Standards fragen: Ich halte es für einen sehr hohen Standard - auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern -, wie wir die Kontakte und die Regierungsgespräche mit Dänemark pflegen. Zu dem zweiten Teil Ihrer Frage will ich Folgendes ausführen: Einerseits - das sagte ich auch schon - kann ich verstehen, dass die Eltern von Kindern der dänischen Minderheit verärgert sind. Die andere Seite ist, dass ein Land wie Schleswig-Holstein in Zeiten der Konsolidierung der Haushalte, in Zeiten, in denen - auch unter vorhergehenden Regierungen - hohe Schulden angehäuft worden sind, in die Zwangslage versetzt ist, zu sparen. Auch das ist im Interesse der zukünftigen Generationen. Auch das ist im Interesse der dänischen Minderheit. Denn wenn man jetzt nicht die Schulden abbaut und die Haushalte konsolidiert, dann wird man sich zukünftig keine weiteren Bildungs- und Sozialausgaben für die dänische Minderheit leisten können. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sehr richtig!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Danke schön. - Ich rufe Frage 22 des Kollegen Rix auf: Entspricht nach Auffassung der Bundesregierung die in Frage 21 genannte Entscheidung der schleswig-holsteinischen Landesregierung den von der Bundesregierung im Vierten Monitoringbericht der Bundesrepublik Deutschland 2010 unterstrichenen minderheitenpolitischen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Europarat mit der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten und der Sprachencharta? Frau Pieper, bitte. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rix, die Bundesregierung kommentiert, wie in der Antwort auf Ihre vorhergehende Frage bereits festgestellt, die Entscheidung der schleswig-holsteinischen Landesregierung nicht. Ich glaube, das ist auch in meinen bisherigen Äußerungen zum Ausdruck gekommen. Die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Europarat sieht sie durch die Entscheidung des Landes nicht berührt. Die Notwendigkeit der Einsparungen wird im Zuge der Monitoringverfahren zu den beiden europarechtlichen Abkommen "Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten" und "Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen" mit den Vertretern der entsprechenden beratenden Ausschüsse erörtert werden. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Eine Nachfrage. Bitte, Kollege Rix. Sönke Rix (SPD): Vielen Dank. - Für mich stellt sich die Frage, wie für Modellregionen auf europäischer Ebene weiterhin geworben werden soll, auch von der Bundesregierung. Wenn Sie schon nicht kommentieren, was die Landesregierung von Schleswig-Holstein tut, dann müssen Sie, zumindest was die deutsche Minderheit in Dänemark angeht, handeln. Dabei stellt sich schon die Frage, wie die Bundesregierung auf europäischer Ebene weiterhin den Vorbildcharakter aufrechterhalten will, wenn sie selbst in diesem Bereich kürzen möchte. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich habe Ihnen zum Ausdruck gebracht, dass die Bundesregierung gerade nicht kürzt, sondern dass die Förderung mit Bundesmitteln seit über zehn Jahren nominal gleich ist, was ein gutes Signal ist. Man kann auch auf europäischer Ebene noch viel mehr machen, was grenzüberschreitende Regionen angeht. Die Bundesregierung fühlt sich dazu verpflichtet, da mehr zu tun, etwa Vorschläge, die von der dänischen Seite gemacht werden, positiv aufzugreifen und diese Vorschläge auf europäischer Ebene gemeinsam umzusetzen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Eine Nachfrage des Kollegen Thönnes. Franz Thönnes (SPD): Frau Staatsministerin, im dem Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten und in der Sprachencharta heißt es: Jede Person, die einer nationalen Minderheit angehört, hat das Recht ... auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf gleichen Schutz durch das Gesetz ... In dieser Hinsicht ist jede Diskriminierung aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit verboten. ... Die Vertragsparteien verpflichten sich, die Bedingungen zu fördern, die es Angehörigen nationaler Minderheiten ermöglichen, ihre Kultur zu pflegen und weiterzuentwickeln und die wesentlichen Bestandteile ihrer Identität, nämlich ihre Religion, ihre Sprache, ihre Traditionen und ihr kulturelles Erbe, zu bewahren. Wie will die Bundesregierung die ungleiche Finanzierung und damit die minderheitenbegründete unterschiedliche Behandlung bei der Schulfinanzierung gegenüber dem Europarat rechtfertigen? Habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass die Bundesregierung in Bezug auf die deutsche Minderheit in Dänemark keine Kürzungen beabsichtigt? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Das ist richtig. Ich kann es Ihnen noch einmal vorlesen - ich habe es extra noch einmal geprüft -: Die Förderung mit Bundesmitteln wird nicht nur in diesem Jahr, sondern soll auch im nächsten Jahr nominal gleich bleiben. In den vergangenen beiden Jahren gab es sogar noch einen Sonderzuschuss von der Bundesregierung. (Franz Thönnes [SPD]: Können Sie den ersten Teil der Frage nach der ungleichen Finanzierung vielleicht auch noch beantworten?) - Das mache ich sehr gerne, sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich sehe aber keine Diskriminierung der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein aufgrund der jetzt angesetzten Haushaltsberatungen in Verbindung mit den Kürzungen im Schulbereich. Ich halte sowohl die dänische Minderheit in Deutschland als auch die deutsche Minderheit in Dänemark immer noch für in hohem Maße gefördert, gerade im Bildungsbereich. Ich gehe davon aus, dass es keine Benachteiligung geben wird. Außerdem erwähnte ich schon in meinen vorhergehenden Antworten, dass es außer der Förderung im Bildungsbereich andere Zuschüsse für sozial schwache Familien gibt, die die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein in Anspruch nehmen kann. Franz Thönnes (SPD): Darf ich eine kurze Nachfrage stellen, Herr Präsident? - Aufgrund der Kürzungen, die die schleswig-holsteinische Landesregierung plant, müssen von 48 Schulen wahrscheinlich 22 geschlossen werden, und aufgrund der Kürzungen, die die Bundesregierung betreffend die deutsche Minderheit in Dänemark plant, müssen, wenn sie denn stattfinden - Sie haben das gerade verneint -, 40 bis 50 Mitarbeiter entlassen werden. Dazu sagen Sie, das sei keine Benachteiligung der Minderheiten in der Grenzregion. Finden Sie das nicht ein bisschen verwunderlich? Saugen sich die Menschen und die Verbände, die dort demonstrieren, diese Zahlen aus den Fingern, und unterstellen sie der schleswig-holsteinischen Landesregierung sowie der Bundesregierung vielleicht nur etwas Böses? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Nein, Herr Abgeordneter. Ich habe es jetzt schon mehrmals gesagt: Ich habe größtes Verständnis für die Demonstrierenden, für die dänische Minderheit, die sich natürlich dafür einsetzen, dass es höhere Zuschüsse gibt, auch für die Schulen ihrer Kinder. Aber - ich kann es nur immer wieder sagen - Sie sollten die Diskussion, die eigentlich im Landtag Schleswig-Holstein zu führen ist, nicht in den Deutschen Bundestag verlagern und nicht versuchen, die Verantwortung der Bundesregierung zuzuschieben. Wir sind unserer Verpflichtung, auch gegenüber der deutschen Minderheit in Dänemark, bisher immer herausragend nachgekommen. Im Übrigen darf ich Sie noch einmal daran erinnern - ich brauche es wahrscheinlich gar nicht zu tun -, dass letztendlich der Deutsche Bundestag über den Bundeshaushalt entscheidet und Sie es damit in der Hand haben, dafür zu sorgen, dass die Förderung weiterhin auf hohem Niveau stattfindet. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen damit zu den beiden Fragen der Kollegin Bettina Hagedorn zur gleichen Thematik. Zunächst die Frage 23: Sind die im Nachgang des Treffens zwischen der Außenministerin des Königreichs Dänemark, Lene Espersen, und dem Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, am 1. Juni 2010 im Auswärtigen Amt in Berlin, bei dem auch über die seitens der schleswig-holsteinischen Landesregierung geplanten Kürzungen der Zuschüsse an die dänischen Schulen im Landesteil Schleswig in Höhe von 4,7 Millionen Euro jährlich gesprochen wurde, wiedergegebenen Zitate in der Ausgabe der Tageszeitung Der Nordschleswiger vom 2. Juni 2010 zutreffend, wonach die dänische Außenministerin erklärte: "Ich habe diese Frage angerissen ... Mein Amtskollege will Kontakt zur Landesregierung aufnehmen, welche Konsequenzen das hat", und der deutsche Bundesminister entgegnete: "Ich kann bestätigen, was meine Amtskollegin gesagt hat. Selbstverständlich gehört es sich so, dass ich mir diese Sache jetzt noch einmal genau ansehen werde", und hat der Bundesminister Dr. Guido Westerwelle sich inzwischen diese Sache noch einmal genau angesehen und wann mit wem in der schleswig-holsteinischen Landesregierung mit welchem Ergebnis gesprochen? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Abgeordnete Hagedorn, hier wiederholt sich das Thema. Die Bundesregierung setzt sich für den ständigen bilateralen Dialog zwischen Deutschland und Dänemark auf allen Ebenen ein. Die geplanten Kürzungen fallen in die Kompetenz des Landes Schleswig-Holstein. Daher begrüßt die Bundesregierung die Initiative des Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen, mit der dänischen Regierung und den Vertretern der dänischen Minderheit Gespräche zu führen. Ministerpräsident Carstensen und der dänische Regierungschef Lars Løkke Rasmussen haben sich auch schon darüber verständigt, in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe die finanziellen Grundlagen der Minderheitenschulen auf beiden Seiten der Grenze dokumentieren zu lassen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Bitte schön, Frau Kollegin. Bettina Hagedorn (SPD): Danke für Ihre Antwort, die aber, wenn ich das so sagen darf, meine Frage leider nicht beantwortet hat. Bei meiner Frage ging es konkret darum, dass es ein Treffen zwischen unserem Außenminister und der Außenministerin Dänemarks gegeben hat, bei dem konkrete Verabredungen getroffen worden sind. Das hat die dänische Außenministerin so bestätigt. Das ist so auch den Medien zu entnehmen gewesen. Dem ist seitens unseres Außenministers wohl auch so zugestimmt worden. Allerdings warten wir und wartet vor allen Dingen die Außenministerin Dänemarks ganz offenkundig auf Taten. Bei dem Treffen ging es darum, dass die Bundesregierung gerade aufgrund der vertraglichen Grundlagen, die nationale Grundlagen sind, ihren Einfluss geltend zu machen versucht und sich im Dialog mit der schleswig-holsteinischen Landesregierung dafür einsetzt, dass die massiven Kürzungen zulasten der Minderheiten rückgängig gemacht werden. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: In der Tat gehört zu den getroffenen Maßnahmen, dass diese Arbeitsgruppe von der schleswig-holsteinischen Landesregierung und der dänischen Regierung eingesetzt wurde. Ich kann Ihnen aber auch sagen, Frau Abgeordnete, dass der Außenminister, Herr Dr. Westerwelle, über den Leiter der Europaabteilung des Auswärtigen Amtes mit dem Chef der Staatskanzlei Schleswig-Holsteins hat Kontakt aufnehmen lassen und das angesprochen hat, was ihm und der dänischen Außenministerin am Herzen gelegen hat. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Weitere Nachfrage? - Bitte schön. Bettina Hagedorn (SPD): Es ist schön, dass wir auf diesem Wege erfahren, dass er hat Kontakt aufnehmen lassen. Angesichts der Irritation, die zwischen den beiden Staaten erwachsen ist, hätte man sich allerdings wünschen und vorstellen können, dass es der Außenminister zu seiner persönlichen Sache macht, hier den Kontakt aufzunehmen. Wichtig wäre jetzt schon, zu wissen: Wann ist dieser Kontakt aufgenommen worden und mit welchem Erfolg? Sind weitere Gespräche verabredet worden, um, weil die Zeit ja drängt, am Ball zu bleiben? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Es ist ja verständlich, dass der deutsche Bundesaußenminister auf der Ebene der Außenminister Kommunikation pflegt und den Dialog auch sehr intensiv führt. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist bekannt!) So ist das auch bei unserem Außenminister, Herrn Dr. Westerwelle. Es war, wie ich glaube, richtig, noch einmal bei der schleswig-holsteinischen Staatskanzlei nachzuhaken und dort auch die Bitte des deutschen Außenministers in der Frage der dänischen Minderheit vorzutragen. Ich will aber ausdrücklich sagen: Ich selber war nicht bei dem Gespräch dabei; ich habe es nur zur Kenntnis genommen. Ich reiche Ihnen aber gerne das Datum des Gesprächs nach. Das habe ich jetzt nicht im Kopf. Ich will mich sehr bemühen, Frau Abgeordnete, Ihnen alle Details, die Sie wünschen, zur Kenntnis zu geben. Ich kann nur betonen, dass der Bundesregierung und insbesondere mir sehr viel daran liegt, dass wir zukünftig gerade auch bei den Bildungsinvestitionen in Deutschland vorankommen. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Damit kommen wir zur Frage 24 der Kollegin Hagedorn: Warum wird auf der Homepage des Auswärtigen Amts nicht genauso wie auf der Homepage des dänischen Außenministeriums über die Inhalte des Treffens vom 1. Juni 2010 zwischen dem Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, und der dänischen Außenministerin Lene Espersen mit Bezug auf die Gesprächsinhalte unter anderem auch berichtet, dass der deutsche Bundesminister bezüglich der von der schleswig-holsteinischen Landesregierung geplanten Kürzungen der Zuschüsse an die dänischen Schulen im Landesteil Schleswig in Höhe von 4,7 Millionen Euro mit der Regierung in Schleswig-Holstein Kontakt aufnehmen will, und kann daraus geschlossen werden, dass, wenn nur über die anderen Gesprächsinhalte wie Afghanistan und den Vorfall vor der Küste des Gaza auf der deutschen Homepage berichtet wird, das Thema der geplanten Kürzungen der Zuschüsse an die dänischen Schulen einen für die Bundesregierung geringeren Stellenwert als den auf der dänischen Seite hat oder ihr weniger berichtenswert erscheint? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Abgeordnete, das Thema wurde auf der Pressekonferenz angesprochen. Danach hatten Sie ja schon gefragt. Die Internetseite des Auswärtigen Amtes kann naturgemäß nur einen Ausschnitt der angesprochenen Themen abbilden. Hier liegt der Fokus auf originär in die Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes fallenden Aspekten. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Bitte schön, Frau Hagedorn. Bettina Hagedorn (SPD): Ich möchte meine Zusatzfrage zu dieser Frage gerne mit einem anderen Sachverhalt verknüpfen, den Sie vorhin schon angesprochen haben. Zunächst einmal möchte ich aber feststellen: Wenn auf der Internetseite nur von Afghanistan und den Vorfällen im Gazastreifen die Rede ist, nachdem die dänische Außenministerin und der deutsche Außenminister miteinander gesprochen haben, aber andere Sachverhalte, die Tausende von Deutschdänen in der Minderheitenregion zu Protesten auf die Straße treiben, nicht erwähnt werden, dann kann man aus dieser Tatsache auch einen Eindruck gewinnen, wie wichtig bzw. wie unwichtig die Bundesregierung die Frage der Kürzungen zulasten von Minderheiten nimmt. Das bringt mich dazu, eine Zusatzfrage im Hinblick auf den Bundeshaushalt, den Sie vorhin angesprochen haben, zu stellen. Richtig ist, dass die Kulturhoheit bei den Ländern liegt; aber, wie den Medien zu Recht entnommen werden konnte, geraten die Projekte der Minderheiten gerade deshalb so stark unter Druck, weil sie sozusagen von zwei Seiten in die Zange genommen werden. So wollte die Bundesregierung - so war jedenfalls zu lesen - die Mittel hierfür im Jahr 2011 ursprünglich um 800 000 Euro kürzen; jetzt will sie sie, so haben wir erfahren, sogar um 1,5 Millionen Euro kürzen. Ich habe Sie vorhin so verstanden, dass Sie diese Kürzung nicht bestätigen können. Das wäre ja schön. Ich möchte hier aber noch einmal gezielt nachhaken. Sie haben darauf verwiesen, dass in den letzten vier bis fünf Jahren in diesem Bereich nicht gespart worden sei, und auch an die Verantwortung des Parlaments für den Bundeshaushalt erinnert. Ich will dies insofern richtigstellen, als die Regierungsentwürfe in den letzten vier Jahren regelmäßig Sparmaßnahmen an dieser Stelle vorgesehen haben. Diese wurden allerdings zu Zeiten der Großen Koalition vom Parlament glücklicherweise rückgängig gemacht. Wie gesagt, die Regierung hat auch in den letzten vier Jahren versucht, hier zu sparen. Wollen Sie jetzt vielleicht bestätigen, ob die in den Medien kommunizierten Kürzungen für Minderheitenprojekte - erst 800 000 Euro, dann 1,5 Millionen Euro - nicht Realität werden, oder habe ich Sie hier möglicherweise falsch verstanden? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, zu dem ersten Teil Ihrer Frage: Ich möchte Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass Veröffentlichungen auf den Internetseiten keine Gewichtung darstellen. Somit ist es keineswegs der Fall, dass die Probleme der dänischen Minderheit, die wir hier gerade ausdiskutieren, das Auswärtige Amt nicht berühren würden - im Gegenteil. Wir bemühen uns natürlich immer um eine Vielfalt an Information und Kommunikation auf den Internetseiten des Auswärtigen Amtes. Ich nehme diese Diskussion jetzt als Anregung auf, auch diese Frage auf den Internetseiten des Auswärtigen Amtes zu thematisieren, zumal die Kulturabteilung, mit der ich zusammenarbeite, im Auswärtigen Amt auch für Kommunikation zuständig ist. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Was die bevorstehenden Kürzungen der Zuschüsse an die dänische Minderheit in Deutschland anbelangt, worüber Sie aus den Medien Kenntnis bekommen haben, darf ich Sie auf die bevorstehenden Haushaltsberatungen verweisen. Mir selber liegen die Zahlen für den Haushalt des Innenministeriums noch nicht vor; ich glaube, auch Ihnen nicht. Nach der heutigen Kabinettssitzung habe ich dem Auswärtigen Ausschuss die Haushaltsdaten für das Auswärtige Amt zur Kenntnis gegeben. Für die von Ihnen angesprochenen Zuschüsse ist aber das Innenministerium zuständig. Deswegen würde ich Ihnen empfehlen, eine der nächsten Fragestunden zu nutzen und konkret eine Frage an das Bundesinnenministerium zu richten. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir sind fast am Ende der Fragestunde. Deshalb nur noch eine kurze Nachfrage des Kollegen Thönnes. Franz Thönnes (SPD): Danke, Herr Präsident. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie das ist, wenn man auf der Regierungsbank die Fragen der Abgeordneten beantworten muss. Ihren Antworten entnehme ich, dass dieses Thema die Bundesregierung doch irgendwie berührt. Ich finde es gut, dass Sie sich an dieser Stelle einschalten und nicht so tun, als sei das, was in Schleswig-Holstein läuft, reine Kultuspolitik. Ich komme noch einmal zurück auf die Bonn-Kopenhagener Erklärungen. Mit Blick auf die Kapitel, in denen "das Recht auf gleiche Behandlung, nach dem niemand wegen seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Herkunft oder seiner politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden darf" und die Feststellung, dass "bei Unterstützungen und sonstigen Leistungen aus öffentlichen Mitteln ... Angehörige der dänischen Minderheit gegenüber anderen Staatsbürgern nicht unterschiedlich behandelt werden" dürfen, enthalten sind, muss man fragen: Ist nach Auffassung der Bundesregierung künftig 85 Prozent für dänische Schüler das Gleiche wie 100 Prozent für deutsche Schüler? Glauben Sie, dass diese Rechnung im Mathematikunterricht an deutschen Schulen Bestand haben wird? (Elke Ferner [SPD]: Rechnen können die nicht!) Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich kann meine vorherige Bemerkung nur bekräftigen. Uns liegt sehr an diesem Abkommen. Das haben Sie richtig gefolgert, Herr Abgeordneter Thönnes. Die dänische Minderheit wird durch Einsparungen im Bildungsbereich in dem Sinne, dass sie nicht mehr gleichgestellt ist, nicht diskriminiert. Es fließen weiterhin Zuschüsse und Fördermittel seitens der Kommunen und des Landes an Familien, die der dänischen Minderheit angehören. Dabei geht es, wie Sie selber gesagt haben, nicht nur um Zuschüsse für Schulen. Ich kann nur wiederholen: Wir sehen keine Diskriminierung der dänischen Minderheit in diesem Zusammenhang. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Danke schön, Frau Staatsministerin. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Steigende Beiträge als Ergebnis der Gesundheitsreform - Weniger Netto vom Brutto Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin Elke Ferner für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Elke Ferner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Man hat eigentlich kaum mehr Worte für das, was gestern der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist. (Lachen bei der FDP - Heinz Lanfermann [FDP]: Dann lassen Sie es doch sein!) Man kann nur noch sagen: Nach dem Koalitionschaos kommt jetzt das Reformchaos. Auf alle Fälle ist das, was Sie hier bieten, Wortbruch in Reinkultur. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Johannes Singhammer [CDU/ CSU]: Was?) Das ist keine Reform. Das ist die Kapitulation vor dem Chaos Ihrer schwarz-gelben Koalition. Das ist nicht mehr, sondern weniger Netto vom Brutto. Das ist kein Sozialausgleich, sondern ein Verteilen von Almosen mit der Gießkanne. Das ist nicht mehr, sondern weniger Solidarität. Das ist auch nicht weniger, sondern mehr Bürokratie. Nicht die Ausgabenkürzungen bei allen Leistungserbringern stehen bei Ihnen auf der Tagesordnung, sondern Klientelpolitik vom Feinsten. Kurzum: Ihre sogenannte Reform ist Wortbruch in Reinkultur. (Beifall bei der SPD) Wer dazu fähig ist, der sollte auch fähig sein, die Konsequenzen zu ziehen. Zurücktreten müssten eigentlich alle, (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh! - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Vor allem die Opposition, Frau Ferner! Die taugt nämlich überhaupt nicht!) wenn Sie sich an Ihren eigenen Worten messen lassen, Sie, Herr Rösler, genauso wie Herr Seehofer in Bayern. Was war versprochen? Versprochen war mehr Netto vom Brutto. Das Gegenteil ist der Fall. Herr Rösler sagte noch 2009, die Versicherten würden keine höheren Beiträge zahlen müssen, es gebe definitiv keine Zusatzbelastung. Diese Aussagen aus dem letzten Jahr waren gestern im Fernsehen zu bewundern. Aber die Wahrheit ist: Versicherte müssen in Zukunft mindestens 2,3 Prozent mehr zahlen. Bei Kassen, die viele Kranke versichert haben, ist es wahrscheinlich noch mehr. Von Ihnen, Herr Rösler, war versprochen worden, dass die 1-Prozent-Grenze beim Zusatzbeitrag bleibt. Jetzt entfällt der Schutz für die Versicherten ganz. Jedes Mitglied der GKV muss nicht nur um 0,3 Beitragssatz-punkte mehr zahlen, sondern auch mindestens 2 Prozent seines sozialversicherungspflichtigen Einkommens. Was daran gerecht sein soll, bleibt wirklich Ihr Geheimnis. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]) Tatsache ist, dass jemand mit einem Einkommen von 1 500 Euro brutto erst einmal über die Beitragssatzanhebung 4,50 Euro mehr zahlt. Dann muss er bis zu 30 Euro für die kleine Kopfpauschale bezahlen. Zusammen mit dem bisherigen Beitrag sind das 158 Euro im Monat statt 118,50 Euro. Das sind 10,53 Prozent des Einkommens statt wie bisher 7,9 Prozent. Das ist nicht weniger, das ist mehr. Das ist mehr als dreist, liebe Kollegen und Kolleginnen. (Beifall bei der SPD) Insbesondere für Rentnerinnen und Rentner, aber auch für Auszubildende, Studierende, Niedrigverdiener und Verdiener mit mittlerem Einkommen - darunter sind ausgesprochen viele Frauen - ist das eine Einkommenskürzung. Versprochen war, dass die starken Schultern mehr tragen sollen als die schwachen. Für die CSU war es sogar ein Markenzeichen, mehr soziale Gerechtigkeit zu wollen. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Haben wir doch!) Das Gegenteil ist der Fall. Bei einer Kopfpauschale von 30 Euro im Monat zahlt jemand mit einem Einkommen von 1 500 Euro 10,53 Prozent seines Einkommens, derjenige mit einem Einkommen an der Beitragsbemessungsgrenze 9 Prozent und der mit einem Einkommen von 5 000 Euro 6,1 Prozent. Was daran gerecht sein soll, erschließt sich mir nicht. Das, was Sie, Herr Rösler, kritisiert haben, verschärfen Sie jetzt sogar noch. Dazu herzlichen Glückwunsch! (Beifall bei der SPD) Es wurde von einem automatischen Sozialausgleich aus Steuermitteln gesprochen. Herausgekommen sind Almosen, die mit der Gießkanne verteilt werden. Wie sieht das aus? Zunächst geht es mit niedrigen Kopfpauschalen los. Dann geht es aber weiter. Es wird jedes Jahr eine Steigerung geben, weil Sie bei den Ausgabenkürzungen hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben sind. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo wollen Sie denn kürzen?) Wenn jemand, der beispielsweise ein Einkommen von 1 500 Euro hat, 31 Euro an seine Kasse bezahlt hat, (Jens Spahn [CDU/CSU]: Ein Vorschlag! Wo sollen wir kürzen?) bekommt er sage und schreibe einen Euro zurück. Das ist Ihr Sozialausgleich. Dazu wirklich herzlichen Glückwunsch! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte als Letztes noch das Thema Bürokratieaufbau ansprechen. Es gibt einen Bürokratieaufbau statt eines Bürokratieabbaus. Offenbar hat von denen, die miteinander verhandelt haben, überhaupt niemand im Blick gehabt, dass es 4,4 Millionen Rentner und Rentnerinnen gibt, die mehr als eine Rentenzahlung von der gesetzlichen Rentenversicherung bekommen. Für sie werden unterschiedliche Rentenkonten geführt. Es kommen Betriebsrenten und andere Zusatzversorgungssysteme hinzu. Wie wollen Sie denn unter Wahrung des Datenschutzes diese Einkommen zusammenführen? Das ist, Herr Rösler, keine Seltenheit. Diese 4,4 Millionen stellen 20 Prozent aller Rentnerinnen und Rentner dar, und die werden ja die ersten sein, die von Ihrer Kopfpauschale beglückt werden. Zum Schluss stelle ich fest: Ihre Reform ist ungerecht, intransparent und kompliziert. Es gibt aber ein Gutes daran: Diese unsoziale Politik kann man - frau auch - bei den nächsten Landtagswahlen im kommenden Jahr sowie auch bei der nächsten Bundestagswahl, wann immer sie sein wird, abwählen. Schönen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Johannes Singhammer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Johannes Singhammer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für 70 Millionen Menschen, die in Deutschland in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, gibt es seit gestern drei gute Nachrichten. (Lachen bei der SPD) Erstens. (Hilde Mattheis [SPD]: Mehr zahlen, mehr zahlen, mehr zahlen!) Das größte jemals vorhergesagte Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung mit geradezu griechischen Ausmaßen von 11 Milliarden Euro wird nicht entstehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es wird auch keine Pleitewelle bei den Krankenkassen geben. Zweitens. Die Menschen in Deutschland werden auch im Jahr 2011 nicht die zweitbeste, sondern die beste Behandlung bekommen. Die Exzellenz des deutschen Gesundheitswesens bleibt im weltweiten Vergleich gewahrt. Leistungskürzungen, höhere Eigenbeteiligungen, teurere Operationen ab einem bestimmten Lebensalter nur noch bei Selbstbezahlung, das findet in Deutschland nicht statt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Mechthild Rawert [SPD]: Wer's glaubt, wird selig!) Deshalb schließen jetzt kurz vor der Urlaubszeit wieder 20 Millionen Deutsche zu Recht Auslandskrankenversicherungen ab mit der klaren Zielsetzung: Wenn es wirklich notwendig sein sollte, möchte ich in Deutschland, in der Heimat, behandelt werden. - Ich glaube, das ist richtig. Drittens. Alle Partner im Gesundheitswesen wissen jetzt, woran sie sind, und können ihre Planungen darauf einstellen. Ausgaben und Einnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung werden wieder ins Gleichgewicht gebracht, (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu wessen Lasten?) weil wir zuallererst bei den Ausgaben gekürzt haben: Kürzungen bei den Arzneimitteln, der Pharmaindustrie und im Pharmagroßhandel, was sich auch auf die Apotheken in Höhe von rund 1,6 Milliarden Euro auswirken wird. Zwangsrabatte und Preismoratorien, die eigentlich nicht zum Schatzkästchen christlich-liberaler Politik gehören, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist ein Markenzeichen schwarz-gelber Politik!) haben wir aufgrund der Notwendigkeit eingesetzt. Weitere Beispiele sind Einsparungen von 300 Millionen Euro bei den Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenkassen, um Impfstoffe im Vergleich mit anderen europäischen Ländern günstiger zu machen, sowie Kürzungen bei Krankenhäusern und Ärzten. (Mechthild Rawert [SPD]: Wo denn?) Es geht um Kürzungen der Ausgabenzuwächse, nicht um Einschnitte; denn Einschnitte wären nicht zu verantworten gewesen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wenn Sie von der Opposition immer lauthals harte Schnitte verlangen, dann sollten Sie Folgendes bedenken: 60 Prozent der Ausgaben bei den Krankenhäusern sind Personalkosten. Wenn Sie kürzen und sparen wollen, etwa bei einer Krankenschwester, die netto vielleicht 1 600 Euro inklusive Nachtzuschlag bekommt, dann wünsche ich Ihnen dabei viel Spaß. (Elke Ferner [SPD]: 32 Euro Kopfpauschale muss diese Frau künftig zahlen!) Wir jedenfalls haben daran keinen Spaß. (Elke Ferner [SPD]: 32 Euro!) Deshalb wird es bei uns einen Kahlschlag in dieser Richtung nicht geben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Frau Ferner, da Sie so laut dazwischenschreien: (Elke Ferner [SPD]: Ich habe mich an Herrn Lanfermann orientiert!) Wenn Sie uns schon nicht glauben, dann glauben Sie doch Ihrer Gesundheitsministerin in Mecklenburg-Vorpommern, Frau Schwesig, die heute erklärt hat, die Einsparungen bei den Krankenhäusern hingegen würden strukturschwache Regionen treffen, wo viele alte und schwache Menschen leben. Frau Schwesig hat recht. An ihren Worten sollten Sie sich orientieren. Wenn Sie einen Kahlschlag bei den Ärzten fordern, dann hat das gerade auf den ländlichen Bereich Auswirkungen. Wir haben die hausarztzentrierte Versorgung (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Abgeschafft!) mit der klaren Zielsetzung eingeführt, dort die Versorgung zu verbessern. Wir wollen einen Trend zum Umzug der Ärzte in die Ballungszentren im Süden und Westen unseres Landes verhindern; (Hilde Mattheis [SPD]: Der ist schon längst da!) denn wir wollen eine gleichmäßige Versorgung garantieren. Nachdem alle Sparbemühungen nicht ausgereicht haben, (Elke Ferner [SPD]: Wenn das alle Sparbemühungen waren ...!) haben wir uns entschlossen, die Solidargemeinschaft aller Steuerzahler mit 2 Milliarden Euro zu bemühen. Das heißt, im nächsten Jahr werden 15,3 Milliarden Euro aus der Steuerkasse in die gesetzliche Krankenversicherung überführt. Wir haben noch etwas gemacht. Wir haben den Zustand der paritätischen Beitragssituation wiederhergestellt, wie er vor genau anderthalb Jahren - vor der Krise -, also am 1. Januar 2009, war. Damals betrug das Beitragsniveau paritätisch 15,5 Prozent. Genau dieses Beitragsniveau wird es wieder geben. (Elke Ferner [SPD]: Aber es bleibt eine Erhöhung! Ist es mehr oder weniger als vorher?) Das macht Sinn, weil wir in der Zeit der Krise geholfen haben, die Lohnnebenkosten zu entlasten und damit Arbeitsplätze zu sichern. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Deswegen müssen Sie sie jetzt unsicher machen! Das ist ja super!) Gott sei Dank ist die Situation jetzt wieder besser. Deshalb können wir zu diesem Niveau zurückkehren. Sie stellen immer die Frage: Ist das sozial gerecht? (Elke Ferner [SPD]: Diese Frage ist schon beantwortet: Nein!) Diese Frage nehme ich ernst. Aber ich sage Ihnen an dieser Stelle: Wissen Sie, was das sozial Ungerechteste ist? Das sozial Ungerechteste ist, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ihre Regierung! Das ist das sozial Ungerechteste!) wenn die Behandlung in den Krankenhäusern und bei den Ärzten vom Geldbeutel abhängt. Das tut es bei uns nicht. Bei uns wird jeder unabhängig von seinem Einkommen bestmöglich behandelt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollegin Martina Bunge für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Minister und Sie als Koalitionäre haben gestern ein Eckpunktepapier mit dem Titel "Für ein gerechtes, soziales, stabiles, wettbewerbliches und transparentes Gesundheitssystem" vorgelegt. (Heinz Lanfermann [FDP]: So ist es!) Das sind große, wohlklingende Worte. Die nüchterne Analyse zeigt: Das Ganze ist Politik für Besserverdienende und Arbeitgeber gegen die Mehrheit der Bevölkerung. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Jens Spahn [CDU/CSU]: Deswegen loben uns die Arbeitgeber so!) Sie wählen eine sehr interessante Taktik. Sie sprechen von einer Wiederherstellung des Beitragssatzes von 15,5 Prozent und kommen so paritätisch auf 6 Milliar-den Euro für 2011. Das geschätzte Defizit in Höhe von 11 Milliarden Euro wird durch die Einsparmaßnahmen und den Bundeszuschuss gedeckt - das Haushaltsloch ist also weg -, und für alle Fälle gestaltet man für die Zukunft den Zusatzbeitrag durch den Sozialausgleich neu. Schon hat man das System für die Zukunft wetterfest gemacht. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie haben es verstanden!) Wir hören schon seit Jahren und vor allem seit dieser Legislaturperiode, wie das funktionieren soll. Ich sage: Sie kaschieren die Fehler, Sie beruhigen die Bevölkerung und verstecken Ihre sozialpolitischen Grausamkeiten unter einem Mäntelchen. Ich möchte allen zurufen: Vorsicht Kopfpauschale! (Lars Lindemann [FDP]: Oh!) Bei dem von Ihnen vorgelegten Konzept geht es nicht allein um weniger Netto vom Brutto, sondern um eine generelle Verlagerung aller künftigen Ausgabenentwicklungen allein auf die Versicherten - die Arbeitgeber sind raus - und damit um die höchsten Beiträge aller Zeiten für Versicherte. Man muss sich die Zahlen auf der Zunge zergehen lassen: 8,2 Prozent - also 7,3 Prozent plus 0,9 Prozent - plus 2 Prozent, das sind 10,2 Prozent allein für die Versicherten. Das hat es noch nie gegeben. Das ist ein Skandal. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Durch die einseitige Belastung der Arbeitnehmer wird die Schieflage verstärkt. Menschen mit kleinen Einkommen - Geringverdiener, Rentner mit geringen Bezügen, Studierende - werden am stärksten belastet. Nehmen wir als Beispiel einen Zusatzbeitrag in Höhe von 16 Euro. Wie funktioniert das? Bei einem Einkommen von 800 Euro entsprechen 16 Euro 2 Prozent des Einkommens, bei 1 600 Euro sind es 1 Prozent, bei 3 200 Euro 0,5 Prozent, und über der Beitragsbemessungsgrenze ist die Belastung gleich null. Das ist zutiefst ungerecht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Jens Spahn [CDU/CSU]: So ein Quatsch!) Den Sozialausgleich über Steuern subventionieren die Betroffenen, zumindest teilweise, auch noch selbst. Es ist doch eine Mär, dass bei den Steuern vor allen Dingen die Besser- und Höchstverdienenden herangezogen werden. Wir alle wissen, dass die gesamten Steuereinnahmen nur zu einem Drittel aus Einnahmen aus der Einkommensteuer bestehen. Damit entsteht der Effekt, dass sie sich selber über die Mehrwertsteuer und dergleichen subventionieren. - Durch das vorgelegte Konzept wird bei den Versicherten gleich mehrfach abkassiert. Was ist daran sozial? Wir sagen: Das ist ein Skandal. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie konstruieren einen Zwitter: ein Stück bisherige gesetzliche Krankenversicherung und ein neues Stück versteckte Kopfpauschale, das immer größer werden kann. Sie wollen ihr Gesicht wahren. Wir werden Gesicht zeigen - gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern - für eine sozial gerechte Gesundheitspolitik. Umfragen zeigen: Ganze 2,3 Prozent - auch wenn diese Zahl nicht repräsentativ ist - denken, dass Sie eine dauerhafte, solide Finanzierung geschaffen haben. Sie können sich sicher sein: Widerstand wird kommen. Bei dem vorgelegten Konzept ist das auch erforderlich; denn Ihr Konzept ist - um noch einmal auf den Titel zurückzukommen - nicht transparent, sondern komplizierter und undurchschaubarer, wettbewerblich - für uns hat dieser Begriff im Gesundheitssystem nichts zu suchen -, nicht stabil - wir denken, es ist gerade für politische Einflussnahme sehr anfällig -, nicht sozial - es ist zutiefst unsozial; das habe ich eben dargelegt - und nicht gerecht; wir meinen, es ist himmelschreiend ungerecht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollege Heinz Lanfermann für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Heinz Lanfermann (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abseits von all den Spekulationen und haltlosen Vorwürfen, die wir hier gehört haben, gibt es sieben Punkte, die man bedenken sollte, wenn man sich das Ergebnis, das gestern erzielt worden ist und demnächst in ein Gesetz umgeformt wird, vor Augen führt. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Erstens: Weniger Netto vom Brutto! Wo ist denn mehr Netto vom Brutto? Was ist denn daraus geworden?) Das Erste ist: Wir hatten in der Tat ein aktuelles Problem mit einer sehr großen Dimension - 11 Mil-liarden Euro Defizit für 2011 - zu lösen. Ich kann nur sagen: Diese Gefahr ist gebannt, und zwar nicht nur für das nächste Jahr, sondern auch für die folgenden Jahre. Damit ist die Einnahmeseite, die ein wichtiger Punkt ist, auf Dauer stabil. (Elke Ferner [SPD]: Weil Sie die Versicherten abzocken!) Es handelt sich jetzt um ein sich selbst regulierendes System, sodass wir uns nicht wie während Ihrer Regierungszeit jedes Jahr neu mit dem Thema beschäftigen müssen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warten Sie mal ab!) Der zweite Punkt: Wir haben dies durch eine Reihe von Sparmaßnahmen erreicht. Wir haben uns die Mühe gemacht und uns alles angeschaut, was man einsparen könnte. (Elke Ferner [SPD]: Und wieder verworfen!) Sie waren da sehr geizig. Sie haben nie einen konkreten Vorschlag in die Öffentlichkeit gebracht. (Miriam Gruß [FDP]: So ist es!) Sie wollten lieber mit verdeckten Karten spielen. Wir machen das offen. Wir haben mit einer Einsparung bei den Pharmakosten von weit über 1,5 Milliarden Euro angefangen. Dieses Gesetz haben wir hier bereits verabschiedet. Im Grunde genommen haben wir sowohl die Krankenkassen als auch die Krankenhäuser als auch die Apotheker als auch den Großhandel herangezogen. Dabei haben wir die Lasten unter allen Beteiligten im Gesundheitswesen fair und gerecht verteilt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Elke Ferner [SPD]: Das sehen wir aber anders!) Drittens haben wir einen großen Fehler der Großen Koalition revidiert. Sie hat mit dem Gesundheitsfonds den Einheitsbeitrag eingeführt. Sie haben die Kassen ihrer Beitragsautonomie beraubt; denn das, was ihnen noch blieb, die Erhebung eines Zusatzbeitrages nach altem Modell, war eine Fehlkonstruktion. Es gibt viele Kassen, die aufgrund ihrer Mitgliederstruktur, weil sie zu viele Mitglieder mit geringem Einkommen haben, gar keine Chance haben, sich über diese Zusatzbeiträge zu finanzieren. (Elke Ferner [SPD]: Jetzt werden diese Mitglieder mit 2 Prozent belastet! Das ist natürlich klasse!) Das System war in sich nicht schlüssig. Es konnte nicht funktionieren. Viertens haben wir den Einstieg in einen Systemwechsel geschafft. Die Zusatzbeiträge, die wir jetzt einführen, sind kassenindividuell und einkommensunabhängig. Das Geld bleibt bei den Kassen. Nach dem, was von der Bundesversicherungsanstalt berechnet worden ist, wird der Zusatzbeitrag in den nächsten Jahren durchschnittlich bei etwa 16 Euro liegen. Das ist die Schätzung, weit entfernt von den Fantasiezahlen, die Sie, Frau Ferner, oder Sie, Herr Lauterbach, in den letzten Monaten immer wieder in die Öffentlichkeit gestreut haben. (Beifall bei der FDP - Mechthild Rawert [SPD]: Wollen wir wetten? - Elke Ferner [SPD]: Wetten Sie darauf, Herr Lanfermann?) Fünftens. Wir schaffen das, was Sie nicht geschafft haben: Wir schaffen einen Sozialausgleich. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie ruinieren das Gesundheitssystem!) Dieser wird vom Arbeitgeber bzw. vom Rentenversicherungsträger automatisch berechnet. Da zeigt sich übrigens die Beliebigkeit Ihrer Argumentation, Frau Ferner. Sie sind monatelang durch die Gegend gelaufen und haben gesagt: Wenn man für einen Sozialausgleich einen Antrag stellen muss, dann werden alle Menschen zu Bittstellern. Das war natürlich unsinnig; denn zum Beispiel beim Wohngeld, bei dem man auch eine Leistung vom Staat bekommt, macht das jeder gerne. Aber da Sie das jetzt nicht mehr sagen können, behaupten Sie, das seien Almosen, die mit der Gießkanne verteilt würden. Und warum? Weil der Minister seine Ankündigung, es werde einen automatischen Ausgleich geben, jetzt umgesetzt hat. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Elke Ferner [SPD]: Wie wollen Sie das bei den Rentnern denn automatisch machen? Das geht doch gar nicht! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist der größte Witz aller Zeiten!) Für Sie ist es natürlich immer schwierig, wenn der Minister das liefert, was er versprochen hat. (Lachen bei der SPD) Das ist Ihr Problem, Frau Ferner. Sechstens. Wir entkoppeln die Gesundheitskosten Schritt für Schritt von den Arbeitskosten. Der erste Schritt ist die Festschreibung des Beitragssatzes auf 7,3 Prozent. Natürlich werden die zukünftigen Kosten von den Versicherten getragen. Das ist die ganz normale Folge des demografischen Wandels. (Elke Ferner [SPD]: Es ist ganz normal, dass die Versicherten abgezockt werden, was? Abzockerei ist ganz normal für die FDP!) Jeder von Ihnen, gerade von Ihnen, von der SPD, sagt in offener Herzlichkeit bei jeder Podiumsdiskussion: Ja, Gesundheit wird teurer. Aber wie es bezahlt werden soll, das sagen Sie nicht. Und das ist der Unterschied: Wir stehen zu dem, was wir tun. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Siebtens. Wir stehen auch dazu, dass wir mit diesem Schritt, mit dem wir jetzt für die sichere und stabile Finanzierung in den nächsten Jahren sorgen, den alten Beitragszustand wiederherstellen. Sie waren es, die als Gesetzgeber zum 1. Januar 2009 den Beitragssatz auf 15,5 Prozent festgelegt haben. (Elke Ferner [SPD]: Mit Leistungserhöhungen und -verbesserungen!) Ein halbes Jahr später haben Sie ihn aus konjunkturellen Gründen, wegen der Wirtschaftskrise, gesenkt; das entspricht einem Betrag von 6 Milliarden Euro pro Jahr. Dies geschah auf Pump - das muss man einmal sagen -, das war schuldenfinanziert. (Elke Ferner [SPD]: Nehmen Sie die 6 Milliarden Euro raus?) Deswegen - das sage ich auch der Arbeitgeberseite -: Wenn man 3 Milliarden Euro im Jahr auf Pump, auf Kosten der Steuerzahler, geschenkt bekommt, weil es der Wirtschaft schlecht geht, dann kommt auch der Tag, an dem man sagt: Jetzt wird es wieder besser, jetzt ist es verantwortbar, diese Subvention auf Pump zurückzunehmen und zum alten Zustand zurückzukehren. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich denke, das ist verantwortbar und eine richtige Maßnahme. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen. Heinz Lanfermann (FDP): Ich bin am Ende, Herr Präsident. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ja, das kann man wohl sagen! Ein wahres Wort gelassen ausgesprochen!) Ein letzter Satz noch: All die schönen Thesen, die Sie hier verbreitet haben, Frau Ferner, wie man welchen Beitrag berechnen will, wenn jemand verschiedene Einkünfte hat, können Sie sich für Ihre Beratungen zur Bürgerversicherung merken. Denn da haben Sie genau das Problem. (Elke Ferner [SPD]: Keine Sorge, das Problem lösen wir!) Danke schön. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollegin Birgitt Bender für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wo ist eigentlich die CSU? Wo sind die starken Mannen aus München, die unbedingt gegen die Kopfpauschale kämpfen und sie verhindern wollten? (Elke Ferner [SPD]: Die liegen alle am Boden!) Sie liegen jetzt in der Ackerfurche. Oder wie soll man sich dieses Modell anders erklären? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Denn ob das nun Zusatzbeitrag oder Kopfpauschale heißt, klar ist doch: Die Versicherten zahlen, und zwar immer mehr, je länger es geht, weil alle künftigen Kostensteigerungen zulasten der Versicherten gehen. Das ist genau das, was der FDP-Gesundheitsminister schon immer angedroht hat. Herzlichen Glückwunsch! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Zuruf von der FDP: Ich denke, er soll zurücktreten!) Ihr seid obendrein noch feige; denn zu eurer neuen Einigkeit steht ihr gar nicht offensiv. Vielmehr wird ein Modell gemacht, bei dem die Arbeitgeber noch einmal mitzahlen: eine allgemeine Beitragssatzerhöhung. Dann erst kommt die Kopfpauschale obendrauf. Da wird kalkuliert: Na ja, bis 2013, 2014, bis Ende dieser Legislaturperiode wird das ja noch nicht so schlimm, da merken es die Leute noch nicht so richtig. Dazu kann ich nur sagen: So dumm sind die Leute nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Tatsache ist: Das System der aufwachsenden Kopfpauschale ist angelegt. Übrigens sollten die Freundinnen und Freunde von der Sozialdemokratie noch einmal darüber nachdenken, ob der Gesundheitsfonds eine gute Idee war; denn da ist diese Spur angelegt. (Ulrike Flach [FDP]: Das ist einmal ein guter Satz!) Das, was Minister Rösler jetzt macht, ist kein Grund, sich mit einem Lorbeerkranz vor den Spiegel zu stellen. Erstens ist und bleibt dieser Ausstieg aus dem Solidarsystem der falsche Weg. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Solidarität. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Jens Spahn [CDU/CSU]: Das machen wir ja!) Zweitens - da sollten Sie wirklich zuhören - werden Sie Ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Was haben Sie neulich noch auf jeder Veranstaltung versprochen? Alles werde gerechter, es komme mehr Geld ins System über Steuermittel, die Sie organisieren, dann werde alles ganz schön. Ja, wo sind die Steuermittel denn? Wo ist die größere Gerechtigkeit? Noch vor kurzem, als Seehofer Sie wieder heimgeschickt hat, haben Sie gemeinsam verabredet: Vorrangig vor Einnahmesteigerungen wollen wir strukturelle Änderungen, um den Anstieg der Kosten zu begrenzen. Ja, wo sind denn die Strukturreformen? Ihr macht doch ganz kleine Münze. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Stichwort "Kostendämpfung", also das, was der FDP-Gesundheitsminister angeblich nie machen wollte. Jetzt wird mit dem Rasenmäher ein bisschen über alle Bereiche gegangen - nein, nicht über alle: nicht über die Apotheker. Das sind die, die so viele Briefe an das BMG schreiben und sich beschweren. Zack, bekommen sie eine Bonuscard, um vom Rasenmäher verschont zu bleiben. Da ist sie wieder, die Klientelpolitik der FDP. Das macht es auch nicht besser. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Lachen bei Abgeordneten der FDP) Das Schlimmste ist, meine Damen und Herren von der Koalition: Dieses Kurzfristmodell mit Langzeitwirkung, das Sie hier auf den Tisch legen, führt dazu, dass wir immer wieder und immer weiter über die Finanzierungsseite des Gesundheitssystems diskutieren werden. Die Gefahr ist groß, dass wir immer nur darüber sprechen, weil das Problem nicht befriedigend gelöst ist, solange Sie regieren. Die nächste Regierung hat das Problem dann wieder auf dem Schoß. Wann reden wir eigentlich einmal über Gesundheit und über Strukturreformen, die die Versorgung verbessern? (Zuruf von der SPD: Sehr gut!) Genau das gerät ins Hintertreffen. Auch das werfe ich Ihnen vor. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE]) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollege Jens Spahn für die CDU/ CSU-Fraktion. Jens Spahn (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bender, mit Blick auf das, was sich bei der Solarförderung abgespielt hat, weiß ich nicht, ob Sie die Richtige sind, um hier über Klientelpolitik zu reden. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh, nein! - Elke Ferner [SPD]: Mövenpick!) - Ja, so ist es doch. Wir haben es jüngst, in den letzten Tagen, wieder erlebt, was Sie da für eine Show veranstalten. Die Aktuelle Stunde bietet unabhängig davon eine gute Gelegenheit, einen Tag nachdem sich die Koalition nach zugegebenermaßen intensiven Debatten in den letzten Wochen und Monaten - wir haben in der Sache gerungen - auf einen Kompromiss in der Gesundheitspolitik geeinigt hat, darüber zu diskutieren. Am Ende handelt es sich um ein faires Paket. Es umfasst Einsparungen im Sinne von Zuwachsbegrenzungen im nächsten Jahr bei den Kosten für Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser und den Verwaltungskosten der Krankenkassen. (Elke Ferner [SPD]: Die haben mehr, und die Versicherten haben weniger!) Ein Wort zur SPD. Sie stellen sich hier fortwährend hin und fordern - Sie, Frau Kollegin Ferner, gerade schon wieder - im Abstrakten Einsparungen. Sie haben einmal einen konkreten Vorschlag gemacht, nämlich den Rabatt bei den Arzneimitteln um 10 Prozentpunkte zu erhöhen. Diesen Vorschlag haben wir sogar umgesetzt, aber Sie haben dagegengestimmt. Frau Kollegin Ferner, doppelzüngiger als Sie an dieser Stelle kann man kaum sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Elke Ferner [SPD]: In Doppelzüngigkeit sind Sie Weltmeister!) Zum einen kommt es also zu Einsparmaßnahmen im Sinne von Zuwachsbegrenzungen im nächsten Jahr. Zum anderen kehren wir zu dem Beitragssatz zurück - es ist schon gesagt worden -, der vor der Krise galt und den wir, Frau Kollegin Ferner, im Übrigen noch gemeinsam eingeführt haben. (Elke Ferner [SPD]: Sie wollten doch Einsparungen verhindern!) Wir haben schon damals in der Großen Koalition gemeinsam gelernt, dass die Kosten angesichts einer Gesamtdynamik im Gesundheitssystem steigen: Wir wollen den Menschen in einer älter werdenden Gesellschaft tatsächlich den Zugang zum medizinischen Fortschritt ermöglichen. Deswegen kehren wir nach Ende der Krise - die Wirtschaftszahlen offenbaren, dass die Arbeitslosenzahlen sinken und die Konjunkturzahlen nach oben zeigen - zum alten Beitragssatz zurück; das ist gerechtfertigt. Damit sind zu Recht auch die Arbeitgeber bei der Finanzierung mit im Boot. Liebe Frau Kollegin Ferner, anstatt hier so herumzuschreien, sollten Sie sich darüber freuen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Elke Ferner [SPD]: Sie haben aber etwas anderes versprochen, Herr Spahn!) Es geht auch um die Frage - das ist mit Blick auf die Zukunft entscheidend -: Wie können zukünftige Kostensteigerungen lohnunabhängig aufgefangen werden? Darum geht es im Kern. Die Herausforderung der gesetzlichen Krankenversicherung besteht darin - es wäre schön, wenn wir darüber einmal in der Sache reden könnten -, dass es anders als bei der Rentenversicherung oder der Arbeitslosenversicherung keinen direkten Zusammenhang zwischen der Leistung und dem Beitrag gibt. (Elke Ferner [SPD]: Beim Krankengeld schon!) In der Rentenversicherung ist es etwa so, dass die entsprechenden Leistungen nicht so stark ansteigen, wenn die Grundlohnsumme nicht steigt. Die Leistungen der Krankenversicherung - für die Behandlung im Krankenhaus, beim Arzt und für die Medikamente - sind aber nicht lohnbezogen, sodass die Kosten in einer älter werdenden Gesellschaft mit medizinischem Fortschritt steigen. Es geht hier nicht um Hustensaft: Die Steigerungen bei den Arzneimitteln treten in aller Regel bei Krebsmedikamenten und bei Medikamenten zur Bekämpfung von MS und Parkinson auf. Damit der Spagat zwischen einer nicht so stark steigenden Grundlohnsumme - die Tarifabschlüsse waren in der Krise nicht so hoch - und den gleichzeitig steigenden Ausgaben nicht immer größer wird, braucht es auch eine lohnunabhängige Finanzierung. Damit haben wir übrigens in der Großen Koalition mit den Zusatzbeiträgen gemeinsam begonnen. Wir machen es in der christlich-liberalen Koalition so: Wir finanzieren das Gesundheitssystem dauerhaft auch aus Steuermitteln. Das ist eine sozial ausgeglichene Weiterentwicklung, die gerechter als das heutige System ist; denn bei der Finanzierung über Steuermittel müssen alle je nach Leistungsfähigkeit mitbezahlen. Damit machen wir das Gesundheitssystem mit Blick auf die bevorstehenden Herausforderungen zukunftsfähig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind sie denn, die Steuermittel?) Frau Kollegin Bunge, man braucht keinen Matheleistungskurs dafür: Eine prozentuale Maximalbelastung ist per definitionem in sich sozial ausgeglichen; denn 2 Prozent von wenig Einkommen bedeuten weniger Belastung als 2 Prozent von viel Einkommen. Damit ist diese Form der Finanzierung sozial ausgeglichen: Niemand muss über Gebühr belastet werden. Wir legen es aber so an, dass der Ausgleich über den Beitragssatz stattfindet, den der Arbeitgeber oder der Rentenversicherungsträger abführt. Das ist unbürokratisch; er bedarf keiner Antragsstellung. (Elke Ferner [SPD]: Sie belasten die unteren Gehälter stärker als die oberen!) Wir legen die Finanzierung so an, dass mit einem festen Euro-Betrag bei den Zusatzbeiträgen eine Preissignalwirkung gegeben bleibt. Insofern ist das Modell einerseits sozial gerecht - die Ausgaben werden mit Steuermitteln abgefedert -; zum anderen erzielen wir eine Preissignalwirkung, sodass der einzelne Versicherte für sich entscheiden kann: Ist mir diese Kasse einen Zusatzbeitrag von 20 Euro wert, oder bietet eine andere Kasse, die einen Zusatzbeitrag von 15 Euro erhebt, ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis? Damit schaffen wir viel mehr Transparenz als bisher. Das ist der richtige Weg. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das, was im Ergebnis eigentlich schade ist, ist, dass Sie sich einer ehrlichen Debatte durch Klamauk entziehen. Weil Sie sich nach der Bundespräsidentenwahl völlig entzweit haben, konnten Sie sich nicht einigen, dass wir uns mit diesem Thema nur einmal in dieser Woche beschäftigen. Deshalb findet morgen zum gleichen Thema eine weitere Aktuelle Stunde statt. Dann werden wir die ganze Diskussion noch einmal führen. Wir sollten, jenseits von Klamauk, eine ehrliche Debatte darüber führen, vor welchen Herausforderungen wir im Gesundheitswesen stehen. Im Übrigen möchte ich noch auf den Titel der heutigen Aktuellen Stunde eingehen. Richtig wäre gewesen, wenn Sie formuliert hätten: "Mehr Netto vom Brutto". (Widerspruch bei der SPD) Es geht nämlich um die Gesamtschau. Wir haben zum 1. Januar dieses Jahres für Steuerentlastungen in Höhe von 20 Milliarden Euro gesorgt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wir haben den Arbeitslosenversicherungsbeitragssatz, der zur Zeit der Großen Koalition bei 6,5 Prozentpunkten lagt, auf aktuell 2,8 Prozentpunkte gesenkt. (Elke Ferner [SPD]: Ach was! Den Hotelketten haben Sie Geld geschenkt! Das ist doch alles, was Sie gemacht haben!) Im Ergebnis zählt, was dabei insgesamt herauskommt. Zur Gesamtschau gehört aber auch, ehrlich zu sagen: Gesundheit wird in einer älter werdenden Gesellschaft, die medizinischen Fortschritt will, teurer. Zu dieser Ehrlichkeit sollten Sie sich endlich durchringen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Christian Lange [Backnang] [SPD]: "Mehr Netto vom Brutto" kann man bei Ihnen doch vergessen!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollegin Carola Reimann für die SPD-Fraktion. Dr. Carola Reimann (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war der 12. November 2009 - die Bundestagswahl war noch keine zwei Monate vergangen -, da trat Gesundheitsminister Rösler hier an dieses Pult, um uns mit schönen Worten seine Vorstellungen zur Zukunft des deutschen Gesundheitssystems zu präsentieren. (Heinz Lanfermann [FDP]: Oh ja! Das war ein Höhepunkt in diesem Haus!) Nun, acht Monate nachdem er seine Vorschläge zur Gesundheitsreform vorgelegt hat, bietet es sich förmlich an, die Ankündigungen von damals mit den Ergebnissen von heute zu vergleichen. Denn man sollte - so viel Fairness muss sein - den Minister an seinen eigenen Worten messen. (Ulrike Flach [FDP]: Keine Sorge! Das kann man auch!) Fangen wir bei den Punkten Transparenz und Bekämpfung der Bürokratie an. In der Rede vom 12. November 2009 kündigten Sie ganz unbescheiden an, die Bürokratie zu beenden und endlich mehr Zeit für die Menschen zu schaffen. (Elke Ferner [SPD]: Ja! Und was ist daraus geworden?) Was Sie unter "Transparenz" und "Bürokratieabbau" verstehen, haben wir gestern bei der Verkündung der neuen Zusatzbeitragsregelung gesehen. Selbst den gut informierten Fachjournalisten standen die Fragezeichen förmlich in die Gesichter geschrieben, als Minister Rösler Mühe hatte, die Neuregelung zu erläutern. (Ulrike Flach [FDP]: Oh nein! Dieser Eindruck trügt!) Wie, um Himmels willen, soll denn dann der von Ihnen so oft bemühte aufgeklärte, mündige Bürger dieses System verstehen, (Elke Ferner [SPD]: Das ist ja nicht gewollt!) geschweige denn eine informierte Entscheidung bezüglich eines Kassenwechsels treffen? Das von Ihnen geschaffene System von Durchschnittszusatzbeiträgen, 2-Prozent-Regelung und teilweiser Reduzierung der Beiträge über Arbeitgeber und Rentenversicherungsträger ist so durchschaubar und transparent wie der Dschungel von Borneo. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Jens Spahn [CDU/CSU]: Wie? Was? Wovon reden Sie denn da? - Heinz Lanfermann [FDP]: Meine Güte! Wo Sie überall hinfahren! Da kennen Sie sich also aus, ja?) Man wird den Verdacht nicht los, dass diese konfuse Regelung bewusst herbeigeführt wurde, um das Ausmaß der Kostenabwälzung auf die Versicherten zu verschleiern. Aber ich sage Ihnen: Diese Verschleierungstaktik wird nicht aufgehen. Denn die Menschen werden am Ende sehr wohl sehen, was unter dem Strich übrigbleibt, nämlich weniger Netto vom Brutto. (Elke Ferner [SPD]: Ganz genau!) Das ist die Folge der schwarz-gelben Gesundheitspolitik. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Minister Rösler, nicht nur Transparenz und Abbau von Bürokratie hatten Sie sich auf die Fahnen geschrieben, sondern auch Nachhaltigkeit. Ich zitiere aus Ihrer Rede: In den letzten 20 Jahren gab es alle zwei bis drei Jahre eine Gesundheitsreform. Allzu häufig hatten die Menschen das Gefühl, dass es zwar teurer, aber nicht immer besser geworden ist. (Elke Ferner [SPD]: Genau das ist jetzt der Fall!) Wir sind angetreten, genau das zu ändern. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja! Was wollen Sie denn? Das ist doch alles richtig!) Die einzige Änderung, die Sie bis jetzt herbeigeführt haben, ist, dass Sie die künftige Kostensteigerung allein auf die Versicherten abwälzen, (Ulrike Flach [FDP]: Nein! Das stimmt doch gar nicht! Woher wollen Sie das denn wissen? Was Sie schon wieder von sich geben!) ohne auch nur eine einzige Verbesserung in der Versorgung daran zu knüpfen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das dämmert mittlerweile auch Ihren Kollegen. Die ersten Sozialpolitiker aus Ihren eigenen Reihen haben sich laut dpa heute dazu geäußert. Einer von ihnen, der Ihre Vorschläge kritisiert, ist Christian Bäumler, (Jens Spahn [CDU/CSU]: Wer? - Ulrike Flach [FDP]: Wer ist das denn?) Bundesvize der CDU-Sozialausschüsse. Sein O-Ton ist: Es geht nicht an, dass wir das Risiko der Kostensteigerung ... einseitig auf Arbeitnehmer und Rentner verschieben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN - Jens Spahn [CDU/CSU]: Dann muss er wohl mal das CDU-Wahlprogramm lesen!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, unter "Nachhaltigkeit" im Gesundheitssystem verstehen wir Sozialdemokraten etwas anderes, nämlich ein dauerhaftes Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben herzustellen, dabei ein hohes Versorgungsniveau für alle zu erhalten und finanzielle Belastungen gerecht zu verteilen. Der Nachhaltigkeitsbegriff der Bundesregierung - so viel wissen wir seit gestern - ist ein eher eindimensionaler, nämlich die Versicherten möglichst nachhaltig einseitig zu belasten, indem alle künftigen Kostensteigerungen allein auf sie abgewälzt werden. Millionen von Menschen werden weniger in der Tasche haben. Ihre Vorschläge sind nichts anderes als Wortbruch. Sie sind das genaue Gegenteil von dem, was Sie Millionen von Wählerinnen und Wählern vorher versprochen haben. Das ist eine echte Nettolüge. (Beifall bei der SPD) Ihr noch im November formuliertes Ziel, ein robustes Krankenversicherungssystem für die Zukunft zu entwerfen, haben Sie längst aus den Augen verloren. Sie haben jetzt Eckpunkte präsentiert - dafür die Bezeichnung "Reform" zu verwenden, traue ich mich nicht -, die nur eines erfüllen sollen: schnell die Löcher stopfen, die Lobby beruhigen - wir haben gelesen, dass sich das Kanzleramt noch einmal für die Schonung der Apotheker eingesetzt hat - und, noch wichtiger, den schwarz-gelben Koalitionsfrieden herstellen. Die Vorschläge haben nichts mit einer nachhaltigen Weiterentwicklung des Gesundheitssystems zu tun, sondern zielen allein auf den Erhalt einer Koalition ab, die abgewirtschaftet hat. (Beifall bei der SPD) Wer auf diese Art Politik betreibt, schadet dem Gesundheitssystem. Diese Vorschläge sind vor allem eines: ideenlos, mut- und kraftlos. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Wie die SPD-Fraktion!) Kolleginnen und Kollegen, Gesundheit ist ein hohes Gut. Auch das pflegt Minister Rösler gerne zu sagen. Damit hat er vollkommen recht. Ich glaube, wir sind uns einig, dass es die oberste Aufgabe des Gesundheitsministers ist, dieses hohe Gut zu schützen. Heute Morgen im Ausschuss hat der Minister noch einmal bestätigt, dass er als Gesundheitsminister es als seine Aufgabe ansieht, Krankheit im Vorfeld zu vermeiden. Umso unverständlicher ist mir jedoch, wenn dieser Gesundheitsminister sich bei einer zentralen Frage des Gesundheitsschutzes, nämlich dem Nichtraucherschutz, für nicht zuständig erklärt. (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh! - Heinz Lanfermann [FDP]: Hier raucht doch keiner!) Der Volksentscheid in Bayern hat uns allen gezeigt, wie wichtig den Bürgerinnen und Bürgern ein konsequenter, einheitlicher Nichtraucherschutz ist. Deshalb sollte uns als Politikerinnen und Politiker, insbesondere den Gesundheitspolitikerinnen und Gesundheitspolitikern unter uns, diese Botschaft aus Bayern zu denken geben. (Dr. Kristina Schröder [Wiesbaden] [CDU/ CSU]: Föderalismus!) Wir sollten über Parteigrenzen hinweg dafür sorgen, dass es beim Nichtraucherschutz endlich zu einer bundesweit einheitlichen Regelung kommt. Die Chancen dafür sind da. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie scheinen zu viel Redezeit zu haben!) Man muss sie nur nutzen, und man muss sie nutzen wollen. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun der Parlamentarische Staatssekretär Daniel Bahr. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt der Schwarzwildspezialist!) Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sie von der politisch linken Seite hier im Parlament fordern immer die Solidarität der anderen ein und kritisieren uns, wenn wir auf die Eigenverantwortung des Einzelnen setzen. (Elke Ferner [SPD]: Eigenverantwortung heißt bei Ihnen Abzocke!) Für uns als christlich-liberale Koalition, Frau Kollegin Ferner und andere Kollegen, sind aber Eigenverantwortung und Solidarität überhaupt kein Gegensatz. Eigenverantwortung und Solidarität gehören zusammen; sie bedingen einander. Wir wissen, dass wir die richtigen Anreize für die Menschen brauchen, um auf Eigenverantwortung zu setzen. Kosten- und gesundheitsbewusstes Verhalten soll sich für die Versicherten lohnen. Sie können etwas für ihre Gesundheit tun, indem sie sich gesundheitsbewusst verhalten, indem sie auf ihre Gesundheit achten, indem sie sich gut ernähren, indem sie Sport treiben. (Elke Ferner [SPD]: Also selber schuld, wenn jemand krank ist, oder wie?) Allerdings, meine Damen und Herren, wissen wir auch, dass jeden der Schicksalsschlag einer schweren Krankheit ereilen kann, egal, wie gesundheitsbewusst man sich verhält. (Elke Ferner [SPD]: Das Schlimme ist, dass die Bevölkerung der Schicksalsschlag der schwarz-gelben Koalition ereilt hat!) Dafür braucht es eine gut finanzierte Krankenversicherung. Dafür braucht es die Solidarität aller, damit man sich darauf verlassen kann, dass es dann, wenn einen der Schicksalsschlag einer schweren Krankheit ereilt, ein stabiles Gesundheitssystem in Deutschland gibt, und dafür sorgen wir. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Aber wir wissen auch: Wenn immer nur die Solidarität der anderen eingefordert und gesagt wird, die anderen müssten solidarisch sein, dann wird in der Gesellschaft nicht die Bereitschaft dafür vorhanden sein, solidarisch füreinander einzustehen. Deswegen sagen wir: Wir setzen auf die Eigenverantwortung der Versicherten. Wir setzen auf die Mündigkeit des Patienten. Wir setzen darauf, dass die richtigen Anreize für kosten- und gesundheitsbewusstes Verhalten geschaffen werden, damit das Zusammenspiel von Eigenverantwortung und Solidarität funktioniert. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Elke Ferner [SPD]: Die Möglichkeit, abzuzocken! - Weiterer Zuruf von der SPD: Nettolüge, oder was?) Wir haben in Deutschland derzeit ein leistungsfähiges Gesundheitssystem, um das uns alle Länder um uns herum beneiden; denn sie wissen, dass wir in Deutschland den breitesten Leistungskatalog haben. Sie wissen, dass wir freie Arztwahl und freie Krankenhauswahl haben. Darum beneiden uns alle Länder um uns herum, weil sie wissen, dass wir den Zugang zu den notwendigen Leistungen eben nicht vom Geldbeutel abhängig machen. (Elke Ferner [SPD]: Das ist doch der Einstieg in die Kopfpauschale!) Aber wenn wir gleichzeitig wissen - die Kollegen haben es ja schon angesprochen -, dass aufgrund der Lasten, die durch eine alternde Bevölkerung und den medizinisch-technischen Fortschritt auf uns zukommen, Gesundheit in den nächsten Jahren nicht billiger, sondern teurer werden wird, (Elke Ferner [SPD]: Willkommen in der Realität!) dann dürfen wir die Lasten nicht einfach auf die kommenden Generationen und auf die kommenden Jahre verschieben. Wir müssen jetzt handeln und jetzt die richtigen finanziellen Entscheidungen treffen, damit das Ganze auch in den nächsten Jahren noch finanzierbar ist, (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen brauchen wir Beiträge auf alle Einkommen!) damit sich alle, Einkommensschwache wie Einkommensstarke, Kranke wie Gesunde, Junge wie Alte auf ein leistungsfähiges Gesundheitswesen verlassen können. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wenn ich Sie so höre, dann habe ich fast den Eindruck, als ob es hier im Parlament eine neue Krankheit gibt. Frau Ferner, ich nenne das bei Ihnen und den Kolleginnen und Kollegen der SPD politische Demenz; denn Sie erwecken den Eindruck, als ob alle Probleme, vor denen wir im Moment stehen, in den letzten neun Monaten unter einer FDP-Führung im Gesundheitsministerium entstanden sind. Ich will Ihnen das einmal beschreiben: Als Frau Schmidt uns im Jahre 2009 den Schlüssel für das Gesundheitsministerium gegeben hat, haben wir ein Defizit von 8 Milliarden Euro vorgefunden. (Elke Ferner [SPD]: Keinen Zusatzbeitrag haben Sie vorgefunden!) - Das tut weh. Tut die Wahrheit weh? Die Fakten scheinen wehzutun. - Für das Jahr 2010 haben wir ein Defizit von 11 Milliarden Euro vorgefunden. Meine Damen und Herren von der SPD, das ist Ihre Erblast, die wir zu schultern haben. Wir gehen Schritt für Schritt vor, um dieses Problem im Sinne der Versicherten und Patienten zu lösen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD) Frau Ferner, Sie erwecken den Eindruck, als ob alles nur teurer wird und nur die Versicherten die Lasten tragen müssen. Beschäftigen Sie sich doch einmal mit den Fakten! Nur rund 3 Milliarden Euro des von Ihnen hinterlassenen Defizits von 11 Milliarden Euro für das nächste Jahr werden von den Versicherten zu tragen sein. (Elke Ferner [SPD]: Wer regiert denn in den nächsten Jahren und jetzt schon fast ein Jahr? Ihr! - Jens Spahn [CDU/CSU], an die Abg. Elke Ferner [SPD] gewandt: So viel Aufregung ist nicht gesund, Frau Ferner!) Weitere rund 3 Milliarden Euro tragen die Arbeitgeber, rund 2 Milliarden Euro von diesem Defizit tragen die Steuerzahler, und 3,5 Milliarden Euro von diesem Defizit tragen die Leistungserbringer im Gesundheitswesen, nämlich die Krankenhäuser, die Ärzte, die Zahnärzte, die Pharmaindustrie und, Frau Kollegin Bender, auch die Apotheken, weil wir vor keinem haltmachen. Wir beziehen alle mit ein, wenn es um die Kosten im Gesundheitssystem geht. (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das möchte ich sehen!) Der Entwurf eines Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes wird ja am Freitag beraten. Darin ist vorgesehen, dass der Großhandelsrabatt, der den Apotheken gewährt wird, um knapp 400 Millionen Euro reduziert wird. Hier werden also auch die Apotheker einbezogen. Das heißt, auch bei den Apotheken wird gespart. Insofern will ich einmal festhalten: Das von der Koalition vorgelegte Konzept ist sozial ausgewogen und fair, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Oh!) weil alle an der Bewältigung des Defizits beteiligt werden: Arbeitgeber, Steuerzahler, Versicherte und Leistungserbringer im Gesundheitswesen. Deswegen ist das Konzept, das wir vorgelegt haben, ein wirklich tragfähiges, stabiles, gerechtes und transparentes Konzept zur Lösung der Probleme im Gesundheitswesen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das glaubt Ihnen kein Mensch! Da lachen ja die Hühner! - Elke Ferner [SPD]: Das glauben Sie nicht einmal selber!) Ich will Ihnen noch eines sagen: Wir haben einen Gesundheitsfonds mit gedeckelten Zusatzbeiträgen vorgefunden. Das haben Sie mit beschlossen. (Elke Ferner [SPD]: Haben Sie die Zeitung schon gelesen?) Frau Kollegin Ferner, ich will nur einmal darstellen, dass das Defizit, das Sie uns hinterlassen haben, damit nicht hätte getragen werden können; denn das System, das Sie uns hinterlassen haben, wäre zusammengebrochen, wenn wir nichts gemacht hätten. Stellen Sie sich einmal vor, wir wären bei Ihrem Konzept geblieben. (Elke Ferner [SPD]: Ihr Defizit ist das! - Weiterer Zuruf von der SPD: Neun Monate habt ihr Zeit gehabt!) Wir hätten dann massenweise Insolvenzen von Krankenkassen erlebt, weil wir mit diesem System eines Gesundheitsfonds mit gedeckelten Zusatzbeiträgen, das Sie durchgesetzt haben, gar nicht in der Lage gewesen wären, die Defizite, die es in der gesetzlichen Krankenversicherung gibt, zu schultern. (Zuruf von der SPD: Armutszeugnis!) Übrigens: Welche Krankenkassen hätte das denn betroffen? Das hätte besonders die Krankenkassen betroffen, die viele Geringverdiener als Mitglieder haben. An Ihrer Stelle würde ich uns also einmal dafür applaudieren, (Elke Ferner [SPD]: Nein! Darauf können Sie aber lange warten! Das erleben Sie nicht mehr! Sie nicht!) dass die FDP dafür gesorgt hat, dass gerade die Krankenkassen, die viele Geringverdiener als Mitglieder haben - Rentnerinnen und Rentner mit einem geringen Einkommen, Menschen, die arbeitslos sind oder nur ein geringes Einkommen haben -, durch unseren Vorschlag bessergestellt und nicht benachteiligt werden, (Elke Ferner [SPD]: Die zocken Sie jetzt ab!) weil es jetzt endlich einen wirklich fairen Wettbewerb zwischen den Krankenkassen gibt und dieser nicht mehr durch die Zusatzbeiträge verzerrt wird. Wir sorgen für einen wirklich fairen Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen. Dazu waren Sie nicht in der Lage. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Abzocken heißt das! Abgezockt werden die!) Ich will Ihnen noch einen weiteren Punkt nennen, weil das ja immer ein bisschen in Vergessenheit gerät. Die Zusatzbeiträge und der Gesundheitsfonds - das haben Sie vorgeschlagen - hätten gerade für die Geringverdiener mit einem Einkommen von bis zu 800 Euro zu gar keinem Sozialausgleich geführt. Sie hätten den vollen Zusatzbeitrag von 8 Euro tragen müssen. Erst wir haben dafür gesorgt, dass es jetzt einen Sozialausgleich gibt, sodass jeder nur einen Zusatzbeitrag bis maximal 2 Prozent seines Einkommens trägt. (Elke Ferner [SPD]: Kein Ausgleich! Sie wissen gar nicht, was sozial ist! Erst 1 Prozent, jetzt 2 Prozent! Was ist daran sozial?) Dadurch wird in den nächsten Jahren gerade den Geringverdienern dabei geholfen, einen Sozialausgleich in Anspruch nehmen zu können, sodass sie durch die Kostensteigerungen nicht belastet werden, mit denen wir im Gesundheitswesen in den nächsten Jahren zu rechnen haben. (Elke Ferner [SPD]: Eine doppelt so hohe Belastung ist sozial?) Insofern war es die CDU/CSU-FDP-Koalition, die hier für ein sozial ausgewogenes, stabiles und gerechtes Gesundheitsfinanzierungssystem gesorgt hat. Dazu waren Sie nicht in der Lage. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist ja auch klar - Sie müssen das ja eingestehen -; denn die SPD hatte hier eine ganz andere Aktuelle Stunde beantragt. Sie hatten eine Aktuelle Stunde mit dem Titel "Scheitern der Gesundheitsreform" beantragt. Aber wie ich heute Morgen festgestellt habe, haben Sie diesen Titel ändern müssen, weil auch Sie scheinbar nicht mehr von einem Scheitern der Gesundheitsreform sprechen können. (Elke Ferner [SPD]: Ich kenne nur den Titel, der eben vorgelesen worden ist! - Weiterer Zuruf von der SPD: Das Thema heißt Beitragssatzerhöhung!) Insofern haben wir mit diesen Vorschlägen, mit dieser Gesundheitsreform, die wir nun in Eckpunkten vorgelegt haben, anscheinend ein tragfähiges Konzept, sonst hätten Sie den Titel dieser Aktuellen Stunde nicht ändern müssen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Elke Ferner [SPD]: Sie sollten sich mal über das Scheitern der Regierung Gedanken machen!) Wir haben die letzten Monate gebraucht, um zu einem Kompromiss zu kommen. Das wollen wir gar nicht verhehlen. Es gab dazu auch unterschiedliche Programme in den einzelnen Parteien. Wir haben zu einem Kompromiss gefunden, in dem sich jede der drei Parteien wirklich wiederfinden kann, (Elke Ferner [SPD]: Warten Sie erst mal ab! - Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bleiben 4 Prozent übrig!) der tragfähig ist und die Interessen im Gesundheitswesen fair ausgleicht. Deswegen hat sich der Kollege Lauterbach ja während der Debatten in den letzten Wochen bei uns beschwert. Ich erinnere mich noch gut, Herr Kollege Lauterbach: Sie haben sich bei uns darüber beschwert, dass das Verhalten in der Koalition unfair sei, (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Absolut!) weil es Ihnen gar nicht mehr die Gelegenheit gebe, als Opposition wahrgenommen zu werden. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Nicht ganz! Aber keine Sorge!) Ich darf Ihnen ankündigen, Herr Lauterbach: Mit dem Kompromiss, den wir gestern gefunden haben, haben wir nicht nur ein stabiles, gerechtes und transparentes Gesundheitswesen aufgebaut, (Elke Ferner [SPD]: Das Gegenteil ist der Fall!) sondern wir haben auch dafür gesorgt, dass Sie Ihrer Oppositionsrolle wieder gerecht werden können. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Darauf können Sie sich verlassen, Herr Bahr! - Elke Ferner [SPD]: Warten wir mal ab!) Denn alle drei Parteien, die diese Koalition tragen, können mit diesem Kompromiss gut leben. Nun machen wir uns an die Arbeit, um dieses Konzept Schritt für Schritt umzusetzen. Das bedeutet für die Versicherten, dass sie den Zusammenhang zwischen Beitrag und Leistung einer Krankenversicherung wirklich wiedererkennen können. Es gibt keinen Einheitsbeitragssatz mehr, (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 4 Prozent! - Elke Ferner [SPD]: Die sind ganz begeistert, dass sie mehr bezahlen sollen! - Weiterer Zuruf von der SPD: Die werden dreimal abgezockt!) und egal, bei welcher Krankenversicherung man derzeit ist, alle werden gleich belastet. Für den Versicherten besteht jetzt der Vorteil, dass er seine Krankenversicherung wieder mit anderen Krankenversicherungen vergleichen kann. Er kann wieder sehen, was ihn eine Krankenversicherung kostet (Elke Ferner [SPD]: Das ist doch absurd, was Sie da erzählen! Besserverdienende zahlen weniger!) und welche Leistung er von der Krankenversicherung erhält. Das ist fairer Wettbewerb. Dazu waren Sie nicht in der Lage, weil Sie letztlich ein planwirtschaftliches, sozialistisches Gesundheitswesen wollten. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Aufhören!) Erst wir sorgen wieder für ein freiheitliches, transparentes und gerechtes Gesundheitswesen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Elke Ferner [SPD]: Ein freiheitliches Gesundheitswesen!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollegin Marlies Volkmer für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Marlies Volkmer (SPD): Herr Bahr, ich bin entsetzt über Ihren Realitätsverlust. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Ein Dreivierteljahr lang hat die Republik es ertragen müssen, wie die schwarz-gelbe Koalition um die Ausrichtung dieser Gesundheitsreform gestritten hat wie die Kesselflicker. (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Das ist jetzt vorbei! - Gegenruf des Abg. Christian Lange [Backnang] [SPD]: Es geht doch schon weiter! Ich habe Zitate aus dem Ticker gehört!) Ich erspare uns hier die unwürdigen wechselseitigen Titulierungen, die Sie sich an den Kopf geworfen haben. Aber worauf haben wir nun eigentlich gewartet? - Auf eine Beitragssatzerhöhung von 0,6 Prozentpunkten. (Otto Fricke [FDP]: Haben Sie?) Eine Beitragserhöhung, die niemand so sehr ausgeschlossen hat wie die FDP: Mehr Netto vom Brutto! - Und was ist es schließlich? - Es ist der fulminante Bruch eines Wahlversprechens. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aber es kommt noch schlimmer. Durch Ihre unverantwortlichen Zusatzbeiträge ohne Deckelung schmilzt das Netto der Arbeitnehmer wie der Schnee in der Sonne. Sie sollten offen sein: Diese Zusatzbeiträge sind die Kopfpauschale, und zwar eine Kopfpauschale ohne Sozialausgleich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Denn der ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht. Geradezu absurd ist der Kontext, in dem das alles geschieht: Kleckerbeträge für die Leistungserbringer; und die dramatischen Summen sollen die Versicherten stemmen - noch nicht im nächsten Jahr, aber in den darauf folgenden Jahren. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo sollen wir denn sparen? - Zuruf von der FDP: Machen Sie doch mal einen Vorschlag!) Warum bleiben eigentlich die Leistungserbringer ganz außen vor? (Jens Spahn [CDU/CSU]: Wen sollen wir denn reinnehmen?) Haben die vielleicht im Wahlkampf so viel gespendet, dass man sie jetzt nicht finanziell belasten kann? (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Ross und Reiter nennen! - Jens Spahn [CDU/CSU]: Welche denn?) Ganz stolz verweisen Sie darauf, welche großen Summen Sie im Arzneimittelbereich einsparen wollen. Leider sind das Potemkinsche Dörfer. Es ist nichts dahinter, (Zuruf von der CDU/CSU: Sind 1,6 Milliarden denn nichts? So ein Quatsch!) höchstens die Erhöhung des Herstellerabschlags. Aber auch dabei gibt es ja schon ganz viele Ausnahmeregelungen. Nach wie vor werden die Hersteller ihre Preise zunächst selbst festlegen. Sie werden die erwarteten Rabatte schon wieder eingepreist haben und sich unter großem Getöse von den Krankenkassen abhandeln lassen. (Zuruf von der FDP: Schon mal was vom Preismoratorium gehört? - Jens Spahn [CDU/ CSU]: Das ist übrigens die Debatte von Freitag!) So sparen Sie keinen Cent, insbesondere dann nicht, wenn der gemeinsame Bundesausschuss künftig Arzneimittel mit schlechter Kosten-Nutzen-Relation nicht mehr ausschließen kann. Der Gesundheitsminister hat gestern ausgeführt, dass in Zukunft pro Jahr ein Defizit von 2 Milliarden Euro erwartet wird. Sie haben auch ausgeführt, dass die Arbeitgeberbeiträge eingefroren werden. (Zuruf von der SPD: Pfui!) Das heißt, die Arbeitgeber beteiligen sich zukünftig nicht an den steigenden Kosten im Gesundheitsbereich. Das bedeutet unter anderem auch, dass es nur noch sehr wenige Anreize gibt, die Ausgaben für die ambulante Versorgung, die Pharmaindustrie und die Medizintechnik im Zaum zu halten. Der Deckel ist vom Topf. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo sollen wir den sparen? Sollen wir beim Pflegepersonal sparen?) Für die Versicherten bedeutet das nur eines: Sie zahlen die Zeche für eine völlig verfehlte Gesundheitspolitik, (Beifall bei der SPD) und zwar nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den kommenden Jahren und damit dauerhaft. Vor diesem Hintergrund kann ich nur feststellen: Ihr Konzept ist mit Abstand das Ungerechteste, was ich in den 20 Jahren, in denen ich mich mit Gesundheitspolitik befasse, erlebt habe. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Glauben Sie denn, was Sie sagen?) Mehr noch, das ist das Ende der Sozialpartnerschaft in der Krankenversicherung, einem zentralen Element der sozialen Marktwirtschaft. Das hat uns in den letzten Jahrzehnten den sozialen Frieden beschert. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Elke Ferner [SPD]: Davon haben die keine Ahnung!) Wie schon Frau Bender frage auch ich Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, die Sie doch die Kopfpauschale verhindern wollten, wie Sie heute Morgen in den Spiegel blicken konnten. (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Es gibt keine Kopfpauschale! Es bleibt bei der Familienversicherung! - Gegenruf des Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das ist eine Kopfpauschale, Herr Singhammer!) - Es ist eine Kopfpauschale ohne sozialen Ausgleich. Was die schwarz-gelbe Koalition macht, führt zu einer anderen Sozialkultur. Das ist auch bei den Ausführungen von Herrn Bahr sehr deutlich geworden, als er über Eigenverantwortung und Solidarität gesprochen hat. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Wunder-Bahr!) Für Schwarz-Gelb ist Eigenverantwortung nur die finanzielle Selbstbeteiligung der Patientinnen und Patienten. (Beifall bei der SPD) Was Schwarz-Gelb noch betreibt - die Eckpunkte sprechen hier Bände -, ist eine knallharte Klientelpolitik. (Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Für welches Klientel denn?) Das verbirgt sich hinter Ihren glatten Reden. Sie sollten wenigstens so ehrlich sein und das zugeben. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollege Rudolf Henke für die CDU/CSU-Fraktion. Rudolf Henke (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich habe Verständnis dafür, dass man die Art, in der die Koalitionsparteien den Weg zu dem Konzept, das gestern präsentiert worden ist, verfolgt haben, zum Anlass für oppositionelles Vergnügen nehmen kann. Ich habe Verständnis dafür, dass man die Dauer der Vorbereitung kritisch bewerten kann. Ich habe sogar Verständnis dafür, dass man als Oppositionspartei bedauern kann, dass es jetzt zu einer Einigung und zu einem gemeinsamen Konzept gekommen ist, (Elke Ferner [SPD]: "Konzept" ist übertrieben! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Von "gemeinsam" kann wohl keine Rede sein! Was sagt die CDA dazu?) weil einem damit ein Stück der eigenen bisher vorgetragenen Argumentation verloren geht. Aber ich finde, es müsste jetzt möglich sein, wenigstens zu einer halbwegs sachlichen Diskussion über das, was wirklich vorgeschlagen worden ist, was wir beabsichtigen und was Sie dagegenstellen, zu kommen. Aber Sie versuchen jetzt in der Trauer darüber, dass Ihnen das Argument der Kopfpauschale aus der Hand geschlagen worden ist, dieses Phantom mit einer Reanimationsmethode wiederzubeleben, die nicht wirken wird. Das ist das Problem. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen, die Sie angesprochen haben. Frau Volkmer, Sie haben gesagt, das sei das Schrecklichste, was Sie in den letzten 20 Jahren erlebt haben; damit gehe die Sozialpartnerschaft zu Ende. Sie begründen das mit den Unterschieden in dem, was der Einzelne für die Vorsorge im Gesundheitswesen leistet. Wenn Sie seit 20 Jahren aktiv dabei sind, dann werden Sie sich doch noch selbst an die Zeiten erinnern, in denen es einen Beitragsunterschied zwischen unterschiedlichen Krankenkassen gab, der von 10,9 Prozent bis 16,9 Prozent zur gleichen Zeit gereicht hat. (Elke Ferner [SPD]: Aber solidarisch finanziert!) Dieses System, das damals galt, haben Sie doch als solidarisches System verteidigt und für richtig gehalten. (Elke Ferner [SPD]: Aber das ist nicht mit Kopfpauschale gemacht worden!) Jetzt sagen Sie, der Zusatzbeitrag, der vielleicht bei 8 Euro liegt, sei das Ende der Sozialpartnerschaft, das Ende der Solidarität und das Ende und der Untergang des Sozialstaats Deutschland. (Elke Ferner [SPD]: Und Ihrer Regierung!) Das zeugt doch von Blindheit auf einem Auge, das ist eine doppelbödige Argumentation. Die muss man doch klar zurückweisen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Jetzt geht Schwarz-Gelb auch unter!) Wenn Sie wenigstens Ihrerseits Vorschläge zum Sparen machen würden, wenn Sie das unterlegen würden, wäre ich dankbar. Sie gebrauchen das Wort "abgezockt". (Elke Ferner [SPD]: Ja, abgezockt!) Sie sagen: Das sind Kleckerbeträge. Ich kann mich an jemanden in Deutschland erinnern, der einmal von "Peanuts" sprach. Sie bezeichnen eine Einsparung von 500 Millionen Euro bei den Krankenhäusern als Kleckerbetrag. (Elke Ferner [SPD]: Wer hat das gesagt?) Sie bezeichnen eine Einsparung von 350 Millionen Euro bei den niedergelassenen Ärzten als Kleckerbetrag. (Elke Ferner [SPD]: Die Ärzte werden jetzt mehr bekommen!) Sie bezeichnen den Einschnitt von 350 Millionen Euro im Arzneimittelgroßhandel, von dem rund die Hälfte an die Apotheker weitergegeben wird, als Kleckerbetrag. Ich könnte die Aufzählung fortsetzen. Was ist das eigentlich für ein Umgang mit den Menschen, die in diesen Bereichen hart und ehrlich arbeiten? (Elke Ferner [SPD]: Ihr Blutdruck steigt!) Vor zwei Jahren haben Sie, Frau Ferner, Frau Volkmer und Herr Lauterbach, gemeinsam mit der Union einen Zuwachs in diesen Bereichen beschlossen. 2008 haben Sie gemeinsam mit der Union einen Zuwachs von 3,5 Milliarden Euro im Bereich der ambulanten Medizin und einen Zuwachs von 3,5 Milliarden Euro im Bereich der Krankenhäuser versprochen. Jetzt, da wir dieses Versprechen halten - trotz Krise - (Elke Ferner [SPD]: Sparen Sie jetzt? Was machen Sie denn jetzt?) und es mit 3,9 Milliarden Euro im Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz abgesichert haben, jetzt, da wir zusätzlich 2 Milliarden Euro aus Steuermitteln einsetzen, um dieses Versprechen zu halten, fordern Sie höhere Sparbeiträge. Woher kommen Sie eigentlich, wohin wollen Sie eigentlich? Was ist eigentlich Ihr Standpunkt? Ich erkenne ihn nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Elke Ferner [SPD]: Wo ist Ihr Blutdruck? Ihr Blutdruck, Herr Kollege!) Ich glaube nicht, dass wir es generell mit überhöhten Preisen im Gesundheitswesen zu tun haben. (Elke Ferner [SPD]: Man sollte den Rettungswagen anrufen!) Den Arzneimittelbereich werden wir jetzt mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz neu ordnen. Wir werden für faire Preise sorgen. Überall sonst haben wir es nicht mit überhöhten Preisen zu tun. Die Kostenentwicklung ist Ausdruck des Werts unseres Gesundheitssystems. In den letzten hundert Jahren haben wir fast 30 Jahre an Lebenserwartung gewonnen. Heute sterben auf 100 000 Einwohner durchschnittlich 65 Menschen weniger an bösartigen Tumoren als noch in den 80er-Jahren. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen. Rudolf Henke (CDU/CSU): Der letzte Satz, Herr Thierse. - Bei der zweiten großen Gruppe der Volkskrankheiten, bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ist die Sterberate seit 1980 aufgrund neuer Medikamente weiter gesunken. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Wo ist der Zusammenhang mit der Kopfpauschale?) Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bei Krebserkrankungen, den großen Killern, haben wir dank eines leistungsfähigen Gesundheitswesens Erfolge erzielt. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege. Rudolf Henke (CDU/CSU): Unser Gesundheitswesen ist sein Geld wert. Ich finde, wir haben ein ausgewogenes Konzept. Sie aber verharren in einer Kritik, die parteipolitisch motiviert ist, polemisch vorgetragen wird und mit wenig intellektueller Auseinandersetzung verbunden ist. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Christian Lange [Backnang] [SPD]: "Mehr Netto vom Brutto": Was ist das Ergebnis?) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollege Lars Lindemann für die FDP-Fraktion. Lars Lindemann (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat hat die SPD-Fraktion zu Recht heute eine Aktuelle Stunde beantragt; denn wir haben ohne Zweifel Wichtiges zu besprechen. (Zuruf von der SPD: Warum widersprechen Sie sich jetzt? - Elke Ferner [SPD]: Da fragt man sich, warum Sie sie nicht beantragt haben!) - Nun hören Sie doch erst einmal zu. - Meine lieben Kollegen von der SPD, wenn ich mir dann aber Ihre Statements hier im Plenum anhöre und anschaue, was Sie in der Presse bereits dazu veröffentlicht haben, finde ich das schon ziemlich enttäuschend. Der Kollege Lauterbach hat zwar angekündigt, dass er sich erst wieder substanziell äußern wird, wenn er Regierungsverantwortung übernommen hat. (Ulrike Flach [FDP]: Das wäre schön!) Sie sehen aber, dass es dazu nicht kommt. (Elke Ferner [SPD]: Das könnte schneller gehen, als Sie denken, Herr Kollege!) Also werden Sie doch irgendwann einmal sagen müssen, was Sie in der Sache wollen. Dass Sie einfach mit dieser pauschalen Kritik fortfahren und nicht selber sagen wollen, wie es denn eigentlich gemacht werden soll, finde ich sehr bedauerlich. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sagen Sie doch einmal etwas zu "Weniger Netto vom Brutto"!) Dass die SPD sich hier von jeder vernunftgeleiteten Begleitung einer sehr vernünftigen Reform verabschiedet, Herr Kollege, finde ich ganz persönlich - das sage ich Ihnen offen - mehr als enttäuschend. (Beifall bei der SPD - Elke Ferner [SPD]: Haben Sie heute schon mal Zeitung gelesen? - Dr. Karl Lauterbach [SPD]: 4 Prozent sind schon enttäuschend!) Im Kern geht es bei Ihren Statements jeweils um drei Punkte, und zwar erstens den Ablauf - wie zu dem Reformpaket gefunden wurde und dessen Ergebnisqualität -, zweitens den angelegten und von Ihnen nicht gewollten Systemumstieg bei der Finanzierung sowie drittens die Verteilung der Lasten zwischen den Beteiligten. Lassen Sie mich dazu einige Dinge sagen. Zunächst kann man feststellen, dass das Ziel der Reform mit den angegangenen Maßnahmen erreicht wird. Erstens. Die Solvenz der Kassen und deren Leistungsfähigkeit im System werden erhalten. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Die Insolvenz!) Zweitens. Es wird ein wettbewerbliches Element in das System zurückgebracht. Drittens. Wir entkoppeln die Arbeits- von den Gesundheitskosten. Damit zeigt die Koalition, dass sie in der konkreten Situation sehr wohl handlungsfähig ist. Das gefällt Ihnen nicht. Aber Sie werden damit leben müssen. (Beifall bei der FDP - Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Nein, nein, das macht die Opposition leichter!) Darüber hinaus zeigt die Koalition, dass wir in der Lage sind, Ansätze für weitere Reformschritte zu schaffen. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das finden wir gut; denn das hilft bei der Abwahl!) Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: "Aufhören!", kann man da nur sagen!) wenn wir von Ihnen auf dem Weg dorthin stets nur mit Spott und Häme begleitet werden (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Dann machen Sie bessere Vorschläge!) - und vielleicht ab und zu auch mit der Beschreibung eines Quäntchens Wahrheit, lieber Herr Kollege Lauterbach -, dann sage ich Ihnen hier: Ja, das ist richtig. Es war nicht einfach, dahin zu kommen. Aber in dieser Koalition werden die Dinge eben miteinander ausgetragen. (Lachen bei der SPD) Wir geben in der Sache nicht auf, wie Sie das getan haben. In Ihrer Regierungszeit standen Sie vor den gleichen Problemen. Sie haben allerdings schon kapituliert, als sie sich andeuteten, während diese Koalition nun Lösungen anbietet. Auf der Suche nach diesen Lösungen mussten wir selbstverständlich auch verschiedene Interessen innerhalb dieser Koalition integrieren. Dazu stehen wir auch. Diese Integration hat Philipp Rösler geschafft. Dafür gebührt ihm der Dank dieser Regierungskoalition; (Zuruf von der FDP: Eigentlich des ganzen Hauses!) denn damit ist ein Reformprojekt auf den Weg gebracht worden, welches Sie in Ihrer gesamten Zuständigkeit für das Ministerium nicht haben auf den Weg bringen können. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Herr Singhammer, mitklatschen!) Lassen Sie mich nun zur Verteilung der Lasten kommen. Ich bin schon ziemlich beeindruckt davon, dass Sie ganz pauschal weitere Einsparungen fordern, Frau Kollegin Ferner; jetzt ist sie nicht mehr da. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die kommt wieder!) Dann erklären Sie doch einmal konkret, wie das in Krankenhäusern in diesem Land gemacht werden soll. Wie wollen Sie bei der gerade schon angesprochenen Personalkostenquote denn noch kürzen? (Zuruf von der LINKEN) - "Tarifverträge" ist das richtige Stichwort. Erklären Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern doch einmal, worauf Sie dabei zielen. Sie können auf gar nichts anderes zielen, wenn Sie weiterhin pauschale Nullrunden fordern. Genau das hat diese Koalition nicht getan. Vielmehr hat sie sich um eine differenzierte Lösung bemüht. Darauf kommt es in den heutigen Zeiten an. Dass auch schwierige Fragen in diesem System von dieser christlich-liberalen Koalition gelöst werden können, haben wir bewiesen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Schwarz-gelbes Chaos!) Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollegin Mechthild Rawert für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Mechthild Rawert (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure sehr, dass bisher viel zu wenig auf die heutige Presse eingegangen worden ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Wir sind hier im Deutschen Bundestag!) - Danke für die Reaktion. - Die Presse spricht es genau aus. Ich habe keinen einzigen Artikel gefunden, in dem Ihr Reförmchen gelobt worden wäre. Die meisten Journalisten haben darauf Bezug genommen, dass Sie sich hier quasi ein Reförmchen gebacken haben, das eine Lizenz zum Auspressen der Beitragszahler und Beitragszahlerinnen ist, (Rudolf Henke [CDU/CSU]: Wer presst die denn aus?) und dass dieses Reförmchen auch einem Ankündigungsminister nicht gerecht wird. Herr Henke, Sie sprachen von einem Phantom der Kopfpauschale. In diesem Fall haben Sie nicht recht: Die Kopfpauschale kommt. Denn Sie haben sie beschlossen. Der Zusatzbeitrag ist eine Kopfpauschale. Herr Lindemann, Sie haben gesagt, dass in dieser Koalition alles ausgetragen worden ist. Ja, es ist richtig: Sie haben neun Monate gebraucht, um überhaupt zu irgendeinem Ergebnis zu kommen. (Beifall des Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD]) Schon Horaz sagte: "Der Berg kreißte und gebar eine Maus." Es ist damit zu rechnen, dass für 2011 ein Vorschaltgesetz verabschiedet wird. Wir werden dann sehen, von wem die weiteren Kosten getragen werden. Sie sprechen hier von Eigenverantwortung und Solidarität. All Ihre Ankündigungen, bei Leistungserbringern und Lobbyisten 4 Milliarden Euro einzusparen, sind nebulös. Es wird unsolidarisch zugehen. Es wird so sein, dass Leistungserbringer, Ärzte, Apotheker und all die anderen, die meine Kollegen und Kolleginnen schon erwähnt haben, diesen Leistungsbeitrag nicht als Einsparmaßnahme erbringen werden. Ich bin gerne bereit, darüber eine Wette einzugehen. (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Was wetten Sie denn?) Aber fest steht, dass Sie die Versicherten als Melkkühe missbrauchen werden. Gott sei Dank gibt es in Ihren Fraktionen mittlerweile Sozialpolitiker, die dies erkannt haben. Wir werden eines sehen - ich bin Gewerkschaftsmitglied, und ich bin mir sicher, auch auf der rechten Seite dieses Hauses gibt es vereinzelt Gewerkschaftsmitglieder -: (Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Stimmt!) Es wird zu einer massiven Konfrontation zwischen den Gewerkschaften, zwischen arbeitnehmerfreundlichen Institutionen und dieser Regierung kommen, weil Sie eine einseitige, unsolidarische Belastung vornehmen. Wir werden uns das nicht bieten lassen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Noch etwas zum Thema "Eigenverantwortung und Solidarität". Jeder Arzt steht auf der stärkeren Seite. Ein Patient ist im Arzt-Patient-Verhältnis auf Wahrheit angewiesen. Jeder Arzt kann einem Laien - das bin ich in der Regel - erklären, was er braucht. Warum gibt es denn in München mehr Herzkatheter als in ganz Norditalien? Wahrscheinlich nicht nur, weil die Ärzte in München besser sind, sondern auch, weil sie verkaufstüchtiger sind als diejenigen in Norditalien. Warum wird mittlerweile so viel über IGeL-Leistungen geklagt? Weil die Ärzte auch außerhalb des medizinisch Notwendigen ihre Geschäfte machen. Patienten und Patientinnen sind auf sachgerechte Informationen angewiesen. (Rudolf Henke [CDU/CSU]: Setzen Sie mal so fort! Das gefällt mir gut!) Kommen wir zum Thema Parität. Schwarz-Gelb hat Parität neu definiert. Das Wort "Parität" ist abgeleitet vom Lateinischen "par": gleich, gleich stark. Was machen Sie? Die Beiträge werden auf 7,3 Prozent festgesetzt. Die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen werden allerdings um 0,9 Prozentpunkte erhöht. (Rudolf Henke [CDU/CSU]: Das wurde von Rot-Grün beschlossen! Sie haben die 0,9 beschlossen!) Hinzu kommen die explosionsartig steigenden Zusatzbeiträge, "kleine Kopfpauschalen" genannt. Hierzu sage ich Ihnen voraus: Wir werden uns das als Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, als Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen in dieser Form nicht gefallen lassen. (Beifall bei der SPD) Der Wegfall der Deckelung von 1 Prozent und die von Ihnen beschlossene Erhöhung der Pauschale auf 2 Prozent werden noch zu vielfältigen Irritationen und Auseinandersetzungen führen, sodass ich mir weitere Ausführungen dazu im Augenblick sparen kann. Ich möchte schließen mit dem, was Frau Merkel 2003 in Leipzig gesagt hat: Es ist Teil unseres christlichen Menschenbildes, dass die Gesundheit jedes einzelnen Menschen, ob Sekretärin oder Chef, gleich viel wert ist. Deshalb sind die Kosten, die für die Gesundheit der Sekretärin und des Chefs anfallen, gleich hoch. Anders geht es nicht, ansonsten sind wir bei einer Zweiklassenmedizin. Diese Überlegungen ergeben eine Prämie ... Wir haben die Zusatzprämie. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Mechthild Rawert (SPD): Tatsache ist: Die Sekretärin zahlt mehr, der Chef wird weniger zahlen. Aber wir werden noch sehen, wie wir seitens der Opposition unseren aktiven Beitrag zu einem besseren Gesundheitssystem gestalten. Einen wunderschönen Tag! (Beifall bei der SPD - Rudolf Henke [CDU/ CSU]: Schlagen Sie mal was vor! - Heinz Lanfermann [FDP]: Dann macht doch Vorschläge!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollegin Karin Maag für die CDU/ CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Karin Maag (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schön, dass Sie - ich rede jetzt direkt mit der SPD und den Linken - je einzeln - Gott sei Dank haben wir morgen dieselbe Diskussion noch einmal - (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das ist ein anderes Thema!) zum Sturm auf die Regierung geblasen haben. Liebe Frau Ferner, liebe Frau Rawert (Zuruf von der CDU/CSU) - Frau Ferner ist wieder da -, (Heinz Lanfermann [FDP]: Ja, ist wieder da!) ich habe erwartet, dass Sie nicht dieselben Reden hervorziehen, die Sie seit einem Dreivierteljahr halten, (Elke Ferner [SPD]: Sie machen leider nie eine andere Politik! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie veranstalten seit einem Dreivierteljahr das gleiche Chaos!) sondern eine Rede halten, in der Sie auf das Ergebnis eingehen. Aber in Gottes Namen, wir können damit leben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Heinz Lanfermann [FDP]: Vielleicht wird es morgen besser!) Ich sage Ihnen jetzt einfach erst einmal vielen Dank für so viel heiße Luft. (Elke Ferner [SPD]: Was haben Sie denn bisher Substanzielles gesagt?) Jetzt komme ich zu dem, was uns vorgeworfen wird. Ich sage dazu: Wir machen Deutschland fit für die Zukunft. Unser Gesundheitspaket ist ein Baustein eines Programms. (Elke Ferner [SPD]: Das Programm heißt "Abzocken bei den Kleinen"!) Dazu gehört vor allem, dass wir Deutschland aus der größten Wirtschaftskrise bisher geführt haben. Wir haben ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz geschaffen, (Elke Ferner [SPD]: Verhinderungsgesetz! Mövenpick!) mit 8,5 Milliarden Euro Entlastung für Familien. Wir haben mit Steuersenkungen für eine Entlastung von 25 Milliarden Euro gesorgt. Allein die steuerliche Absetzbarkeit der GKV-Beiträge bringt deutlich mehr Netto vom Brutto. (Elke Ferner [SPD]: Da kriegt der Chef auch mehr als die Sekretärin!) Wir haben es in der Krise geschafft, die Lohnzusatzkosten nicht steigen zu lassen. Nur zur Erinnerung: Von Ihnen haben wir aus der letzten Legislaturperiode einen Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 Pro-zent übernommen. Wir sind jetzt bei 2,8 Prozent. Selten, Frau Bunge, mussten Arbeitnehmer weniger zahlen. Das ist einfach eine Tatsache. Jetzt schaffen wir die Schuldenbremse. Nur am Rande: In NRW, (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Abgewählt! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Eine Abwahl nach der anderen, da haben Sie Recht!) wo Sie jetzt wieder die Regierung stellen, gehen Sie in die Neuverschuldung. Der Bund spart. Der Bund senkt. Insoweit brauchen wir uns hier von Ihnen nicht belehren zu lassen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) All das hat auch Wirkung gezeigt. Wir liegen jetzt mit 3,1 Prozent bei der Arbeitslosigkeit im Bereich des Wertes von vor der Krise. Die Wirtschaft ist wieder angesprungen. (Elke Ferner [SPD]: "Trotz dieser Regierung", muss man sagen!) Lieber Herr Lauterbach, das Wunder von Berlin findet tatsächlich statt. Jetzt komme ich ganz konkret zur Gesundheit. Man kann es nicht oft genug sagen: Die gesundheitliche Versorgung bei uns im Lande ist gut. Sie wird mit dem medizinischen Fortschritt natürlich teurer, nie mehr billiger, und das müssen Sie den Menschen erklären! Ich nenne die Transplantationsmedizin; inzwischen Regelversorgung. Ich nenne die Kardiologie, die kostenintensive Prä- und Neonatalmedizin. Meine Kollegen haben es bereits gesagt: Wir haben eine Antwort gegeben auf ein von den gesetzlichen Kassen prognostiziertes Defizit von 9 bis 11 Milliarden Euro, das Sie mit verursacht haben. Wir erreichen in einem ersten Schritt Einsparungen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro in 2011 und in Höhe von 4 Milliarden Euro in 2012. Natürlich kann man in allen Bereichen noch mehr sparen. Der Gesundheitsbereich ist aber ein Wachstumsmarkt; das verkennen Sie, meine Damen und Herren. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Gratwanderung zwischen "Wachstum zulassen" und "Kosten in den Griff bekommen" vernünftig geschafft haben. (Zuruf der Abg. Elke Ferner [SPD]) - Liebe Frau Ferner, Sie haben vorher geredet. Wenn Sie nicht Ihre Nullachtfünfzehn-Rede gehalten hätten, müssten Sie jetzt nicht dauernd dazwischenrufen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gleichzeitig verbessern wir die Strukturen und schaffen mehr Transparenz. Mit dem Konjunkturpaket II haben wir zum 1. Januar 2009 für die Versicherten den Kassenbeitragssatz gesenkt. Jetzt, am Ende des Tunnels, wenn die Wirtschaft wieder anspringt, halte ich es geradezu für selbstverständlich, diese Senkung wieder auslaufen zu lassen. Das heißt, wir kehren zum Satz von 15,5 Prozent zurück. Aber natürlich haben wir auch 6 Milliarden Euro zusätzlich im Fonds für die Kassen und damit für die Versicherten. Wir haben es auch geschafft, wie wir von Anfang an gesagt haben, den Arbeitgeberbeitrag jetzt auf 7,3 Prozent festzuschreiben - das schaffen wir mit der Streichung der Gleitklausel - und, wie versprochen, die Krankenversicherungskosten dauerhaft von den Arbeitskosten zu entkoppeln. Wir sichern damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, den Aufschwung und vor allen Dingen die Arbeitsplätze in Deutschland. Wir machen die Kassen zukunftsfest. Wir sparen; gleichzeitig werden die Einnahmen erhöht, und es wird vor allen Dingen der Wettbewerb zwischen den Kassen für die Bürger über den Zusatzbeitrag endlich in Euro und Cent sichtbar. Die Wahrheit ist immer konkret. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das stimmt allerdings! Bitter ist sie vor allem!) Bevor Sie jetzt also mit weiteren Horrorszenarien die Bürger verunsichern, lassen Sie mich sagen: Das System 2011 ist ausfinanziert. Es sind nach den Berechnungen des Bundesversicherungsamtes keine weiteren Zusatzbeiträge notwendig. Der Zusatzbeitrag wird bis 2014 im Monat 16 Euro nicht überschreiten. (Elke Ferner [SPD]: Wollen Sie darauf wetten?) - Ich wette mit Ihnen. Auch darauf bin ich stolz: Wir haben den Sozialausgleich entgegen Ihren Unkenrufen tatsächlich geschafft. Wir schützen die Schwächeren in der Gesellschaft. Übersteigt der Zusatzbeitrag 2 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens, wird automatisch, ohne dass ein Antrag gestellt werden muss, der Mehrbetrag ausgeglichen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Ja, bitte!) Karin Maag (CDU/CSU): Ich komme zum Ende. - Wir werden die weiteren Strukturreformen anpacken. Wir tun das, was Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in den letzten elf Jahren nicht geschafft haben: Wir sichern die Zukunft der GKV. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestag auf morgen, Donnerstag, den 8. Juli 2010, 9 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen, erfolgreichen Fußballabend. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 17.01 Uhr) Redetext Sevim Daðdelen Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Buchholz, Christine DIE LINKE 07.07.2010 Friedhoff, Paul K. FDP 07.07.2010 Gabriel, Sigmar SPD 07.07.2010 Golombeck, Heinz FDP 07.07.2010 Groschek, Michael SPD 07.07.2010 Herrmann, Jürgen CDU/CSU 07.07.2010 Dr. Hoyer, Werner FDP 07.07.2010 Dr. Lauterbach, Karl SPD 07.07.2010 Liebich, Stefan DIE LINKE 07.07.2010* Nietan, Dietmar SPD 07.07.2010 Schipanski, Tankred CDU/CSU 07.07.2010* Schreiner, Ottmar SPD 07.07.2010 Wolff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 07.07.2010 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 07.07.2010 Zapf, Uta SPD 07.07.2010 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung der OSZE Anlage 2 Neuabdruck einer Erklärung der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur (UNAMID) auf Grundlage der Resolution 1769 (2007) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007 und Folgeresolutionen (49. Sitzung, Tagesordnungspunkt 9 b) Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufgeführt. Ich erkläre, dass mein Votum "Ja" lautet. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 10): Mit welchen Maßnahmen plant die Bundesregierung, der Entwicklung in zahlreichen Bundesländern und Kommunen entgegenzuwirken, die aufgrund ihrer Haushaltslage, wie in Presseveröffentlichungen, zum Beispiel in Spiegel Online vom 1. Juli 2010 ("Extreme Haushaltsnot - Kommunen planen Schock-Programm") dargestellt, insbesondere die Ausgaben für Bildung und Betreuung kürzen? Aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Haushaltsautonomie der Länder bzw. der Finanzhoheit der Kommunen erstellen Länder und Kommunen ihre Haushalte selbstständig und unabhängig vom Bund. Es wird darauf hingewiesen, dass das zwischen Bund und Ländern im Oktober 2008 vereinbarte und am 16. Dezember 2009 bestätigte Ziel, gesamtstaatlich 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung aufzuwenden, weiterhin gilt. Die Bundeskanzlerin hat in diesem Zusammenhang bereits angeboten, dass der Bund einen erhöhten Anteil von 40 Prozent der Lücke zur Erreichung dieses Ziels trägt. Im Übrigen hat die von der Bundesregierung eingesetzte Gemeindefinanzkommission im März dieses Jahres ihre Tätigkeit zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Neuordnung der Gemeindefinanzierung aufgenommen. Ziel der Kommission ist es, die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen zu sichern. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Frage 11): Wie hoch war der rechnerische Anteil der Aktivität in der sogenannten Atomsuppe - HAWC - der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe, WAK, vor Beginn des Verglasungsbetriebs, der auf die bestrahlten Brennelemente aus dem Mehrzweckforschungsreaktor, MZFR, zurückzuführen ist, wenn man anhand der Abbrandwerte und Schwermetallmassen der an die WAK abgelieferten bestrahlten Kernbrennstoffe eine näherungsweise Abschätzung vornimmt, wie sie in Bundestagsdrucksache 16/14113, Antwort auf meine schriftliche Frage 66, für den Anteil der Aktivitäten im HAWC aus den bestrahlten Brennelementen der kommerziellen Kernkraftwerke von der Bundesregierung vorgenommen wurde? Bekannt und in Tabellen über die Wiederaufarbeitungskampagnen veröffentlicht sind Menge und Abbrand der bei der WAK GmbH angelieferten Brennelemente. Die Anlieferungsdaten bezogen sich nicht auf die Aktivität, diese ergibt sich aus dem Abbrand, der Kühlzeit und anderen Parametern der Brennelemente. Eine genaue Bestimmung des rechnerischen Anteils an der Gesamtaktivität des HAWC bedarf aufwendiger Berechnungen, die in der Kürze der für die Beantwortung von mündlichen Fragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht geleistet werden können. Zudem ist eine solche Berechnung mit großen Unsicherheiten behaftet, da es auf das Ergebnis viele Einflussgrößen gibt. Die Aussage in der Antwort auf Frage 66 der Bundestagsdrucksache 16/14113 basierte daher auf einer Abschätzung. Anlage 5 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen der Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) (Drucksache 17/2371, Fragen 15 und 16): Welche Planungen der Bundesregierung gibt es für die Fortführung des seit Mitte 2010 bestehenden Stipendienprogramms des Kompetenzzentrums Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, AKBP, des Instituts für Auslandsbeziehungen, und aus welchen Haushaltstiteln bzw. aus welchen weiteren Mitteln soll die Fortführung gewährleistet werden? Wenn eine prinzipielle Fortführung des Stipendienprogramms des Kompetenzzentrums AKBP des Instituts für Auslandsbeziehungen geplant ist, wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass es eine nachhaltige Wirkung entfalten kann, und in welcher Höhe sind Mittel für 2011 und die folgenden Jahre eingeplant? Zu Frage 15: Das Kompetenzzentrum des Instituts für Auslandsbeziehungen, ifa, erhielt aufgrund einer Entscheidung in der Bereinigungssitzung für den Bundeshaushalt 2010 erstmals Mittel durch eine Aufstockung der Institutionellen Förderung des ifa, Titel 687 47 EN 1.3. Der Haushalt 2011 ist dadurch gekennzeichnet, dass alle institutionell geförderten Zuwendungsempfänger ihre Verwaltungskosten auf dem Niveau des Jahres 2009 einfrieren sollen. Eine konkrete Aussage zum Haushalt 2011 kann erst nach dem parlamentarischen Verfahren gegeben werden. Zu Frage 16: Die nachhaltige Wirkung des Stipendienprogramms im Rahmen des Kompetenzzentrums hängt primär von der konzeptionellen Ausgestaltung des Programms ab. Das Institut für Auslandsbeziehungen, ifa, hat seine konzeptionellen Vorstellungen bislang noch nicht vollständig vorgelegt. Die nach bisherigem Stand gerade in der Anfangsphase notwendigen Mittel dürften relativ bescheiden sein. Sie dürften im Rahmen der erhöhten Mittel für die institutionelle Förderung des ifa, das heißt der Verlagerung erheblicher Projektmittel in die institutionelle Förderung im Haushalt 2010, oder aber auch aus dem Titelansatz für Stipendien - 0504-681 11 - ohne Schwierigkeiten aufzubringen sein. Anlage 6 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Edelgard Bulmahn (SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 17): Welche Pläne hat die Bundesregierung zur Einführung einer Budgetierung der Zuwendungen an das Institut für Auslandsbeziehungen? Die grundsätzliche wünschenswerte Einführung der Budgetierung der Zuwendungen an das Institut für Auslandsbeziehungen wird im Lichte der Ergebnisse zu erwägen sein, die sich aus der Prüfung der Budgetierung anderer Zuwendungsempfänger durch den Bundesrechnungshof ergeben. Diese liegen jedoch der Bundesregierung noch nicht vor. Anlage 7 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 18): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Profiteure sowie die Herkunft der mindestens 3,18 Milliarden US-Dollar Bargeld, welche Medienberichten zufolge (zum Beispiel The Wall Street Journal vom 28. Juni 2010, die tageszeitung vom 29. Juni 2010) von Anfang 2007 bis Februar 2010 über den afghanischen Flughafen Kabul laut dem dortigen Zollchef ausgeflogen wurden, als Bruchteil der insgesamt aus dem Land geschafften Gelder bei 13,5 Milliarden US-Dollar afghanischem Bruttosozialprodukt, und welche Konsequenzen wird die Bundesregierung zusammen mit anderen in Afghanistan engagierten Nationen gegen derlei ergreifen, insbesondere um solch zweckentfremdende Unterschlagung deutscher und internationaler Finanzhilfen wirkungsvoll zu verhindern? Diese Berichte sind der Bundesregierung bekannt. Sie verfügt derzeit jedoch über keinerlei Erkenntnisse, die eine substanziierte Stellungnahme ermöglichen würden. Was konkret die Mittel der Bundesregierung für Wiederaufbau und Entwicklungshilfe anbelangt, gibt es bisher keine Anhaltspunkte für Veruntreuung. Die Mittel der Bundesregierung zum Wiederaufbau und zur Entwicklung fließen nicht direkt in den Staatshaushalt der afghanischen Regierung oder einzelner Provinzverwaltungen, vielmehr werden die Mittel in Form von einzelnen mit der afghanischen Regierung verhandelten Vorhaben und Projekten, aber auch über internationale Trust Funds eingesetzt. Etablierte Mechanismen zur Projektüberwachung und zur Kontrolle der Mittelverwendung sowie ein Berichtswesen mit strengen Standards sichern die Überwachung und den Nachweis über den Verbleib der eingesetzten Gelder. Der Bundesregierung ist bekannt, dass Korruption in Afghanistan ein umfassendes Problem ist. Daher spricht die Bundesregierung auch kontinuierlich über dieses Thema mit afghanischen Regierungsvertretern und fordert von der afghanischen Regierung immer wieder konkrete Schritte zur Korruptionsbekämpfung. Auf der Londoner Afghanistan-Konferenz im Januar 2010 sagte die afghanische Regierung zu, ihren Kampf gegen Korruption und für Transparenz zu verstärken. Die Bundesregierung unterstützt die afghanische Regierung weiterhin im Kampf gegen die Korruption. Sie wird auch bei der Afghanistan-Konferenz in Kabul am 20. Juli 2010 darauf hinwirken, dass die afghanische Regierung wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption und Veruntreuung ergreift. Mit ihren Projekten und Programmen stärkt die Bundesregierung die afghanische Verwaltung und fördert gute Regierungsführung. So werden Vorhaben zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und des Verwaltungsaufbaus unterstützt und Experten über den Offenen Politikberatungsfonds zum Aufbau von Antikorruptionsbehörden finanziert. Zudem werden Nichtregierungsorganisationen, die sich für mehr Rechtsstaatlichkeit und Transparenz einsetzen, gestärkt sowie die Fortbildung für Journalisten und Journalistinnen finanziert. Anlage 8 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/2371, Frage 25): Inwieweit hat die Europäische Union nach Kenntnis der Bundesregierung gegenüber der international nicht anerkannten Regierung Somalilands hinsichtlich des Polizei- und Justiz-aufbaus sowie der Vorbereitung und Durchführung der Präsidentschaftswahlen am 26. Juni 2010 Unterstützung geleistet, und mit welchen Nichtregierungsorganisationen, die mit der Regierung Somalilands kooperieren, arbeitet bzw. arbeitete die Europäische Union nach Kenntnis der Bundesregierung hierbei zusammen? Die Europäische Union unterstützt den politischen Prozess in der Republik Somalia mit dem Ziel einer Stabilisierung des Gesamtstaats. Aus Gemeinschaftsmitteln erhält Somalia unter anderem Hilfe in den Bereichen gute Regierungsführung und Institutionenaufbau. Im Rahmen dieses Gesamtprogramms wurden einzelne Maßnahmen zur Vorbereitung der Wahlen in Somaliland in Höhe von insgesamt 4,8 Millionen Euro finanziert. Darüber hinaus wurden im Rahmen des Gesamtprogramms auch einzelne Maßnahmen zur Stärkung des Polizei- und Justizsektors in Somaliland durchgeführt. Anlage 9 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 26): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von den jüngst bekannt gewordenen Einschätzungen des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA zum iranischen Nuklearwaffenprogramm, und teilt sie die Einschätzungen? Der Bundesregierung sind Pressemeldungen über Äußerungen bekannt, die CIA-Direktor Leon Panetta am 27. Juni 2010 gegenüber einem US-Fernsehsender gemacht hat. Die Bundesregierung bewertet diese öffentlichen Äußerungen nicht. Über geheimdienstliche Informationen oder Einschätzungen wird der Deutsche Bundestag in den hierfür vorgesehenen Gremien unterrichtet. Deutschland bemüht sich gemeinsam mit seinen Partnern im E3+3-Rahmen um eine Lösung des Konflikts um das iranische Nuklearprogramm, die sicherstellt, dass das iranische Nuklearprogramm allein friedlichen Zwecken dient. Anlage 10 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 27): Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeiten eines substanziellen Angebots durch den Iran im Streit um dessen Nuklearprogramm, und welche außenpolitischen Initiativen plant die Bundesregierung, um noch vor dem geplanten Beschluss des Rates für Allgemeine Angelegenheiten der EU am 26. Juli 2010 über EU-Maßnahmen gegenüber dem Iran zur Umsetzung und "maßgeblichen Erweiterung" der entsprechenden Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu einem tragfähigen Ergebnis zu kommen? Gemeinsam mit ihren Partnern im E3+3-Rahmen setzt sich die Bundesregierung für eine Lösung des Streites um das iranische Nuklearprogramm ein, die sicherstellt, dass das iranische Nuklearprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Die E3+3 verfolgen dabei einen zweigleisigen Ansatz, der einerseits vorsieht, dass Iran umfassende Kooperation angeboten wird, und andererseits in dem Fall, dass Iran auf diese Angebote nicht eingeht, durch Sanktionen der Druck auf Iran erhöht wird, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Zuletzt hat die Hohe Repräsentantin für die Europäische Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, am 11. Juni 2010 in einem Brief an den iranischen Unterhändler Saeed Dschalili zum Ausdruck gebracht, dass die E3+3 auch in dem jetzigen Umfeld neuer Sanktionen ausdrücklich zu Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm und zu anderen Themen von gemeinsamem Interesse bereit sind. Dschalili hat hierauf am 6. Juli 2010 geantwortet. Der Brief wird derzeit von der Bundesregierung und ihren Partnern analysiert. Positiv zu bewerten ist, dass Iran darin seine Gesprächsbereitschaft - wenn auch noch unter näher zu bewertenden Bedingungen - erklärt. Auf ihrem Treffen in Brüssel am 2. Juli 2010 bekräftigten die Politischen Direktoren der E3+3 ihre Bereitschaft, den Dialog mit Iran im Rahmen der am 1. Oktober 2009 in Genf erreichten Verständigung fortzusetzen, um zu ernsthaften Verhandlungen zu kommen. Das umfangreiche Angebotspapier der E3+3 aus dem Jahre 2008 bleibt auf dem Tisch. Die E3+3 sind zu einer weiteren Konkretisierung dieses Angebots im Dialog mit Iran bereit. Anlage 11 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) (Drucksache 17/2371, Fragen 28 und 29): Stimmt es, dass sich die Bundesregierung im Europäischen Rat in der vergangenen Woche gegen die Eröffnung eines neuen Verhandlungskapitels mit der Türkischen Republik ausgesprochen hat, und, wenn ja, wie begründet die Bundesregierung dieses Verhalten? Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefahr eines politischen Abdriftens der Türkei von den bisherigen westlichen Partnern, und welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für geeignet, um einen solchen Prozess aufzuhalten? Zu Frage 28: Nein, das stimmt nicht. Der Europäische Rat ist zuletzt am 17./18. Juni 2010 zusammengetreten und hat sich nicht mit den Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei befasst. Im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten, AstV, vom 23. Juni 2010 wurde über die Annahme des Berichts der Kommission über die Erfüllung der Bedingungen für die Eröffnung der Verhandlungen über Kapitel 12, "Lebensmittelsicherheit sowie Veterinär- und Pflanzenschutzpolitik" verhandelt und die Annahme mit einer Verschweigefrist zur Abstimmung gestellt. Die Bundesregierung hat dieses Schweigen nicht gebrochen. Im AStV vom 30. Juni 2010 wurde schließlich die Annahme der Gemeinsamen Verhandlungsposition der EU zu Kapitel 12 beschlossen und damit die Voraussetzung für die Eröffnung des Kapitels auf der Beitrittskonferenz mit der Türkei am 30. Juni 2010 nachmittags geschaffen. Zu Frage 29: Die Bundesregierung sieht diese Gefahr nicht. Die türkische Regierung betreibt eine aktive, differenzierte und in den vergangenen Jahren regional stärker ausgreifende Außenpolitik. Sie versteht sich selbst als Mittlerin zwischen Ost und West, sieht sich dabei aber in einer selbstbestimmten Rolle. Sie ist im Rahmen der NATO ihren westlichen Partnern eng verbunden und bemüht sich als Beitrittskandidat um Aufnahme in die EU. Die Türkei bleibt ein Partner von großer strategischer Bedeutung. Bereits im vergangenen Jahr haben der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, und sein türkischer Amtskollege Professor Dr. Ahmet Davutoðlu einen strategischen Dialog zwischen beiden Außenministerien vereinbart. Eine enge, partnerschaftliche Abstimmung erscheint in Zeiten rasanter globaler Entwicklungen wichtiger denn je. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Frage 30): Wie definiert die Bundesregierung den Begriff der vernetzten Sicherheit? Im Weißbuch der Bundesregierung von 2006 firmiert "Vernetzte Sicherheit" als ressortübergreifende Koordination politischer, ökonomischer, entwicklungspolitischer sowie weiterer ziviler - zum Beispiel polizeilicher - und militärischer Kräfte, um sicherheitspolitische Interessen auf internationaler Ebene durchzusetzen. Der vernetzte Sicherheitsbegriff erfordert kohärentes Handeln unter Einbeziehung substaatlicher Akteure - Nichtregierungsorganisationen, Wirtschaft - sowie internationaler Partner. Der Wiederaufbau staatlicher Strukturen erzeugt Überschneidungen der Handlungsfelder ziviler und militärischer Akteure. Er erfordert ressortübergreifende und präventive Strategien. Der Koalitionsvertrag beinhaltet daher ein Bekenntnis zum Ansatz vernetzter Sicherheitspolitik. Der Aktionsplan Zivile Krisenprävention der Bundesregierung von 2004 hat hier ambitionierte Vorgaben gemacht. Gefordert werden ressortübergreifende Stabilisierungskonzepte und vor allem deren effektive Implementierung. Die Koalition hat auf Grundlage des Koalitionsvertrags die Erstellung ressortübergreifender Regionalstrategien eingefordert - Lateinamerika-Strategie fertig, geht dieser Tage in die Kabinettsfreigabe. Zudem wurde mit dem Unterausschuss "Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit" eine neue parlamentarische Institution zur Umsetzung vernetzter Sicherheit etabliert. Diese hat den Ressortkreis Zivile Krisenprävention gerade mit der Erstellung einer ressort-übergreifenden Sudan-Strategie beauftragt. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Frage 31): In welcher Weise werden und wurden von deutschen Behörden Erkenntnisse genutzt, die von Geheimdiensten von Staaten, in denen gefoltert wird, erhoben und nach Deutschland weitergegeben wurden, wie es Human Rights Watch in dem Bericht "No Questions Asked: Intelligence Cooperation with Countries that Torture" (vergleiche auch Süddeutsche Zeitung vom 29. Juni 2010, Seite 5, "Vergiftete Informationen") darlegt, und plant die Bundesregierung, die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten, die mit Methoden der Folter arbeiten, zu beenden? Deutschland bekennt sich zum absoluten Verbot der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe. Das Folterverbot besitzt Verfassungsrang. Art. 104 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, GG, bestimmt, dass festgehaltene Personen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden dürfen. Die Folter verstößt ferner gegen das in Art. 1 GG enthaltene Gebot, die Menschenwürde zu achten und zu schützen. Das Folterverbot gilt uneingeschränkt und unabhängig davon, ob die Tat im In- oder Ausland begangen wird. Eine Beteiligung deutscher Beamter an Folterungen - auch wenn diese im Ausland und von Angehörigen anderer Staaten begangen werden - ist nach dem deutschen Recht strafbar und wird keinesfalls toleriert werden. Die Bundesrepublik Deutschland ist zum Schutz der öffentlichen Sicherheit gehalten, Hinweisen auf möglicherweise bevorstehende Gewalttaten in Deutschland oder gegen deutsche Interessen im Ausland unter Wahrung grundrechtlicher Standards nachzugehen. Hiervon zu trennen ist die Frage der Verwertbarkeit von Erkenntnissen im Strafprozess. Das absolute Folterverbot ist in der deutschen Rechtsordnung fundamental verankert. Erkenntnisse, die im Ausland durch Sicherheitsbehörden anderer Staaten unter Folter gewonnen werden, dürfen entsprechend § 136 a Abs. 3 Satz 2 der Strafprozessordnung, StPO, im deutschen Strafprozess nicht verwertet werden. Die in der Verfassung gewährleisteten Grundrechte binden nach Art. 1 Abs. 3 GG die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung unmittelbar. Damit ist das Folterverbot unmittelbar geltendes Recht, das von allen Trägern hoheitlicher Gewalt zu respektieren ist. Neben den zuständigen Aufsichtsbehörden wird eine effektive Kontrolle durch ein differenziertes System von Rechtswegen und Rechtsmitteln gewährleistet. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Kirsten Lühmann (SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 32): Wie kommt es zu der Diskrepanz, dass Roma, die von psychischen Erkrankungen, geistigen oder körperlichen Behinderungen betroffen oder potenzieller Traumatisierung bedroht sind, in das Kosovo abgeschoben werden - wie die Experten in der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am 28. Juni 2010 im Deutschen Bundestag einhellig berichteten -, obwohl diese Faktoren rechtlich gesehen, sofern im Zielstaat die Behandlungsmöglichkeiten fehlen und dadurch eine erhebliche und konkrete Gesundheitsgefahr entsteht, ein Abschiebungshindernis darstellen? Die Feststellung der Ausreisepflicht und der Vollzug von Rückführungen fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder. Der Bund erhebt im Zusammenhang mit Rückführungen in die Republik Kosovo lediglich statistische Angaben allgemeiner Art über die Anzahl der Rückgeführten und deren ethnische Zugehörigkeit, nicht hingegen über Aspekte im Sinne der Fragestellung. Weitergehende, nähere Erkenntnisse dazu sind der Bundesregierung daher nicht bekannt. Unter Verweis auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke, Bundestagsdrucksache 17/2089 vom 14. Juni 2010, ist aber festzustellen, dass die Ausländerbehörden - nach Auskunft der Länder - Personen, die besonders hilfsbedürftig sind, stets nachrangig für Rückführungen anmelden. Im Übrigen erfolgt die konkrete Einzelfallprüfung auf ein Vorliegen von Abschiebungshindernissen durch die Ausländerbehörden der Länder bzw. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, soweit es sich um Asylentscheidungen handelt. Die Gesamtschutzquote in Asylverfahren lag für die Republik Kosovo im Jahr 2009 bei 4,7 Prozent, zum Vergleich: Schutzquote aller Herkunftsländer, HKL: 33,8 Prozent; bis Ende Mai 2010 bei 4,3 Prozent, Vergleich zu allen HKL: 25,9 Prozent. Bei der - gerichtlichen - Bewertung der Behandlungsmöglichkeiten einer Krankheit in Kosovo spielen auch die von den Ausländerbehörden oftmals abgegebenen Kostenübernahmeerklärungen für eine gegebenenfalls weiterhin notwendige medizinische Behandlung im Kosovo eine Rolle. Die bisherige Rechtsprechung lässt sich dahin gehend zusammenfassen, dass es von der Art und Schwere der Erkrankung, den benötigten Mitteln und den persönlichen Verhältnissen des potenziellen Rückkehrers abhängt, ob eine zeitlich befristete Kostenübernahme zur Abwendung einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz ausreichend ist. Bezieht sich eine solche Kostenübernahmeerklärung auf einen Zeitraum von zwei Jahren, wird sich eine gleichwohl fortbestehende Gefahr in der Regel nicht mehr feststellen lassen, OVG Niedersachsen, Urteil vom 21. Dezember 2009 - 8 LA 219/09. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch das vom Bund und den Ländern Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt getragene Rückkehrprojekt "URA 2" kompetente Psychologen vorhält, die sich auf posttraumatische Belastungsstörung spezialisiert haben. Bis Ende April 2010 nahmen 37 Personen das Beratungsangebot in Anspruch, hierunter 14 Roma. Zu den in Kosovo bestehenden medizinischen Behandlungsmöglichkeiten wird im Übrigen auf den aktuellen Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage des Auswärtigen Amts zu Kosovo vom 20. Juni 2010 verwiesen, der auch von den Abgeordneten eingesehen werden kann. Er beschreibt ausführlich die Behandlungsmöglichkeiten diverser Krankheiten und gibt auch einen Überblick über die allgemeine medizinische Versorgung in Kosovo. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 33): Treffen die Prognosen zu, dass dem Haushalt des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge etwa 30 Millionen Euro in diesem Haushaltsjahr fehlen werden, und was unternimmt das Bundesministerium des Innern, um diesen Fehlbetrag auszugleichen? Gerade in den Jahren 2008 und 2009 sind die Teilnehmerzahlen erfreulich stark gestiegen. Die hohen Zahlen wirken in das Jahr 2010 hinein, da sich viele Teilnehmer derzeit noch in den Kursen befinden. Dies hat zur Folge, dass der Bedarf selbst mit 218 Millionen Euro nicht zu decken gewesen wäre. Das Bundesministerium des Innern hat sich daher entschieden, dass der Integrationskurstitel - trotz der Einsparvorhaben im Jahr 2010 - einmalig mit einem Betrag von 15 Millionen Euro verstärkt wird. Diese zusätzlichen Mittel werden aus dem laufenden Haushalt des Einzelplans 06 bereitgestellt. Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werden damit in diesem Jahr rund 218 Millionen Euro plus 15 Millionen Euro, das heißt insgesamt rund 233 Millionen Euro für die Durchführung von Integrationskursen zur Verfügung stehen. Dies ist weit mehr als in jedem anderen Jahr seit Einführung der Kurse. In Anbetracht der derzeitigen Haushaltslage und der Sparmaßnahmen ist eine solche Verstärkung um einen mehrstelligen Millionenbetrag ein deutliches Signal gezielter Integrationspolitik. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Fragen des Abgeordneten Memet Kilic (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Fragen 34 und 35): Beabsichtigt die Bundesregierung, insbesondere angesichts der gerade veröffentlichten sinkenden Einbürgerungszahlen, Maßnahmen zu ergreifen, wie etwa eine sogenannte Turboeinbürgerung nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland einzuführen, um die Einbürgerungszahlen zu erhöhen, und, wenn nein, warum nicht? Beabsichtigt die Bundesregierung, die Gebühren für die Einbürgerung für Schüler/Schülerinnen, Studenten/Studentinnen und Rentner/Rentnerinnen in Höhe von 255 Euro zu senken oder zu streichen, und, wenn nein, warum nicht? Zu Frage 34: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat sich die Zahl der Einbürgerungen für das Berichtsjahr 2009 auf dem Niveau des Vorjahres stabilisiert. Sie liegt sogar mit rund 96 100 um circa 1 650 leicht über der des Vorjahres; +1,7 Prozent. Dies wird von der Bundesregierung begrüßt, denn die Einbürgerung ist das stärkste Zeichen der Zugehörigkeit zu unserem Land und zur wechselseitigen Verantwortung seiner Bürger. Die Bundesregierung wirbt daher dafür, dass möglichst viele Menschen, die die Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllen, unsere Staatsbürgerschaft annehmen. Die Bundesregierung wird - wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben - unverhältnismäßige Hemmnisse auf dem Weg zur Einbürgerung beseitigen. Die Einbürgerung ist jedoch eine individuelle und freiwillige Entscheidung eines jeden Ausländers, der die Voraussetzungen dafür erfüllt. Auf diese persönliche Entscheidung kann durch die Politik nur begrenzt Einfluss genommen werden. Zu Frage 35: Die Bundesregierung beabsichtigt derzeit nicht, die Höhe der Einbürgerungsgebühren zu verändern. Nach § 38 des Staatsangehörigkeitsgesetzes, StAG, beträgt die Gebühr für die Einbürgerung 255 Euro. Sie ermäßigt sich für ein minderjähriges Kind, das miteingebürgert wird und keine Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes hat, auf 51 Euro. Die Einbürgerungsgebühren sind seit dem Inkrafttreten des Reformgesetzes am 1. Januar 2000, also seit über zehn Jahren, unverändert geblieben. Von der Gebühr kann aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses Gebührenermäßigung oder -befreiung gewährt werden. Eine Einbürgerung ist damit zum Beispiel auch für Schüler, Studenten und Rentner mit niedrigem Einkommen möglich. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/2371, Frage 36): Inwieweit trifft die Aussage der Präsidentin des Deutschen Volkshochschul-Verbandes, Professor Dr. Rita Süssmuth, in einem Schreiben vom 27. Mai 2010 zu, dass die Anzahl der Zulassungen zu Integrationskursen für sogenannte Altzuwanderer wegen Einsparungen nicht nur von 67 000 in 2009 auf 53 000 in 2010, wie bislang bekannt, sondern um weitere 15 000 und damit im Jahresvergleich um fast 50 Prozent zurückgefahren werden soll, und inwieweit verträgt sich diese Entwicklung mit dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, nach dem Integrationskurse "quantitativ und qualitativ aufgewertet" werden sollten? Die Aussage von Frau Professor Süssmuth bezieht sich auf das Verfahren der Zulassung von Ausländern bzw. deutschen Staatsangehörigen zum Integrationskurs nach § 44 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes. Danach können Personen, die einen Teilnahmeanspruch nicht oder nicht mehr besitzen, im Rahmen verfügbarer Kursplätze zum Integrationskurs zugelassen werden. Diese Zulassung erfolgt durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, BAMF. Es geht damit nicht um die Gruppe der anspruchsberechtigten Ausländer bzw. Spätaussiedler, deren Zugangsmöglichkeiten zum Integrationskurs in keiner Weise eingeschränkt werden. Die Frage, ob das BAMF im zweiten Halbjahr 2010 die Zulassung wird beschränken müssen, da nicht ausreichend Kursplätze finanzierbar sind, hängt von der Nachfrage ab. Die Zahlen zum Stand 31. März 2010 zeigen, dass im ersten Quartal knapp 32 000 Teilnehmerberechtigungen von den Ausländerbehörden, dem Bundesverwaltungsamt, SGB-II-Leistungsbehörden und dem BAMF ausgestellt wurden. Davon sind knapp 14 000 Zulassungen nach § 44 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz, AufenthG, durch das BAMF erteilt worden. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit rund 19 000 Zulassungen zeigt sich somit eine zurückgehende Nachfrage. Im ersten Quartal 2010 lag die Zahl der Zulassungen rund 26 Prozent unter dem Niveau des vergleichbaren Zeitraumes im Jahr 2009. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln soll möglichst vielen Personen eine Teilnahme an einem Integrationskurs ermöglicht und die hohe Qualität der Kurse gesichert werden. Im Vordergrund steht dabei, dass sämtliche Rechtsansprüche auf Kursteilnahme erfüllt werden können. Inwieweit alle Zulassungsanträge in diesem Jahr abschließend beschieden werden können, ist auf der Grundlage der weiteren Ausgabenentwicklung zu entscheiden. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Frage 37): Welche Erklärung gibt die Bundesregierung dafür, dass ihr - gemäß ihrer Antwort auf meine dringliche Frage vom 1. Juli 2010; Plenarprotokoll 17/51, Seite 5306 C - keine "bestätigten" Informationen über die Festnahme des deutsch-syrischen Staatsbürgers Rami M. am 21. Juni 2010 durch die pakistanischen Sicherheitskräfte vorliegen, obwohl der Festnahme die vorherige Übermittlung von Daten durch das Bundeskriminalamt an pakistanische Sicherheitsstellen zugrunde lag, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium des Innern zuvor an der Diskussion zu dieser Datenübermittlung beteiligt waren und obwohl ab dem 22. Juni 2010 - Spiegel Online -, 23. Juni 2010 - Frankfurter Allgemeine Zeitung, Hamburger Abendblatt -, 26. Juni 2010 - Deutsche Presse-Agentur - sowie 28. Juni 2010 - Der Spiegel, Süddeutsche Zeitung - mit präzise geschilderten Details von der Festnahmeaktion berichtet wurde sowie die pakistanische Polizei dies bestätigte, und mit welchen Aktivitäten wird die Bundesregierung sich über die Festnahme informieren sowie die rasche Freilassung des deutschen Staatsbürgers, seine Rückreise nach Deutschland bzw. seine Überstellung in deutsche Obhut zu erreichen versuchen? Zum Informationsverhalten anderer Staaten kann die Bundesregierung keine Erklärung abgeben. Die deutsche Botschaft in Islamabad hat auf Weisung des Auswärtigen Amts nach Bekanntwerden von Medienberichten über die Festnahme eines deutschen Staatsangehörigen das pakistanische Außenministerium unverzüglich um Informationen über die Identität des Festgenommen, die Gründe der Festnahme, den derzeitigen Aufenthaltsort und gegebenenfalls um konsularischen Zugang zu dem Festgenommenen gebeten. Eine Antwort des pakistanischen Außenministeriums steht gegenwärtig aus. Pakistanische Sicherheitsbehörden haben gegenüber der Botschaft die Festnahme eines deutschen Staatsangehörigen bestätigt, ohne dessen Identität offenzulegen. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) (Drucksache 17/2371, Fragen 38 und 39): Kann die Bundesregierung die Einschätzung des Bundes deutscher Nordschleswiger bestätigen, wonach die derzeit angedrohten Kürzungen der Förderung der deutschen Minderheit in Dänemark vonseiten der Bundesregierung, Schleswig-Holsteins und Dänemarks sich für 2011 nunmehr auf mehr als 2 Millionen Euro summieren, die bis 2014 auf 2,5 Millionen Euro ansteigen würden, und eine Umsetzung den Wegfall von 40 bis 50 Stellen bedeuten würde? Kann die Bundesregierung bestätigen, dass sich die Kürzungen aus dem Bundeshaushalt auf insgesamt 1,5 Millionen Euro belaufen, davon 1,3 Millionen Euro bei den Betriebsmitteln und 0,2 Millionen Euro bei den investiven Mitteln, und, wenn ja, wie vertritt sie diese Kürzungen vor dem Hintergrund der von Deutschland in den Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 durch die Unterschrift vom damaligen Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer eingegangenen Verpflichtungen? Zu Frage 38: Verlässliche Zahlen über die Kürzungen durch das Land Schleswig-Holstein und Dänemark sind der Bundesregierung bislang nicht bekannt, die entsprechenden Haushalte wurden noch nicht abschließend verhandelt. Zu Frage 39: Der Regierungsentwurf für 2011 sieht im Vergleich zu dem Finanzplan 2011 einen lediglich um 700 000 Euro verringerten Zuwendungsbetrag an den Bund deutscher Nordschleswiger, BdN, vor. Hiervon betreffen 500 000 Euro den Titel "Soziale und Kulturelle Förderung" und 200 000 Euro den Bautitel des BdN. Die Kürzung entspricht 6 Prozent der gesamten Zuwendungssumme. Für 2009 und 2010 erhielt der BdN einen auf diese zwei Jahre befristeten Sonderzuschuss des Bundes von jeweils 800 000 Euro zur Überbrückung einer systembedingten Finanzierungslücke, da der dänische Staat seinen Anteil an Personalkostenerhöhungen stets erst mit einer Verzögerung von drei Jahren übernimmt. Dieser Zuschuss sollte nach dem bisherigen Finanzplan ab 2011 wieder entfallen, und entsprechend ist dies auch im Regierungsentwurf für 2011 vorgesehen. Die bilateralen Absprachen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Dänemark im Zuge der langjährigen Umsetzung der Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 enthalten die beiderseitige Bereitschaft und Verpflichtung, die Minderheit eigener Nation, Kultur und Sprache im Nachbarland bei der Erhaltung und Entwicklung ihrer Identität zu unterstützen. Zur Höhe der Unterstützung gibt es keine Absprachen. Für beide Länder gleichlautend heißt es dort, dass bei Unterstützungen und sonstigen Leistungen aus öffentlichen Mitteln im Rahmen des Ermessens entschieden wird. Verschiedene Rahmenbedingungen wie die grundgesetzliche Schuldenbremse oder die Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes zwingen die Bundesregierung zur strengen Konsolidierung. So werden dem Bundesministerium des Innern für das Jahr 2011 insgesamt um rund 77,4 Millionen Euro reduzierte Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Dies wird in allen Politikbereichen und Behörden des BMI zu Einschnitten führen; auch die Förderung des BdN ist hiervon in solidarischer Weise betroffen. Die geplanten Kürzungen bei der Förderung der deutschen Minderheiten in den MOE- und GUS-Ländern betragen insgesamt knapp 10 Prozent. Vor diesem Hintergrund gibt es keine Möglichkeit, die deutsche Minderheit in Dänemark von notwendigen Einsparungen auszunehmen. Die Kürzungen haben ihre Ursache ausschließlich in den Sparzwängen und stellen keine Änderung in der Minderheitenpolitik des Bundes dar. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache 17/ 2371, Fragen 40 und 41): Wie bewertet die Bundesregierung die Pläne der EU-Kommission, die Fahrgastrechte für alle Reisenden - auch die, die per Wasserfahrzeug, Bus oder Auto unterwegs sind - künftig weiter stärken zu wollen? Plant die Bundesregierung weitere Maßnahmen zur Stärkung der Fahrgastrechte aller Reisenden und, wenn nein, warum nicht? Zu Frage 40: Der Bundesregierung sind keine neuen Legislativvorhaben der EU-Kommission zum Thema "Fahrgastrechte" bekannt. Die Fahrgastrechte im Seeverkehr wurden erstmalig auf EU-Ebene durch die Verordnung (EG) Nr. 392/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über die Unfallhaftung von Beförderern von Reisenden auf See geregelt. Derzeit wird im Rat und im Europäischen Parlament noch über die von der EU-Kommission im Dezember 2008 vorgelegten Vorschläge für eine Verordnung über die Passagierrechte im See- und Binnenschiffsverkehr und für eine Verordnung über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr verhandelt. Rat und Europäisches Parlament streben eine Einigung in zweiter Lesung an. Angekündigt hat die EU-Kommission allerdings eine Mitteilung für den Herbst dieses Jahres, die sich weitgehend auf die Fluggastrechte konzentrieren soll. Die Bundesregierung hat sich bereits im Rahmen einer von der EU-Kommission vom 15. Dezember 2009 bis 1. März 2010 durchgeführten Konsultation zur Fortschreibung der Fluggastrechte für weitere Verbesserungen in diesem Bereich ausgesprochen. Im Übrigen hat die EU-Kommission am 29. Juni 2010 eine europaweite Aufklärungskampagne gestartet, mit der Bahn- und Flugreisende leichter über ihre Rechte informiert werden sollen. Zu Frage 41: Soweit die Rechte von Fahrgästen im Schienenverkehr betroffen sind, hält die Bundesregierung es für geboten, zunächst zu prüfen, welche Erfahrungen mit den neuen gesetzlichen Regelungen, die im Jahr 2009 erlassen wurden, gemacht wurden. Was die Rechte von Reisenden in der Schifffahrt anbelangt, so plant die Bundesregierung noch in der laufenden Legislaturperiode den Entwurf von Vorschriften zur Ausführung der oben genannten Verordnung (EG) Nr. 392/2009 über die Unfallhaftung von Beförderern von Reisenden auf See vorzulegen. Die Fluggastrechte sind auf europäischer Ebene abschließend geregelt, weshalb für gesetzgeberische Maßnahmen auf Landes- oder Bundesebene keine Kompetenz besteht. Die Bundesregierung hat sich jedoch an der oben genannten Konsultation beteiligt und in einem Schreiben an den Vizepräsidenten der EU-Kommission, Herrn Siim Kallas, eine Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 angeregt. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Markus Tressel (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Fragen 42 und 43): Warum verpflichtet die Bundesregierung die Fluglinien nicht gesetzlich, der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr beizutreten, wenn Kulanz und Service als unzureichend angesehen werden? Warum werden Pauschalreiseanbieter nicht gesetzlich verpflichtet, ihre Kundinnen und Kunden über ihre Rechte und Reklamationsmöglichkeiten aufzuklären, wie es zum Beispiel die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 für Flugreisende vorsieht? Zu Frage 42: Die Bundesregierung prüft derzeit, wie eine Einbeziehung der Luftverkehrsträger in eine Schlichtung durch gesetzliche Maßnahmen erreicht werden kann. Sie führt außerdem intensive Gespräche mit der Luftverkehrswirtschaft über die Ausgestaltung einer solchen Schlichtung, um die Fluggesellschaften zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren zu bewegen. Nach dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch, der sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ergibt, dürfen die Fluggesellschaften nicht unter Ausschluss des Rechtsweges den Entscheidungen einer Schlichtungsstelle unterworfen werden. Vielmehr muss der Weg zu einer Streitentscheidung durch die staatlichen Gerichte eröffnet bleiben. Vor diesem Hintergrund kann nur ein von der Wirtschaft akzeptiertes Schlichtungsverfahren auch eine Akzeptanz der Schlichtungsvorschläge gewährleisten. Schlichtungsvorschläge, die das Ergebnis einer obligatorischen gesetzlichen Schlichtung wären und von der Wirtschaft generell nicht akzeptiert würden, brächten den Verbraucherinnen und Verbrauchern daher keinen Vorteil. Zu Frage 43: Die Fluggastrechte nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 stehen sowohl Individualreisenden als auch Pauschalreisenden zu. Über die Rechte aus der Verordnung werden daher auch Pauschalreisende vom jeweiligen Luftverkehrsunternehmen informiert. Darüber hinaus werden Pauschalreisende auch durch die innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen geschützt. So muss der Reiseveranstalter unter anderem gemäß § 6 Abs. 2 Nummer 7 und 8 der BGB-Informationspflichten-Verordnung den Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss unter anderem über folgende Punkte informieren: über die Obliegenheit des Reisenden, dem Reiseveranstalter einen aufgetretenen Mangel anzuzeigen, um sich seine Rechte wegen des Mangels zu erhalten, darüber, dass vor der Kündigung des Reisevertrags wegen Mangels dem Reiseveranstalter eine angemessene Frist zur Abhilfeleistung zu setzen ist, wenn nicht die Abhilfe unmöglich ist oder vom Reiseveranstalter verweigert wird oder wenn die sofortige Kündigung des Vertrags durch ein besonderes Interesse des Reisenden gerechtfertigt wird, über die Ausschlussfristen zur Geltendmachung seiner Gewährleistungsansprüche und über die Stelle, gegenüber der Ansprüche geltend zu machen sind. Dem Reisenden wird damit der Rahmen aufgezeigt, in dem er bei Reisemängeln seine Rechte wahrnehmen kann. Damit wird verhindert, dass er seine vertraglichen Gewährleistungsansprüche aus Unkenntnis über die Vorschriften zur Geltendmachung verliert. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Erika Steinbach (CDU/CSU) (Drucksache 17/2371, Frage 44): Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über aktuelle Gerichtsverfahren und Gerichtsverfahren der letzten drei Jahre in Deutschland, die mit Menschenhandel in Verbindung stehen? Ihre mit Blick auf einen französischen Fall gestellte Frage kann ich mit Angaben aus der Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamtes für die Jahre 2007 und 2008 beantworten. Ergebnisse für das Jahr 2009 liegen noch nicht vor. Wegen Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, § 232 StGB, wurde 2007 gegen 155 Personen, 2008 gegen 173 Personen, ein gerichtliches Hauptverfahren rechtskräftig abgeschlossen. Hiervon wurden 2007 123 Personen, 2008 138 Personen verurteilt. Wegen Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft, § 233 StGB, wurde 2007 gegen 13 Personen, 2008 gegen 25 Personen, ein gerichtliches Hauptverfahren rechtskräftig abgeschlossen. Hiervon wurden 2007 8 Personen, 2008 16 Personen verurteilt. Wegen Förderung des Menschenhandels, § 233 a StGB, wurde 2007 gegen 3 Personen, 2008 gegen 2 Personen, ein gerichtliches Hauptverfahren rechtskräftig abgeschlossen. Hiervon wurden 2007 2 Personen, 2008 1 Person verurteilt. Gerne bin ich außerdem bereit, Ihnen diese Zahlen als schriftliche Aufstellung zukommen zu lassen. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Carsten Sieling (SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 45): Wie bewertet die Bundesregierung den für den G-20-Gipfel in Toronto am 26./27. Juni 2010 vorgelegten Bericht der sogenannten Issing-Kommission, in dem nach Presseberichten (vergleiche Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. Juni 2010, Seite 11) eine Bankenabgabe vorgeschlagen wird, die Einnahmen in Höhe von 5 Prozent der Wirtschaftsleistung Deutschlands bzw. circa 120 Milliarden Euro generieren sollte, und hält die Bundesregierung das von ihr vorgeschlagene Konzept einer Bankenabgabe mit erwarteten Einnahmen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro per annum vor diesem Hintergrund für angemessen? Die Bundesregierung begrüßt den Bericht der "Issing-Kommission" und hat die Gelegenheit wahrgenommen, vor dem G20-Treffen in Kanada mit der Expertengruppe über die Vorschläge intensiv zu diskutierten. Die Issing-Kommission schlägt in ihrem Bericht eine am Systemrisiko orientierte Bankenabgabe mit Lenkungswirkung vor. Ebenso wie das Konzept der Bundesregierung ist der Vorschlag der Issing-Gruppe in die Zukunft gerichtet und zielt auf ein stabileres Finanzsystem. Als mögliches jährliches Aufkommen nennt die Issing-Kommission Beträge von 1 bis 5 Milliarden Euro, wobei offen ist, auf welcher Grundlage diese Zahlen ermittelt worden sind. Die in der Frage angesprochenen 120 Milliarden Euro - circa 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - stellen nach den Vorstellungen der Issing-Kommission die absolute Obergrenze dar. Wenn dieser Betrag einmal erreicht ist, soll die Bankenabgabe nicht weiter erhoben werden. Auf internationaler Ebene gibt es zu dieser Frage unterschiedliche Auffassungen. Deutschland hat bei der Ausgestaltung der Bankenabgabe und des Bankenfonds auf jeden Fall verfassungsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen - dies insbesondere mit Blick auf die verfassungsrechtlich geforderte Zumutbarkeit der Abgabe. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Fragen des Abgeordneten Harald Koch (DIE LINKE) (Drucksache 17/2371, Fragen 46 und 47): Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass die Einheitswerte nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1964 - alte Länder - bzw. 1. Januar 1935 - neue Länder - bei der Berechnung der Grundsteuer zu unterschiedlichen Grundsteuermessbeträgen führen und damit der Gemeinde durch die unzeitgemäße Berechnungsgrundlage Grundsteuereinnahmen verloren gehen bzw. Steuerungerechtigkeiten entstehen, und welche Modelle zur Reform der Grundsteuer werden von der Bundesregierung in Betracht gezogen? Inwieweit nimmt die Bundesregierung Einfluss auf die ab Herbst 2010 tagende länderoffene Arbeitsgruppe zur Reform der Grundsteuer - Vorgabe der zu diskutierenden Reformmodelle etc. -, und wie sieht der exakte Zeitplan zur Umsetzung der Grundsteuerreform aus? Zu Frage 46: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Einheitswerte zum Stichtag 1. Januar 1964 in den alten Ländern und 1. Januar 1935 in den neuen Ländern keine realitätsgerechte Grundlage mehr darstellen. Dies hat sie auch in der Antwort vom 14. Mai 2010 auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zum Ausdruck gebracht. Die unterschiedlichen Rechtsanwendungen in einem Rechtsgebiet führen insbesondere in den neuen Ländern zu einer starken Ungleichbehandlung der Steuergegenstände, die 20 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht mehr zu begründen sind. Die Schaffung zeitgemäßer Bemessungsgrundlagen für Zwecke der Grundsteuer und die Wiederherstellung der Rechtsvereinheitlichung sind daher wesentliche Ziele der Reformbemühungen. Ein Rückschluss von der Bemessungsgrundlage auf die Höhe der Grundsteuer bzw. die Grundsteuereinnahmen der Gemeinden ist jedoch nicht möglich. Die Belastungsentscheidung bei der Grundsteuer treffen die Gemeinden. Unter Wahrung der grundgesetzlich verankerten Hebesatzautonomie haben die Gemeinden die Möglichkeit, über den Hebesatz die absolute Höhe der Grundsteuer zu bestimmen. Aufgabe der von der Finanzministerkonferenz eingesetzten länderoffenen Arbeitsgruppe ist es, alle entwickelten Reformmodelle ergebnisoffen zu prüfen und zu bewerten. Dies gilt auch für das Bundesministerium der Finanzen, das sich infolge der Bitte der Länder an dieser Arbeitsgruppe beteiligt. Zu Frage 47: Wie bereits in der Antwort zur Vorfrage ausgeführt, wird es Aufgabe der von der Finanzministerkonferenz eingesetzten länderoffenen Arbeitsgruppe sein, alle entwickelten Reformmodelle ergebnisoffen zu prüfen und zu bewerten. Dies gilt auch für das Bundesministerium der Finanzen, das sich infolge der Bitte der Länder an dieser Arbeitsgruppe beteiligen wird. Nach Abschluss der Bewertung wird die länderoffene Arbeitsgruppe voraussichtlich Anfang 2011 der Finanzministerkonferenz Vorschläge für das weitere Verfahren vorlegen. Weitergehende zeitliche Vereinbarungen sind gegenwärtig nicht getroffen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Frage 48): Wann und wo wurde der "European Financial Stability Facility"-Rahmenvertrag durch die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet? Herr Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble hat den Rahmenvertrag für die European Financial Stability Facility am 16. Juni 2010 in Berlin für die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/2371, Frage 49): Warum sind bis heute noch keine gleichwertigen Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland erreicht, obwohl dafür zur Währungsunion am 1. Juli 1990 ursprünglich ein Zeitraum von zehn Jahren erwartet wurde, wie der ehemalige Präsident der Deutschen Bundesbank, Professor Dr. Hans Tietmeyer, jüngst in einem Interview erklärte - vergleiche Welt Online vom 30. Juni 2010 -, und die schnelle Währungsunion auch maßgeblich damit begründet wurde, dass es nur auf diese Weise möglich sei, rasch gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen? Bei den Lebensverhältnissen gibt es auch heute noch Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland, aber auch zwischen den nord- und süddeutschen Ländern. Selbst innerhalb eines einzelnen Bundeslandes gibt es oft beträchtliche regionale Unterschiede. Dies zeigt sich zum Beispiel bei der Arbeitslosigkeit, dem Pro-Kopf-Einkommen, der Höhe der Mieten, der Wirtschaftskraft, dem Zustand der Infrastruktur und dem Vorhandensein kultureller Einrichtungen. Eine pauschale Unterteilung nach Ost und West greift deshalb zu kurz. Die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion hat die Voraussetzungen für ein einheitliches Wirtschaftsgebiet und die staatliche Einheit geschaffen. Die Währungsunion und die ihr folgende Wiedervereinigung waren - auch aufgrund der damaligen Abwanderungstendenzen - ohne Alternative. Die Volkswirtschaft der DDR befand sich im Herbst 1990 in einem desaströsen Zustand. In den 20 Jahren Deutsche Einheit wurden viele wirtschaftliche Erfolge erzielt und die Lebensverhältnisse in Ost und West haben sich in vielen Gebieten weitgehend angeglichen: Ausstattung mit öffentlichen Gütern, Infrastruktur, Verkehr und soziale Sicherung. Die erreichten Fortschritte sind eine wichtige Basis für eine zunehmend selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Frage 50): Welchen finanziellen Beitrag sollen nach Auffassung der Bundesregierung bei den Maßnahmen zur Reduktion von "Ausnahmeregelungen der sogenannten Ökosteuer, die zu Mitnahmeeffekten geführt haben", mit denen zusätzliche Einnahmen von 1 Milliarde Euro im Jahr 2011 und von 1,5 Milliarden Euro in den Jahren 2012 bis 2014 erzielt werden sollen, Maßnahmen zur Vermeidung des Schein-Contractings und die Reduktion des Spitzenausgleichs haben? Die Bundesregierung schätzt den möglichen Sparbeitrag aus einer Einschränkung des sogenannten Contractings bei den Steuerbegünstigungen für Unternehmen des produzierenden Gewerbes im Energiesteuer- und Stromsteuergesetz auf rund 200 Millionen Euro jährlich. Inwieweit eine Einschränkung des sogenannten Spitzenausgleichs zu Einsparungen beitragen kann, wird derzeit noch innerhalb der Bundesregierung fachlich erörtert. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Frage 51): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus einem am 22. Juni 2010 eingeleiteten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Koblenz gegen Hans-Joachim Metternich, ehemals Geschäftsführer der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz, ISB, heute Kreditmediator der Bundesregierung, wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs im Zusammenhang mit der sogenannten Nürburgring-Affäre - vergleiche beispielsweise Deutscher Depeschendienst vom 30. Juni 2010: "Neues Ermittlungsverfahren in Sachen Nürburgring"? Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat wegen der Nürburgring-Finanzierung Ermittlungen gegen eine Reihe von Personen eröffnet. Es gilt für alle Beteiligten selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Die Arbeit des Kreditmediators Deutschland wird dadurch nicht beeinträchtigt. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Doris Barnett (SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 52): Sind entsprechende Presseberichte zutreffend, dass eine Einrichtung der Europäischen Kommission - Enterprise Europe Network - Informationen verbreitet, die geeignet sind, die deutsche Regelung zur Beschränkung der Freizügigkeit zu unterlaufen, indem sie zur Unterstützung von kleinen und mittelständischen Unternehmen im Internet Informationen weitergibt, wie Arbeitsrecht in Mitgliedstaaten, hier ausdrücklich in Deutschland, umgangen werden kann, und wie bewertet die Bundesregierung dieses Vorgehen der Generaldirekton des EU-Industriekommissars? Die Bundesregierung kann sich allein auf der Basis einer Presseveröffentlichung zu dem Vorgang noch nicht äußern. Sie wird die EU-Kommission deshalb um eine amtliche Stellungnahme bitten und davon ihre Bewertung abhängig machen. Die Bundesregierung wird Sie selbstverständlich unterrichtet halten. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Fragen des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/2371, Fragen 53 und 54): Wie bewertet die Bundesregierung Pläne der EU-Kommission, Förderinstrumente der EU für die Tourismusbranche zu öffnen, und wie beabsichtigt die Bundesregierung, sich in diesen Diskussionsprozess einzubringen? Welche Fördermöglichkeiten für die Tourismusbranche aus EU-Fonds für regionale Entwicklung und für die Entwicklung des ländlichen Raumes bestehen jetzt schon, und wird sich die Bundesregierung für eine Ausweitung auf die Tourismusbranche einsetzen? Nach Einschätzung der Bundesregierung bieten die Förderinstrumente der EU hinreichende Möglichkeiten, den Tourismus zu fördern. Art. 4 Abs. 6 der Verordnung über den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung, EFRE, ermöglicht im Ziel Konvergenz, das heißt in Deutschland in den neuen Ländern und in der Region Lüneburg die Förderung des "Tourismus einschließlich: Förderung des natürlichen Reichtums als Potenzial für einen nachhaltigen Tourismus; Schutz und Aufwertung des Naturerbes zur Förderung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung; Unterstützung zur Verbesserung des touristischen Angebots durch neue Dienstleistungen mit höherem Mehrwert und Förderung neuer, nachhaltiger Tourismusmodelle." Nach Art. 5 Abs. 2 lit. f derselben Verordnung ist es im Ziel "Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung", RWB, das heißt in Deutschland in den westdeutschen Ländern und Berlin, möglich zu fördern: "Schutz und Aufwertung des Naturerbes und des kulturellen Erbes zur Unterstützung der sozioökonomischen Weiterentwicklung und Förderung des natürlichen und kulturellen Reichtums als Potenzial für die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus". Vor diesem Hintergrund wird derzeit für die EU-Strukturpolitik kein Bedarf für die Ausweitung der rechtlichen Möglichkeiten zur Förderung der Tourismusbranche durch europäische Förderinstrumente gesehen, ebenso wenig für die Einführung neuer, speziell auf die Tourismusbranche zugeschnittener Instrumente. Wie viele Finanzmittel im Rahmen der EU-Strukturpolitik konkret für die oben genannten Fördertatbestände eingesetzt werden, entscheiden in erster Linie die zuständigen Verwaltungsbehörden der Länder auf der Grundlage von Programmen, die für den Programmzeitraum 2007 bis 2013 mit der EU-Kommission vereinbart wurden. Zur Förderperiode nach 2013 kann derzeit noch keine Aussage getroffen werden, da zunächst der Fünfte Bericht zur wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion der EU-Kommission sowie die Verhandlungen zum EU-Haushalt abgewartet werden müssen. Die Bundesregierung setzt sich für eine noch stärkere Ausrichtung der EU-Strukturpolitik auf die strategischen Ziele der EU aus, wie sie in der Lissabonstrategie bzw. in der neuen Strategie "Europa 2020" vorgesehen ist. Neben der Förderung über die EU-Strukturfonds bietet der Europäische Fonds für Ländliche Entwicklung, ELER, vielfältige Möglichkeiten der Tourismusförderung. Als Maßnahmen des ELER-Fonds, die dem Tourismus dienen, sind insbesondere die zur Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft, zur Förderung des Fremdenverkehrs, zur Dorferneuerung und -entwicklung sowie zur Erhaltung und Verbesserung des ländlichen Erbes zu nennen. Über die Förderung von lokalen Entwicklungsstrategien und den LEADER-Ansatz kann mit den ELER-Programmen darüber hinaus auch die Ausarbeitung und Umsetzung von Tourismuskonzepten erfolgen. Zusätzlich gibt es Maßnahmen, die dem Tourismus indirekt zugutekommen, wie zum Beispiel der ländliche Wegebau. Vor dem Hintergrund der bereits heute bestehenden Fördermöglichkeiten für den Tourismus durch den ELER-Fonds wird hier zur Zeit kein weiterer Ausbaubedarf gesehen. Für die Zeit nach 2013 wird diese Frage letztlich vor dem Hintergrund der dann für die ländliche Entwicklung zur Verfügung stehenden Mittel im Rahmen des Gesamtspektrums der Maßnahmen zu diskutieren sein. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Frage 55): Nach welcher Bemessungsgrundlage hat die Bundesregierung die Höhe der von ihr beabsichtigten Brennelementesteuer festgelegt, und durch wen erfolgte die Festlegung? Wie bereits erklärt, werden alle Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung der vom Bundeskabinett am 7. Juni 2010 beschlossenen "Eckpunkte für die weitere Aufstellung des Haushaltentwurfs 2011 und des Finanzplans bis 2014" und dem dort vorgesehenen steuerlichen Ausgleich der Kernenergiewirtschaft näher zu beraten sein. Dies gilt auch für die steuerliche Bemessungsgrundlage. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Frage 56): Wie hat sich die Stromerzeugung nach Energieträgern im ersten Quartal 2010 im Vergleich zum Vorjahr entwickelt und wie die energiebedingten CO2-Emissionen? Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat sich die Stromerzeugung in Deutschland im ersten Quartal 2010 im Vergleich zum Vorjahr wie folgt entwickelt: (Die Statistik erfasst nur Anlagen > 1 MW) Bruttostromerzeugung in GWh 2010 2009 Veränderung zum Vorjahr in Prozent Kernenergie 37 177 36 693 1,3 Steinkohle 31 689 30 138 5,1 Braunkohle 37 966 38 147 -0,5 Heizöl 912 843 8,2 Erdgas 20 547 17 605 16,7 Wasser 5 053 4 689 7,8 Erneuerbare Energien 1 084 1 015 6,8 Sonstige 2 407 2 214 8,7 Gesamt 136 835 131 344 4,2 Die Abschätzung der energiebedingten CO2-Emissionen erfolgt einmal pro Jahr, sodass weder für 2009 noch für 2010 Quartalszahlen vorliegen. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Frage 57): Beabsichtigt die Bundesregierung, sich gegen Beihilfen und sonstige Subventionen für den Neubau von Atomkraftwerken in anderen Ländern einzusetzen, deren Energiewirtschaft und Industrie in Konkurrenz zur heimischen Energiewirtschaft und Industrie stehen, und wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung? Die Entscheidung für oder gegen die Nutzung von Kernenergie ist das souveräne Recht eines jeden Staates, das die Bundesregierung grundsätzlich respektiert. Dies gilt auch für die Entscheidung über den Neubau von Kernkraftwerken. Soweit es die Europäische Union betrifft, gilt auch für die Energiewirtschaft und die damit in Verbindung stehende Industrie das EU-rechtliche Beihilferegime, auf dessen Einhaltung die Bundesregierung achtet. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Fragen des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) (Drucksache 17/2371, Fragen 58 und 59): War der Wunsch der israelischen Regierung, zwei Korvetten in Deutschland bei Blohm + Voss in Auftrag zu geben und dafür eine deutsche Kofinanzierung zu erhalten, Gesprächsthema während der gemeinsamen deutsch-israelischen Regierungskonsultationen im Januar 2010? Hat die Bundesregierung der israelischen Regierung bezüglich des Wunsches, zwei deutsche Korvetten zu übernehmen, Zusagen gemacht? Zu Frage 58: Die gemeinsamen deutsch-israelischen Regierungskonsultationen haben am 18. Januar 2010 in Berlin stattgefunden. In diesem Zusammenhang wurde am Rande auch über Rüstungszusammenarbeit gesprochen. Der Inhalt des Gesprächs ist vertraulich. Zu Frage 59: Es wurden keine Zusagen gemacht. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN) (Drucksache 17/2371, Frage 60): Wie setzen sich die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit zusammen, die an Beschäftigte in der Leiharbeitsbranche gezahlt werden, die aufstockendes Arbeitslosengeld II beziehen, die laut dem Sachverständigen der Bundesagentur für Arbeit, Christian Rauch, 10 Prozent der gesamten Leistungen für Aufstocker betragen, und wie hoch sind diese Leistungen insgesamt? Zunächst ist es aus Sicht der Bundesregierung wichtig zu betonen, dass auch diesen sogenannten Aufstockern mit einer Beschäftigung in der Zeitarbeit die Chance zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt bzw. zu dauerhafter Beschäftigung eröffnet wird. Diese Chance wird auch dadurch nicht geschmälert, dass teilweise das Einkommen durch Leistungen der Grundsicherung aufgestockt wird. Die Bezieher erhalten Arbeitslosengeld II ebenso wie deren erwerbsfähige Angehörige. Die nicht erwerbsfähigen Angehörigen erhalten Sozialgeld. Zu ihnen zählen die der Bedarfsgemeinschaft angehörenden Kinder. Die Leistungen setzen sich aus der Regelleistung, den Kosten für Unterkunft und Heizung, den Mehrbedarfen und den einmaligen Leistungen zusammen. Die Mehrbedarfe umfassen den Mehraufwand bei kostenaufwendiger Ernährung, den schwangerschaftsbedingten Mehrbedarf und den Mehrbedarf bei Alleinerziehung. Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Kosten für Unterkunft und Heizung um kommunale Leistungen handelt, die nicht von der BA erbracht werden. Allerdings sind sie Teil des Arbeitslosengeldes II und dienen auch der Existenzsicherung. Die konkrete Leistungshöhe richtet sich nach der Größe der Bedarfsgemeinschaft, danach, ob spezifische zu berücksichtigende Bedarfslagen bestehen und wie weit nach Berücksichtigung der Einkommensfreibeträge anrechenbares Einkommen vorhanden ist. Zur Beantwortung der Fragestellung hat die Bundesagentur für Arbeit eine aktuelle Sonderauswertung vorgenommen. Mit Blickrichtung auf die Bedarfsgemeinschaften, in denen mindestens ein Mitglied Einkommen aus Erwerbstätigkeit bezieht und in der Branche Arbeitnehmerüberlassung beschäftigt ist, ist die Bundesagentur für Arbeit zu folgenden Ergebnissen gekommen: Im Dezember 2009 gab es 45 300 Bedarfsgemeinschaften mit Arbeitslosengeld-II-Beziehern, die in der Branche Arbeitnehmerüberlassung sozialversicherungspflichtig oder ausschließlich geringfügig beschäftigt waren und Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielten. Diese Bedarfsgemeinschaften erhielten im Durchschnitt 505 Euro passive Geldleistungen. Davon entfielen 154 Euro auf die Leistungen der Agentur für Arbeit und 320 Euro auf Kosten der Unterkunft. Darüber hinaus wurden für diese Bedarfsgemeinschaften durchschnittlich 92 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen abgeführt. Das gesamte Leistungsvolumen für diese Bedarfsgemeinschaften mit mindestens einem Beschäftigten in der Branche Arbeitnehmerüberlassung betrug im Dezember 2009 insgesamt rund 23 Millionen Euro ohne Sozialversicherungsbeiträge bzw. 27 Millionen Euro mit Sozialversicherungsbeiträgen. Bezogen auf das Leistungsvolumen für alle Bedarfsgemeinschaften mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig oder geringfügig Beschäftigten entsprach dies einem Anteil von knapp 4 Prozent. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN) (Drucksache 17/2371, Frage 61): Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass laut den neuesten Erkenntnissen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB, nur 7 Prozent der vormals Arbeitslosen im Zweijahreszeitraum nach dem Einsatz in der Leiharbeitsbranche ein reguläres Arbeitsverhältnis außerhalb der Leiharbeit haben, und hält die Bundesregierung weiterhin daran fest, dass die Leiharbeit als arbeitsmarktpolitisches Instrument erfolgreich und unschädlich für reguläre Beschäftigungsverhältnisse ist? Die am 30. Juni 2010 vorgestellten Ergebnisse des IAB in dem Kurzbericht "Brückenfunktion der Leiharbeit" beruhen im Wesentlichen auf dem Forschungsvorhaben, das das IAB für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durchgeführt hat. Die Bundesregierung hat diese Forschungsergebnisse bereits in ihrem 11. AÜG-Bericht berücksichtigt und die Ergebnisse des Forschungsvorhabens auf der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Januar 2010 eingestellt. Die Einschätzung der Bundesregierung hat sich nicht verändert. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Doris Barnett (SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 62): Hat die Bundesregierung Kenntnis von tschechischen Firmen, die ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Selbstständige anmelden und so mit dieser Form der Scheinselbstständigkeit die Sozialversicherungen in Deutschland bzw. Tschechien schädigen, und wie beurteilt die Bundesregierung den durch diese Praxis entstehenden, immer größer werdenden Niedriglohnsektor auf nationaler und europäischer Ebene, weil Unternehmen über das Aushebeln von Arbeitsrechtsbestimmungen Arbeitsleistungen - und damit auch Löhne - immer billiger anbieten? Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse speziell zu tschechischen Firmen, die ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Selbstständige anmelden. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/2371, Fragen 63 und 64): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über soziale Verwerfungen in der Callcenterbranche mit inzwischen circa 500 000 Beschäftigten angesichts dessen, dass es in dieser Branche, mangels eines tariffähigen Arbeitgeberverbandes, keinen flächendeckenden Tarifvertrag gibt, Stundenlöhne von 6 Euro und weniger gezahlt werden und es seit Jahren einen Lohndruck nach unten gibt, und inwiefern könnte ein armutsfester gesetzlicher Mindestlohn bei diesem Problem Abhilfe schaffen? Welche Auswirkungen wird die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit im kommenden Jahr auf die Situation in der Callcenterbranche haben, und kann die Bundesregierung, sofern sie es ablehnt, einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, zumindest gewährleisten, dass innerhalb der nächsten Wochen der nach dem Mindestarbeitsbedingungengesetz eingeführte Hauptausschuss für die Callcenterbranche einen Fachausschuss einrichtet, um soziale Verwerfungen in dieser Branche zu prüfen und gegebenenfalls festzustellen? Zu Frage 63: Nach der amtlichen Statistik des Statistischen Bundesamtes, die auf der Klassifikation der Wirtschaftszweige beruht, waren im März 2009 in Unternehmen des Wirtschaftszweiges 82.2 - dies sind selbstständige Callcenter - insgesamt etwa 102 000 Beschäftigte tätig, davon 9 100 ausschließlich geringfügig Beschäftigte. Im Vergleich zum März 2007 war dies ein Anstieg der Gesamtbeschäftigung um 10 000; Rückgang der ausschließlich geringfügig Beschäftigten um 1 000. Angaben über die aktuelle Verdienststruktur im Bereich Callcenter liegen nicht vor. Die Bundesregierung bekennt sich zur Tarifautonomie. Diese hat Vorrang vor staatlicher Lohnfestsetzung. Einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn lehnt die Bundesregierung deshalb ab. Zu Frage 64: Die Auswirkungen der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit im Jahr 2011 auf die Callcenterbranche lassen sich nicht prognostizieren. Der Hauptausschuss für Mindesarbeitsentgelte stellt als unabhängiges Gremium durch Beschluss fest, ob in einem Wirtschaftszweig soziale Verwerfungen vorliegen und Mindestarbeitsentgelte festgesetzt werden sollen. Dies ist nicht Aufgabe des Fachausschusses. Der Hauptausschuss trifft seine Entscheidungen autonom; die Bundesregierung nimmt auf seine Arbeit keinen Einfluss. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/2371, Frage 65): Wann und in welcher Weise wird die Bundesregierung, ausgehend von der UN-Behindertenrechtskonvention, eine Veränderung der Arbeitsstättenverordnung hinsichtlich des Kriteriums der Barrierefreiheit unter Einbeziehung der Betroffenen vornehmen? Die Arbeitsstättenverordnung, ArbStättV, enthält Regelungen zum Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten. Diese Regelungen dienen der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Im Hinblick auf die Belange der Beschäftigten mit Behinderung enthält die ArbStättV in § 3 Abs. 2 Anforderungen an die Barrierefreiheit am Arbeitsplatz. Beschäftigt der Arbeitgeber Menschen mit Behinderung, hat er die Arbeitsstätten so einzurichten und zu betreiben, dass die besonderen Belange dieser Beschäftigten im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz berücksichtigt werden. Die ArbStättV führt dazu aus, dass dies insbesondere für die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen sowie von zugehörigen Türen, Verkehrswegen, Fluchtwegen, Notausgängen, Treppen, Orientierungssystemen, Waschgelegenheiten und Toilettenräumen gilt. Die Regelungen in der ArbStättV stehen damit im Einklang mit den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention im Hinblick auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, wenn Menschen mit Behinderung im Betrieb beschäftigt werden. Zur Konkretisierung der Anforderung in § 3 Abs. 2 ArbStättV wird zurzeit im Ausschuss für Arbeitsstätten, ASTA, eine Technische Regel zur Barrierefreiheit am Arbeitsplatz erarbeitet. Mit der Verabschiedung der Technischen Regel durch den ASTA und deren Bekanntmachung im Gemeinsamen Ministerialblatt durch das BMAS ist in der laufenden Berufungsperiode des ASTA zu rechnen. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/2371, Frage 66): Was muss aus Sicht der Bundesregierung getan werden, damit Menschen mit Behinderung, die einen Führerschein erwerben wollen und diesbezüglich von der Fahrerlaubnisbehörde aufgefordert werden, Gutachten bzw. Stellungnahmen von Ärzten oder anderen Sachverständigen hinsichtlich ihrer Eignung für das Führen von Kraftfahrzeugen beizubringen, die dabei entstehenden Mehrkosten erstattet werden? Die Kosten für behinderungsbedingte Untersuchungen, Ergänzungsprüfungen und Eintragungen in vorhandene Führerscheine werden zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben im Rahmen der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung von den Rehabilitationsträgern in vollem Umfang übernommen, wenn dadurch der Arbeits- oder Ausbildungsort oder der Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung erreicht werden kann. Zum selben Zweck erhalten behinderte Menschen darüber hinaus einkommensabhängig auch einen Zuschuss zum Führerschein. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 67): Sind der Bundesregierung die Ergebnisse der Untersuchung und Publikation Versorgungsamt Report von Dr. med. Dieter Schneider bekannt, und wie bewertet sie diese hinsichtlich der Forderung, eine bundesweit einheitliche Bewertung des Grades der Behinderung zu ermöglichen? Der Versorgungsamt Report ist der Bundesregierung bekannt. Die Forderung, eine bundesweit einheitliche Bewertung des Grades der Behinderung zu ermöglichen, wird geteilt. In diesem Zusammenhang wird auf die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung, VersMedV, verwiesen, deren laufende Aktualisierung in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales fällt. Mit der Versorgungsmedizin-Verordnung einschließlich ihrer Anlage existiert eine verbindliche Norm für eine einheitliche Begutachtung von Behinderungen in Deutschland. Bei korrekter Anwendung dieser Vorgaben ist eine bundesweit einheitliche Begutachtung möglich. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner (SPD) (Drucksache 17/2371, Fragen 68 und 69): Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass laut Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes die Preise seit 2005 insgesamt um 8 Prozent gestiegen, die Regelsätze im Bereich des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch hingegen seit ihrer Einführung in 2005 durch Preissteigerungen faktisch um circa 5 Prozent gesunken sind, und beabsichtigt die Bundesregierung, dieser Regelsatzentwertung durch eine rückwirkende Anpassung zum 1. Juli 2010 zu begegnen? Wie steht die Bundesregierung zu der Kritik des Deutschen Gewerkschaftsbundes, DGB, dass es keinen Grund gibt, mit einer Erhöhung der Regelsätze bis zur Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, EVS, 2008 zu warten, wenn ein verfassungsgemäßer Zustand durch eine Anpassung der Regelsätze im Umfang der Preissteigerungen schon zum 1. Juli 2010 möglich ist? Zu Frage 68: Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 die Fortschreibung der Regelleistungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch mit der Veränderung des aktuellen Rentenwerts in Jahren, für die keine Neubemessung auf der Grundlage einer Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfolgt, für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Das Gericht hat keine konkreten Vorgaben für einen spezifischen neuen Anpassungsmechanismus gemacht, sondern unter anderem auf die Relevanz von Preis- und Nettolohnentwicklung für die Veränderung des regelsatzrelevanten Verbrauchs hingewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung zudem festgelegt, dass die geltende Fortschreibungsregelung des § 20 Abs. 4 SGB II noch bis zum 31. Dezember 2010 Anwendung findet. Eine rückwirkende Änderung der Fortschreibung zum 1. Juli 2010, die eine entsprechende Gesetzesänderung voraussetzen würde, ist deshalb nicht vorgesehen. Zum 1. Januar 2011 muss das Urteil des Bundesverfassungsgerichts durch eine Neuregelung umgesetzt werden. Diese umfasst auch einen neuen Fortschreibungsmechanismus für die Höhe der Regelleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und der Regelsätze nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Zu Frage 69: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts kann ein verfassungsgemäßer Zustand bei den Regelleistungen bzw. Regelsätzen nur durch eine Neubemessung der Regelsätze und der Regelleistungen erreicht werden. Diese Neuregelung umfasst auch einen neuen Fortschreibungsmechanismus und hat zum 1. Januar 2011 zu erfolgen. Grundlage der Bedarfsbemessung sind die Daten der aktuellsten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, EVS, also der EVS 2008. Diese Daten liegen noch nicht vor. Eine Änderung der Regelsatzbemessung zum 1. Juli 2010 wird also weder vom Bundesverfassungsgericht gefordert, noch ist sie aufgrund fehlender statistischer Daten möglich. Anlage 43 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Julia Klö ckner auf die Fragen der Abgeordneten Ulrike Höfken (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Fragen 70 und 71): Vertritt die Bundesregierung hinsichtlich der Pläne der EU-Kommission, national zusätzliche Anbauverbote für gentechnisch veränderte Pflanzen einrichten zu wollen, die Position, dass die EU-Kommission keine weiteren Anbauzulassungen für gentechnisch veränderte Pflanzen, auch nicht eine Neuzulassung für den Mais MON 810, erteilen soll, bevor der Schutz gentechnikfreier Regionen vor einem unerwünschten Anbau nicht rechtsverbindlich gesichert ist? Plant die Bundesregierung eine Novelle zum Gentechnikgesetz in dieser Wahlperiode, und, falls ja, wird sie dabei sicherstellen, dass Verunreinigungen durch gentechnisch veränderte Organismen auch unterhalb des Kennzeichnungsschwellenwertes von 0,9 Prozent vermieden werden und im Schadensfall der Verursacher haften muss? Zu Frage 70: Zur Verlagerung der Anbauentscheidung auf die Mitgliedstaaten liegt noch kein Vorschlag der Kommission vor. Hinsichtlich der Erteilung von Anbauzulassungen für gentechnisch veränderte Pflanzen, einschließlich der Erteilung einer Neuzulassung für den Mais MON 810, durch die EU-Kommission liegen den zuständigen Ausschüssen und dem Rat gegenwärtig keine Vorschläge der Kommission zur Entscheidung vor. Die Haltung der Bundesregierung sowohl zur Übertragung der Anbauentscheidung auf die Mitgliedstaaten als auch hinsichtlich weiterer Anbauzulassungen wird nach Vorlage der Vorschläge durch die EU-Kommission bestimmt werden. Zu Frage 71: Die Bundesregierung plant, die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Vorhaben umzusetzen. In diesem Zusammenhang ist auch eine Ergänzung der Koexistenzverordnung um einen Anhang für gentechnisch veränderte Kartoffeln geplant. Durch die Koexistenz wird sichergestellt, dass Verunreinigungen mit GVO in ökologischen oder konventionellen Produkten so gering wie möglich gehalten werden. Durch den Normenkontrollantrag der Landesregierung Sachsen-Anhalt betreffend das Gentechnikgesetz wurde auch die Vorschrift des § 36 a GenTG angegriffen. Es ist abhängig von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die im Herbst 2010 erwartet wird, ob insoweit eine Änderung des § 36 a GenTG, insbesondere der in Absatz 1 enthaltenen Definition der "wesentlichen Beeinträchtigung", erforderlich wird. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Fragen der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksache 17/2371, Fragen 72 und 73): Inwiefern plant die Bundesregierung eine unabhängige regelmäßige Erhebung der Entwicklung des Bedarfs an frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten, um zu klären, wie hoch der tatsächliche Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen ist und was kurzfristig getan werden muss, um diesen Bedarf an Betreuungsplätzen abzudecken, und wie schätzt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Ergebnisse des aktuellen "Ländermonitors Frühkindliche Bildungssysteme" der Bertelsmann-Stiftung ein, wonach eine Betreuungsquote von 35 Prozent an Kinderbetreuungsplätzen für unter Dreijährige ab 2013 nicht ausreichen wird, um den Bedarf an Plätzen zu decken? Plant die Bundesregierung verbindliche Vereinbarungen mit den Ländern, um die Steigerung der Ausgaben für frühkindliche Bildung zu gewährleisten und den weiteren bedarfsgerechten Ausbau der frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur voranzubringen, und, falls nein, warum nicht? Zu Frage 72: Die Behauptung, der Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann-Stiftung komme zum Ergebnis, dass eine Betreuungsquote von 35 Prozent ab 2013 nicht ausreicht, um den Platzbedarf zu decken, ist falsch. Der Ländermonitor lässt sich - entgegen der offenbar interessengeleiteten Berichterstattung in der Presse - gerade nicht in diese Richtung instrumentalisieren, sondern betont, dass hierzu "keine genauen und empirisch begründeten Daten" vorliegen, sodass sich "die Frage ... derzeit nicht beantworten" lässt. Die jüngsten hierzu verfügbaren Zahlen, auf die sich auch der Bertelsmann Ländermonitor stützt, sind die zum Stichtag 1. März 2009 erhobenen Zahlen der Kinder- und Jugendhilfestatistik. Die Bundesregierung wird diese Zahlen im ersten Zwischenbericht zur KiföG-Evaluation kommentieren. Dabei wird dann auch über die seitdem erreichten Ausbaufortschritte zu reden sein. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll der Bericht am 21. Juli 2010 vom Bundeskabinett beschlossen und dann dem Deutschen Bundestag zugeleitet werden. Die Bundesregierung plant keine "unabhängige regelmäßige Erhebung der Bedarfsentwicklung von frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten". Die Bedarfsplanung im Bereich der Kinderbetreuung liegt allein in der Zuständigkeit von Ländern und Kommunen. Der Bund wird Länder und Kommunen jedoch weiterhin im Rahmen der KiföG-Evaluation dabei unterstützen, in quantitativer und qualitativer Hinsicht bedarfsgerechte Ausbaukonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Zu Frage 73: Mit dem Kinderbetreuungsfinanzierungsgesetz, der für Bund und Länder verbindlichen Verwaltungsvereinbarung "Kinderbetreuungsfinanzierung" 2008 bis 2013 und dem Kinderförderungsgesetz sind die hierzu notwendigen Rechtsakte bereits erlassen und in Kraft. Der Bund hat damit die ihm nach der Finanzverfassung des Grundgesetzes zur Verfügung stehenden, formell verbindlichen Möglichkeiten umfassend genutzt. Darüber hinausgehende entsprechende Vereinbarungen mit den Ländern sind nicht geplant. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 74): Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung, in Deutschland individuelle Entschädigungen für die Opfer des Medikaments Contergan bzw. seines Wirkstoffes Thalidomid wie im internationalen Ausland nach dem Verursacherprinzip zu erwirken, und wie bewertet die Bundesregierung die Feststellung von Opferverbänden, dass die Bundesregierung aufgrund der damaligen Überführung der Schadensersatzansprüche in einen Fonds nun auch für eine individuelle Entschädigung einzustehen habe und sie durch das damals fehlende Arzneimittelgesetz Mitverursacher sei? Eine Entschädigung für die Conterganschäden erfolgte - wie üblich - nach dem Verursacherprinzip. In dem Vergleich vom 10. April 1970 verpflichtete sich die Verursacherfirma Grünenthal GmbH gegenüber den Geschädigten zur Zahlung von 100 Millionen DM. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 8. Juli 1976 festgestellt, dass das Stiftungsgesetz ohne Verstoß gegen die Verfassung die privatrechtlichen Vergleichsansprüche durch gesetzliche Ansprüche ersetzt hat - siehe BVerfGE 42, 263. Vor dem Landgericht Bonn ist eine Klage auf Schadensersatz gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen eines Conterganschadens erhoben worden. In der Klagebegründung wird geltend gemacht, dass der Staat seine Schutzpflicht verletzt habe, da im Schädigungszeitraum kein geeignetes Arzneimittelgesetz mit hinreichender Kontrolle vorhanden gewesen sei. Im Rahmen dieses Gerichtsverfahrens wird sich die Bundesregierung zu der Klage äußern. Soweit es um die Frage nach der Rechtsgrundlage für einen Haftungsanspruch gegen die Bundesregierung wegen normativen Unterlassens geht, ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverfassungsgericht am 26. Februar 2010 mehrere Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen hat, bei denen es ebenfalls um ein Unterlassen der Bundesrepublik Deutschland bei Conterganschäden ging. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Begründung unter anderem ausgeführt, dass eine "umfassende unmittelbare Staatsunrechtshaftung" von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht gefordert sei und dass mit dem Stiftungsgesetz auch kein Schuldanerkenntnis durch den Gesetzgeber verbunden war. Anlage 46 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Annette Widmann-Mauz auf die Fragen der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE ) (Drucksache 17/2371, Fragen 75 und 76): Wie stellt sich die Bundesregierung eine befristete Weiterführung der Verträge zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland auf der Grundlage des heutigen § 65 b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, SGB V, vor, ohne dass diese Verträge rechtlich vom Bundesrechnungshof oder von in der damaligen Ausschreibung unterlegenen Mitbewerbern angetastet werden können und ohne dass auch für diese befristete Weiterführung eine erneute Ausschreibung stattfinden müsste? Müsste ein solcher befristet verlängerter Vertrag zur Überbrückung der Unabhängigen Patientenberatung auch für die kurze Übergangszeit beispielsweise den Start neuer Modellvorhaben vorsehen, da ja die derzeit gültige gesetzliche Regelung in § 65 b SGB V eine finanzielle Förderung lediglich im Rahmen von Modellvorhaben vorsieht, oder ist auch für eine solche befristete Vertragsverlängerung eine gesetzliche Neuregelung notwendig? Die Bundesregierung hat in den Gesetzentwurf zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung, AMNOG, eine Neufassung des § 65 b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V, integriert, nach der die regelhafte Förderung von Einrichtungen zur unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung durch den GKV-Spitzenverband festgeschrieben wird. Die Neuregelung wird voraussichtlich zum 1. Januar 2011 in Kraft treten. Eine befristete Weiterführung des Fördervertrages mit dem Modellverbund Unabhängige Patientenberatung Deutschland gGmbH, UPD, auf Grundlage des bisherigen § 65 b SGB V ist daher nicht erforderlich. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Frage 77): Warum hat die Bundesregierung die Kosten für die Machbarkeitsstudie zur A 99 - Südring München - zur Hälfte übernommen, obwohl der Deutsche Bundestag 2004 "keinen Bedarf" festgestellt hat, und auf welcher rechtlichen Basis hat sich die Bundesregierung an den Kosten beteiligt? Verkehrswirtschaftliche Untersuchungen, wozu auch Machbarkeitsstudien gehören, werden von den Ländern im Rahmen der ihnen obliegenden Verwaltungsaufgaben, Art. 90 II Grundgesetz, vergeben. Bei großräumigen verkehrswirtschaftlichen Untersuchungen, die der langfristigen Betrachtung des Gesamtnetzes der Bundesfernstraßen sowie den Vorarbeiten zur Fortschreibung der Bedarfspläne dienen, kann sich der Bund gemäß Art. 90 I Grundgesetz finanziell beteiligen. Entsprechende Ausgaben sind jährlich im Bundeshaushalt veranschlagt. Eine Einstufung im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ist nicht Voraussetzung für verkehrswirtschaftliche Untersuchungen. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Frage 78): Wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtsgültigkeit von Umweltzonen bzw. die damit verbundene Anfechtbarkeit von Bußgeldbescheiden, und welche Konsequenzen zieht sie aus den kürzlich geäußerten Zweifeln an deren Gültigkeit aufgrund von juristischen Formfehlern? Seit Inkrafttreten der sogenannten Kennzeichnungsverordnung am 1. März 2007, Bundesgesetzblatt 2006 Teil 1, Seite 2218, haben die Straßenverkehrsbehörden der Länder die Möglichkeit, Umweltzonen anzuordnen, die mit den Verkehrszeichen 270.1 und 270.2 gekennzeichnet werden. Im Rahmen der 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, Bundesgesetzblatt 2009 Teil 1, Seite 2631, der sogenannten Schilderwaldnovelle, sollte einerseits klargestellt werden, dass auch der ruhende Verkehr von dem Verkehrsverbot der Umweltzone umfasst ist, und andererseits den Straßenverkehrsbehörden der Länder die Möglichkeit eingeräumt werden, Ausnahmen von dem Verkehrsverbot auch durch Allgemeinverfügung zuzulassen. Die "Schilderwaldnovelle" verstößt aber gegen das verfassungsrechtlich verankerte Zitiergebot, Art. 80 Abs. 1 Satz 3 Grundgesetz. Dies bedeutet, dass diese Anpassungen nicht rechtsgültig vorgenommen wurden und somit die Rechtslage vor dem geplanten Inkrafttreten der "Schilderwaldnovelle", 1. September 2009, gilt. Auf die Rechtmäßigkeit der Umweltzonen hat dies aber keinen Einfluss. Allerdings sind Bußgeldbescheide, die als Rechtsgrundlage die mit der Schilderwaldnovelle neu bezeichneten Vorschriften, § 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2 Straßenverkehrsordnung, nennen, rechtswidrig. Diese Rechtswidrigkeit kann aber dadurch geheilt werden, dass im Einspruchsverfahren die Rechtsgrundlagen richtig bezeichnet werden, § 41 Abs. 2. Nach Informationen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung haben inzwischen aber nahezu alle Länder ihre EDV in den Bußgeldbehörden so umgestellt, dass wieder die "alten" Vorschriften im Bußgeldbescheid genannt werden. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 79): Wie wird die Bundesregierung die Ankündigung des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Dr. Andreas Scheuer - vergleiche DVZ vom 22. Juni 2010, Seite 1 - umsetzen, dass die Dividende in Höhe von 500 Millionen Euro der Deutschen Bahn AG, DB AG, zugunsten des allgemeinen Bundeshaushalts direkt in den Ausbau des Schienennetzes fließen werde, und wie begründet die Bundesregierung die inhaltliche Verknüpfung der Pläne für eine Dividendenzahlung der DB AG mit der Absichtserklärung, den gleichen Betrag in Höhe von 500 Millionen Euro aus dem bisherigen Etat des Bundes für die Schienenwege in die Straßeninfrastruktur fließen zu lassen - vergleiche DVZ vom 22. Juni 2010? Ich habe die in dem zitierten DVZ-Artikel unterstellten Äußerungen nicht gemacht. Ich bin in dem Bericht falsch zitiert worden. Dies wurde unmittelbar nach der Erscheinung des Artikels mitgeteilt. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) (Drucksache 17/2371, Frage 80): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen gemäß der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, LuFV, zum 30. April 2010 erstellten Infrastrukturzustands- und -entwicklungsbericht, IZB, und wann wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag den Bericht übermitteln? Die Deutsche Bahn AG hat zum 30. April 2010 den Infrastrukturzustands- und -entwicklungsbericht 2009, inklusive Infrastrukturkataster, IZB, beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Eisenbahn-Bundesamt vorgelegt. Die LuFV-Berichtspflicht wurde somit formal eingehalten. Dies erfolgte aber mit dem Hinweis seitens der Deutsche Bahn AG, dass der IZB 2009 vertrauliche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthält und Urheberrechtsschutz bestünde. Aus diesem Grund konnte der Textteil des Berichts zunächst nicht wie geplant unmittelbar an den Rechnungsprüfungsausschuss, den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, den Bundesrechnungshof und die Verkehrsabteilungsleiter der Länder weitergegeben werden. Die Übersendung des IZB an den oben angegebenen Adressatenkreis wird in den nächsten Tagen erfolgen. Eine inhaltliche Bewertung seitens der Bundesregierung kann wegen des noch andauernden Prüfprozesses derzeit noch nicht abgegeben werden. Anlage 51 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann Ott (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 81): Inwiefern erwartet die Bundesregierung Auswirkung auf die weiteren Klimaverhandlungen und ihre eigene Glaubwürdigkeit in den Verhandlungen, sollte die Bundesregierung ihre Zusagen von Kopenhagen in den kommenden Haushalten nicht einhalten? Die Bundesregierung wird ihre Zusagen einhalten. Anlage 52 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN) (Drucksache 17/2371, Fragen 82 und 83): Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass die Emissionshöchstmengen für Ammoniak für 2010 eingehalten werden können - wie in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 6 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 17/1886 dargelegt wurde -, obwohl zum November 2009 der Viehbestand zum Beispiel bei den Schweinen nur um 0,4 Prozent und die Zahl der Hennenhaltungsplätze nur um 0,2 Prozent laut amtlicher Statistik abgenommen haben, die Referenzprognose des Umweltbundesamtes für 2010 eine Überschreitung von 60 000 Tonnen ergibt und zurzeit 900 Massentierhaltungsanlagen geplant oder beantragt werden, wobei allein auf Niedersachsen 250 Anlagen entfallen? Wieso beruft sich die Bundesregierung in ihrer Antwort zu Frage 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 17/1886 auf eine Schätzung, obwohl für die Emissionsinventare und Emissionsprognosen nach § 33 Abs. 3 der 39. BImSchV bzw. früher § 7 Abs. 3 der 33. BImSchV, das Umweltbundesamt als nachgeordnete Behörde zuständig ist und hierzu auch die notwendige Referenzprognose erstellt hat? Zu Frage 82: Es trifft zu, dass die Prognose des Umweltbundesamts von einer Überschreitung der Emissionshöchstmenge für Ammoniak von 60 Kilotonnen - entspricht circa 11 Pro-zent - im Jahr 2010 ausgeht. Wie in der Antwort auf Frage 6 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drucksache 17/1670 - ausgeführt, ist sich die Bundesregierung deshalb der Tatsache bewusst, dass das Ziel, die Emissionshöchstmenge für Ammoniak im Jahr 2010 einzuhalten, anspruchsvoll ist. Zurzeit wird untersucht, ob bei der Erstellung des Ammoniakemissionsinventars aktuelle Erkenntnisse über die Ammoniakemissionen bei der Ausbringung von Gülle in der Berichterstattung zu berücksichtigen sind. Insgesamt wird es eine erneute Bewertung der eingeleiteten Maßnahmen geben. Nach Abschluss dieser Arbeiten kann genauer beurteilt werden, ob für das Jahr 2010 von einer tatsächlichen Überschreitung der Emissionshöchstmenge auszugehen ist. Zu Frage 83: In Frage 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen - Drucksache 17/1670 - war explizit nach der derzeit, das heißt zum Zeitpunkt der Anfrage, für 2010 prognostizierten Menge an Ammoniakemissionen gefragt. Da die Prognose des Umweltbundesamtes seit 2007 unverändert ist, wurde in der Antwort eine aktuelle "Schätzung" aus dem zuständigen nachgeordneten Bereich des BMELV genannt. Anlage 53 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen der Abgeordneten Dorothea Steiner (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Fragen 84 und 85): Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass ihr der Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung zur Ausräumung immissionsschutzrechtlicher Hinderungsgründe beim Neubau oder der Erweiterung von Tierhaltungsanlagen nicht bekannt ist - wie aus der Bundestagsdrucksache 17/1886 hervorgeht -, obwohl zumindest der Zweck dieses Erlasses in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 17/1670 ausführlich erläutert wurde und die Existenz dieses Erlasses Gegenstand der Kleinen Anfrage war und die sich aus dieser Frage ergebenden Folgefragen nicht beantwortet werden konnten? Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass ihr das Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Niedersächsischen Landtages im Auftrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, das den Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung zur Ausräumung immissionsschutzrechtlicher Hinderungsgründe beim Neubau oder der Erweiterung von Tierhaltungsanlagen zum Gegenstand hatte, nicht bekannt ist - wie aus der Bundestagsdrucksache 17/1886 hervorgeht -, obwohl auf dieses in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/1670 hingewiesen wurde? In ihrer Antwort, Bundestagsdrucksache 17/1886, auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Bundestagsdrucksache 17/1670, hat die Bundesregierung dargelegt, dass die Erteilung der Genehmigungen für Neubauten und Erweiterungen von Tierhaltungsanlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und Baurecht Ländersache ist. Die Länder vollziehen das Bundes-Immissionsschutzgesetz und seine Verordnungen im Sinne des Art. 84 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz als eigene Angelegenheit. Dies schließt den eigenverantwortlichen Erlass normkonkretisierender Vorschriften mit ein, die nicht mit der Bundesregierung abgestimmt werden müssen. Anlage 54 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/2371, Frage 86): Stimmt es, dass der Nationale Aktionsplan für Erneuerbare Energien der Bundesregierung einen Ausbau des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auf über 38 Prozent bis zum Jahr 2020 vorsieht, und soll dieser Aktionsplan Teil des Energiekonzepts der Bundesregierung werden? Der Nationale Aktionsplan für Erneuerbare Energien der Bundesregierung gemäß der Richtlinie 2009/28/EG ist noch nicht beschlossen. In dem Entwurf des Nationalen Aktionsplans der Bundesregierung vom 29. Juni 2010 wird, basierend auf einem eigenständigen Szenario, derzeit ein Anteil von 38,6 Prozent erneuerbaren Energien am Strom in 2020 geschätzt. Der Entwurf stellt ausdrücklich klar, dass es sich um Schätzwerte und nicht um ein neues Ziel handelt. Es bleibt daher beim Ziel des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, EEG, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2020 auf mindestens 30 Prozent zu erhöhen. Die Erarbeitung des im Herbst 2010 vorzulegenden Energiekonzepts erfolgt aufgrund der unterschiedlichen Zeit- und Fristvorgaben sowie der thematisch deutlich umfassenderen Ausrichtung weitgehend unabhängig von der Erstellung des Nationalen Aktionsplans für Erneuerbare Energien. Das Energiekonzept der Bundesregierung wird szenarienbezogene Leitlinien für eine saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung festlegen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass das Energiekonzept andere als die im Nationalen Aktionsplan für Erneuerbare Energien enthaltenen zukunftsbezogene Daten und Aussagen beinhalten wird. Anlage 55 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2371, Frage 87): Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sich aus den negativen Folgen, die sich aus der Sperrung der Mittel des Marktanreizprogramms für erneuerbare Energien sowie des nationalen Klimaschutzprogramms ergeben haben, adäquate positive Folgen an anderer Stelle ergeben haben, und, falls ja, wie beziffert die Bundesregierung den aus ihrer Sicht erzielten Erfolg der Sperrung? Grundsätzlich muss gesehen werden, dass den direkten Wirkungen von Staatsausgaben immer auch gegensätzliche Wirkungen durch den Entzug der zur Finanzierung notwendigen Mittel für anderweitige Verwendungen entgegenstehen. Für alle Beteiligten vorteilhaft ist es dabei, wenn Änderungen nicht ad hoc erfolgen, sondern so gestaltet werden, dass Investoren sich darauf einstellen können. Auch wenn davon ausgegangen werden muss, dass eine gesicherte Einnahmeerwartung für die veranschlagten Erlöse aus der Veräußerung der Emissionszertifikate zurzeit und auch mittelfristig nicht vorliegen wird, hat sich die Bundesregierung daher entschlossen, dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages um Einwilligung zur Aufhebung der Sperre beim Marktanreizprogramm zu bitten. Die Bundesregierung wird dem Bundestag mit dem heute vom Kabinett beschlossenen Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2011 weiter vorschlagen, die Ausgaben für das Marktanreizprogramm in den nächsten Jahren an die reduzierten Finanzierungsspielräume des Haushalts anzupassen. Dabei ist sichergestellt, dass das Marktanreizprogramm weiterhin als ein wichtiges und erfolgreiches Instrument für den Ausbau der erneuerbaren Energien im Wärmemarkt zur Verfügung steht. 5568 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 54. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 54. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5567 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 5584 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 54. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 54. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 7. Juli 2010 5585