Plenarprotokoll 17/61 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 61. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 I n h a l t : Zusatztagesordnungspunkt 1: Einsprüche gemäß § 39 der Geschäftsordnung der Abgeordneten Herbert Behrens, Heidrun Dittrich, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger und Michael Schlecht gegen den am 17. September 2010 erfolgten Sitzungsausschluss Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Energiekonzept der Bundesregierung Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU Rainer Brüderle, Bundesminister BMWi Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU Michael Kauch (FDP) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU Dr. Matthias Miersch (SPD) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU Rainer Brüderle, Bundesminister BMWi Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Rainer Brüderle, Bundesminister BMWi Dirk Becker (SPD) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU Klaus Breil (FDP) Rainer Brüderle, Bundesminister BMWi Ulrich Kelber (SPD) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rainer Brüderle, Bundesminister BMWi Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU Ralph Lenkert (DIE LINKE) Rainer Brüderle, Bundesminister BMWi Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) Rainer Brüderle, Bundesminister BMWi Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU Rolf Hempelmann (SPD) Rainer Brüderle, Bundesminister BMWi Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU Dorothée Menzner (DIE LINKE) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 17/3007) Mündliche Frage 10 Andrej Hunko (DIE LINKE) Diskriminierung von Sinti und Roma in der EU sowie Entgegenwirken in Deutschland Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 11 Andrej Hunko (DIE LINKE) Abschiebung von Sinti und Roma in das Kosovo seit 2009 sowie Aussetzung dieser Abschiebepraxis Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) Mündliche Frage 12 Burkhard Lischka (SPD) Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Neuregelung des Sorgerechts nicht verheirateter Väter Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Burkhard Lischka (SPD) Mündliche Frage 13 Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Beanstandung der Erstellung und Veröffentlichung eines Rechtsgutachtens zu einer aktuellen verfassungsrechtlichen Frage durch den ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 24 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) EU-rechtliche Absicherung des vereinbarten Endes der Steinkohlesubventionen bis zum Jahr 2018 Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 25 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Genehmigung der Verbringung hochradioaktiver abgebrannter Brennelemente nach Russland Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 36 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steigerung des Exports von Fleischprodukten als Ziel der Bundesregierung Antwort Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin BMELV Zusatzfragen Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 37 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aussagen des US-Generals Petraeus über die Bundeswehr und deren Einsatz in Afghanistan Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 38 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Festnahmen vermeintlich Aufständischer durch die Bundeswehr in Afghanistan im September 2009 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 45 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stand und Zeitplan der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 46 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage eines Berichts zur Bearbeitung des besonderen naturschutzfachlichen Planungsauftrages für Straßenbauprojekte im Straßenbauplan Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 50 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Energiestandards für Neubauten und sanierte Gebäude ab 2011 Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dorothée Menzner (DIE LINKE) Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 51 Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steigerung der Sanierungsquote vor dem Hintergrund der Reduzierung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Mündliche Frage 52 Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berechnung der Kosten für die Sanierung aller Wohngebäude auf den Nullemissionsstandard bis 2050 Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 55 Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gewährleistung der Kohlendioxidreduktion um 80 Prozent beim Gebäudebestand bis 2050 Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dorothée Menzner (DIE LINKE) Mündliche Frage 56 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bewertung des BMU hinsichtlich der geplanten Maßnahmen des BMELV zur Einhaltung des Ammoniak-Grenzwertes gemäß NEC-Richtlinie Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 60 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Folgen der geplanten Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke sowie der verzögerten Inbetriebnahme des Endlagers Schacht Konrad für die Kapazitäten der Atomzwischenlager Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP: Einen fairen Interessenausgleich zwischen Beschäftigten und Arbeitssuchenden mit bedarfsgerechten Regelsätzen schaffen Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMAS Manuela Schwesig, Ministerin (Mecklenburg-Vorpommern) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Diana Golze (DIE LINKE) Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Karl Schiewerling (CDU/CSU) Elke Ferner (SPD) Pascal Kober (FDP) Anette Kramme (SPD) Ingrid Fischbach (CDU/CSU) Max Straubinger (CDU/CSU) Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Einspruch vom 28. September 2010 des Abgeordneten Herbert Behrens gemäß § 39 GO (Zusatztagesordnungspunkt 1) Anlage 3 Einspruch vom 26. September 2010 der Abgeordneten Heidrun Dittrich gemäß § 39 GO (Zusatztagesordnungspunkt 1) Anlage 4 Einspruch vom 27. September 2010 der Abgeordneten Annette Groth gemäß § 39 GO (Zusatztagesordnungspunkt 1) Anlage 5 Einspruch vom 26. September 2010 der Abgeordneten Heike Hänsel gemäß § 39 GO (Zusatztagesordnungspunkt 1) Anlage 6 Einspruch vom 26. September 2010 der Abgeordneten Inge Höger gemäß § 39 GO (Zusatztagesordnungspunkt 1) Anlage 7 Einspruch vom 26. September 2010 des Abgeordneten Michael Schlecht gemäß § 39 GO (Zusatztagesordnungspunkt 1) Anlage 8 Mündliche Frage 1 Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rechtsgutachten zur Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrates bei Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 9 Mündliche Frage 2 Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Offenlegung der rechtlichen Erwägungen im Zusammenhang mit der am 5. September 2010 beschlossenen Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 10 Mündliche Frage 3 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kosten für die eingeholten Rechtsgutachten zur Zustimmungsbedürftigkeit einer Verlängerung der Kernkraftwerkslaufzeiten Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 11 Mündliche Frage 4 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Schadenersatzpflicht gegenüber der Atomwirtschaft im Falle einer verfassungswidrigen Vereinbarung zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 12 Mündliche Frage 5 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gültigkeit des Rechtsgutachtens vom 1. Juni 2010 zur Zustimmungsbedürftigkeit einer Atomgesetzänderung zur Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 13 Mündliche Fragen 6 und 7 Dr. Eva Högl (SPD) Gesetzliche Regelung zur Einrichtung eines Widerspruchsregisters und eines Verbots der Profilbildung für Geodatendienste wie Google Street View; Gewährleistung der Privatsphäre der Bürger bei Erhebung, Vorbereitung und Veröffentlichung von Geodaten Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 14 Mündliche Frage 8 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rückführungspraxis von Roma und anderen Minderheiten in das Kosovo Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 15 Mündliche Frage 9 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einsatz der Bundesregierung für die Rechte der Roma innerhalb der Europäischen Union und im Europarat Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 16 Mündliche Frage 14 Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gültigkeit des von BMJ und BMI verfassten Rechtsgutachtens vom 1. Juni 2010 zur Zustimmungsbedürftigkeit einer Verlängerung der Laufzeit von Kernkraftwerken Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 17 Mündliche Frage 15 Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Arbeitstreffen von BMI und BMJ zur Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrats bei der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke im Zeitraum 1. Juni bis 5. September 2010 Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 18 Mündliche Frage 16 Werner Schieder (Weiden) (SPD) Schlüssel zur Verteilung des Aufkommens aus einer auf europäischer Ebene vorgeschlagenen Finanztransaktionsteuer auf einzelne EU-Staaten Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 19 Mündliche Frage 17 Hans-Joachim Hacker (SPD) Unterschiedlich hohe Steuersätze im Gesetzentwurf für eine Luftverkehrsteuer für Flüge in die Mittelmeerregion Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 20 Mündliche Frage 18 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Anrechenbarkeit der Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Einkommensteuer und erwartete Steuermindereinnahmen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 21 Mündliche Frage 19 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Gewerbesteuerfreiheit von Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit und von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft; Mehreinnahmen bei einem einheitlichen Hebesatz von 400 Prozent Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 22 Mündliche Frage 20 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Steuermindereinahmen für die Jahre 2004 bis 2009 durch die ausbleibende Anwendung des Progressionsvorbehalts auf das Kurzarbeitergeld Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 23 Mündliche Frage 21 Thomas Nord (DIE LINKE) Haltung der Bundesregierung zum Ziel der Schaffung einer neuer Leitwährung Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 24 Mündliche Frage 22 Thomas Nord (DIE LINKE) Währungspolitische Vorschläge der Bundesregierung bezüglich Vormachtstellung des US-Dollars Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 25 Mündliche Frage 23 Hans-Joachim Hacker (SPD) Abstimmung der Schwerpunktsetzung der Tourismusförderung innerhalb der Bundesregierung bei der Erstellung des Bundeshaushalts 2011 Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 26 Mündliche Frage 26 Garrelt Duin (SPD) Wettbewerbsneutrale Ausgestaltung der beabsichtigten Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 27 Mündliche Frage 27 Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung des BMVBS an der Erarbeitung des Energiekonzepts Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 28 Mündliche Frage 28 Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) Umsetzung der Entschließung aus Bundestagsdrucksache 16/11234 zur stärkeren Berücksichtigung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sowie Menschen mit Behinderung in der nationalen Bildungsforschung und Untersuchung der Chancengleichheit beim Übergang auf den Arbeitsmarkt Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 29 Mündliche Frage 29 Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) Barrierefreiheit in den Liegenschaften des Bundes Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 30 Mündliche Fragen 30 und 31 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) In Weißrussland und Kasachstan geförderte Programme und Projekte im Bereich der Behindertenpolitik seit 2006 Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 31 Zusatzfragen 32 und 33 Werner Dreibus (DIE LINKE) Neuausschreibung und Vergabepraxis der User-Helpdesk-Dienstleistungen der Bundesagentur für Arbeit; Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen und Entlohnung Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 32 Mündliche Frage 34 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit in den letzten zehn Jahren für externe Call-Center-Dienstleister; Anwendung von Tarifverträgen durch die Dienstleister Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 33 Mündliche Frage 35 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Bezahlung von Firmen aus Mitteln der Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung für das Betreiben des User Helpdesks bei der Bundesagentur für Arbeit Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 34 Mündliche Frage 39 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Weiterführung der Mehrgenerationenhäuser in den Landkreisen und Bedingungen für die Fortführung der finanziellen Unterstützung Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 35 Mündliche Fragen 40 und 41 Caren Marks (SPD) Beteiligung der MaschmeyerRürup AG an dem Konzept des BMFSFJ zur Familienpflegezeit Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 36 Mündliche Fragen 42 und 43 Harald Weinberg (DIE LINKE) Im GKV-Finanzierungsgesetz geplante Übernahme der Zusatzbeiträge bei Beziehern von ALG II und Sozialhilfe; erwartete Mehrbelastungen für Kommunen Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staats- sekretärin BMG Anlage 37 Mündliche Frage 44 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Notwendigkeit eines "Stoßdämpfers" bei Rabattverträgen für Arzneimittel Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staats- sekretärin BMG Anlage 38 Mündliche Frage 47 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Finanzierung und Zeitplan für die Realisierung der Ortsumgehung Freiberg Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 39 Mündliche Frage 48 Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) Baustopp der Ortsumgehung Sebexen im Zuge der Bundesstraße 445 Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 40 Mündliche Frage 49 Heinz Paula (SPD) Entlastung der Stadt Friedberg (Bayern) durch den Bau einer Ortsumgehung der Bundesstraße 300 sowie Alternativlösungen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 41 Mündliche Frage 53 Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Geplante jährliche Erhöhung des KfW-Gebäudesanierungsprogramms Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 42 Mündliche Frage 54 Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen der Nutzung von Fördermitteln des KfW-Gebäudesanierungsprogramms auf die Mietkostenbelastung Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 43 Mündliche Frage 57 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sicherheitsnachrüstungen für den Atomreaktor Brunsbüttel Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 44 Mündliche Frage 58 Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sicherheitsnachrüstungen für den Atomreaktor Biblis A im Rahmen der geplanten Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 45 Mündliche Frage 59 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überprüfung der Umsetzung der Sicherheitsanforderungen in den 17 Atomkraftwerken im Rahmen der geplanten Laufzeitverlängerung durch das BMU Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 46 Mündliche Frage 61 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zukünftige Ausrichtung der Entwicklungspolitik sowie weitere Unterstützung für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria Antwort Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Anlage 47 Mündliche Frage 62 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verhandlungsstrategie für den EU-Haushalt des Zeitraums 2014 bis 2020 aus entwicklungspolitischer Sicht, insbesondere bei den Mitteln für die Gemeinsame Agrarpolitik Antwort Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Anlage 48 Mündliche Frage 63 Garrelt Duin (SPD) Auswirkungen der Rechtsprechung des EuGH zum deutschen Glücksspielvertrag auf das gewerbliche Automatenspiel und Pferdewetten Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 49 Mündliche Frage 64 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Deutsche Initiativen im Rahmen der Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 50 Mündliche Frage 65 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Unterstützung der Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 51 Mündliche Frage 66 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verhaftung des deutschen Staatsbürgers Ismail Abdi in Syrien; Bemühungen um dessen Freilassung und Ausreise nach Deutschland Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 52 Mündliche Frage 67 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Frankreich wegen der Abschiebung von Roma Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA 61. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 Beginn: 13.03 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: Einsprüche gemäß § 39 der Geschäftsordnung der Abgeordneten Herbert Behrens, Heidrun Dittrich, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger und Michael Schlecht gegen den am 17. September 2010 erfolgten Sitzungsausschluss In der letzten Plenarsitzung habe ich die genannten Abgeordneten auf der Grundlage des § 38 unserer Geschäftsordnung von den beiden Sitzungstagen heute und morgen ausgeschlossen. Um dennoch zu den Sitzungen des Plenums und der Ausschüsse an diesen Tagen zugelassen zu werden, haben fünf der ausgeschlossenen Abgeordneten beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Vor dem Hintergrund dieses Verfahrens - auch zur Wahrung möglicher Rechtsansprüche - habe ich mich entschlossen, den Vollzug der Ausschlüsse auszusetzen, um eine Klärung der Frage, die gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren erfolgt, abzuwarten. Damit hat sich nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erledigt. Unabhängig davon ist gemäß § 39 unserer Geschäftsordnung über die Einsprüche der Abgeordneten zu entscheiden. Ihnen liegt die Unterrichtung vor, der Sie auch den Wortlaut der Einsprüche entnehmen können.1 Nach § 39 unserer Geschäftsordnung entscheidet der Bundestag ohne Aussprache über die Einsprüche. Ich gehe davon aus, dass über die sechs Einsprüche gemeinsam abgestimmt werden kann. Gibt es dazu eine andere Auffassung? - Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Einsprüchen stattgeben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? (Ulrich Kelber [SPD]: Die CDU könnte die Bußgelder gemeinsam mit uns beschließen, anstatt zu heulen!) Damit sind die Einsprüche mit großer Mehrheit des Bundestages zurückgewiesen. Wir kommen nun zu den übrigen vereinbarten Tagesordnungspunkten. Ich rufe zunächst den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darf ich mich dazu melden?) - Nach dem Bericht dürfen Sie sich dazu selbstverständlich melden. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Die wissen schon alle, was im Bericht gesagt wurde!) Wir nehmen das aber schon einmal als angemeldetes Interesse zu Protokoll. Es ist interessant, dass es noch vor der Unterrichtung der Bundesregierung über das voraussichtliche Thema eine lebhafte Anmeldung von Nachfragen gibt. Ich warte jetzt noch einen Augenblick und bitte diejenigen, die an der Befragung der Bundesregierung wegen anderer Sitzungsverpflichtungen nicht teilnehmen können oder wollen, den Plenarsaal zügig zu räumen. Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Energiekonzept der Bundesregierung. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat zunächst der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsicherheit!) Dr. Norbert Röttgen, und anschließend der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle. - Bitte sehr, Herr Minister Röttgen. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gerne einen Bericht über die Kabinettssitzung und die dort getroffenen Beschlüsse, insbesondere in Bezug auf das Energiekonzept, geben. Ich möchte zu Beginn hervorheben, dass nunmehr - seit Jahrzehnten erstmalig - ein Energiekonzept vorliegt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für jede entwickelte Gesellschaft, für jedes Industrieland - das wollen wir bleiben, weil es zu unserem Vorteil ist -, sind die Energieversorgung und deren langfristige Sicherung eine wichtige Lebensader, (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Witz des Tages!) die man ertüchtigen und gesund erhalten muss, wenn sich ein Land weiterhin gut entwickeln will. Dementsprechend haben wir die Entscheidungen getroffen. Es handelt sich um ein Energiekonzept, das langfristig angelegt ist. Energiepolitik kann nicht anders als langfristig betrieben werden. Deshalb haben wir uns für einen Planungshorizont von 40 Jahren bis zum Jahr 2050 entschieden. Das ist notwendig, um Energiepolitik zu machen. Bei den Energieunternehmen geht es immer um Investitionen in Milliardenhöhe. Ein Kohlekraftwerk wird für 30, 40 oder 50 Jahre gebaut. Eine Windparkanlage wird für mindestens 20 Jahre konzipiert. Deshalb gibt es eine politische Bringschuld. Diese politische Bringschuld heißt Verlässlichkeit. Mit unseren Entscheidungen haben wir die Grundlage gelegt, dass Verlässlichkeit herrscht und die Energieversorgung weiterhin gewährleistet ist. Welches sind die langfristigen Ziele, die wir mit diesem Energiekonzept verfolgen? Wir verfolgen drei große Ziele, für deren Erreichen wir jetzt die Grundlagen gelegt haben. Das erste Ziel ist die Energiesicherheit. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Laufzeitverlängerung!) Es geht um die Sicherheit der Energieversorgung; diese wird durch unsere Entscheidungen gewährleistet. Das zweite Ziel ist die Klimaverträglichkeit, weil Klimaschutz einschließlich CO2-Reduzierung eine Bedingung nicht nur für wirtschaftliche, sondern auch für menschliche Entwicklung ist. Das dritte Ziel ist: Durch die damit einhergehende technologische Entwicklung und die wirtschaftliche Modernisierung wird gerade unser Land seine Wachstumspotenziale und seine Wettbewerbsfähigkeit steigern. Deshalb ist die von uns verfolgte Strategie eine wirtschaftliche Modernisierungs- und Wertschöpfungsstrategie. Die drei genannten Ziele drücken sich auch in konkreten Zahlen aus. Wir haben einen Zeithorizont von 40 Jahren und das Ziel definiert, innerhalb dieses Zeitraums die CO2-Emissionen um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren. Bis 2050 wollen wir einen Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung von 80 Prozent erreichen. Wir wollen die Energieproduktivität um 2,1 Prozent pro Jahr steigern, sodass wir in 40 Jahren den Primärenergieverbrauch halbiert haben werden. Wir wollen die Gebäudesanierungsrate von 1 auf 2 Prozent verdoppeln. Das sind die Ziele, die wir uns gesetzt haben. Sie sind notwendig, um eine sichere, klimaverträgliche und wettbewerbsfähige Energieversorgung zu realisieren. Diese Ziele werden über Zwischenetappen erreicht werden. Für sie haben wir ein Monitoring, einen Überprüfungsprozess, fest verabredet. Das heißt, wir entlasten unser heutiges Handeln nicht durch weitreichende Ziele, sondern wir definieren Zwischenziele, deren Erreichen überprüft wird, damit wir wissen, ob wir auf dem Zielpfad sind. 2013 wird die erste Überprüfung erfolgen. Es wird ein lebendiger politischer Prozess stattfinden, der alle Sektoren umfasst: Wärme, Verkehr, Strom und Industrie. Sektorenübergreifend und die damit verbundenen technologischen Innovationen umfassend - das ist eine nüchterne Feststellung - ist dieses Konzept ein Meilenstein in der Wirtschaftsgeschichte unseres Landes. Wir haben dieses Konzept glaubwürdig erarbeitet. Wir haben es mit rund 60 Maßnahmen handfest unterlegt. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Prüfaufträge!) Das fängt bei der Finanzierungsgewährleistung für Offshore-Windenergieanlagen in der Nord- und Ostsee an. Das sind Risikoinvestitionen. Die KfW wird einen Sonderkreditfonds auflegen und Mittel in Höhe von 5 Milliarden Euro für die Finanzierung von Offshore-Windenergieanlagen zur Verfügung stellen. Wir werden in der Nordsee Clusteranbindungen schaffen, genauso wie eine bundesrechtliche Planung für Stromnetze, die dafür sorgt, dass der Strom durch die Verteilnetze, sogenannte intelligente Netze, und durch intelligente Zähler beim Verbraucher ankommt. Das zeigt, dass es sich um eine ganz neue Infrastruktur handelt. Wir haben neue Potenziale und neue Technologien, mit denen wir unsere Ziele erreichen. Es ist eine Sache, vor zehn Jahren den Ausstieg aus der Kernenergie mit einer Überbrückungszeit von 20 Jahren beschlossen zu haben. Es fehlte aber bislang der Einstieg in eine neue, moderne und effiziente Versorgung mit regenerativen Energien. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist die zweite Seite der Medaille. Mit Aussteigermentalität, Ideologie und Verantwortungsverweigerung kann man kein modernes Industrieland führen. Das müssen Sie endlich verstehen. Wir haben das verstanden und ziehen die Konsequenzen daraus. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss jetzt doch auf Folgendes aufmerksam machen: Wir debattieren im Augenblick nicht, auch wenn das vielleicht reizvoll wäre. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dann darf der auch keine Witze machen, der Herr Röttgen! Das ist unzulässig!) Die für die Berichterstattung vorgesehene Zeit ist abgelaufen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bravo!) Eigentlich ist diese Zeit für die Berichterstattung insgesamt vorgesehen. Ich schlage aber vor, dass der Kollege Brüderle, wenn er möchte, das Gesagte mit einigen Hinweisen ergänzt und wir die Befragungszeit entsprechend verlängern, damit die Zeit, die für die Berichterstattung in Anspruch genommen wird, nicht zulasten der Fragemöglichkeiten geht. Können wir so verfahren? - Danke schön. Herr Kollege Brüderle zur Ergänzung. Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Im Jahr 1973 wurde das letzte Energiekonzept von einer Bundesregierung erarbeitet. Dieses wurde 1991 fortgeschrieben. Jetzt hat die Bundesregierung ein umfassendes und langfristig ausgerichtetes Energiekonzept für die Zeit bis 2050 vorgelegt. In der gestrigen Kabinettssitzung wurde es verabschiedet. Es hat zum Ziel, das Zeitalter regenerativer Energien schneller herbeizuführen. Ja, als Endziel streben wir alle regenerative Energien als Hauptversorgungsquelle an. Aber der Weg dahin muss überbrückt werden. Dafür braucht man Brückentechnologien wie Kohlekraftwerke, Gaskraftwerke und Kernkraftwerke. Deshalb wurde im Zusammenhang mit diesem Energiekonzept vereinbart, die Nutzungszeit der Kernkraftwerke im Durchschnitt um zwölf Jahre zu verlängern. Etwa die Hälfte der sogenannten Windfall Profits, der Zusatzgewinne, die durch längere Nutzung der Kernkraftanlagen entstehen, soll - das war die klare Vorstellung - abgeschöpft werden. Ein Teil dieses Geldes soll zur Haushaltskonsolidierung verwendet werden; aber der überwiegende Teil soll genutzt werden, um den Umstieg zu beschleunigen und zu finanzieren. Wir haben noch keine geeignete Speichertechnologie, um Windenergie oder Solarenergie grundlastfähig machen zu können. Wir haben noch nicht die Netze, die wir für eine effektive, dezentrale Versorgung mit regenerativen Energien in unserem Land brauchen. Wir müssen den Netzausbau vorantreiben. Wir müssen auch Schritte in Richtung mehr Umweltfreundlichkeit machen. Ich nenne zum Beispiel die CCS-Technologie für Kohlekraftwerke. Wir haben konzeptionell exakt beschrieben, welche Schritte notwendig sind. Wir haben noch mehr getan, da wir sofort anfangen wollen. Wir haben gleichzeitig ein Zehnpunkteprogramm verabschiedet, das den Einstieg in die Umsetzung dieser Strategie bedeutet. Für uns sind in der Energiepolitik drei Ziele gleichrangig: Klimafreundlichkeit, sichere Versorgung, Bezahlbarkeit. Diesen drei Prämissen entspricht das Konzept. Ich darf mich hier vor dem Parlament ausdrücklich beim Kollegen Röttgen dafür bedanken, dass wir, Umweltministerium und Wirtschaftsministerium, in großem Einvernehmen auf den Weg gebracht haben, was andere Regierungen nicht geschafft haben. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Weil wir eine Fülle von Wortmeldungen haben, schlage ich vor, dass Sie erstens sich bemühen, knapp und präzise zu fragen - ich werde bei den Antworten darauf achten, dass sie ebenfalls knapp und präzise sind -, und Sie zweitens, sofern es erwünscht ist, die Frage direkt an einen der beiden Minister richten. Ansonsten sollten sich die Minister verständigen, wer die jeweilige Frage beantworten will. Jedenfalls sollten wir im Interesse einer möglichst effizienten Nutzung der verfügbaren Zeit versuchen, Doppelungen zu vermeiden. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darf man die Frage auch an RWE richten?) Die erste Frage stellt die Kollegin Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte meine Frage an den Minister Röttgen richten. Wir haben heute eine Pressekonferenz der DUH erlebt. Sie hat schwere Vorwürfe gegen die von der Bundesregierung vorgelegte Novelle zum Atomgesetz erhoben. Es wurde gesagt: AtG-Novelle zur Flankierung der Laufzeitverlängerung verwässert Sicherheitsmaßstäbe und schränkt Klagerechte von Betroffenen ein - Neuer Paragraph 7 d durchlöchert "bestmögliche Schadensvorsorge" und schützt AKW-Betreiber vor teuren Nachrüstungen. Können Sie den Vorwurf entkräften, dass Klagemöglichkeiten für Einzelne durch § 7 d abgeschafft werden, und können Sie den Vorwurf entkräften, dass die Vorschriften zur Nachrüstung alter Atomkraftwerke ausgehöhlt werden? Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich bedanke mich für die Frage. - Ich glaube, dass man das sehr nachvollziehbar entkräften kann; denn es kann überhaupt keinen Zweifel daran geben, dass der im geltenden Recht vorhandene Sicherheitsstandard - mit allen dazugehörigen materiellen Vorschriften, Verfahren und Klagemöglichkeiten - völlig unangetastet bleibt. Es gibt nirgendwo einen Abstrich am geltenden Recht. Vielmehr kommt zum geltenden Sicherheitsrecht eine neue Sicherheitsstufe hinzu. Es kommt also ausschließlich etwas dazu, und selbstverständlich wird nichts verringert. Hinzu kommt eine neue Qualität an Sicherheit im Atomrecht. Diese besteht darin, dass die Fortentwicklung von Wissenschaft und Technik auf dem Gebiet der Sicherheit nun berücksichtigt wird und eine rechtliche Nachrüstungspflicht - auch gegenüber dem einzelnen Betreiber - über das bisherige sogenannte Erforderlichkeitsmaß hinaus durchgesetzt werden kann. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Rechtslage, Herr Minister!) Es kommt also "nur" etwas dazu. Alle Klagemöglichkeiten, die bislang vorhanden sind, bleiben selbstverständlich erhalten. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geltende Rechtslage!) Zu dem, was bislang im Gesetz vorhanden ist, kommt etwas hinzu. Das bedeutet mehr Sicherheit als bislang. Das ist nicht das, was Ihr Partei- und Fraktionskollege Trittin mit der Kernenergiewirtschaft verabredet hat; das ist richtig. Herr Trittin als mein Amtsvorvorgänger hat der Kernenergiewirtschaft vertraglich zugesichert, dass die Bundesregierung keine Initiative ergreifen wird, um den Sicherheitsstandard zu ändern, also zu erhöhen. (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Das ist unglaublich!) Wir machen das nicht. Wir erhöhen den Sicherheitsstandard. Das ist auch geboten und richtig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der CDU/CSU: Trittin ist ein Sicherheitsrisiko!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Kauch. Michael Kauch (FDP): Die Bundesregierung hat in ihrem Energiekonzept den unbegrenzten Einspeisevorrang verankert und sorgt daher dafür, dass erneuerbare Energien und Kernkraft nicht miteinander in Wettbewerb stehen. Ich hätte von der Bundesregierung gerne gewusst, welche weiteren Maßnahmen sie zur Förderung erneuerbarer Energien, insbesondere im Bereich der Offshore-Windkraft, und des Netzausbaus ergreifen will. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Bei der Förderung der Windenergie im Offshore-Bereich sowie dem Netzausbau und der Förderung der Speichertechnologien sind Handlungsdefizite aufgetreten, die leider wegen des Fixierens auf den Ausstieg nicht beseitigt wurden. Deshalb liegen wir dort zurück. Mit dem vorliegenden Energiekonzept werden die Bundesregierung und die Koalition die Handlungsdefizite der Vorgängerregierungen abbauen. Das fängt damit an, dass wir die Finanzierungsprobleme bei der Offshore-Windenergie lösen werden. Es besteht dringender Bedarf, die Finanzierung abzusichern. Die Errichtung eines Windparks mit 60 bis 80 Windkraftanlagen hat ein Investitionsvolumen von bis zu 1,5 Milliarden Euro. Hier gibt es eine Zurückhaltung der Banken gegenüber neuen Technologien, und es bestehen Materialunsicherheiten. Deshalb sieht es die Bundesregierung als ihre Aufgabe an, diesen Wirtschaftszweig durch ein KfW-Sonderprogramm mit einem Volumen von 5 Milliarden Euro - das ist eine große Summe - zu entwickeln. Wir müssen einen Durchbruch bei der Offshore-Windenergie erzielen und recht bald die ersten zehn Windparks realisieren. Der Netzausbau ist im Grunde ein Schwerpunkt sowohl des 10-Punkte-Sofortprogramms als auch des Langfristprogramms betreffend die Bundesfachplanung für Stromleitungen. Die Stromautobahnen müssen von Norden, wo der Strom entsteht, in die Gebiete mit Stromnachfrage, also in den Westen und Süden des Landes, führen. Wir brauchen neue Rahmenbedingungen für die Regulierung, damit das Kapital, das vorhanden ist, dort seinen Investitionspunkt findet. Wir werden den Ausbau der Distributionsnetze, die Verteilnetze, weiter fördern, sodass der Verbraucher in der Lage ist, von den neuen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Netzausbau ist ein Schwerpunkt und steht im Zentrum unseres Programms. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Miersch. Dr. Matthias Miersch (SPD): Meine Frage richtet sich an die Minister Brüderle und Röttgen. Das einzig Konkrete, was wir bislang aus dem Energiekonzept kennen, ist die Laufzeitverlängerung, die im sogenannten Förderfondsvertrag, umgangssprachlich auch Geheimvertrag genannt, festgeschrieben ist. Wir haben diesen Vertrag heute Vormittag im Umweltausschuss mit Kanzleramtsminister Pofalla, der Staatssekretärin Reiche und dem beamteten Staatssekretär des Finanzministeriums erörtert. Auf die Frage, ob es weitere Vereinbarungen, Verträge oder Nebenabsprachen mit den vier großen Energiekonzernen gibt, konnten diese drei Personen der Bundesregierung nicht antworten. (Michael Kauch [FDP]: Stimmt doch gar nicht!) Insofern frage ich Sie beide: Können Sie ausschließen, dass es weitere Verträge, Vereinbarungen oder Nebenabsprachen mit den vier großen Konzernen gibt? (Michael Kauch [FDP]: Wahrnehmungsschwäche! - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Er war doch gar nicht dabei, denke ich!) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Über den Vertrag ist unter Federführung des Finanzministeriums verhandelt worden. Der Vorvertrag war bereits bekannt. Seit gestern steht der Vertrag auch im Netz. Es handelt sich um eine im Wahlprogramm und im Koalitionsvertrag angekündigte Vereinbarung. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Inwieweit waren Sie beteiligt?) Das ist wohl eine spezielle Form von Geheimhaltung. Wir haben immer gesagt: Es gibt eine Gewinnabschöpfung. - Wenn Sie diese nicht wollen, können Sie das bekunden. Laufzeitverlängerungen führen jedenfalls zu Sondergewinnen, und diese Sondergewinne wollen wir für die erneuerbaren Energien abschöpfen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Im Augenblick geht es, Herr Minister, aber nicht um die Frage des Inhalts solcher möglicher Verabredungen, sondern um die Frage, ob es weitere Verabredungen gibt. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Okay. - Das ist in dem Vertrag, der nun publiziert worden ist, geregelt. Von weiteren Regelungen und Absprachen ist mir nichts bekannt. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wissen Sie überhaupt? - Zuruf von der SPD: Was heißt denn "nichts bekannt"?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das hätte man doch auch gleich sagen können. Herr Kollege Brüderle. Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Für die Bundesregierung hat Staatssekretär Beus in der Ausschusssitzung, die Sie ansprechen, zweifelsfrei erklärt, dass es keine Nebenabsprachen mit den EVUs gibt. (Ulrich Kelber [SPD]: Nein, das hat er nicht!) Das bestätigt ausdrücklich auch der Chef des Bundeskanzleramts. Alle Vereinbarungen mit den EVUs sind offen, transparent und liegen auch den Oppositionsfraktionen vor. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Fell. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Frage an die Bundesregierung, in diesem Fall an Herrn Röttgen, bezieht sich auf die arbeitsmarktpolitischen Aspekte des Energiekonzeptes. Wir alle wissen: Wenn eine große Branche wie die der erneuerbaren Energien, die zurzeit 300 000 Personen in Deutschland beschäftigt, gewaltige Absatzeinbußen hat, dann wird das Arbeitsplatzverluste und wahrscheinlich auch Konkurse zur Folge haben. Aus dem Gutachten von EWI, Prognos und GWS, das uns als Grundlage für dieses Energiekonzept vorliegt, ist klar erkenntlich: Der jährliche Zubau von Onshore-Windkraft wird in den nächsten zehn Jahren, ausgehend vom aktuellen Wert, um 60 Prozent gekürzt. In der Solarwirtschaft wird um 75 Prozent gekürzt, bei den Bioenergien um 85 Prozent. Dies wird unweigerlich Arbeitsplätze vernichten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Fell, debattieren wollen wir über dieses Thema am Freitag. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zu meiner Frage. Präsident Dr. Norbert Lammert: Schön. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Welche Strukturprogramme sehen Sie vor? Ich habe im Energiekonzept keine gesehen. Herr Schlesinger von Prognos, der gestern dieses Gutachten vorgestellt hat, hat eindeutig gesagt, dass die Arbeitsplatzverluste durch einen Strukturwandel in anderen Branchen aufgefangen werden müssen. Damit hat er zugegeben, dass es massive Arbeitsplatzverluste geben wird. Wie anders soll auch der Rückgang in dieser Branche wirken? Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Wir schätzen die wirtschaftliche Entwicklung absolut gegenläufig ein. Es gibt keinen vernünftigen Zweifel daran, dass die erneuerbaren Energien weiter einen Boom erleben werden. Alle Zahlen belegen das. Bei der Onshore-Windenergie wird ein Repowering stattfinden. In den nächsten Jahren steht uns eine Verdoppelung bzw. Verdreifachung der Anlagekapazitäten bevor. Der Prozess läuft bereits. Wir fangen gerade an, die Offshore-Windenergie zu entwickeln; vom entsprechenden KfW-Sonderprogramm habe ich eben schon gesprochen. Ich will ein anderes Beispiel nennen: die Photovoltaik. Wir haben hier über die Kürzung der staatlichen Vergütung gestritten, die ich vorgeschlagen habe und die vom Parlament beschlossen worden ist, weil die Marktpreise um 40 Prozent zurückgegangen sind. Da haben Sie behauptet, das würde zum Exodus der Photovoltaikbranche führen. Jetzt gibt es erste Hinweise darauf, dass möglicherweise noch in diesem Jahr nahezu eine Verdoppelung der bisherigen Gesamtkapazität der Photovoltaik zu verzeichnen sein wird. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wozu brauchen wir denn dann noch AKWs? - Rolf Hempelmann [SPD]: Dezember-Fieber ein halbes Jahr lang?) Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in zehn Jahren 35 Prozent betragen wird; eine Quote von 80 Prozent ist das Ziel für 2050. Die volkswirtschaftlichen Effekte, die Wertschöpfungspotenziale und die Arbeitsmarktentwicklung - die Zahl von 300 000 Beschäftigten in dieser Branche haben Sie genannt; sie ist völlig richtig - werden weiterhin positiv sein. Das ist der ökonomische Grund, warum wir so handeln. Das ist eine Wachstumsstrategie und auch eine Arbeitsplatzwachstumsstrategie, die mit konkreten Maßnahmen und Geld unterlegt wird. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zahlen Sie für die Gutachten eigentlich?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Frage, Frau Dr. Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Nach dem, was Sie gerade erklärt haben, bin ich fast versucht, zu fragen: Wozu brauchen wir dann die Verlängerung der Laufzeiten? Ich würde gerne eine Frage zur Braunkohleverstromung stellen. Die Zweifel hinsichtlich der Zukunft der Braunkohleverstromung wachsen auch in meinem Bundesland, in Brandenburg. Vor wenigen Tagen hat die Industrie- und Handelskammer Brandenburg erklärt, dass wir uns auf eine Zukunft der Lausitz ohne Kohlestrom einstellen sollten. Das bedeutet natürlich - ich knüpfe hier an die Frage des Kollegen Fell an - einen großen Strukturwandel in der Region. Was will die Bundesregierung tun, um einen solchen Strukturwandel künftig nachhaltig zu unterstützen? (Zuruf von der CDU/CSU: Was sagt denn Ihr Wirtschaftsminister dazu? - Gegenruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Der tut schon einiges, Herr Kollege!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Brüderle. Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Wir verfolgen aus genau diesen Gründen ein anderes Konzept. Wir sagen: Wir brauchen die Kohle, genauso wie die Kernkraft, noch für eine längere Zeit, und zwar als Brückentechnologie. Es gibt dazu keine Alternative. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das hat Herr Röttgen aber gerade anders erklärt!) Weil wir die Kohle noch für geraume Zeit nutzen müssen, betreiben wir die CCS-Technologie. Wir wollen vom Deponieren von CO2 in der Luft wegkommen und dies stattdessen in komprimierter Form in der Erde lagern. Ich darf darauf hinweisen, dass allein durch das Abfackeln der großen Kohleflöze in China mehr CO2 emittiert wird als durch den Straßenverkehr in ganz Nordamerika. Insofern sind wir mit diesem ausgewogenen Konzept unter Einbeziehung der Kohle, auch der Braunkohle, auf dem richtigen Weg. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Schade, Herr Röttgen!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Becker. Dirk Becker (SPD): Vielen Dank. - Ich habe eine Frage an Herrn Bundesminister Röttgen. Sie haben eben gesagt, Ihnen seien weitere Nebenabreden, Verhandlungen und Vereinbarungen nicht bekannt. Ich habe ein kleines Problem, festzustellen: Was ist Ihnen bekannt? Wovon wissen Sie wirklich? Vor zwei Wochen haben Sie im Umweltausschuss die Frage, ob Sie oder Ihr Haus an den Verhandlungen im Kanzleramt beteiligt waren, verneint. Kanzleramtsminister Pofalla hat heute im Umweltausschuss erklärt, dass Herr Hennenhöfer sehr wohl zeitweilig an den Verhandlungen teilgenommen hat. Mir stellt sich die ganz einfache Frage: Wer hat entweder willentlich die Unwahrheit gesagt oder wer wusste nicht, was tatsächlich dort passierte? Es kann nicht sein, dass Herr Pofalla sagt, Herr Hennenhöfer sei dabei gewesen, und dass Sie im Umweltausschuss erklären, Ihr Haus sei nicht beteiligt gewesen. (Rolf Hempelmann [SPD]: Immerhin Ihr Abteilungsleiter!) Würden Sie das bitte aufklären? (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Minister, wissen Sie denn, ob Herr Hennenhöfer Mitglied Ihres Hauses ist?) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Das ist sehr leicht aufklärbar. Es hat im Kanzleramt keine Verhandlungen gegeben, sondern im Kanzleramt haben wir über das Energiekonzept gesprochen, es entwickelt und verabredet. An diesen Verhandlungen, politischen Gesprächen war ich, wie ich auch im Umweltausschuss gesagt habe, selbstverständlich beteiligt. Dort haben wir die Schlussfassung des Energiekonzepts vereinbart bzw. die Schlussredaktion durchgeführt. Dort hat also die Befassung des Kabinetts bzw. der zuständigen Minister stattgefunden. Dabei ging es, wie gesagt, um das Energiekonzept. Darüber hinaus hat es Verhandlungen mit den Energieversorgungsunternehmen gegeben. Diese Verhandlungen - das hat heute auch der Kanzleramtschef so gesagt - habe ich nicht geführt. Das BMU hat sie nicht geführt, übrigens auch nicht das Wirtschaftsministerium, sondern zuständigkeitshalber das Bundesfinanzministerium. Insofern habe ich keine Verhandlungen mit der Energieversorgungswirtschaft geführt. Es war in der Tat so - auch das habe ich gesagt; ich habe damals sogar den Plural verwendet -, dass ein Beamter eine Fachfrage beantwortet hat, für die er hinzugezogen worden war. Er hat die Gespräche dann wieder verlassen und war nicht bis zum Abschluss dabei. Er hat eine Fachfrage zur Strommengenberechnung beantwortet. Er hat aber keine Verhandlungen geführt, sondern nur eine Frage beantwortet. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das habe sogar ich verstanden!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Breil. Klaus Breil (FDP): Ich habe eine Frage an Herrn Bundesminister Brüderle zur Kernenergie. Wie hängen Laufzeitverlängerung und Entwicklung der Strompreise zusammen? (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles wird teurer! Ist doch klar! - Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Wettbewerb!) Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Es ist klar: Wenn man die Kapazitäten länger nutzen und damit am Markt eine größere Menge zur Verfügung stellen kann, so wirkt es preisdämpfend bis preissenkend. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sind Sie Hellseher?) Für die erneuerbaren Energien gibt es nach wie vor den Einspeisevorrang, die Festpreisvergütung, sodass sie nicht verdrängt werden. Wenn Strommengen aus anderen Quellen das Angebot vergrößern, hat das dagegen eine preisdämpfende bzw. preissenkende Wirkung. (Ulrich Kelber [SPD]: Dem widerspricht sogar Ihr eigener Staatssekretär! - Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dem widerspricht auch der Chef des Kartellamts von der FDP!) Für mich ist der beste Mieterschutz immer ein Überangebot an Wohnungen. Der beste Arbeitnehmerschutz ist, wenn die Arbeitskräfte knapp sind und sich alle um sie bemühen müssen. So ist es in der Analogie auch hier. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Kelber. Ulrich Kelber (SPD): Herr Minister Brüderle hat sich als bisher einziges Mitglied der Bundesregierung dahin gehend festgelegt, dass es keine weiteren Nebenabsprachen, Verabredungen oder Vereinbarungen mit den Atomkonzernen gibt. Deswegen erweitere ich meine Frage an Herrn Minister Röttgen. Nachdem die Umweltorganisation Greenpeace vor drei Wochen die Verabredung mit den Atomkonzernen aufgedeckt hat - sie ist seit gestern auf der Website der Bundesregierung zu lesen - (Zuruf von der FDP: Das war vorher auf der Website der Linksfraktion zu lesen!) und gestern Nacht nach dem Vorbericht des Magazins Spiegel über ein Papier über verringerte Sicherheitsanforderungen an die Atomkraftwerke auch dieses Papier online gestellt wurde, frage ich: Gibt es weitere Papiere aus Ihrem Fachbereich zum Bereich der Atomtechnologie, die auf Veröffentlichung warten, nachdem Medien, Opposition oder Zivilgesellschaft sie entdeckt haben? Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Kelber, wir werden weitere Informationen, alle Unterlagen herausgeben, die besprochen worden sind, in denen sich Entscheidungen wiederfinden. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Ich finde den untauglichen Versuch, da irgendetwas zu skandalisieren, völlig abwegig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich finde ihn auch deshalb sehr bedenklich, weil Sie diesen unzutreffenden Eindruck auf dem Gebiet der Sicherheit, glaube ich, bewusst schüren. Vielleicht sollte man sich als Oppositionsabgeordneter einmal fragen - man kann das alles politisch anders sehen -, ob die damit verbundene Angstmache in der Bevölkerung wirklich ein verantwortungsvolles parlamentarisches Verhalten ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Hier wird nichts verborgen gehalten. Es gibt nichts im Geheimen. Die Verabredungen beim Thema Sicherheit beziehen sich auf Maßnahmen, die zusätzlich erfolgen. Sie hätten vielleicht schon früher erfolgen können. Wir machen sie jetzt, und wir machen das alles in transparenter Weise. (Ulrich Kelber [SPD]: Auch bei den Endlagern?) Man kann politisch unterschiedlicher Auffassung sein. Aber ich gebe zu bedenken, ob Sie diese Angstkampagnen nicht einstellen sollten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Nestle. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön. - Meine Frage richtet sich ebenfalls an die beiden Minister, Herrn Röttgen und Herrn Brüderle. Die Klimaschutzziele im Energiekonzept basieren im Wesentlichen darauf, dass auch im Gebäudebereich sehr hohe Einsparungen erzielt werden. Sie wollen die Sanierungsrate verdoppeln. Die Frage richtet sich an Sie beide: Wie, denken Sie, kann dieses Ziel noch erreicht werden, nachdem Minister Ramsauer die ordnungsrechtlichen Maßnahmen im Gebäudebestand abgelehnt hat, aber die Fördergelder, die bisher vorgesehen sind, nur die Hälfte dessen betragen, was wir im letzten Jahr gehabt haben? Wie soll da noch die Verdoppelung der Sanierungsrate möglich sein? Akzeptieren Sie die Position Ihres Kollegen Ramsauer, der nur über Fördermittel gehen will und nicht auch im Ordnungsrecht betreffend den Gebäudebestand etwas machen will? Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Ich habe die gleiche Frage schon heute Vormittag im Ausschuss beantworten können. Ich wiederhole die Antwort gerne. Wir haben in der Tat davon abgesehen, Zwangssanierungen durchzusetzen. Nehmen Sie einmal den Fall eines älteren Ehepaars! Sie sind Rentner mit einem kleinen Einkommen und haben ein Haus. Denen würden Sie eine aufwendige Sanierung aufzwingen - sie müssten sich hoch verschulden -, die sie gar nicht durchführen könnten. Deshalb ist eine anreizorientierte Konzeption vorgesehen: Man gibt eine Hilfestellung, damit es zur Sanierung kommt. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Mit reduzierten Mitteln! Erklären Sie das einmal!) In vielen Fällen ist das ja auch rechnerisch überzeugend, weil man Energie einspart, wenn man entsprechende Maßnahmen durchführt. Deshalb setzen wir darauf, dass die Anreize bei dem herrschenden Energiepreisgefüge wirken. Es gibt entsprechende Programme, die beim Kollegen Ramsauer ressortieren, (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind gekürzt!) und es gibt entsprechende KfW-Programme. Sie helfen, dies genau so umzusetzen, wie wir es uns vorgenommen haben. Zwangssanierungen, durch die die Menschen in ihrer Existenz gefährdet werden, können von einer Regierung, die anderen Zielen verpflichtet ist, nicht erwartet werden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Zur Ergänzung, Herr Röttgen. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich möchte das noch einmal bestätigen: Wenn man dort etwas erreichen will, dann wird man es nur mit den Bürgern und nicht durch Überwachung und Bevormundung der Bürger erreichen, und darum, glaube ich, ist das genau das Richtige. (Frank Schwabe [SPD]: Sie haben doch vorhin etwas anderes gesagt!) Ich will noch eine ergänzende Anmerkung machen: Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm war ein bis 2011 befristetes Programm. Durch die Entscheidung dieser Koalition wird es eine Verstetigung genau dieses Programms über 2011 hinaus geben, (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Halbiert! - Bärbel Höhn [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: 600 Millionen Euro weniger!) mit Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro für diesen Zeitraum. Einer der großen Vorteile - darüber ist heute noch gar nicht gesprochen worden - ist, dass zur Erreichung der Ziele, die wir definiert haben, die entsprechenden Instrumente und Maßnahmen durch ein gesetzlich geregeltes und mit Förderzielen verknüpftes Sondervermögen, wodurch ab 2013 rund 3 Milliarden Euro pro Jahr genau für diese Zwecke zur Verfügung stehen, auch finanziell abgesichert sind. (Rolf Hempelmann [SPD]: Aber minimal!) Einer der größten Erfolge überhaupt ist, dass die Klimaschutzpolitik, die Energiepolitik, die Förderung von erneuerbaren Energien und die Förderung von Energieeffizienz aus den üblichen jährlichen Haushaltskämpfen herausgenommen werden und eine verlässliche und langfristige finanzielle Grundlage bekommen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Lenkert. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Jetzt wird es absurd!) Ralph Lenkert (DIE LINKE): Herr Präsident, ich habe eine Frage an die beiden Minister. - In der Sondersitzung in der letzten Sitzungswoche sagte der Sachverständige des EWI, dass die Grenzkosten für die Herstellung einer Megawattstunde Atomstrom bei 11,4 Euro liegen. In einer Pressemitteilung des Deutschen Atomforums vom selben Tag erklärten die Atomenergieerzeuger, dass die Kosten für die Herstellung einer Megawattstunde Atomstrom bei 47 Euro liegen würden. Ich wundere mich über die Differenz zwischen diesen beiden Zahlen. Zur nächsten Frage. Das Deutsche Atomforum erklärte weiter, bei einem Verkaufspreis von 50 Euro würde sich das bei weiteren Steuern wie der Brennelementesteuer nicht mehr rechnen. Deshalb lautet meine Frage an die Bundesregierung: Wieso zwingen Sie die Atomenergieerzeuger dazu, die Laufzeiten zu verlängern, obwohl sich das doch nach deren eigener Pressemitteilung nicht rechnet? (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie brauchen es ja nicht! Sie werden ja nicht gezwungen!) Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Wir haben deshalb ja unabhängige Sachverständige gewählt, die ihre eigenen Prämissen gesetzt haben, und keine Prämissen vorgegeben. In einer Marktwirtschaft entwickeln sich die Preise nach Angebot und Nachfrage und nicht nur gemäß den Kostenstrukturen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Interessant!) Die Konsequenz ist ja auch - Sie sehen das, wenn Sie die Börse beobachten -: Die Börsenkurse der EVUs sind nicht nach oben gegangen. RWE muss drastische Sparmaßnahmen zusätzlich ergreifen, um sich entsprechend anzupassen. (Ulrich Kelber [SPD]: Weil wir angekündigt haben, es zurückzunehmen!) Das heißt doch nicht, dass sie damit Riesengewinne machen. (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) - Wenn Sie die Antwort nicht hören wollen, dann kann ich auch aufhören. Wir sagen, dass wir etwa die Hälfte der Windfall Profits durch Steuern abschöpfen werden. Das halte ich im Grundsatz für eine faire Basis. Die zusätzlichen Einnahmen verwenden wir zur Erreichung unserer Ziele. Unternehmen müssen in einer Marktwirtschaft aber auch Gewinne machen, damit sie die Arbeitsplätze erhalten können und nicht unsozial Arbeitsplätze gefährden. (Ulrich Kelber [SPD]: Eine höhere Besteuerung als unter Castro, die Brüderle da durchsetzt!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Ostendorff. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Ich habe nicht den Eindruck, dass diese Regierungsbefragung wirklich der Wahrheit dienlich ist. Wir haben von den beiden Ministern nichts gehört, wodurch die Vorgänge um diesen geheimen Atomdeal weiter aufgeklärt werden. Weil Kollege Brüderle die Antwort auf die Frage, die eben schon einmal gestellt worden ist, abgelesen hat, stelle ich diese Frage noch einmal an den Kollegen Röttgen, und ich bitte, kein instrumentelles Verhältnis zur Wahrheit zu zeigen. Ich habe eine ganz einfache Frage: Sind Ihnen weitere Absprachen zwischen der Bundesregierung und den Atomenergieunternehmen bekannt? (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das hat er doch schon gesagt! Geben Sie es ihm schriftlich, Herr Minister!) Es reicht mir nicht, dass Sie sagen, es sei allein der Atomfördervertrag wichtig. Ich möchte das von Ihnen wissen. Wenn weitere geheime Absprachen herauskommen, werden wir Sie darauf festnageln. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich kann die Frage erneut mit Nein beantworten, Herr Kollege. (Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ CSU] - Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Geben Sie es ihm schriftlich! Er weiß nicht, was "nein" heißt! Das ist langsam peinlich!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Bulling-Schröter. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Ich habe eine Frage zu den Strompreisen. Ich habe von Minister Brüderle gehört, Strompreise sollten bezahlbar bleiben. Vonseiten der Koalition heißt es: Vielleicht sinken die Preise schon aufgrund dieses tollen Energiekonzepts. - Wie kommen Sie überhaupt darauf, dass die Preise bezahlbar bleiben könnten und sie nicht erhöht werden? Ich war im Bundestag, als unter Kohl die Liberalisierung des Energiemarkts beschlossen wurde. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Viel zu lange!) Damals hieß es, die Preise würden sinken. Inzwischen stellen wir fest, dass die Energiepreise für Otto Normalverbraucher - natürlich nicht für die Großkonzerne - um 40 Prozent erhöht wurden. Wie kommen Sie also darauf, dass die Preise gesenkt werden könnten? Sie haben die Zusatzgewinne angezweifelt. Was ist denn mit den kostenlosen Zertifikaten, die nach wie vor eingepreist werden und die natürlich den Energiekonzernen zugutekommen? Das sind Sonderprofite. Sie waren nicht bereit, diese abzuschöpfen. Auch beim Atomstrom werden diese Sonderprofite neben sonstigen Sonderprofiten erzielt und nach wie vor nicht abgeschöpft. Noch einmal: Wie kommen Sie darauf, dass die Preise sinken könnten? (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist Lesen im Kaffeesatz!) Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: In der Marktwirtschaft richten sich Preise nach Angebot und Nachfrage. (Zuruf von der CDU/CSU: Das kann sie nicht wissen!) Ich kann nicht vorhersehen, wie sich die Wirtschaft entwickelt, ob der Strom zukünftig oft oder weniger oft eingeschaltet wird. Das unterliegt individuellen Entscheidungen, die wir nicht vorhersehen können. Aber eines kann man sagen, und zwar aufgrund logischer Überlegungen: Wenn die Angebotsmenge höher ist, weil Kapazitäten länger genutzt werden, (Marco Bülow [SPD]: Werden andere Kapazitäten gar nicht erst gebaut!) unbeschadet des Einspeisevorrangs und der Festpreisgarantie für erneuerbare Energien, spricht nach der Logik alles dafür, dass das preisdämpfend bis preissenkend wirkt. Mehr kann Ihnen jemand, der nicht Prophet oder Hellseher ist, in einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht sagen. (Kirsten Lühmann [SPD]: Und der Markt ist auf Deutschland beschränkt?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich möchte gern einen Verfahrensvorschlag machen. - Ich habe noch Wortmeldungen der Kollegen Pfeiffer, Frau Kotting-Uhl, Hempelmann, Frau Menzner, Frau Golze und Frau Dittrich. Alle diese würde ich gerne noch aufrufen. Ich bitte darum, dass wir einvernehmlich die in der Geschäftsordnung vorgesehene Befragungszeit verlängern und die verfügbare Zeit der Fragestunde entsprechend verkürzen, um den angemeldeten Fragestellern Gelegenheit zu ihren Fragen zu geben. Ich würde gleichzeitig gerne mit Ihrer Zustimmung diese Frageliste schließen. Können wir so verfahren? - Das ist der Fall. Dann bedanke ich mich. Nächste Wortmeldung, Kollege Pfeiffer. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Vielen Dank. - Da hier mehrfach unterstellt wurde, dass diese vertraglichen Verhandlungen geheim, außergewöhnlich, unrecht oder gar undemokratisch wären - es wurde schon gesagt, dass sie transparent und nachvollziehbar waren -, frage ich die Bundesregierung: War es nicht vielmehr so, dass auch die rot-grüne Bundesregierung in der gleichen Art und Weise Verhandlungen mit den Energieversorgungsunternehmen mit dem Ziel geführt hat, die Laufzeiten willkürlich zu verkürzen, und sie damit volkswirtschaftliche Werte vernichtet hat? Ist es nicht jetzt so, dass diese Bundesregierung Verhandlungen mit dem Ziel führt, den volkswirtschaftlichen Nutzen, den die Kernenergie hat, zu heben und die Schritte hin zu den erneuerbaren Energien zu beschleunigen - Stichwort: Brücke -, und dass sie über 30 Milliarden Euro zusätzlich in den Umbau der Energieversorgung investiert, die sonst nicht zur Verfügung stehen würden? (Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben vergessen zu fragen, warum die Öffentlichkeit das alles nicht versteht!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das kann am Freitag in aller Ruhe, vermutlich streitig, weiterverfolgt werden. Bitte. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege, es ist richtig. Ich halte hier die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000 in Händen. (Ulrich Kelber [SPD]: Jetzt kommt die wiederholte Wiederholung der Unwahrheit!) - Ich werde diese Vereinbarung immer wieder vortragen; das kann ich hier ankündigen. (Ulrich Kelber [SPD]: Es bleibt eine Unwahrheit, um nicht ein Wort mit vier Buchstaben zu verwenden!) In jeder Debatte werde ich vortragen, was der damalige Bundesminister Trittin ausgehandelt hat. Ich habe eben schon die Verabredung zur Sicherheit zitiert. Ich weise darauf hin, dass wir das anders gemacht haben; wir haben nicht Sicherheit verhandelt. Darum hat der für Reaktorsicherheit zuständige Minister dieser Regierung mit den Energieversorgungsunternehmen keinen Vertrag geschlossen, keine Verhandlung geführt. Der Minister für Umwelt und Reaktorsicherheit Trittin hat den Adressaten seiner Amtstätigkeit Zusagen dazu gemacht, wie er seine Amtstätigkeit ausführt. Das kam und kommt für diese Bundesregierung nicht infrage. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Für diese Bundesregierung kommt ebenfalls nicht infrage, was der Reaktorsicherheitsminister Trittin mit seiner Unterschrift - er hat ja die Verhandlungen mit den Energieversorgungsunternehmen geführt, obwohl er für Sicherheit zuständig war - für die gesamte Bundesregierung zugesagt hat. Ich darf eine weitere Passage zitieren. (Ulrich Kelber [SPD]: Vollständig!) Das ist übrigens eine Fundgrube, aus der ich Ihnen immer wieder - wir haben ja noch ein paar Debatten zu diesem Thema - etwas vortragen werde. Ich zitiere: (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie zitieren immer das Falsche! Zitieren Sie mal alles!) Die Beteiligten - das sind die Vertragsbeteiligten - schließen diese Vereinbarung auf der Grundlage, dass das zu novellierende Atomgesetz einschließlich der Begründung die Inhalte dieser Vereinbarung umsetzt. Das Parlament ist sozusagen der Umsetzungsgesetzgeber für die Vereinbarungen, die die Regierung abgeschlossen hat. - So viel zum Parlaments- und Demokratieverständnis der Herren, die heute kritisieren, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) zum Beispiel der Fraktionsvorsitzende Trittin. Es geht aber noch weiter. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ja, aber ich kann jetzt - - Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Einen Satz darf ich vielleicht noch sagen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Aber nur den einen. (Ulrich Kelber [SPD]: Da soll er mehr zitieren!) Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Den einen Satz. Präsident Dr. Norbert Lammert: Gut. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Er ist auch nicht kommentierungsbedürftig. Über die Umsetzung in der AtG-Novelle wird auf der Grundlage des Regierungsentwurfs vor der Kabinettsbefassung zwischen den Verhandlungspartnern beraten. Bevor das Kabinett entscheiden darf, wird mit den Verhandlungspartnern beraten. - Das ist das Amtsverständnis der damaligen Regierung gewesen. Das unterscheidet sich grundsätzlich von unserem Amts- und Staatsverständnis. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ulrich Kelber [SPD]: Der Unterschied ist, dass alles in Gesetze gefasst wurde! Mein Gott, Sie haben ja überhaupt keine Hosen mehr an!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Hempelmann ist der nächste Fragesteller. Rolf Hempelmann (SPD): Meine Frage richtet sich an den Wirtschaftsminister Brüderle. Herr Brüderle, Sie sind als Wirtschaftsminister sozusagen auch oberster Wettbewerbshüter innerhalb des Kabinetts. Die obersten Wettbewerbshüter dieser Republik, der Präsident des Bundeskartellamts und der Präsident der Monopolkommission, haben sich äußerst kritisch zur Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke geäußert, insbesondere was die Folgen für den Wettbewerb im Erzeugungsbereich angeht. Vor allem der Präsident des Bundeskartellamts hat gefordert, dass es kompensatorische Maßnahmen gibt. Konkret wurde die Veräußerung von Kapazitäten in anderen Kraftwerken an Wettbewerber oder die Schließung der ältesten, ineffizientesten Anlagen vorgeschlagen, was ja auch einen ökologischen Effekt hätte. Davon findet sich - übrigens zum Bedauern des Bundeskartellamtspräsidenten Mundt - in Ihrem Konzept nichts. Deswegen die Frage: Ist etwas geplant, was in diesem Konzept nicht steht, um die negativen wettbewerblichen Auswirkungen, die vom Bundeskartellamt, von der Monopolkommission und auch von den Wettbewerbern aufgezeigt werden, zu kompensieren? Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Hempelmann, Sie haben mir die gleiche Frage heute Morgen im Wirtschaftsausschuss gestellt. (Rolf Hempelmann [SPD]: Sie haben doch gar keine Antwort gegeben!) Ich kann Ihnen nur die gleiche Antwort wie heute Morgen geben. Sie müssen verschiedene Marktstrukturen sehen: die Erzeugerstrukturen und daneben den Strommarkt. Eine Wettbewerbssituation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass mehr Kapazitäten länger im Strommarkt vorhanden sind, stärkt die Position der Abnehmer, also der Verbraucher, weil ein höheres Angebot vorhanden ist. (Ulrich Kelber [SPD]: Was ist das für ein statisches Marktverständnis?) Wir haben uns nach einer Abwägung - es gab Anhörungen und Erörterungen - für den Weg entschieden, der im vorliegenden Energiekonzept dargestellt ist. Das spiegelt die Auffassung der Bundesregierung wider. (Rolf Hempelmann [SPD]: Also keine Kompensation! - Ulrich Kelber [SPD]: Bei dem Marktverständnis nimmt Sie ja jeder Erstsemester auseinander!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Kotting-Uhl. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Röttgen, ich möchte Sie jetzt fragen, welches neue Sicherheitsniveau Sie über die bestehende Gesetzeslage hinaus eigentlich anstreben. Bisher gilt § 7 Abs. 2 Nr. 3 des Atomgesetzes. Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn - ich zitiere - "die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist". Nun treten Sie mit dem Anspruch an, mit einem neuen § 7 d diese Vorsorgeverpflichtung zu erweitern. Das ginge naturgemäß nur, wenn die derzeitige Vorsorgeregelung des Atomgesetzes eine Lücke aufwiese. Das ist aber zumindest nach Aussagen von Gerichten nicht der Fall. Spätestens mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. April 2008 ist klargestellt, dass es bei der erforderlichen Vorsorge entgegen der Auffassung einiger Länder keine Lücke gibt. Ich zitiere die beiden entscheidenden Sätze: Der weite Begriff der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Schadensvorsorge ist die Konsequenz des Grundsatzes der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge. Mit diesem Grundsatz wird die erforderliche Schadensvorsorge von dem Restrisiko abgegrenzt, das als unentrinnbar hinzunehmen ist ... Ich frage Sie jetzt - Sie haben sich ja offensichtlich der damaligen Auffassung einiger Länder angeschlossen, dass da Lücken seien -, wie Sie über diesen umfassenden Vorsorgepflichtsbegriff, der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik definiert war - damit ist schon immer, um das gleich vorwegzunehmen, eine Dynamisierung verbunden; der "Stand von Wissenschaft und Technik" ist nichts Statisches -, hinausgehen wollen. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin Kotting-Uhl, Sie haben Ihre Frage zum Teil selbst beantwortet, als Sie gesagt haben, es gebe hier eine andere Auffassung einiger Länder. Das sind immerhin die Länder, die die Aufsicht machen. Darum, finde ich, ist zumindest - es ist meines Erachtens mehr als das - eine rechtliche Klarstellung der Meinung, die man hat, (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bundesverwaltungsgericht hat die Meinung!) dann auch gegenüber denen, die das Gesetz vollziehen, sinnvoll; so besteht über diese Frage kein Streit mehr. Sie selber sagen: Es ist eine Streitfrage. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Die Streitfrage ist geklärt!) Die, die das Gesetz anwenden, sehen es zum Teil anders. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die dürfen das gar nicht anders sehen!) Also wird das jetzt zumindest geklärt. Es wird aber mehr als geklärt. Hier wird ein zusätzlicher Maßstab eingeführt. Es geht dabei nicht um die Frage des Standes von Wissenschaft und Technik, sondern um den Erforderlichkeitsmaßstab. Der Maßstab, den wir jetzt einführen, ist strenger als der, der bislang im Gesetz verankert war. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das stimmt einfach nicht!) Nun mögen Sie ja sagen, sie fänden es nicht so wichtig, dass wir wirklich das Äußerste an Präzision und Sicherheitsanforderungen festlegen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Gegenteil! Sie verwässern!) Wir legen jedoch den höchsten Wert darauf, dass Sicherheitsfragen auf dem maximalen Niveau und mit rechtlicher Durchsetzbarkeit gesetzlich geklärt werden. Darum verankern wir das bisherige Sicherheitsniveau steigernde zusätzliche Regelungen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist total falsch! Das wissen Sie auch!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Dittrich. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Umweltminister Röttgen, Ihr Staatssekretär erklärte vorhin ganz freundlich, dass die Bundesregierung sehr gerne die Ziele in dieser Demokratie mit den Bürgern erreichen möchte. Daher meine Frage: Interessiert es die Bundesregierung und vor allem den Umweltminister, dass am 18. September über 100 000 Bürger in Berlin gegen Atomkraft und gegen das Energiekonzept der Bundesregierung demonstriert haben? Wie nimmt die Bundesregierung zum Beispiel die Darlegungen der Ihnen bekannten Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, die sich auch an dieser Demonstration beteiligt hat, auf, dass es auf der ganzen Welt keinen sicheren Ort für die Lagerung von Atommüll gibt und dieser auch auf 100 000 Jahre nicht gesichert werden kann? Deutlicher noch: Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus? Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Zunächst haben Sie darauf hingewiesen, dass es eine Demonstration gegen diese Pläne gegeben hat. Ich glaube zwar, dass die Zahl 100 000, die Sie genannt haben, ein bisschen eine Wunschzahl ist. Aber darauf möchte ich gar nicht so sehr eingehen. Vielmehr möchte ich darauf verweisen: Das Parlament ist der legitime Ort der Entscheidung. So funktioniert parlamentarische Demokratie. Politik muss sich zwar rechtfertigen und diskutieren und auf Transparenz achten, aber es geht nicht, dass das Parlament nach jeder Demonstration seine Entscheidung wieder ändert. Ich glaube, dass wir hier Zukunftssicherung betreiben. Darüber muss öffentlich diskutiert werden. Aber eine Demonstration mit deutlich weniger Menschen, als Sie gesagt haben, kann die Legitimation dieses Parlaments zur Entscheidung nicht infrage stellen. Zweite Anmerkung: Atommüll, Endlagerung. Ich bin schon wieder versucht, aus der Vereinbarung von 2000 zu zitieren. Ich billige jedem selbstverständlich zu, Kernenergie grundsätzlich abzulehnen bzw. schon immer abgelehnt zu haben. Nicht akzeptabel ist aber, dass eine Regierung negiert, dass über 40 Jahre hinweg in Deutschland Kernenergie wirtschaftlich genutzt worden ist und auch heute noch wirtschaftlich genutzt wird und dass die rot-grüne Regierung den weiteren Betrieb über zwei Jahrzehnte zugesichert hat. Mit diesem wirtschaftlichen Betrieb von Kernkraftwerken ist jedoch Atommüll verbunden. Deshalb besteht auch für diejenigen, die Kernenergie möglicherweise ablehnen, die Verpflichtung, für eine sichere Entsorgung insbesondere des hochradioaktiven Mülls zu sorgen. Darum bleibe ich dabei, dass das sogenannte Moratorium für Gorleben nichts anderes war als der Ausdruck einer Verantwortungslosigkeit, ein Kneifen vor dieser Aufgabe. Man kann zwar gegen Kernenergie sein, aber man kann nicht negieren, dass Kernenergie wirtschaftlich genutzt werden kann und genutzt wird (Ulrich Kelber [SPD]: Verhinderer des Endlagersuchgesetzes!) und dass dadurch Atommüll entsteht. Wir stehen in der Pflicht, für eine sichere Entsorgung dieses Atommülls zu sorgen. Auch das gehört zum Energieprogramm dieser Regierung. (Beifall bei der CDU/CSU - Ulrich Kelber [SPD]: Sie persönlich haben das Endlagersuchgesetz verhindert!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die letzte Frage zum Energiekonzept der Bundesregierung stellt Frau Kollegin Menzner. Dorothée Menzner (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. - Ich habe an beide Minister eine Frage, die sich an das vorhin Gesagte anschließt. Dieses Thema ist von großem öffentlichem Interesse. Nach mehrmaligem Nachfragen ist uns mitgeteilt worden, dass es außer diesem Förderfondsvertrag plus dem Papier zur Sicherheit offensichtlich keine weiteren Abreden, Nebenabsprachen, Verträge etc. gebe. Meine Frage an Sie beide: Ist es aus Ihrer Sicht ein normales und der Demokratie und dem Parlamentarismus würdiges Vorgehen, wenn die Öffentlichkeit und die Parlamentarier in Ausschusssitzungen trotz mehrmaliger Nachfragen gegenüber drei Staatssekretären keine Antwort bekommen, wenn solche Papiere erst durch Medien bekannt werden, wenn solche Papiere nur nach der Salamitaktik veröffentlicht werden? Meinen Sie, dass das ein adäquates und dem Parlamentarismus würdiges Vorgehen ist? Müssen wir davon ausgehen, dass zukünftig auch in anderen Bereichen so mit uns umgegangen wird? Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Minister Röttgen, bitte. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Die Linkspartei bzw. die Linksfraktion steht aufgrund ihrer parteipolitischen Vergangenheit natürlich in einer ganz besonderen Tradition von Transparenz und Öffentlichkeit. Insofern haben Sie das Recht, diese Frage hier im Parlament zu stellen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Genau wegen der Vergangenheit!) - Wegen der Vergangenheit arbeiten Sie Ihre Vergangenheit auch in sehr transparenter Weise auf. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Im Gegensatz zu anderen Parteien!) Um das klar zu beantworten: Hier herrscht völlige Transparenz. Was hier betrieben wird, ist meines Erachtens eine Mischung von Falschbehauptungen und Stimmungsmache bis hin zur Angstmache. Dass es eine Gewinnabschöpfung gibt, ist geradezu programmatisch verkündet worden. Dies als ein Geheimnis darzustellen, das war ein Wahlkampfthema. Das stand tagelang in den Zeitungen, und zwar auch im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Energiekonzepts. Würden Sie regelmäßig Zeitung lesen, dann wären Sie vollständig informiert gewesen. Wir werden uns aber speziell um Ihre Information noch weiter sehr bemühen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vereinbarungsgemäß ist die Regierungsbefragung nun beendet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 17/3007 - Zunächst kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder zur Verfügung. Es geht zunächst um ein Rechtsgutachten zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Jerzy Montag auf. - Ich höre gerade, dass schriftliche Beantwortung beantragt worden ist. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) Dies gilt auch für die Frage 2 der Abgeordneten Ingrid Hönlinger, die Fragen 3 und 4 der Abgeordneten Bärbel Höhn und die Frage 5 des Abgeordneten Hans-Josef Fell. Ebenso werden die Fragen 6 und 7 der Abgeordneten Dr. Eva Högl zur gesetzlichen Regelung von Geodatendiensten sowie die Fragen 8 und 9 der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel schriftlich beantwortet. Ich rufe somit die Frage 10 des Abgeordneten Andrej Hunko auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung diskriminierender und feindseliger Einstellungen gegenüber Roma und Sinti in der Europäischen Union, und was hat die Bundesregierung unternommen, um dem Antiziganismus in Deutschland zu begegnen? Wer von der Bundesregierung antwortet? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich kann gerne antworten. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind beide bereit!) - Mir wurde gesagt, dass Ihre Frage schriftlich beantwortet wird. Ich fange einmal mit der Frage 10 des Kollegen Hunko an. Die Bundesregierung teilt die vom Deutschen Bundestag mit Beschluss vom 17. Januar 2008 in der Ausschussfassung vom 16. Januar 2008 vorgenommene Einschätzung der Lage der Roma und Sinti in Europa und die dort gegebenen Empfehlungen. In diesem Beschluss wird unter anderem dargelegt, dass Roma in vielen Staaten Europas Diskriminierungen und Benachteiligungen ausgesetzt seien, wozu auch eine undifferenzierte Berichterstattung in den Medien beitragen könne. Sie seien stark von sozialen Problemen, Bildungsdefiziten und Arbeitslosigkeit betroffen, nicht mit angemessenem Wohnraum versorgt und hätten bei hoher Säuglings- und Kindersterblichkeit teilweise eine geringe Lebenserwartung. Auch die schulische Versorgung sei in manchen Staaten unzureichend. Eine von der EU-Grundrechteagentur veröffentlichte Umfrage zu europäischen Minderheiten und Diskriminierungen von 2009 teilt diese Einschätzung. Die Bundesregierung unterstützt alle von der Europäischen Union, vom Europarat und von der OSZE initiierten Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Roma und Sinti in Europa. Die Bundesregierung verfolgt bei der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einen ganzheitlichen Ansatz. Dieser zielt darauf, alle gesellschaftlichen Ebenen zu erreichen, und geht davon aus, dass eine wirkungsvolle Prävention von Gewalt und Diskriminierung insbesondere durch die frühe Förderung und die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts erreicht werden kann. Entsprechend fördert die Bundesregierung Maßnahmen zur politischen Bildung, beispielsweise über die Bundeszentrale für politische Bildung. Diese beschäftigt sich mit dem Thema Vorurteile und Diskriminierung, um diesen entgegenzuwirken. Spezifische Inhalte zum Thema Antiziganismus bzw. zur Bekämpfung von Vorurteilen gegenüber Sinti und Roma finden sich im Rahmen verschiedener Publikationen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage, bitte? Andrej Hunko (DIE LINKE): Vielen Dank. - Nun ist das Roma-Thema in den letzten Wochen aufgrund der Massenabschiebungen aus Frankreich innerhalb der Europäischen Union sehr durch die Medien gegangen. Es ist die Aufgabe der EU-Kommission als Hüterin der Verträge, hier auf die Einhaltung der Grundrechtecharta zu pochen. Meine Frage: Wie beurteilen Sie die heutige Entscheidung der EU-Kommission, kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich einzuleiten? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung beurteilt nicht die Entscheidungen der Kommission. Die Kommission ist Hüterin der Verträge, und somit ist dem, was die Kommission hier entschieden hat, nichts hinzuzufügen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist aber schwach, Herr Schröder!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Weitere Nachfrage? Andrej Hunko (DIE LINKE): In Deutschland leben über 100 000 Roma, und auch hier sind Massenabschiebungen von Roma geplant - nicht in einem Schwung, aber scheibchenweise. Die letzte Abschiebung von Roma-Familien, deren Kinder in Deutschland geboren sind, in den Kosovo hat am 2. September über den Flughafen Düsseldorf stattgefunden. Die EU-Kommission fordert auch die Bundesregierung auf, die Abschiebung von Roma in den Kosovo zu stoppen. Wie stehen Sie zu dieser Forderung? Können Sie dazu etwas sagen? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Behauptung, dass es Massenabschiebungen von Roma aus Deutschland in den Kosovo gibt, ist falsch. Es wird in den Kosovo zurückgeführt, unabhängig von der Ethnie; darunter sind auch Roma. Das machen wir sehr maßvoll und in Absprache mit dem Staat Kosovo. Wir setzen hier auf Freiwilligkeit, was durch viele Programme unterstützt wird. Es gibt keine Massenabschiebung. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Es gibt noch einen Fragewunsch des Kollegen Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine Zusatzfrage: Sehen Sie einen Unterschied zwischen der Abschiebung oder Rückführung - wie immer Sie das nennen wollen - eines Angehörigen oder einer Angehörigen des Volkes der Roma in den Kosovo und der Abschiebung oder der Rückführung von anderen Personen in den Kosovo? Die Tatsachen sind doch bekannt - das können Sie jeden zweiten Abend in Fernsehdokumentationen sehen und in Presseveröffentlichungen nachlesen -: Die Roma sind im Kosovo in Lagern untergebracht, leben dort häufig unter sehr menschenunwürdigen Verhältnissen und sind dort allen möglichen Repressalien ausgesetzt. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Im Allgemeinen wird bei der Abschiebung nicht unterschieden, um welche Ethnie es sich handelt. Im Fall des Kosovo wird es natürlich berücksichtigt, weil wir uns der schwierigen Situation der Roma, was die wirtschaftliche Lage und ihre Eingliederung betrifft, bewusst sind. Deshalb findet nur eine sehr behutsame Rückführung statt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wir kommen zur Frage 11 des Kollegen Hunko: Wie viele Roma wurden seit 2009 gezwungen, Deutschland zu verlassen, und ins Kosovo abgeschoben, und warum ist die Bundesregierung nicht bereit, die Abschiebepraxis für Roma zumindest auszusetzen, wie beispielsweise vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, vom Europäischen Parlament sowie vom Kommissar für Menschenrechte des Europarates gefordert wird? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Im Jahr 2009 bis einschließlich Ende August 2010 wurden insgesamt 949 Personen verschiedener ethnischer Zugehörigkeiten in die Republik Kosovo zurückgeführt. Hierunter befanden sich 184 Kosovo-Roma. In Deutschland erfolgt die Feststellung der Ausreisepflicht durch die hierfür zuständigen Ausländerbehörden der Länder bzw., soweit ein Asylverfahren durchgeführt wird, durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach den Maßgaben des Aufenthaltsgesetzes. Dieses sieht eine Einzelfallprüfung vor. Anknüpfungspunkt für die Frage einer Rückführbarkeit ist grundsätzlich nur die Staatsangehörigkeit einer Person, nicht aber deren ethnische Zugehörigkeit. Ebenfalls sind nach den Vorgaben des Gesetzes soziale und wirtschaftliche Aspekte im Zielstaat für die Frage der Rückführbarkeit einer Person grundsätzlich nicht von Belang, auch wenn die Bundesregierung nicht verkennt, dass die ökonomische und soziale Lage in der Republik Kosovo nicht mit westeuropäischen Standards vergleichbar ist. Hiervon sind jedoch viele der im Kosovo lebenden Menschen betroffen, unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit. Die Bundesregierung hat vor Beginn der Rückführungen von Kosovo-Roma im Frühjahr 2009 eine eigene Einschätzung der Sicherheitslage vorgenommen. Dabei ist sie zum Ergebnis gelangt, dass keine unmittelbare Gefährdung nur aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit mehr besteht. Diese Einschätzung haben auch andere westeuropäische Aufnahmestaaten, die ethnische Minderheiten, darunter auch Roma, in die Republik Kosovo zurückführen, getroffen. Zu diesen Staaten gehören unter anderem die Schweiz, Österreich, Frankreich und das Vereinigte Königreich. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Hunko, eine Nachfrage? Andrej Hunko (DIE LINKE): Unabhängig davon, dass ich es nicht für zielführend halte, sich in dieser gegenwärtigen Debatte auf Frankreich zu berufen, möchte ich nachfragen. Sie sagten vorhin, dass es keine Massenabschiebungen gibt. Das sogenannte Rückführungsabkommen mit dem Kosovo ist seit dem 1. September in Kraft. Die Welt, nicht unbedingt eine linke Zeitung, titelt dazu: "Deutschland will 10 000 Roma ins Kosovo abschieben." Frage: Wie soll das geschehen, ohne dass es eine Massenabschiebung gibt? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Noch einmal: Es findet keine Massenabschiebung statt. Aus der Zeit des Krieges dort gibt es immer noch sehr viele Menschen, die sich in Deutschland aufhalten. Zum Stichtag 30. Juni 2009 hielten sich circa 14 900 Ausreisepflichtige aus dem Kosovo in Deutschland auf. Seit 1999 kehrten circa 92 370 Personen freiwillig zurück. Es geht also vorwiegend um eine freiwillige Rückkehr, und es geht nicht um eine Massenabschiebung. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ihre zweite Nachfrage, bitte. Andrej Hunko (DIE LINKE): Die Organisation Amnesty International hat heute in einer Pressemitteilung den sofortigen Stopp von Abschiebungen von Roma in das Kosovo gefordert. Zitat: Diese Menschen landeten "dort buchstäblich auf der Müllkippe". Halten Sie es für ausgeschlossen, sich dieser Forderung von Amnesty International anzuschließen? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: In diesem Zusammenhang stelle ich zunächst richtig, dass der in der Fragestellung angeführte Kommissar für Menschenrechte des Europarats, Thomas Hammarberg, sich nicht generell gegen eine Abschiebung, sondern prioritär gegen Massenabschiebung ausgesprochen hat. Genau das machen wir auch nicht. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Zehntausend sind keine Masse?) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Ich komme auf die Beantwortung der Fragen 1 bis 5 zurück, Herr Montag: Weil das Thema, das Sie ansprechen, schon unter einem anderen Tagesordnungspunkt in dieser Sitzungswoche behandelt werden wird, werden diese Fragen nach der Geschäftsordnung schriftlich beantwortet. Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler zur Verfügung. Zunächst die Frage 12 des Kollegen Burkhard Lischka: Plant die Bundesregierung für die Neuregelung des Sorgerechts nicht verheirateter Väter eine Widerspruchslösung, sodass ledige Väter künftig automatisch das gemeinsame Sorgerecht erhalten würden, oder eine Antragslösung, sodass Väter auf Antrag das Sorgerecht für ihr Kind bekommen können, und wann ist mit der Vorlage eines Gesetzentwurfs für die Neuregelung des Sorgerechts zu rechnen? Bitte schön. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lischka, Sie weisen in Ihrer Frage zu Recht darauf hin, dass die Bundesregierung derzeit an einer Neuregelung des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern arbeitet. Wir tun dies nicht nur aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen, sondern auch aus der Überzeugung heraus, dass es dem Kindeswohl entspricht, wenn Väter stärker als in der Vergangenheit in die Verantwortung für das Kind einbezogen werden. Mit welchem Modell man dies erreicht, ist aber derzeit noch in der Diskussion. Die Überlegungen im Ministerium sind schon sehr weit fortgeschritten, und in der Diskussion wird, wie es in Ihrer Frage angesprochen ist, tatsächlich zwischen der Möglichkeit einer sogenannten Antragslösung, bei der die Väter bei Gericht einen Antrag auf gemeinsame Sorge stellen müssten, und der Möglichkeit einer Widerspruchslösung, bei der erst eine gemeinsame Sorge entsteht und die Mütter dann bei Gericht dagegen Widerspruch einlegen können, unterschieden. Die Vor- und Nachteile beider Regelungsmodelle werden derzeit sorgfältig gegeneinander abgewogen. Deshalb lässt sich Ihre Frage, wann genau mit der Vorlage eines Gesetzentwurfs zu rechnen sei, derzeit noch nicht präzise beantworten. Wir hoffen aber, möglichst noch im Herbst 2010 einen Gesetzentwurf vorstellen und beraten zu können. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte schön, Kollege Lischka, eine Nachfrage. Burkhard Lischka (SPD): Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Sie haben die Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle angesprochen. Welche gravierenden Vorteile oder Nachteile sehen Sie bei dem einen oder anderen Modell, das derzeit diskutiert wird? In verschiedenen europäischen Staaten gibt es Vorbilder oder Beispiele für diese unterschiedlichen Modelle. Werden sie derzeit auch durch das BMJ ausgewertet? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Selbstverständlich werten wir auch die Beispiele aus anderen europäischen Ländern aus. Wir beziehen in unsere Überlegungen auch ein, dass bei dem schon möglichen gemeinsamen Sorgerecht nach Scheidung oder Trennung durchaus gute Erfahrungen gemacht worden sind. Dies hat sich sehr wohl bewährt. Für die unterschiedlichen Modelle gibt es natürlich eine Fülle von Gesichtspunkten, wobei man zunächst darauf hinweisen muss, dass wir dann, wenn sich die beiden Elternteile einvernehmlich auf die gemeinsame Sorge einigen, ohnehin keine Problemfälle haben. Es geht also nur um die streitigen Fälle. Dabei könnte man zugunsten des Antragsmodells ins Feld führen, dass es damit eine klare Entscheidung der Väter wäre, dass sie sich um die gemeinsame Sorge bemühen. Es ist nicht unzumutbar, dies zum Ausdruck zu bringen, indem man im Streitfall bei Gericht hierfür einen Antrag stellt. Auf der anderen Seite hat das Widerspruchsmodell selbstverständlich auch Vorteile. Da entsteht zunächst eine gemeinsame Sorge kraft Gesetzes. Man kann die Hoffnung hegen, dass diese Phase dazu genutzt wird, dass sich die Elternteile im Laufe der Zeit - womöglich einvernehmlich - auf die gemeinsame Sorge einigen. Umgekehrt muss es für die Frauen die Möglichkeit eines Widerspruchs geben, weil die Lebenssachverhalte sehr unterschiedlich sind und somit durchaus Konstellationen denkbar sind, in denen es nicht dem Kindeswohl entsprechen würde, wenn der Vater gemeinsam mit der Mutter die Sorge ausüben würde. All dies muss bedacht werden. Am Ende ist es auch ein Kriterium, dass man vermeiden möchte, dass zu viele Fälle zu Gericht gehen. Eine Einigung zwischen den Beteiligten ist selbstverständlich vorzugswürdig. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine weitere Nachfrage? - Bitte. Burkhard Lischka (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort von der "Überzeugung" gesprochen, "dass es dem Kindeswohl entspricht, wenn Väter stärker als in der Vergangenheit in die Verantwortung für das Kind einbezogen werden". Das hat sich vonseiten der heutigen Bundesjustizministerin, als sie im vergangenen Jahr noch auf den Oppositionsbänken saß, anders angehört: Sie hat damals gesagt, dass ein gemeinsames Sorgerecht ohne die Zustimmung der Mutter eigentlich untunlich sei. Darf ich Ihre erste Antwort so verstehen, dass dies nicht mehr Auffassung des BMJ ist, unabhängig von den gerichtlichen Entscheidungen? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Lischka, jedenfalls gibt es höchstrichterliche Entscheidungen - sowohl auf europäischer Ebene als auch vom Bundesverfassungsgericht -, die zum Inhalt haben, dass es den Vätern möglich sein muss, die Mitsorge zu erlangen, auch ohne Einverständnis der Mutter. Dabei kann selbstverständlich nur das Kindeswohl das Kriterium sein. Wir diskutieren jetzt über die Frage, welches Verfahren wir für die Streitfälle vorsehen sollten. Beide Modelle, die Sie in der Frage angesprochen haben - Antragsmodell und Widerspruchsmodell -, haben etwas für sich. Darüber wird politisch zu entscheiden sein; die endgültige Entscheidung wird hier vom Parlament zu treffen sein. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank. - Dann kommen wir zur Frage 13 des Kollegen Jerzy Montag: Ist es aus Sicht des Bundesministeriums der Justiz in irgendeiner Weise zu beanstanden, dass der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Professor Dr. Hans-Jürgen Papier im Auftrag der Bundesregierung ein Rechtsgutachten zu einer aktuellen verfassungsrechtlichen Frage erstellt und in einer Fachzeitschrift veröffentlicht hat (vergleiche die Äußerung des Vorsitzenden der Fraktion der CDU/CSU, Volker Kauder, in der Passauer Neuen Presse vom 16. September 2010)? Bitte schön. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Professor Papier ist als Präsident des Bundesverfassungsgerichts am 16. März 2010 in Ruhestand getreten. Er lehrt jetzt als Hochschullehrer an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Das Bundesministerium der Justiz hatte und hat keinen Anlass, in irgendeiner Weise den Umstand zu bewerten, dass sich Professor Papier Ende Mai und im September 2010 zu einer aktuellen verfassungsrechtlichen Frage wissenschaftlich geäußert hat. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine Nachfrage? - Bitte schön. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für diese klare Einschätzung. Sie führt mich zu meiner Nachfrage. Es ist unstreitig: Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes über die Nutzung der Atomenergie resultiert aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG, die Zustimmungspflicht des Bundesrates ergibt sich aus Art. 87 c des Grundgesetzes. (Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär: Ja!) Nun liegen uns zwei Formulierungshilfen der Bundesregierung zu den Gesetzentwürfen der Koalitionsfraktionen in Bezug auf die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke vor. In der ersten Formulierungshilfe steht nichts zu der Frage der Zustimmungspflicht. Die zweite Formulierungshilfe enthält ausschließlich eine Bezugnahme auf Art. 87 d des Grundgesetzes, der für das Atomrecht ohne Bedeutung ist. Nun hat sich Herr Papier - auf Anforderungen der Bundesregierung hin - zu genau dieser Problematik geäußert. Ich frage Sie: Warum findet sich in der neuesten Formulierungshilfe der Bundesregierung zu dieser so komplexen und schwierigen Materie keine Auseinandersetzung mit den äußerst gewichtigen Argumenten für eine Zustimmungspflicht des Bundesrates? Herr Professor Papier und viele andere haben sich mit genau dieser Frage auseinandergesetzt. Die Bundesregierung schreibt dazu in ihrer Formulierungshilfe kein einziges Wort. Warum eigentlich nicht? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Montag, die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit einer Laufzeitverlängerung war bereits vor einigen Monaten Gegenstand vieler Fragen in der Fragestunde. Schon damals habe ich dazu Stellung genommen. Seither hat sich allerdings ein Faktum geändert. Ich habe damals ausgeführt, dass es unter Gutachtern in der wissenschaftlichen Lehre unterschiedliche Meinungen gibt. Es gibt die Auffassung, jede Verlängerung bedürfe der Zustimmung des Bundesrats, und es gibt die Auffassung, dass dies nur in bestimmten Ausgestaltungen der Fall sein sollte. Es gibt außerdem die Auffassung, eine neue Zustimmung sei entbehrlich, weil der Bundesrat ursprünglich schon einmal der Übernahme der Zuständigkeit für die Verwaltung der Atomkraftwerke zugestimmt hat. Nunmehr gab es nach unserer damaligen Fragestunde eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu - wie Sie zu Recht sagen - Art. 87 d des Grundgesetzes, und zwar zum Thema Luftsicherheitsgesetz. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht in großer Klarheit ausgeführt, dass eine rein quantitative Ausweitung einer Aufgabe nicht zu einer neuerlichen Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrats führt. Auf diese Entscheidung nimmt die Bundesregierung jetzt Bezug, weil wir der Überzeugung sind, dass die Grundsätze aus dieser sehr neuen und ganz aktuellen Entscheidung eben auch in Bezug auf Art. 87 c gelten. Das ist der Grund für diese neue Situation. Selbstverständlich sind Argumente insbesondere von Herrn Professor Papier, der von allen Seiten - selbstverständlich auch von mir persönlich - hochanerkannt ist, gewichtig. Gewichtig ist aber auch die ganz aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine weitere Nachfrage. - Bitte. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär Dr. Stadler, das Bundesverfassungsgericht hat zwischenzeitlich Stellung genommen. Dies hat es allerdings ausdrücklich in Bezug auf Art. 87 d getan, während sich das Atomrecht und die Zustimmungspflicht in Atomrechtsfragen nach Art. 87 c richten. Genau zu dieser Problematik hat Herr Professor Papier gesagt - dies wurde auch veröffentlicht -: Die Gedankengänge und Regelungen zu Art. 87 d und insoweit auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien nach seiner Auffassung für das Atomrecht und für Art. 87 c Grundgesetz nicht einschlägig; das Gegenteil sei der Fall. Deswegen frage ich Sie noch einmal: Warum hat die Bundesregierung zu dieser weiterhin hochstreitigen Problematik in ihrer neusten Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen mit keinem einzigen Wort Stellung genommen, obwohl Herr Professor Papier sein Gutachten im Auftrag der Bundesregierung erstellt hat? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Lieber Kollege Montag, über diese Rechtsfrage wird in der weiteren parlamentarischen Debatte sicherlich noch trefflich gestritten werden. Gleichwohl darf ich darauf aufmerksam machen, dass es in der Juristerei keine Seltenheit ist, dass es zu verschiedenen Fragen unterschiedliche Auffassungen gibt, die jeweils mit beachtlichen Argumenten begründet werden. Es gilt aber doch auch ein wenig die alte Erkenntnis: Roma locuta, causa finita. Das heißt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung trifft und man der Auffassung sein kann, diese sei einschlägig, dann ist das aus Sicht der Bundesregierung ein entscheidender Faktor. Ich habe in meiner vorherigen Antwort wie Sie darauf hingewiesen, dass die Entscheidung zu Art. 87 d ergangen ist und wir uns jetzt im Bereich des Art. 87 c des Grundgesetzes befinden. Nur, die ganz klare Aussage lautete, dass "die Wiederholung oder Konkretisierung bereits früher erfolgter Aufgabenzuweisungen den Aufgabenbestand der Länder nicht vergrößern" und daher keine neue Aufgabenübertragung darstellen wird. In der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts, die am 11. Juni 2010 veröffentlich wurde, steht unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom Mai, dass eine lediglich quantitative Erhöhung der Aufgabenlast für die Länder keine neue Zustimmungspflicht auslöst. Das sind Kernsätze einer Entscheidung, die sehr klar und sehr deutlich sind. Ich wiederhole: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass diese Grundsätze auch bei Art. 87 c GG zu beachten sind. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Fragen 14 der Kollegin Hönlinger und 15 der Kollegin Steiner sollen aus den gleichen Gründen wie bei den Fragen 1 bis 5 schriftlich beantwortet werden. Ich bedanke mich bei Herrn Staatssekretär Stadler für seine guten Ausführungen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 16 des Kollegen Werner Schieder, die Frage 17 des Kollegen Hacker, die Frage 18 der Kollegin Dr. Bunge, die Fragen 19 und 20 der Kollegin Dr. Höll sowie die Fragen 21 und 22 des Kollegen Nord, die zu diesem Geschäftsbereich gehören, sollen schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto zur Verfügung. Die Frage 23 des Kollegen Hacker wird schriftlich beantwortet. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Krischer auf: Was hat die Bundesregierung seit dem Steinkohlekompromiss 2007 zwischen Bund, Ländern, der RAG AG und der IG BCE und dem dort vereinbarten Ende der Steinkohlesubventionen bis 2018 in Deutschland konkret auf EU-Ebene unternommen, um dies EU-rechtlich abzusichern? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Krischer, seit Ende des Jahres 2007 hat die EU-Kommission offiziell Kenntnis von den deutschen Vereinbarungen zum Auslaufen des Steinkohlebergbaus. Seitdem befindet sich die Bundesregierung sowohl auf fachlicher als auch auf politischer Ebene zu diesem Thema in einem ständigen Dialog mit der EU-Kommission. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage? Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, Sie sagen, dass Sie sich seit drei Jahren in Brüssel darum bemühen, das Ansinnen der Bundesregierung bekannt zu machen. Wie kann es dann sein, dass wir im Sommer einen Beschluss der EU-Kommission zur Kenntnis nehmen mussten, der diese Rechtslage überhaupt nicht wiedergibt; vielmehr war von einem um vier Jahre verringerten Zeitraum die Rede? Damit stehen wir vor der Situation, dass deutsches Recht - wenn es wie vorgesehen umgesetzt werden würde - den Regeln der EU deutlich wiedersprechen würde. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Krischer, ich vermag zwischen meiner Aussage und Ihrer Frage keinen Widerspruch zu erkennen. Der EU-Kommission war und ist die deutsche Position bekannt. Uns beiden ist bekannt, dass es innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sehr unterschiedliche Auffassungen über die Frage gibt, inwieweit Steinkohlebeihilfen europarechtlich zustimmungsfähig sind. Im Klartext: Die EU-Kommission hat in Kenntnis der deutschen Position diesen Vorschlag unterbreitet. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zweite Nachfrage? - Bitte. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie erklären Sie es sich dann, dass der deutsche EU-Kommissar, Herr Günther Oettinger, der als Energiekommissar für diese Frage fachlich zuständig ist, bei der entscheidenden Sitzung, in der diese Frage erörtert wurde, nicht anwesend war? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Es ist zutreffend, dass der deutsche EU-Kommissar Oettinger bei dieser Sitzung nicht anwesend war. Das habe ich der Presse entnommen. Im Übrigen kann ich Ihnen bestätigen, dass Herr EU-Kommissar Oettinger zur selben Zeit an einer Konferenz in Washington teilgenommen hat, an der auch ich teilgenommen habe. Er hat also nicht geschwänzt. Ich will hinzufügen: Es handelte sich um eine energiepolitische Tagung auf der Ebene der G-20-Energieminister, er war also auf keiner fachfremden Tagung. Ob Herr Oettinger, wenn er in Brüssel gewesen wäre, die Entscheidung anders hätte beeinflussen können, entzieht sich meiner Kenntnis. Es entzieht sich nicht meiner Kenntnis, dass Herr Oettinger öffentlich erklärt hat, dass es, selbst wenn er dabei gewesen wäre und die deutsche Position, die ohnehin bekannt ist, nochmals erläutert hätte, nichts an der Entscheidung geändert hätte. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Krischer auf: Wie begründet die Bundesregierung die Genehmigung der Verlagerung von hochradioaktiven Brennelementen aus dem ehemaligen Forschungsreaktor in Rossendorf/Sachsen, die zurzeit in Ahaus lagern, nach Russland, und wie bewertet sie die Sicherheit der Lagerung in Russland? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Sehr geehrter Herr Kollege Krischer, das ist eine etwas umfänglichere Antwort. Sie erlauben deshalb bitte, dass ich sie, um präzise und schnell zu sein, ablese. Die USA und die Russische Föderation haben in den vergangenen Jahrzehnten hochangereichertes Uran in zahlreiche Länder geliefert. Die USA haben im Jahr 1996 ein nationales sowie im Jahr 2004 zusammen mit der Russischen Föderation ein bilaterales Programm initiiert, das sogenannte Russian-Research-Reactor-Fuel-Return-Programm mit der schönen Abkürzung RRRFR-Programm, um das hochangereicherte Uran zurückzunehmen. Im Rahmen der dritten Überprüfungskonferenz zum Gemeinsamen Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle im Jahr 2009 wurde die Rückführung von bestrahlten Brennelementen aus hochangereichertem Uran als - Zitat - "gute Praxis" identifiziert. Die Russische Föderation ist Vertragsstaat dieses Übereinkommens. Aus nichtverbreitungspolitischen Aspekten ist die Rückführung zu begrüßen. Die Verarbeitung in der Russischen Föderation würde dem Material die Waffenfähigkeit nehmen. Die hiermit verbundene Stärkung der nuklearen Sicherheit entspricht auch den Zielen des Gipfeltreffens zur nuklearen Sicherheit in Washington im April dieses Jahres. Der Freistaat Sachsen beabsichtigt, bestrahlten Kernbrennstoff, der ursprünglich aus der Russischen Föderation an den Forschungsreaktor Rossendorf geliefert wurde, dort eingesetzt wurde und zurzeit im Transportbehälterlager Ahaus lagert, in sein Ursprungsland, also in die Russische Föderation, zu überführen. Die USA und die Internationale Atomenergie-Organisation, IAEO, unterstützen diese Rückführung nachdrücklich. Deutschland hat sich bereits früher an den genannten Projekten beteiligt. Aus verschiedenen deutschen Forschungsreaktoren wurden bestrahlte Brennelemente in die USA verbracht. Aus dem konkreten, stillgelegten Forschungsreaktor Rossendorf wurde bereits im Jahre 2006 unbestrahltes hochangereichertes Uran in die Russische Föderation verbracht. Bedenken, die gegen die Erteilung einer Genehmigung zur Verbringung dieser Brennelemente aus dem Forschungsreaktor Rossendorf in die Russische Föderation im Rahmen des RRRFR-Programms sprechen, sind bei den Prüfungen des Bundesumweltministeriums nicht zutage getreten. Vor dem Hintergrund des besonderen nichtverbreitungspolitischen Interesses an der Verbringung hat das Bundesumweltministerium die Beförderungsgenehmigung erteilt und beabsichtigt, auch die Genehmigung zur Verbringung nach der atomrechtlichen Abfallverbringungsverordnung zu erteilen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehört unter anderem, dass das Abkommen zwischen der Russischen Föderation und Deutschland geschlossen ist. In den empfangenden kerntechnischen Einrichtungen der Russischen Föderation wurden, wie die IAEO und die USA bestätigten, erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der Sicherheit und der Sicherungsmöglichkeiten unternommen. Ebenfalls wurde mit der Sanierung der Altlasten begonnen. Die Russische Föderation betonte im Rahmen der bilateralen Verhandlungen, dass ein Teil der Einnahmen aus dem Programm in die Sanierung der Standorte fließt. Herr Kollege, das war eine umfangreiche Antwort. Aber vielleicht ist es für Sie ganz interessant, das alles im Zusammenhang zu erfahren. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage? - Bitte. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär Otto, für die ausführlichen Erläuterungen. Ich habe eine Nachfrage: Trifft es zu, dass das Material in die Atomanlage Majak in der Russischen Föderation verbracht werden soll? Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung dann in diesem Zusammenhang den Umstand, dass wir es in dieser Region noch vor wenigen Wochen mit schwersten Waldbränden zu tun hatten, welche in ganz Europa die Sorge vor einer radioaktiven Kontamination der Luft, der Atmosphäre auslösten? Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die Verbringung des hochradioaktiven Materials aus Ahaus nach Majak? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Krischer, zunächst bestätige ich, dass eine Verbringung in die russische Wiederaufbereitungsanlage Majak im Südural geplant ist. Ihre Befürchtung, dass nach den Waldbränden, die es im vergangenen Sommer bedauerlicherweise in großem Umfang in Russland gegeben hat, auch in Zukunft eine erhöhte Gefahrenlage besteht, teilen wir nicht. Im Gegenteil: Nachdem es vor Jahrzehnten dort einige Probleme gegeben hat, die ich nicht leugnen möchte, entsprechen die Sicherheitsstandards dieser Anlage heute den internationalen Anforderungen. Das wird von der Internationalen Atomenergiebehörde und den USA ausdrücklich bestätigt. Sie sollten vielleicht auch wissen, dass die USA aus Gründen der Nichtverbreitungspolitik, die wir vermutlich beide teilen, finanzielle Zuwendungen gegeben hat, um diese Anlage sicherer zu machen. Daher glauben wir, dass das alles gut zu verantworten ist. Die Gefahr von Waldbränden und die Gefahr, dass dadurch Kontaminierungen entstehen, ist bedauerlicherweise keinem Land der Erde ganz genommen. Nachdem diese Brände jetzt im Sommer stattgefunden haben, was wir sicherlich alle gemeinsam sehr bedauert haben, ist wohl die Gefahr, dass sich ein solches Unglück in der nächsten Zeit wiederholt, nicht überdurchschnittlich, sondern unterdurchschnittlich hoch. Deswegen hat sich die Bundesregierung nach sorgfältiger Überprüfung und der Überlegung, die Ihnen vermutlich auch nicht fernliegt, dass wir hoch angereichertes Uran nicht an Drittländer weitergeben wollen und die Waffenfähigkeit dieses Materials verhindern wollen, im Rahmen aller Vereinbarungen und unter Zugrundelegung aller internationalen Standards zu diesem Schritt entschlossen. Wir werben auch um Ihre Zustimmung. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zweite Nachfrage. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Über die Frage, ob das Material in der russischen Anlage Majak sicher aufgehoben ist - auch jenseits der Gefahr von Waldbränden -, kann man sehr trefflich streiten. Ich kenne viele Berichte aus dieser Anlage, die mich erheblich daran zweifeln lassen, dass dort eine gute Lagerung möglich ist. Aber wenn man die Einschätzung teilt, dass das Material in Majak gut gelagert ist, und man auch sicher sein kann, dass es von dort nicht weiterverbreitet wird, dann stellt sich doch die Frage, warum dieses Material im Jahre 2005 auf Antrag des Freistaates Sachsen - wenn ich richtig informiert bin - nicht gleich nach Russland verbracht wurde, sondern erst ins Brennelementezwischenlager nach Ahaus mit der Folge, dass wir es jetzt mit zusätzlichen unfallträchtigen, aufwendigen und auch kostenträchtigen Transporten zu tun haben. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Offen gesagt, Herr Kollege, erschließt sich mir Ihre Frage nicht. Wir haben genau das getan, was Sie von der Bundesregierung zu Recht erwarten, nämlich eine Klärung der Frage, ob die Sicherheitsanforderungen in Majak erfüllt sind. Wir haben also nicht leichtfertig sofort einen Transport von Rossendorf nach Majak organisiert, sondern wir haben zunächst einmal alle sicherheitstechnischen Überprüfungen angestellt. Wir haben sozusagen eine Begutachtung der Situation in Majak angefordert. Erst danach sind wir zu der Auffassung gelangt, dass es sicherheitstechnisch vertretbar ist. Nachdem die IAEO und die USA grünes Licht dafür gegeben haben und die Sicherheit der Anlage als gewährleistet ansehen, sehen wir uns jetzt in der Lage, in Zusammenarbeit mit dem Bundesumweltministerium, das ja auch zu einem entscheidenden Teil hier zuständig ist, die entsprechenden Genehmigungen dafür zu erteilen. Wir haben es uns also nicht leicht gemacht. Wir haben eine Untersuchung durchgeführt. Wir haben Prüfungen durchgeführt. Herr Kollege, ich respektiere Ihre Auffassung zur Sicherheit in Majak. Aber die Bundesregierung hat sich unabhängiger Organisationen bedient, um die Sicherheitsfrage zu beantworten, sie hat sie nicht nur subjektiv beantwortet. Deswegen sind wir auch der Überzeugung, dass wir gerade im Hinblick auf Ihre Forderungen nach einem hohen Sicherheitsniveau alles getan haben, was notwendig ist. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Die Fragen 26 des Kollegen Duin und 27 der Kollegin Nestle werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Fragen 28 und 29 der Kollegin Silvia Schmidt, die Fragen 30 und 31 des Kollegen Dr. Seifert, die Fragen 32 und 33 des Kollegen Dreibus sowie die Fragen 34 und 35 der Kollegin Zimmermann werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Julia Klöckner zur Verfügung. Ich rufe die Frage 36 des Kollegen Friedrich Ostendorff auf: Trifft die vom Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Gerd Müller in der Pressekonferenz am 14. September 2010 gemachte Aussage, dass die Bundesregierung die Verdopplung der deutschen Agrarexporte innerhalb von fünf Jahren zum Ziel hat, auch auf die Exporte von Fleischprodukten zu? Bitte schön, Frau Klöckner. Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Ostendorff, ich darf auf Ihre Frage, die sich auf meinen Kollegen, Staatssekretär Müller, bezieht, wie folgt antworten: Die Politik der Bundesregierung ist natürlich darauf ausgerichtet, nachhaltiges Wachstum zu unterstützen. Denn davon erhoffen wir uns zum einen einen Abbau der Arbeitslosigkeit und zum anderen eine Sanierung unseres Haushaltes. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerd Müller hat in einer Pressekonferenz am 14. September dieses Jahres angesichts der wachsenden weltweiten Nachfrage nach hochwertigen Lebensmitteln seine Zuversicht geäußert, dass Deutschland mit den Lebensmitteln, die wir hier produzieren, durchaus dazu beitragen kann, diese Nachfrage zu decken. Wir produzieren unter sehr hohen Standards, unter hohen Umwelt-, Tierschutz- und Verbraucherschutzstandards. Deshalb hat er seinen Wunsch ausgedrückt, dass in den kommenden fünf Jahren eine solche Steigerung möglich ist. Er hat dies aber nicht, wie Sie unterstellen, als Ziel der Bundesregierung dargestellt; denn Export ist Sache der Wirtschaft, und wir haben keine Planwirtschaft. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage, Kollege Ostendorff? Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Staatssekretärin, für die Antwort. Es erstaunt ja schon, mit welcher Präzision Ihr Kollege in der Pressekonferenz geantwortet hat. Denn er hat wenige Wochen zuvor auf die Kleine Anfrage der Grünen geantwortet, dass die Bundesregierung nicht in der Lage ist, Angaben über die Quantität der Exportzuwächse zu machen. Woher kommt der Erkenntnisgewinn, sodass man jetzt davon ausgeht, dass man die Agrarexporte in fünf Jahren verdoppeln kann, nachdem man vor wenigen Wochen noch nicht in der Lage war, zu sagen, wie der Exportzuwachs aussehen wird? Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Kollege Ostendorff, Mitglieder der Bundesregierung sind zuversichtliche Personen; denn sie wissen, dass die Bundesregierung hart und nachhaltig arbeitet. Wenn diese Arbeit so weitergeführt wird, wir also die Rahmenbedingungen entsprechend setzen, können wir zuversichtlich sein, dass wir erheblich dazu beitragen, dass unsere Wirtschaft boomt. Man muss Ziele haben, damit man weiß, wohin man will. (Beifall des Abg. Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Weitere Nachfrage? Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. - Man muss Ziele haben - da sind wir natürlich Ihrer Meinung -, aber nicht dieses Ziel. Frau Staatssekretärin, das führt mich zu meiner anschließenden Frage, die wir heute auch schon im Ausschuss behandeln mussten. Die EU-Kommission hat die Bundesregierung am 7. Juli dieses Jahres gerügt bzw. darauf hingewiesen, dass wir die NEC-Richtlinie - so heißt das Konstrukt - nicht einhalten, dass die Ammoniakemissionen Deutschlands den Rahmen, den Deutschland eingeräumt bekommt, deutlich überschreiten. Wir werden das gleich noch in einer Frage an das Umweltministerium behandeln. Aber ich muss auch hier nachfragen, weil Staatssekretär Müller heute im Ausschuss verkündet hat - das war falsch -, dass Deutschland die Werte nicht überschreiten wird. Die Werte werden überschritten. Ammoniakemissionen kommen zu 90 Prozent aus der Landwirtschaft. Staatssekretär Müller hat aber ausgeblendet, dass 10 Prozent auch aus anderen Quellen stammen. Er hat nur die landwirtschaftliche Zahl beleuchtet. Wenn man die Agrarexporte verdoppeln will, dann beinhaltet das ja sicherlich - das unterstelle ich jetzt - eine Verdoppelung der Fleischexporte. Wenn Fleisch einer der wichtigsten Ammoniakemissionsträger ist und wir heute schon die Ammoniakemissionsgrenzen reißen - nicht zum ersten Mal, sondern schon seit längerer Zeit -, dann führt mich das im Fachbereich BMELV zu der Frage: Wie wollen Sie - Sie sind ja aufgefordert gewesen, der EU-Kommission bis Ende September Handlungsrahmen mitzuteilen - die Ammoniakemissionen angesichts einer Exportstrategie, die darauf zielt, noch mehr Fleisch zu erzeugen - sprich: noch mehr Ammoniakemissionen zu erzeugen -, senken? Wie soll das gehen? Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Sehr geehrter und geschätzter Kollege, unsere Landwirtschaft hat mehr zu bieten als Fleisch, und unsere landwirtschaftliche Produktion ist so vielfältig und weltweit so gefragt, dass wir die anderen Länder natürlich daran teilhaben lassen möchten. Dazu gehört die ganze Produktpalette. Das ist das eine. Zum anderen unterstellen Sie erneut, obwohl ich das eben korrigiert habe, dass die Bundesregierung planwirtschaftlich vorgeht und sagt: Wir werden die Agrarexporte in fünf Jahren verdoppeln. Es ging um die Zuversicht, dass wir dazu beitragen können, die Nachfrage, die vorhanden ist, mit unserer Kapazität zu decken. Ich persönlich maße mir nicht an, anderen Ländern den Lebensstandard, den wir haben, abzusprechen. Ein weiterer Aspekt, Stichwort Produktion. Herrn Gerd Müller ist es als Exportbeauftragtem unseres Hauses auch gelungen, für Produkte, die bei uns nicht verzehrt werden, in anderen Ländern Märkte zu schaffen. Es gibt nämlich unterschiedliche Verzehrgewohnheiten. Zum Beispiel werden manche Bestandteile eines Schweins, die hierzulande - vielleicht kulturell bedingt - nicht gegessen werden, in Asien sehr stark nachgefragt. Insofern wird es nicht zu der von Ihnen unterstellten Verdopplung der Ammoniakemissionen kommen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich bedanke mich für die Beantwortung, Frau Staatssekretärin. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Ich rufe die Frage 37 des Kollegen Hans-Christian Ströbele auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung des US-Generals David Petraeus, der in der Bild-Zeitung vom 21. September 2010 unter Hinweis auf die US-Bewunderer deutscher Schlachtfeldhelden aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg und deren Tradition betont, dass die guten Teile dieser Tradition bewahrt würden und dass die deutschen Soldaten das Handwerk des Krieges beherrschten sowie dass der deutsche Kommandeur im Feld das Konzept der Aufstandsbekämpfung jetzt verstanden habe, und hält die Bundesregierung - gegebenenfalls mit welcher Begründung - die Auffassung des US-Generals (ZDF-Interview, 29. August 2010) für richtig, dass die Bundeswehr auf Aktionen von zwei Einheiten der Bundeswehr - Task Force Kunduz - stolz sein kann, die gegen die Aufständischen mit beeindruckendem Erfolg in Baghlan und nach und nach auch in Kunduz durchgeführt werden? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Ströbele, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung teilt die Auffassung des COMISAF, dass die militärischen Führer und die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ihren Auftrag in Afghanistan unter schwierigen Bedingungen in hervorragender Weise bewältigen und wir daher zu Recht stolz auf sie sein können. (Beifall des Abg. Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]) Unsere Soldatinnen und Soldaten erfüllen ihren schwierigen Auftrag mit großer Entschlossenheit und mit persönlicher Tapferkeit. Sie stellen sich dabei mit Nachdruck dem Terror und allen anderen Einschüchterungsversuchen in den Weg, und sie helfen gemeinsam mit den afghanischen Partnern und den internationalen Verbündeten, die afghanische Bevölkerung zu schützen. Im Hinblick auf einen weiteren Punkt, den Sie angesprochen haben, möchte ich darauf hinweisen, dass die Haltung der Bundesregierung zur Traditionswürdigkeit bzw. - in Bezug auf die Tradition der Bundeswehr - Traditionsunwürdigkeit der Wehrmacht eindeutig ist. Die militärischen Leistungen der Wehrmacht können nicht von der politischen Zielsetzung des nationalsozialistischen Regimes getrennt werden, auch dann nicht, wenn diese Leistungen von ehemaligen Kriegsgegnern fallbezogen als beispielhaft hervorgehoben werden. Auf solche Leistungen können sich, ungeachtet ihrer militärfachlichen Bewertung, keine Traditionslinien zwischen Wehrmacht und Bundeswehr gründen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine Nachfrage, Herr Kollege Ströbele? Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke erst einmal, Herr Staatssekretär. Sie haben allerdings nur den ersten Teil meiner Frage beantwortet. Zu diesem ersten Teil will ich die erste Nachfrage stellen. Ihre Distanzierung von diesem Teil der Aussage, die General Petraeus in dem Interview getroffen hat, reicht mir nicht ganz. Er sprach von den deutschen Schlachtfeldhelden aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Dann fuhr er fort: Ich glaube, dass die guten Teile dieser Tradition bewahrt werden. - Das sagte er in Bezug auf die Aufstandsbekämpfung der Bundeswehrsoldaten in Afghanistan. Wäre es nicht angemessen, dass die Bundesregierung nicht nur die Erklärung abgibt, dass sie ihre Auffassung bekräftigt, wie Sie es gerade formuliert haben, sondern sich in diesem Zusammenhang auch vom Lob der deutschen "Helden" im Ersten und Zweiten Weltkrieg und von dieser Tradition klar distanziert und deutlich macht: "Das hat mit dem, was in Afghanistan getan wird, nichts zu tun; jedenfalls sollte es damit nichts zu tun haben"? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, ich denke, ich habe dazu das Notwendige gesagt. Die Bundesregierung kommentiert keine Interviews von Angehörigen der Streitkräfte anderer Nationen, auch dann nicht, wenn sie in militärisch wichtigen Funktionen und Positionen sind. Wenn man das Interview mit General Petraeus liest, stellt man fest, dass er sich im Kern auf die Strategie, die er in Afghanistan implementiert hat und anwendet, bezogen hat. Gegen die Anwendung der COIN-Strategie und die mit Begrifflichkeiten aus der Tierwelt und anderen Bereichen verbundene Sichtbarmachung dieser Strategie bestehen keine Einwände. Wir haben keine Veranlassung, das in irgendeiner Weise infrage zu stellen. Herr Kollege Ströbele, wollen wir einmal mit Herrn Petraeus nicht gar zu streng schulmeisterlich deutsch sein und nicht im Einzelnen auseinandernehmen, was er wie wo gemeint haben könnte. Er hat von den guten Teilen der Tradition gesprochen. Ich habe Ihnen gesagt, dass das nicht traditionsbegründend sein kann. Das ist aber kein Anlass für eine Regierungskontroverse, sondern unter kulturell gebildeten Menschen allenfalls eine Frage des Verständnisses von "gut". Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine weitere Nachfrage? - Bitte. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt komme ich auf den zweiten Teil meiner Frage, den Sie mir überhaupt nicht beantwortet haben. Dabei geht es darum, dass Herr Petraeus zwei Einheiten der Bundeswehr lobt. Er sagt, wir könnten stolz auf diese zwei Einheiten sein, weil sie Aktionen mit beeindruckendem Erfolg durchgeführt hätten. Ich habe die Bundesregierung gefragt, ob sie diese Auffassung teilt und, wenn ja, womit sie das Lob begründet, dass wir auf die Einheiten stolz sein können. Erstens. Welche Einheiten sind das? Zweitens. Was war denn dieser außerordentliche Erfolg, auf den wir stolz sein können? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Wenn ich die Aussage oder dieses Zitat aus einem Interview von General Petraeus einordnen soll, dann stelle ich fest, dass er damit ein Lob für die Umsetzung des sogenannten Partnering-Konzepts im Rahmen der Counter Insurgency - entschuldigen Sie den englischen Ausdruck -, also der Aufstandsbekämpfung, und der diesbezüglichen Strategie ausgesprochen hat. So wertet die Bundesregierung das. Das ist ein Lob, über das sie sich freut. Das Partnering wird in dieser Region in diesen Wochen implementiert. Partnering bedeutet aus unserer Sicht das gemeinsame Planen, Vorbereiten, Durchführen und Nachbereiten von Operationen, um die afghanischen Sicherheitskräfte schneller zur eigenständigen Aufgabenwahrnehmung zu befähigen. Das ist ein Lob - das hatte ich eingangs gesagt -, auf das sich der Stolz auf die Leistungen unserer Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan gründet. Ich habe dem nichts wegzunehmen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dann kommen wir zur Frage 38 des Kollegen Ströbele: Bestätigt die Bundesregierung, dass bei einer Zugriffsoperation im September 2009 im Norden Afghanistans ein Dutzend vermeintliche Aufständische von der Bundeswehr - Task Force 47 - festgenommen, in drei Hubschraubern ins PRT-Lager Kunduz gebracht, dort vom frühen Morgen bis nach 19 Uhr abends festgehalten, durch den Feldnachrichtendienst der Bundeswehr vernommen bzw. befragt und danach nach Kabul geflogen und an afghanische Stellen übergeben wurden, und wie vereinbart sie solche Festnahmen durch die Bundeswehr mit ihrer Antwort zu den Fragen 16 und 17 auf Bundestagsdrucksache 17/2884 vom 6. September 2010 in der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 16. August 2010 auf Bundestagsdrucksache 17/2757, wonach Angehörige der Task Force 47 keine Personen in Gewahrsam genommen haben? Herr Staatssekretär. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, die Frage 38 des Kollegen beantworte ich wie folgt: Die im ISAF-Regionalkommando Nord als Task Force 47 eingesetzten Spezialkräfte der Bundeswehr haben bisher keine regierungsfeindlichen Kräfte in Gewahrsam genommen. Insofern gehe ich auch auf die von Ihnen angesprochene potenzielle Diskrepanz bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen - ich glaube, sie war aus dem August dieses Jahres - ein: Diese Diskrepanz besteht nicht. Am 10. Oktober 2009 unterstützte die Task Force 47 afghanische Sicherheitskräfte bei der Durchsuchung eines Anwesens in der Provinz Kunduz, das mit Aktivitäten der regierungsfeindlichen Kräfte in Verbindung gebracht wurde. Bei dieser Durchsuchung wurden 15 verdächtige Personen durch die verantwortlichen Beamten der afghanischen Sicherheitskräfte in Gewahrsam genommen. Der Transport der Gewahrsamspersonen zur weiteren Personenüberprüfung nach Kunduz wurde durch die Task Force 47 unterstützt. Die anschließende Befragung der Gewahrsamspersonen erfolgte in Verantwortung der zuständigen afghanischen Sicherheitsbehörden. Die bei ISAF eingesetzten und von Ihnen angefragten Feldnachrichtenkräfte der Bundeswehr können im Rahmen ihres Auftrags zur Gewinnung von Informationen über die Lage, Fähigkeiten und Absichten der regierungsfeindlichen Kräfte an Befragungen von Personen im Gewahrsam von afghanischen Sicherheitsbehörden teilnehmen. Dies ist in diesem Falle auch geschehen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage, Herr Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine erste Nachfrage: Heißt das, dass in dem Lager in Kunduz - ich nehme an, das ist das Lager der Bundeswehr in Kunduz gewesen - diese 15 Personen festgehalten worden sind? Ist es auch zutreffend, dass sie den ganzen Tag dort waren und dass ständig Bewachungspersonal der afghanischen Armee anwesend gewesen ist, das heißt, dass sie in Gewahrsam der afghanischen Armee gewesen sind und dass Deutsche allenfalls in der Nähe oder dabei waren? Ist das so zu verstehen? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, zur genauen Örtlichkeit würde ich Ihnen gerne eine schriftliche Antwort geben; ich bin gegenwärtig nicht in der Lage, Ihnen dies genügend präzise zu sagen. Bei den festgenommenen 15 Personen wurde eine weitere Personenüberprüfung am gleichen Tage durchgeführt. Acht von ihnen sind aufgrund vorliegender Verdachtsmomente im Gewahrsam der zuständigen afghanischen Sicherheitsbehörden in Kunduz geblieben. Ich sage: "geblieben". Es mag eine Verlegung erfolgt sein. Aber ich bitte, wie gesagt, um Zustimmung, dass ich Ihnen das nachliefere. Der Umgang der Behörden mit diesen Gewahrsamspersonen erfolgte gemäß der nationalen Rechtsordnung Afghanistans. Die ressortübergreifend abgestimmten Grundsätze für die Befragung im Ausland Inhaftierter durch nachrichtengewinnende Einrichtungen des Bundes wurden gemäß den Anforderungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums vom 25. Januar 2006 diesem Gremium gegenüber berichtet. Demzufolge können neben den zuständigen Nachrichtendiensten MAD, also Militärischer Abschirmdienst, und Bundesnachrichtendienst grundsätzlich auch sogenannte Feldnachrichtenkräfte an der Befragung von Personen im Gewahrsam der Sicherheitsbehörden des Einsatzlandes teilnehmen. Um solch einen Vorgang hat es sich hier gehandelt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Weitere Nachfrage? Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. - Trifft es zu - das steht schon in der Frage; auch dazu haben Sie sich nicht konkret geäußert -, dass die Festgenommenen bzw. Festgehaltenen anschließend in Luftfahrzeugen der Bundeswehr nach Kabul überführt und dort an die afghanische Armee übergeben worden sind? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich hatte berichtet, dass die Task Force 47 und die Bundeswehr beim Transport unterstützend tätig gewesen sind. Ich muss noch einmal Bezug auf meine Bitte nehmen, die Örtlichkeiten - Kabul, Kunduz - nachliefern zu dürfen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Frage 39 der Kollegin Veronika Bellmann und die Fragen 40 und 41 der Kollegin Caren Marks werden schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Fragen 42 und 43 des Kollegen Harald Weinberg und die Frage 44 der Kollegin Dr. Martina Bunge werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer zur Verfügung. Ich rufe die Frage 45 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter auf: Wie ist der Stand der Vorbereitungen für die Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes, und wann ist nach aktuellem Stand mit einem entsprechenden Beschluss der Bundesregierung über einen Gesetzentwurf bzw. mit der Einbringung in den Deutschen Bundestag zu rechnen? Bitte schön. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Kollege Dr. Hofreiter, ich beantworte die Frage wie folgt: Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung arbeitet an einem Gesetzentwurf, mit dem unter anderem das Personenbeförderungsgesetz an die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 angepasst werden soll. Zurzeit finden intensive Beratungen mit den für die Ausführung des Personenbeförderungsgesetzes zuständigen Ländern statt. Ein genauer Zeitpunkt für die Vorlage des Regierungsentwurfs und die Behandlung im Kabinett kann noch nicht genannt werden. Ich füge hinzu, dass die beteiligten Verbände, wie Sie wissen, verschiedene Meinungen haben, die wir in diesen Prozess einbeziehen wollen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine Nachfrage, bitte schön. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mich würde in dem Zusammenhang insbesondere interessieren, ob es bereits Lösungen für das Problem des sogenannten ausschließlichen Rechts gibt. In der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 wird festgehalten, dass sie gilt, wenn eine Ausgleichsleistung und/oder ein ausschließliches Recht gewährt wird. Da geht es um die Linienverkehrsgenehmigung. Jetzt ist die Meinung vieler Beteiligter, die Sie gerade angesprochen haben, dass die Linienverkehrsgenehmigung nicht mehr als ausschließliches Recht angesehen wird. Die andere Seite aber sagt: Wenn die Linienverkehrsgenehmigung kein ausschließliches Recht mehr ist, dann können auf einer Linie mehrere fahren. - Das führt letztendlich zu Rosinenpickerei. Hat das Ministerium eine Idee, wie es mit der Problematik des ausschließlichen Rechts umzugehen gedenkt? Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Wir haben die Arbeitsgruppe mit den Ländern und den drei Verbänden, nämlich VDV, bdo und Städtetag, um diese Fragen zu klären. Diese sind äußerst komplex. Es gibt verschiedene Rechtsauffassungen an dieser Stelle, wie Sie richtig sagen. Deswegen sind wir sehr engagiert bei der Sache. Es liegt aber nicht am BMVBS, dass diese Ausarbeitung Zeit in Anspruch nimmt. Diese Rechtsfragen sind äußerst kompliziert. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine weitere Nachfrage, bitte. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben bereits erläutert, dass noch nicht absehbar ist, in welchem Zeitrahmen es zu einem Gesetzgebungsverfahren kommt. Die Verordnung (EG) Nr. 1370 ist bereits im letzten Jahr in Kraft getreten und direkt geltendes Recht. Nach fast übereinstimmender Auffassung widerspricht die Verordnung (EG) Nr. 1370 unserem bestehenden Personenbeförderungsgesetz. Deswegen muss es novelliert und angepasst werden. Gilt denn jetzt nach Ansicht der Bundesregierung das Personenbeförderungsgesetz oder die dem momentan gültigen Personenbeförderungsgesetz widersprechende Verordnung (EG) Nr. 1370, die am 3. Dezember 2009 in Kraft getreten ist? Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Nach unserer Auffassung kann die momentane Lage hingenommen werden, bis der Regierungsentwurf das parlamentarische Verfahren durchlaufen hat. Diese Meinung teilen auch die einbezogenen Länder und Verbände. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wir kommen zur Frage 46 des Kollegen Hofreiter: Aus welchem Grund hat die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag keinen Bericht zur Bearbeitung des besonderen naturschutzfachlichen Planungsauftrages für Straßenbauprojekte im Straßenbauplan vorgelegt, und wie will sie der Begründung zum Fünften Fernstraßenausbauänderungsgesetz entsprechen, in der gefordert wird, dass das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung dem Deutschen Bundestag so rechtzeitig berichtet, dass dieser das Ergebnis bei der Einstellung der Projekte in den Straßenbauplan als Anlage zum Bundeshaushalt berücksichtigen kann? Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege Dr. Hofreiter, eine Öko-Stern-Maßnahme wird grundsätzlich erst nach Vorliegen des Baurechts sowie der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen in den Entwurf des Straßenbauplans als Anlage zum Haushaltsentwurf der Bundesregierung aufgenommen. Hierdurch erhält das Parlament entsprechend der Begründung des Fünften Fernstraßenausbauänderungsgesetzes rechtzeitig vor Verabschiedung des Haushaltsgesetzes die Gelegenheit, sich über die Abarbeitung des besonderen naturschutzfachlichen Planungsauftrags zu informieren. Zu diesem Zweck werden die Erläuterungen im Straßenbauplan sinngemäß wie folgt ergänzt - ich zitie-re -: Maßnahmen des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen mit rechtlich umfassend abgearbeitetem, besonderem naturschutzfachlichen Planungsauftrag sind mit Stern gekennzeichnet. Nur in Ausnahmefällen können Öko-Stern-Maßnahmen nachträglich in den Straßenbauplan aufgenommen werden. Der Deutsche Bundestag wird in diesen Fällen vor der nachträglichen Einstellung mit einer entsprechenden Begründung über die Abarbeitung des besonderen naturschutzfachlichen Planungsauftrags in Kenntnis gesetzt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine Nachfrage, Herr Hofreiter. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Der mit dem Öko-Sternchen verbundene besondere naturschutzrechtliche Planungsauftrag sollte nach der Begründung im Gesetz so ausgearbeitet werden, dass zu den einzelnen Maßnahmen dem zuständigen Ausschuss jeweils ein Bericht über die Abarbeitung vorgelegt wird. Dass ein solches Projekt selbstverständlich erst bei Vorliegen des Baurechts usw. aufgenommen wird, ist klar. Das gilt für alle Projekte des Bundesverkehrswegeplans bzw. des Fernstraßenausbaugesetzes. Meine konkrete Nachfrage: Werden diese Berichte - keinen einzigen von ihnen habe ich in der letzten Haushaltsberatung gesehen - in künftigen Haushaltsberatungen vorgelegt, ja oder nein? Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Kollege Dr. Hofreiter, zur Erlangung von Baurecht haben wir, wie Sie wissen, ein sehr intensives Verfahren. Bei Vorhaben, die mit einem Öko-Stern gekennzeichnet sind, sind die Umweltrisikoeinschätzung und die FFH-Verträglichkeitsabschätzung abzuarbeiten. Auf diese Sachverhalte wird bis zur Erlangung von Baurecht ohnehin sehr offen, in einem transparenten Verfahren, hingewiesen. An diesem Verfahren können auch die Bürgerinnen und Bürger teilnehmen. Durch die Auftragsverwaltungen der Länder haben wir bis zur Erlangung von Baurecht ohnehin die Möglichkeit, darüber eine Diskussion zu führen. Daher existiert in diesem Verfahren schon eine Art Bericht. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine weitere Nachfrage. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Frage bezog sich nicht auf den in unserem Verwaltungsrecht vorgesehenen Ablauf, also auf das Linienfindungsverfahren, die Bauplanfeststellung, die Erlangung von Baurecht usw. Das findet bei allen Projekten statt. Bei den Projekten mit einem besonderen naturschutzfachlichen Planungsauftrag ist vorgesehen, dass - nur zu diesen Projekten - ein gesonderter Bericht darüber, wie der naturschutzfachliche Planungsauftrag abgearbeitet wurde, an den Ausschuss geliefert wird. Gedacht war, dass der Ausschuss aufgrund dieser Projektberichte - es geht nur um diese Projekte; es geht nicht um all die anderen Projekte; Sie haben das Verfahren korrekt dargestellt - entscheiden sollte. Die Frage ist: Wann bekommen wir diese Berichte? Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Dr. Hofreiter, das rechtliche Verfahren zur Erlangung des Baurechts ist ja dadurch gekennzeichnet, dass dann, wenn die naturschutzfachliche Relevanz abgearbeitet ist und alle Bedenken ausgeräumt worden sind, Baurecht erwirkt wird. Das heißt, es gibt dann ohnehin das Recht zur Umsetzung des Projektes. Daher verstehe ich Ihren Hinweis nicht, wenn Sie sagen, Sie wollen schon vorher eingebunden werden. Bevor das Baurecht erlangt werden kann, gibt es ohnehin ein rechtsstaatliches Verfahren, das alle Bedenken ausräumen und offenlegen soll. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank. - Frau Herlitzius, Sie haben das Wort zu einer weiteren Nachfrage. Bitte schön. Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, da muss ich einmal nachfragen. Wir wissen, dass in den normalen Planverfahren - von der Linienbestimmung bis zur Erlangung von Baurecht - die naturschutzfachlichen Belange ganz klar geprüft werden; das hat mein Kollege Toni Hofreiter ja gerade gesagt, und Sie haben es auch bestätigt. Uns ging es aber damals, bei der Festlegung der naturfachlichen Vorprüfung für Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans, darum, dem etwas voranzustellen, damit die Straßen, die in besonders sensiblen Naturbereichen geplant sind, dann nicht Teil des Verfahrens werden, wenn man keine Sicherheit darüber hat, dass die naturschutzfachlich kritischen Bereiche geschützt werden können. Das heißt, es müssen eine vorgelagerte Prüfung und eine Berichterstattung bei den Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans stattfinden; sonst ist das Ganze eigentlich eine Nullnummer. Das normale naturschutzfachliche Prüfungsverfahren gibt es ja sowieso. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin Herlitzius, Ihre Forderung, für ein doppeltes Berichtsverfahren zu sorgen, ist eigentlich an den Haaren herbeigezogen; schließlich gibt es ohnehin ein Verfahren zur Erlangung des Baurechts. Wenn wir den Straßenbauplan aufstellen, ist uns als Fachpolitikern klar, welche Straßen und Projekte naturschutzfachlich besonders relevant sind. Auch Sie und Ihre Fraktion nutzen die Gelegenheit, durch Fragen an das Ministerium weitere Informationen über Einzelprojekte zu bekommen. Wir geben also ohnehin Auskunft über naturschutzfachlich relevante Projekte. Aufgrund Ihrer Anfragen wird Ihnen aus der Auftragsverwaltung und aus dem BMVBS ja auch berichtet. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt, wir müssen gezielt nachfragen, dann bekommen wir die Berichte!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Frage ist beantwortet. Die Frage 47 der Kollegin Veronika Bellmann, die Frage 48 des Kollegen Dr. Wilhelm Priesmeier und die Frage 49 des Kollegen Heinz Paula werden schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zu einer Reihe von Fragen, die sich mit der energetischen Gebäudesanierung befassen. Zunächst Frage 50 des Kollegen Dr. Hermann Ott: Welche Energiestandards sollen Neubauten und Sanierungen im Bestand ab 2011 und darüber hinaus nach den Planungen der Bundesregierung zu einer Vorbildfunktion bei der Reduzierung des Energieverbrauchs konkret erfüllen? Bitte schön. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Speziell für Bauvorhaben des Bundes sollen bereits jetzt die jeweiligen EnEV-Anforderungen unterschritten werden, soweit dies wirtschaftlich vertretbar ist. Das Energiekonzept der Bundesregierung vom 28. September 2010 betont die Bedeutung der Vorbildfunktion der Bundesgebäude bei der Reduzierung des Energieverbrauchs. Weiterhin wird mit dem Europarechtsanpassungsgesetz Erneuerbare Energien, mit dem die Richtlinie 2009/28/EG in deutsches Recht umgesetzt wird, eine Vorbildfunktion öffentlicher Gebäude für den Einsatz erneuerbarer Energien festgeschrieben. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage. Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. - Wir hatten nach den konkreten Planungen der Bundesregierung gefragt. Ihr Kollege Jan Mücke hat ja zum Beispiel vorgeschlagen, den Mittelansatz des Gebäudesanierungsprogramms der KfW Bankengruppe auf ungefähr 3 Milliarden Euro zu erhöhen. Das wäre ja vielleicht eine Möglichkeit. Ganz spezifisch gefragt: Wie wollen Sie denn, wenn Ihr Haus die Förderung für energetische Sanierungen so massiv zurückfährt, wie das jetzt im Haushaltsentwurf für das nächste Jahr geplant ist, eine Quote von mindestens 2 Prozent, besser noch 3 Prozent der Erneuerung im Bestand erreichen? So viel wäre ja notwendig, um die Klimaziele Ihrer Regierung zu erreichen. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege Dr. Ott, Ihre Kollegin Herlitzius, die hinter Ihnen sitzt, lächelt schon, weil sie eine ähnliche Frage zum Thema gestellt hat. Faktisch gilt jetzt auch für das für die Bundesbauten zuständige BMVBS der Beschluss vom 28. September. Ich selber bin wie meine Staatssekretärskollegen sehr viel unterwegs und stoße dabei viele energetische Sanierungsvorhaben in höchster Qualität an, auch aus dem Konjunkturpaket. Sie können gerne eine Liste haben, aus der hervorgeht, wie viele Mittel aus dem Konjunkturpaket beispielsweise in die energetische Sanierung fließen und welche Standards wir haben. Ich könnte konkrete Maßnahmen nennen, die auch als Innovationstreiber für den Standort Deutschland wichtig sind. Im Zuge der Haushaltsberatungen greifen wir das Thema im weiteren parlamentarischen Verfahren noch einmal neu auf und beschließen in ein paar Wochen hier im Plenum den Haushalt. Wir begleiten diesen Prozess der konkreten Ausformulierung der Energieziele zusammen mit den Partnerhäusern, die sich auch mit diesem Thema befassen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zweite Nachfrage. Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Noch einmal nachgefragt: Mit welchen Prozentsätzen planen Sie denn bei der Erneuerung im Bestand? Wir wissen, wie wichtig Maßnahmen im Altbestand für die Erreichung der Klimaziele sind. Es gibt ja Gebäude, die noch 30 Liter pro Quadratmeter brauchen. Möglich wären 5 bis 6 Liter nach einer Sanierung. Da der Gebäudebestand 30 Prozent unserer klimawirksamen Emissionen ausmacht, könnte das einen wirklich sehr großen Einfluss haben. Welche Planungen hat Ihr Haus? In welchen Raten soll sich der Bestand an sanierten Gebäuden tatsächlich erhöhen? Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sie haben ja gefragt, inwieweit wir für eine Vorbildfunktion der Bundesbauten sorgen. Die konkreten Projekte der energetischen Sanierung, die im Titel der Bundesbauten enthalten sind, werden abgearbeitet. Das sind zum Teil sehr schwierige Bauten, die sehr viel Geld binden. Deshalb wollen wir mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln diese möglichst schnell fertigstellen und somit der Vorbildfunktion der Bundesregierung gerecht werden. Wir sind täglich unterwegs, um Schecks auszureichen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wir haben eine weitere Frage, diesmal von der Kollegin Dorothée Menzner. Dorothée Menzner (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, noch einmal die konkrete Nachfrage: Bei Neubauten ist der Passivhausstandard ja inzwischen durchaus üblich. Sie haben eben auch ausgeführt, welche Vorbildfunktion die Bundesbehörden wahrnehmen. Wie hoch ist der Anteil der Gebäude an den Neubauten des Bundes, die in Passivbauweise ausgeführt werden, bzw. der Anteil derer, die in Planung sind? Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin, diese Zahlen würde ich Ihnen gerne nachreichen, wenn Sie erlauben. Damit hätten Sie dann einen Überblick über die Bundesbauten. Fakt ist, dass wir nicht nur im Bereich der Passivhäuser Überlegungen anstellen, sondern vor allem auch im Bereich Wohnen und Bauen. Wir überlegen, wie Plusenergiestandards als Innovation für die Bürgerinnen und Bürger realisiert werden können, damit man es vor Ort erfahren kann und damit man dieses Thema auch mit Elektromobilität verbindet. An dieser Stelle sind wir sehr erfinderisch und sehr kreativ und wollen deutsche Innovationen auch ins Ausland bringen. Dabei werden wir die Vorbildfunktion ausüben, Herr Kollege Dr. Ott. Wir sorgen nicht nur für sehr gute Standards bei Bundesbauten, sondern geben auch Privatleuten eine Handreichung, wie sie im Bereich von Passivhäusern und Plushäusern agieren können. Die Zahlen reiche ich Ihnen nach. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wir haben jetzt eine Frage der Kollegin Ingrid Nestle. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe noch eine Nachfrage zu den Energiestandards. Die EU-Gebäuderichtlinie sieht vor, dass ab 2020 nur noch Nullenergiehäuser gebaut werden sollen. Werden Sie diese Forderungen schon in der EnEV 2012 umsetzen? Wenn nein, warum nicht? Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel werden wir möglichst weit gehen und - wenn ich bei der Begrifflichkeit von Herrn Dr. Ott bleiben darf - die Vorbildfunktion der Bundesregierung so umsetzen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Jetzt hat die Kollegin Bettina Herlitzius eine weitere Frage. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Die hätte dann auch die nächste Frage. Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sind aber gerade bei den Energiestandards. Insofern passt das jetzt etwas besser. Ich hätte gerne eine Information zu den Konjunkturprogrammen. Sie haben das heute Morgen im Ausschuss schon erwähnt und jetzt wieder. Diese Programme konzentrieren sich natürlich schwerpunktmäßig auf die öffentliche Infrastruktur. Mithilfe dieser Programme wurden Straßen gebaut, aber auch viele Schulen sind saniert worden. Worum es uns bei der KfW-Gebäudesanierung geht, ist der private Hausbesitzer, der Wohnungen vermietet oder auch selbst nutzt und der dringend Unterstützung braucht. Minister Brüderle hat vorhin so schön gesagt, er wolle keinen Zwang zur Sanierung. Dabei hat er aber vergessen, dass es einen Zwang für die Mieter gibt, die die hohen Nebenkosten bezahlen müssen. Diese können nicht daran vorbei. Insofern muss man eine Lösung finden, um beiden Interessen gerecht zu werden. Sie haben gerade die Frage meiner Kollegin bezogen auf Neubaustandards beantwortet. Ich frage Sie, wie Sie sich Standards für den Altbaubestand vorstellen. Auch in diesem Bereich muss etwas passieren, damit wir die Ziele für die Gebäude erreichen können. Die Heizverordnung sieht vor, dass Heizkessel ausgetauscht werden. Das ist auch passiert. Es gab ganz eindeutig einen Zwang hierzu. Es gab dafür einen großen Zeitraum; es gab große Umsetzungsmöglichkeiten. Dann sind aber alle Heizungen in Gebäuden ausgetauscht worden. Diese Möglichkeiten müssen wir auch weiterhin eröffnen; denn ohne einen gewissen Zwang gekoppelt mit einer Förderung wird nichts passieren. Genau das sehen wir bei dieser Regierung im Moment aber nicht. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin Herlitzius, wir haben das Energiekonzept mit Bundesminister Brüderle und Bundesminister Röttgen intensiv diskutiert. Diese Regierung steht für Anreize und freie Entscheidungen, aber nicht für Zwang. Es sollen Anreize für eine energetische Sanierung für die Bürgerinnen und Bürger geschaffen werden. Wenn Sie sich die Zahlen und die Programme anschauen, dann stellen Sie fest, dass das in der Vergangenheit hervorragend funktioniert hat. Es bestehen Anreize für Privateigentümer, aber auch für große Wohnungsbaugesellschaften, energetische Sanierungen durchzuführen. Das ist ein Erfolgsmodell. Daher steht diese Regierung nicht für zwanghafte Maßnahmen, sondern für Anreize und freie Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürger. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank. Wir kommen zu Frage 51 der Kollegin Bettina Herlitzius: Mit welchen Mitteln will die Bundesregierung in Anbetracht der Reduzierung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms die Sanierungsquote wie angekündigt auf 2 Prozent steigern und auf diesem Niveau halten? Bitte schön. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Wie schon gesagt: Am 28. September wurde vom Bundeskabinett das Energiekonzept beschlossen. Dieses sieht ein Bündel von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Realisierung einer deutlich höheren Sanierungsquote im Gebäudebereich vor. Dazu gehört die finanzielle Förderung unter anderem mit Mitteln des CO2-Gebäudesanierungsprogramms und des Marktanreizprogramms zur Förderung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt. Den Orientierungsrahmen setzt dabei ein langfristiger Sanierungsfahrplan für Gebäude. Weitere Maßnahmen sind die Entwicklung und Förderung des Marktes für Energiedienstleistungen, eine qualifizierte Information und Beratung privater Verbraucher sowie die Stärkung der Energieausweise zur Erhöhung der Transparenz über den Energiebedarf von Gebäuden. Verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen, wie etwa im Mietrecht, für energetische Sanierungen oder aber die Schaffung eines einheitlichen rechtlichen Rahmens für Wärmeliefercontracting können ebenso einen Beitrag zur Verdopplung der Sanierungsquote leisten. Das bezieht sich auch auf die Frage, die Sie vorher gestellt haben. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage, Frau Kollegin Herlitzius? Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dann kommen wir zur Frage 52 der Kollegin Herlitzius: Wie wurden die Kosten in Höhe von 2 bis 2,4 Billionen Euro für die Sanierung aller Wohngebäude auf den Nullemissionsstandard bis 2050 berechnet, von denen das BMVBS nach einem Artikel der Zeitschrift Der Spiegel vom 13. September 2010 ausgeht, und wurden dabei auch die Kosten für die Gebäudeinstandhaltung eingerechnet? Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: In Deutschland gibt es derzeit rund 18 Millionen Wohngebäude mit rund 40 Millionen Wohnungen. Die durchschnittliche Wohnfläche je Wohnung beträgt 86 Quadratmeter. Damit ergibt sich eine Gesamtwohnfläche von rund 3,4 Milliarden Quadratmetern. Nullemissionsstandard bedeutet, dass hierfür ein bau- und anlagentechnisches Niveau erreicht werden muss, das energetisch noch deutlich anspruchsvoller ist als das derzeit anspruchsvollste von der KfW geförderte Sanierungsniveau. Die spezifischen Kosten für einen solchen Standard hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, ausgehend vom heutigen Sanierungstechnologiestandard und von den heutigen Kosten, grob auf 500 bis 700 Euro pro Quadratmeter geschätzt. Damit würden energetische Gesamtkosten in Höhe von 2 bis 2,4 Billionen Euro verursacht werden. Kosten für die Instandhaltung wie auch die kostenmindernden Effekte durch eine parallele Durchführung von energetischen Sanierungsmaßnahmen zusammen mit ohnehin anstehenden Instandsetzungen sind dabei nicht berücksichtigt. Es gibt natürlich inzwischen verschiedene Gutachten. Aber das Bundesministerium hat diese Berechnung auf der Basis der Gesamtquadratmeterzahlen vorgenommen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage? Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. - Was bezwecken Sie mit diesen Zahlen, die gerade für Hausbesitzer sehr erschreckend sind? Die Darstellung von Millionensummen, die bei der Sanierung anfallen, und zwar bei einem Zeithorizont bis 2050, ist im Moment nicht zielführend. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass wir die Gebäudebesitzer mitnehmen. Deswegen frage ich Sie: Was ist in dieser Hinsicht Ihre Strategie? Wie wollen Sie die Häuslebesitzer, die Eigentümer, zur Sanierung bewegen, wenn Sie sie mit solchen Zahlen erschlagen? Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin Herlitzius, Sie haben nach den Zahlen gefragt, die das BMVBS berechnet hat. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die Zahlen veröffentlicht! Wir haben nur nachgefragt!) Ich habe nur, um für größtmögliche Transparenz zu sorgen, Ihre Frage beantwortet, wie die Zahlen zustande gekommen sind. In der Antwort auf die Frage 50 habe ich das Maßnahmenpaket der Bundesregierung in Bezug auf Sanierungen dargestellt. Durch die Antworten auf die Fragen 50 und 51 müsste ein guter Überblick gegeben worden sein. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Weitere Nachfrage? Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. - Meine Nachfrage bezog sich natürlich darauf, dass es einen generellen Investitionsbedarf bei Immobilien gibt, zum Beispiel auch mit Blick auf Barrierefreiheit oder Modernisierung. Nicht alles, was heute investiert werden muss, bezieht sich nur auf die energetische Sanierung. Man kann Ihre Zahlen aber so lesen, als beträfen sie nur die energetische Sanierung. Deswegen die Nachfrage: Wie wollen Sie Ihre Ziele erreichen? Das ist nach wie vor nicht erkennbar. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin Herlitzius, ich glaube, dass alle Fraktionen im Deutschen Bundestag den Bedarf bei den genannten 40 Millionen Wohnungen sehen; nur so kommen wir bei der Sanierung unserer Wohngebäude gemeinsam weiter. Über die Strategie werden wir weitgehend streiten; das ist klar. Aber im Energiekonzept und in den verschiedenen Sanierungsprogrammen sind die Anreize gesetzt. Die Erfolgsgeschichte der Sanierungsprogramme können Sie auch daran erkennen, dass wir von der Finanzlinie etwas heruntergegangen sind, weil die Töpfe von den Privaten und den Wohnungsbaugesellschaften in Rekordzeit ausgeschöpft worden sind. Wir haben uns jetzt geeinigt, das Paket um die 500 Millionen Euro zu erweitern, um dem Bedarf Rechnung zu tragen. Wenn Sie sehen, wie schnell und gut die Programme vor Ort ankommen, können Sie feststellen, dass die Strategie der Bundesregierung, die Sanierungen mit einem Bündel von Maßnahmen über Anreizsysteme und nicht über Zwang zu forcieren, genau die richtige ist. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine weitere Nachfrage der Kollegin Ingrid Nestle. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank. - Ich habe eine konkrete Nachfrage: Sind in Ihren Berechnungen nur die Mehrkosten für die energetische Sanierung enthalten oder auch die Kosten für diejenigen Sanierungen, die im Zeitraum bis 2050 sowieso durchgeführt werden müssen? Ich frage dies vor dem Hintergrund, dass mir für die Kosten der energetischen Sanierung eine sehr viel niedrigere Zahl bekannt ist - nämlich 400 Milliarden Euro -, die, so glaube ich, auf das Institut für Wohnen und Umwelt zurückgeht. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Auf der Grundlage der derzeit bekannten Sanierungstechnologien habe ich vorhin die Gesamtkosten der energetischen Sanierung mit 2 bis 2,4 Billionen Euro beziffert. Ich sage aber dazu, dass es unterschiedliche Gutachten gibt. Unter dem Strich können wir fraktionsübergreifend feststellen, dass es absolut gesehen einen Sanierungsbedarf gibt. Dieser Tatsache trägt die Bundesregierung Rechnung, indem sie intelligente Sanierungsprogramme aufstellt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Fragen 53 und 54 der Kollegin Daniela Wagner werden schriftlich beantwortet. Wir kommen nun - es handelt sich um den gleichen Themenbereich - zur Frage 55 der Kollegin Ingrid Nestle: Wie will die Bundesregierung ohne den Nullemissionsstandard im Gebäudebestand sicherstellen, dass der gesamte Gebäudebestand bis 2050 80 Prozent weniger klimaschädigendes Kohlendioxid als heute verbraucht? Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Bei dieser Frage geht es um den Nullemissionsstandard im Gebäudebestand, der vorhin schon Gegenstand einer Ihrer Nachfragen war, Frau Kollegin. Im Gebäudebestand stellt die Bundesregierung wirtschaftliche Anreize in den Mittelpunkt ihrer Politik. Der langfristige Sanierungsfahrplan hin zum klimaneutralen Gebäudebestand soll den Hauseigentümern einen verlässlichen Orientierungsrahmen für Investitionen geben. Sanierungszwang ist mit dieser Regierung nicht zu machen. Wir setzen auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit und unterstützen im Übrigen weitere Maßnahmen mit einer wirksamen staatlichen Förderpolitik. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Danke schön. - Nachfrage? Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn Sie Zwang kategorisch ausschließen und wenn es sowieso keinerlei Standards zu beachten gilt, frage ich, warum wir dann noch verlässliche Rahmenbedingungen für Hausbesitzer brauchen. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich habe nicht davon gesprochen, dass es keine Standards gibt, sondern davon, dass die Maßnahmen auf Investitionsanreize und nicht auf Zwang basieren. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Weitere Nachfrage? Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie merken aufgrund der vielen Nachfragen zu diesem Punkt, wie sehr uns dieses Thema auf den Nägeln brennt. Einmal überspitzt gefragt: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie nur fördern und nicht fordern wollen, dass Sie also in diesem Bereich nur öffentliche Gelder einsetzen wollen? Sie haben zwar gesagt, Sie würden Standards setzen. Aber dann haben Sie davon gesprochen, Sie wollten nur mit investiven Anreizen arbeiten. Ich habe es an dieser Stelle noch nicht richtig verstanden: Setzen Sie im Altbaubereich nun Standards - ja oder nein? Wenn Sie Zwang komplett ablehnen, müssten Sie dann nicht eigentlich auch die Vorschrift ablehnen - denn auch das ist ein Zwang -, dass der Schornsteinfeger in regelmäßigen Abständen kommen muss? Sie können doch nicht generell jeglichen Zwang in diesem Bereich ablehnen. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich habe vorher von den Standards gesprochen. Diese Programme beinhalten natürlich gewisse Regeln, die beachtet werden müssen, damit die Gelder abgerufen werden können. Das verstehe ich unter den Anforderungen, die es für solche Programme gibt. Ich möchte an dieser Stelle hinzufügen, dass bis dato die Sanierungsprogramme sehr gut gelaufen sind, und ich möchte den investitionswilligen Eigentümern von Wohnungen und Häusern meinen Dank dafür aussprechen, dass sie diese Programme so zahlreich nachgefragt haben. Das zeigt, dass diese Strategie erfolgreich ist. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine weitere Nachfrage der Kollegin Dorothée Menzner. Dorothée Menzner (DIE LINKE): Danke. - Herr Staatssekretär Scheuer, es gibt ja auch einen umfänglichen Gebäudebestand des Bundes. Wie groß ist der Anteil der Gebäude im Besitz des Bundes, die nach einem Umbau den Nullemissionsstandard erfüllen oder bei denen diese Maßnahme in der konkreten Planung oder Umsetzung ist? Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin Menzner, wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie ein paar Fragen zuvor Ähnliches gefragt. (Dorothée Menzner [DIE LINKE]: Da ging es um Neubauten! Jetzt geht es um den Bestand!) Ich bitte darum, an dieser Stelle die konkreten Zahlen nachreichen zu dürfen, die die Vorbildfunktion der Bundesregierung, was die Bundesbauten angeht, unterstreichen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 56 des Kollegen Friedrich Ostendorff: Wie beurteilt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geplanten Maßnahmen zur Einhaltung des NH3-Grenzwertes von 550 kt NH3 ab 2010 gemäß der NEC-Richtlinie? Bitte schön, Frau Staatssekretärin. Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Kollege Ostendorff, diese Frage folgt quasi der Frage, die Sie vorhin meiner Kollegin Julia Klöckner aus dem Landwirtschaftsministerium gestellt haben. Ich kann Ihnen sagen, dass unsere Antworten identisch sind; wir gehen in dieser Frage Seit' an Seit'. Wir haben Ihnen bereits in der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom August dieses Jahres sehr ausführlich dargelegt, dass die Bewertung der genannten möglichen Maßnahmen im Hinblick auf die Notwendigkeit einer zusätzlichen Emissionsminderung, das Emissionsminderungspotenzial der einzelnen Maßnahmen, die rechtlichen Möglichkeiten der Implementierung und die kurzfristige Umsetzbarkeit sowie die Minderungskosten noch nicht abgeschlossen ist. Wie wir in der Antwort auf die Kleine Anfrage ebenfalls angesprochen haben, hat dies damit zu tun, dass wir zurzeit unsere Emissionsprognosen zwar regelmäßig anpassen und überprüfen, aber die Emissionsprognose für das Jahr 2010 auf Basis der vorhandenen Datenlage aus dem Jahr 2009 erst Anfang Dezember dieses Jahres zur Verfügung stehen wird. Anschließend werden wir sie natürlich an die Europäische Kommission übermitteln. Selbstverständlich zielt dieses Programm darauf - ich glaube, hier sind wir gar nicht auseinander -, die Emissionshöchstmengen ab dem genannten vorgegebenen Termin einzuhalten. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine Nachfrage? Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schönen Dank, geschätzte Kollegin Ulla Heinen. Wir haben es hier natürlich mit demselben Themenkomplex zu tun wie eben im Fachbereich Ernährung und Landwirtschaft. Aber das Bundesumweltministerium ist hier fachlich zuständig. Adressat der Rüge oder des Briefes der EU-Kommission - wie auch immer man es nennen will - ist das Bundesumweltministerium. Bis Ende September mussten Maßnahmen nach Brüssel gemeldet werden. Wir haben bisher keine Kenntnis, was die Bundesregierung gemeldet hat, was sie aktiv tun will, damit die Ammoniakgrenzwerte in der Zukunft eingehalten und nicht wie in diesem Jahr wieder um 11 Prozent überschritten werden. Wir fragen natürlich vor dem Hintergrund, dass wir aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium immer wieder hören, man wolle mehr Fleisch erzeugen. Fleisch ist eine wichtige Eintragsquelle für Ammoniakemissionen. In Deutschland sind circa 900 Ställe in Beantragung; wenn wir dies auf Hähnchen umlegen, könnten im Jahr ungefähr 200 Millionen Hähnchen mehr in diesen Ställen gehalten werden. Angesichts dessen fragen wir uns als Oppositionspartei, wie man die Richtlinien, die heute schon überschritten werden, in Zukunft einhalten will, wenn die wesentliche Eintragsquelle, die landwirtschaftliche Fleischproduktion, noch so stark ausgedehnt werden wird. Da muss ich doch das Bundesumweltministerium fragen, was Sie denn nun zusammen mit den Ländern - sie sind hier gefordert - tun wollen und was Sie ihnen an Hausaufgaben aufgegeben haben. Es wäre für uns wichtig, zu erfahren, was hier im Einzelnen angemahnt wird. Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Das war jetzt gleich eine ganze Fülle von Fragen und Anmerkungen. Lassen Sie mich eines voranstellen: Sie haben recht, das Bundesumweltministerium ist in der Tat für die Umsetzung der Richtlinie zuständig. Aber Sie haben vorhin bei Ihrer Frage an die Kollegin Klöckner sehr wohl auch selber formuliert, dass der größte Teil der Ammoniakemissionen von der Landwirtschaft verantwortet wird. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 90 Prozent!) Sie sind selber Landwirt und wissen, woher der Ammoniak kommt. Das hat nicht nur etwas mit der Fleischproduktion oder den Schweinen zu tun, sondern natürlich auch mit dem gesamten Bereich der Düngung etc. Zu dem Schreiben der Europäischen Kommission: Es gab eine Anfrage an uns, die wir in den nächsten Tagen beantworten werden. Ich bitte Sie, Ihr Augenmerk auf die Antwort auf Frage 4 Ihrer Kleinen Anfrage zu richten. Darin steht, dass es eine Anfrage der Kommission gibt, in der wir aufgefordert wurden, "Angaben über jegliche Aktualisierung des Nationalen Programms sowie über ergriffene und/oder vorgesehene Maßnahmen vorzulegen, die die Einhaltung der Nationalen Emissionshöchstwerte bis 2010 und darüber hinaus gewährleisten sollen". Wir befinden uns in der Revision der Prognose zu den tatsächlichen Emissionsmengen in Deutschland; sie wird erst Anfang Dezember vorliegen. Natürlich wird auch zu prüfen sein, ob wir bestimmte Maßnahmen kurzfristig umsetzen, beispielsweise im Hinblick auf die Aktualisierung und Verbesserung der Emissionsinventare oder Ähnliches; auch das ist schon in der Kleinen Anfrage angesprochen worden. Wir werden unter Berücksichtigung der Umsetzungsmöglichkeiten und in enger Abstimmung mit dem Landwirtschaftsministerium darüber entscheiden. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine zweite Nachfrage? - Bitte schön. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eine kurze Nachfrage: Beinhaltet das auch, dass Sie darüber nachdenken, endlich eine Verschärfung der Düngeverordnung vorzunehmen? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich warte jetzt erst einmal relativ gelassen ab, welche Werte sich ergeben. Dann werden wir prüfen, welche Stellschrauben es gibt, beispielsweise bei der Düngeverordnung. Es kann sich aber auch um schlichtere Maßnahmen handeln, beispielsweise um die Abdeckung von Schweinegüllelagern. Wir werden gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium darüber diskutieren und nehmen natürlich auch Ihre Hinweise, die Sie uns als Kenner der Materie geben, gerne entgegen. Wie gesagt: Lassen Sie uns jetzt Zeit, um uns die tatsächlichen Emissionen genau anzuschauen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank. - Die Frage 57 des Kollegen Hans-Josef Fell, die Frage 58 der Kollegin Dorothea Steiner und die Frage 59 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet. Wir kommen dann zur Frage 60 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl: Welche Auswirkungen hat eine verzögerte Inbetriebnahme des Endlagers Schacht Konrad - zum Beispiel im Jahr 2019 - in Verbindung mit den geplanten Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke für die Kapazitäten der AKW-Standort-Zwischenlager, und wie hoch - bitte möglichst exakte Darlegung - ist der Einsatz von Kernbrennstoffen pro Megawattstunde Bruttostromerzeugung in den deutschen AKW? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herzlichen Dank, Herr Präsident. - An dieser und der vorherigen Frage erkennt man die Bandbreite der Komplexe, die das Bundesumweltministerium bearbeitet. Wir haben das Bundesamt für Strahlenschutz beauftragt, den Terminplan so zu überarbeiten, dass wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die Ablaufpläne für die Errichtung des Endlagers zu optimieren. Ziel ist es, im Endlager Schacht Konrad so zügig wie möglich mit der Einlagerung der radioaktiven Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung zu beginnen. Durch die Laufzeitverlängerung werden in den Kernkraftwerken in Deutschland insgesamt über 10 000 Kubikmeter radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung zusätzlich anfallen, die im Endlager Schacht Konrad gelagert werden sollen. Weiterhin werden durch die Laufzeitverlängerung insgesamt 4 400 Tonnen Schwermetall in Form von bestrahlten Brennelementen zusätzlich anfallen, die allerdings an den Standorten zwischengelagert werden; denn es liegt keine Genehmigung für eine Endlagerung dieser wärmeentwickelnden bestrahlten Brennelemente im Endlager Schacht Konrad vor. Wechselwirkungen zwischen dem Beginn der Einlagerung im Endlager Schacht Konrad und der Lagerung der bestrahlten Brennelemente an den Standorten der Kernkraftwerke bestehen grundsätzlich nur dort, wo Bereiche von Standort-Zwischenlagern für die Transportbereitstellung von radioaktiven Abfällen für das Endlager Schacht Konrad verwendet werden. Die Wahrscheinlichkeit von dadurch verursachten Engpässen bei der Entsorgung der bestrahlten Kernbrennstoffe kann abschließend erst bewertet werden, wenn feststeht, ob es bei der Inbetriebnahme des Endlagers Schacht Konrad zu wesentlichen Verzögerungen kommt, mit welcher Auslastung die betroffenen Kernkraftwerke in den nächsten Jahren betrieben werden und in welchem Umfang die einzelnen Anlagen die Konditionierung der Abfälle für das Endlager Schacht Konrad betreiben. Die Menge des erzeugten Stroms pro Masseneinheit des Kernbrennstoffs hängt vom Abbrand und damit indirekt auch von der Anfangsanreicherung ab. Bei den heute üblichen Abbränden beträgt die benötigte Kernbrennstoffmenge pro Megawattstunde etwa 2,7 Gramm. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine Nachfrage? - Bitte, Frau Kotting-Uhl. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön, Herr Präsident. - Danke schön, Frau Staatssekretärin, für die ausführliche Antwort. Es hatte sich ein Fehler in meine schriftliche Frage eingeschlichen. Wir haben versucht, den Fehler zu berichtigen; aber das Ministerium hat es zurückgewiesen, die berichtigte Frage aufzunehmen. Wenn es auf der einen Seite um Schacht Konrad geht, geht es auf der anderen Seite natürlich nicht um die AKW-nahen Standort-Zwischenlager, sondern um Gorleben; denn logischerweise werden die schwachaktiven und mittelaktiven Abfälle nicht in den AKW-nahen Standorten zwischengelagert. Meine Frage also korrigiert, wie wir eigentlich auch einreichen wollten: Was bedeutet die Menge, die zwischengelagert werden muss, für Gorleben? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Die Beantwortung dieser Frage - darum muss ich bitten - werde ich Ihnen schriftlich zügig nachreichen. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut. Das ist nett. - Vielen Dank. Ich habe noch eine zweite Nachfrage: Ist inzwischen bekannt, worauf die Verzögerung der Inbetriebnahme von Schacht Konrad um fünf Jahre zurückzuführen ist? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, woran das liegt. Ich habe eingangs bereits gesagt: Wir haben das Bundesamt für Strahlenschutz gebeten, sich darum zu kümmern und alle Möglichkeiten eines optimalen Ablaufs auszuschöpfen. Ich werde Ihnen sehr zügig darüber berichten, sobald mir alle bekannten Daten vorliegen. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut. Vielen Dank. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Fragen 61 und 62 des Kollegen Uwe Kekeritz und die Frage 63 des Kollegen Garrelt Duin werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Die Fragen 64 und 65 des Kollegen Dr. Rolf Mützenich, die Frage 66 des Kollegen Omid Nouripour und die Frage 67 der Kollegin Sevim Daðdelen werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Ich frage die Geschäftsführer der Fraktionen: Gibt es Bedenken, sofort mit der Aktuellen Stunde zu beginnen? - Es gibt keine Bedenken. Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP Einen fairen Interessensausgleich zwischen Beschäftigten und Arbeitsuchenden mit bedarfsgerechten Regelsätzen schaffen Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Bundesministerin Ursula von der Leyen das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf zu den neuen Regelsätzen liegt vor. Diese Aktuelle Stunde ist jetzt die Stunde des Parlaments. Anlass sind die Hartz-Gesetze, die Rot-Grün vor sieben Jahren konstruiert hat, damals unterstützt von der Union. Ich sage heute ganz deutlich: Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, also der Gedanke, Menschen zu mobilisieren und niemanden in staatlicher Abhängigkeit abzuschreiben, war damals richtig und ist es heute auch noch. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das Bundesverfassungsgericht hat uns aber im Februar ins Stammbuch geschrieben, dass die Gesetzgebung dazu damals hastig war und zum Teil - O-Ton des Bundesverfassungsgerichts - "ins Blaue" geschätzt wurde. Das hat das Bundesverfassungsgericht gerügt. Wir haben jetzt nach seinen Vorgaben in den letzten sieben Monaten harter Arbeit detaillierte Berechnungen, Rohdaten und Entscheidungswege dargelegt. In den vergangenen Tagen habe ich von der Opposition gehört - wortwörtlich -: geschachert, gekungelt, gemauschelt und getrickst. Dazu kann ich nur sagen: Moment einmal! Sie sollten vielleicht nicht von sich auf andere schließen. - Sie haben das vielleicht 2003 getan. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch bei der SPD und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) Wir aber legen Ihnen umfassende Berechnungen vor. Alle Entscheidungswege sind dargelegt. Ich finde, dass wir auf dieser Datenbasis jetzt sachlich miteinander diskutieren sollten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Regelsätze sind vom Verbrauchsverhalten der Haushalte im unteren Einkommensfünftel hergeleitet. Das wurde von Rot-Grün 2003 so eingeführt und ist auch ausdrücklich vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. Das haben wir auch getan. Zusätzlich muss der Gesetzgeber - ich betone: er muss - Wertentscheidungen fällen, schlüssig und sachgerecht begründet, welche Positionen existenzsichernd sind und welche nicht. Wir müssen die Entscheidungen dazu beiden Seiten erklären: Wir müssen sie denen erklären, die 364 Euro Lebensunterhalt plus Warmmiete durch Hartz IV bekommen und jeden Cent umdrehen müssen. Wir müssen es aber genauso denen erklären, die das erarbeiten und ebenfalls jeden Cent umdrehen müssen. Beide Seiten haben ein Recht auf begründete Entscheidungen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der SPD: Was ist mit dem Mindestlohn? Warum bekommen Sie das nicht hin?) Zu den Wunschvorstellungen, die ich in den letzten Tagen von den Linken gehört habe: 500 Euro im Monat plus Warmmiete für jeden. Wie kommen Sie eigentlich auf diesen Betrag? (Katja Kipping [DIE LINKE]: Darauf kann ich Ihnen antworten!) Wenn Sie sich nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts richten und die Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zugrunde legen, dann kommen Sie nicht einmal in die Nähe dieser Summe, auch wenn Sie Glücksspiel, Alkohol, Zigaretten, illegale Drogen, Pauschalurlaube oder Flugreisen einrechneten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Es ist wirklich abenteuerlich, was Sie den Menschen unterstellen!) Die Verfassungsrichter haben uns zu Recht aufgetragen, die Regelsätze transparent zu gestalten. Wir haben uns an dieses Gebot gehalten. Jeder, der jetzt höhere Forderungen stellt, muss diese Forderungen nach den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts begründen, und zwar im Detail. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Geben Sie doch die Rohdaten frei! Dann würden wir nachrechnen!) Mehr noch: Sie würden mit Ihrer Forderung nach 500 Euro Lebensunterhalt im Monat plus Warmmiete (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Keine Antwort!) auf einen Schlag 2 Millionen Menschen zusätzlich in das System der passiven Leistung ziehen. Eine Politik, die sich darauf beschränkt, die Abhängigkeit vom Staat auszubauen und Passivität zu zementieren, ist kraftlos und muss scheitern. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Schaffen Sie Mindestlöhne! Dann schaffen Sie auch keine Abhängigkeit!) Hartz IV darf kein Dauerzustand sein. Das Versprechen, dass sich Arbeitsuchende und die Gemeinschaft als Pakt für die Not in die Hand gegeben haben, muss weiterhin gelten. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Deswegen kürzen Sie bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik?) Joschka Fischer hat 2004 bei Einführung der Hartz-Gesetze, die genau diesem Grundsatz folgen, gesagt - ich zitiere -: Die Ängste der Menschen nehme ich sehr ernst. Aber wir können sie entkräften. Hartz IV wird nicht massenhafte Verarmung hervorrufen, sondern bei Erhalt einer sozialen Grundsicherung mehr Chancen für den Zugang in den Arbeitsmarkt bieten. (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Da hat er sich geirrt! - Max Straubinger [CDU/CSU]: Wo er recht hat, hat er recht!) Damit hat er die Aufgabe, an der wir weiterhin hart arbeiten müssen, treffend beschrieben. Die OECD hat uns diese Woche ins Stammbuch geschrieben, dass nicht die Regelsätze zu gering sind, sondern die Anreize, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Elke Ferner [SPD]: Warum kürzen Sie dann bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik?) Das müssen wir beachten. Eine verantwortungsvolle Sozialpolitik fördert eben nicht die Abhängigkeit von Menschen, sondern sie fördert die Chancen, unabhängig zu werden. Das ist die Politik, die wir verfolgen wollen. (Elke Ferner [SPD]: Genau das Gegenteil ist der Fall!) Es geht nicht nur darum, die Existenz abzusichern. (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Ich hoffe, Sie glauben das nicht!) Geld allein ist kein Allheilmittel gegen Ausgrenzung und Hilflosigkeit. Es geht auch darum, dass das Vertrauen der Menschen an die Aufstiegsmöglichkeiten in der Gesellschaft nicht verloren geht. Dafür ist das Bildungspaket ein deutliches Zeichen. Es sind 620 Millionen Euro zusätzlich vorgesehen, nicht als Bargeld, sondern als Bildungsleistung, damit den Kindern der Start ins Leben gelingt, und zwar unabhängig davon, ob ihre Eltern Arbeit haben oder nicht, damit sie Erfolgserlebnisse haben, damit sie erfahren: Du kannst etwas. Du wirst gebraucht. Du hast eine Zukunft, und zwar unabhängig von Hartz IV. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich weiß, dass die Aufgabe, der wir uns mit dem Bildungspaket stellen, ein logistischer Kraftakt ist. Viele müssen anpacken: zuallererst der Bund, aber auch in den Ländern und Kommunen, in den Vereinen, Verbänden und in der Zivilgesellschaft. Aber diese Anstrengung sollten wir uns abverlangen. Das ist ein Gewinn für die Kinder. Das ist es, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Hier lohnt sich der Einsatz, hier lohnt sich die Mühe, tatsächlich einen Paradigmenwechsel herbeizuführen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der SPD: Wo zeigen Sie denn da Einsatz? Was ist tatsächlich neu?) Die Konjunktur springt wieder an. Die Unternehmen bekommen mehr Aufträge und suchen Arbeitskräfte, und zwar längst nicht mehr nur unter den Hochqualifizierten. Jetzt öffnen sich - was schon lange nicht mehr der Fall gewesen ist - die Türen auch für diejenigen, denen der Zugang zum Arbeitsmarkt bisher verschlossen war. Das heißt, jetzt ist es Zeit für eine Politik, die den Menschen etwas zutraut, die sie ernst nimmt und die Perspektiven schafft. Wir investieren mit dem vorliegenden Gesetzentwurf in Kinder, damit sie aus dem Kreislauf der vererbten Armut herauskommen. Wir investieren in Brücken in den Arbeitsmarkt, zum Beispiel die Bürgerarbeit. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie kürzen bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik!) Wir investieren in die passgenaue Vermittlung durch die Jobcenter. Wir investieren in die Unterstützung von Alleinerziehenden, die arbeiten wollen. Wir investieren in effizientere Arbeitsmarktinstrumente. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben zwei große Reformen vor uns: zum einen die Jobcenterreform, die bereits gesetzlich verankert ist, aber noch umgesetzt werden muss, und zum anderen die Reform der Regelsätze und das Bildungspaket. Ich stelle fest: Bedenkenträger gibt es genug - ich bin tagtäglich von unendlich vielen umzingelt -, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie Arme! Von der CDU!) aber ich lade alle diejenigen, die über den Tag hinaus denken können, ein, auch einmal darüber nachzudenken, wie man mit uns gemeinsam den Gestaltungsspielraum, die Möglichkeit, die sich uns eröffnet, nutzen kann. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Ministerin für Soziales und Gesundheit von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig. (Beifall bei der SPD) Manuela Schwesig, Ministerin (Mecklenburg-Vorpommern): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In meinem Bundesland, Mecklenburg-Vorpommern, kennen wir das Problem der Armut leider nur zu gut. Insbesondere für viele Kinder ist sie bitterer Alltag. Letzte Woche haben mir Schüler tausend Karten überreicht mit der Bitte, sie der Bundeskanzlerin zu überreichen. Die Karten haben die Aufschrift: "Kinderarmut - Gemeinsam Barrieren überwinden". Darauf steht: Häufig haben Kinder in Armut einen schlechten Gesundheitszustand, sind sozial und kulturell ausgegrenzt. Ihre Chancen auf einen guten Bildungsabschluss und somit ihre Lebenschancen sind gering. Wir können uns Kinder in Armut nicht erlauben und fordern Sie, Frau Bundeskanzlerin, auf, den Kampf dagegen endlich beherzt anzugehen und ein umfangreiches Konzept gegen die Armut von Kindern zu verwirklichen. - Sehr geehrte Frau Bundesministerin von der Leyen, genau diesen beherzten Kampf und genau dieses umfangreiche Konzept vermisse ich bei Ihnen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Frau von der Leyen, Sie haben eine große Chance vertan. Die Vorschläge, die Sie hier eben mit warmen Worten präsentiert haben, werden die Situation von Kindern und Eltern nicht spürbar verändern. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem viel Hoffnung steckt, war eine mutige Aufforderung, in unserem Land einmal wieder klarzumachen, was eigentlich Kern des Sozialstaates ist. Die Verfassungsrichter erinnern uns an Art. 1 der Verfassung: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dazu gehört ein menschenwürdiges Existenzminimum, dessen Höhe nicht politisch verhandelbar sein kann, dessen Höhe nicht in Hinterzimmern ausgekungelt werden darf. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN - Max Straubinger [CDU/CSU]: Warum haben Sie es nicht gleich gemacht?) Das Wegweisende an diesem Urteil ist, dass es nicht nur um den Anspruch auf ein Dach über dem Kopf und ausreichend Lebensmittel geht, sondern auch um die soziokulturelle Teilhabe, um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Wie war das denn bei Rot-Grün?) Die Menschen, die Erwachsenen, aber vor allem die Kinder, wollen nicht mit Sozialleistungen abgespeist und zu Hause isoliert werden. Sie wollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Wie war das bei Rot-Grün?) Dazu gehören vor allem für Kinder Bildung, Sport, Musik, Freizeit und ein gesundes warmes Mittagessen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das galt alles bei der Einführung nicht? - Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/ CSU]: Und wer hat es gemacht? Gerhard Schröder hat es gemacht!) Art. 1 des Grundgesetzes fordert auch Respekt gegenüber den Menschen ein, die von Armut betroffen sind. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Sollen wir Ihnen die Begründung des Gesetzes vorlesen, Frau Kollegin?) Genau an diesem Respekt, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete der FDP und der CDU/CSU, haben Sie es in der Diskussion in den letzten Tagen mangeln lassen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das war doch Ihr Gesetz! Was sagen Sie dazu?) - Wissen Sie, diese Parteigezänkdebatte brauchen Sie mit mir nicht zu führen. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie machen es doch! Sie haben es doch hergebracht! Sie haben damit angefangen!) Rot-Grün hat das Gesetz gemacht, Union und FDP haben im Bundesrat zugestimmt, und selbst die Linke war in einem Bundesland an der Regierung beteiligt. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Natürlich! Sie haben es geboren!) Es muss Schluss sein mit dem Parteigezänk. Wir müssen uns um die Kinder in Deutschland kümmern. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich habe den Eindruck, dass Sie überhaupt nicht wissen, wie es den Menschen, über die wir hier reden, geht. Wissen Sie eigentlich, dass auch die alleinerziehende Verkäuferin, die in Schwerin zwei Jobs hat, Sozialleistungen beziehen muss? Sie muss aufstocken, weil in Deutschland Billiglöhne gezahlt werden, gegen die Sie nichts machen. Wir brauchen deshalb den gesetzlichen Mindestlohn. (Beifall bei der SPD - Manfred Grund [CDU/ CSU]: Mindestlöhne haben wir eingeführt! Sie haben nicht einen Mindestlohn eingeführt! - Max Straubinger [CDU/CSU]: Haben Sie als Landesministerin schon die Allgemeinverbindlichkeit hergestellt? - Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Haben Sie einen einzigen Tarifvertrag, der in Mecklenburg-Vorpommern allgemeinverbindlich ist?) Es geht auch um die alleinerziehende Bibliothekarin, die mich angesprochen hat. Vor 13 Jahren ist sie aus ihrem Beruf ausgestiegen, um ihrem Kind, das eine Behinderung hat, zu helfen. Nun, nach 13 Jahren, ist die Ehe gescheitert, und sie steht alleine da. Auch sie ist auf Sozialleistungen angewiesen. Wer glaubt denn, dass diese Bibliothekarin so einfach in den Job zurückkann? Sie haben in den letzten Tagen so getan - auch heute haben Sie so getan, Frau von der Leyen; das enttäuscht mich sehr -, als ob alle Langzeitarbeitslosen faule Leute wären, (Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Wer sagt denn das? Kein Mensch sagt das!) die rauchen und trinken und nicht in den Job wollen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es geht nicht um Tabak und Alkohol. Es geht darum, wie diese Menschen wieder in den Job kommen. Dazu habe ich von der Arbeitsministerin heute keine Antwort gehört. Ich habe auch keine Antwort darauf gehört, wie wir es mit den vielen Menschen machen - Frau von der Leyen, da haben Sie recht -, die arbeiten gehen und nicht einmal so viel haben wie Hartz-IV- oder Sozialleistungsempfänger, sondern die aufstocken müssen, und was wir mit den Menschen machen, die arbeiten gehen und nur 100 Euro mehr haben. Es ist doch perfide, dass diese Bevölkerungsgruppen in Deutschland, denen es allen schlecht geht, systematisch gegeneinander ausgespielt werden. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN - Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Wer schafft denn im Moment in Deutschland Arbeitsplätze? Das ist doch diese Regierung!) Sie spielen die Geringverdiener gegen die Arbeitslosen aus, und parallel dazu stecken Sie der Pharmalobby und den Atomkonzernen das Geld in den Rachen. Das ist die Realität in Deutschland. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Dummes Zeug! - Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Wir handeln und schaffen Arbeitsplätze!) Frau von der Leyen hat gesagt, wir sollten uns alle anstrengen, uns Mühe geben und uns an der Diskussion beteiligen. Das tun wir, gerade die Länder. Ich kann Ihnen sagen: Wir in Mecklenburg-Vorpommern versuchen, viel gegen Kinderarmut zu tun. Wir haben ein gesundes Mittagessen in Kitas. Wir haben gerade unsere Beteiligung für Kitas in sozialen Brennpunkten aufgestockt. Aber die Experten schreiben mir als Sozialministerin immer wieder ins Stammbuch: Die Armut von Kindern ist die Armut ihrer Eltern durch Arbeitslosigkeit oder durch Billiglöhne. Deswegen brauchen wir gute Arbeit und den gesetzlichen Mindestlohn. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Wir haben doch die 5 Millionen von Ihnen übernommen!) Wir müssen das Urteil ernst nehmen. Was sagt denn das Urteil? Es sagt, dass alle Kinder in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Bildung und soziokulturelle Teilhabe haben. Dazu gehört für mich ein echtes Bildungspaket und nicht ein Bildungspäckchen. Dazu gehören die Ganztagskitas, die Ganztagsschulen mit einem guten Angebot an Musik und Sport, mit einem gesunden warmen Mittagessen. Klar, die beste Kita, die beste Schule kann die Eltern nicht ersetzen. Deswegen brauchen wir auch gute Förderung für Eltern, die es schwer haben, ihrer Erziehungsarbeit nachzukommen. Wir müssen über Eltern-Kind-Zentren reden. Wir müssen über Familienhebammen reden. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das ist der Unterschied: Sie müssen reden, wir handeln!) All diese Vorschläge der Länder liegen auf dem Tisch. Das Beispiel Familienhebammen wird durch den Gesundheitsminister in der Bundesregierung blockiert. Von Ihnen, Frau Bundesministerin, habe ich auf diese ganze Bildungsfrage, die uns die OECD auch ins Stammbuch schreibt - lesen Sie die Berichte vollständig -, heute nicht eine Antwort gehört. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sie haben die Chance vertan, sich mit Ländern und Kommunen an einen Tisch zu setzen und genau dieses große Bildungspaket zu schnüren. Was haben wir stattdessen erlebt? Mit dem Rechenschieber in den Hinterzimmern sind die Regelsätze zustande gekommen. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Was? Das ist unglaublich!) Warum denken wir denn, dass gekungelt wird? Das kann ich Ihnen sagen: Weil es Herr Westerwelle war, der gesagt hat, der Satz darf nicht steigen; weil die Bundeskanzlerin gesagt hat, hier ist ein guter Kompromiss zustande gekommen. Welcher Kompromiss? Das Urteil sagt, das menschliche Existenzminimum, die Regelsätze sind eben nicht politisch verhandelbar. Wenn Sie das Lohnabstandsgebot ins Spiel bringen, dann müssen Sie endlich zur Kenntnis nehmen: Das Urteil verbietet zu Recht, dass die Sozialleistungen allein wegen des Lohnabstands nach unten geschraubt werden. Wir müssen endlich die Löhne erhöhen. Dann geht es allen besser. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Ganze 5 Euro sind herausgekommen. Ich finde, ehrlich gesagt, es ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen, wenn man davon redet, dass diese 5 Euro ein großer Schritt, ein Meilenstein sind. Ich fordere die Bundeskanzlerin auf, einmal vor das Kanzleramt zu gehen, um zu sehen, dass man sich für 5 Euro gerade einmal einen Latte Macchiato kaufen kann. So zu tun, als ob sich für diese Menschen etwas ändert, wird der Realität überhaupt nicht gerecht. Diese Menschen brauchen Arbeit, vor allem gut bezahlte Arbeit. Packen wir einmal das Bildungspaket aus, das vor uns liegt. In den letzten Monaten ist viel davon geredet worden - auch von Frau von der Leyen -, dass Kinder viel Teilhabe haben sollen. Wenn wir das Bildungspaket auspacken, dann bin ich ein bisschen an Julklapp erinnert; denn da packt man ein Paket aus, in dem wieder ein Paket ist, und dann kommt noch einmal ein Paket zum Vorschein. Schließlich kommt ein kleines Päckchen heraus. Darin ist ein Schulstarterpaket von 100 Euro im Jahr. Das gibt es schon. Das hat die SPD erfolgreich durchgesetzt, inklusive für Abiturienten. (Beifall bei der SPD) Am Ende bleiben 10 Euro für Musik, Sport und gesellschaftliches Engagement übrig. Mein Sohn geht mit den anderen Kindern der Kita in eine städtische Musikschule, die öffentlich gefördert wird. Ein stinknormaler Musikunterricht kostet 20 Euro im Monat. Wie davon der von Ihnen vielgepriesene Geigenunterricht bezahlt werden soll, Frau von der Leyen, weiß ich nicht. Vielleicht bekommt man dafür zehn Minuten im Monat. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Kommen wir zum warmen, gesunden Mittagessen. Den Zuschuss von 2 Euro finde ich sehr gut, aber das ist zu kurz gesprungen. Denn es wird nicht gesagt, wie alle Kinder in Deutschland dieses Mittagessen bekommen können. Nur 20 Prozent der Kinder in Kitas und Schulen profitieren derzeit vom gesunden Schulessen. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Dafür sind Sie zuständig!) Deswegen fordere ich Sie auf: Lassen Sie uns gemeinsam reden. Wir brauchen eine Gesamtdebatte über Mindestlöhne, über ein Infrastrukturprogramm, darüber, wie wir Schulessen und Ganztagsschulen gewährleisten. Ich kann Ihnen heute sagen, dass die sozialdemokratisch regierten Länder diesem Vorschlag, der jetzt vorliegt, dieser Minilösung, nicht zustimmen können. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie werden sich noch wundern!) Wir müssen gemeinsam über ein Gesamtpaket reden, damit wir am Ende zustimmen können. Lassen Sie uns die Chance nutzen, die Eltern und die Kinder wirklich aus der Armut herauszuholen. Dafür benötigen wir vernünftige Vorschläge und nicht nur warme Worte. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Fragen Sie einmal Herrn Oppermann, wie er seine Meinung bei den Studiengebühren ständig geändert hat!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb von der FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Schwesig, ich wundere mich doch sehr über Ihre Rede - das muss ich sagen - (Elke Ferner [SPD]: Das wundert uns jetzt wiederum nicht!) und frage mich, wo Sie die letzten elf Jahre eigentlich gewesen sind. (Beifall bei der FDP - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mecklenkburg-Vorpommern, das liegt in Deutschland!) Deswegen einmal zum Mitschreiben, Frau Schwesig: Es ist Ihr Scherbenhaufen, es ist der Scherbenhaufen der SPD, den wir jetzt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wegräumen müssen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Elke Ferner [SPD]: Wie war das denn im Vermittlungsausschuss, Herr Kolb?) Deswegen, Frau Ferner, finde ich es höchst unangebracht - ich muss es sogar unanständig nennen -, wenn Sie sich, bildlich gesprochen, mit den Händen in den Hosentaschen neben uns, die wir Ihre Arbeit nachbessern, stellen und uns auch noch wohlfeile Ratschläge - etwa: nehmt doch eine größere Schippe - geben wollen. Ich finde, wer den Scherbenhaufen selbst verursacht hat, der muss - das gehört sich so - dann auch die Ärmel hochkrempeln und nach Kräften mithelfen, wenn es darum geht, die Baustelle zu beräumen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Elke Ferner [SPD]: Ihr habt noch nicht einmal einen Kabinettsbeschluss!) In diesem Sinne, Frau Kollegin Ferner, sollten Sie mit gebotener Demut und konstruktiv das anstehende Gesetzgebungsverfahren begleiten und unterstützen und es nicht noch unnötig erschweren. Die Zeit ist ohnehin kurz genug. (Elke Ferner [SPD]: Daran sind wir jetzt auch noch schuld?) Frau Schwesig, die Menschen erinnern sich sehr wohl, dass es die SPD-Bundesregierung war, die Hartz IV ausgedacht und eingeführt hat, mit den ins Blaue hinein geschätzten Regelsätzen, (Elke Ferner [SPD]: Wer war im Vermittlungsausschuss dabei?) mit dem jetzt verworfenen Anpassungsmechanismus und ohne die Bildungschancen von Kindern auch nur im Ansatz zu berücksichtigen, Frau Ferner. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Elke Ferner [SPD]: Wer war im Vermittlungsausschuss?) Es war ein SPD-Minister, der 2009 die dann im Februar 2010 vom Bundesverfassungsgericht verworfene Regelsatzverordnung erlassen hat. Auch daran muss man erinnern dürfen. Das ist der Grund, Frau Ferner, warum die SPD so eiert. Ich habe das heute Morgen im Frühstücksfernsehen gesehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Oppermann, Herr Beck, Sie tragen Schuld, die SPD ist Täter. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sie sollten nicht durchs Land laufen nach dem Motto: Haltet den Dieb, er hat mein Messer im Rücken. Das funktioniert nicht, das werden Ihnen die Menschen in diesem Lande auch nicht durchgehen lassen, weil es im höchsten Maße unanständig ist, Herr Oppermann. (Elke Ferner [SPD]: Ihnen war doch alles zu hoch, Herr Kolb!) Merken Sie denn nicht, Herr Oppermann, Frau Ferner, wie Sie sich lächerlich machen? (Elke Ferner [SPD]: Sie machen sich lächerlich!) Die aktuell geltenden Regelsätze wurden noch von einem SPD-Minister ermittelt. Das ist kaum etwas mehr als ein Jahr her. Wenn die Regelsätze heute angeblich zu niedrig sind, dann müssen Sie sich doch fragen lassen, warum Sie zu Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung die Regelsätze nicht einfach auf das Niveau erhöht haben, das Sie heute für erforderlich halten. Das ist doch der Punkt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Elke Ferner [SPD]: Sie rechnen doch alles heraus!) Dann jammert Frau Schwesig hier wegen der Bildungschancen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagen Sie denn zu den 5 Euro?) Sie haben, Frau Schwesig, die SPD hat in den Jahren, in denen sie den Kanzler in diesem Land gestellt hat, null, niente, gar nichts getan, um die Chancen von Kindern aus Hartz-IV-Haushalten zu gewährleisten. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Jetzt, da wir 620 Millionen Euro in die Hand nehmen, um die Bildungsteilhabe von Kindern - dieses Thema ist uns wirklich sehr wichtig; das will ich betonen - zu finanzieren, sagen Sie: Das, was Sie da jetzt machen, ist uns aber viel zu wenig. - So kann man Politik wirklich nicht machen, und das ist auch nicht verantwortlich, Frau Ferner. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sie null, SPD null, wir 620 Millionen Euro - ich finde, Sie sollten in sich gehen, Sie sollten sich schämen. Sie sollten auch nicht anstehen, zu loben und anzuerkennen, was wir jetzt, auch in Zeiten gebotener Haushaltskonsolidierung, zu tun bereit sind. (Elke Ferner [SPD]: Hoteliers entlastet! Reiche Erben entlastet!) Gerade weil Sie selbst damals nicht die Kraft dazu hatten, Frau Ferner, sollten Sie dies heute tun. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich habe mich gefragt, wie Sie eigentlich auf die Idee kommen, bei der Berechnung des Regelsatzes könne getrickst worden sein, (Lachen bei Abgeordneten der SPD) und das umso mehr, als wir uns wirklich allergrößte Mühe gegeben haben, ein offenes, transparentes Verfahren auf den Tisch zu legen. (Elke Ferner [SPD]: Lesen bildet, Herr Kollege!) Mir ist die Lösung eingefallen, Frau Kollegin Ferner. Sie gehen davon aus, wir hätten so gearbeitet wie Sie 2006 bei der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Der damals geltende Regelsatz betrug 345 Euro. (Thomas Oppermann [SPD]: Was? Vor sieben Jahren?) Sie hatten die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe auszuwerten, haben gerechnet und gerechnet, und siehe da: Es kamen 344,60 Euro heraus, die Sie auf 345 Euro aufgerundet haben. Damals wurde kräftig geschoben. (Beifall bei der FDP - Elke Ferner [SPD]: Wie bitte? Das war doch damals im Vermittlungsausschuss! Hören Sie doch damit auf!) Ich muss sagen: Wir haben uns damals gewundert, wie mit Abschlägen und Sonstigem operiert wurde, um genau diese Zahl zustande zu bekommen. (Elke Ferner [SPD]: Ach, Herr Kolb! Hören Sie doch auf! Das sind doch Krokodilstränen, die Sie da heulen! Das war Ihnen doch alles viel zu viel! - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das war Ihnen damals doch zu hoch!) Sie sollten wirklich nicht davon ausgehen, dass wir so arbeiten wie Sie. Wir haben einen vollkommen anderen Anspruch, und dem werden wir auch gerecht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Bei allem Streit sollten wir uns über eines einig sein: Die Leistungen nach dem SGB II sollten nie als auf Dauer in Anspruch zu nehmende Leistungen angesehen werden. Sie sind angelegt als Hilfe auf Zeit. (Elke Ferner [SPD]: Aha! Wollten Sie deswegen mehr Kombilöhne?) Wir müssen alles daransetzen, auch Langzeitarbeitslosen die Chance zu eröffnen, wieder eine Arbeitsstelle zu finden und in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. (Elke Ferner [SPD]: Ja, genau! Aber nicht im Niedriglohnsektor!) Deswegen sind aus unserer Sicht auch Verbesserungen der Hinzuverdienstregelungen erforderlich. Diese dürfen kein Anreiz sein, den Transferbezug zu optimieren, wie es derzeit der Fall ist, sondern sie müssen Anreiz sein, möglichst eine voll sozialversicherungspflichtige Arbeit aufzunehmen. Denn wir wissen: Bei Personen, die mehr als 800 Euro im Monat verdienen, besteht die große Chance, dass sie sich in den nächsten zwei Jahren vollständig vom Transferbezug lösen. (Elke Ferner [SPD]: 8,50 Euro Mindestlohn regeln das auch!) In diesem Sinne: Geben Sie Ihre destruktive Haltung auf, Frau Ferner und Herr Oppermann! (Elke Ferner [SPD]: Ach! Hören Sie doch auf, Herr Kolb! Setzen, sechs!) Helfen Sie mit, den kurzen und engen Zeitpfad zu nutzen und eine Regelung zu verabschieden, die zum 1. Januar nächsten Jahres als verfassungsfeste Regelung im Bundesgesetzblatt steht! Dazu sind wir aufgefordert, und das ist auch Ihre Pflicht. Danke schön. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Diana Golze von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Diana Golze (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach der lautstarken bisherigen Debatte will ich versuchen, zur Sachlichkeit zurückzukehren. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Was soll das denn heißen?) Ich kann an dieser Stelle auch ruhig bleiben. Denn im Gegensatz zu allen anderen Fraktionen hat die Linke Hartz IV an keiner Stelle zugestimmt. (Beifall bei der LINKEN) Die Bundeskanzlerin hat aufgefordert: Wer das Konzept von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen kritisiere, müsse sagen, an welcher Stelle man etwas für falsch halte und wo man noch etwas drauflegen wolle. Diesem Wunsch will ich sehr gerne nachkommen. Beginnen möchte ich mit dem, was Sie als "Anhebung der Regelsätze" bezeichnen. Das, was Sie mit sagenhaften 5 Euro pro Monat auch noch als wohltätige Großzügigkeit verkaufen, deckt noch nicht einmal im Ansatz den Kaufkraftverlust, den der Regelsatz seit der letzten statistischen Erhebung 2003 erlitten hat. Das ist also kein Draufsatteln. Es ist nicht einmal im Ansatz ein Ausgleich für den erlittenen Wertverlust. Doch damit nicht genug. Was Sie als großzügiges Draufpacken bezeichnen, nehmen Sie den Hartz-IV-Betroffenen an anderer Stelle weg, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist das!) denn im Haushalt ist gleichzeitig die Streichung - es heißt zwar Anrechnung, aber es ist eine Streichung - des Elterngeldes für junge Familien im ALG-II-Bezug geplant. Das ist ein Skandal. Sie sagen, Sie packen etwas drauf, nehmen es den Menschen aber an einer anderen Stelle weg. In Wirklichkeit ist es so, dass jetzt die jungen Familien mit kleinen Kindern unter einem Jahr in Hartz IV für die Bildungsgutscheine für Hartz-IV-Kinder, die Sie jetzt ausgeben wollen, bezahlen. Das ist keine sozial gerechte Politik. Das ist Sparen bei den Ärmsten. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Doch damit beginnen die Manipulationen leider nur. Sie, Frau Ministerin, berufen sich in Interviews und hier gerne auf das Bundesverfassungsgericht und beteuern, Sie hätten sich an die Vorgaben gehalten. Bei genauerem Hinsehen stellt man aber sehr schnell fest, dass Sie die Regelsätze heruntergerechnet haben. Sie haben Menschen, die unterhalb des Existenzminimums leben, in die Berechnungsgrundlage eingeschlossen. Das heißt, Sie berechnen auf Grundlage von armen Menschen die Existenzgrundlage der Ärmsten. Das kann nicht die Wahrheit sein. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich fordere Sie deshalb noch einmal auf, Frau Ministerin: Machen Sie die Rohdaten und die alternativen Berechnungen öffentlich! Dann werden wir das volle Ausmaß der Manipulation sehen können. Die Regelsätze müssten nämlich deutlich höher ausfallen. (Beifall bei der LINKEN) Sie haben das im Ausschuss für Arbeit und Soziales erst heute wieder abgelehnt. Damit zeigen Sie, dass Sie keine Öffentlichkeit wollen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Unerhört! - Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Pfui!) Fast überzeugend mitfühlend erklären Sie hier auch, was sich die Verkäuferin, der Maler und der Pförtner alles nicht leisten können. Sie bemühen althergebrachte Vorurteile. Ich höre, dass es nicht sein könne, dass ein Langzeiterwerbsloser mehr haben könne als jemand, der Vollzeit arbeiten gehe. Im Klartext: Sie nehmen für den Regelsatz Maß an den Menschen, die zu Hungerlöhnen arbeiten und damit nur etwas weniger arm sind als diejenigen, die keine Erwerbsarbeit haben. Doch wer Dumpinglöhne zum Maßstab für das Lohnabstandsniveau nimmt, schafft nichts als noch größere Armut. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wer den Gering- und Normalverdiener gegen Erwerbslose ausspielt, schafft sozialen Unfrieden. Wer zudem noch über eine Debatte um Tabak und Alkohol alte Vorurteile heraufbeschwört, verschärft die stigmatisierende Debatte der letzten Wochen. (Beifall bei der LINKEN) Dann würden die Kritiken an Herrn Westerwelle und Herrn Sarrazin völlig unglaubwürdig; denn wenn Sie die Genussmitteldebatten auf dem Rücken der Ärmsten führen, gießen Sie das Theater der beiden Herren auch noch in Gesetzesform, und das müssen Sie sich vorwerfen lassen. (Beifall bei der LINKEN) Es gibt allerdings einen Vorwurf an alle, die seit 2003 an dieser Arbeitsmarktreform mitgewirkt haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD und der Grünen, zu Ihrer Kritik von heute an diesem Gesetz muss die Kritik am eigenen Tun von gestern dazugehören. Sie haben dieses Gesetz geschaffen, das das Bundesverfassungsgericht zu Recht kassiert hat. Aber - auch das gehört natürlich dazu - Union und FDP haben munter daran mitgewirkt, diese Regelsätze verfassungswidrig auszugestalten. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, unsere Kritik am vorgelegten Entwurf zur Neuberechnung der Regelsätze bleibt. Wer hinter verschlossenen Türen und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit einen Regelsatz zusammenzimmert, sollte das Wort "Transparenz" nicht benutzen. (Beifall bei der LINKEN - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Gucken Sie einmal auf die Homepage! Dort steht alles! Können Sie mit der neuen Technik nicht umgehen?) Wer nicht bereit ist, verdeckte Armut als wachsendes Problem anzuerkennen, sondern sie stattdessen zum Berechnungsgegenstand macht, sollte nicht von einem sachgerechten Verfahren sprechen. Schaffen Sie mit gesetzlichen Mindestlöhnen eine existenzsichernde Basis für Beschäftigte, damit Sie überhaupt wieder von einem Lohnabstandsgebot sprechen können! Sorgen Sie mit einer ehrlichen Berechnungsmethode endlich für Regelsätze, die eine wirkliche Grundsicherung darstellen! Wir werden Sie bei Ihrem Tun beobachten. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächste Rednerin ist die Kollegin Renate Künast für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt aber!) Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Beginnen wir einmal mit Herrn Kolb. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Aha!) Hier von anderen großartig etwas zu verlangen, ohne selber einmal darüber zu reden, wer eigentlich seit Jahr und Tag mit viel sozialer Kälte dafür kämpft, dass die Regelsätze möglichst niedrig bleiben, das ist schon ein Stück aus dem Tollhaus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Wir mögen vielleicht nicht alles behalten, aber eine Menge von Ihrer Partei haben wir behalten. "Menge" heißt dann immer "Steuern senken für die, die reich sind" und nie "existenzsicherndes Minimum für die, die arm sind". Das kennen wir. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Lenken Sie doch nicht von Ihrer Verantwortung ab!) Ich sage Ihnen ganz klar: Das Bundesverfassungsgericht hat einen Auftrag erteilt, der heißt: transparente Berechnung, den tatsächlichen Bedarf ermitteln und dabei natürlich Wertentscheidungen treffen. Es hat von eigenen Regelsätzen für Kinder gesprochen und auch davon, dass Kinder einen Anspruch auf individuelle Förderung haben, und zwar ab sofort. (Birgit Homburger [FDP]: Alles umgesetzt!) Frau von der Leyen hat daraufhin einen Riesenwindbeutel gebacken. Das sind die, die, wenn man sie in den Backofen tut, so aufgehen. Wenn man die Klappe zu früh aufmacht, ist die warme Luft raus, und das Ding ist platt. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Für Sie gibt es extra diese Miniwindbeutel!) Das nennt sich bei von der Leyen "Chipkarte". Mit der Chipkarte haben Sie versucht, uns zu suggerieren, die Kinder würden im ganzen Land eine umfassende Förderung bekommen. Das ist aber gar nicht der Fall. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vielmehr haben Sie trickreich eine Berechnung gemacht, bei der das Ergebnis schon vorher feststand. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was Sie alles wissen, Frau Künast!) Sie haben suggeriert, es gebe eine detaillierte Berechnung. Warum legen Sie sie dann nicht vor? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ist doch vorgelegt!) - Nein, es ist nicht vorgelegt. - Die Alternativberechnungen, die man haben möchte, um die Wertentscheidung und die Berechnung nachvollziehen zu können, wurden dem Ausschuss heute verweigert. (Zuruf von der CDU/CSU: Falsch!) Frau von der Leyen hat angerufen und - ich danke dafür - angeboten, Details, Rechnungen und Zahlen in Hintergrundgesprächen mit den Fraktionen noch bekannt zu geben. Auch schön, das mutet aber an, als seien die Informationen beim Statistischen Bundesamt über Art und Umfang des Lebensmittelverzehrs ungefähr so geheim einzustufen wie das Wissen des BND über Terrorismus. Das ist nicht die Transparenz, die das Bundesverfassungsgericht gefordert hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Sie haben die Bezugsgrößen heruntergerechnet, damit es passt, zum Beispiel - dafür sehe ich keine Begründung -, indem Sie sagen: Wir betrachten nicht mehr die unteren 20 Prozent, sondern die unteren 15 Prozent. - Meine These ist, dass Sie die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts schlicht und einfach nicht zum Gegenstand der Beratung und Berechnung gemacht haben, sondern für Sie war nur das Lohnabstandsgebot sachleitend. Ich verstehe ja, dass die Menschen, die arbeiten gehen, sagen: Ich möchte auch sehen, dass da ein Unterschied ist. - Ohne Zweifel. Diesen Unterschied erreicht man aber nicht, indem man erbärmliche Ressentiments der Armen gegen die Ärmsten schürt, weil ja auch die Geringverdiener nicht über die Runden kommen, sondern dafür muss man den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einführen. Das wäre Würde für beide. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Frau Schwesig hat es gesagt: Wie kommt denn die Verkäuferin klar? Wie kommt in diesem Land denn eine Friseurin klar? - Das muss man nicht nur in den Ländern regeln, sondern das muss man bundesweit regeln, um nicht noch eine Bundesländerkonkurrenz aufzubauen. Der gesetzliche Mindestlohn muss her! Wir wissen, dass es jetzt einen Abstand gibt. Eine Familie mit zwei Kindern und einem Verdienst von 1 700 Euro brutto hat noch immer 460 Euro mehr als die gleiche Familie im Hartz-IV-Bezug. (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/ CSU]: Das ist absolut falsch!) - Ja, wenn Sie das Kindergeld, den Kinderzuschlag und das Wohngeld dazurechnen, dann ist das so. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Lesen Sie einmal das Handelsblatt!) Ich sage Ihnen von der CDU/CSU: Sie brauchen keine Sitzungen, bei denen Sie sich fragen, für was das "C" steht und welche Bedeutung das "C" hat. Singen Sie einfach das Hohe C; treten Sie nicht auf der Hühnerleiter nach unten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie brauchen einen neuen Redenschreiber!) Frau Merkel sagt - Frau von der Leyen sagt das auch -, der Hartz-IV-Bezug solle kein Dauerzustand sein, die Menschen sollen wieder in Arbeit. - Ja, das wäre Würde und Teilhabe für einen selbst und um dem Land etwas zurückzugeben. Tun Sie dann aber auch etwas dafür, dass das sozusagen eine Übergangsperiode ist; Sie kennen sich im Brückenbau doch so gut aus. Sie müssen dann dafür sorgen, dass bei der BA in den nächsten Jahren nicht 16 Milliarden Euro gestrichen werden. Die Wiedereingliederung und den Übergang bekommt man nur hin, wenn man das Geld hat und sinnvoll einsetzt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Frau Merkel ist seit fünf Jahren Kanzlerin. Reden wir jetzt einmal nicht nur darüber, dass die SPD elf Jahre am Stück regiert hat. Sie ist seit fünf Jahren Kanzlerin. Wo ist denn die Offensive für die Qualifizierung älterer Beschäftigter? Wo ist die Offensive für die Qualifizierung und Beschäftigung von Alleinerziehenden? Wo ist das Erwachsenen-BAföG für die Spätzünder oder für die, die früh Kinder bekommen haben und mangels Infrastruktur keine Ausbildung erhalten konnten? Meine Damen und Herren, so nicht! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin, denken Sie an die Redezeit. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zum letzten Satz. - Es geht auch nicht, so zu tun, als würde jedes Kind 250 Euro im Jahr an Sachleistungen bekommen. Nur 20 Prozent der Kinder sind überhaupt an Schulen, an denen es eine Kantine gibt - sprich: 80 Prozent bekommen kein Essen und auch kein Geld dafür. Die 20 Prozent, die das Essensgeld bekommen, erhalten ungefähr 360 Euro im Jahr. Das ist mehr als der Durchschnitt von 250 Euro. Meine Damen und Herren, es reicht hinten und vorne nicht. Wie sollen die Eltern ihre Kinder zur Musikschule in die nächste Stadt fahren, wenn sie nicht einmal einen Fahrschein haben, um legal dahin zu fahren? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das habt ihr doch überhaupt nicht berücksichtigt! Das war euch doch völlig egal, als ihr Verantwortung getragen habt!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin, Sie haben die Redezeit jetzt schon länger überschritten. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihre Struktur ist falsch, weil eine wirkliche Infrastruktur fehlt. Diese Infrastruktur muss sein: Mindestlöhne her, Kooperationsverbot weg und endlich Maßnahmen für Langzeitarbeitslose! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Der Kollege Karl Schiewerling ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hört man die Reden der Opposition, dann meint man: Das blanke Elend ist in Deutschland seit längerer Zeit ausgebrochen, Deutschland liegt danieder, die Menschen sind nur noch arm, nichts ist da. (Zurufe von der SPD) Frau Künast, Sie haben in einer bemerkenswerten Verwirrungsaktion lauter Nebelbomben hier in diesen Saal geworfen und versucht, den Menschen klarzumachen, was alles nicht passiert. (Elke Ferner [SPD]: Das mit den Nebelbomben sind Sie! - Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nun einmal langsam!) Ich sage Ihnen, was passiert ist: Wir haben gemeinsam 2003/2004 - damals gab es einen großen Konsens - die beiden Leistungen der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe zur Grundsicherung für Arbeitsuchende mit der Erwartung zusammengelegt, dass wir den Menschen helfen, dass wir Gelder einsparen und dass wir vor allen Dingen dafür sorgen, dass wir mit diesem Instrumentarium Menschen aktivieren. Frau von der Leyen hat vorhin, wie ich finde, sehr richtig Ihren früheren Außenminister Joschka Fischer zitiert, der genau diese Erwartungshaltung, um die es ging und die wir für richtig gehalten haben, präzise formuliert hat. Dass damals, als die beiden Hilfeleistungen zusammengelegt worden sind, mehrere Fehler unterlaufen sind, hat uns das Bundesverfassungsgericht in zwei Urteilen attestiert. Den einen Fehler haben wir behoben, indem wir die Jobcenterreform durchgeführt haben. Das war der erste Schritt. Die zweite Maßnahme, die wir auf den Weg bringen, betrifft die Bedarfssätze der Erwachsenen und der Kinder, von denen das Verfassungsgericht gesagt hat, sie seien nicht transparent. Das Verfassungsgericht hat nicht gesagt, die Bedarfssätze seien nicht hoch genug, sondern sie seien nicht nachvollziehbar. Es hat nicht gesagt, wir müssten mehr Geld obendrauflegen, weil von dem Betrag keiner leben könne. Das Verfassungsgericht hat vielmehr gesagt: Analysiert das Ganze und legt die Kriterien vernünftig dar! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das Zweite, was das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, war: Legt eigene Bedarfssätze für die Kinder fest! Das Dritte: Beachtet, dass Kinder Bildungs- und Teilhabechancen haben! Genau das ist passiert. Über viele Monate hat das Bundesarbeitsministerium sehr sorgfältig die Daten erhoben. Es ist genau das nicht eingetreten, was Sie von den Linken und den Grünen behaupten, nämlich dass im Hinterzimmer Daten zusammengetragen worden seien. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Genauso war es! - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne das Parlament! Intransparent!) Das stimmt nicht. Noch nie gab es bei der Darlegung der Bedarfssätze so viel Transparenz wie jetzt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Eine solche Transparenz gab es noch nie!) Ich halte es für falsch, zu sagen, die Bedarfssätze seien gedeckelt worden. Das ist nicht der Fall. Wenn 1 Euro mehr herausgekommen wäre, dann wäre es eben nur 1 Euro gewesen, wenn 50 Euro mehr herausgekommen wären, dann wären es diese 50 Euro gewesen. Das jetzige Ergebnis ist aufgrund der Bewertung des Ganzen herausgekommen. Jetzt komme ich zum Kern. Der Kern des Ganzen ist, dass wir erstens dafür sorgen, dass Menschen wieder in Beschäftigung kommen, und dass wir zweitens wollen, dass die Kinder Perspektiven haben. Frau Schwesig, genau das, was Sie gefordert haben, macht Frau von der Leyen. Sie macht das vielleicht anders, als Sie es wollen. Hätten Sie nur einen Teil davon in Mecklenburg-Vorpommern umgesetzt, dann ginge es dort in mancher Hinsicht deutlich besser. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Regieren Sie in Mecklenburg-Vorpommern nicht mit?) - Wir stellen nicht den Sozialminister. Zu der Frage, wie das Ganze weitergeht, sage ich Ihnen: Wir werden die jetzige Reform durchführen müssen. Ich bitte sehr herzlich die SPD und die Grünen, die mit dafür gesorgt haben, dass Hartz IV, die Grundsicherung für Arbeitsuchende, auf den Weg gekommen ist, jetzt auch mitzuhelfen, das, was das Bundesverfassungsgericht als falsch kritisiert hat, gemeinsam mit uns wieder in Ordnung zu bringen, so wie wir das mit der Jobcenterreform gemeinsam gemacht haben. Im nächsten Jahr geht es dann um die arbeitsmarktpolitischen Instrumente und darum, wie wir Menschen helfen können, wieder in Beschäftigung zu kommen. (Elke Ferner [SPD]: Das kürzen Sie gerade zusammen!) Ich sage Ihnen, dass wir wesentlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben, wenn wir, wie es im Augenblick Gott sei Dank der Fall ist, keinen Aufwuchs von Arbeitslosigkeit haben. Wir werden hören, dass die Arbeitslosigkeit abnimmt. Heute konnten wir feststellen: Wir haben den höchsten Beschäftigungsstand in Deutschland seit langem und das Niveau vor der Krise übertroffen. Ich glaube, dass wir allen Grund haben, die Kräfte zu bündeln, um den Menschen, die sich schwertun, wieder Perspektiven zu eröffnen. Ich glaube, dass wir Chancen haben, den Kindern Hilfe und Unterstützung angedeihen zu lassen. Tun Sie doch nicht so, als ob die Hilfe, die wir organisieren - Mittagsbetreuung, Mittagessen, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben -, nichts sei. Alles das hat es vor dem Entwurf unserer Bundesarbeitsministerin Frau von der Leyen nicht gegeben. Das ist etwas, was wir einführen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Elke Ferner [SPD]: Wie sollen die Kinder am 1. Januar denn an die Leistungen kommen?) Wir machen Ernst mit der Förderung und Unterstützung der Kinder. Darauf legen wir den Fokus. Verschweigen wir bitte nicht: Es geht nicht um 5 Euro. (Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Jetzt geht es aber um das Bundesverfassungsgerichtsurteil!) Es geht um die Transparenz der Sätze. Wir werden Kindern über 30 Euro im Monat mehr zukommen lassen. Wir werden denen die Unterstützung geben, die sie dringend benötigen. Wir handeln, Sie reden nur. Wir laden Sie aber ein, mit uns gemeinsam an die Lösung der Probleme heranzugehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Kollegin Elke Ferner. (Beifall bei der SPD - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Jetzt mal ein bisschen in die Vergangenheit gucken!) Elke Ferner (SPD): Ich gucke gern mit Ihnen zusammen in die Vergangenheit. (Volker Kauder [CDU/CSU]: "Ich schaue" heißt das!) Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Ich glaube, wir sollten hier nicht immer wieder mit dem Finger auf andere zeigen; denn wenn man mit einem Finger auf jemand anderen zeigt, zeigen drei Finger auf einen selbst zurück. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Alter Spruch!) Herr Kolb, die FDP und die Union, Sie alle waren im Vermittlungsausschuss dabei. Wie ich von meinen Kollegen, die damals im Vermittlungsausschuss waren, weiß, konnten Ihnen die Regelsätze gar nicht weit genug sinken. Sie wollten mit aller Gewalt durchsetzen, dass die Regelsätze heruntergehen und der Niedriglohnsektor ausgeweitet wird. Dass man, um einen Minijob auszuüben, bis zu 400 Euro verdienen darf, hat die Union gewollt. Vor allen Dingen ging es um die Einführung und Ausweitung von Kombilöhnen. Das ist es, was Sie als Regierungskoalition auch heute noch proklamieren. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Lieber arbeiten als nicht arbeiten, Frau Kollegin!) Wir sollten uns vielleicht noch einmal vergegenwärtigen, was das Verfassungsgericht gesagt hat: Das Existenzminimum darf nicht unterschritten werden. Man darf an dieser Stelle nicht beliebig Änderungen vornehmen. Was haben wir allerdings in der letzten Woche erlebt? Das Verfassungsgericht hat im Übrigen auch Transparenz, Nachvollziehbarkeit und eine bedarfsgerechte Ausgestaltung der Regelsätze gefordert. In der letzten Woche haben wir von den Finanzpolitikern der Koalition gehört, die Neugestaltung der Regelsätze dürfe keine Mehrkosten nach sich ziehen. Herr Seehofer hat gesagt: Null Euro zusätzlich. Herr Westerwelle hat gesagt: Ein bisschen mehr Geld, aber um Gottes willen nicht so viel. Am Donnerstag haben wir gehört, die Kanzlerin habe sich mit den Ministerpräsidenten der CDU-geführten Länder auf deutlich unter 20 Euro geeinigt. Am Sonntag ist dann beschlossen worden, dass die Regelsätze um 5 Euro erhöht werden. Das war doch der Ablauf der letzten Woche. Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann kommt man - je nachdem, welche Zahlen man addiert, nämlich die Einzelbeträge oder die Summen - mal auf 357 Euro und mal auf 368 Euro. Das ist weder transparent noch nachvollziehbar, Herr Kolb. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) In diesen Fällen genügen Sie dem Verfassungsgerichtsurteil nicht. Ihr Gesetzentwurf enthält ein Zahlenwirrwarr. Das Ganze ist eine Blackbox und alles andere als eine transparente Ermittlung der Regelsätze. Außerdem wird durch Ihren Gesetzentwurf das Grundproblem überhaupt nicht gelöst. Das Grundproblem ist nämlich: Menschen sind arm, weil sie arbeitslos sind oder weil sie zu Hungerlöhnen arbeiten müssen und am Ende des Monats auch noch eine Transferleistung beziehen müssen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Gilt das auch für die Postbediensteten?) Sie kürzen die Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Das heißt, Sie verkleinern die Chancen der Menschen, wieder in Arbeit zu kommen. (Beifall bei der SPD) Darüber hinaus weigern Sie sich nach wie vor, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Im Gegenteil, Sie wollen mit der Erhöhung der Zuverdienstgrenzen den Kombilohn auch noch ausweiten. Das werden wir nicht mitmachen; das sage ich Ihnen. Ohne die Einführung des Mindestlohns ist dieser Weg der Wahnsinn. Die Spirale geht dann noch viel weiter nach unten, als sie es ohnehin schon ist. (Beifall bei der SPD) Ich möchte ein Beispiel dafür geben, dass die vom Verfassungsgericht eingeforderte Realitätsgerechtigkeit nicht gegeben ist. Frau von der Leyen hat eben von Wertentscheidungen gesprochen, die getroffen worden sind, nachdem bestimmte Sachen herausgerechnet worden waren. Es geht hier nicht um viel Geld, sondern einfach um die Denkweise, die hinter Ihrem Gesetzentwurf steht. Eine Position lautet etwa: chemische Reinigung. Unterlegt ist diese Position mit etwas mehr als 1 Euro. In der Begründung steht, eine solche Reinigung komme nur für teure Bekleidung infrage; die brauche man eigentlich nur, wenn man arbeite; wenn man ein Vorstellungsgespräch habe, könne man sich die Reinigungskosten von der Arbeitsagentur oder von der Arge über irgendeinen zur Verfügung stehenden Haushaltstitel erstatten lassen. Ich frage mich, in welcher Welt Sie eigentlich leben. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Wintermantel gehabt, den ich in die Waschmaschine stecken konnte. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, die teuren aus dem Tramperladen!) Ich weiß nicht, warum die Rentnerin, die von Grundsicherung lebt und sich sowieso nirgendwo bewerben kann, ihren Mantel nach Ihrer Auffassung nicht mehr in die Reinigung tragen darf. So könnte man noch viele Einzelbeispiele aufführen. Das zeigt, wes Geistes Kind Sie eigentlich sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich möchte zum Schluss noch einmal etwas zur Bildungsteilhabe sagen. Der Zuschuss zum Schulessen nutzt nur 20 Prozent der Kinder, die im SGB-II-Bezug sind. Die anderen 80 Prozent haben keinen Zugang zum Schulessen, weil es keine Angebote gibt. Auch für andere Dinge, die im Teilhabepaket enthalten sind, gibt es wahrscheinlich nicht genug Angebote. Deshalb kann ich Ihnen nur sagen: Es sind nun acht Monate tatenlos ins Land gegangen, statt mit den Ländern und den Kommunen an vernünftigen Umsetzungskonzepten zu arbeiten. (Widerspruch des Abg. Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]) Dafür brauche ich keine EVS und keine Neuregelung der Regelsätze; dafür muss ich nur meinen gesunden Menschenverstand einschalten, werter Herr Kollege. (Beifall bei der SPD - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Als Sie Verantwortung trugen, haben Sie sich nie Gedanken darüber gemacht!) Deshalb fordern wir einen Rechtsanspruch auf Teilhabe an Bildungs-, Sport-, Freizeit- und Kulturangeboten für alle Kinder. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Schön, dass Sie es jetzt entdecken!) - Dann hätten Sie früher auch einmal etwas machen sollen. Mir ist nicht bekannt, dass in der Großen Koalition von Ihrer Seite gesagt worden wäre: Die Regelsätze sind nicht transparent ermittelt. Wir müssen da etwas machen. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie haben doch den zuständigen Minister gestellt! - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Herr Scholz hat das doch nie gefordert!) Nichts davon! Im Gegenteil, Sie wollten immer weiter herunter. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Ihnen glaubt doch keiner mehr!) Sie haben sogar noch die Chuzpe gehabt, das Schulbedarfspaket im ersten Schritt nur für Kinder bis zur 10. Klasse zu gewähren. (Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Sie fordern lauter Dinge, die Sie selbst nicht umgesetzt haben!) Wir mussten dann durchdrücken, dass auch die Kinder, die ein Gymnasium besuchen, davon etwas bekommen. (Beifall bei der SPD - Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Das ist ungeheuerlich!) - Das ist wirklich ungeheuerlich gewesen, Herr Kollege, und zwar von Ihrer Fraktion. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD - Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Sie fordern seitenlang und haben nichts selbst umgesetzt! - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Oppermann, Oppermann, Sie gehen einen schweren Gang!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Pascal Kober für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Pascal Kober (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, Ihre Reaktion auf die Regelsatzbemessung der Bundesregierung war so vorhersehbar wie die Tatsache, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie Ihr Vorschlag! Der war auch vorhersehbar!) dass auch dieses Jahr Heiligabend auf den 24. Dezember fallen wird. Das Einzige, was mich ein bisschen verwundert hat, ist das Maß an Pathos, Frau Schwesig, mit dem Sie hier Ihre angebliche Betroffenheit zum Ausdruck gebracht haben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Elke Ferner [SPD]: Junger Kollege, jetzt aber!) Es war doch völlig klar und völlig vorhersehbar: Reflexartig rufen Sie nach mehr. Sie wissen, dass es zu wenig ist. Das wussten Sie schon am 9. Februar. Das wissen Sie auch heute, obwohl Sie, Frau Ferner, gestern Abend in einem Radiointerview zugegeben haben, dass Sie die Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe noch gar nicht gesehen haben. (Elke Ferner [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Die Rohdaten! Jetzt lügen Sie doch nicht! Sie lügen! Das wissen Sie auch!) Aber Sie wissen, dass es mehr sein muss. Dabei durchschaut jede und jeder, die bzw. der uns heute hier zuhört, das Spiel, das hier gespielt wird. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was spielen Sie denn? - Elke Ferner [SPD]: Sie lügen wissentlich! Sie lügen, Herr Kollege!) Wären wir bei der Regelsatzbemessung auf 400 Euro gekommen, dann hätten Sie 420 Euro gefordert. Wären wir auf 420 Euro gekommen, wären Sie auf 440 Euro gekommen. Das durchschaut jeder. Dieses Hase-und-Igel-Spiel machen wir nicht mit. Uns geht es um seriöse Politik. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD - Elke Ferner [SPD]: Das wäre aber was Neues!) Deshalb hat diese Bundesregierung auf die Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe gewartet und mit ihnen klar und nachvollziehbar dargelegt, was Bestandteil der Regelleistung ist und was nicht. Im Gegensatz zu Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, begründet die Bundesregierung sogar, warum sie zu dieser ihrer Beurteilung kommt. Das unterscheidet gute, vertrauensbildende Politik von Willkür und, wie wir seit dem 9. Februar auch wissen, von verfassungswidriger Politik. Vor allem haben wir eines gemacht, was Sie in der Vergangenheit geflissentlich ignoriert haben: Wir haben den Regelsatz von Kindern und Jugendlichen eigenständig berechnet. Somit ist der Bedarf von Kindern und Jugendlichen erstmals nachvollziehbar. (Beifall der Abg. Dr. Claudia Winterstein [FDP]) Nun höre ich von Ihnen in den vergangenen Tagen immer die Kritik, dass der Regelsatz für Kinder und Jugendliche nicht steigen würde. Damit erzählen Sie bewusst nur die halbe Wahrheit. Nein, ich würde sogar sagen, Sie erzählen sie ganz falsch. Zum einen haben die Berechnungen des Kinderregelsatzes ergeben, dass er sogar unter dem bisherigen Satz liegen müsste. Dies hat die Koalition jedoch absichtlich so nicht umgesetzt. Wir zeigen damit, welche Bedeutung Kinder und ihre Chancen für uns haben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zuruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Erstmals berücksichtigen wir auch den Bedarf der Kinder und Jugendlichen für Bildung und stärken so ihre Entwicklungschancen und ihre Teilhabechancen. 620 Mil-lionen Euro pro Jahr investieren wir in die Zukunft der Kinder. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: Diese christlich-liberale Koalition ist die erste, die die Zukunft von Kindern im Arbeitslosengeld-II-Bezug in den Blick nimmt und Möglichkeiten der Bildung verwirklicht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Durch das Sachleistungsprinzip an dieser Stelle sorgen wir auch dafür, dass die Leistungen direkt bei den Kindern ankommen und dass sich die Chancen auf Verwirklichung von Teilhabe deutlich erhöhen. Es ist gut, dass Kindern jetzt die Möglichkeit gegeben wird, am warmen Mittagessen in der Schule teilzunehmen. (Elke Ferner [SPD]: Was machen Sie mit den Kindern, für die es kein Schulessen gibt?) Es ist gut, dass Kinder jetzt ohne großen bürokratischen Aufwand oder sogar rechtliche Streitigkeiten an Schulausflügen teilnehmen können. Es ist gut, dass sie je nach persönlichem Bedarf Zugangsmöglichkeiten zu Nachhilfe haben, sodass sie nicht aufgrund der Situation ihrer Eltern in ihren Lernfortschritten massiv benachteiligt werden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wobei auch hier klar sein muss, dass wir die Länder nicht aus der Pflicht für gute Bildung entlassen dürfen. Das ist und bleibt Aufgabe guter Landespolitik. Die Bundesregierung unterstützt sie aber dabei. Ich finde, das ist der richtige Weg, und wir tun das im Interesse der Kinder. Das sollte auch die Opposition akzeptieren und nicht reflexartig schlechtmachen. Darüber hinaus ist aber auch die Zivilgesellschaft gefordert. Wir als Politik sollten offensiv dafür werben, dass sich jeder - Unternehmen, Verbände, Vereine und auch jeder Einzelne - einbringen kann und soll. Die Zukunft aller Kinder in unserer Gesellschaft sollte es uns wert sein. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächste Rednerin ist die Kollegin Anette Kramme für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Anette Kramme (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Oma hat immer gesagt, über Kleinigkeiten solle man sich nur ein ganz klein wenig aufregen. Aber über diese winzige Kleinigkeit von 5 Euro muss man sich richtig aufregen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hören Sie auf Ihre Oma!) Liebe Frau von der Leyen, ich nehme Ihnen nicht ab, dass Sie an diesen Betrag von 5 Euro glauben, so dünnhäutig wie Sie sind. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt eindeutige Indizien für die Verfassungswidrigkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil erstmals klare Maßstäbe gesetzt. Wir wissen jetzt, was wir machen müssen. Vor dem Hintergrund der Vergangenheit aller Parteien, die hier vertreten sind, müssen wir sorgsam damit umgehen. Das wollen wir als SPD auch tun. (Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Dann fangen Sie damit doch an!) Fangen wir mit dem ersten Grundsatz an, den das Bundesverfassungsgericht angeführt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass es einen Gestaltungsspielraum gibt. Das ist gut. Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch ganz klar und deutlich gesagt, der Regelsatz dürfe nicht evident zu niedrig sein. Insbesondere das physische, aber auch das soziokulturelle Existenzminimum müsse gewährleistet werden. Was beobachten wir aber? Erstens verkleinern Sie die Bezugsgruppe. Als Bezugsgruppe nehmen Sie die untersten 15 Prozent der Haushalte - dies bei einer rasanten Entwicklung im Niedriglohnsektor. Ist denn überhaupt noch sichergestellt, dass dieses Existenzminimum ausreichend ist? Zweitens haben Sie die Aufstocker in der Statistik. Ich kann keine Sozialleistung berechnen, indem ich auf Menschen verweise, die Sozialleistungen beziehen. Auch das ist ein Zirkelschluss, der unzulässig ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Lieber Herr Kolb, es gibt einen dritten Punkt, der klarmacht, wie leichtfertig Sie mit diesem Urteil umgehen. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, bei der letzten Berechnung sei es noch angemessen gewesen, die verdeckt Armen in der Statistik zu belassen. Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch klar aufgegeben, dass die Statistik an diesem Punkt verfeinert werden muss. Jetzt befinden sich Menschen in der Statistik, die weniger haben als Sozialleistungsempfänger. Wenn man alle diese Aspekte zusammennimmt, dann kann man nur sagen: Es gibt intensive Bedenken betreffend die Verfassungswidrigkeit. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Diese Bedenken sind sehr konstruiert!) Auch Transparenz erreichen Sie nicht. Sie erläutern nicht, warum bei Einpersonenhaushalten nur 15 Prozent als Bezugsgruppe gelten und in den anderen Bereichen 20 Prozent. Sie geben keinerlei Erläuterungen hierzu. Die nächste Frage ist: Warum haben wir heute im Ausschuss keine Alternativberechnung erhalten? Warum sind Sie nicht bereit, zu zeigen, zu demonstrieren, was es bedeuten würde, wenn wir 20 Prozent als Bezugsgruppe nähmen? Ich kann dazu nur sagen: Ein Schelm, wer Böses vermutet. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!) - Genau, Sie sehen es. Frau von der Leyen, im Sommer ist mir richtig warm ums Herz geworden, (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! - Volker Kauder [CDU/CSU]: Im Winter wäre das wichtiger!) als Sie vom Reit- und vom Musikunterricht geredet haben. Letztlich hat sich aber alles ergeben. Sie besitzen keinerlei Durchsetzungskraft. Sie haben keine Durchsetzungskraft gezeigt gegenüber Frau Merkel, gegenüber Herrn Seehofer und gegenüber Herrn Westerwelle. Was ist denn in dem Paket der sozialen Teilhabe enthalten? (Beifall bei der SPD) Es bleibt das Schulstarterpaket, das Sie im Übrigen noch nicht einmal neu berechnet haben, obwohl das Bundesverfassungsgericht das vorgegeben hat. Das Schulstarterpaket hatten wir schon. Was steht sonst noch an Leistungen für alle Kinder zur Verfügung? Da ist das Paket der sozialen Teilhabe als solches - 10 Euro im Monat. Ich frage mich: Wie viel Reitunterricht, wie viel Musikunterricht kann davon tatsächlich bezahlt werden? Der Nachhilfeunterricht ist streitbefangen, weil die Voraussetzungen nicht klar geregelt sind. Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass es nicht Sache dieses Hauses ist, Geld für die flächendeckende Finanzierung privater Nachhilfeinstitute zur Verfügung zu stellen. Wir wollen, dass Leistungen für alle zur Verfügung stehen. (Beifall bei der SPD) Das funktioniert nur bei einem Ausbau der Infrastruktur, wie wir es in der Vergangenheit mit dem Ganztagsschulpaket gemacht haben. An dieser Stelle müssen wir weiterarbeiten. Warum haben Sie nicht in den letzten Monaten das Gespräch mit den Bundesländern gesucht? (Elke Ferner [SPD]: Einmal!) Warum haben Sie nicht versucht, mit ihnen Finanzierungsabkommen zu treffen? Zu Ihrem berühmten Einsatz für Kinder kann ich nur sagen: Damit ist es offensichtlich nicht weit her. (Beifall bei der SPD) Lassen Sie mich zum Schluss etwas zum Lohnabstandsgebot sagen. Das Lohnabstandsgebot hält jeder in diesem Hause für richtig. Jeder sagt: Wer arbeitet, muss mehr verdienen als jemand, der nicht arbeitet. Aber wenn wir einen Mindestlohn haben, brauchen wir Regelsätze nicht künstlich niedrig zu hängen. (Beifall bei der SPD) Frau von der Leyen, Sie sparen bei den Armen und entlasten Hoteliers, Erben und die Atomwirtschaft. (Lachen des Abg. Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]) In diesem Sinne herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das Wort hat nun die Kollegin Ingrid Fischbach für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ingrid Fischbach (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Schwesig, ich weiß nicht, was Sie meinten; ich habe Sie gar nicht verstanden. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Sie Ihren eigenen Kollegen, die dieses Gesetz 2003 auf den Weg gebracht haben, vorhalten wollten, sie hätten nicht verhandelt, sondern das Gesetz hinter verschlossenen Türen ausgekungelt. Meinten Sie das wirklich so? Denn das würde bedeuten, dass das, was das Bundesverfassungsgericht bemängelt hat - nämlich ins Blaue hinein zu schätzen, wie viel Prozent des Ansatzes für die Erwachsenen für Kinder genommen wird, um auf 50 Cent an die Summe heranzukommen, die schon vorher eingestellt worden ist -, so geschehen ist. Aber das haben Sie sicher nicht gemeint. Wir gehen nicht so vor, und das ist wirklich neu. Sie sollten sich ein Beispiel daran nehmen, auch mit Blick auf die Dinge, die zukünftig auf den Weg gebracht werden sollen. Wir wollen Transparenz. Sie haben recht: Es geht nicht um Tabak und Alkohol. Diese Entscheidung haben wir politisch getroffen. Es geht darum, die Menschen in Arbeit zu bringen. Deswegen haben wir die Internetkosten und die Praxisgebühr mit aufgenommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das gab es bei Ihnen nicht; das ist neu, und das muss man wissen. Wir brauchen Menschen auch nicht gegeneinander auszuspielen. Deswegen bitte ich Sie, endlich mit den Worten von der guten Arbeit aufzuhören. Ich weiß nicht, was Sie sich unter guter Arbeit vorstellen. (Gabriele Molitor [FDP]: Ja, eben! - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gute Arbeitsbedingungen! Arbeit, die nicht krank macht!) Was ist denn schlechte Arbeit? (Anette Kramme [SPD]: Sie haben offensichtlich noch nie in einem Betrieb gearbeitet, sonst wüssten Sie das!) Diese Diskussion sollten Sie einmal mit denjenigen führen, bei denen Sie schlechte Arbeit vermuten. Wenn Sie gut bezahlte Arbeit meinen, dann müssen Sie es sagen. Aber eine Diskussion über gute Arbeit und schlechte Arbeit sollten wir nicht zulassen. Frau Golze hat, genau wie Frau Kramme, gesagt, wir hätten bei den untersten Einkommen etwas weggelassen und wollten die Beträge nur niedrigrechnen. Wir haben genau das getan, was 2003 die rot-grüne Regierung getan hat: Wir haben das unterste Einkommensfünftel genommen. Aber wir haben 8,6 Prozent der untersten Einkommen herausgerechnet, was Sie nicht getan haben. Das heißt, wir gehen bei Einpersonenhaushalten von einem Grenzwert von 901 Euro netto aus. Bei den Eckregelsätzen für Kinder gehen wir bei einem Paarhaushalt mit Kindern - das ist unterschiedlich gestaffelt, je nachdem, wie alt die Kinder sind - von einem Grenzwert von im Schnitt 2 327 Euro netto aus. Da sagen Sie mir, das seien die untersten Einkommen? Welche Familie, in der jemand tagtäglich acht Stunden arbeitet, kommt auf 2 400 Euro netto? (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zeigen Sie mir einmal solche Familien, um mir zu beweisen, dass das das unterste Einkommensviertel in unserem Lande ist. Das wage ich zu bezweifeln. Auch Frau Künast hat nicht richtig zugehört; denn keiner hat behauptet, dass wir mit der Chipkarte eine umfassende Bildung erreichen wollen. Wir gehen den Weg, den Sie nicht eingeschlagen haben. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Individueller Rechtsanspruch!) Ich habe es schon in der Haushaltsdebatte gesagt: Auch Sie haben bei den Kinderregelsätzen den zu geringen Anteil für Bildung und kulturelle Teilhabe nicht gesehen. Seien Sie doch froh, dass wir das Problem erkannt haben und den ersten Schritt gehen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sehen: Sie können die Aufträge nicht lesen!) - Nichts sehen, nichts hören und nichts sagen: Das kennen wir von den drei Affen. Die sind heute aber nicht hier. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir gehen den ersten Schritt, indem wir sagen: Wir wollen die Förderung ausbauen. Seien Sie so fair und erkennen Sie an, dass wir diesen ersten Schritt, der zugebenermaßen noch nicht ausreichend ist, gehen. Das würde der Sache guttun. Frau Ferner, ich möchte eine letzte Bemerkung zu Ihrer Rede machen. Wenn ich vor dem Fernseher gesessen und diese Debatte verfolgt hätte, hätte ich mich durch das von Ihnen angeführte Beispiel von der chemischen Reinigung verhöhnt gefühlt. Alle Kleidung, die man trägt, kann in der Waschmaschine gewaschen werden. Sie hängen sie tropfnass auf, bügeln von innen das Futter und dann ist sie wieder sauber. (Beifall bei der CDU/CSU - Elke Ferner [SPD]: Wintermantel? Der verfilzt doch! Was ist das für eine Hausfrau? - Anette Kramme [SPD]: Es ist erschütternd! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Weder im Betrieb noch zu Hause jemals gearbeitet!) Darum geht es aber überhaupt nicht. Sie sollten konkret sagen - das haben Sie aber nicht getan -, was Sie zusätzlich haben wollen. Sie sagen nur pauschal: Wir brauchen mehr. - Sagen Sie doch genau, an welchen Stellen Sie mehr haben wollen. Wollen Sie den Satz für die chemische Reinigung erhöhen? Dann stellen Sie einen entsprechenden Antrag. (Elke Ferner [SPD]: Sie entscheiden, dass jemand seine Sachen nicht mehr reinigen darf!) Aber ich sage Ihnen: Damit ist den Menschen nicht geholfen. Wir haben zum allerersten Mal in transparenter Weise öffentlich gesagt, welche Warenkörbe wir berücksichtigen. Wir haben die politische Entscheidung getroffen, was herausgenommen und was mit hineingenommen werden soll. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha, politische Entscheidung?) - Das ist doch unsere Aufgabe. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Genau!) Das ist das Einzige, worüber wir politisch entscheiden können. An allen anderen Punkten, Frau Ferner - das hat uns und Ihnen doch das Bundesverfassungsgericht ins Stammbuch geschrieben -, können wir mit Blick auf die Existenzsicherung nichts ändern. Diese Vorgaben können von niemandem verändert werden. Die einzigen Positionen, bei denen wir politisch Akzente setzen können, beziehen sich auf Positionen, die nicht zur Existenzsicherung gehören. Wir haben zu Recht gesagt, dass Alkohol und Zigaretten aus dem Warenkorb herausgenommen werden müssen. Das Geld wollen wir für die Kinder einsetzen. Das soll ein Schwerpunkt sein. Auch wenn es wenig ist: Es ist richtig, diesen Schwerpunkt zu setzen. Diesen Weg werden wir gemeinsam weitergehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ihnen kann ich nur ganz deutlich sagen: Sie helfen niemandem, wenn Sie einfach nur fordern: mehr, mehr, mehr. - Qualifizierte Angebote, genau auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten, zu machen und die Kinder zu fördern, ist christlich-soziale Politik. (Elke Ferner [SPD]: Wo sind denn die Angebote? Wer setzt sie um? Wo gehen die Kinder am 1. Januar hin?) Das kennzeichnet unsere Regelsätze. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Max Straubinger für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Max Straubinger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben eine aufgeregte Debatte über ein Thema, bei dem die Bundesregierung angesichts des Fehlverhaltens von Rot-Grün nachbessern muss. Wir reparieren nämlich ein Gesetz, das Rot-Grün so ausgestaltet hat, sodass das Bundesverfassungsgericht urteilen musste, dass die nötige Transparenz und Nachvollziehbarkeit nicht gegeben ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Elke Ferner [SPD]: Sie haben doch zugestimmt, Herr Straubinger!) Diesem Auftrag kommen wir mit dem von der Bundesministerin vorgelegten Gesetz nach. Es zeigt sehr deutlich, dass wir Transparenz und Nachvollziehbarkeit in den Mittelpunkt dieses Gesetzgebungsverfahrens stellen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Elke Ferner [SPD]: Das glauben Sie doch wohl selber nicht!) Es ist natürlich entscheidend, die Grundsicherung der Menschen und vor allen Dingen ihre Teilhabe zu gewährleisten. Dies ist in dem Gesetzentwurf enthalten. Es bringt nichts - da gebe ich meiner Vorrednerin Frau Fischbach ausdrücklich recht -, immer nur nach höheren Sätzen zu rufen, sondern es geht darum, die Grundlage für ein menschenwürdiges Leben zu legen. Das werden wir leisten. Darüber hinaus ist es entscheidend, dass die Menschen wieder die Chance bekommen, in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen, um so ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dass das unser Ziel ist, haben wir in der Vergangenheit mit entsprechenden Reformen bewiesen. Diese Reformen zeitigen jetzt Erfolge. Ich weiß gar nicht, warum sich die SPD davon verabschieden will. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie verabschiedet sich von allem!) Wir haben mehr Beschäftigung in unserem Land, und vor allen Dingen über den Niedriglohnsektor, der hier immer etwas falsch dargestellt wird, haben wir erreicht, dass viele Menschen in ordentliche Beschäftigung gekommen sind. Wenn wir jetzt - Kollege Karl Schiewerling hat darauf hingewiesen - in unserem Land Höchstbeschäftigung wie von vor der Krise wieder erreicht haben, dann zeigt dies sehr deutlich, dass die Reformen der vergangenen Zeit durchaus greifen und wir auf einem guten Weg sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Auf diesem Weg werden wir voranschreiten. Aber man muss auch darstellen, dass Hartz-IV-Bezug nicht mit Armut gleichzusetzen ist, wie es Frau Landesministerin Schwesig in ihrer Rede heute wieder behauptet hat, sondern die Grundlage für ein menschenwürdiges Leben mit Teilhabe ist. Dies wurde so auch in der Begründung des rot-grünen Gesetzentwurfs im Jahre 2003 formuliert. Davon soll man sich hier nicht verabschieden. Vielmehr ist es eine großartige Leistung unseres Sozialstaates, dass wir diese Mittel erbringen und dass viele Menschen auch mit geringstem Einkommen durch ihre Beitragsleistung die Grundlage dafür legen, dass letztendlich diesen sozialen Anforderungen nachgekommen werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb, werte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es schon entscheidend, auch darauf hinzuweisen, dass es nicht nur um den finanziellen Teil, also die 359 Euro oder die 364 Euro ab 1. Januar 2011, sondern um eine Betrachtung der Gesamtleistung geht, die die Empfänger bekommen. Die Leistungen des Staates erschöpfen sich eben nicht in der Regelleistung sowie im Kostenersatz für Wohnung und Heizung. Enthalten ist zum Beispiel auch der Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag in Höhe von 164 Euro. Auch dies leisten die Steuerzahler für die Absicherung der ALG-II-Bezieher. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wichtiger Punkt!) Auch ist es mit entscheidend, darzustellen, dass Kommunen und Länder den ALG-II-Beziehern Vergünstigungen im öffentlichen Personennahverkehr zusätzlich zur Grundleistung geben. Außerdem sind sie auch von den Fernseh- und Radiogebühren befreit, was zeigt, dass sie zumindest unter Unterhaltungsgesichtspunkten am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Wir müssen dies also in der Gesamtheit betrachten. Angesichts dessen frage ich mich schon, ob die SPD wirklich will, dass ein Alleinstehender, der Vollzeit arbeitet und einen Stundenlohn von 7,50 Euro erhält - das war ja einmal das Modell der SPD; jetzt werden Sie wohl etwas aufstocken -, mit 1 250 Euro brutto nach Hause geht. Er hat dann Abzüge von 250 Euro für Sozialbeiträge und von 50 Euro für Steuern und bekommt letztendlich 950 Euro ausbezahlt, während derjenige, der auf ALG-II-Leistung ist, immerhin auch 800 bis 850 Euro erhält. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht! - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen addieren können!) Ich glaube, dass es durchaus entscheidend ist, dass wir ein entsprechendes Lohnabstandsgebot wahren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Derjenige in unserer Gesellschaft muss mehr haben, der arbeitet. Das ist entscheidend, damit unser Sozialstaat auch weiterhin funktionieren kann. In diesem Sinne danke ich herzlich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: 873 Euro hat der ALG-II-Bezieher, das hat der Paritätische Wohlfahrtsverband berichtet! - Gegenruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das zeigen Sie mir mal!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Gabriele Hiller-Ohm das Wort. (Beifall bei der SPD) Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPD hat schon im März einen umfangreichen Antrag zur Bemessung der Regelsätze und zur Bekämpfung von Armut vorgelegt. Warum, so frage ich Sie, Frau Ministerin, haben Sie unsere Anregungen nicht aufgegriffen? Warum haben Sie so viel wertvolle Zeit mit Luftnummern wie dem Bildungschip und dem Basisgeld verstreichen lassen? Auch Sie wissen spätestens seit Februar, dass uns das Urteil vor große Herausforderungen stellt. Sie, die Bundesregierung, und wir, der Gesetzgeber, sind jetzt in der Verantwortung, gerechte Teilhabechancen für Kinder von langzeitarbeitslosen Eltern sicherzustellen. Bisher haben Bund, Länder und Kommunen die Finanzverantwortung für Kinder gern von einer Ebene auf die andere geschoben. Was ist dabei herausgekommen? Ein Flickenteppich in der Bildungs- und Betreuungslandschaft, der vielen Kindern nicht die Chancen sichert, die sie brauchen. Das Bundesverfassungsgericht sagt jetzt klipp und klar: Damit muss Schluss sein. Frau Ministerin, Ihre Aufgabe ist es, gemeinsam mit uns, den Ländern und den Kommunen Lösungen zu entwickeln, mit denen der Rechtsanspruch der Kinder auf Bildung und soziokulturelle Teilhabe eingelöst werden kann. Wo aber bleiben Ihre Vorschläge? Der Gesetzentwurf ist schlampig gemacht; an vielen Stellen ist fraglich, ob die Regelungen überhaupt grundgesetzkonform sind. Herr Kollege Straubinger und Herr Kollege Kolb, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Der heißt Max Straubinger!) der Gesetzentwurf wird auch nicht dadurch besser, dass die Koalitionsfraktionen auf Versäumnisse in der Vergangenheit verweisen und mit dem Finger auf uns zeigen. Heute haben Sie die Regierungsverantwortung; (Elke Ferner [SPD]: Nicht mehr lange, liebe Kollegin! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Bald ist es vorbei! - Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Oje! Traumtänzer!) heute gibt es die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Auch ich frage Sie: Wie wollen Sie allen Ernstes mit einem Minibetrag von 120 Euro pro Kind und Jahr gerechte Teilhabe an Bildung, Sport und Kultur sicherstellen? Privatunterricht ist teuer. Sie sagen: Dann müssen Ehrenamtliche herangezogen werden. - Frau Ministerin, ich finde diesen Vorschlag beschämend; (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Zuruf von der CDU/CSU: Wieso?) Ehrenamt darf in einem so wichtigen Bereich Pflichtaufgaben nicht ersetzen. Sie bleiben auch Antworten schuldig, wie Mittagsverpflegung, Förderunterricht oder Musikstunden abgerechnet werden sollen. Was Sie uns vorlegen, ist ein bürokratisches Monstergesetz. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ui! Mein lieber Mann!) Lesen Sie unseren Antrag! Es liegt auf der Hand: Wir müssen Krippen, Kitas und Schulen zu echten Förder- und Betreuungseinrichtungen ausbauen; dorthin gehört das. (Beifall bei der SPD) Alle Kinder sollen die Einrichtungen nutzen können. Diskriminierende Sonderstrukturen für Hartz-IV-Kinder lehnen wir ab. (Beifall der Abg. Christel Humme [SPD]) Privatisierung von Bildung ist der falsche Weg. Wir brauchen in Deutschland ein nationales Programm zum Ausbau von Betreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen. Bringen Sie das auf den Weg, Frau Ministerin! Dafür haben Sie unsere Unterstützung. Zu den Regelsätzen. Als ich den Gesetzentwurf gelesen habe, ist mir die Brille von der Nase gesprungen. Bisher wurden die unteren 20 Prozent der einkommensschwachen Haushalte aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe als Referenzgruppe bei der Berechnung der Regelsätze zugrunde gelegt. Schon das empfand ich als ein gewagtes Unternehmen, gerade auch in Bezug auf die Ermittlung der Bildungsbedarfe. Sie haben das jetzt aber noch getoppt, indem Sie nur die unteren 15 Prozent als Referenzgruppe heranziehen. Frau Ministerin, Sie bleiben mit der Größe der Referenzgruppe selbst hinter Ihrem großmauligen Koalitionspartner zurück, der sich in einem vergangenen Wahlkampf zumindest eine 18 unter seine Schuhsohlen geklebt hat. (Heiterkeit der Abg. Elke Ferner [SPD]) Sie legen Ihrer Berechnung der Regelsätze das Verbrauchsverhalten der Menschen mit sehr kleinen Einkommen zugrunde. Sie scheuen sich nicht einmal, Aufstocker und Sozialleistungsbezieher in die Referenzgruppe aufzunehmen. Kein Wunder, dass die Regelsätze so niedrig ausfallen! (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja!) Sie haben uns übrigens heute Morgen im Ausschuss die Basiszahlen zur Regelsatzbemessung verweigert. Herr Kolb, so viel zum Thema Transparenz. (Zuruf von der SPD: Hört! Hört! - Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Niente! Nic! Nada! Zero, Herr Kolb!) Frau Ministerin, was Sie uns hier vorlegen, entspricht nicht den Anforderungen der Verfassungsrichter. (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!) Zu den Aufstockern: Wenn Sie einen Blick in unseren Antrag vom März geworfen hätten, wären Sie auf Vorschläge gestoßen, wie man die Themen Aufstocker und Armut wirkungsvoll vom Tisch bringen kann. Es ist bedauerlich, dass Sie diese Chance vertan haben und uns einen so schlechten Gesetzentwurf vorlegen. Aber es ist bekanntlich nie zu spät, zu neuen Einsichten zu kommen. Springen Sie also endlich über Ihren Schatten - er ist nicht sehr groß - (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD) und führen Sie in Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn ein, von dem die Menschen leben können! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Dann müssen Sie nicht mehr Geringverdiener gegen Menschen in der Grundsicherung ausspielen. Leider argumentieren Sie in die entgegengesetzte Richtung. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern muten Sie prekäre Löhne zu, und weil diese so wenig haben, streichen Sie auch bei den Arbeitslosen. Das ist unwürdig und beschämend. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Dr. Carsten Linnemann für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der letzte Redner in dieser Debatte. Frau Schwesig, man hat den Eindruck, dass Sie diese Debatte machtpolitisch ein bisschen ausnutzen und sie letztlich auf dem Rücken derjenigen austragen, die eigentlich Hilfe brauchen. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat die denn beantragt? - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, Sie haben die Macht! - Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Stimmt, Frau Künast!) Erstens erzeugen Sie in diesem Land seit Wochen und Monaten eine Stimmung, die bei den Menschen die Erwartung weckt, dass die Regelsätze auf jeden Fall signifikant steigen. (Elke Ferner [SPD]: Ich sage nur: Reitunterricht, Musikunterricht!) Auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind Sie überhaupt nicht eingegangen. Zweitens. In der gesamten Debatte sprechen Sie über den Regelsatz in Höhe von 364 Euro und tun so, als sei dieses Geld das Geld zum Leben. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Gehen Sie einmal in eine Arge und fragen Sie dort einen Familienvater oder einen Single, wie hoch die Mietsätze sind. Man kommt auf 364 Euro plus Miete plus Heizkosten. Dann kommen Sie zu dem Ergebnis, dass in fast jeder Stadt in Deutschland eine Familie mit zwei Kindern mindestens 1 600 Euro netto bekommt. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Richtig!) Wenn Sie die Arge dann verlassen, sind Sie in der Lebenswirklichkeit dieses Landes angekommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechnen Sie Kindergeld und Wohngeld dagegen!) Ich sage es noch einmal: Das Bundesverfassungsgericht hat nicht die Höhe der Regelsätze infrage gestellt. Es ging um das Verfahren. Es ist inzwischen transparent geregelt worden. Auf der entsprechenden Homepage können das alle Menschen, auch alle Besucher, die heute hier sind, nachvollziehen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt gar nicht! Es sind nicht alle Sachen drin! Es gibt doch geheime Daten!) - Frau Künast, als Maßstab haben wir eine Familie mit einfachem Einkommen genommen. Wir sind nämlich der Auffassung, dass soziale Gerechtigkeit auch die soziale Balance betrifft: die Balance zwischen denjenigen, die in das System einzahlen, und denjenigen, die alimentiert werden. Genau das ist für uns soziale Gerechtigkeit, nichts anderes. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kennen sich doch gar nicht aus! - Elke Ferner [SPD]: Lesen Sie doch mal das Urteil, Herr Kollege!) - Sie tun so, als gäbe es in diesem Land keine soziale Gerechtigkeit mehr. Es gibt leider immer noch Familien, die seit mehreren Generationen von der Sozialhilfe leben. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie viele: 2 000, 3 000?) Wir nehmen jetzt den Ball vom Bundesverfassungsgericht auf. Die entscheidende Frage lautet doch: Was können wir für die Kinder, die SGB-II-Leistungen erhalten, tun? Wenn Sie sich die Ergebnisse der Shell-Studie anschauen, stellen Sie fest, dass die Kinder, die von SGB-II-Leistungen leben, sagen: Im Vergleich zu den anderen Kindern habe ich keine gute Zukunft zu erwarten. - Warum werden denn so wenige Kinder aus Hartz-IV-Familien Ingenieure, Professoren oder Arbeitnehmer? (Elke Ferner [SPD]: Dank Ihrer Bildungsministerin! Sie sind lustig!) Wir müssen diese Kinder aus dieser Situation herausholen. Deswegen leiten wir jetzt einen Paradigmenwechsel ein - das hätten übrigens auch Sie tun können -, indem wir uns den Sachmitteln zuwenden. Wir werden den Kindern zielgenau helfen, um sie in die Lage zu versetzen, später in ihrem Leben selbstständig klarzukommen und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da lassen wir uns gar nicht verrückt machen von der Opposition!) Zu den Eltern. Ich habe in den letzten Monaten von Ihnen nicht einen Vorschlag gehört, wie wir die Eltern in Beschäftigung bringen. Nicht einen Vorschlag! 6,8 Millionen Menschen leben von SGB-II-Leistungen. 1,8 Millionen davon sind Kinder. Es bleiben also 5 Millionen Menschen übrig, die arbeiten könnten. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon arbeitet fast die Hälfte! Reden Sie doch nicht immer so viel Unsinn!) Die, die nicht arbeiten können, beziehen Leistungen nach SGB XII. Aber um diese 5 Millionen Menschen müssen wir uns kümmern. Das machen wir, indem wir die arbeitsmarktpolitischen Instrumente nutzen. Ich sage Ihnen: Hören Sie mit der Aufstockerdiskussion auf! (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hauptsache, Sie ziehen nicht gleich die Waffe!) Sie wird nämlich völlig falsch geführt, auch in jeder Talksendung. Die meisten Menschen sind Aufstocker, nicht weil sie zu wenig verdienen, sondern weil sie zu wenig arbeiten bzw. keine Vollzeitbeschäftigung haben. Das ist das Problem. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch überhaupt nicht!) Allein 140 000 Hartz-IV-Empfänger verdienen genau 100 Euro hinzu, weil sie diesen Betrag behalten dürfen. Man kann diesen Menschen auch nicht böse sein, weil sie sich völlig rational und ökonomisch verhalten. Sie stellen sich nämlich die Frage: Was kann ich tun, um besser zurechtzukommen? - Wir wollen Anreize schaffen, um diese Menschen in Arbeit zu bringen, nichts anderes. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Der erzählt dauernd die Unwahrheit!) - Nein. - Noch einmal: Die Frage ist, wie wir Anreize schaffen können, um die Menschen in Beschäftigung zu bringen. Darüber denken Sie aber überhaupt nicht nach. Sie wollen die Menschen in der Sozialhilfe belassen. Hartz IV darf kein Lebensmodell sein, sondern höchstens eine Episode. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Der Vertreter der Boni!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nun ist die Aktuelle Stunde beendet. Damit sind wir auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 30. September, 9 Uhr, ein. Ich wünsche noch einen schönen Abend. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 17.10 Uhr) Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bas, Bärbel SPD 29.09.2010 Bernschneider, Florian FDP 29.09.2010 Binder, Karin DIE LINKE 29.09.2010 Gerdes, Michael SPD 29.09.2010 Dr. Freiherr zu Guttenberg, Karl-Theodor CDU/CSU 29.09.2010 Dr. Högl, Eva SPD 29.09.2010 Koenigs, Thomas BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29.09.2010 Kopp, Gudrun FDP 29.09.2010 Korte, Jan DIE LINKE 29.09.2010 Marks, Caren SPD 29.09.2010 Meierhofer, Horst FDP 29.09.2010 Meinhardt, Patrick FDP 29.09.2010 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29.09.2010 Prof. Dr. Neumann, Martin FDP 29.09.2010 Oswald, Eduard CDU/CSU 29.09.2010 Dr. Paul, Michael CDU/CSU 29.09.2010 Pflug, Johannes SPD 29.09.2010 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 29.09.2010 Schmidt (Bochum), Frithjof BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29.09.2010 Dr. Schröder (Wiesbaden), Kristina CSU/CSU 29.09.2010 Schuster, Marina FDP 29.09.2010 Dr. Steinmeier, Frank-Walter SPD 29.09.2010 Süßmair, Alexander DIE LINKE 29.09.2010 Dr. Westerwelle, Guido FDP 29.09.2010 Anlage 2 Einspruch vom 28. September 2010 des Abgeordneten Herbert Behrens gemäß § 39 der Geschäftsordnung (Zusatztagesordnungspunkt 1) Hiermit lege ich Einspruch gemäß § 39 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO BT) ein gegen Ihre Anordnung vom 17.09.2010, durch Schreiben des Direktors beim Deutschen Bundestag vom 23.09.2010 schriftlich bestätigt, mit der Sie mich für die Sitzungstage des Deutschen Bundestages am 29. und 30.09.2010 von den Sitzungen des Deutschen Bundestages ausschließen, und begründe diesen Einspruch wie folgt: Die von Ihnen verhängte Sanktion erweist sich als rechtwidrig, da bereits die Voraussetzungen für einen Ausschluss aus der Sitzung gemäß § 38 GO BT nicht vorliegen, jedenfalls der Ausschluss über die Sitzung am 17.09.2010 hinaus sich als unverhältnismäßig erweist. Mein Verhalten stellt bereits keine gröbliche Verletzung der Ordnung des Deutschen Bundestages dar. Als eine gröbliche Verletzung stellt es sich nach parlamentarischer Praxis dar, wenn Abgeordnete zum Beispiel Amtshandlungen des Präsidenten oder die Wahrnehmung der Rechte durch andere Abgeordnete behindern, indem Reden unterbrochen werden oder die Rednertribüne für nachfolgende Redner nicht geräumt wird, Tätlichkeiten begehen oder den Präsidenten, andere Abgeordnete oder Bundesorgane grob beschimpfen oder beleidigen. Mit solchen Verhaltensweisen ist aber mein von Ihnen geahndetes Verhalten nicht zu vergleichen, schließlich habe ich durch mein von Ihnen geahndetes Verhalten nicht einmal Einfluss auf den Ablauf der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 17.09.2010 genommen. Festzuhalten ist, dass ich ein weißes T-Shirt mit einer aufgedruckten Meinungskundgabe getragen habe. Dabei habe ich aber dieses T-Shirt (unter meinem Hemd) getragen, sodass zwar die Meinungskundgabe als solche eindeutig zu erkennen war, das weiße T-Shirt aber nicht mein äußeres Erscheinungsbild dominiert hat. Ich bin während der Plenarsitzung weder aufgestanden, um die auf meinem T-Shirt aufgedruckte Meinungskundgabe deutlich zur Schau zu stellen, noch habe ich durch Zwischenruf o. ä., die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt. Im Vergleich zu Transparenten, Schildern o. ä., die in der Sitzung hochgehalten werden, ist mein T-Shirt in der Sache eher mit Anstecknadeln am Revers oder mit Krawatten mit Vereins-, Verbands- oder Parteiemblemen vergleichbar. Eben diese wurden aber in der parlamentarischen Praxis stets geduldet und nicht als gröbliche Verletzung der Ordnung angesehen. Schon aus diesem Grund stellt mein Verhalten selbst im Vergleich zu einem ähnlichen, aber doch entscheidend anders gelagerten Vorfall am 26.02.2010 keine gröbliche Verletzung der Ordnung dar. Darüber hinaus ist mein Ausschluss von den Sitzungen am 29. und 30.09.2010 selbst unter der Annahme, dass eine gröbliche Verletzung der Ordnung vorlag, nicht verhältnismäßig und beschränkt mich in unzulässiger Weise in der Ausübung meiner organschaftlichen Rechte als Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Selbst unter der Prämisse, dass mein Ausschluss aus der konkreten Sitzung gerechtfertigt gewesen wäre, bis ich das T-Shirt ausgezogen hätte, wäre ein Ausschluss für folgende Sitzungen unverhältnismäßig. Dies liegt zunächst an dem geringen Gewicht des konkreten Verstoßes, wenn man überhaupt einen Ordnungsverstoß annehmen will. Es besteht aber auch angesichts der Tagesordnungen der Sitzungstage, für die ich ausgeschlossen wurde, keine Wiederholungsgefahr. Zuletzt ist die von Ihnen angegebene Begründung, ich hätte mich vorzeitig in das Wochenende verabschieden wollen, nicht nur unzutreffend, sondern zudem unverträglich damit, dass Sie selbst mich sodann für zwei Tage von der Sitzung und damit von meiner parlamentarischen Arbeit ausschließen. Ich gehe daher davon aus, dass meinem Einspruch abgeholfen wird und ich zur Teilnahme an der Sitzung wieder zugelassen werde. Dieser Einspruch erfolgt zur Wahrung der parlamentarischen Gewohnheiten durch mich selbst. Im Übrigen verweise ich auf den durch meine Bevollmächtigten eingelegten Einspruch. Anlage 3 Einspruch vom 26. September 2010 der Abgeordneten Heidrun Dittrich gemäß § 39 der Geschäftsordnung (Zusatztagesordnungspunkt 1) Hiermit lege ich Einspruch gemäß § 39 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO BT) ein gegen Ihre Anordnung vom 17.09.2010, durch Schreiben des Direktors beim Deutschen Bundestag vom 23.09.2010 schriftlich bestätigt, mit der Sie mich für die Sitzungstage des Deutschen Bundestages am 29. und 30.09.2010 von den Sitzungen des Deutschen Bundestages ausschließen, und begründe diesen Einspruch wie folgt: Die von Ihnen verhängte Sanktion erweist sich als rechtwidrig, da bereits die Voraussetzungen für einen Ausschluss aus der Sitzung gemäß § 38 GO BT nicht vorliegen, jedenfalls der Ausschluss über die Sitzung am 17.09.2010 hinaus sich als unverhältnismäßig erweist. Mein Verhalten stellt bereits keine gröbliche Verletzung der Ordnung des Deutschen Bundestages dar. Als eine gröbliche Verletzung stellt es sich nach parlamentarischer Praxis dar, wenn Abgeordnete zum Beispiel Amtshandlungen des Präsidenten oder die Wahrnehmung der Rechte durch andere Abgeordnete behindern, indem Reden unterbrochen werden oder die Rednertribüne für nachfolgende Redner nicht geräumt wird, Tätlichkeiten begehen oder den Präsidenten, andere Abgeordnete oder Bundesorgane grob beschimpfen oder beleidigen. Mit solchen Verhaltensweisen ist aber mein von Ihnen geahndetes Verhalten nicht zu vergleichen, schließlich habe ich durch mein von Ihnen geahndetes Verhalten nicht einmal Einfluss auf den Ablauf der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 17. 09.2010 genommen. Festzuhalten ist dass ich ein weißes T-Shirt mit einer aufgedruckten Meinungskundgabe getragen habe. Ich bin während der Plenarsitzung weder aufgestanden, um die auf meinem T-Shirt aufgedruckte Meinungskundgabe deutlich zur Schau zu stellen, noch habe ich durch Zwischenruf o. ä. die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt. Im Vergleich zu Transparenten, Schildern o. ä., die in der Sitzung hochgehalten werden, ist mein T-Shirt in der Sache eher mit Anstecknadeln am Revers oder mit Krawatten mit Vereins-, Verbands- oder Parteiemblemen vergleichbar. Eben diese wurden aber in der parlamentarischen Praxis stets geduldet und nicht als gröbliche Verletzung der Ordnung angesehen. Schon aus diesem Grund stellt mein Verhalten selbst im Vergleich zu einem ähnlichen, aber doch entscheidend anders gelagerten Vorgang am 26.02.2010 keine gröbliche Verletzung der Ordnung dar. Darüber hinaus ist mein Ausschluss von den Sitzungen am 29. und 30.09.2010 selbst unter der Annahme, dass eine gröbliche Verletzung der Ordnung vorlag, nicht verhältnismäßig und beschränkt mich in unzulässiger Weise in der Ausübung meiner organschaftlichen Rechte als Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Selbst unter der Prämisse, dass mein Ausschluss aus der konkreten Sitzung gerechtfertigt gewesen wäre, bis ich das T-Shirt ausgezogen hätte, wäre ein Ausschluss für folgende Sitzungen unverhältnismäßig. Dies liegt zunächst an dem geringen Gewicht des konkreten Verstoßes, wenn man überhaupt einen Ordnungsverstoß annehmen will. Es besteht aber auch angesichts der Tagesordnungen der Sitzungstage, für die ich ausgeschlossen wurde, keine Wiederholungsgefahr. Zuletzt ist die von Ihnen abgegebene Begründung, ich hätte mich vorzeitig in das Wochenende verabschieden wollen, nicht nur unzutreffend, sondern zudem unverträglich damit, dass Sie selbst mich sodann für zwei Tage von der Sitzung und damit von der parlamentarischen Arbeit ausschließen wollen. Ich gehe daher davon aus, dass meinem Einspruch abgeholfen wird und ich zur Teilnahme an der Sitzung wieder zugelassen werde. Dieser Einspruch erfolgt zur Wahrung der parlamentarischen Gewohnheiten durch mich selbst. Im Übrigen verweise ich auf den durch meine Bevollmächtigten eingelegten Einspruch. Anlage 4 Einspruch vom 27. September 2010 der Abgeordneten Annette Groth gemäß § 39 GO (Zusatztagesordnungspunkt 1) Hiermit lege ich Einspruch gemäß § 39 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO BT) ein gegen Ihre Anordnung vom 17.09.2010, durch Schreiben des Direktors beim Deutschen Bundestag vom 23.09.2010 schriftlich bestätigt, mit der Sie mich für die Sitzungstage des Deutschen Bundestages am 29. und 30.09.2010 von den Sitzungen des Deutschen Bundestages ausschließen, und begründe diesen Einspruch wie folgt: Die von Ihnen verhängte Sanktion erweist sich als rechtwidrig, da bereits die Voraussetzungen für einen Ausschluss aus der Sitzung gemäß § 38 GO BT nicht vorliegen, jedenfalls der Ausschluss über die Sitzung am 17.09.2010 hinaus sich als unverhältnismäßig erweist . Mein Verhalten stellt bereits keine gröbliche Verletzung der Ordnung des Deutschen Bundestages dar. Als eine gröbliche Verletzung stellt es sich nach parlamentarischer Praxis dar, wenn Abgeordnete zum Beispiel Amtshandlungen des Präsidenten oder die Wahrnehmung der Rechte durch andere Abgeordnete behindern, indem Reden unterbrochen werden oder die Rednertribüne für nachfolgende Redner nicht geräumt wird, Tätlichkeiten begehen oder den Präsidenten, andere Abgeordnete oder Bundesorgane grob beschimpfen oder beleidigen. Mit solchen Verhaltensweisen ist aber mein von Ihnen geahndetes Verhalten nicht zu vergleichen, schließlich habe ich durch mein von Ihnen geahndetes Verhalten nicht einmal Einfluss auf den Ablauf der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 17.09.2010 genommen. Festzuhalten ist, dass ich ein weißes T-Shirt mit einer aufgedruckten Meinungskundgabe getragen habe. Ich bin während der Plenarsitzung weder aufgestanden, um die auf meinem T-Shirt aufgedruckte Meinungskundgabe deutlich zur Schau zu stellen, noch habe ich durch Zwischenrufes o. ä. die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt. Im Vergleich zu Transparenten, Schildern o. ä., die in der Sitzung hochgehalten werden, ist mein T-Shirt in der Sache eher mit Anstecknadeln am Revers oder mit Krawatten mit Vereins-, Verbands- oder Parteiemblemen vergleichbar. Eben diese wurden aber in der parlamentarischen Praxis stets geduldet und nicht als gröbliche Verletzung der Ordnung angesehen. Schon aus diesem Grund stellt mein Verhaften selbst im Vergleich zu einem ähnlichen, aber doch entscheidend anders gelagerten Vorgang am 26.02.2010 keine gröbliche Verletzung der Ordnung dar. Darüber hinaus ist mein Ausschluss von den Sitzungen am 29. und 30.09.2010 selbst unter der Annahme, dass eine gröbliche Verletzung der Ordnung vorlag, nicht verhältnismäßig und beschränkt mich in unzulässiger Weise in der Ausübung meiner organschaftlichen Rechte als Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Selbst unter der Prämisse, dass mein Ausschluss aus der konkreten Sitzung gerechtfertigt gewesen wäre, bis ich das T-Shirt ausgezogen hätte, wäre ein Ausschluss für folgende Sitzungen unverhältnismäßig. Dies liegt zunächst an dem geringen Gewicht des konkreten Verstoßes, wenn man überhaupt einen Ordnungsverstoß annehmen will. Es besteht aber auch angesichts der Tagesordnungen der Sitzungstage, für die ich ausgeschlossen wurde, keine Wiederholungsgefahr. Zuletzt ist die von Ihnen abgegebene Begründung, ich hätte mich vorzeitig in das Wochenende verabschieden wollen, nicht nur unzutreffend, sondern zudem unverträglich damit, dass Sie selbst mich sodann für zwei Tage von der Sitzung und damit von der parlamentarischen Arbeit ausschließen wollen. Ich gehe daher davon aus, dass meinem Einspruch abgeholfen wird und ich zur Teilnahme an der Sitzung wieder zugelassen werde. Dieser Einspruch erfolgt zur Wahrung der parlamentarischen Gewohnheiten durch mich selbst. Im Übrigen verweise ich auf den durch meine Bevollmächtigten eingelegten Einspruch. Anlage 5 Einspruch vom 26. September 2010 der Abgeordneten Heike Hänsel gemäß § 39 der Geschäftsordnung (Zusatztagesordnungspunkt 1) Hiermit lege ich Einspruch gemäß § 39 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO BT) ein gegen Ihre Anordnung vom 17.09.2010, durch Schreiben des Direktors beim Deutschen Bundestag vom 23.09.2010 schriftlich bestätigt, mit der Sie mich für die Sitzungstage des Deutschen Bundestages am 29. und 30.09.2010 von den Sitzungen des Deutschen Bundestages ausschließen, und begründe diesen Einspruch wie folgt: Die von Ihnen verhängte Sanktion erweist sich als rechtwidrig, da bereits die Voraussetzungen für einen Ausschluss aus der Sitzung gemäß § 38 GO BT nicht vorliegen, jedenfalls der Ausschluss über die Sitzung am 17.09.2010 hinaus sich als unverhältnismäßig erweist. Mein Verhalten stellt bereits keine gröbliche Verletzung der Ordnung des Deutschen Bundestages dar. Als eine gröbliche Verletzung stellt es sich nach parlamentarischer Praxis dar, wenn Abgeordnete zum Beispiel Amtshandlungen des Präsidenten oder die Wahrnehmung der Rechte durch andere Abgeordnete behindern, indem Reden unterbrochen werden oder die Rednertribüne für nachfolgende Redner nicht geräumt wird, Tätlichkeiten begehen oder den Präsidenten, andere Abgeordnete oder Bundesorgane grob beschimpfen oder beleidigen. Mit solchen Verhaltensweisen ist aber mein von Ihnen geahndetes Verhalten nicht zu vergleichen, schließlich habe ich durch mein von Ihnen geahndetes Verhalten nicht einmal Einfluss auf den Ablauf der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 17.09.2010 genommen. Festzuhalten ist, dass ich ein weißes T-Shirt mit einer aufgedruckten Meinungskundgabe getragen habe. Ich bin während der Plenarsitzung weder aufgestanden, um die auf meinem T-Shirt aufgedruckte Meinungskundgabe deutlich zur Schau zu stellen, noch habe ich durch Zwischenruf o. ä. die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt. Im Vergleich zu Transparenten, Schildern o. ä., die in der Sitzung hochgehalten werden, ist mein T-Shirt in der Sache eher mit Anstecknadeln am Revers oder mit Krawatten mit Vereins-, Verbands- oder Parteiemblemen vergleichbar. Eben diese wurden aber in der parlamentarischen Praxis stets geduldet und nicht als gröbliche Verletzung der Ordnung angesehen. Schon aus diesem Grund stellt mein Verhalten selbst im Vergleich zu einem ähnlichen, aber doch entscheidend anders gelagerten Vorgang am 26.02.2010 keine gröbliche Verletzung der Ordnung dar. Darüber hinaus ist mein Ausschluss von den Sitzungen am 29. und 30.09.2010 selbst unter der Annahme, dass eine gröbliche Verletzung der Ordnung vorlag, nicht verhältnismäßig und beschränkt mich in unzulässiger Weise in der Ausübung meiner organschaftlichen Rechte als Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Selbst unter der Prämisse, dass mein Ausschluss aus der konkreten Sitzung gerechtfertigt gewesen wäre, bis ich das T-Shirt ausgezogen hätte, wäre ein Ausschluss für folgende Sitzungen unverhältnismäßig. Dies liegt zunächst an dem geringen Gewicht des konkreten Verstoßes, wenn man überhaupt einen Ordnungsverstoß annehmen will. Es besteht aber auch angesichts der Tagesordnungen der Sitzungstage, für die ich ausgeschlossen wurde, keine Wiederholungsgefahr. Zuletzt ist die von Ihnen abgegebene Begründung, ich hätte mich vorzeitig in das Wochenende verabschieden wollen, nicht nur unzutreffend, sondern zudem unverträglich damit, dass Sie selbst mich sodann für zwei Tage von der Sitzung und damit von der parlamentarischen Arbeit ausschließen wollen. Ich gehe daher davon aus, dass meinem Einspruch abgeholfen wird und ich zur Teilnahme an der Sitzung wieder zugelassen werde. Dieser Einspruch erfolgt zur Wahrung der parlamentarischen Gewohnheiten durch mich selbst. Im Übrigen verweise ich auf den durch meine Bevollmächtigten eingelegten Einspruch. Anlage 6 Einspruch vom 26. September 2010 der Abgeordneten Inge Höger gemäß § 39 GO (Zusatztagesordnungspunkt 1) Hiermit lege ich Einspruch gemäß § 39 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO BT) ein gegen Ihre Anordnung vom 17.09.2010, durch Schreiben des Direktors beim Deutschen Bundestag vom 23.09.2010 schriftlich bestätigt, mit der Sie mich für die Sitzungstage des Deutschen Bundestages am 29. und 30.09.2010 von den Sitzungen des Deutschen Bundestages ausschließen, und begründe diesen Einspruch wie folgt: Die von Ihnen verhängte Sanktion erweist sich als rechtwidrig, da bereits die Voraussetzungen für einen Ausschluss aus der Sitzung gemäß § 36 GO BT nicht vorliegen, jedenfalls der Ausschluss über die Sitzung am 17.09.2010 hinaus sich als unverhältnismäßig erweist Mein Verhalten stellt bereits keine gröbliche Verletzung der Ordnung des Deutschen Bundestages dar. Als eine gröbliche Verletzung stellt es sich nach parlamentarischer Praxis dar, wenn Abgeordnete zum Beispiel Amtshandlungen des Präsidenten oder die Wahrnehmung der Rechte durch andere Abgeordnete behindern, indem Reden unterbrochen werden oder die Rednertribüne für nachfolgende Redner nicht geräumt wird, Tätlichkeiten begehen oder den Präsidenten, andere Abgeordnete oder Bundesorgane grob beschimpfen oder beleidigen. Mit solchen Verhaltensweisen ist aber mein von Ihnen geahndetes Verhalten nicht zu vergleichen, schließlich habe ich durch mein von Ihnen geahndetes Verhalten nicht einmal Einfluss auf den Ablauf der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 17.09.2010 genommen. Festzuhalten ist, dass ich ein weißes T-Shirt mit einer aufgedruckten Meinungskundgabe getragen habe. Ich bin während der Plenarsitzung weder aufgestanden, um die auf meinem T-Shirt aufgedruckte Meinungskundgabe deutlich zur Schau zu stellen, noch habe ich durch Zwischenruf o. ä. die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt. Im Vergleich zu Transparenten, Schildern o. ä., die in der Sitzung hochgehalten werden, ist mein T-Shirt in der Sache eher mit Anstecknadeln am Revers oder mit Krawatten mit Vereins-, Verbands- oder Parteiemblemen vergleichbar. Eben diese wurden aber in der parlamentarischen Praxis stets geduldet und nicht als gröbliche Verletzung der Ordnung angesehen. Schon aus diesem Grund stellt mein Verhalten selbst im Vergleich zu einem ähnlichen, aber doch entscheidend anders gelagerten Vorgang am 26.02.2010 keine gröbliche Verletzung der Ordnung dar. Darüber hinaus ist mein Ausschluss von den Sitzungen am 29. und 30.09.2010 selbst unter der Annahme, dass eine gröbliche Verletzung der Ordnung vorlag, nicht verhältnismäßig und beschränkt mich in unzulässiger Weise in der Ausübung meiner organschaftlichen Rechte als Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Selbst unter der Prämisse, dass mein Ausschluss aus der konkreten Sitzung gerechtfertigt gewesen wäre, bis ich das T-Shirt ausgezogen hätte, wäre ein Ausschluss für folgende Sitzungen unverhältnismäßig. Dies liegt zunächst an dem geringen Gewicht des konkreten Verstoßes, wenn man überhaupt einen Ordnungsverstoß annehmen will. Es besteht aber auch angesichts der Tagesordnungen der Sitzungstage, für die ich ausgeschlossen wurde, keine Wiederholungsgefahr. Zuletzt ist die von ihnen abgegebene Begründung, ich hätte mich vorzeitig in das Wochenende verabschieden wollen, nicht nur unzutreffend, sondern zudem unverträglich damit, dass Sie selbst mich sodann für zwei Tage von der Sitzung und damit von der parlamentarischen Arbeit ausschließen wollen. Ich gehe daher davon aus, dass meinem Einspruch abgeholfen wird und ich zur Teilnahme an der Sitzung wieder zugelassen werde. Dieser Einspruch erfolgt zur Wahrung der parlamentarischen Gewohnheiten durch mich selbst. Im Übrigen verweise ich auf den durch meine Bevollmächtigten eingelegten Einspruch. Anlage 7 Einspruch vom 26. September 2010 des Abgeordneten Michael Schlecht gemäß § 39 GO (Zusatztagesordnungspunkt 1) Hiermit lege ich Einspruch gemäß § 39 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO BT) ein gegen Ihre Anordnung vom 17.09.2010, durch Schreiben des Direktes beim Deutschen Bundestag vom 23.09.2010 schriftlich bestätigt, mit der Sie mich für die Sitzungstage des Deutschen Bundestages am 29. und 30.09.2010 von den Sitzungen des Deutschen Bundestages ausschließen und begründe diesen Einspruch wie folgt: Die von Ihnen verhängte Sanktion erweist sich als rechtwidrig, da bereits die Voraussetzungen für einen Ausschluss aus der Sitzung gemäß § 38 GO BT nicht vorliegen, jedenfalls der Ausschluss über die Sitzung am 17.09.2010 hinaus sich als unverhältnismäßig erweist. Mein Verhalten stellt bereits keine gröbliche Verletzung der Ordnung des Deutschen Bundestages dar. Als eine gröbliche Verletzung stellt es sich nach parlamentarischer Praxis dar, wenn Abgeordnete zum Beispiel Amtshandlungen des Präsidenten oder die Wahrnehmung der Rechte durch andere Abgeordnete behindern, indem Reden unterbrochen werden oder die Rednertribüne für nachfolgende Redner nicht geräumt wird, Tätlichkeiten begehen oder den Präsidenten, andere Abgeordnete oder Bundesorgane grob beschimpfen oder beleidigen. Mit solchen Verhaltensweisen ist aber mein von Ihnen geahndetes Verhalten nicht zu vergleichen, schließlich habe ich durch mein von ihnen geahndetes Verhalten nicht einmal Einfluss auf den Ablauf der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 17.09.2010 genommen. Festzuhalten ist, dass ich ein weißes T-Shirt mit einer aufgedruckten Meinungskundgabe getragen habe. Ich bin während der Plenarsitzung weder aufgestanden, um die auf meinem T-Shirt aufgedruckte Meinungskundgabe deutlich zur Schau zu stellen, noch habe ich durch Zwischenruf o. ä. die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt. Im Vergleich zu Transparenten, Schildern o. ä, die in der Sitzung hochgehalten werden, ist mein T-Shirt in der Sache eher mit Anstecknadeln am Revers oder mit Krawatten mit Vereins-, Verbands- oder Parteiemblemen vergleichbar. Eben diese wurden aber in der parlamentarischen Praxis stets geduldet und nicht als gröbliche Verletzung der Ordnung angesehen. Schon aus diesem Grund stellt mein Verhalten selbst im Vergleich zu einem ähnlichen, aber doch entscheidend anders gelagerten Vorgang am 26.02.2010 keine gröbliche Verletzung der Ordnung dar. Darüber hinaus ist mein Ausschluss von den Sitzungen am 29. und 30.09.2010 selbst unter der Annahme, dass eine gröbliche Verletzung der Ordnung vorlag, nicht verhältnismäßig und beschränkt mich in unzulässiger Weise in der Ausübung meiner organschaftlichen Rechte als Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Selbst unter der Prämisse, dass mein Ausschluss aus der konkreten Sitzung gerechtfertigt gewesen wäre, bis ich das T-Shirt ausgezogen hatte, wäre ein Ausschluss für folgende Sitzungen unverhältnismäßig. Dies liegt zunächst an dem geringen Gewicht des konkreten Verstoßes, wenn man überhaupt einen Ordnungsverstoß annehmen will. Es besteht aber auch angesichts der Tagesordnungen der Sitzungstage, für die ich ausgeschlossen wurde, keine Wiederholungsgefahr. Zuletzt ist die von ihnen abgegebene Begründung, ich hätte mich vorzeitig in das Wochenende verabschieden wollen, nicht nur unzutreffend, sondern zudem unverträglich damit, dass Sie selbst mich sodann für zwei Tage von der Sitzung und damit von der parlamentarischen Arbeit ausschließen wollen. Ich gehe daher davon aus, dass meinem Einspruch abgeholfen wird und ich zur Teilnahme an der Sitzung wieder zugelassen werde. Dieser Einspruch erfolgt zur Wahrung der parlamentarischen Gewohnheiten durch mich selbst. Im Übrigen verweise ich auf den durch meine Bevollmächtigten eingelegten Einspruch. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage des Abgeordneten Jerzy Montag (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3007, Frage 1): Welche seitens der Bundesregierung oder einzelner Bundesministerien in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten sprechen für und welche gegen die These, dass eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken ohne Zustimmung des Bundesrates erfolgen kann? Die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in Auftrag gegebenen Gutachten der Professoren Dr. Hans-Jürgen Papier und Dr. Joachim Wieland haben sich dafür ausgesprochen, dass eine gesetzliche Regelung zur Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken der Zustimmung des Bundesrates bedürfe. Andere Rechtsgutachten sind vonseiten der Bundesregierung nicht in Auftrag gegeben worden. Es sind allerdings zwischenzeitlich auch weitere Gutachten veröffentlicht worden, die zu einem anderen Ergebnis gelangen. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Hönlinger (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3007, Frage 2): Inwiefern weigert sich die Bundesregierung, die rechtlichen Erwägungen, die ihren Beschlüssen vom 5. September 2010 zur Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken zugrunde lagen, gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit offenzulegen (vergleiche Bericht im Tagesspiegel vom 23. September 2010; Financial Times Deutschland vom 24. September 2010)? Die Bundesregierung weigert sich nicht, die rechtlichen Erwägungen zur Zustimmungsfreiheit der vorgesehenen Änderungen des Atomgesetzes offenzulegen. Die von der Bundesregierung vorbereiteten Formulierungshilfen für ein Elftes und ein Zwölftes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes werden in der Gesetzesbegründung entsprechende Ausführungen hierzu enthalten. Diese Ausführungen sind zwischen dem Bundesministerium des Innern und dem Bundesministerium der Justiz abgestimmt. Dies entspricht dem üblichen Verfahren. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3007, Frage 3): Wie viel hat die Bundesregierung für die beiden Rechtsgutachten der Professoren Dr. Hans-Jürgen Papier und Dr. Joachim Wieland zur Zustimmungsbedürftigkeit einer Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken bezahlt, und wie rechtfertigt die Bundesregierung diese Ausgabe angesichts der Tatsache, dass sie nun im Gesetzgebungsverfahren der übereinstimmenden Rechtsauffassung beider Gutachter zuwiderhandeln und die Zustimmung des Bundesrates nicht einholen möchte? Die Kosten für die beiden Gutachten beliefen sich auf zusammen 44 811 Euro. Die in den Gutachten vertretenen Rechtauffassungen sind in die Meinungsbildung der Bundesregierung eingeflossen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3007, Frage 4): Können für die Bundesrepublik Deutschland Schadensersatz- oder Entschädigungspflichten gegenüber den Betreibern von Atomkraftwerken entstehen, wenn eine ohne Zustimmung des Bundesrates beschlossene Laufzeitverlängerung später vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wird? Nein. Die deutsche Rechtsordnung kennt grundsätzlich keine Haftung für legislatives Unrecht durch den Erlass von Gesetzen. Bei der Gesetzgebung nehmen die öffentlichen Amtsträger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur dem Allgemeininteresse dienende Amtspflichten wahr, weshalb es daher an der sogenannten Drittbezogenheit der Amtspflicht fehlt, die Voraussetzung für einen Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist. Etwas anderes kann nur in hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3007, Frage 5): Hat aus Sicht des Bundesministeriums des Innern das gemeinsam mit dem Bundesministerium der Justiz verfasste Rechtsgutachten vom 1. Juni 2010 zur Zustimmungsbedürftigkeit einer Änderung des Atomgesetzes zur Verlängerung der Laufzeit von Kernkraftwerken weiter Gültigkeit? Die Bundesregierung berücksichtigt bei ihrer Bewertung der Zustimmungsbedürftigkeit bzw. Zustimmungsfreiheit von Gesetzen insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Durch die am 11. Juni 2010 verkündete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz sieht sich die Bundesregierung in der bereits in dem internen Gutachten der Verfassungsressorts vom 1. Juni 2010 entwickelten Auffassung bestätigt. Sie geht davon aus, dass eine Laufzeitverlängerung im nunmehr vorgesehenen Umfang weder zur Übertragung neuer Aufgaben an die Länder noch dazu führt, dass bestehenden Aufgaben der Länder in diesem Bereich ein neuer Inhalt oder eine wesentliche andere Bedeutung und Tragweite verliehen würde. Mit den vorgesehenen zusätzlichen Elektrizitätsmengen wird die in dem Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung vom 22. April 2002 (BGBl I, Seite 1351) zugrunde gelegte Regellaufzeit der einzelnen Anlagen ab Beginn des kommerziellen Leistungsbetriebs (vgl. Bundestagsdrucksache 14/6890, Seite 21 f.) moderat erweitert. Dies führt aufseiten der Aufsichtsbehörden der Länder lediglich zu einer quantitativen Erhöhung der Aufgabenlast. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf der Fragen der Abgeordneten Dr. Eva Högl (SPD) (Drucksache 17/3007, Fragen 6 und 7): Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung es bisher nicht für erforderlich, bei den sogenannten Geodatendiensten - zum Beispiel Google Street View - das vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz geforderte Widerspruchsregister und ein ausdrückliches Verbot der Profilbildung gesetzlich zu regeln sowie den Vorschlag des Bundesrates aufzugreifen, ein Gesetz über den Zugang zu und den Umgang mit Geodaten zu formulieren? Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen und zu gewährleisten, dass es für die Bürgerinnen und Bürger einen ausreichenden Schutz ihrer Privatsphäre und ihrer Daten bei Geodatendiensten und bei der Erhebung, Vorbereitung und Veröffentlichung von Geodaten gibt? Der Bundesminister des Innern hat am 20. September 2010 ein Spitzengespräch unter anderem mit Vertretern der Geodatendienste und Vertretern des Datenschutzes durchgeführt. Er beabsichtigt, Anfang Dezember einen Gesetzentwurf vorzustellen, in dem insbesondere Grenzen für Verknüpfungen und Veröffentlichungen von Profilbildungen im Internet geregelt werden sollen, die nicht überschritten werden dürfen. Darüber hinaus ist die Industrie aufgerufen, zu weiteren Fragen bis zum 7. Dezember 2010 einen Datenschutzkodex zu erarbeiten, der im Wege einer Selbstverpflichtung die für ihre Tätigkeit generell geltenden Bestimmungen regeln soll. Sollte dies der Industrie nicht gelingen, behält sich der Bundesminister des Innern vor, auch insoweit gesetzliche Regelungen vorzuschlagen. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/3007, Frage 8): Welche Auswirkungen hat der Widerspruch der Bundesregierung hinsichtlich der Darstellung des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy nach dem Europäischen Rat am 16. September 2010, dass auch die Bundesregierung Abschiebungen von Roma beabsichtigt, auf die Praxis der Rückführung von Roma und anderen Minderheiten aus Deutschland in das Kosovo? Keine. Personen, die aus anderen als EU-Mitgliedstaaten stammen bzw. nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen, sind im Gegensatz zu Unionsbürgern nicht freizügigkeitsberechtigt innerhalb der EU, sondern unterliegen vollumfänglich der deutschen (nationalen) Ausländergesetzgebung. Dies gilt auch für (ausreisepflichtige) Personen aus der Republik Kosovo, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Die Feststellung der Ausreisepflicht und der Vollzug der Rückführungen erfolgen dabei nach den Maßgaben des Aufenthaltsgesetzes und fallen in die Verantwortung der Ausländerbehörden der Länder. Im Übrigen sieht das Aufenthaltsgesetz eine Einzelfallprüfung vor und stellt nicht auf ethnische Zugehörigkeiten ab. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/3007, Frage 9): Inwiefern setzt sich die Bundesregierung innerhalb der Europäischen Union einerseits und im Europarat andererseits für die Rechte der Roma, insbesondere das Recht auf Nichtdiskriminierung, ein? Die Bundesregierung unterstützt alle von der Europäischen Union und dem Europarat initiierten Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Roma und Sinti in Europa: Die Europäische Kommission veröffentlichte im April 2010 einen Bericht zu den Fortschritten der Integration der Roma. Auf europäischer Ebene besteht bereits ein umfassendes legislatives, finanzielles und politisches Instrumentarium zur Förderung der Integration der Roma, das zur Förderung der Integration der Roma genutzt werden kann. Ansätze für deren effiziente Nutzung sollen entwickelt werden. Ziel der Kommission ist es, dass eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen europäischen, nationalen und internationalen Akteuren und Vertretern der Roma-Gemeinschaft stattfindet sowie eine Umsetzung der entsprechenden Ansätze auch auf lokaler Ebene sichergestellt wird. Ferner sollen eine umfassende Nutzung der EU-Fonds zur Bekämpfung der Ausgrenzung der Roma ermöglicht und spezielle Strategien zur Aufhebung der Segregation mithilfe des Strukturfonds entwickelt werden. Es besteht keine allgemeine Kompetenz der Europäischen Union für Minderheitenschutz. Die EU hat vielmehr im Rahmen der Gleichbehandlungspolitik verschiedene Richtlinien erlassen, so zum Beispiel zur Situation von Frauen, der Bildung, der Wohnung, des Zugangs zum Gesundheitssystem und zum Arbeitsmarkt. Zu nennen sind insbesondere die Richtlinie über die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse (2000/43/EG) und die Richtlinie zur Gleichbehandlung im Bereich der Beschäftigung (2000/78/EG). Der Europarat setzt sich auf vielfältige Weise gegen Diskriminierung und Intoleranz gegenüber Roma ein. Insbesondere das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten aus dem Jahr 1995 sowie die Charta der Regional- oder Minderheitensprachen von 1992 schützen die Rechte der Sinti und Roma. Ferner sind zahlreiche Rechte durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert, die das wichtigste Instrument des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten darstellt. Bereits im Jahr 1995 wurde beim Europarat die Expertengruppe für Sinti und Roma (MG-S-ROM) gegründet, um die Mitgliedstaaten zu beraten und die Integration von Roma zu fördern. Deutschland ist Mitglied in dieser Expertengruppe und auf europäischer Ebene ein wichtiger Partner dieser Minderheit. Es besteht keine allgemeine Kompetenz der Europäischen Union für Minderheitenschutz. Die EU hat vielmehr im Rahmen der Gleichbehandlungspolitik verschiedene Richtlinien erlassen, so zum Beispiel zur Situation von Frauen, der Bildung, der Wohnung, des Zugangs zum Gesundheitssystem und zum Arbeitsmarkt. Zu nennen sind insbesondere die Richtlinie über die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse (2000743/EG) und die Richtlinie zur Gleichbehandlung im Bereich der Beschäftigung (2000/78/EG). Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Hönlinger (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3007, Frage 14): Hat aus Sicht des Bundesministeriums der Justiz das gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern verfasste Rechtsgutachten vom 1. Juni 2010 zur Zustimmungsbedürftigkeit einer Änderung des Atomgesetzes zur Verlängerung der Laufzeit von Kernkraftwerken weiter Gültigkeit? Die Bundesregierung berücksichtigt bei ihrer Bewertung der Zustimmungsbedürftigkeit bzw. Zustimmungsfreiheit von Gesetzen insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Durch die am 11. Juni 2010 verkündete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz sieht sich die Bundesregierung in der bereits in dem internen Gutachten der Verfassungsressorts vom 1. Juni 2010 entwickelten Auffassung bestätigt. Sie geht davon aus, dass eine Laufzeitverlängerung im nunmehr vorgesehenen Umfang weder zur Übertragung neuer Aufgaben an die Länder noch dazu führt, dass bestehenden Aufgaben der Länder in diesem Bereich ein neuer Inhalt oder eine wesentliche andere Bedeutung und Tragweite verliehen würde. Mit den vorgesehenen zusätzlichen Elektrizitätsmengen wird die in dem Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung vom 22. April 2002, BGBl. I Seite 1351, zugrunde gelegte Regellaufzeit der einzelnen Anlagen ab Beginn des kommerziellen Leistungsbetriebs, vergleiche Bundestagsdrucksache 14/6890, Seite 21 f., moderat erweitert. Dies führt aufseiten der Aufsichtsbehörden der Länder lediglich zu einer quantitativen Erhöhung der Aufgabenlast. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Dorothea Steiner (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3007, Frage 15): Gab es zwischen Mitarbeitern der Bundesministerien der Justiz und des Innern im Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis zum 5. September 2010 Arbeitstreffen mit dem Ziel, eine zwischen beiden Häusern abgestimmte Position zur Frage der Zustimmungsbedürftigkeit von Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke im Bundesrat zu entwickeln oder weiterzuentwickeln, und, wenn ja, wann gab es diese Treffen? In welcher Form die Bundesregierung ihre Willensbildung durch Mitarbeiter vorbereiten lässt, steht in ihrem Ermessen. Im Rahmen des Abstimmungsprozesses hat es zahlreiche Kontakte gegeben. Ein Arbeitstreffen fand am 27. Juli 2010 statt; daneben gab es selbstverständlich auch telefonische Gespräche. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Werner Schieder (Weiden) (SPD) (Drucksache 17/3007, Frage 16): Nach welchem Schlüssel soll nach Ansicht der Bundesregierung die von ihr selbst auf europäischer Ebene vorgeschlagene Finanztransaktionsteuer auf die einzelnen EU- bzw. Euro-Länder verteilt werden, und soll dafür die Erfassung der Umsätze an den jeweiligen Finanzplätzen gelten mit der Folge, dass der größte Teil des Aufkommens nur wenigen Ländern zufließen würde, oder soll ein anderer Verteilungsmaßstab angewendet werden? Die Diskussion über eine auf EU-Ebene harmonisierte bzw. koordinierte Einführung einer Finanztransaktionsteuer steht noch ganz am Anfang. Am 7. September 2010 haben sich die Finanzminister im ECOFIN-Rat erstmalig mit der Frage beschäftigt, inwieweit die Finanzbranche auch durch einen steuerlichen Beitrag an den Kosten der internationalen Finanzkrise beteiligt werden kann. Hier sind noch umfangreiche Arbeiten zur Frage der tatsächlichen Ausgestaltung einer Finanztransaktionsteuer erforderlich. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/3007, Frage 17): Wie begründet die Bundesregierung die unterschiedlich hohen Steuersätze im Gesetzentwurf für eine Luftverkehrsteuer für die touristisch besonders relevante Mittelmeerregion, und ist die Bundesregierung dazu bereit, insbesondere wegen der besonderen Beziehungen zu Israel die Flüge dorthin nicht höher als die in die Nachbarstaaten zu besteuern? Die Bundesregierung hat sich in ihrem Entwurf für ein Luftverkehrsteuergesetz bei den Steuersätzen für eine Abstufung nach klar festgelegten Distanzklassen entschieden. Eine Abweichung von dieser an Entfernungen orientierten klaren und nachvollziehbaren Einordnung zugunsten einer einheitlichen Behandlung des gesamten Mittelmeerraums wäre willkürlich. Andere Staaten könnten eine solche willkürliche Einordnung von Ländern nach touristischen Interessen als Diskriminierung empfinden. Flüge nach Israel werden nicht höher besteuert als Flüge in die Nachbarstaaten (Ägypten, Jordanien, Libanon, Syrien). Der Steuersatz beträgt für diese Staaten einheitlich 25 Euro. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/3007, Frage 18): Werden Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenkasse in Zukunft in Höhe der tatsächlichen Zusatzbeiträge oder in Höhe des durchschnittlichen vom Bundesversicherungsamt berechneten Zusatzbeitrages bei der Einkommensteuer anrechenbar, und in welcher Höhe werden durch die Abschreibbarkeit der Zusatzbeiträge Steuermindereinnahmen jeweils für Bund, Länder und Kommunen entstehen, wenn die abschreibbaren Zusatzbeiträge 10 Euro, 50 Euro oder 100 Euro betragen? Nach geltendem Recht sind als Sonderausgaben diejenigen Beiträge anzusetzen, die aufgewendet werden müssen, um einen Basiskrankenversicherungsschutz zu erwerben. Das BVerfG hat in seiner entsprechenden Entscheidung ausdrücklich darauf abgestellt, dass auf die tatsächlich geleisteten Beiträge abzustellen ist. Grundsätzlich sind Zusatzbeiträge in den genannten Höhen als Sonderausgaben abziehbar. Sie vermindern somit das zu versteuernde Einkommen. Die Steuermindereinnahmen hängen von den steuerlichen Verhältnissen und den individuellen Zusatzbeiträgen im Einzelfall ab. Sie sind auf Basis der in der Fragestellung unterstellten Zusatzbeiträge nicht aussagekräftig bezifferbar. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/3007, Frage 19): Wie begründet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen Finanznot der Kommunen die Gewerbesteuerfreiheit bei selbstständigen Einkünften und Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, auch vor dem Hintergrund der historischen Begründung bei Schaffung der Ausnahme aus dem Jahr 1937, wonach "die Grundsätze des Nationalsozialismus eine Herausnahme der freien Berufe aus der Gewerbesteuer erfordern", RStBl. 1937, Seite 693, und welche steuerlichen Mehreinnahmen ergeben sich, wenn Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit und Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auch der Gewerbesteuer unterliegen, bei einem einheitlichen Hebesatz von 400 Prozent? Der Gewerbesteuerpflicht unterliegen ausschließlich gewerbliche Unternehmer. Freiberufler und Land- und Fortwirte unterliegen hingegen nicht der Gewerbesteuerpflicht. Spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer im Jahr 1969 kann diese Ungleichbehandlung als gerechtfertigt angesehen werden. Begründung hierfür ist der bis heute bestehende grundsätzliche Unterschied in der Kombination von Produktmitteln, Arbeit und Kapital. Des Weiteren sind Besonderheiten wie Dauer und Art der Ausbildung zu berücksichtigen. Insbesondere aufgrund der Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Kommunalfinanzen hat die Bundesregierung allerdings eine Kommission eingerichtet, die Vorschläge für eine Neuordnung der Gemeindefinanzierung erarbeiten soll. Eines der zentralen Elemente ist dabei die Prüfung von Maßnahmen zur Reformierung der Gewerbesteuer. Im Rahmen der Gemeindefinanzkommission wird unter anderem auch das von den kommunalen Spitzenverbänden vorgelegte Modell - sogenanntes Kommunalmodell - geprüft. Die Einbeziehung von Freiberuflern in die Gewerbesteuer ist ein Element dieses Modells. Eine abschließende Bezifferung wird erst nach der Sitzung des Arbeitskreises Quantifizierung vorliegen. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/3007, Frage 20): Welche steuerlichen Mindereinnahmen ergeben sich jeweils für die Jahre 2004 bis 2009, wenn das Kurzarbeitergeld nach § 32 b Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes, EStG, nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegen würde, und wie begründet die Bundesregierung den Widerspruch, dass zwar das Kurzarbeitergeld, obgleich es steuerfrei gestellt ist, die steuerliche Leistungsfähigkeit erhöhen soll, gleichwohl zum Beispiel die steuerfreien 40 Prozent der Dividenden im Betriebsvermögen nach § 3 Nr. 40 d EStG nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegen, obwohl diese ebenfalls die steuerliche Leistungsfähigkeit erhöhen würden? In der amtlichen Steuerstatistik sind die Angaben über die Entgeltersatzleistungen wie Arbeitslosengeld I, Kurzarbeitergeld, Elterngeld, unter anderem in einer Summe ausgewiesen. Daher ist die erbetene Bezifferung nicht möglich. Es besteht kein Widerspruch zwischen der steuerlichen Behandlung von Kurzarbeitergeld und von Dividenden. Das Teileinkünfteverfahren ist mit der steuerlichen Behandlung von Kurzarbeitergeld nicht vergleichbar. Das Kurzarbeitergeld selbst ist weder bei der auszahlenden Stelle noch beim Empfänger steuerpflichtig. Beim Teileinkünfteverfahren unterliegen hingegen die betreffenden Gewinne sowohl bei der ausschüttenden Kapitalgesellschaft als auch teilweise beim Dividendenempfänger einer Steuerbelastung. Im Teileinkünfteverfahren orientiert sich die steuerliche Gesamtbelastung ausgeschütteter Gewinne von Kapitalgesellschaften aus Gründen der Belastungsneutralität an der steuerlichen Belastung der Gewinne von Personenunternehmen. Die zusätzliche Anwendung des Progressionsvorbehalts würde zu einer überhöhten Belastung und damit zu einer Benachteiligung von in Kapitalgesellschaften erwirtschafteten Gewinnen führen. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Thomas Nord (DIE LINKE) (Drucksache 17/3007, Frage 21): Welchen Standpunkt nimmt die Bundesregierung im Hinblick auf die Schaffung einer neuen Leitwährung ein, wie sie zum Beispiel in dem Gutachten des Internationalen Währungsfonds vom 13. April 2010 mit dem Ziel der Ablösung des Dollars als Leitwährung gefordert wird? Vorwegzuschicken: Mit dem angesprochenen IWF-Papier will der IWF zur Diskussion um die Weiterentwicklung des Internationalen Währungssystems, IWS, beitragen. Es konzentriert sich auf Fragen und Probleme des Aufbaus hoher Devisenreserven und weist auf Vorteile, aber auch Nachteile einer stärker diversifizierten Reservestruktur hin. Auch nach dem Ende des Bretton-Woods-Systems im Jahr 1973 ist der US-Dollar die internationale Hauptreservewährung geblieben, wenngleich seine Bedeutung relativ gesunken ist. Soweit eine Anzahl von Entwicklungs- und Schwellenländern ihre Währungen in zum Teil unterschiedlicher Form an den Dollar gebunden hat, nimmt der Dollar auch heute noch die Funktion einer internationalen Leitwährung ein. Zu berücksichtigen ist bei Diskussionen um eine Reform des globalen Währungssystems aus Sicht der Bundesregierung, dass sich die Funktion einer Leitwährung am Markt herausbilden sollte und nicht einfach festgelegt werden kann. Auch darf die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank nicht infrage gestellt werden. Ein verordneter Wechsel vom US-Dollar auf eine andere Währung wäre für die Stabilität der Weltwirtschaft sicher ein großes Risiko und auf administrativem Weg kaum realisierbar. Entscheidend für die Herausbildung einer international bedeutenden Rolle einer Währung ist Vertrauen. Entscheidend für die Bundesregierung bei allen Reformüberlegungen ist, dass es nicht zu abrupten Veränderungen kommt, sondern dass diese graduell vollzogen werden. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Thomas Nord (DIE LINKE) (Drucksache 17/3007, Frage 22): Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des französischen Staatspräsidenten, dass die Vormachtstellung des Dollars überholt sei, bzw. beabsichtigt sie, in diesem Zusammenhang eigene währungspolitische Vorschläge zu unterbreiten? Vor dem Hintergrund der weltwirtschaftlichen Entwicklungen ist langfristig - und als Ergebnis des bereits stattfindenden allmählichen Prozesses - eine geringere Gewichtung des US-Dollars im internationalen Währungsgefüge denkbar. Der französische Staatspräsident hat bei einer Rede am 25. August 2010 die Prioritäten Frankreichs für die G20 skizziert und dabei auch die Diskussion möglicher Reformen im internationalen Währungssystem genannt. Die Bundesregierung wird sich an dieser Diskussion aktiv beteiligen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/3007, Frage 23): Inwieweit hat sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit den anderen Bundesministerien vor der Erstellung eines ersten Entwurfs für den Bundeshaushalt 2011 dahin gehend abgestimmt, welche Schwerpunktsetzungen der Tourismusförderung die anderen Fachressorts vornehmen, und welche Vorstellungen hat das Bundeswirtschaftsministerium dazu konkret eingebracht? Eine direkte Förderung des Tourismus erfolgt ausschließlich im Bereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, BMWi. Die anderen Bundesressorts haben jeweils eigene Schwerpunktsetzungen mit einer lediglich indirekten Wirkung auf den Tourismus. Die einzelnen Bundesministerien stimmen sich jedoch regelmäßig sowohl auf Arbeits- als auch auf Leitungsebene über politische Maßnahmen mit Tourismusbezug ab. Das BMWi veranstaltet zu diesem Zweck Ressortbesprechungen oder bilaterale Gespräche mit einzelnen Bundesministerien. Die Erstellung ihrer Haushaltsentwürfe übernehmen die einzelnen Häuser jedoch in eigener Regie. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache 17/3007, Frage 26): Hat die Bundesregierung bei ihrer Entscheidung für eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken berücksichtigt, dass die Marktmacht der vier großen Energiekonzerne auf Jahre zementiert wird, und welche Maßnahmen trifft die Bundesregierung zur wettbewerbsneutralen Ausgestaltung der beabsichtigten Laufzeitverlängerung? Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Laufzeitverlängerung keine nachteiligen Wirkungen auf den Wettbewerb im Energiesektor zur Folge hat. Denn der überwiegende Teil der Zusatzgewinne aus einer Laufzeitverlängerung wird über vertraglich zu vereinbarende Zahlungen der Kernkraftwerksbetreiber zugunsten des Bundes abgeschöpft. Damit wird einer wirtschaftlichen Besserstellung der Kernkraftwerksbetreiber vorgebeugt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Haushaltskonsolidierung eine Kernbrennstoffsteuer eingeführt wird, die ebenfalls die Kernkraftwerksbetreiber in Deutschland belastet. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3007, Frage 27): Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Intensität wurde das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, BMVBS, am Entwurf des Energiekonzepts beteiligt? Die federführenden Ressorts, das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, BMWi, und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, haben das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, BMVBS, rechtzeitig und umfassend an den Überlegungen zum Energiekonzept beteiligt. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) (Drucksache 17/3007, Frage 28): Wie hat die Bundesregierung die Entschließung auf Bundestagsdrucksache 16/11234 (neu) umgesetzt und darauf hingewirkt, dass in nationale Erhebungen, Studien und sonstige Foren zum Thema Bildung Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf einbezogen werden, und sichergestellt, dass im nationalen Bildungspanel NEPS - National Educational Panel Study - im Rahmen des Programms zur strukturellen Förderung der empirischen Bildungsforschung in Deutschland Menschen mit Behinderung in einem deutlich größeren Umfang befragt werden, um empirisch gesicherte, aussagekräftige und vergleichbare Schlussfolgerungen über die Bildungserfolge dieser Gruppe ziehen zu können, sowie dafür Sorge getragen, dass im Rahmen einer Forschungsstudie die Frage der Chancengleichheit beim Übergang auf den Arbeitsmarkt von behinderten Kindern von Förderschulen gegenüber behinderten Kindern von einbeziehenden Regelschulen untersucht wird? Die Bundesregierung wirkt nachdrücklich auf die Einbeziehung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Erhebungen, Studien etc. zum Thema Bildung hin. So weist auch der Nationale Bildungsbericht 2010 eine Vielzahl von Daten für diese Personengruppe aus. Im Nationalen Bildungspanel (NEPS) finden Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine besondere Berücksichtigung. Bestandteil des NEPS für den Förderzeitraum 2009 bis 2013 bzw. die Panelwellen 1 (2010) bis 4 (2013) ist auch eine repräsentative Stichprobe von Schülerinnen und Schülern, die eine Förderschule für Lernbehinderung besuchen. Um sicherzustellen, dass Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in angemessener Weise berücksichtigt werden, wird eine übergroße Stichprobe vorgenommen, sodass jeweils 1 000 Schüle-rinnen und Schüler in den Wellen 2010 bis 2013 (Klas-se 1, Klasse 5, Klasse 9), ergänzt um eine zusätzliche Stichprobe der Bundesagentur für Arbeit von 750 Schülerinnen und Schülern, ins Paneldesign integriert werden. Förderschülerinnen und -schüler mit weiteren Behinderungen werden in der 2. Förderperiode (ab 2014) sukzessive ins Nationale Bildungspanel aufgenommen. Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist bereits in der 1. (derzeit laufenden) Förderphase vertreten, allerdings noch nicht in ausreichender, repräsentativer Größenordnung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert im Rahmen seiner Berufsbildungsforschungsinitiative eine Studie zum Thema "Zugangswege junger Menschen mit Behinderung in Ausbildung und Beruf". Es wird dabei vom Bundesinstitut für Berufsbildung Bonn fachlich und administrativ unterstützt. Ziel der Studie ist es, einen Überblick über die in den Bundesländern vorstrukturierten Wege und Zugangschancen von jungen Menschen mit Behinderung, insbesondere mit einem Potenzial für eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, in Ausbildung und Beschäftigung und ihre jeweiligen spezifischen Rahmenbedingungen herzustellen. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) (Drucksache 17/3007, Frage 29): Beurteilt die Bundesregierung den derzeitigen Stand der Barrierefreiheit in den Liegenschaften des Bundes, insbesondere der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, als ausreichend, und wird die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem Behindertenbeauftragten die Barrierefreiheit in diesen Liegenschaften zur Vermeidung von berufs- und belastungsbedingten chronischen Erkrankungen finanziell und ideell fördern? Die Ziele des Behindertengleichstellungsgesetzes zur Herstellung der Barrierefreiheit werden umgesetzt. Dies gilt selbstverständlich auch für die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Die Bundesanstalt und die von ihr beauftragten Bauverwaltungen berücksichtigen die Anforderungen an Barrierefreiheit bei allen Baumaßnahmen. Seit Februar 2009 gilt eine neue DIN-Norm sowohl bei öffentlich zugänglichen Gebäuden als auch für Wohnungen aus dem Bestand des Anlagevermögens. Damit werden auch die Inhalte der UN-Behindertenrechtskonvention zum barrierefreien Bauen erfüllt. Darüber hinaus hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in einer Integrationsvereinbarung zur Eingliederung schwerbehinderter Menschen unter anderem die Ziele der Gewährleistung eines barrierefreien Zugangs zum Arbeitsplatz und einer barrierefreien Gestaltung des Arbeitsplatzes aufgenommen. Allerdings kann bei Bestandsbauten Barrierefreiheit nur schrittweise hergestellt werden. Bei zivilen Neubauten sowie bei großen zivilen Um- oder Erweiterungsbauten plant und baut der Bund grundsätzlich barrierefrei. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/3007, Fragen 30 und 31): Welche Programme und Projekte auf behindertenpolitischem Gebiet wurden bzw. werden in Weißrussland durch die Bundesregierung seit 2006 - bitte jeweilige Maßnahme, Zeitraum, finanziellen Umfang, beteiligte Behindertenorganisationen und zuständige Bundesbehörde nennen - gefördert bzw. unterstützt? Welche Programme und Projekte auf behindertenpolitischem Gebiet wurden bzw. werden in Kasachstan durch die Bundesregierung seit 2006 - bitte jeweilige Maßnahme, Zeitraum, finanziellen Umfang, beteiligte Behindertenorganisationen und zuständige Bundesbehörde nennen - gefördert bzw. unterstützt? Zu Frage 30: Die Bundesregierung hat im oben genannten Zeitraum folgende Programme und Projekte unterstützt: Aus dem Titel 687 06, Förderung privater Träger: Unterstützung des Vereins "Leben nach Tschernobyl e. V.", deutscher Träger, beim behindertengerechten Aus- und Umbau sowie Installation von sanitären Einrichtungen eines Kinderschlafhauses im Rehabilitations- und Erholungszentrum NADESHDA. Die Förderung beträgt einmalig 75 000 Euro, und Unterstützung des Vereins "Sozialpädagogische Initiative Nahe e. V.", deutscher Träger, zugunsten des Ausbaus eines Zentrums für selbstständiges Leben und Arbeiten für Menschen mit Behinderungen. Die Förderung beträgt einmalig 35 300 Euro. Aus dem Titel 896 03, Technische Zusammenarbeit: Im Rahmen eines Förderprogramms zur Unterstützung der Zivilgesellschaft werden auch Vorhaben auf behindertenpolitischem Gebiet gefördert. Hierbei handelt es sich um Maßnahmen zur Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten für behinderte Menschen und Maßnahmen zur Integration von behinderten Menschen in Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen. Insgesamt wurden in den Jahren 2002 bis 2008 18 Projekte abgeschlossen. In der aktuellen Phase des Förderprogramms von 2009 bis 2011 werden 7 weitere Projekte in diesem Bereich unterstützt. Diese Maßnahmen im Rahmen der Behindertenarbeit werden insgesamt pro Jahr mit circa 300 000 Euro gefördert. Auf weißrussischer Seite sind die wesentlichen Partner der Verein Belapti (Elternselbsthilfeverein), Partner in der orthodoxen Kirche und verschiedene lokale Behinderteneinrichtungen. Auf deutscher Seite ist der Hauptpartner die von Bodelschwinghsche Anstalt Bethel. Zu Frage 31: Die Bundesregierung hat seit 2006 verschiedene Kleinstprojekte für insgesamt rund 50 000 Euro durchgeführt. Die Projekte wurden in Astana, Semipalatinsk und in der ostkasachischen Stadt Ust-Kamenogorsk durchgeführt. Das Projekt in Ust-Kamenogorsk findet im Rahmen des Jahres "Deutschland in Kasachstan 2010" statt. Es fördert Werkstätten, in denen behinderte mit nicht behinderten Menschen in gemeinsame Aktivitäten eingebunden werden. Dieses Projekt wird mit circa 24 000 Euro gefördert. Die Unterstützung der anderen Projekte liegt jeweils unter 10 000 Euro. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen des Abgeordneten Werner Dreibus (DIE LINKE) (Drucksache 17/3007, Fragen 32 und 33): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass die Neuausschreibung und Vergabepraxis der User-Helpdesk-Dienstleistungen der Bundesagentur für Arbeit zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der Entlohnung der Beschäftigten bei den beauftragten Dienstleistern - bzw. seinen Tochterfirmen oder dritten Beauftragten - führen, und inwiefern ist diese Entwicklung auf das Wirtschaftlichkeitskonzept der Bundesagentur für Arbeit zurückzuführen? Was war der Grund dafür, die User-Helpdesk-Dienstleistungen der Bundesagentur für Arbeit an externe Dienstleister zu vergeben, statt sie von der Behörde selbst zu erbringen, und wann werden die User-Helpdesk-Dienstleistungen neu ausgeschrieben bzw. vergeben? Zu Frage 32: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass die Neuausschreibung der User-Helpdesk-Dienstleistungen der Bundesagentur für Arbeit zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und Entlohnung der Beschäftigten bei den beauftragten Dienstleistern bzw. ihren Tochterfirmen oder dritten Beauftragten geführt hat. Die Bundesagentur für Arbeit hat mitgeteilt, dass sich im Rahmen der vertraglich vereinbarten Überprüfung des Preis-Leistungs-Verhältnisses eine geringfügige Preisreduzierung ergeben hat. Diese Preissenkung wurde einvernehmlich zwischen den Vertragsparteien beschlossen. Eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der Entlohnung der Beschäftigten des Dienstleisters ist hierbei nicht ersichtlich, da das Preis-Leistungs-Verhältnis nach wie vor marktüblich ist. Zu Frage 33: Die Bundesagentur für Arbeit verfolgt im Geschäftsbereich IT eine "Wertschöpfungsstrategie". Diese sieht grundsätzlich vor, dass planerische und steuernde Aufgaben primär mit eigenem Personal durchgeführt werden, während rein operative und marktübliche Aufgaben extern oder mit externer Unterstützung abgewickelt werden. Im Vorfeld der Vergabe wurden von der Bundesagentur für Arbeit umfangreiche Modelle für den Betrieb eines User Helpdesks betrachtet. Hierbei wurden insbesondere ein interner Betrieb, ein externer Betrieb und ein Mischbetrieb intern/extern untersucht. Im Rahmen einer umfangreichen Markterkundung wurden Preisinformationen eingeholt. Unter Beteiligung des Bundesrechnungshofes wurde eine Empfehlung für einen externen Betrieb abgegeben. Eine Neuausschreibung der Dienstleistung ist für das Jahr 2012 vorgesehen. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/3007, Frage 34): Wie viel Geld hat die Bundesagentur für Arbeit in den letzten zehn Jahren für die Beauftragung externer Callcenter-Dienstleister ausgegeben - bitte den Dienstleister, seine Beschäftigtenzahlen und Aufgabe nennen sowie aus welchem Haushaltstitel der Bundesagentur für Arbeit die Gelder bestritten wurden -, und inwiefern wenden diese Dienstleister - bzw. Tochterfirmen bzw. von ihnen beauftragte Dritte - Tarifverträge der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und PSA, CGZP, und des Arbeitgeberverbandes Mittelständischer Personaldienstleister, AMP, an? Zu der Frage, wie viel Geld die Bundesagentur für Arbeit in den letzten zehn Jahren für die Beauftragung externer Callcenter-Dienstleister ausgegeben hat, liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. Im Oktober 1998 wurde von der Bundesagentur für Arbeit mit der Firma Elektronic-Data-Service, EDS, ein Vertrag über die Erstellung eines Feinkonzeptes, die Planung, den Aufbau und die Implementierung eines User Helpdesks sowie dessen operativen Betrieb geschlossen. Der Vertrag endete im April 2005. Zum 30. Dezember 2003 wurde von der Bundesagentur für Arbeit mit der Firma T-Systems ein Vertrag für die Erstellung, Implementierung und Weiterentwicklung einer webbasierten Anwendung zur Leistungsgewährung von Arbeitslosengeld II geschlossen, der auch den Betrieb eines User Helpdesks enthielt. Der Vertrag endete zum 30. März 2006. Zum Mai 2005 wurde von der Bundesagentur für Arbeit mit der Firma Computacenter ein Vertrag über den operativen Betrieb des zentralen User Helpdesks in vollem Umfang geschlossen. Alle drei Verträge wurden nach wettbewerblichen Verfahren vergeben, in denen der jeweils wirtschaftlichste Bieter den Zuschlag erhalten hat. Informationen über die Mitarbeiterzahlen der Dienstleister oder die von ihnen angewendeten Tarifverträge liegen der Bundesregierung nicht vor. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/3007, Frage 35): Haben die Firmen Computacenter/Sellbytel/Helpbycom sowie beauftragte Leiharbeitsfirmen, die für die Bundesagentur für Arbeit das User Helpdesk betreiben, Gelder aus der Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung erhalten, und, wenn ja, um welchen Betrag - bitte einzeln nach Unternehmen, Art der Fördermaßnahme mit dem entsprechenden Betrag aufführen - handelt es sich dabei? Zur Abwicklung der Verträge wurden keine Mittel der Arbeitsförderung eingesetzt. Ob Gelder aus der Wirtschaftsförderung bewilligt wurden, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU ) (Drucksache 17/3007, Frage 39): Welche Pläne hat die Bundesregierung für die Weiterführung der Mehrgenerationenhäuser in den Landkreisen, und unter welchen Bedingungen ist die Fortführung der bisherigen finanziellen Unterstützung auch perspektivisch möglich? Im Bundesfamilienministerium hat sich in den vergangenen Wochen eine interne Arbeitsgruppe mit Überlegungen befasst, die insbesondere auf die Weiterentwicklung des Konzepts der Mehrgenerationenhäuser als Teil der lokalen Infrastruktur zielen. Diese Arbeitsgruppe hat inzwischen erste Ergebnisse vorgelegt, die derzeit hausintern geprüft werden. Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, werden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages zeitnah über die Vorstellungen der Bundesregierung zu einer möglichen Weiterentwicklung des Konzepts der Mehrgenerationenhäuser informiert. Es ist außerdem beabsichtigt, noch in diesem Jahr auf die Länder zuzugehen und ihnen die bisherigen Ergebnisse und Fortschritte der Mehrgenerationenhäuser zu präsentieren. Ziel ist dabei, sowohl die Bedeutung der Vielfalt der generationenübergreifenden Arbeit der Mehrgenerationenhäuser darzustellen, als auch einen Appell an die Länder (und Kommunen) zu richten, ihrer jeweiligen lokalen Verantwortung im eigenen Interesse aber auch im Interesse einer Nachhaltigkeit für die gut aufgestellten Mehrgenerationenhäuser und deren "Nutzerkreis" gerecht zu werden. Von enormer Bedeutung ist zudem, dass das Aktionsprogramm auch vor Ort konstruktiv begleitet und dabei auch die Einrichtungen unterstützt werden. Diese Unterstützung vor Ort ist für die lokale Akzeptanz und damit für den nachhaltigen Erfolg der Häuser sehr wichtig. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Fragen der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksache 17/3007, Fragen 40 und 41): Trifft es zu, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BMFSFJ, der MaschmeyerRürup AG einen Auftrag zur Ausgestaltung des Konzepts einer Familienpflegezeit erteilt hat, und, wenn ja, welche konkreten Ergebnisse hat dieser Auftrag ergeben? Inwieweit hat das BMFSFJ die Ergebnisse der Maschmeyer- Rürup AG in die Ausgestaltung des Konzepts einer Familienpflegezeit einbezogen, und, wenn ja, um welche Punkte - bitte konkrete Angaben hierzu - handelt es sich dabei? Zu Frage 40: Das Konzept der Familienpflegezeit wurde ausschließlich durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, ohne die Konsultation externer Sachverständiger, erstellt. Im Anschluss wurde das fertige Konzept der MaschmeyerRürup AG zur Validierung vorgelegt. Es ist ein absolut üblicher und richtiger Vorgang, die Praxistauglichkeit und die Machbarkeit von in den Ministerien entwickelten Konzepten von externen Sachverständigen überprüfen zu lassen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat der MaschmeyerRürup AG also keinen Auftrag zur Ausgestaltung des Konzepts der Familienpflegezeit erteilt. Richtig ist, dass die MaschmeyerRürup AG mit der Durchführung einer Analyse zur praktischen Umsetzbarkeit der in dem Konzept vorgesehen Arbeitszeitkontenmodelle betraut wurde. Die Expertise befasst sich auch mit dem im Konzept enthaltenen Versicherungselement zur Absicherung des Risikos gegen Erwerbs- und Berufsunfähigkeit während der Familienpflegezeit. Zu Frage 41: Wie bereits in der Beantwortung zu Frage 40 erläutert, war die Konzeption der Familienpflegezeit bereits abgeschlossen, bevor die MaschmeyerRürup AG zur Überprüfung des Konzeptes konsultiert wurde. Der Auftrag von Professor Rürup bestand unter anderem darin, die Machbarkeit der in der Familienpflegezeit geplanten Versicherungslösung hinsichtlich der Kalkulationsgrundlagen zu überprüfen und die für das Konzept erforderlichen versicherungsmathematischen Berechungen zu bewerten. Die Prüfung fiel positiv aus, sodass eine Anpassung des Konzeptes nicht erforderlich war. Anlage 36 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Annette Widmann-Mauz auf die Fragen des Abgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE ) (Drucksache 17/3007, Fragen 42 und 43): Wie rechtfertigt die Bundesregierung die im GKV-Finanzierungsgesetz geplante ungleiche Behandlung von Arbeitslosengeld-II- und Sozialhilfebeziehern bezüglich der Übernahme von Zusatzbeiträgen, und gibt es dafür sachliche Gründe jenseits der Zustimmungspflichtigkeit in Bezug auf den Gesetzentwurf im Bundesrat? Welche Mehrbelastungen werden den Kommunen durch die Pflicht zur Übernahme der Zusatzbeiträge von Sozialhilfebeziehern - bei Annahme eines durchschnittlichen Zusatzbeitrages von 10, 20, 30, 40, ..., 100 Euro - gegenüber der derzeitigen gesetzlichen Regelung - Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes bei Kostendeckung des Fonds von unter 95 Prozent - entstehen, und ist für sie ein Ausgleich vorgesehen? Zu Frage 42: Der von der Bundesregierung am 22. September 2010 beschlossene Entwurf eines Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz - GKV - FinG) orientiert sich so weit wie möglich an den bisherigen beitragsrechtlichen Regelungen. Bestehende Unterschiede in der beitragsrechtlichen Behandlung verschiedener Personengruppen wirken sich daher auch auf die vorgesehenen Regelungen zur Erhebung von Zusatzbeiträgen und zum Sozialausgleich aus. Nach der derzeitigen Rechtslage werden für Mitglieder, die Arbeitslosengeld II nach dem SGB II beziehen, Beiträge aus Bundesmitteln über die Träger des Arbeitslosengeldes II an den Gesundheitsfonds gezahlt. Die Zahlung von Zusatzbeiträgen ist dabei allerdings nach § 252 Abs. 1 Satz 2 SGB V ausdrücklich ausgenommen, weil Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II den Zusatzbeitrag bisher grundsätzlich selbst zahlen müssen. Es gilt nur die Härtefallklausel des § 26 Abs. 4 Satz 1 SGB II, wonach die Bundesagentur für Arbeit die Zusatzbeiträge übernehmen kann, wenn der Wechsel in eine andere Krankenkasse eine besondere Härte bedeuten würde. Für Mitglieder, die Sozialhilfe nach dem SGB XII beziehen, werden Beiträge vom zuständigen Sozialhilfeträger übernommen. Dies umfasst schon bisher nach § 32 Abs. 4 SGB XII auch die kassenindividuellen Zusatzbeiträge. Dieser Unterschied spiegelt sich auch im Entwurf des GKV-Finanzierungsgesetzes wieder. Zu Frage 43: Grundsätzlich führen Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen, die über der Einnahmeentwicklung liegen, auch zu Mehrbelastungen der Sozialhilfeträger. Dies kann über eine Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes oder über kassenindividuelle Zusatzbeiträge erfolgen, die in beiden Fällen vom Sozialhilfeträger zu übernehmen sind. Ein Vergleich der Mehrbelastungen ist von Faktoren abhängig, die aus Sicht der Bundesregierung eine genauere Angabe nicht erlauben. Für Mitglieder, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 pflichtversichert sind, sowie für freiwillig versicherte Mitglieder ist zur Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Als beitragspflichtige Einnahme gilt derzeit ein Betrag von monatlich 851,67 Euro. Sozialhilfeleistungen, die auch weitere im Haushalt lebende Angehörige umfassen, können diese Mindestbemessungsgrundlage übersteigen und würden damit auch zu höheren beitragspflichtigen Einnahmen führen. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, welcher Anteil der Mitglieder, die Sozialhilfe beziehen, nach der Mindestbemessungsgrundlage oder höher verbeitragt wird. Damit lässt sich nicht genau ermessen, wie sich eine Beitragssatzerhöhung für die Sozialhilfeträger auswirkt. Darüber hinaus zählen zu den Sozialhilfebeziehern neben den genannten Mitgliedern vor allem auch pflichtversicherte Rentnerinnen und Rentner, die Grundsicherungsleistungen erhalten. Bei diesen führt eine Beitragssatzerhöhung zu einem niedrigeren Nettozahlbetrag der Rente und in der Folge zu einem höheren Leistungsanspruch in der Grundsicherung. Der Bundesregierung liegen keine ausreichenden Daten vor, um diesen Effekt abschätzen können. Zudem lässt sich aus der Entwicklung des vorausschauend berechneten durchschnittlichen Zusatzbeitrags nicht genau ermessen, wie sich für Mitglieder, die Sozialhilfe beziehen, die kassenindividuellen Zusatzbeiträge entwickeln. So kann zum Beispiel die regionale Verteilung oder das Kassenwahlverhalten von Sozialhilfebeziehern zu Abweichungen von einem Durchschnittswert führen. Anlage 37 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Annette Widmann-Mauz auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE ) (Drucksache 17/3007, Frage 44): Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, Annette Widmann-Mauz, dass bei den Rabattverträgen für Arzneimittel ein "Stoßdämper" benötigt werde, da "man als Hersteller ja keine Chance gegen eine große Krankenkasse" habe (vergleiche hierzu auch "Einladung zur Manipulation" im Spiegel vom 20. September 2010), und wie begründet die Bundesregierung ihre diesbezügliche Auffassung? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass dort, wo in der gesetzlichen Krankenversicherung wettbewerbliche Instrumente genutzt werden, faire Wettbewerbsbedingungen für alle Beteiligten gelten müssen. Die Erfahrungen gerade mit Rabattverträgen haben gezeigt, dass Krankenkassen im Verhältnis zu den Leistungserbringern über eine erhebliche Marktmacht verfügen können. Zwar wurde mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung, GKV-OrgWG, zum Schutz der meist mittelständischen Leistungsanbieter die entsprechende Geltung der §§ 19 bis 21 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, GWB, die ein marktmissbräuchliches Verhalten von Unternehmen verbieten, angeordnet. Die §§ 19 bis 21 GWB erfassen das Vorgehen einzelner Krankenkassen und ermöglichen so eine Kontrolle bereits bestehender Marktmacht. Nicht erfasst sind jedoch Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen von Krankenkassen im Sinne des Kartellverbots. Mittlerweile aber sind Krankenkassen vielfach dazu übergegangen, gemeinsam Verträge abzuschließen. Da derartige Praktiken von Krankenkassen bei Vertragsabschlüssen von den §§ 19 bis 21 GWB nicht erfasst werden, ist es erforderlich, die Geltungsanordnung des Kartellverbots zu regeln. Die entsprechende Anwendung des § 1 GWB soll daher künftig in den § 69 aufgenommen werden. Die §§ 2 und 3 GWB, die Freistellungen vom Kartellverbot vorsehen, sollen ebenfalls entsprechend gelten. Dies stellt sicher, dass das Kartellrecht als Ordnungsrahmen umfassend auf die Einzelvertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern Anwendung findet und es auf Nachfrager-, aber auch auf Anbieterseite zu keinen unerwünschten, einer wirtschaftlichen Versorgung abträglichen Wettbewerbsbeschränkungen kommt (Kartellabsprachen und Oligopolbildung). Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU ) (Drucksache 17/3007, Frage 47): Nach welchem Zeitplan soll das planfestgestellte Vorhaben Ortsumgehung (OU) Freiberg - B 101 OU Freiberg/West; Freiberg-Brand-Erbisdorf; B 173 OU Freiberg/Ost - realisiert werden, und wie wird die Finanzierungssicherheit für dieses Projekt nach Maßgabe des Investitionsrahmenplans 2010 beurteilt? Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 22. September 2010 dem Eilantrag eines in Sachsen anerkannten Naturschutzvereins gegen den Bau der Ortsumgehung Freiberg im Zuge der Bundesstraßen B 101 und B 173 stattgegeben. Damit darf nicht mit Arbeiten zur Vollziehung des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses begonnen werden. Die Umsetzung des Projektes kann erst nach Vorlage eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses und in Abhängigkeit der dann zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel erfolgen. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) (Drucksache 17/3007, Frage 48): Mit welcher Begründung ist im Zuge der Bundesstra-ße 445 der Bau der Ortsumgehung Sebexen, dessen Finanzierung beim ersten Spatenstich im Jahr 2008 als gesichert galt, derzeit eingestellt, und wie wird seitens der Bundesregierung sichergestellt, dass trotz der eingetretenen Verzögerung die Verkehrsfreigabe wie geplant Mitte des Jahres 2012 erfolgen kann? Die Bundesstraße B 445, Ortsumgehung Sebexen ist am 14. Juli 2008 offiziell in Bau gegangen. Im Straßenbauplan, der Anlage zum Bundeshaushalt ist, ist die Maßnahme mit Gesamtkosten von rund 8,8 Millionen Euro ausgewiesen. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, dass die Bauarbeiten zum Bau der Ortsumgehung eingestellt wären. Die Baudisposition unterliegt der nach den Art. 90 und 85 des Grundgesetzes zuständigen Straßenbauverwaltung des Landes Niedersachsen. Danach hat die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr die Gesamtfertigstellung der Maßnahme für das Jahr 2012 geplant. Insoweit ergeben sich keine Verzögerungen im Hinblick auf die geplante Fertigstellung der Ortsumgehung. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache 17/3007, Frage 49): Hält die Bundesregierung an der Absicht fest, die Stadt Friedberg in Bayern mit dem Bau einer Ortsumfahrung der Bundesstraße B 300 - Nordumfahrung - zu entlasten, wie dies mit der Einstufung des Projektes in den Bundesverkehrswegeplan als Vorhaben des Weiteren Bedarfs mit Planungsrecht vorgesehen ist, oder sieht sie eine Alternativlösung zur Entlastung des Ortes darin, dass stattdessen die B 300 im Streckenabschnitt zwischen den Autobahnausfahrten Dasing und Augsburg-West auf die A 8 gelegt wird, verbunden mit einer Herabstufung der bestehenden Bundesstraße 300? Die Bundesregierung hält an den im Bedarfsplan ausgewiesenen Maßnahmen im Osten von Augsburg fest und sieht eine Verlegung der Bundesstraße B 300 über die Autobahn A 8 nicht als brauchbare Alternative zur Entlastung von Friedberg an. Das den Bedarfsplanmaßnahmen im Raum Augsburg zugrunde liegende Konzept sieht vor, neben der als Westtangente wirkenden Bundesstraße B 17 eine Osttangente für Augsburg über die Bundesstraße B 2, die St 2380 und die Bundesstraße B 300 zu schaffen. Allein durch eine von der Bürgerinitiative geforderte Abstufung würde sich die Verkehrsbelastung der Bundesstraße B 300 voraussichtlich nicht wesentlich ändern. Die als flankierende Maßnahmen geforderten Verkehrsbeschränkungen würden als Maßnahmen der Straßenverkehrs-Ordnung in die Zuständigkeit des Freistaats Bayern fallen. Für die Straßenbauverwaltung ist die Vorgabe des Bedarfsplans maßgebend. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Daniela Wagner (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/3007, Frage 53): Wird die Bundesregierung das Gebäudesanierungsprogramm der KfW Bankengruppe auf 3 Milliarden Euro jährlich erhöhen, so wie es der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Jan Mücke vorgeschlagen hat? Aufgrund der Finanzkrise und der derzeit schwierigen Haushaltslage muss das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung seinen Beitrag zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen leisten. Dennoch wird die Bundesregierung die KfW-Förderprogramme zum energieeffizienten Bauen und Sanieren (CO2-Gebäudesanierungsprogramm) weiter fortführen. In den Entwurf des Haushaltsplanes 2011 wurden mit Beschluss des Bundeskabinetts vom 7. Juli 2010 436 Millionen Euro Programmmittel eingestellt. Im Rahmen des Sondervermögens "Energie- und Klimafonds" werden voraussichtlich zusätzlich 500 Millionen Euro Programmmittel zur Verfügung gestellt. Das diesbezügliche Gesetzgebungsverfahren bleibt abzuwarten. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Daniela Wagner (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3007, Frage 54): Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass mit der Nutzung von Fördermitteln der KfW-Bankengruppe für die energetische Gebäudesanierung die Mietkostenbelastung der Mieterinnen und Mieter nach energetischen Modernisierungen deutlich begrenzt werden kann, da staatliche Fördermittel nicht auf die Miete umgelegt werden können? Die Inanspruchnahme von KfW- und sonstigen Fördermitteln für die energetische Gebäudesanierung kann die Mietbelastung für Mieterinnen und Mieter begrenzen, da erhaltene Fördermittel nach § 559 a BGB von den umlagefähigen Kosten abzusetzen sind. Anlage 43 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/3007, Frage 57): Welche konkreten Sicherheitsnachrüstungen und baulichen Ertüchtigungen fordert die Bundesregierung im Rahmen der geplanten Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke genau für den Atomreaktor Brunsbüttel, und bis wann müssen diese Maßnahmen spätestens umgesetzt werden? Fachbeamte von Bund und Ländern mit Kernkraftwerken haben in einer Arbeitsgruppe mögliche sicherheitsoptimierende Maßnahmen für die deutschen Kernkraftwerke beraten. Die Umsetzungszeitpunkte für die einzelnen Kernkraftwerke ergeben sich aus den notwendigen Prüfungen in den Aufsichts- und Genehmigungsverfahren und dem Planungs- und Umrüstungsaufwand. Anlage 44 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Dorothea Steiner (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3007, Frage 58): Welche konkreten Sicherheitsnachrüstungen und baulichen Ertüchtigungen fordert die Bundesregierung im Rahmen der geplanten Laufzeitverlängerungen für AKW genau für den Atomreaktor Biblis A, und bis wann müssen diese Maßnahmen spätestens umgesetzt werden? Fachbeamte von Bund und Ländern mit Kernkraftwerken haben in einer Arbeitsgruppe mögliche sicherheitsoptimierende Maßnahmen für die deutschen Kernkraftwerke beraten. Die Umsetzungszeitpunkte für die einzelnen Kernkraftwerke ergeben sich aus den notwendigen Prüfungen in den Aufsichts- und Genehmigungsverfahren und dem Planungs- und Umrüstungsaufwand. Anlage 45 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3007, Frage 59): Hat sich das BMU - sei es im Rahmen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Erarbeitung der Sicherheitsanforderungen bzw. -maßnahmen in Verbindung mit Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/1535, Frage 104) oder sei es auf anderem Wege - darum bemüht, Erkenntnisse darüber zu erlangen, inwiefern die von der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Laufzeitverlängerungen für AKW geplanten Sicherheitsanforderungen oder -maßnahmen in den 17 AKW bereits ganz oder teilweise umgesetzt sind, und, falls ja, was waren die Ergebnisse? Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat damit begonnen, die Umsetzung der von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgesehenen Maßnahmen zu begleiten und verfolgt dabei auch den Umsetzungsstand. Anlage 46 Antwort des Bundesministers Dirk Niebel auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3007, Frage 61): Wie kann die Bundesregierung den Widerspruch auflösen, der sich aus den Aussagen des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, in einem offenen Brief vom 18. September 2010 gegenüber dem Sänger der irischen Gruppe U2, Bono, wonach sich die Bundesregierung an die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP getroffene Vereinbarung gebunden fühlt, die Entwicklungszusammenarbeit künftig bilateral auszurichten, und dies einer weiteren Unterstützung wie in der Vergangenheit für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria entgegenstehe, und der Aussage der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in ihrer Rede vor der VN-Generalversammlung am 21. September 2010, in der sie feststellt, dass gerade der Globale Fonds "ein multilaterales Instrument, das sich bewährt hat", sei, ergibt, und wie ist darüber hinaus die Aussage der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in Euro und Cent zu verstehen, "dass Deutschland den Fonds und die Bemühungen um eine Verbesserung der Gesundheitssituation insgesamt auch weiterhin auf hohem Niveau unterstützt"? Die Bundesregierung kann keinen Widerspruch in den Aussagen von Herrn Bundesminister Dirk Niebel und Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel erkennen. Beide haben ihre Wertschätzung für den GFATM zum Ausdruck gebracht in den beiden genannten Dokumenten und dies eingebettet in den hohen Stellenwert der Bundesregierung für globale Gesundheitsstärkung. Beide haben in den genannten Dokumenten ihren festen Willen zur weiteren Zusammenarbeit mit dem GFATM betont. Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass der Deutsche Bundestag der im Entwurf des Haushalts 2011 enthaltenen Förderung des GFATM mit 200 Millionen Euro zustimmen wird. Anlage 47 Antwort des Bundesministers Dirk Niebel auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3007, Frage 62): Wie lautet die Strategie der Bundesregierung aus entwicklungspolitischer Sicht für die anstehenden Verhandlungen um den EU-Haushalt für die Periode 2014 bis 2020 und die darin enthaltenen Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik, GAP, vor dem Hintergrund, dass die Entwicklungspolitik im von der Bundesregierung im Frühjahr 2010 verabschiedeten Positionspapier zur Weiterentwicklung der GAP nach 2013 eine sehr untergeordnete Rolle spielt, und wie ist dies mit den Grundsätzen der Politikkohärenz und der effektiven Verwendung von Steuergeldern zu vereinbaren? Die EU-Kommission hat angekündigt, im Frühjahr 2011 den Vorschlag für den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU für den Zeitraum 2014 bis 2020 vorzulegen. Die Bundesregierung wird ihre Position zu gegebener Zeit formulieren. Die Entwicklungspolitik ist ein wichtiges Politikfeld der EU Rund 60 Prozent der weltweiten ODA werden von der EU und ihren Mitgliedstaaten erbracht. Das Positionspapier der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013, GAP, enthält dementsprechend folgende Aussage: "Die GAP muss kohärent zu den anderen Politikbereichen der Europaischen Union und den Millenniums-Entwicklungszielen ausgestaltet sein." Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache 17/3007, Frage 63): Welche Auswirkungen hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum deutschen Glücksspielvertrag (EuGH- Urteile vom 8. September 2010) auf die in der Zuständigkeit des Bundes liegenden Bereiche des gewerblichen Automatenspiels, das in der Gewerbeordnung bzw. Spielverordnung geregelt ist, und der Pferdewetten, die im Rennwett- und Lotteriegesetz geregelt sind? Gegenstand der Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2010 ist das von den Ländern im Glücksspielstaatsvertrag geregelte Monopol für Sportwetten und Lotterien und nicht die vom Bund in der Spielverordnung geregelten Automaten und sonstigen Spiele sowie die Pferdewetten nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz. Es ist Sache der Länder, über die künftige Regulierung von Sportwetten, Lotterien und Spielbanken zu entscheiden. Erst auf dieser Grundlage können die vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen Kohärenzanforderungen im Verhältnis zu den Regelungen des Bundes erörtert werden. Anlage 49 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/3007, Frage 64): Auf welcher Ebene und mit welchen Initiativen hat sich die Bundesregierung in die laufenden Friedensgespräche zwischen Israel und Palästinensern eingebracht? Die Bundesregierung unterstützt die Verhandlungen im Rahmen des US-geführten Nahostfriedensprozesses gemeinsam mit ihren Partnern im Nahost-Quartett und bringt sich kontinuierlich und hochrangig ein. Die Bundesregierung hat gemeinsam mit ihren Partnern intensiv auf die Aufnahme von Direktgesprächen zwischen Israel und Palästinensern hingearbeitet, ebenso wie zu Beginn des Jahres auf die Aufnahme von Annäherungsgesprächen. Im Zentrum steht für die Bundesregierung, zu einem positiven Umfeld und einer regionalen Einbettung der Gespräche beizutragen, um so die schwierigen Verhandlungen abzusichern. Dieser Zielsetzung folgte unter anderem die Golf- und Nahostreisen des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, in der ersten Jahreshälfte 2010, in deren Rahmen es um eine stabilisierende Einbindung der arabischen Staaten ging, die Initiativen gegenüber den USA und der Hohen Vertreterin der EU für die Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, mit dem Ziel einer Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen USA und EU und einer starken Rolle des Nahost-Quartetts und die kontinuierliche hochrangige Gesprächsdiplomatie mit den USA, den Parteien selbst, den regionalen Akteuren und den Partnern in EU und Nahost-Quartett. Damit hat die Bundesregierung unter anderem einen aktiven Beitrag zu der Erklärung des Nahost-Quartetts vom 19. März 2010 geleistet, die die Aufnahme von Annäherungsgesprächen zwischen Israel und den Palästinensern wesentlich vorangebracht hat. Ebenso hat sie einen Beitrag zu den Entscheidungen der Arabischen Liga geleistet, dem Verhandlungskurs von Präsident Mahmud Abbas Rückendeckung zu geben. Vor Beginn der Verhandlungen am 2. September 2010 hat Bundesminister Dr. Westerwelle in vielen Gesprächen für einen Übergang zu Direktgesprächen geworben. Seit Beginn der direkten Verhandlungen setzen sich Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundesminister Dr. Westerwelle in engem persönlichem Kontakt mit ihren Amtskollegen für eine konstruktive Haltung ein, zuletzt in vielen Gesprächen am Rande der VN-Generalversammlung in New York. Eine zweite wesentliche Säule des deutschen Engagements für den Friedensprozess liegt im Aufbau palästinensischer staatlicher Strukturen, den die Bundesregierung als größter Geber innerhalb der EU intensiv fördert. Als erster EU-Staat hat Deutschland im Mai 2010 einen deutsch-palästinensischen Lenkungsausschuss auf Ministerebene eingesetzt. Mehrere EU-Partner sind diesem Beispiel gefolgt. Zudem setzt sich die Bundesregierung für eine Verbesserung der Lage im Gazastreifen ein - ein wichtiger Aspekt für eine nachhaltige Friedenslösung. Nach ersten Schritten der Erleichterung von Einfuhren wirbt Bundesminister Dr. Westerwelle gegenüber der israelischen Regierung für die Ermöglichung von Exporten aus dem Gazastreifen, um eine wirtschaftliche Erholung zu ermöglichen. Diese wäre ein wichtiger Beitrag, um extremistischen Kräften schrittweise Boden zu entziehen. Anlage 50 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/3007, Frage 65): Mit welchen konkreten Initiativen wird die Bundesregierung das von der NPT-Überprüfungskonferenz 2010 bekräftigte Vorhaben zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten unterstützen, damit die für 2012 geplante UN-Konferenz zur Schaffung einer massenvernichtungsfreien Zone zu einem Erfolg wird? Die Bundesregierung unterstützt die Schaffung einer von Nuklearwaffen und übrigen Massenvernichtungswaffen freien Zone im Nahen Osten und begrüßt die Einigung der NVV-Überprüfungskonferenz auf die Durchführung einer internationalen Konferenz zu diesem Vorhaben im Jahr 2012. Die Bundesregierung wird sich bilateral, im Rahmen der EU, als Mitglied der am 22. September 2010 in New York zur Unterstützung der Umsetzung der Beschlüsse der Überprüfungskonferenz ins Leben gerufenen Staatengruppe und in allen anderen geeigneten Foren dafür einsetzen, dass alle Staaten der Region an der Konferenz teilnehmen. Sie unterstützt das Angebot der EU, eine zu deren Vorbereitung beitragende Expertenkonferenz auszurichten. Anlage 51 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3007, Frage 66): Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Gründe der Verhaftung des deutschen Staatsbürgers Ismail Abdi in Syrien, und in welcher Form plant die Bundesregierung sich für die Freilassung und Ausreise von Ismail Abdi zurück nach Deutschland einzusetzen? Das Auswärtige Amt bemüht sich hochrangig und mit Nachdruck um die konsularische Betreuung Herrn Abdis. Es wurde daher mehrfach um Informationen zu seinem Aufenthaltsort und dem Haftgrund, um konsularischen Zugang und die Gewährleistung seiner anwaltlichen Vertretung gebeten. Die Botschaft hat ferner angeboten, Herrn Abdi in der Haft mit den vom ihm benötigten Medikamenten zu versorgen. Es liegt bislang noch keine Antwort der syrischen Behörden vor. Da Herr Abdi von den syrischen Behörden als eigener Staatsangehöriger betrachtet wird, besteht keine völkerrechtliche Verpflichtung Syriens, konsularische Hilfe und Betreuung durch die Deutsche Botschaft zuzulassen. Trotz dieser Rechtslage bemüht sich die Bundesregierung, deutsche Doppelstaater zu betreuen, die im Ausland inhaftiert sind. Anlage 52 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/3007, Frage 67): Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung zu welchem konkreten Zeitpunkt unternommen, damit die Europäische Kommission das von ihr angekündigte Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich wegen der gegen die Freizügigkeit verstoßenden Abschiebung von über 8 000 Roma schnellstens einleitet? Die Entscheidung über die Einleitung und Durchführung eines Vertragsverletzungsverfahrens obliegt allein der Europäischen Kommission in ihrer Funktion als Hüterin der Verträge. Aufgabe der EU-Kommission in dieser Hinsicht ist es, die EU-Rechtskonformität nationaler Maßnahmen unabhängig zu bewerten und - bei einer Verletzung des EU-Rechts - dagegen vorzugehen. 1Anlagen 2 bis 7 ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 6376 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 61. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 61. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6377 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 6398 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 61. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 61. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6399