Plenarprotokoll 17/91 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 91. Sitzung Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011 I n h a l t : Erweiterung der Tagesordnung Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 17/3404, 17/3958, 17/3982, 17/4032, 17/4058, 17/4095, 17/4303, 17/4304, 17/4719) Namentliche Abstimmung Ergebnis Zusatztagesordnungspunkt 9: Vereinbarte Debatte: zur Lage von SGB-Leistungsempfängern und ihrer Kinder Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMAS Manuela Schwesig, Ministerin (Mecklenburg-Vorpommern) Christian Ahrendt (FDP) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Hubertus Heil (Peine) (SPD) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Max Straubinger (CDU/CSU) Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Florian Pronold (SPD) Michael Schlecht (DIE LINKE) Sigmar Gabriel (SPD) Birgit Homburger (FDP) Michael Schlecht (DIE LINKE) Peter Altmaier (CDU/CSU) Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Elke Ferner (SPD) Bettina Hagedorn (SPD) Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) Peter Altmaier (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) (Drucksachen 17/3628, 17/3803, 17/4710, 17/4739) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (Drucksachen 17/3481, 17/4710, 17/4739) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Carsten Sieling, Manfred Zöllmer, Elvira Drobinski-Weiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gesamtkonzept zur Stärkung des Verbraucherschutzes bei Finanzdienstleistungen vorlegen - zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Sahra Wagenknecht, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Beschäftigtenrechte bei Übernahmen und Fusionen stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbraucherschutz auf Finanzmärkten nachholen (Drucksachen 17/2136, 17/3540, 17/3210, 17/4710, 17/4739) Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) Dr. Carsten Sieling (SPD) Frank Schäffler (FDP) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Dr. Erik Schweickert (FDP) Ulrich Kelber (SPD) Dr. Erik Schweickert (FDP) Caren Lay (DIE LINKE) Mechthild Heil (CDU/CSU) Kerstin Tack (SPD) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, Ingrid Nestle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Klimaverträgliche Energien für Europa - Erneuerbar, effizient, sicher (Drucksache 17/4687) Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Jens Koeppen (CDU/CSU) Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ulrich Kelber (SPD) Horst Meierhofer (FDP) Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) Rolf Hempelmann (SPD) Michael Kauch (FDP) Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) Thomas Bareiß (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 24: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu der Unterrichtung: Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für das europäische Kino KOM(2010) 487 endg.; Ratsdok. 14119/10 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 2 des Grundgesetzes (Drucksachen 17/3608 Nr. A.39, 17/4467) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner, Martin Dörmann, Siegmund Ehrmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Für eine Kinodigitalisierung, die den Erhalt unserer Kinolandschaft sichert (Drucksachen 17/1156, 17/4718) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) Angelika Krüger-Leißner (SPD) Dr. Claudia Winterstein (FDP) Katrin Kunert (DIE LINKE) Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Marco Wanderwitz (CDU/CSU) Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) Dorothee Bär (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Hilde Mattheis, Gabriele Hiller-Ohm, Anette Kramme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Vorbereitung des 4. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung in der 17. Wahlperiode - Armuts- und Reichtumsberichterstattung weiterentwickeln (Drucksache 17/4552) Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung des von den Abgeordneten Nicole Gohlke, Jan van Aken, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (Drucksache 17/4662) Nicole Gohlke (DIE LINKE) Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Patrick Meinhardt (FDP) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Thomas Oppermann (SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Zusatztagesordnungspunkt 8) Anlage 3 Erklärung nach § 90 Abs. 1 GO in Verbindung mit § 10 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses der Fraktion DIE LINKE zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Zusatztagesordnungspunkt 8) Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Thomas Dörflinger (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 22) Anlage 5 Erklärung der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 22) Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Vorbereitung des 4. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung in der 17. Wahlperiode - Armuts- und Reichtumsberichterstattung weiterentwickeln (Tagesordnungspunkt 25) Ulrich Lange (CDU/CSU) Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Hilde Mattheis (SPD) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Katja Kipping (DIE LINKE) Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 7 Amtliche Mitteilungen 91. Sitzung Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011 Beginn: 9.00 Uhr Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um die in der weiteren Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern: ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Drucksachen 17/3404, 17/3958, 17/3982, 17/4032, 17/4058, 17/4095, 17/4303, 17/4304, 17/4719 - ZP 9 Vereinbarte Debatte zur Lage von SGB-Leistungsempfängern und ihrer Kinder ZP 10 a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes - Drucksache 17/3481 - Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - Drucksachen 17/4710, 17/4739 - Berichterstattung: Abgeordnete Ralph Brinkhaus Dr. Carsten Sieling Frank Schäffler Harald Koch b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Carsten Sieling, Manfred Zöllmer, Elvira Drobinski-Weiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Gesamtkonzept zur Stärkung des Verbraucherschutzes bei Finanzdienstleistungen vorlegen - zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Sahra Wagenknecht, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Beschäftigtenrechte bei Übernahmen und Fusionen stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verbraucherschutz auf Finanzmärkten nachholen - Drucksachen 17/2136, 17/3540, 17/3210, 17/4710, 17/4739 - Berichterstattung: Abgeordnete Ralph Brinkhaus Dr. Carsten Sieling Frank Schäffler Harald Koch Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist das auch so beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 8 auf: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Drucksachen 17/3404, 17/3958, 17/3982, 17/4032, 17/4058, 17/4095, 17/4303, 17/4304, 17/4719 - Der Berichterstatter im Bundestag, der Abgeordnete Thomas Oppermann, wünscht nicht das Wort zur Berichterstattung. Mit einer schriftlichen Erklärung macht er aber auf vier von Bund und Ländern abgegebene Protokollerklärungen aufmerksam. Diese Erklärung und die Protokollerklärungen nehmen wir zu Protokoll.1 Ferner liegt auch eine schriftliche Erklärung der Fraktion Die Linke nach § 90 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung vor. Wir kommen gleich zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/4719. Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Wir können leider immer noch nicht beginnen, weil hier vorne zwei Schriftführer fehlen. Jetzt sind alle Schriftführer an ihren vorgesehenen Plätzen. Ich eröffne die Abstimmung. Haben alle anwesenden Mitglieder des Hauses ihre Stimme abgegeben? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.2 Wir setzen die Beratungen fort. Dazu bitte ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie Ihre Plätze einnehmen. Ich rufe den Zusatzpunkt 9 auf: Vereinbarte Debatte zur Lage von SGB-Leistungsempfängern und ihrer Kinder Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Ministerin von der Leyen das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Gegenruf des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Kein Interesse mehr an Frau von der Leyen!) Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einem Jahr hat uns das Bundesverfassungsgericht den Auftrag zur Neuordnung der Regelsätze gegeben. Vor zwei Monaten hat der Bundestag zugestimmt. Sieben Wochen haben wir im Vermittlungsverfahren darüber verhandelt, einen politischen Konsens herzustellen. Diesen haben wir heute leider noch nicht erreicht. Das bedauere ich, weil die Verhandlungen auch von gegenseitiger Achtung getragen waren. Aber unter dem Strich zählt, dass wir im Interesse der betroffenen Menschen so schnell wie möglich eine Lösung in dieser Sache finden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich weiß, dass wir im Bundestag eine Mehrheit haben, aber im Bundesrat nicht. Dennoch lohnt es sich, das Angebot öffentlich zu diskutieren. Ich glaube, diese Zäsur ist heute notwendig, damit die endlose Forderungsspirale der letzten sieben Wochen einmal bilanziert wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch bei der SPD) Das ist ein gutes Angebot. Das ist ein Angebot, das nachhaltig ist, und ich glaube, das sollte auch anerkannt werden. Im Gesetz geht es um zwei zentrale Fragen: die Bargeldleistung im Regelsatz und das Bildungspaket. Wir wissen doch alle, dass die Kinder von Hartz-IV-Empfängern oder die in Sozialhilfe eher ausgegrenzt und abgehängt werden als Gleichaltrige, nicht weil ihre Eltern sich nicht kümmern, sondern weil ihre Eltern selber mit sozialer Isolation zu kämpfen haben. Je häufiger die Kinder in der Schule oder im Freundeskreis die Erfahrung des Scheiterns machen, desto tiefer gräbt sich das Gefühl der eigenen Unfähigkeit und Hilflosigkeit ein. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: "Unfähigkeit" ist das richtige Wort für Sie!) Das Bildungspaket folgt deshalb der Einsicht, dass diesen Kindern mit konkreten Hilfen mehr geholfen wird als mit direkten Zahlungen an die Eltern. Im Hinblick auf diese grundlegende sozialpolitische Einsicht sind wir uns doch einig. (Caren Marks [SPD]: Sie wollen ja nicht mal das Mittagessen im Hort finanzieren!) Es geht konkret um eine warme Mahlzeit in den Schulen und Kindergärten. Wir sind uns einig, dass die Finanzierung des Mittagessens auf die Hortkinder ausgeweitet wird. Es geht konkret um die individuelle Förderung beim Lernen und um die Chance, bei Sport und Musik - wo auch immer die Interessen liegen - mitzumachen. Wir sind uns einig, dass die 160 000 Kinder von Wohngeldbeziehern mit dabei sein sollen. Wir sind uns einig, dass die Kommunen das organisieren sollen. Wir sind uns einig, dass die Kommunen dadurch keine zusätzlichen finanziellen Lasten haben sollen, sondern dass ihnen die Kosten des Bildungspaketes ersetzt werden sollen. Wir sind uns in diesen ganzen Punkten einig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zurufe von der SPD) Damit die Kommunen wirklich die Gestaltungsfreiheit haben, ihre Aufgaben für alle Familien und alle Kinder wahrzunehmen, übernimmt der Bund bedingungslos die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das heißt in Zahlen: Bis 2015 gehen rund 20 Milliarden Euro vom Bund an die Länder und Kommunen. Bis 2020 gehen rund 54 Milliarden Euro vom Bund an die Kommunen. Meine Damen und Herren, wir sind uns also in fünf zentralen Fragen des Bildungspaketes einig. Sofort 5 Mil-liarden Euro mehr für Kinder und Kommunen: Das ist ein nachhaltiges Angebot; mehr geht nicht. Wer das ausschlägt, der muss sich vorwerfen lassen, dass er aus Prinzip keine Einigung will. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Elke Ferner [SPD]: Sie wollen doch aus Prinzip keine Einigung! - Weitere Zurufe von der SPD: Glashaus!) Ich glaube, dass wir uns auch beim Regelsatz in der zentralen Frage einig sind, auch wenn das in den letzten Tagen sicher nicht deutlich geworden ist. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Wir sind uns nicht einig!) - Ich werde es Ihnen gleich erklären. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber nett, Frau Ministerin!) Es geht darum, einen nachvollziehbaren, verfassungsfest begründeten Berechnungsweg vorzulegen. Das haben wir von der Regierung getan. (Lachen bei Abgeordneten der SPD - Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Schade, dass man Redner nicht zur Wahrheit ermahnen kann!) Die Verhandlungsführung der SPD hat das auch getan. Nur hat die Verhandlungsführung der anderen Seite im Laufe der Verhandlungen nicht eine Methode zur Berechnung vorgelegt, sondern verschiedene, die sich auch noch widersprechen: (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Unverschämtheit! - Elke Ferner [SPD]: Sie lügen, ohne rot zu werden!) Mal waren die Aufstocker drin, mal waren sie draußen; mal wurde die Referenzgruppe auf 20 Prozent erweitert, mal nicht. Mit anderen Worten: Jedes einzelne Element der Berechnung der Bundesregierung findet sich genauso auch in den Vorschlägen der SPD wieder. Also können weder die einzelnen Elemente noch die Summe der Elemente falsch oder gar verfassungswidrig sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie listen Ihre Verfassungsbrüche auf und rühmen sich derselben!) Sie mögen ein anderes Ziel als wir verfolgen: Sie wollen den Hartz-IV-Satz weiter erhöhen; Sie kämpfen um Mehrausgaben in Bund und Kommunen. Das ist Ihr Recht; aber das löst doch nicht die Probleme der Arbeitslosen. Mir scheint hier ein weiteres Argument wichtig: Wenn Sie heute im Bundesrat dem Gesetz in Gänze nicht zustimmen sollten, dann verweigern Sie den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern die Erhöhung und das Bildungspaket mit seiner nachhaltigen Finanzierung. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Billiger Versuch!) Das kann nicht im Sinne der Betroffenen sein. Ermöglichen Sie den Kindern das Bildungspaket! Sie haben heute die Chance dazu. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie können politisch um Mehrheiten werben, wenn Sie wirklich glauben, dass es besser wäre, wenn die Hartz-IV-Sätze weiter erhöht würden. Aber wir von der Bundesregierung wollen unsere Kraft, unsere Energie und das Geld der Bürgerinnen und Bürger dafür verwenden, dass diese Menschen schneller wieder in Arbeit kommen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Deshalb kürzen Sie auch bei der Arbeitsmarktpolitik! Sehr logisch! - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dazu müssen die Regelsätze möglichst niedrig sein?) Wir wollen nicht Passivität und Abhängigkeit fortschreiben, sondern die Voraussetzungen für faire Arbeit schaffen und da, wo sie sich bieten, Chancen eröffnen. Vor allen Dingen wollen wir für die Kinder den Teufelskreis der vererbten Armut durchbrechen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zusammenfassend möchte ich festhalten: Alles, was wir vorgelegt haben, auch die Mindestlöhne für den Bereich der Zeitarbeit, für das Wach- und Sicherheitsgewerbe und für die Weiterbildungsbranche, fordern auch Sie. Sie wollen nur mehr. Für dieses Mehr gibt es heute aber keine politischen Mehrheiten. (Elke Ferner [SPD]: Für das Weniger aber auch nicht!) Wenn Sie das Gute, das Gemeinsame ablehnen, dann ist das aus meiner Sicht Blockade, die sich in diesem Fall nicht lohnt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Elke Ferner [SPD]: Sie blockieren doch selber!) Wir sind Ihnen in den Verhandlungen weit entgegengekommen. Wir könnten den Kommunen 5 Milliarden Euro im Jahr mehr geben. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch mit der Sache nichts zu tun! Es geht um das Verfassungsgerichtsurteil!) Wir haben das Bildungspaket signifikant erweitert, um 350 Millionen Euro. Das ist zwar teuer, (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) aber das ist gut investiertes Geld, weil es die Kommunen entlastet und die Chancen der Kinder verbessert. Alle diese Verbesserungen stehen heute auf dem Spiel. Deshalb bitte ich Sie, nicht das Maximale zu fordern. Machen Sie das, was heute möglich ist! Beschreiten Sie den Weg, den wir gemeinsam gefunden haben! Die Hartz-IV-Empfänger im Land, insbesondere die Kinder, werden es Ihnen danken und wir selbstverständlich auch. (Dagmar Ziegler [SPD]: Heuchlerin! Heuchlerisch!) Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Manuela Schwesig, Ministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern. (Beifall bei der SPD) Manuela Schwesig, Ministerin (Mecklenburg-Vorpommern): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Vor genau einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht der Politik den Auftrag erteilt, die Weichen in der Sozialpolitik neu zu stellen. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Und Sie verhindern es!) Es geht im Kern um unseren Sozialstaat. Es geht um die Menschenwürde. Es geht um ein menschenwürdiges Existenzminimum für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Das heißt für uns, dass drei Dinge erfüllt sein müssen: Erstens: Bildungschancen für Kinder und Jugendliche - unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Ingrid Fischbach [CDU/ CSU]: Sie blockieren das!) Zweitens. Menschen, die arbeiten, müssen von ihrer Arbeit leben können. Deswegen sind Mindestlöhne in diesem Zusammenhang wichtig. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Ingrid Fischbach [CDU/ CSU]: Das hat gar nichts damit zu tun! - Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das hat das Bundesverfassungsgericht nicht gesagt!) Drittens. Wer keine Arbeit hat oder nicht arbeiten kann, der muss von einer solidarischen Gemeinschaft fair unterstützt werden. Es geht nicht um Almosen oder spätrömische Dekadenz. (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Da redet doch keiner von!) Es geht um einen Rechtsanspruch für alle Menschen in diesem Land. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dieses Urteil ist eine große Chance, gemeinsam etwas Gutes und Großes auf den Weg zu bringen. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Dann tun Sie es doch!) Dieses Urteil verlangt große Antworten bei den Themen Bildung, Mindestlohn und faire Regelsätze. Aber, Frau Bundesministerin, die Antworten, die Sie gegeben haben, sind Klein-Klein; sie sind genau das Gegenteil davon. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Otto Fricke [FDP]: 5 Milliarden?) Viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land ärgern sich zu Recht (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Über Sie!) und fragen sich, warum wir das nicht gemeinsam hinbekommen. Frau von der Leyen, Sie haben zehn Monate gebraucht, um überhaupt einen Entwurf auf den Tisch zu legen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Seit Mai 2010 wissen Sie, dass Sie unsere Stimmen im Bundesrat brauchen. Trotzdem haben Sie viel Zeit mit einer Chipkartenshow verplempert, anstatt sich wirklich um die Sache zu kümmern. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass heute kein guter Gesetzentwurf auf dem Tisch liegt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ahrendt von der FDP-Fraktion. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wer ist das denn? - Elke Ferner [SPD], an den Abg. Christian Ahrendt [FDP] gewandt: Was haben Sie denn mit den Regelsätzen zu tun?) Manuela Schwesig, Ministerin (Mecklenburg-Vorpommern): Selbstverständlich. Christian Ahrendt (FDP): Frau Ministerin Schwesig, bei Ihrer Rede mag man geneigt sein, zu sagen: Die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sie sind Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern. Dort befinden sich 95 Prozent aller Kinder unter sechs Jahren in einer Kindertageseinrichtung; das ist eine stolze Zahl. Und trotzdem - Sie tragen als SPD seit 1998 Verantwortung im Land -: Mecklenburg-Vorpommern ist das Land mit der höchsten Zahl von jungen Menschen, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen, 14 Prozent. Finden Sie nicht, dass Sie Ihren Reden auch einmal Taten folgen lassen sollten? (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD) Manuela Schwesig, Ministerin (Mecklenburg-Vorpommern): Herr Ahrendt, Sie wollten eine Frage stellen; die habe ich nicht gehört. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: Das ist schwach! - Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist aber nicht souverän! Mann, oh Mann!) Aber ich sage Ihnen eines: Herr Ahrendt, Sie haben recht: 98 Prozent der Kinder in Mecklenburg-Vorpommern gehen in eine Kita. Diese Kinder bekommen schon lange ein kostenfreies Mittagessen, wenn sie arme Kinder sind. Das, was Sie auf den Weg bringen wollen, haben unsere Kinder in MV schon längst. Deswegen weiß ich, wovon ich rede. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Sigmar Gabriel [SPD]: Das war ein Eigentor!) Herr Ahrendt, wenn Ihr Generalsekretär heute sagt, (Abg. Christian Ahrendt [FDP] nimmt wieder Platz - Christian Lange [Backnang] [SPD], an den Abg. Christian Ahrendt [FDP] gewandt: Aufstehen! Unglaublich!) die Koalition hätte nicht die richtige Verhandlungsführung gehabt, dann frage ich Sie: Wo war denn Ihre Verhandlungsführung? Sie hatten gar keine. Die einzige Strategie, die die FDP hatte, war: Blockade, Blockade, Blockade. Sie hat gesagt: Wir wollen keine Schulsozialarbeiter. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wenn Sie über Bildung reden, dann erklären Sie uns, warum Sie dagegen sind, dass wir 5 000 Schulsozialarbeiter in den sozialen Brennpunkten einsetzen, um endlich Jugendliche zu fördern. (Beifall bei der SPD - Volker Kauder [CDU/ CSU]: Machen Sie es doch als Land! Das ist Ihre Aufgabe!) Das wäre der richtige Weg. Das blockieren Sie aber. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sie blockieren außerdem einen fairen Regelsatz. Sie haben diese ganzen Verhandlungen blockiert. Die Kanzlerin ist vor Ihnen eingeknickt und hat der Arbeitsministerin den Auftrag gegeben, die Verhandlungen abzubrechen. Das ist unverantwortlich. Sie haben Regierungsverantwortung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Schulsozialarbeit ist Sache des Landes! Machen Sie mal Ihre Hausaufgaben!) - Herr Kauder, wenn Sie mehr erwarten, dann sprechen Sie doch mit dem CDU-Bildungsminister in Mecklenburg-Vorpommern. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Nicht daherkommen und hier große Töne spucken!) Es muss Schluss sein mit den Schuldzuweisungen. Heute ist der Tag der Verantwortung und der Vernunft. (Widerspruch bei der CDU/CSU) Und deswegen - wir wollen weiter verhandeln -: Kommen Sie zurück an den Verhandlungstisch! (Beifall bei der SPD) Wir werden heute mit Kurt Beck im Bundesrat den Antrag stellen, weiterzuverhandeln. Ich fordere Sie auf: Verhandeln Sie weiter! Wir waren nahe dran an einem guten Ergebnis. Sie haben die Verhandlungen abgebrochen. Kommen Sie zurück an den Verhandlungstisch, damit wir den 2 Millionen Kindern, die in Armut leben, helfen mit guten Vorschlägen, die wir auf den Tisch gelegt haben! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn Sie behaupten, wir hätten die Verhandlungen mit dem Mindestlohn überfrachtet, dann will ich Ihnen mal eines erklären: Mindestlohn und gleicher Lohn für gleiche Arbeit sind der Kern der Antwort auf die Probleme in unserem Land. Es kann doch nicht sein, dass die Menschen arbeiten gehen und am Ende zum Sozialamt gehen müssen, um sich Sozialleistungen abzuholen. 11 Milliarden Euro bezahlen wir dafür. Deswegen brauchen wir Mindestlöhne und gleichen Lohn für gleiche Arbeit, damit die Menschen, die arbeiten, aus der Hartz-IV-Falle herauskommen und einen fairen Lohn beziehen und damit überleben können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wer hat denn Hartz IV erfunden? Wer hat es denn erfunden? Das wart doch ihr! - Zuruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]) Denn ja: Arbeit muss sich lohnen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Antwort gegeben. Arbeit muss sich lohnen, aber nicht, indem man Sozialleistungen herunterschraubt, sondern indem man faire Löhne, Mindestlöhne bezahlt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Frau von der Leyen, es reicht nicht, für Frauen in DAX-Vorständen zu kämpfen. In dieser Woche sind Sie den Frauen in den Rücken gefallen, weil Sie nicht die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit unterstützen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es geht um die Verkäuferin, um die Kassiererin und um die Kellnerin, die unsere Unterstützung brauchen, und zwar jetzt und sofort. Es ist peinlich genug, dass die Kanzlerin Sie bei der Quote abserviert hat. Aber es ist eine Schande, dass Sie diesen vielen Frauen in Deutschland in den Rücken fallen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beim Thema Bildung war es uns wichtig, die Eltern zu unterstützen, die arbeiten und am Ende auch nicht viel mehr haben als andere. Deswegen ist es richtig, dass wir das Bildungspaket auf Geringverdiener ausweiten. Es ist richtig, dass wir das Bildungspaket bei den Kommunen andocken, damit Kitas, Ganztagsschulen und Vereine das Geld bekommen. Es ist schwierig; denn von sieben Wochen Verhandlungen brauchten wir fünf, um Sie von dieser logischen Konsequenz zu überzeugen. Sie haben fünf Wochen gebraucht, um aufzuwachen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir sind hellwach!) Lassen Sie uns die Vorschläge zu den Themen Mindestlohn und Schulsozialarbeit verbessern! Sorgen Sie dafür, dass Sie Ihr Versprechen halten! (Otto Fricke [FDP]: Sind die Hartz-Sätze jetzt okay?) Wir sind gemeinsam vor die Öffentlichkeit getreten und haben gesagt: Wir wollen, dass das Bildungspaket an die Kommunen geht und dass die Kommunen dafür Ist-Kosten bekommen. Der Vorschlag, der auf dem Tisch liegt, enthält keine Ist-Kosten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Kommunen werden von Ihnen über den Tisch gezogen, wie Sie es schon bei Ihrer Steuerpolitik gemacht haben. Das wird es mit uns nicht geben, weil die Bürger vor Ort die Zeche dafür zahlen müssten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nehmen Sie die Regierungsverantwortung ernst! Kommen Sie zurück zum Verhandlungstisch! Es geht darum, dass wir für 6 Millionen Menschen, für 2 Millionen Kinder, die in Kinderarmut aufwachsen, eine Antwort geben. (Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Machen Sie im Bundesrat nicht Parteipolitik, sondern Politik für die Menschen!) Bildung, Mindestlohn und ein fairer Regelsatz sind Beiträge zur Bekämpfung der Kinderarmut. Machen Sie mit! Kommen Sie zurück! Übernehmen Sie Regierungsverantwortung, wie es sich für einen vernünftigen Laden - zurzeit sind Sie keiner - gehört. Wir stehen zu unserer Verantwortung. Wir wollen ein gutes Ergebnis, aber keine faulen Kompromisse. Die müssen Sie schon alleine machen. Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: So viel Beifall habe ich bei den Spitzen der SPD-Fraktion noch nie erlebt! Es muss erst eine Frau aus Meck-Pomm kommen, dass die SPD hochkommt!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun Kollege Heinrich Kolb. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Schwesig, das, was Sie hier abgeliefert haben, ist aus unserer Sicht vollkommen inakzeptabel. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie sagen: "Es darf keine gegenseitigen Schuldzuweisungen geben" und wollen sich dann hier als Vertreterin der Anklage profilieren. So geht es nicht! Wir haben eine gemeinsame Verantwortung. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Hat man ja gesehen!) Sie haben in diesem Zusammenhang eine besondere Verantwortung, weil Sie damals federführend als rot-grüne Bundesregierung gemeinsam mit uns dieses Gesetz beschlossen haben, das heute nachgebessert werden muss. So geht es nicht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Kolb, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Heil? Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Sonst immer gerne, aber ich habe ja noch gar nichts gesagt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Sigmar Gabriel [SPD]: Genau! Er hat noch nie was gesagt! Er hat noch nie was gesagt in den Verhandlungen!) Ich möchte noch ein bisschen ausführen. Dann komme ich gerne darauf zurück. Ich möchte zu den Punkten, die die Ministerin genannt hat, Regelsatz, Bildungspaket, Mindestlöhne, etwas sagen. Frau Ministerin Schwesig, Sie haben hier gesagt, Sie wollen einen fairen Regelsatz. Ich habe Ihre Rede aufmerksam verfolgt. Sie haben mit keinem Wort dargelegt, dass der von uns errechnete Regelsatz, die Erhöhung um 5 Euro, falsch wäre. Ich schließe also aus Ihrer Rede, dass der Regelsatz, wie er von uns vorgelegt wurde, in Ordnung ist. Das sollten Sie dann hier auch akzeptieren. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sie sagen: Es geht uns um die Bildungschancen von Kindern. - Dazu kann ich nur sagen: Späte Erkenntnis. In dem Gesetz, das Rot-Grün damals beschlossen hat, war von Bildungschancen überhaupt keine Rede. (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Ganz genau!) Sie hatten vollkommen vergessen, dass es hier einen Bedarf geben könnte. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Was Sie machen, ist unlauter. Wir wollen heute gemeinsam mit Ihnen im Wege der Nachbesserung beschließen, dass Kinder aus Hartz-IV-Familien ebenso wie Kinder aus Familien, die Wohngeld oder Kinderzuschlag erhalten, also alle Kinder in Familien mit niedrigen Einkommen, künftig einen fairen Zugang zu Bildungschancen haben. (Elke Ferner [SPD]: Alles unsere Forderungen!) Das wollen wir. Sie verhindern das, wenn Sie sich heute der Zustimmung zu unserem Paket verweigern. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege Kolb, gestatten Sie jetzt die Zwischenfrage des Kollegen Heil? Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Nein, ich werde erst alle drei Punkte vortragen, dann kann Herr Heil am Schluss gerne nachfragen. (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie wissen, dass ich nicht vor Zwischenfragen kneife, aber heute Morgen möchte ich erst diese drei Punkte benennen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Angst vor der Zwischenfrage! Schwach!) Ich halte fest: Der Regelsatz, wie er von uns vorgelegt wurde, ist offensichtlich in Ordnung, Frau Schwesig. (Otto Fricke [FDP]: Ja! - Elke Ferner [SPD]: Nein!) Die Bildungschancen hatten Sie vollkommen vergessen; wir stellen Bildungschancen für Kinder aus Familien mit niedrigen Einkommen her. Dann sind wir beim dritten Punkt - da wollen Sie sich in den Verhandlungen mächtig inszenieren -: Mindestlöhne. Sie sagen, bei diesem Thema hätten sich die FDP und die Koalition nicht bewegt. Ich will Ihnen sagen: Wir haben uns in diesem Zusammenhang erheblich bewegt. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was? Neun Monate überhaupt nicht!) - Ich rede über Mindestlöhne, Herr Heil. (Thomas Oppermann [SPD]: Neun Monate Stillstand!) Wir bieten Ihnen an, im Bereich der Zeitarbeit, in dem es schon heute einen fast flächendeckenden tariflichen Mindestlohn gibt, (Caren Marks [SPD]: Oh! Das ist ja super! - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht anbieten! Machen Sie es doch!) zusätzliche Regelungen einzuführen, die sicherstellen, dass durch die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem 1. Mai 2011 keine Konkurrenz durch ausländische Tarifverträge im Bereich der deutschen Zeitarbeit entstehen kann; das haben wir Ihnen angeboten. Darüber hinaus sind wir bereit, Ihnen auf zwei weiteren Feldern entgegenzukommen - das fällt uns nicht leicht; aber wir tun es, damit es einen Kompromiss geben kann -: bei der Aus- und Weiterbildung sowie im Wach- und Sicherheitsgewerbe. Hier haben wir uns, wie ich denke, erheblich bewegt. Das, was Sie gefordert haben, ist sichergestellt: dass ein bestimmtes Lohnniveau existiert. In der Zeitarbeit - ich wiederhole es - ist das ohnehin schon der Fall. (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Was hat das denn mit dem Thema zu tun?) Was Sie machen, ist Folgendes: Sie betreiben im Deutschen Bundestag und im Bundesrat eine Blockadepolitik, so wie es Lafontaine 1997/1998 getan hat. Das ist verantwortungslos. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Es ist verantwortungslos, so zu handeln. Es ist verantwortungslos gegenüber den Menschen, die auf eine Erhöhung der Regelsätze warten. (Dagmar Ziegler [SPD]: Das können Sie doch machen! - Elke Ferner [SPD]: Zahlen Sie das Geld doch aus, Herr Kolb!) Es ist verantwortungslos gegenüber den Kindern aus Hartz-IV-Familien, die einen Anspruch haben, gefördert zu werden: bei der Ausstattung mit Lernmitteln, beim Zugang zu Fördermaßnahmen, wenn im Einzelfall Defizite auftreten, und bei der Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen und dem Mittagessen in der Schule, also bei der Integration in die Gemeinschaft. Es geht auch darum, diesen Kindern soziokulturelle Teilhabe zu ermöglichen. All das wollen wir. Durch die sture Blockadepolitik, die Sie betreiben, (Elke Ferner [SPD]: Stur sind Sie! - Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke gleichfalls!) verhindern Sie, dass all dies am heutigen Tage Gesetz werden kann. Das halte ich für unverantwortlich. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ihnen geht es letztlich darum, über den Bundesrat und über den Vermittlungsausschuss Einfluss auf die Grundlinien der deutschen Politik zu nehmen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja! So ist es! Das ist auch notwendig! - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Linie?) - Wir haben eine Linie: eine Linie, die dazu geführt hat, dass wir in Deutschland aktuell ein wahres Beschäftigungswunder erleben, um das uns das Ausland beneidet. (Elke Ferner [SPD]: Was ist los? Was erzählen Sie denn da?) Deutschland ist schneller als alle anderen Staaten durch die Krise gekommen. (Frank Schwabe [SPD]: Ja! Das lag aber nicht an Ihnen! In der Krise haben Sie doch die ganze Zeit blockiert, Herr Kolb!) Wir wollen diese gute Politik fortsetzen. Wir werden uns aber nicht von Ihnen dazu verführen lassen, grenzenlos und ausufernd zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Das wäre unverantwortlich. Wir wollen Konsolidierung, wir wollen Wachstum, und wir wollen Beschäftigungschancen für die Menschen in diesem Land. Danke schön. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Caren Marks [SPD]: Herr Kolb, zum Thema haben Sie gerade leider gar nichts gesagt!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen Hubertus Heil. Hubertus Heil (Peine) (SPD): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kolb, ich will Ihnen sagen: Wer keinen Mut hat, Zwischenfragen zuzulassen, der muss mit einer Kurzintervention rechnen. (Beifall bei der SPD - Zurufe von der FDP: Oh! Oh! - Sie sind wirklich gnadenlos mit uns!) Ich fange mit dem, was Sie zum Schluss gesagt haben, an. Sie führten aus, wie Deutschland durch die Krise gekommen ist und warum die Situation am deutschen Arbeitsmarkt besser ist als in anderen Ländern. Herr Kolb, das hat mit Ihnen gar nichts zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie haben gegen jede Maßnahme gestimmt, die wir ergriffen haben, um Deutschland besser durch die Krise zu führen. Sie haben gegen Olaf Scholz und Peer Steinbrück agitiert, die zusammen mit Frank-Walter Steinmeier die Erfinder der Konjunkturpakete und der Kurzarbeit waren. Die FDP war die Dagegen-Partei, Herr Kolb. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN] - Widerspruch bei der FDP) Zweitens, Herr Kolb. Sie haben vorhin wahrheitswidrig behauptet, mit den Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Bundesregierung seien keine Maßnahmen im Bildungsbereich verbunden gewesen. Herr Kolb, das stimmt nicht. Wir haben damals ein Bildungspaket auf den Weg gebracht und 4 Milliarden Euro in Ganztagsschulen investiert. Auch da waren Sie dagegen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Jetzt komme ich zum zentralen Punkt, Herr Kolb. Sie persönlich müssen sich fragen, welche Verantwortung Sie dafür haben, dass die schwarz-gelbe Seite die Verhandlungen am vergangenen Donnerstag vorerst abgebrochen hat. (Caren Marks [SPD]: Ja! So ist es!) Sie waren es, der sich, als es um die Zeit- und Leiharbeit und um Mindestlöhne ging, einen zweifelhaften Spitznamen verdient hat. (Frank Schwabe [SPD]: Sehr richtig!) Wissen Sie, wie Sie bei uns mittlerweile genannt werden? Gromyko. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie saßen nämlich nur da und sagten im Stile eines sowjetischen Kremlministers immer wieder Nein bzw. Njet. (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der FDP) Sie waren es, der die ganze Regierung in Geiselhaft genommen und sich nicht bewegt hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Mit der CDU/CSU wären wir bei der Zeit- und Leiharbeit schon längst zu einer Lösung gekommen. Sie haben die Koalition festgenagelt. Sie haben Placebo-Mindestlöhne angeboten; das stimmt. Sie haben aber gesagt, die Koalition dürfe sich beim Thema "Missbrauch von Zeit- und Leiharbeit" und deren Bekämpfung nicht bewegen. Die FDP war es, die die Koalition neun Monate festgenagelt hat. Sie verweigern den Menschen ein Leben nach dem Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit". (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Die FDP ist die Blockade- und Dagegen-Partei. Das ist die Wahrheit, Herr Kolb. Wir wollen bessere Bildungschancen für Kinder. Wir brauchen einen fairen Regelsatz, der verfassungsfester ist als das, was Sie vorgelegt haben, und wir brauchen Fortschritte bei den Mindestlöhnen, die den Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" berücksichtigen. Weil wir etwas für die Menschen herausholen wollen, wird Kurt Beck im Bundesrat das Angebot machen, weiter zu verhandeln. Ich sage Ihnen mit Herbert Wehner, Herr Kolb: Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen. - Sie sind rausgegangen. Kommen Sie wieder rein. Dann kommen wir auch zu Lösungen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Kolb, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Kollege Heil, ich habe Verständnis dafür, dass Sie sich im Wege der Kurzintervention an mich wenden. Schließlich haben Sie von Ihrer Fraktion keine Redezeit bekommen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) Zum Stichwort "Gromyko". Da, wo einem die Argumente ausgehen, fangen die Beleidigungen an. Ich stelle fest, Herr Kollege Heil: Ihnen sind die Argumente ausgegangen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sie sagen, wir seien die Dagegen-Partei. Ich halte dagegen: (Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Als wir in die Regierung eingetreten sind, sind wir mit dem, was Sie als Große Koalition beschlossen hatten, sehr verantwortungsvoll umgegangen. Wir haben die Kurzarbeitsregelung, die Sie auf den Weg gebracht hatten, verlängert, da wir dies in der vor einem Jahr noch bestehenden Krisensituation für angemessen und vertretbar hielten. Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz haben wir der Konjunktur einen zusätzlichen Anstoß gegeben. (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Es hat doch einen Grund, dass das Wachstum in Deutschland im letzten Jahr mit 3,6 Prozent deutlich höher ausgefallen ist als in allen anderen EU-Staaten. Im Gegensatz zu anderen Regierungen hat diese Regierung gehandelt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können ja nicht mal rechnen! - Elke Ferner [SPD]: Die Hoteliers haben wirklich keine Steuermilliarden gebraucht!) Da haben Sie sich verweigert. Da waren Sie die Dagegen-Partei. Sie haben nicht gesehen, dass es notwendig ist, eine aufkeimende Konjunktur zu wässern, damit sie gedeihen kann und damit Arbeitsplätze entstehen. Der Erfolg gibt uns recht; das will ich hier sehr deutlich sagen. Zum Schluss: Sie bringen immer das Argument, wir seien beim Thema Zeitarbeit nicht dabei. Ich will dazu Folgendes sagen: Als Anfang letzten Jahres ein großes deutsches Einzelhandelsunternehmen mit Praktiken auf dem Markt versuchte, Stammbelegschaften durch Zeitarbeiter zu ersetzen, waren es der Kollege Schiewerling und ich von der Koalition, die sofort gesagt haben: Das werden wir nicht mittragen. Dem schieben wir einen Riegel davor. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Sigmar Gabriel [SPD]: Und was haben Sie gemacht? Nichts!) Als Sie sich noch mit dem Thema "Mindestlöhne in der Zeitarbeitsbranche" beschäftigt haben, war es die FDP, die gesagt hat, dass das wichtigere Thema die Frage des Equal Pay sei, also die Heranführung der Entlohnung von Zeitarbeitern an die von Stammbelegschaften. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Neun Mona-te! - Klaus Ernst [DIE LINKE]: Nach neun Monaten sind die alle wieder draußen!) Was uns allerdings unterscheidet - Sie von mir, Herr Heil, aber wahrscheinlich auch Ihre Fraktion von meiner Fraktion -, ist, dass wir die Zeitarbeit als Brücke in den ersten Arbeitsmarkt nicht kaputtmachen wollen. Sie allerdings wären bereit gewesen, dies sehenden Auges in Kauf zu nehmen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Diesbezüglich haben wir uns verweigert. Insofern haben Sie an der Stelle recht. Insgesamt kann man sagen, dass wir sehr verantwortlich gehandelt haben. Die Koalition ist in diesen Verhandlungen geschlossen gewesen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Abgeschlossen!) Sie hat gemeinsame Angebote unterbreitet und ist an die Grenze des finanziell Verantwortbaren gegangen. Es liegt ein sehr gutes Angebot auf Ihrem Tisch. Sie sollten sich überwinden, Ihr Herz über die Hürde werfen, und diesem Paket zustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Dagmar Enkelmann für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was wir in den letzten Wochen im Vermittlungsausschuss erlebt haben, war ein unwürdiges Gefeilsche und Geschacher. (Beifall bei der LINKEN) Das, was jetzt hier stattfindet, sind politische Schaukämpfe. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, haben offenkundig kalte Füße gekriegt. Sie wollen den Vermittlungsausschuss vor der Entscheidung im Bundesrat erneut anrufen. Sie stecken gemeinsam mit den Grünen nach wie vor in der Hartz-IV-Falle, und Sie sind nicht bereit, sich aus dieser Falle zu befreien. (Beifall bei der LINKEN - Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Etwas anderes fällt Ihnen nicht ein! - Thomas Oppermann [SPD]: Sie stecken in der Kommunismusfalle!) Das Schlimme daran ist allerdings, dass das auf dem Rücken von Langzeitarbeitslosen, auf dem Rücken von Menschen, die für einen Hungerlohn arbeiten und auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind, und auf dem Rücken von Kindern und Jugendlichen, die in Hartz-IV-Familien leben, ausgetragen wird. Das ist schäbig. (Beifall bei der LINKEN - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo waren Sie eigentlich in den letzten Wochen?) Es geht hier nicht um Sieg oder Niederlage, es geht auch nicht um Paragrafen. Es geht hier um 6,7 Millionen Menschen, um 2,5 Millionen Kinder. Wie Sie mit dem Schicksal dieser Menschen umgehen, ist eine Schande. (Beifall bei der LINKEN) Haben Sie sich schon einmal mit Betroffenen unterhalten? Sie von der FDP haben das wahrscheinlich nicht getan; Sie sehen ja bei jedem Hartz-IV-Empfänger spätrömische Dekadenz. Sie von den Christlich-Sozialen und den Christdemokraten, haben Sie sich einmal mit Menschen unterhalten, die unter solchen Bedingungen leben müssen? - Ich habe bei Matthäus etwas Schönes gefunden: Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt - das ist alles, was das Gesetz und die Propheten fordern. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Oh Gott! Wenn Kommunisten aus der Bibel zitieren! Unglaublich!) Wollen Sie so behandelt werden, wie Sie Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger behandeln? (Beifall bei der LINKEN - Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Von Ihnen will ich überhaupt nicht behandelt werden!) Wissen Sie, wie sich diejenigen fühlen, die zum Beispiel am Ende eines Quartals auf einen notwendigen Arztbesuch verzichten, weil sie die Praxisgebühr nicht zahlen können? Wissen Sie, wie sich diejenigen fühlen, die zum Beispiel wegen der Zuzahlung auf notwendige Arzneien verzichten? Wissen Sie, wie es einer Mutter geht - ich weiß nicht, ob Sie einmal ein Gespräch mit einer alleinerziehenden Mutter geführt haben -, die ihrem Kind nicht gestattet, zur Geburtstagsfeier des Klassenkameraden zu gehen, und zwar nicht, weil sie ihrem Kind das nicht gönnt, sondern weil sie die Sorge hat, dass daraus Erwartungen entstehen, ebenfalls eine solche Geburtstagsparty auszurichten, was im Budget aber nicht vorgesehen ist? Erinnern wir uns: Das Bundesverfassungsgericht hat vor mehr als einem Jahr die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze für verfassungswidrig erklärt; das war eine schallende Ohrfeige für alle Hartz-IV-Parteien in diesem Parlament. Es hat dem Gesetzgeber den Auftrag gegeben, Transparenz herzustellen und für die Sicherung der physischen Existenz und eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu sorgen. Diese Aufgabe stand im Zentrum des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, und diese Aufgabe ist bis heute nicht erfüllt. (Beifall bei der LINKEN) Ich behaupte, dass zu keinem Zeitpunkt wirklich gewollt war, eine verfassungskonforme Regelung zu finden. Gewollt war auch nicht, dass die Linke mit dabei ist. Das ist verständlich; denn die Linke war von Anfang an gegen Hartz IV. Sie hat gesagt: Das ist Armut per Gesetz. Dieses Gesetz ist verfassungswidrig. - Die Linke hat vom Verfassungsgericht recht bekommen. (Beifall bei der LINKEN) Per Mehrheitsentscheidung im Vermittlungsausschuss hat man dann zunächst verhindert - und zwar Sie alle -, dass die Linke in der Arbeitsgruppe mitarbeiten darf. (Peter Altmaier [CDU/CSU]: Gute Idee!) Herr Altmaier, dank des Bundesverfassungsgerichts - mal wieder das Bundesverfassungsgericht - mussten Sie dann doch dem Grundgesetz Genüge tun; es hat Sie darauf aufmerksam gemacht. Die Linke war dann bis zum 19. Januar 2011 mit dabei. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei solchen Beiträgen würde ich jeden Abend weinen!) Die Linke hat in der Arbeitsgruppe und in den Unterarbeitsgruppen mitgearbeitet, und wir haben Ihnen den Spiegel vors Gesicht gehalten. Wir haben massenhaft Material, Unterlagen und Forderungen in die Beratungen eingebracht. Darunter war unter anderem eine Berechnung des Statistischen Bundesamtes. Darin wurden die verdeckt Armen herausgerechnet und eine Referenzgruppe nicht der unteren 15 Prozent der Einkommen, wie Sie es wollten, sondern der unteren 20 Prozent der Einkommen gebildet. Allein bei dieser Berechnung kommt das Statistische Bundesamt auf einen Regelsatz von 392 Euro. Das ist deutlich mehr, als Sie von CDU/ CSU und FDP anbieten, und übrigens auch deutlich mehr, als das, was die SPD anbietet. 11 Euro sind genauso ein Schlag ins Gesicht der Langzeitarbeitslosen. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben Ihnen eine Studie des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund vorgelegt. Darin geht es um die Kosten einer gesunden Ernährung für Kinder und Jugendliche. Diese Studie kommt zu folgendem Ergebnis - ich zitiere, Herr Präsident -: Bei den 10- bis 12-Jährigen reichen die Regelsätze nicht für eine mittlere körperliche Aktivität; ebenso wie für die 13- bis 14-Jährigen und die 15- bis 18-jährigen Jungen unabhängig vom Aktivitätsniveau. Das heißt, das, was Sie als Regelsatz vereinbart haben, reicht nicht, um Kinder und Jugendliche gesund zu ernähren. Das ist ein Skandal. (Beifall bei der LINKEN) Das war aber für Sie kein Thema in den Verhandlungen. Die Linke hat Vorschläge eingebracht, wie man zu einem verfassungskonformen Regelsatz kommen kann. Wir haben vorgeschlagen, die Referenzgruppe von 15 Prozent auf 20 Prozent zu vergrößern und die Aufstocker und die verdeckt Armen herauszurechnen. Wir haben darauf hingewiesen, dass es notwendig ist, die Zusammensetzung des Regelsatzes generell zu prüfen. Teilhabe heißt zum Beispiel Mobilität. Das ist mit 18 Euro im Monat nicht zu machen. (Thomas Oppermann [SPD]: 17!) Teilhabe heißt auch gesunde Ernährung. Ich finde, zur Teilhabe gehören auch Schnittblumen. Wenn ich auf einen Geburtstag eingeladen bin, nehme ich wenigstens einen Strauß Blumen mit. Das wollen Sie Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern untersagen. Richtig ist: Wenn man alles zusammengerechnet, dann kommt man auf einen Regelsatz von 500 Euro. Das ist eine Forderung der Linken. (Beifall bei der LINKEN) Aber Sie waren nicht einmal bereit, darüber zu reden. Kritik gibt es auch vom Behindertenbeauftragten der Bundesregierung. Auch das ist einmalig. Herr Hüppe hat die Kürzung des Regelsatzes bei behinderten nichterwerbstätigen Erwachsenen um 20 Prozent kritisiert. Es ist schlicht und ergreifend menschenunwürdig, ausgerechnet bei denen zu kürzen, die ohnehin schon in dieser Gesellschaft benachteiligt sind. (Beifall bei der LINKEN - Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das ist Programm bei denen!) Die Linke hat in der Arbeitsgruppe und in den Unterarbeitsgruppen immer wieder gemahnt. Das hat Sie in Ihren Kungelrunden gestört. Deshalb haben Sie einen Trick angewendet: Sie haben aus der formellen Arbeitsgruppe eine informelle Arbeitsgruppe gemacht. Damit haben Sie die Linke aus den weiteren Verhandlungen in Ihren Kungelrunden herausgehalten. Besonders verwerflich finde ich etwas, das in den ganzen Debatten keine Rolle gespielt hat. Das Verfassungsgericht hat gefordert, dass der Regelsatz für Kinder und ihr tatsächlicher Bedarf eigenständig berechnet werden müssen. Das Verfassungsgericht hat Ihnen Willkür vorgeworfen. Ein Kind ist nicht mit 60 Prozent eines Erwachsenen gleichzusetzen. Das haben Sie in den Verhandlungen völlig ignoriert. (Birgit Homburger [FDP]: Das war Rot-Grün! Da drüben!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Ich komme gleich zum Schluss, Herr Präsident. Bei den anderen waren Sie etwas großzügiger, bei mir natürlich nicht. Das ist klar. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nein. Entschuldigen Sie, Frau Kollegin, ich habe die Uhr genau im Blick. Deswegen ist es unverschämt, so zu reagieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Es ist mir klar, dass Sie da Beifall klatschen. Die Linke ist vor die Tür gesetzt worden. Sie wird aber weiter an der Seite der Hartz-IV-Betroffenen kämpfen. Wir werden Sie weiter daran erinnern, was vom Verfassungsgericht vorgegeben wird. (Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Schluss jetzt! - Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Setzen!) Dieses Gesetz wird schneller beim Verfassungsgericht landen, als Sie es ahnen. (Lebhafter Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Unverschämtheit!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin Enkelmann, ich will Ihnen kurz mitteilen: Sie hatten sieben Minuten Redezeit; Sie haben diese um anderthalb Minuten überschritten. So viel zu Ihrer Behauptung, ich wäre nicht großzügig genug. Das Wort hat nun Kollegin Renate Künast von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, in der bisherigen Debatte hat man eines gemerkt, nämlich dass die Regierung noch nicht verstanden hat, was das Wesen eines Vermittlungsverfahrens in Deutschland ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn man keine Mehrheit hat, gehört es zu einem Vermittlungsverfahren, auf die andere Seite zuzugehen und Mehrheiten zu bilden. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wechselseitig!) - Nein. Wer als Bundesregierung für seine Vorhaben und Vorlagen keine Mehrheit hat, muss im deutschen Vermittlungsverfahren auf die Opposition und die Bundesländer zugehen, um eine Mehrheit herzustellen. Das erwarten wir und das erwartet das ganze Land von einer Bundeskanzlerin. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Das haben wir jeden Tag gemacht!) Das haben Sie offensichtlich nicht verstanden, Frau Merkel. - Offensichtlich hat sie es auch gar nicht nötig, hier zu sitzen. Angesichts der Größe der Aufgabe auch ein beachtlicher Vorgang! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Angesichts der Größe Ihrer Rede, oder wie?) Wir, Jürgen Trittin und ich, haben Ihnen als Grüne bereits im Dezember des letzten Jahres geschrieben, Frau Merkel: Wir wollen mit Ihnen über die Frage der Umsetzung reden. - Da war schon fast ein Jahr vergangen; denn das Urteil ist vom 9. Februar 2010. Wir haben gesehen, dass Frau von der Leyen es nicht kann. Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, mache ich hier und heute den Vorwurf, dass Sie das ein Jahr lang haben treiben lassen. Das ist die Feststellung. Sie haben sich nicht für das Soziale, haben sich nicht für die Kinder engagiert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ein Jahr lang haben Sie es treiben lassen, und an diesem Dienstag haben Sie es dann - das war offensichtlich Ihr größtes Missverständnis - mit Basta-Politik versucht und schon nachmittags angekündigt, dass abends nichts dabei herauskommt. Wir haben das genau verstanden. Ich will Ihnen an dieser Stelle aber eines sagen: Es ist ersichtlich, dass Frau von der Leyen das nicht kann. Frau von der Leyen hat ein Jahr lang das Urteil vor sich hergeschoben. In diesem Urteil wird eine transparente Berechnung gefordert. Da kam sie mit einer Berechnung nach Kassenlage. In dem Urteil ist von der Ermittlung des tatsächlichen Bedarfs die Rede. Da kam sie mit Kassenlage und rechnerischen Tricksereien. In dem Urteil heißt es: Die Kinder haben einen Anspruch auf Förderung. Sie hätten mit uns schon im Februar oder März letzten Jahres diskutieren können, wie man das technisch macht. Stattdessen haben Sie den Vorschlag über die Jobcenter unterbreitet; die Kommunen mussten die weiße Fahne der Kapitulation hissen, weil das nicht ging. Sie haben es handwerklich miserabel gemacht, Frau von der Leyen, und auch deshalb hat es so lange gedauert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Frau von der Leyen erzählt gern, was so alles in diesem Paket drin ist. Entschuldigen Sie bitte, aber Sie haben vergessen, dass die Menschen zum Waschen auch warmes Wasser brauchen. Sie haben einen Vorschlag zum Mittagessen gemacht, bei dem davon ausgegangen wurde, dass in einem Drittel der Schulen, also dort, wo es Kantinen und Mittagessen für Kinder gibt, die Kinder das Essen finanziert kriegen. Aber sobald ein Kind aus der Grundschule in den Hort geht, kriegt es kein Mittagessen mehr. Und da haben sie die Chuzpe, sich mit ausgebreiteten Armen als Engel der Kinder hinzustellen? - Nein, das war handwerklich miserabel. Sie haben die Zeit verplempert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich weiß doch, wie oft Fritz Kuhn mit neuen Zetteln kam und sagte: Wir haben wieder einen Fehler gefunden. Wir haben noch einen Fehler gefunden. Sie, Frau Merkel, haben zugelassen, dass die FDP kam und vorschlug "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit nach neun Monaten". Meine Damen und Herren, was soll man mit gleichem Lohn für gleiche Arbeit ab neun Monaten, wenn der Vertrag gar keine neun Monate dauert? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Das ist Ihnen nicht einmal peinlich. Ich sage Ihnen: Das war im Großen und Ganzen ein verplempertes Jahr. Sie haben einen Vorschlag gemacht, von dem Jürgen Borchert, der Richter am Landessozialgericht Hessen, der das Bundesverfassungsgericht deswegen angerufen hat, schon damals gesagt hat: Die alten Regelsätze sind willkürlich. Zu Ihrem heutigen Vorschlag und Ihrem VA-Ergebnis sagt er: Der Gesetzgeber läuft mit diesem Entwurf erneut ins offene Messer. - Sie werden uns nicht dazu bringen, für so etwas zu stimmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Da können Sie hier noch so engelsgleich stehen. Es ist unsere Pflicht, nicht einfach zu sagen: "Ist mir doch egal; dann schicken wir es wieder nach Karlsruhe", sondern verfassungsgemäße Entwürfe zu machen. Dazu haben wir Ihnen wiederholt Vorschläge gemacht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie sagen hier der Stimmung wegen, Mindestlöhne hätten in solchen Verhandlungen gar nichts zu suchen, das sei sachfremd. Ich weiß nicht, ob das an der Stelle eiskalte Kalkulation ist oder Sie es selber wirklich nicht wissen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eiskalte Kalkulation!) Ich weiß nur, was Herr Laumann sagt, Ihr Mann in NRW, liebe CDUler. Er sagt heute - das geht gerade über die Ticker -: Die Verantwortung für das Scheitern hat die FDP. Er sagt weiter ganz klar: Wer solche Vorschläge macht, wenn es um Mindestlöhne und das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" geht, ist entweder böswillig oder hat keine Ahnung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich rufe von hier aus Herrn Laumann in NRW zu: Beides trifft zu. Sie sind böswillig und haben keine Ahnung, meine Damen und Herren von der Koalition. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Warum haben wir entsprechende Vorlagen zu Mindestlöhnen und Regelsätzen in das Gesetzgebungsverfahren - schon im Bundestag - eingebracht? Weil Mindestlöhne und Regelsätze auf das Engste zusammengehören. Wenn sich die Regelsätze an den untersten Einkommen orientieren; dann dürfen diese Löhne nicht weiter sinken. Sonst rechnen wir uns zwangsweise immer weiter nach unten. Aber genau das wollten Sie. Sie kommen dann zwangsweise zu dem Punkt, an dem die Existenzsicherung durch die Regelsätze überhaupt nicht mehr möglich ist. Deswegen sagen wir Nein zu solchen Spielchen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Mindestlöhne sind auch deshalb wichtig, weil es inakzeptabel ist - zumindest für uns -, dass der Staat Billiglöhne, die die Menschen aufgrund des Lohndumpings bekommen, aufstocken muss, dass also wir seitens des Staates gezwungen sind, die Folgen des Lohndumpings der Firmen mit Steuermitteln auszugleichen. Meine Damen und Herren von der Union, das ist nicht christlich. Deshalb stimmen wir dem nicht zu. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ihr Angebot an die Kommunen ist vergiftet; denn Ihr Gesetzentwurf enthält keine korrekte Berechnung der Kosten der Unterkunft und sieht vor, dass der Bundesagentur für Arbeit 4 Milliarden Euro bei den Arbeitsmaßnahmen gestrichen werden. Sie von der CDU/CSU und insbesondere Frau Merkel sagen immer: Hartz IV soll eine Brücke sein. - Ich stelle mir das so vor: Du gehst als Hartz-IV-Bezieher über die Brücke. In der Mitte sollen die Wiedereingliederung und die Qualifizierung für Arbeit passieren. In der Mitte sollen die Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit wirken. Aber in der Mitte nehmen Sie die Bretter aus der Brücke heraus, indem Sie Geld abziehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dem können wir nicht zustimmen. Wir brauchen das Geld für Bildung und Weiterbildung. Frau Bundeskanzlerin, schön, dass Sie mir schon wieder den Rücken zukehren. Ich weiß aber immerhin, wo Sie sind. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich fordere Sie auf, Frau Merkel: Konzentrieren Sie sich auf das Wesen des deutschen Vermittlungsverfahrens! Es ist Ihre Aufgabe - vielleicht werden Sie damit noch groß; ich gönne es Ihnen im Interesse des Landes -, im Vermittlungsausschuss ein Ergebnis zu erzielen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin! Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sind dazu bereit. Wir haben bereits gestern beschlossen, im Bundesrat einen Antrag auf erneute Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stellen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es muss doch möglich sein, trotz Regierungsbeteiligung der FDP die Zukunft des Landes zu gestalten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollege Max Straubinger für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Max Straubinger (CDU/CSU): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erleben heute ein Schauspiel von Rot-Grün und den Linken. Sie zeigen eine große Verweigerungshaltung gegenüber den bedürftigen Menschen in unserem Land. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir als Koalition haben ein Gesetzgebungsverfahren in Gang gesetzt, weil uns letztendlich das Bundesverfassungsgericht aufgetragen hat, ein rot-grünes Gesetz zu reparieren und das Ganze in die richtigen Bahnen zu lenken. Aber Sie zeigen eine Blockadehaltung und weigern sich, Ihre damaligen Fehler zu korrigieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Diese Bundesregierung hat mit Frau Bundesministerin von der Leyen an der Spitze erstmals ein Bildungs- und Teilhabepaket für die Unterstützung bedürftiger Kinder verabschiedet; wir haben das kreiert. Aber Sie verweigern den Kindern die nötige Unterstützung für die Zukunft und für die schulische Ausbildung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wir haben gesetzeskonforme Regelsätze erarbeitet, die nachvollziehbar und transparent gestaltet sind sowie den Lebensbedürfnissen der Menschen gerecht werden. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie erzählen doch die Unwahrheit!) Auch dies ist unser Auftrag gewesen. Sie verweigern aber den Bürgerinnen und Bürgern, die auf Unterstützung und staatliche Leistungen angewiesen sind, die Erhöhung der Regelsätze um 5 Euro pro Monat. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist falsch!) Sie sind letztendlich die Verweigerer in unserem Land. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Niemand in unserem Land kann verstehen, dass der Regelsatz von 345 Euro richtig gewesen sein soll, weil er von SPD und Grünen kreiert worden ist, aber dass ein Regelsatz von 364 Euro, der von CDU, CSU und FDP gemeinsam erarbeitet worden ist, falsch sein soll. Das kann meines Erachtens nicht sein. Das werden die Bürgerinnen und Bürger, auch wenn Sie ein noch so großes Wahlkampfgetöse veranstalten, nicht begreifen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es ging bei dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts darum, dass wir transparente Regelsätze ermitteln. Dies haben wir getan. Deshalb sind Sie aufgefordert, dem zuzustimmen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Strengmann-Kuhn? Max Straubinger (CDU/CSU): Ja. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Straubinger, Sie waren doch selber bei der Anhörung im Ausschuss und haben die Aussagen der Experten gehört, die, was die Juristen angeht, eindeutig gesagt haben, dass dieser Regelsatz nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Ich könnte lange nachbeten - das haben wir im Ausschuss lange genug gemacht -, an welchen Punkten Sie teilweise willkürliche Berechnungen durchgeführt haben, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht genügten und somit verfassungswidrig waren. Ich weiß nicht, warum Sie hier versuchen, die Bevölkerung für dumm zu verkaufen, obwohl Sie wissen, dass dieser Regelsatz nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Weil das Programm bei denen ist, die Leute zu verarschen!) Herr Borchert, einer der Experten, ist eben zitiert worden. Es waren aber noch mehrere anwesend, die genau dasselbe gesagt haben. Sie rennen wieder in ein offenes Messer. Die Regelung wird wieder vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden. Sie haben im Vermittlungsverfahren keinen einzigen Vorschlag gemacht, wie der Regelsatz verfassungsgemäß gestaltet werden kann. Das aber stand im Zentrum des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Sie verstoßen sehenden Auges gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und damit gegen die Verfassung. Das werfen wir Ihnen vor. Wenn Sie sich da nicht bewegen, dann kommen wir nicht zusammen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Max Straubinger (CDU/CSU): Herr Kollege Strengmann-Kuhn, diese Eindeutigkeit konnten wir bei der Anhörung in keiner Weise feststellen. (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Natürlich. - Im Gegenteil, unsere Darlegung der Regelsätze wurde untermauert. Dass diese Berechnung verfassungskonform ist, war die Ansicht, die bei den Anhörungen geäußert wurde. Während der Verhandlungen im Rahmen des Vermittlungsverfahrens haben weder die SPD noch die Grünen oder die Linke uns darlegen können, dass die Sätze nicht verfassungskonform ermittelt worden wären. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon wieder gelogen!) Das ist die Wahrheit. Deshalb sind Sie die Verweigerer und Blockierer in unserem Land. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Eine Lüge! - Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] nimmt Platz) - Herr Strengmann-Kuhn, ich bin noch nicht fertig. Die Erhöhung um 6 Euro, die Sie anstreben, hat in keiner Weise mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu tun. Ihre Darlegungen sind falsch. Bei den Regelsätzen muss man auch sehen, dass die kleinen Leute diese zu bezahlen haben. (Elke Ferner [SPD]: Nehmen Sie einen Mindestlohn!) Wenn Sie 6 Euro mehr fordern, dann bedeutet das fast 500 Millionen Euro mehr, die die Verkäuferin, die Arzthelferin und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinen Einkommen mit ihren Beiträgen und Steuern zu berappen haben, die jeden Tag früh aufstehen müssen und arbeiten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dies zeigt sehr deutlich: Sie machen eine Politik gegen den kleinen Mann in unserem Land. Sie sind die Unterstützer der Menschen, die möglicherweise nicht jede Arbeit annehmen wollen. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Verstoß gegen die Verfassung!) Wir arbeiten daran, dass jeder in Arbeit kommt. Wir haben Erfolge zu verzeichnen. Unter Rot-Grün hatten wir 5 Millionen Arbeitslose und Bedürftige, jetzt sind es nur noch 3 Millionen mit fallender Tendenz. Das ist der Erfolg der Bundesregierung unter Angela Merkel. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das Entscheidende ist, dass wir die Leute in Arbeit bringen. Nicht die Alimentierung über Steuergelder ist das Entscheidende, sondern die Schaffung von Arbeitsplätzen. Daran arbeiten wir. Sie haben sich zum Beispiel einer Erhöhung des Kindergeldes zum 1. Januar verweigert; damit wären die Familienleistungen verstärkt worden. Sie haben sich steuerlichen Erleichterungen verweigert. (Elke Ferner [SPD]: Mövenpick!) Alle diese Maßnahmen, die wir zum 1. Januar 2010 in Gang gebracht haben, haben dazu geführt, dass im Jahr 2010 ein Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent erreicht worden ist, viele Arbeitsplätze in unserem Land geschaffen wurden und die Langzeitarbeitslosigkeit abgebaut werden konnte, wodurch die Menschen in unserem Land weniger auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Das ist der Erfolg unserer Bundesregierung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wenn Sie im Zusammenhang mit dem Vermittlungsverfahren Mindestlöhne einfordern, dann muss ich Ihnen sagen: Wir haben dafür gekämpft, dass es mehr Mindestlöhne in unserem Land gibt, (Lachen bei der SPD) dass 3 Millionen Menschen in verschiedenen Branchen auf Lohnuntergrenzen setzen können. Wir sind auch bereit, das bei der Zeitarbeit in Gang zu setzen. Aber Sie verweigern sich heute einer Umsetzung der Lohnuntergrenzen in der Zeitarbeit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Pronold? Max Straubinger (CDU/CSU): Ja, bitte schön. Florian Pronold (SPD): Herr Kollege Straubinger, Ihr Ministerpräsident und Parteivorsitzender hat im Januar in aller Öffentlichkeit und auch gegenüber dem DGB in Bayern versprochen, dass er sich mit aller Kraft dafür einsetzen - und auch die FDP überzeugen - wird, dass die Zeitarbeit so reguliert werden soll, dass nach einer Zeit von vier Wochen das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" zum Tragen kommt. (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Reden Sie keinen Quatsch, Herr Pronold!) Warum stehen Sie heute nicht mehr zu dem Versprechen, das der CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer gegeben hat? Warum haben Sie das in den Verhandlungen nicht durchgesetzt? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Max Straubinger (CDU/CSU): Herr Kollege Pronold, erstens ist mir diese Aussage des bayerischen Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden nicht bekannt. (Lachen bei der SPD) Zweitens setzen wir in dieser Frage auf die Tatkraft der Tarifpartner. Die Tarifpartner haben zum Beispiel in der Stahlbranche erreicht, dass bereits ab dem ersten Tag Equal Pay für den Einsatz von Zeitarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern gilt. Wir sind auch überzeugt, dass letztendlich die Tarifpartner in freier Tarifvereinbarung Verbesserungen mit erarbeiten werden, auch in puncto Equal Pay, gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Ich verstehe Sie nicht, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist das Problem!) die Sie doch immer auch Gewerkschaftsvertreter sein wollen, dass Sie letztendlich den Gewerkschaften ihr Verhandlungsmandat nehmen wollen; denn das wäre ja die Konsequenz Ihres Handelns. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das darf nicht sein. Wir sind überzeugt, dass wir mit tatkräftigen Arbeitnehmervertretern besondere Löhne vereinbaren können. Wir sind nicht für Mindestlöhne, sondern wir sind für hohe Löhne für die Menschen in unserem Land. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Schlecht von der Linksfraktion? Max Straubinger (CDU/CSU): Bitte schön. Ich bin immer zur Aufklärung bereit. Michael Schlecht (DIE LINKE): Herr Kollege Straubinger, zwei Punkte. Erstens. Können Sie sich, nachdem in den letzten zehn Jahren die gewerkschaftlichen Handlungsmöglichkeiten durch politische Maßnahmen gerade durch Sie in erheblicher Weise beeinträchtigt worden sind - durch Befristungen, Leiharbeit und Minijobs und vor allen Dingen durch die hier zur Debatte stehenden Hartz-IV-Regelungen -, wirklich vorstellen, dass es möglich sein sollte, die Leiharbeit tarifpolitisch zu regulieren? Denn gerade durch die gesetzlichen Regulierungen sind den Gewerkschaften schwere Knüppel zwischen die Beine geworfen worden. (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!) Heute hier zu sagen, dass man jetzt noch ein Jahr warten solle und dass dann die Gewerkschaften das bitte schön regulieren mögen, (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Das ist doch unglaublich, was Sie erzählen!) ist hochgradig zynisch. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Die zweite Frage. (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Es gibt nur eine Frage! Herr Präsident, wie viel Fragen darf er stellen?) Sie haben ein Jahr gebraucht, um den heutigen Stand zu erreichen, und es ist nichts dabei herausgekommen. Sie haben jetzt wochenlang im Vermittlungsausschuss zusammengesessen. Bei der Bankenkrise hingegen, Ende 2008, haben Sie innerhalb von einer Woche ein riesiges Rettungspaket für die Banken auf den Weg gebracht. Finden Sie es nicht auch hochskandalös, (Beifall bei der LINKEN) dass damals, als es um die Banken ging, alles in fünf, sechs Tagen möglich war, während jetzt auch nach einem Jahr noch nichts herausgekommen ist? Herauskommen müsste ein Regelsatz von 500 Euro; denn das ist der einzige Regelsatz, der sich aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts errechnen lässt und der darüber hinaus menschenwürdig ist. (Beifall bei der LINKEN) Max Straubinger (CDU/CSU): Dass die Linken in unserem Land gerne Pi mal Daumen rechnen und die Regelsätze nicht nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts berechnen, ist bekannt. Aber das müssen die kleinen Leute bezahlen, die Sie hier nicht vertreten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Michael Schlecht [DIE LINKE]: Nein, Sie müssen bezahlen!) Nicht wir haben ein Jahr lang gebraucht, sondern es war vorher bekannt, dass die Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erst im September bzw. Oktober vorliegen werden. Wir haben den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, diese Regelsätze transparent und vollziehbar zu ermitteln. Deshalb war es notwendig, abzuwarten, bis die statistischen Erhebungen vorlagen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!) Man kann deshalb nicht behaupten, wir hätten zu lange gebraucht, sondern es gab die Vorgabe - die noch von den früheren Arbeitsministern der SPD stammte -, Daten auf Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zu ermitteln. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Die Methoden muss man vorher festlegen! - Abg. Michael Schlecht [DIE LINKE] nimmt Platz) - Bleiben Sie ruhig stehen! (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der LINKEN: So geht es ja gar nicht!) Sie haben zwei Fragen gestellt. Ich habe erst eine beantwortet. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der FDP: Ordnung muss sein!) Sie werfen uns vor, dass wir zu lange gebraucht hätten, um die Regelsätze zu ermitteln, und jetzt weitere sieben Wochen verhandelt haben. Ich sage Ihnen: Es gehört zu Verhandlungen dazu, dass sich beide Seiten bewegen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Recht hat er!) Wir haben uns bewegt: Beim Bildungs- und Teilhabepaket haben wir fast über 400 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt, damit die Kommunen die Vorhaben umsetzen können. Wir waren bereit, einen Mindestlohn für den Bereich Aus- und Weiterbildung zu kreieren. Wir sind bereit für die Zeitarbeit. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Zeitarbeit sind Sie bereit! Das stimmt!) Wir sind bereit, eine Mindestlohngrenze für das Wach- und Sicherheitsgewerbe festzulegen. Wir haben uns in den entscheidenden Fragen bewegt, aber auch die gesammelte linke Opposition muss sich bewegen, statt zu versuchen, ihren gesamten Forderungskatalog durchzusetzen. Wenn Sie darauf anspielen, dass wir innerhalb kürzester Zeit den Sparerinnen und Sparern unter die Arme gegriffen haben: (Widerspruch bei der LINKEN) Das Bankensystem zu retten, war eine wichtige Aufgabe für die Sparerinnen und Sparer in unserem Land, und zwar nicht wegen der Banken, sondern es ging darum, dass die Ersparnisse der Menschen sicher sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich bin noch bei der ersten Frage. - Sie werfen uns vor, dass wir durch die Lösung der Probleme der Zeitarbeit oder anderer Arbeitsverhältnisse die Gewerkschaften ihrer Gestaltungsmöglichkeit beraubt hätten, dabei haben SPD-Minister die Befristungen und andere Maßnahmen beschlossen. Wir haben gar nichts verändert. Sie müssen sich also an die Kolleginnen und Kollegen der SPD wenden und nicht an uns. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Verehrte Damen und Herren, in all den Wahlkämpfen, die vor uns liegen, (Elke Ferner [SPD]: Ach so!) werden Sie nicht bestehen können, wenn Sie sich darauf kaprizieren, hohe Regelsätze zu haben. Ich bin überzeugt, den Menschen ist es wichtig, in Arbeit zu kommen. Das werden wir mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Spitze, mit unserer Bundesarbeitsministerin und dem Bundeswirtschaftsminister tatkräftig umsetzen, um die soziale Lage der Menschen in unserem Land zu verbessern. Sie hätten heute im Bundesrat die Chance gehabt - möglicherweise haben Sie sie noch -, die soziale Lage der Menschen zusätzlich zu verbessern, wenn Sie unseren Vorschlägen zustimmen würden. Damit wären die Grundlagen für die Menschen gelegt, die in Deutschland am Existenzminimum leben müssen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und die Geduld. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Straubinger, das nennt man Glück: durch Zwischenfragen eine doppelte Redezeit erreichen. (Heiterkeit) Das Wort hat nun Kollege Sigmar Gabriel für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Sigmar Gabriel (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle haben jetzt noch einmal die Argumente gehört, aber wir müssen natürlich aufpassen, dass wir hier im Hause nicht das tun, was ein saarländischer Ministerpräsident einmal als Theaterspiel bezeichnet hat. Wir alle wissen, dass im Bundesrat zwischen allen Parteien längst wieder über die Neuaufnahme des Vermittlungsverfahrens verhandelt wird, und das ist auch gut so. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Auf Antrag von Kurt Beck und anderen ist das zustande gekommen. (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Wie heißt der?) Wissen Sie, wozu ich keine Lust habe? Wir hätten Ihnen eine Niederlage bei der Abstimmung im Bundesrat beibringen können. Das werden wir, wenn das vernünftig läuft, nicht tun, nicht weil wir Ihnen ungern Niederlagen beibringen - - (Zurufe von der CDU/CSU) - Quatschen Sie doch nicht immer dazwischen! Hören Sie doch mal eine Sekunde zu! (Widerspruch bei der CDU/CSU) - Gut, okay. Ich habe es versucht. Das ist bei Ihnen offensichtlich nur schwer möglich. Herr Kauder weiß aber, wovon ich rede. Wir dürfen hier kein Vieraugenparlament werden, (Zurufe von der LINKEN: Unter Ausschluss der Öffentlichkeit! - Was machen Sie eigentlich?) wo wir uns unter vier Augen immer sagen: "Das können wir eigentlich nicht machen; eigentlich müssten wir das anders machen", es aber dann, wenn das dritte Augenpaar dabei ist, wieder ganz anders machen. Wir wissen doch - jedenfalls die meisten von uns -, dass da draußen in der Öffentlichkeit ein völlig anderer Eindruck entsteht; da hat der Kollege von den Linken schon recht. Der Eindruck da draußen ist, dass wir in wenigen Stunden in der Lage waren, Milliarden zur Bankenrettung zusammenzubringen - wir haben sie gerettet wegen unserer Bevölkerung, nicht wegen der Banken -, (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) aber dass wir offensichtlich in Monaten nicht in der Lage sind, für Millionen von Menschen gemeinsam eine Verbesserung zu erzeugen. Wenn wir jetzt erklären, Sie seien schuld, und Sie sagen, wir seien schuld, dann überrascht das die Leute da draußen auch nicht, weil die davon ausgehen, dass wir zu nichts anderem in der Lage sind, als uns gegenseitig zu erklären, was der andere falsch gemacht hat. Unter vier Augen sagen wir: Leute, wir müssen ein Ergebnis erzielen. - Wenn wir heute im Bundesrat bei der Abstimmung gewinnen würden - und wir würden gewinnen -, dann würden wir alle eine große Niederlage erleiden, weil die Menschen draußen sich noch mehr von der Politik abwenden würden. Das ist der Grund dafür, dass wir überhaupt zusammenkommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Darum geht es, dass wir es noch einmal versuchen wollen. Wir hätten das heute hinbekommen - keine Sorge; mit den Ländern, in denen wir an der Regierung beteiligt sind, haben wir das eng abgestimmt -, aber Kurt Beck startet zusammen mit anderen - zum Beispiel, wie ich höre, mit dem CDU-Kollegen aus Sachsen-Anhalt - den Versuch, doch noch ein Ergebnis zu erzielen. Frau von der Leyen, es macht doch keinen Sinn, dass Sie hierherkommen und so tun, als sei das alles sozusagen von vornherein dufte gewesen. Sie wissen doch, dass Sie zum Beispiel vergessen hatten, 277 Millionen Euro für Warmwasser in den Regelsatz einzurechnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie wissen doch, dass Ihre eigenen Kollegen Ihnen gesagt haben: Du kannst doch nicht wirklich die Mitarbeiter der Arbeitsverwaltung für die Entscheidung darüber zuständig machen wollen, welche Kinder Nachhilfe bekommen. - Das haben Ihnen Ihre Leute gesagt. (Beifall bei der SPD) Ein bisschen mehr Demut bei der Debatte wäre doch angemessen angesichts der Tatsache, dass Ihre eigenen Leute Ihre Vorschläge kassiert haben. Frau von der Leyen, wir sind uns nicht einig darüber, dass nur ein Teil der Kinder ein Mittagessen bekommen soll. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir sind uns nicht einig darüber, dass 10 Euro als Minibetrag für Familien die Familien besserstellen und zu einer besseren Bildung der Kinder beitragen, wie das Ihrer Meinung entspricht. Unsere Richtung ist eine andere. Wir wollen die Schulen und die Kindertagesstätten stärken. Darum geht es, Frau von der Leyen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der FDP: Und der Regelsatz?) Wir sind uns auch nicht einig darüber, ob die Kommunen tatsächlich eine bessere finanzielle Ausstattung bekommen. Allerdings - das will ich offen sagen -: Wir sind einen großen Schritt weitergekommen bei der Frage: Wie bekommen wir die Finanzierung hin? Lassen Sie uns die nächsten beiden Schritte, die Sie jetzt am Ende nicht mehr gehen wollten, noch machen und wirklich dafür sorgen, dass die Kommunen sicher sein können, dieses Geld zu bekommen. Wir wissen aber auch - das sagen wir wieder nur unter vier Augen -, was passiert, wenn nicht drinsteht, wofür das Geld genutzt werden soll, nämlich für Schulsozialarbeit. (Beifall bei der SPD) Nun könnte man sagen: Nein, wenn das dritte Augenpaar dabei ist, dann werden das natürlich alle machen. - Ja, viele werden es machen, aber manche haben die Kommunalaufsicht im Haus und werden das Geld nicht in die Schulen geben. Deswegen lassen Sie uns das entsprechend festlegen. Frau von der Leyen, Sie wissen doch auch, dass es nicht stimmt, dass die Debatte um Mindestlöhne oder Leiharbeit hier nicht mit hineingehört. Es geht uns allen doch offensichtlich darum, dass sich Arbeit lohnen muss. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Aber das erreichen wir nicht dadurch, dass man die Hartz-IV-Sätze möglichst niedrig ansetzt, sondern dadurch, dass Mindestlöhne eingeführt werden. Hier sind wir in der Tat einen großen Schritt weiter zueinandergekommen. Aber warum ziehen Sie nicht eine wirkliche Lohnuntergrenze ein, indem Sie die Mindestlöhne auch im Arbeitnehmer-Entsendegesetz festschreiben? (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Durch das, was Sie jetzt machen, eröffnen Sie wieder neue Schlupflöcher. Und Sie wissen doch, was dann passiert: Die Menschen, denen wir etwas versprochen haben, erleben in der Realität etwas ganz anderes, und nicht die Unternehmer, die diese Schlupflöcher nutzen, werden dann am Pranger stehen, sondern die Politik ist wieder schuld, weil sie etwas versprochen hat, was nicht eingehalten wird. Deshalb brauchen wir ein besseres Gesetz beim Mindestlohn. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Es sind nur noch wenige Meter, die wir da gehen müssen. Das muss doch zu schaffen sein, verdammt noch mal! (Zuruf von der FDP: Ein paar Meter zurück!) Da Sie von der FDP ja nun gar nicht wollen, dass wir da zueinanderkommen, zitiere ich einmal aus einer heutigen Meldung. Vielleicht ist es ja so möglich, bei Ihnen Nachdenklichkeit zu erzeugen. Da steht, dass Sie das Hauptproblem der Verhandlungen gewesen sind. Wie sehr sich die FDP da verrannt hat, wird zum Beispiel daran deutlich, dass Ihnen, Herr Kolb, der Spitzname Gromyko gegeben wurde, weil Sie in den Verhandlungen im Wesentlichen immer "Njet" gesagt haben. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Herr Gabriel, das ist doch nun wirklich daneben!) - Na gut, Herr Goldmann, dann zitiere ich eben die FDP selber. Vom schleswig-holsteinischen Sozialminister, der zugleich auch stellvertretender Ministerpräsident ist und Ihrer Partei angehört, heißt es dort: Dabei würde er es sehr begrüßen, wenn sich die FDP in den Streitfragen zur Lohnuntergrenze und zur gleichen Bezahlung von Stammbelegschaften und Leih- und Zeitarbeitern "weniger dogmatisch als bisher zeigen würde". (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Weiter heißt es - hören Sie genau zu; es geht um Ihren Sozialminister -: Garg hob hervor, dass es sozial- und gesellschaftspolitisch richtig sei, für die Zeitarbeit eine Lohnuntergrenze vorzuschreiben. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Haben wir doch!) - Nein, es gibt Ausnahmetatbestände, die Sie hereinverhandelt haben. Wenn Sie schon nicht auf die Sozialdemokraten hören, dann hören Sie wenigstens auf Ihren Koalitionspartner: Herr Laumann, der Bundeschef der CDU-Arbeitnehmerschaft, wies der FDP unterdessen eine Mitverantwortung für das Scheitern der Hartz-IV-Einigungsgespräche zu. Wer wie die FDP eine gleiche Bezahlung für Leiharbeiter erst nach neun Monaten wolle, sei entweder "böswillig oder hat keine Ahnung" ... Dem ist nichts hinzuzufügen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie uns also offen miteinander umgehen. Wir haben uns jetzt noch einmal gegenseitig gezeigt, wie gut wir reden können. Unsere Rednerin war, wie ich finde, die bessere. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Als Sie!) Sei es drum. Darum geht es nicht. Lassen Sie es uns offen sagen und dem Bundesrat zurufen: Wir halten es für richtig, dass ihr dort miteinander, egal welcher Regierung ihr angehört, das Vermittlungsverfahren wieder eröffnen wollt! (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir finden es richtig, dass nicht aufgehört wird, eine Lösung zu suchen! Wir finden es richtig, dass wir alle drei Teile, bei denen wir ja kurz vor einer Lösung stehen, zueinanderbringen! - Wir können damit der Bevölkerung zeigen, dass wir mehr können, als uns zu streiten. Die Landtagswahlen werden zeigen, dass das uns allen guttut. Wenn wir das jetzt nicht machen, dann werden wir alle bei den Landtagswahlen bestraft, weil sich die Leute von uns abwenden. Das ist der Grund, warum wir wieder verhandeln wollen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Max Straubinger [CDU/ CSU]: Sie stimmen doch nicht zu!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Birgit Homburger für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Thomas Oppermann [SPD]: Nicht wieder alles kaputtreden!) Birgit Homburger (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal festhalten, dass wir in diesem Verfahren ein weitreichendes Angebot gemacht haben. Für all diejenigen, die uns hier zuhören und die es nicht so ermessen können wie diejenigen, die im Verfahren drinstecken, möchte ich es noch einmal an einer Zahl verdeutlichen: Wenn man alles zusammenrechnet - das Bildungspaket, die Grundsicherung und das, was bei Hartz IV gemacht werden soll -, dann kommt man auf eine Summe von 7 Milliarden Euro jährlich. Das haben wir angeboten. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hört! Hört!) Frau Schwesig hat vorhin in ihrer Rede hier gesagt, die Ministerin habe sich hier im Klein-Klein verloren. (Zurufe von der FDP: Sie geht jetzt! Unglaublich!) Sehr verehrte Frau Schwesig, wenn Sie sich das noch kurz anhören würden? (Zurufe von der FDP: Nein, tut sie nicht! Sie geht! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Bundesrat!) Sie haben es offensichtlich nicht nötig, zuzuhören. (Zurufe von der FDP und der CDU/CSU) Aber ich sage Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Offensichtlich hat Frau Schwesig kein Verhältnis zu dem Geld, das die Bürgerinnen und Bürger hart erarbeiten müssen. Das sind keine Peanuts; das ist ein Riesenangebot. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Herr Gabriel, wir wollen ein Ergebnis. Ich begrüße ganz ausdrücklich das, was Sie vorgetragen haben, und dass Sie jetzt zur Vernunft kommen wollen. (Lachen bei der SPD) Wir wissen, was im Augenblick im Bundesrat verhandelt wird. Im Bundesrat wird momentan darüber gesprochen, dass der Vermittlungsausschuss nur noch aus einem einzigen Grund angerufen wird, nämlich wegen der Sonderbedarfe. (Sigmar Gabriel [SPD]: Nein! Da irren Sie sich!) Das ist ein entscheidender Punkt. Selbst Herr Kurth von den Grünen kritisiert die eigene Verhandlungsführung und sagt: Wir haben die Verhandlungen mit sachfremden Forderungen überfrachtet. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn Sie die sachfremden Forderungen weggenommen hätten, hätten wir schon längst ein Ergebnis erreicht. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Kollegen Schlecht von der Fraktion Die Linke? Birgit Homburger (FDP): Ja, bitte. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Frau Homburger, Frau Schwesig ist im Bundesrat wie die gesamte Bundesratsbank! Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! - Gegenruf des Abg. Otto Fricke [FDP]: Aber da kann man vor ihr nicht so herumholzen!) Michael Schlecht (DIE LINKE): Frau Homburger, ich möchte auf einen Punkt eingehen, den Sie bei der Auflistung Ihres wunderbaren Pakets gerade gar nicht erwähnt haben: Das ist die in der Tat absolute Blockade der FDP in der Frage der Leiharbeit. Gerade in Baden-Württemberg gibt es jetzt wieder einen Aufschwung. In diesem Aufschwung hat allerdings die Leiharbeit massiv um sich gegriffen. Wissen Sie eigentlich, dass zum Beispiel Daimler in Untertürkheim heute zwar wieder die Beschäftigtenzahl wie vor der Krise hat, dass aber heute 800 Leiharbeitnehmer mehr in diesem Betrieb beschäftigt sind und dass dort wegen der Leiharbeit Vollzeitarbeitsplätze vernichtet worden sind? Das ist wirklich menschenunwürdig. Ähnliche Beispiele könnte man in vielen anderen Betrieben bei uns im sogenannten Musterländle finden. (Beifall bei der LINKEN) Birgit Homburger (FDP): Herr Kollege, ich würde Ihnen anraten, sich einmal anzuschauen, wie das in den Betrieben in den letzten Jahren gelaufen ist und wie das jetzt läuft. Wenn Sie sich mit der Realität befassen würden, würden Sie nämlich feststellen, dass in den letzten Jahren, wenn es einen Aufschwung gab, zunächst über Zeitarbeit eingestellt wurde. Die Zeitarbeitnehmer hatten dann über diese Brücke eine Chance auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Wer diese Brücke wie Sie einreißen will, der handelt unsozial. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es bleibt festzuhalten: Wir haben mit über 12 Milliarden Euro für die Kommunen in den Jahren 2012 bis 2015 ein weitreichendes Angebot gemacht. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welches Angebot machen Sie beim Regelsatz?) Sie verhindern das Bildungspaket. Sie verhindern die Entlastung der Kommunen durch überzogene Forderungen beim Regelsatz. Das ist die Wahrheit. Deswegen muss das hier noch einmal festgestellt werden. (Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) In allen anderen Punkten haben wir Kompromisse gefunden. Aber am Ende sind die Verhandlungen an Ihren überzogenen Forderungen beim Regelsatz gescheitert. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wieder beim Lügen erwischt!) Wir haben vom Bundesverfassungsgericht den Auftrag erhalten, den Regelsatz transparent neu zu regeln. Genau diesen Auftrag haben wir wahrgenommen. Wir haben zum ersten Mal ein transparentes Regelwerk vorgelegt. Ich halte an dieser Stelle noch einmal fest, dass auch Sie von der SPD nicht mehr sagen, dass das nicht richtig sei. Im Gegenteil: Sie haben offensichtlich akzeptiert, dass unsere Berechnungen absolut verfassungsfest sind. (Elke Ferner [SPD]: Nein! Das stimmt nicht, Frau Homburger!) Auch Sie reden nicht mehr davon, dies verfassungsfest zu machen. Sie reden nur noch darüber, dass man es verfassungsfester machen muss. Ich sage Ihnen: Entweder ist eine Regelung verfassungsfest, oder sie ist es nicht. Ich sage: Sie ist verfassungsfest. Deswegen bleiben wir bei den 5 Euro! (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meinen Sie! Sie ist es nicht) Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, von der SPD und von den Grünen, wer den Aufschwung über Hartz-IV-Sätze organisieren will, der liegt daneben; der vergisst, dass all das, was wir hier ausgeben, von den Bürgerinnen und Bürgern erst einmal erwirtschaftet werden muss. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Bildung ist die soziale Frage unserer Zeit. Deshalb haben wir als Koalition erstmals ein Bildungspaket für Kinder auf den Weg gebracht. Dies sind die von der SPD und von den Grünen vergessenen Kinder, weil Sie bei Hartz IV seinerzeit kein Bildungspaket auf den Weg gebracht haben. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir haben erstmals ein solches Paket gemacht. (Dagmar Ziegler [SPD]: Warum denn? Weil Sie mussten!) Wer heute das Riesenangebot ablehnt, das wir auf den Tisch legen - es enthält auch eine Grundsicherung, von der Kommunen profitieren -, der versündigt sich an den Kommunen. Ab heute ist jedes Schlagloch einer kommunalen Straße ein rot-grünes Schlagloch; das müssen Sie wissen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Zuruf von der SPD: Das Schlagloch ist bei Hartz IV!) Meine Damen und Herren, wir sind an einem Ergebnis interessiert. Wir haben hier ein großartiges Angebot auf den Tisch gelegt. Ich kann Sie nur auffordern: Nehmen Sie dieses Angebot endlich an! Es ist ein Angebot für einen verfassungsfesten Hartz-IV-Regelsatz, ein Angebot für ein Bildungspaket für Kinder, wie es noch nie in der Bundesrepublik Deutschland da war, und ein Angebot für Mindestlöhne. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Aber schnell!) Birgit Homburger (FDP): Herr Präsident, ich bin gleich so weit. - Wir haben auch bei den Mindestlöhnen ein Angebot gemacht. Ich sage Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Alles, was Sie dort gefordert haben, haben wir als FDP Ihnen in den Verhandlungen zugestanden. Deshalb halte ich fest: Wenn das Gesetz jetzt scheitert, dann scheitert es an Ihren überzogenen Forderungen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen wirklich zum Ende kommen. Birgit Homburger (FDP): Wir fordern Sie auf, im Bundesrat genau das zu tun, was Sie jetzt gesagt haben, nämlich sich auf einen Punkt zu konzentrieren. Wenn wir das tun, werden wir gemeinsam zu einem Ergebnis kommen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollege Peter Altmaier für die CDU/CSU-Fraktion. Peter Altmaier (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, was Herr Gabriel sagt, dass genau in dieser Stunde im Bundesrat Ministerpräsidenten der CDU und Ministerpräsidenten der SPD gemeinsam versuchen, ein Scheitern dieses Gesetzesprojektes zu verhindern. Ihre eigenen Ministerpräsidenten haben erkannt, dass das, was Ihre Redner - Frau Schwesig, Herr Heil, Frau Künast - heute Morgen an die Wand fahren wollten, (Thomas Oppermann [SPD]: Sie fahren das an die Wand! - Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ha, ha!) was sie in Grund und Boden verdammt haben, ein gutes Vorhaben ist und es sich lohnt, dieses Vorhaben zu retten. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Jetzt muss es vom Bundesrat korrigiert werden!) Deshalb werden wir ungeachtet aller Polemik dafür sorgen, dass dieses Gesetz in absehbarer Zeit in Kraft tritt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Thomas Oppermann [SPD]: Sie haben keine Mehrheit im Bundesrat!) Lassen Sie mich einen Satz zum Argument der Verfassungswidrigkeit sagen - es wurde immer wieder das Wort "verfassungsfest" verwendet -: (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja! Ja!) CDU und CSU tragen seit fünf Jahren Verantwortung in der Bundesregierung; es ist in Karlsruhe noch kein einziges Gesetz aufgehoben worden, für das ein CDU- oder CSU- oder FDP-Minister in dieser Zeit federführend verantwortlich war. Alle Gesetze, die aufgehoben worden sind - Luftsicherheitsgesetz, Zuwanderungsgesetz und Hartz IV -, waren Gesetze, für die die rot-grüne Koalition verantwortlich gezeichnet hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Da waren Sie dabei!) Sie wurden für verfassungswidrig befunden, weil sie juristisch und inhaltlich schlecht gemacht waren. Wir haben von Ihnen, schon gar nicht von der Linken, keine verfassungsrechtlichen Belehrungen nötig. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Doch, von uns haben Sie es nötig! Gerade von uns! - Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wir sind die Verteidiger der Verfassung! Das sollten Sie mal zur Kenntnis nehmen!) Das, was auf dem Tisch liegt, ist ein Paket, das die Kommunen in einer Art und Weise entlastet, wie es in den letzten 15 Jahren nicht geschehen ist. Lesen Sie nach, was der Präsident des Deutschen Landkreistages, Herr Duppré, heute Morgen erklärt hat: Er hat an den Bundesrat appelliert, dem Gesetz zuzustimmen, weil er erkennt, dass es der erste Versuch ist, die Gemeinden strukturell so zu entlasten, dass sie ihren originären Aufgaben wieder besser nachkommen können. Dies war unser Vorschlag; wir haben ihn eingebracht. Sie haben so getan, als sei das eine Nebensächlichkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ein weiterer Punkt. Das, was Ursula von der Leyen vorgelegt hat, was wir nach Reparatur Ihres schlechten Gesetzes auf den Weg gebracht haben, ist sozialpolitisch beispielhaft und richtungsweisend. Wir haben dafür gesorgt, dass es im Bereich der Bildung ein kohärentes Paket für die Kinder gibt. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Künast? Peter Altmaier (CDU/CSU): Gerne. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Altmaier, Sie haben den Präsidenten des Deutschen Landkreistags zitiert. Ich habe einen Brief vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Darin steht im Gegensatz dazu: Der behaupteten Entlastung der Kommunen von rund 12 Milliarden Euro in den Jahren 2012 bis 2015 stehen somit Belastungen in ähnlicher Größenordnung in den Jahren 2011 bis 2015 gegenüber. Die Zahlen machen deutlich, dass der von Bundesseite vorgelegte Vorschlag für uns - den Deutschen Städte- und Gemeindebund - nicht akzeptabel ist. Was sagen Sie denn dazu? Peter Altmaier (CDU/CSU): Liebe Frau Künast, Sie sollten ehrlich sein und auch das Datum dieses Briefes vorlesen. Dann werden Sie feststellen, dass er geschrieben worden ist, bevor wir unser Paket im Vermittlungsausschuss beschlossen haben. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!) Alle Äußerungen nach diesem Zeitpunkt sind positive Äußerungen. Je länger diskutiert wird, desto mehr spricht sich herum, was in diesem Paket enthalten ist. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der ist nach dem Landkreistag! - Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU], an die Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] gewandt: Das ist aber peinlich, Frau Künast!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Ilja Seifert von der Fraktion Die Linke? Peter Altmaier (CDU/CSU): Ja, gerne. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Herr Kollege Altmaier, Sie sprachen gerade davon, dass es eine sozialpolitisch vorbildliche Leistung sei, die Sie abliefern wollen. Können Sie mir bitte sagen, worin das Vorbildhafte besteht, wenn bei erwachsenen behinderten Menschen, die nicht erwerbsfähig sind, 20 Pro-zent des Regelsatzes einfach so weggenommen werden? Das sind nach alter Rechnung 68 Euro und nach neuer Rechnung 73 Euro. Können Sie mir sagen, inwiefern das eine sozialpolitisch vorbildliche Leistung sein soll? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Peter Altmaier (CDU/CSU): Herr Kollege Seifert, wir haben ein Gesamtpaket vorgelegt. Wir haben wochenlang im Vermittlungsausschuss darüber verhandelt. Weder die Kollegen von den Grünen noch die Kollegen von der SPD haben in diesen Wochen diesen Punkt thematisiert. (Elke Ferner [SPD]: Das stimmt überhaupt nicht! - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist nicht wahr!) Ich sage Ihnen aber zu, weil ich die Arbeit und die Argumente des Behindertenbeauftragten Hubert Hüppe sehr schätze - er ist ein seriöser Mensch, der sich diese Dinge genau überlegt hat -, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ach ja?) dass wir das bei nächster Gelegenheit prüfen und gegebenenfalls korrigieren werden. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Er müsste es besser wissen! Er war mit in der Unterarbeitsgruppe, als das besprochen worden ist!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, es gibt weitere Zwischenfragen. Peter Altmaier (CDU/CSU): Ja, gerne. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollegin Ferner und dann Kollegin Hagedorn. Elke Ferner (SPD): Lieber Kollege Altmaier, habe ich recht, wenn ich sage, dass ich Sie in der ersten bzw. zweiten Runde der Unterarbeitsgruppe nochmals, nachdem wir das Thema in allen Vermittlungsrunden schon angesprochen hatten, darauf aufmerksam gemacht habe, dass in der Regelbedarfsstufe 3 eine Kürzung für diejenigen vorgesehen ist, die nicht erwerbsfähig sind und mit anderen Erwachsenen in einem Haushalt zusammenleben? Habe ich Sie auf den Brief des Behindertenbeauftragten verwiesen, oder leiden Sie, Kollege Altmaier, an Gedächtnisverlust? Die zweite Frage, die ich stellen möchte: Geben Sie mir recht, dass der Gesetzentwurf, dem Sie und die gesamte Koalition im Bundestag zugestimmt haben, einen Fehler enthält, weil weder im Regelsatz noch bei den Kosten der Unterkunft Mittel dafür vorgesehen sind, dass Haushalte ihr Warmwasser mit Strom bereiten? Geben Sie mir recht, dass das Gesetz, das Sie mit Ihren Stimmen hier im Bundestag beschlossen haben, schon allein deshalb verfassungswidrig ist? Peter Altmaier (CDU/CSU): Frau Kollegin Ferner, ich kann Ihnen, da wir gemeinsam in einer Unterarbeitsgruppe waren, bestätigen, dass Sie dort stundenlang all das an Forderungen vorgelesen haben, (Elke Ferner [SPD]: Ich habe nichts vorgelesen!) was Sie in den letzten zehn Jahren gegenüber Ihren eigenen Finanz- und Sozialministern zu keinem Zeitpunkt durchsetzen konnten. Sie haben uns eine Weihnachtswunschliste, ein Sammelsurium präsentiert. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das für eine Haltung? - Elke Ferner [SPD]: Also Gedächtnisverlust! Oder frühe Altersdemenz?) In der allerletzten Sitzung, in der informellen Runde - da waren Sie nicht mehr dabei, aber die Kollegin Schwesig war dabei -, in der wir versucht haben, Lösungen zu finden, haben Sie Forderungen im Wert von 3 Milliarden Euro auf den Tisch gelegt. In welcher Zeit leben wir eigentlich? Wir haben gemeinsam eine Schuldenbremse im Grundgesetz vereinbart. Wir haben enge Finanzierungsspielräume bei den Kommunen, bei den Ländern und beim Bund. (Elke Ferner [SPD]: Keine Antwort ist auch eine Antwort, Herr Altmaier!) Wir müssen vielen Bürgerinnen und Bürgern, Facharbeitern, Beamten, Angestellten, Einschränkungen zumuten, und Sie tun so, als ob wir es hier mit einem finanzpolitischen Wunderland zu tun hätten, in dem man die Milliardenforderungen nur aneinanderzureihen braucht. Sie sind aus der Zeit gefallen. Sie werden erleben, dass Sie damit keine Wähler für die SPD zurückgewinnen. Sie werden höchstens noch mehr Wähler den Linken in die Arme treiben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Elke Ferner [SPD]: Frühe Altersdemenz, Herr Altmaier!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, die Kollegin Hagedorn möchte eine letzte Zwischenfrage zu dieser Rede stellen. Bettina Hagedorn (SPD): Herr Kollege Altmaier, wir sind uns darüber einig - ich glaube, alle in diesem Haus -, dass die Kommunen dringend auf Entlastung warten. Wir alle wollen ihnen diese geben. Stimmen Sie mir zu, wenn ich das Angebot gerade aus kommunaler Sicht als vergiftetes Angebot bezeichnen würde? Stimmen Sie mir zu, dass Sie planen, bis 2015 bei der Bundesagentur für Arbeit 15 Milliarden Euro als Gegenfinanzierung für die Besserstellung der Kommunen zu kürzen? Stimmen Sie mir weiterhin zu, dass diese Koalition bereits mit ihrem Sparpaket zusätzlich 10 Milliarden Euro für aktivierende Arbeitsmarktpolitik bei der Bundesagentur für Arbeit bis 2014 streichen will? Können Sie diesem Haus vielleicht erklären, wie dann der Anspruch, der vorhin von Ihrer Seite formuliert worden ist, dass Sie Menschen in Arbeit bringen wollen, mit einem Minus von 24 Milliarden Euro in den nächsten Jahren verwirklicht werden soll? Peter Altmaier (CDU/CSU): Frau Kollegin Hagedorn, zunächst einmal stimme ich Ihnen zu, dass wir die Kommunen in den nächsten Jahren um über 15 Milliarden Euro netto entlasten werden. (Elke Ferner [SPD]: Wollen!) Das ist die größte Entlastung der Kommunen, die es in den letzten Jahren gegeben hat. Ich freue mich, dass das heute zum ersten Mal ein Vertreter der Opposition gesagt und anerkannt hat. Deshalb sollten Sie dem auch zustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der zweite Punkt ist: Es ist richtig - wir haben das in der Protokollerklärung der Bundesregierung im Bundesrat auch gesagt -, dass wir einen Teil dieser Entlastung durch einen halben Mehrwertsteuersatzpunkt finanzieren werden, der der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung gestellt worden war. Das können wir deshalb tun, ohne dass die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung steigen, ohne dass es zu Engpässen kommt, weil es uns seit Übernahme der Bundesregierung durch Angela Merkel gelungen ist, die Arbeitslosenzahl von 5 Millionen unter Gerhard Schröder auf unter 3 Millionen zu senken. Wir werden diese Politik in den nächsten Jahren fortsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ach!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der entscheidende Punkt, warum wir am Sonntagabend und am Dienstagabend nicht zu einem Ergebnis gekommen sind, bestand darin, dass der Kollege Kuhn von den Grünen und die Kollegin Schwesig von der SPD in vielem mit uns einer Meinung waren, aber am Ende sagten: Wir bestehen darauf, dass es zu einer Erhöhung des Regelsatzes kommt, egal auf welche Weise und egal in welcher Form. Das hat deutlich gemacht, dass es Ihnen nicht um gute Lösungen gegangen ist, sondern um Ideologie. (Elke Ferner [SPD]: Sie sind doch ein Oberideologe! - Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Kollege Kuhn hat einen Vorschlag präsentiert, der ungefähr so aussieht. Er hat gesagt: Wir erhöhen den Regelsatz durch die Erhöhung der Grundgesamtheit um etwa 17 Euro. Dann kürzen wir den Regelsatz wieder um 17 Euro, weil wir den Leuten weniger Geld für Mobilität geben. Dann sagen wir den Leuten, dass sie sich die Mittel für die Mobilität wiederholen können, indem sie zum Amt gehen und einen Antrag stellen. (Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Meine sehr verehrten Damen und Herren, das können Sie niemandem erklären. Aber ich kann Ihnen erklären, dass allein mit diesem Vorschlag Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro verbunden wären. Dies ist es mir nicht wert, Ihren ideologischen Steckenpferden gerecht zu werden, nur damit wir gute Lösungen, die wir haben - 23 Euro für Mobilität für jedermann -, dann auch noch verschlechtern. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben in dieser ganzen Verhandlungsrunde eines gezeigt: dass Sie selbst nicht mehr hinter dem stehen, was als eine der wenigen positiven Errungenschaften aus der Zeit der rot-grünen Koalition übrig geblieben ist. Die Agenda 2010, Herr Kollege Steinmeier, die auch mit Ihr Werk war, hat mit dazu beigetragen, dass wir in der Arbeitsmarktpolitik zu einer grundlegenden Trendwende gekommen sind, dass heute mehr Menschen in Brot und Arbeit sind als jemals zuvor, dass wir heute über 40 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte haben. (Zurufe von der SPD) Aber es gibt einen großen Teil Ihrer Fraktion, dem die ganze Richtung nicht passt. Sie haben all Ihre Bedenken und all Ihren Unmut gegen diese Agenda und gegen diese Reform, die ein Kernstück der Agenda war, benutzt, um die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss zu überfrachten, zu überladen, finanziell maßlos zu machen. (Elke Ferner [SPD]: Maßlos sind Sie, Herr Altmaier!) Deshalb war es richtig, dass wir die Notbremse gezogen haben, dass wir gesagt haben: Wir beenden dieses Vermittlungsverfahren an dieser Stelle und sorgen dafür, dass Vernunft in die Debatte einkehrt. Immerhin: Der Kollege Gabriel scheint es bemerkt zu haben; denn sein Angebot, jetzt noch einmal ruhig und sachlich zu reden, ist genau das, was wir die ganze Zeit über als Angebot gemacht haben. (Elke Ferner [SPD]: Das ist lächerlich! Hör' auf, zu lügen! - Weitere Zurufe von der SPD) Ich sage Ihnen: Wir können in den nächsten Tagen und Wochen dazu beitragen, dass wir zu einer Lösung kommen, die den Betroffenen schnell und unproblematisch ihre Ansprüche bei der Erhöhung des Regelsatzes um 5 Euro und beim Bildungspaket zugutekommen lässt. Das Einzige, was Sie tun müssen, ist, dass Sie von Ihren ideologischen Maximalforderungen abgehen und bereit sind, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch kalter Kaffee! Sie sind doch der Ideologe! - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da drüben sitzen die Ideologen!) anzuerkennen, dass das Paket, das wir auf den Tisch gelegt haben, ein gutes Paket ist, das den Menschen hilft, das den Kommunen hilft und das deshalb möglichst schnell in Kraft gesetzt werden sollte. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort zu zwei Kurzinterventionen nacheinander erteile ich dem Kollegen Fritz Kuhn und dann der Kollegin Ulla Schmidt. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lieber Herr Altmaier, nach sechs, sieben Wochen Verhandlungen war das jetzt, finde ich, unter Ihrem Niveau. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie waren in den Verhandlungen differenzierter als gerade hier. Ich möchte klar sagen: Was die Verhandlungen so schwierig gemacht hat, war, dass Schwarz und Gelb, vor allem getrieben von der FDP, keine konkreten Kompromissvorschläge mehr gemacht haben, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist Quatsch!) sondern immer nur gesagt haben: Es gilt der Gesetzentwurf, über Weiteres reden wir nicht. Die FDP hat sogar Zickzackverhandlungen geführt. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rückwärts!) Beim Thema Equal Pay wollte sie erst neun Monate, dann hat der Generalsekretär, der die Verhandlungen aus dem Hintergrund immer kommentiert hat, plötzlich sechs Monate gesagt. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Falsch! Hat er nicht gesagt! Vergessen Sie es!) Zwei Tage später sprach man wieder von neun Monaten. (Birgit Homburger [FDP]: Halten Sie sich an die Wahrheit!) Wenn es um Seriosität und Maximalforderungen geht, schauen Sie von Ihnen aus gesehen nach links. Dort sitzt die FDP; wir sitzen dort nicht. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Wir haben im Unterschied dazu in einer nicht enden wollenden Kette bis zur Schmerzgrenze immer neue Kompromissvorschläge gemacht, (Max Straubinger [CDU/CSU]: Forderungen!) weil wir wissen, dass Vermittlungsverfahren im deutschen System keine Veranstaltungen für Maximalforderungen sind, sondern dass man dort Kompromisse eingehen muss. Was Sie uns nicht absprechen können, Herr Altmaier, ist, dass wir die Frage stellen und gestellt haben, ob die Regelsatzermittlung im Gesetzentwurf wirklich den Auflagen des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Wir sind der Überzeugung, dass dies nicht so ist und dass man da etwas verbessern muss. Denn Sie haben die Vergleichsgruppe, nach der der Regelsatz neu bestimmt wird, zuerst systematisch nach unten arm gerechnet, indem Sie statt der untersten 20 Prozent die untersten 15 Prozent der Einkommen betrachten, indem Sie die verdeckten Armen - entgegen der Auflage des Bundesverfassungsgerichts - nicht herausgerechnet haben und indem Sie auch die Aufstocker nicht herausgerechnet haben. In einem zweiten Schritt haben Sie die Grundlagen der Statistikmethode untergraben, indem Sie bei sehr vielen Einzelposten gekürzt haben oder sie ganz abgeschafft haben. Daher rühren die Rechtsbedenken - nicht nur von uns, sondern auch von vielen Verfassungsexperten in Deutschland -, ob dieser Gesetzentwurf verfassungskonform ist. Werden Sie uns absprechen wollen, dass wir nicht bereit sind, Gesetze zu unterstützen, die wir für verfassungswidrig halten? Sie als Verfassungsrechtler, Herr Altmaier, glauben das doch, wenn Sie in den Spiegel sehen, ehrlich nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Einen zweiten Punkt möchte ich ansprechen. Sie reden jetzt von dem großzügigen Angebot an die Gemeinden. In der Tat sollen die Gemeinden, wenn ich alles, was gegenzurechnen ist, abziehe, 1,7 Milliarden Euro erhalten. Die Kosten der Grundsicherung, die sie gerade tragen, liegen bei 3,5 Milliarden Euro. Sie müssen aufgrund des alten KdU-Streits auf etwa 1,8 Milliarden Euro verzichten. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege Kuhn, Sie müssen zum Ende kommen. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): - Ich bin gleich am Ende. - (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP) Das macht netto 1,7 Milliarden Euro. Klar ist doch, dass dieses Angebot mit dem Verhandlungsgegenstand nichts zu tun hat. Sie haben einfach nebenher das Angebot von jährlich 1,7 Milliarden Euro für die Kommunen auf den Tisch gelegt und werfen uns vor, dass wir finanzpolitische Maximalforderungen stellen. Sie haben versucht, uns vor das Kanonenrohr zu schieben - Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): - ich bin sofort fertig - und vor die Alternative zu stellen: Bist du für die Hartz-IV-Empfänger oder für die Gemeinden? Wir sagen: Wir sind für die Hartz-IV-Empfänger und für die Gemeinden. Diese Nummer geht mit uns wirklich nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Die zweite Kurzintervention sollten wir vorne weg zulassen. Kollegin Schmidt, bitte. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ach du meine Güte!) Ulla Schmidt (Aachen) (SPD): Vielen Dank. - Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil der Kollege Altmaier nach meiner Auffassung sehr unzureichend oder überhaupt nicht auf die Fragen geantwortet hat, die der Kollege Seifert und auch die Kollegin Ferner gestellt haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Ich habe in der letzten Woche eine Werkstatt für Behinderte besucht. 400 geistig schwerbehinderte Menschen arbeiten dort acht Stunden pro Tag ihren Fähigkeiten entsprechend. Etwa 200 von ihnen wohnen zu Hause bei ihren Eltern, die anderen circa 200 in Einrichtungen und Heimen, auch in solchen der Lebenshilfe. All diesen 400 Menschen sagt diese Regierung: Ihr bekommt den Regelsatz um 20 Prozent gekürzt. - Alle 400 sind dauerhaft erwerbsunfähig. Hier geht es nicht darum, Maximalforderungen zu erheben. Es geht auch nicht darum, Ansprüche auszuweiten. (Beifall der Abg. Petra Merkel [Berlin] [SPD]) Sie verringern mit Ihrem Gesetz den bestehenden Anspruch darauf, dass ein über 25-Jähriger, der zu Hause oder in einer Wohngemeinschaft lebt, gleichbehandelt wird, egal ob er im Hartz-IV-Bezug oder im SGB-XII-Bezug ist, wenn er dauerhaft erwerbsunfähig ist. Das ist eine Schande, und das hat mit Sozialpolitik nichts mehr zu tun. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie waren doch lange genug an der Regierung, Frau Schmidt! Sie hätten doch alles viel besser machen können!) Darauf würde ich gerne eine Antwort von Ihnen hören. Das Bundessozialgericht hat gesagt: Es gibt keinen Grund für ein unterschiedliches Existenzminimum für beide Gruppen. Frau von der Leyen hat mir als Antwort auf meine Frage geschrieben: Wir halten das Gerichtsurteil für falsch, und deshalb ändern wir das Gesetz. Ich sage Ihnen: Da es hier um Ansprüche geht, können Sie doch nicht erwachsenen behinderten Menschen, die zu Hause leben und deren Eltern besondere Erschwernisse haben - sie müssen ihr Leben lang viel geben, um für ihre Kinder, auch wenn sie erwachsen sind, da zu sein -, sagen: Ihr braucht nur noch 80 Prozent des Regelsatzes. Weil diese Menschen nur noch 80 Prozent des Regelsatzes bekommen, sagen Sie gleichzeitig - so Frau von der Leyen in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen, die wir ihr gestellt haben -, dass auch die Leistungen für Mobilitätshilfe und die Leistungen für besondere Förderungen sich in Zukunft nur noch auf 80 Prozent des Regelsatzes beziehen und nicht mehr auf 100 Pro-zent. Wenn Sie weiterhin von "sozial" sprechen und das Soziale überhaupt noch für sich in Anspruch nehmen wollen, dann fordere ich Sie auf: Nutzen Sie die Chance eines neuen Vermittlungsverfahrens, und nehmen Sie diese Regelung als allererste zurück! Dafür haben die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land auch Verständnis. Danke schön. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege Altmaier, bitte. Peter Altmaier (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Schmidt, Sie waren bei den Verhandlungen nicht dabei. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Na und? Sie haben doch gekürzt!) Ich habe vorhin gesagt: Ich kann mich nicht an jedes einzelne Detail erinnern, das die Kollegin Ferner erwähnt hat. Ich bin aber gerne bereit, zuzugestehen, dass sie es so, wie sie es geschildert hat, vorgetragen hat. Ich saß in den entscheidenden Verhandlungsrunden mit Frau Schwesig, Herrn Oppermann und Herrn Kuhn an drei Tagen und in drei Nächten zusammen. Wir haben über 100 verschiedene Punkte gesprochen. Dieser Punkt ist von SPD und Grünen in dieser Chefrunde kein einziges Mal thematisiert worden. (Thomas Oppermann [SPD]: War angemeldet, Herr Altmaier! - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Weil Sie uns ausgeschlossen haben! - Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Sie hätten uns nicht ausschließen sollen! Wir hätten den Punkt gebracht!) Ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie, wenn Ihnen dieser Aspekt nicht wert ist, in den Verhandlungen thematisiert zu werden, vor dem Forum der Öffentlichkeit so tun, als sei dies aus Ihrer Sicht der wichtigste Punkt der gesamten Veranstaltung gewesen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Ja! Unglaublich! - Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Ach! Ihr solltet euch schämen, dass ihr das gemacht habt!) Herr Kollege Kuhn, auch Sie waren in den Verhandlungen ein sachlicher und ein fairer Partner. Aber Sie sollten das, was vom Bundesrat beschlossen wird, genau lesen. Wenn Sie sagen, der Entlastung der Kommunen bei der Grundsicherung stünden Mehrbelastungen von 1,8 Milliarden Euro bei den KdU entgegen, dann dürfen Sie nicht vergessen, dass wir noch am Mittwoch die Protokollerklärung so geändert haben, dass in Zukunft eine Berechnung nach Istkosten erfolgt. Das hat große Freude bei den Kommunen und erhebliche Sorgen beim Finanzminister ausgelöst. Aber es ist ein Grund dafür, dass inzwischen immer mehr kommunale Vertreter sagen: Ihr müsst dieses Paket retten; denn dieses Paket wird unsere Lage durchgreifend verbessern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Der zweite Punkt, lieber Kollege Kuhn, ist: Sie haben zu Beginn dieser Verhandlungen Forderungen gestellt. Sie haben jetzt gesagt: Man darf die Verhandlungen nicht überfrachten. - In der allerersten Runde, in der Sie uns Ihre Wünsche ausgebreitet haben, hatten Sie allerdings Wünsche für über 20 000 Sozialarbeiter im Gegenwert von 2,5 Milliarden Euro. Sie hatten Wünsche für Steigerungen des Regelsatzes an verschiedenen Stellen. Wenn man diese addiert, kommt man auf 2,5 Milliar-den Euro. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Verfassung!) Sie haben alle Ihre Wünsche aufgeführt, und daraufhin hat der Kollege Heil gesagt: Selbstverständlich reden wir über einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in ganz Deutschland. Meine Damen und Herren, Sie können doch nicht glauben, dass Sie die Zahl der Weihnachtsgeschenke dadurch erhöhen, dass Sie Ihren Wunschzettel verlängern. (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wenn Sie alle unerfüllten Wünsche der letzten 20 Jahre, die Sie nicht einmal in Ihrer eigenen Regierungszeit ansatzweise realisiert haben, in ein solches Vermittlungsverfahren einbringen, dann ist das eine Überfrachtung und Überladung des Verfahrens. Deshalb haben wir Sie wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Grundgesetz!) Der letzte Punkt, meine Damen und Herren. Ich habe nicht damit angefangen, aus internen Verhandlungen zu zitieren. Aber wenn wir schon darüber sprechen, was wir intern gesagt haben, dann will ich auch darauf hinweisen, dass Sie in der vorletzten Verhandlungsrunde gesagt haben: Uns ist der Regelsatz besonders wichtig, und wenn wir uns da einigen, dann sind wir auch bereit, auf die Regelung von Equal Pay zu verzichten. (Thomas Oppermann [SPD]: Nee! - Elke Ferner [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!) Das war Ihr Angebot in dieser letzten Verhandlungsrunde. Als dann die Verhandlungen beendet waren, haben Sie schamhaft gesagt, Sie hätten Equal Pay jetzt doch gern nach vier Monaten. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Das ist unverschämt, Herr Altmaier! - Elke Ferner [SPD]: Das stimmt doch nicht! Das ist doch unglaublich!) Deshalb sage ich Ihnen: Sie haben sich bei diesen Verhandlungen vergaloppiert. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Schrott! Sie vergaloppieren sich gerade! - Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Das ist unter Ihrem Niveau!) Sie haben sich bei diesen Verhandlungen übernommen. (Elke Ferner [SPD]: Ein Lügner sind Sie! - Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir werden gemeinsam mit den Ministerpräsidenten von CDU und SPD dafür sorgen, dass dieses Gesetzespaket in einer annehmbaren und in einer praktikablen Form in nächster Zeit durch Bundestag und Bundesrat beschlossen werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Elke Ferner [SPD]: Lügner! - Sigmar Gabriel [SPD]: Sie sind dabei, das alles kaputtzureden! Sie schaffen das heute!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach unserer Geschäftsordnung sind Kurzinterventionen auf Kurzinterventionen hin nicht zulässig. Deswegen, Kollege Altmaier, ist es misslich, wenn Sie in Ihrer letzten Antwort Dinge mitteilen, die die anderen Gesprächs- und Verhandlungspartner natürlich provozieren müssen, (Elke Ferner [SPD]: Gelogen hat er! - Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ich diesen aber nicht die Gelegenheit geben kann, darauf zu antworten. Das ist ein bisschen eine schwierige Lage, ich bitte um Verständnis dafür. Weitere Kurzinterventionen werden nicht zugelassen. Ich schließe die Aussprache. Ich teile Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch mit: abgegebene Stimmen 565. Mit Ja haben gestimmt 313, mit Nein haben gestimmt 252, Enthaltungen keine. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebenene Stimmen: 565; davon ja: 313 nein: 252 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Julia Klöckner Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Kristina Schröder Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Daniela Ludwig Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Dagmar Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Nein SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Peter Friedrich Sigmar Gabriel Michael Gerdes Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groschek Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Christel Humme Josip Juratovic Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoðuz Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Daðdelen Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Dorothee Menzner Niema Movassat Wolfgang Neškovic Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Kathrin Vogler Johanna Voß Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Alexander Bonde Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Winfried Hermann Priska Hinz (Herborn) Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 sowie den Zusatzpunkten 10 a und b auf: 22 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) - Drucksachen 17/3628, 17/3803 - Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - Drucksachen 17/4710, 17/4739 - Berichterstattung: Abgeordnete Ralph Brinkhaus Dr. Carsten Sieling Frank Schäffler Harald Koch ZP 10 a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes - Drucksache 17/3481 - Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - Drucksachen 17/4710, 17/4739 - Berichterstattung: Abgeordnete Ralph Brinkhaus Dr. Carsten Sieling Frank Schäffler Harald Koch b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Carsten Sieling, Manfred Zöllmer, Elvira Drobinski-Weiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Gesamtkonzept zur Stärkung des Verbraucherschutzes bei Finanzdienstleistungen vorlegen - zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Sahra Wagenknecht, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Beschäftigtenrechte bei Übernahmen und Fusionen stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verbraucherschutz auf Finanzmärkten nachholen - Drucksachen 17/2136, 17/3540, 17/3210, 17/4710, 17/4739 - Berichterstattung: Abgeordnete Ralph Brinkhaus Dr. Carsten Sieling Frank Schäffler Harald Koch Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen je ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegen Hans Michelbach für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Heute setzen wir einen weiteren Meilenstein zur Regulierung des Finanzmarktes zum Wohle der Verbraucher und zum Wohle der Vertrauensbasis in der Finanzindustrie. Noch vor einem Jahr hat uns allen die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise Zukunftsängste bereitet. Sorgen um Spareinlagen, Fondsschließungen, Lohnverzicht, Entlassungen - das waren tiefe Einschnitte für die Menschen. Niemand hätte damals gedacht, dass wir so schnell und so gut aus dieser Krise in eine neue Wachstumsphase mit einer neuen Aufwärtsentwicklung kommen können. Dieser Erfolg hat zwei Ursachen: erstens die Arbeit der Menschen in den Betrieben in Deutschland, zweitens die aktive Krisenbekämpfung durch diese Regierung und diese Koalition. Erfolg haben wir auch bei der Finanzmarktregulierung erzielt. Schritt für Schritt gelingt uns mit einer Reihe von gesetzlichen Maßnahmen die Stabilisierung des Finanzmarktes. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Weitere Regulierungen, wie Basel III oder Maßnahmen bezüglich des Grauen Kapitalmarkts, werden folgen. Der heutige Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts schafft die Grundlage für vier wichtige neue Regulierungen: erstens die Erhöhung der Beteiligungstransparenz beim Anschleichen bei Übernahmetransaktionen, zweitens die Verbesserung bei der Produktinformation, drittens die Kontrolle der Anlageberater vor Falschberatung und viertens ein überzeugendes Konzept für die Erhaltung der offenen Immobilienfonds und für mehr Sicherheit für viele Millionen Privatanleger in Deutschland. Der Schritt, den wir heute gehen, ist ein Quantensprung, ein Meilenstein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Schäffler [FDP]) Mit diesem finanzpolitischen Weg schaffen wir eine neue Vertrauensbasis. Wir sollten uns darüber einig sein, dass der Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten mit diesem Gesetz wirklich gestärkt wird. Die SPD hat dazu ein Papier veröffentlicht, das nur als enttäuschend bezeichnet werden kann. Sie haben darin keine Vorschläge gemacht. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Was?) Sie fordern, man solle die Entwicklung beobachten. Sie beobachten, wir handeln heute. Das ist der Unterschied. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wir nehmen die Bedürfnisse und Ansprüche der privaten Anleger ernst und werden ihnen mit den neugestalteten Produkten mehr Sicherheit bieten. Damit komme ich zu den offenen Immobilienfonds. Offene Immobilienfonds waren lange Zeit, nämlich 51 Jahre lang, eine beliebte und bewährte Anlageform, weil bei den realen Sachwerten indexierte Mietverträge den gewünschten Inflationsschutz ermöglichen. Es ist in einer Volkswirtschaft ein ganz wichtiger Punkt, dass es Sachwerte bzw. Sachanlagen gibt, durch die letzten Endes Investitionen hervorgerufen werden, was zur Schaffung von Arbeitsplätzen führt. Deswegen ist dieses Produkt so wichtig für die Anleger, für die Wirtschaft und für die Finanzindustrie. Leider sind diese Fonds in den letzten Jahren wegen des niedrigen Zinsniveaus insbesondere von institutionellen Anlegern häufig als Geldmarktfonds missbraucht worden. Dies passt eben nicht zum Prinzip langfristiger Anlagen in Immobilien. Das ist ein Widerspruch. Mit den Änderungen reagieren wir auf die lang andauernde Krise der Branche. Es kam zu Fondsschließungen und Vertrauensverlust. Wegen hoher Geldabflüsse nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers mussten zwölf Fonds schließen. Heute sind noch 24 Milliarden Euro von Anlegern blockiert. Hier haben wir nun mit einem marktwirtschaftlich vernünftigen Instrumentarium regulierend eingegriffen. Ziel war es, das Funktionieren der Kapitalmärkte zu sichern, Produktdefizite auszuräumen und das Finanzdienstleistungsangebot zu verbessern. Hierbei haben wir den Wunsch privater Anleger berücksichtigt, in Substanzwerte zu investieren. Auch das ist ein wichtiger Punkt. Der Wunsch, in Substanzwerte zu investieren, wird von unseren Bürgern unverändert hoch geschätzt. Offene Immobilienfonds sind eben die einzige Option, sich mit geringen Beträgen professionell an gewerblichen Immobilien zu beteiligen. Wir müssen hier einen großen Wert feststellen. Deshalb liegt es im Interesse der Privatanleger, die offenen Immobilienfonds zu stärken und zu sichern. Die vorgesehenen Änderungen bei den offenen Immobilienfonds bedeuten eine Rückkehr zum ursprünglichen Erfolgsmodell, risikoscheuen Anlegern eine breitgestreute und langfristige Immobilienanlage anzubieten. So haben wir den immobilienwirtschaftlich rational schwer nachvollziehbaren pauschalen Wertabschlag für die Anleger verhindert. Es war sehr wichtig, dass wir die Altanleger vor willkürlichen Abschlägen schützen. Das stärkt auch die Vertrauensbasis gegenüber der Finanzwirtschaft. Deswegen bin ich sehr froh, dass dies erreicht wurde. Zu begrüßen ist insbesondere, dass wir die Mindesthaltefrist für Neuanleger und eine einjährige Kündigungsfrist einführen. Damit haben wir - das muss man zugeben - die Fonds für institutionelle Anleger, die diese kurzfristig als Geldmarktfonds nutzen, unattraktiver gemacht. Das ist aber Sinn und Zweck dieser Maßnahme. Wir wollen den Verbraucherschutz stärken und Vertrauen schaffen. Dies gelingt mit der mittel- und langfristigen Anlage für den Privatanleger. Das Produkt soll mittel- und langfristige Nutzung erfahren. Die Fonds werden damit zweifellos als Parkstation für institutionelle Anleger unattraktiv; aber das ist durchaus gewollt. Wir haben die rund 3 Millionen Privatanleger, die Anteile an diesen Fonds besitzen, weitgehend verschont. Indem ein Anleger künftig pro Halbjahr Anteile im Gegenwert von 30 000 Euro zurückgeben kann, wird den Liquiditätsbedürfnissen der meisten Privatanleger Rechnung getragen. Über 90 Prozent der Privatanleger werden in ihren Liquiditätsbedürfnissen zufriedengestellt. Das schafft eine Vertrauensgrundlage für das Produkt. Das sollten wir heute betonen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zwar gibt es in der Marktwirtschaft keine Vollkaskoversicherung, aber das Vertrauen in die Integrität der Kapitalmärkte wird erhöht. Deswegen freue ich mich, dass wir heute entscheidende Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Finanzdienstleistungsindustrie ihrer dienenden Funktion gegenüber den Menschen wieder besser nachkommen kann. Wir haben das Ziel, einen transparenteren, integeren und effizienten Finanzmarkt zu entwickeln und damit zu erreichen, dass die Marktteilnehmer Vertrauen in ein faires, kundenorientiertes Finanzdienstleistungsangebot entwickeln. Diesem Ziel nähern wir uns Schritt für Schritt, um letzten Endes eine neue Vertrauensbasis für die Anleger in Deutschland zu schaffen. Das dient auch der Finanzmarktindustrie. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg, und wir lassen uns dabei von niemandem beirren. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat der Kollege Dr. Carsten Sieling für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Carsten Sieling (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als auf dem Höhepunkt der Finanzmarktkrise, symbolisch zugespitzt durch das Scheitern der Bank Lehman Brothers, Tausende von Anlegerinnen und Anlegern geschädigt wurden, (Otto Fricke [FDP]: Lehman war der Höhepunkt für Sie?) gab es eine politische Aussage: Alle Märkte, alle Akteure und alle Produkte sind zu regulieren. Das ist das große Ziel, das im Übrigen die Kanzlerin in ihrer letzten Regierungserklärung noch einmal betont hat. Mit dieser großen Aussage sind Sie auch 2009 in die Koalition gestartet. Jetzt legen Sie uns den Entwurf eines sogenannten Anlegerschutzgesetzes zur Abstimmung vor. Ich glaube, jeder der in den letzten Wochen und Monaten die Debatte verfolgt und sich die Mühe gemacht hat, diesen Gesetzentwurf zu lesen, hat gemerkt, dass das Prinzip Ihres Gesetzentwurfs, Ihrer Politik und Ihres Vorgehens in Wirklichkeit lautet: allen Märkten zuliebe, allen Akteuren zuliebe und allen Produkten zuliebe. Die Anlegerinnen und Anleger, die Verbraucherinnen und Verbraucher bleiben bei dem, was Sie uns heute zur Abstimmung vorgelegt haben, links liegen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Zuruf von der FDP: Sie stehen im Fokus!) Das ist die bittere Wahrheit - Sie können betreten oder skeptisch schauen -; dafür gibt es unabweisbare Argumente. Ich will damit nicht sagen - das haben wir im Finanzausschuss beraten, und wir haben uns viel Zeit dafür genommen -, dass es nicht das eine oder andere an Positivem oder an vernünftigen Akzenten gibt. Was Sie aber nicht leisten, ist, unser gemeinsames Ziel anzusteuern. Wir brauchen einen Finanz-TÜV. Wir brauchen ein echtes Maßnahmenpaket. In Ihrem Gesetzentwurf findet das keinen Niederschlag. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Was die positiven Dinge angeht: Auch wenn alles bewölkt ist und man nur Schatten sieht, kommt ab und zu ein kleiner Sonnenstrahl durch. (Frank Schäffler [FDP]: Immerhin!) Man findet bei Ihnen zum Beispiel die Aussage, dass zukünftig laut Wertpapierhandelsgesetz nicht mehr nur die Vermutung gilt, Provisionen seien wie bisher grundsätzlich darauf ausgelegt, die Qualität der Anlageberatung zu verbessern. Die bisherige Regelung soll also gestrichen werden. Das ist Ausdruck einer positiven Einsicht. Aber nirgendwo ziehen Sie die Konsequenz, einen Schritt in Richtung Transparenz zu gehen und dafür zu sorgen, dass Provisionen offengelegt und in ihrer Höhe begrenzt werden müssen. Das wäre eine konkrete Maßnahme. Insgesamt gibt es also nur ein bisschen Licht und viel Schatten. Dieser Gesetzentwurf ist aus mehreren Gründen eine reine Enttäuschung. Wird er verabschiedet, erhalten die Verbraucherinnen und Verbraucher zu wenig Schutz. Ich will den Kernpunkt nennen, den der Kollege Michelbach hier natürlich mit keinem Wort angesprochen hat. Die größte Gefahr und die größten Schäden sind vom Grauen Kapitalmarkt, von Anlagen in geschlossenen Fonds ausgegangen. Herr Staatssekretär Koschyk, ich verweise auf das Vorhaben, das das Bundesfinanzministerium hier durchaus verantwortet und in die ersten Diskussionsentwürfe aufgenommen hat. (Zuruf von der FDP) - Völlig richtig. Das war möglich. - Dann haben Sie sich in der Koalition durchgesetzt und dafür gesorgt, dass die entsprechende Regelung aus dem Gesetzentwurf herausgenommen wird. Der eigentliche Skandal bei der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes ist, dass der gefährlichste Teil unreguliert bleibt. (Beifall bei der SPD - Zuruf des Abg. Frank Schäffler [FDP]) - Das ist Ihre Politik. Wenn man die Chance hat, etwas umzusetzen, dann nutzt man sie nicht und redet vom Nachfolgegesetz. Da hätten Sie schneller reagieren können. (Frank Schäffler [FDP]: Was haben Sie denn gemacht? Was hat denn Steinbrück die ganze Zeit gemacht?) Ihre Ministerin, Frau Aigner - sie sitzt mittlerweile nicht mehr auf der Regierungsbank, sondern auf einem Abgeordnetenstuhl -, und der ausgeschiedene Kollege Dautzenberg sind es doch gewesen, die deutlich gesagt haben: Es wäre richtig gewesen, die Tätigkeit der 80 000 freien Vermittler und den riesigen Grauen Kapitalmarkt mit in diesem Gesetz zu regulieren. Aber nein, das machen Sie nicht. Sie haben zugelassen, dass dieser Gesetzentwurf unter Federführung von Herrn Brüderle, dem Bundeswirtschaftsminister, überarbeitet wurde, (Frank Schäffler [FDP]: Das ist übrigens ein guter Mann!) nachdem die entsprechende Lobby zu ihm gekommen war. Das, was Sie uns vorlegen, ist doch Folgendes - Herr Volk, ich will es Ihnen gern sagen; Sie kündigen es uns immer an, und man kann überall lesen, wie es aussehen soll -: Während Sie die Finanzaufsicht zu Recht bei der mit der notwendigen Kompetenz ausgestatteten Behörde, nämlich der BaFin, belassen, wollen Sie den gefährlichsten Teil zukünftig der Gewerbeordnung und damit den kommunalen Gewerbeaufsichtsämtern unterstellen. 7 000 unterschiedliche Ämter, die die Aufgabe haben, sich um den Gaststättenbereich und viele andere Dinge zu kümmern, sollen sich dann auch noch um diesen Bereich kümmern. Das ist doch ein Scherz. Das ist ein Flickenteppich. Das ist Schweizer Käse und alles andere als Anlegerschutz. (Otto Fricke [FDP]: Keine Beleidigung der Schweizer!) Das ist nichts. Darum kann man nur deutlich sagen: Sie verfehlen den wesentlichen Punkt. Aber Sie haben viele Komplimente bekommen; ich will das hier kurz ansprechen. Ein Lobbyist des Verbandes Geschlossene Fonds hat interessante Aussagen gemacht. Kurz vor der Befassung im Bundeskabinett hat er deutlich gemacht hat, er habe nochmals ein längeres und intensives Gespräch mit einem Vertreter der Bundeswirtschaftsministeriums geführt. Die Erfolgsmeldung dieses Lobbyisten lautete: Der von uns bekämpfte Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums ist nunmehr dauerhaft von der Tagesordnung des Bundeskabinetts genommen. Kein Wunder, dass der Lobbyist letztendlich sagte: Das alles ist ein Erfolg unserer Anstrengungen. (Widerspruch des Abg. Frank Schäffler [FDP]) - Herr Schäffler, Sie sitzen hier, weil Sie der Hebel für die Lobbyisten sind, (Widerspruch bei der FDP) die ihre Interessen in dieses demokratische Parlament hineintragen. Das zeigen Sie uns mit diesem Gesetzentwurf. (Beifall bei der SPD) Jetzt kommen Sie, Herr Volk, mit etwas Neuem. Herr Tenhagen, der Chefredakteur der Zeitschrift Finanztest, spricht in einem Interview mit Zeit Online zu Recht von einer Extrawurst für die Lobbyistinnen und Lobbyisten, die Sie braten. So ist es! In diesem Gesetzentwurf gibt es einen Punkt, mit dem Sie zeigen, dass Sie im Gegenzug dafür, dass Sie die einen in Ruhe lassen, an anderer Stelle für eine Überregulierung sorgen. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Aha! - Frank Schäffler [FDP]: Ah!) Mit anderen Worten: Sie lassen den Amtsschimmel so richtig wiehern, Herr Kollege Michelbach. Sie wollen alle Bankberater im Bereich der Aufsicht registrieren lassen. Was ich sage, ist auch einer Stellungnahme von den Gewerkschaften und dem Verbraucherzentrale Bundesverband zu entnehmen. Auch diese wissen, dass das, was Sie vorhaben, wirkungslos ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie kommen mit dem Vorschlaghammer. Aber damit kann man keinen wirklichen Verbraucherschutz organisieren. Sie müssen mit dem Florett arbeiten, um diejenigen aufzuspießen, um die es geht. (Otto Fricke [FDP]: Was braucht man, um Mauern einzureißen? Einen Vorschlaghammer!) Sie werden eine Aufsicht etablieren, die insgesamt 400 000 Menschen registrieren soll; dafür stellt die BaFin zusätzlich 20 Leute ein. Jeder kann sich ausrechnen, wie hoch der bürokratische Aufwand sein wird. Wir haben Ihnen im Finanzausschuss vorgeschlagen: Konzentrieren Sie sich auf die Sünder! Legen Sie - genauso wie im Verkehrsrecht - eine Sünderkartei an, in der man wie in Flensburg die Sünder registriert! So kann man effektiv regulieren und sanktionieren. Das ist der richtige Weg beim Verbraucherschutz. (Beifall bei der SPD) Ich will Ihre anderen Schwachpunkte ansprechen. Wie Sie wissen, sind Produktinformationsblätter ein wichtiges Instrument. Ihr Gesetzentwurf ermöglicht den Einsatz dieses Instrumentes. Aber es ist ein stumpfes Schwert, weil Sie darauf verzichten, Transparenz und Vergleichbarkeit zu schaffen. Sie setzen keine Standards und geben nicht vor, was diese Informationsblätter enthalten sollen. Im Prinzip ist Ihr Ansatz gut. Aber Sie heben quasi nur das Bein und machen keinen Schritt nach vorne. Genauso verhält es sich leider bei dem Thema, mit dem Sie sich, Herr Michelbach, in Ihrer Rede hauptsächlich befasst haben, nämlich mit den offenen Immobilienfonds. Viele Anleger haben die große Sorge - diese teilen wir -, dass ein Fonds, nachdem sie Geld angelegt haben, geschlossen werden muss, weil die Konstruktion der Fonds falsch ist. Sie haben das Problem zwar angesprochen, gehen es aber nicht an. Die Schlimmsten sind nicht die kleinen Privatanleger, die kurzfristig einige Zehntausend Euro benötigen, um zum Beispiel ihr Haus zu reparieren, sondern die großen institutionellen Anleger; sie sind das eigentliche Problem. Ich will Ihnen einmal Ihre Leistung vor Augen führen. Sie haben Anfang Mai einen Diskussionsentwurf vorgelegt. Dann haben Sie das von Ihnen vorgeschlagene Verfahren dreimal überarbeitet. Nach jeder Überarbeitung haben Sie uns gesagt, nun sei es wirkungsvoll. Aber nie ist es Ihnen gelungen, die Privatanleger von den institutionellen Anlegern, die Schafe von den Wölfen zu trennen und für mehr Sicherheit zu sorgen. Da versagt Ihr Gesetzentwurf. (Beifall bei der SPD) Ich hoffe zwar, dass das, was Sie vorschlagen, trägt, befürchte aber, dass das keine hinreichenden Ergebnisse zeitigen wird. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo war denn Ihr Verbesserungsvorschlag?) Ihr Gesetz, dessen Entwurf zur Abstimmung vorliegt, lässt den Grauen Kapitalmarkt unreguliert; es wird kein einheitliches Schutzregime entwickelt. Sie behandeln die offenen Immobilienfonds nach dem Prinzip Hoffnung. Was Anschleichen und Unternehmensübernahmen angeht, wird - der Kollege Volk hat das bereits angesprochen - wieder verzögert; darüber soll weiter beraten werden. Die SPD hat Ihnen einen Vorschlag unterbreitet. Sie könnten ihm zustimmen. Dann würden Sie gefährliche Übernahmen verhindern. Im Ergebnis handelt es sich um ein Gesetz, bei dem Sie als Tiger gesprungen, aber als Bettvorleger gelandet sind. Herausgekommen ist nicht mehr als ein Rumpfgesetz. Dazu kann ich nur sagen: Das ist kein Anlegerschutz, sondern frecher Etikettenschwindel. Den lehnen wir ab. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD - Ralph Brinkhaus [CDU/ CSU]: Das war eine ganz schwache Rede!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Schäffler das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Frank Schäffler (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf darf nicht isoliert, sondern muss im Zusammenhang mit einem Maßnahmenpaket zur Verbesserung des Verbraucher- und Anlegerschutzes in Deutschland betrachtet werden. Das ist der erste Baustein, den wir dazu vorlegen. Er ist ein guter Baustein, weil er mehr Verbraucherschutz in Deutschland schafft und dafür sorgt, dass die Bürger ihr Geld sicherer und transparenter anlegen können, als es in der Vergangenheit der Fall war. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Man muss den Sozialdemokraten ins Stammbuch schreiben: Sie hätten nicht nur elf Jahre Zeit gehabt, all das zu machen, was sie hier beklagt haben, sondern sie hätten es hier auch beantragen können. Sie hätten einen Änderungsantrag zu unserem Gesetzentwurf einbringen können; Sie hätten somit alles, was sie wollen, haben können. (Nicolette Kressl [SPD]: Haben Sie den Entschließungsantrag nicht gelesen?) Sie haben im Finanzausschuss aber nicht dementsprechend gehandelt, und sie haben auch hier im Plenum keinen Änderungsantrag eingebracht. Deshalb sage ich, Herr Sieling, dass Sie hier eine billige Nummer abgezogen haben. Sie werden der Sache nicht gerecht. Dieses Gesetz ist ein Meilenstein für den Verbraucherschutz in Deutschland. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Ihre Meilensteine sind aber in Millimetern zu rechnen!) Der entscheidende Faktor für die Transparenz am Finanz- und Kapitalmarkt in Deutschland ist die Transparenz bei der Übernahme von Aktienpaketen. Das ist etwas Substanzielles und praktischer Verbraucherschutz. Was haben wir denn bei VW und Porsche erlebt? Investoren haben sich mithilfe von Finanzinstrumenten an ein Unternehmen herangeschlichen, ohne den Kapitalmarkt darüber zu informieren. Das werden wir ändern. Das wird es in Deutschland in dieser Form nicht mehr geben. Das ist ein Erfolg dieser Koalition. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein weiterer Punkt ist die Schaffung von Registern. Sie haben unter der Vorgängerregierung selbst ein Register für Versicherungsvermittler in Deutschland geschaffen. (Nicolette Kressl [SPD]: Den Unterschied haben Sie auch noch nicht verstanden!) Das, was Sie hier kritisieren, nämlich das, was wir im Bankenbereich machen, haben Sie bei den Versicherungsvermittlern in Deutschland geschaffen. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Ich habe es Ihnen schon erklärt! - Nicolette Kressl [SPD]: Unterschied nicht verstanden!) Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wollen: ob Sie das grundsätzlich ablehnen oder grundsätzlich befürworten. Aber Ihr Wischiwaschi, den Gewerkschaften und den Bankenverbänden hinterherzurennen, das ist einfach zu billig. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Die Kombination glauben Sie doch selber nicht!) Darüber hinaus werden wir mit dem Produktinformationsblatt für mehr Transparenz sorgen. Auch das ist ein entscheidender Punkt. Derzeit ist es so, dass die Kunden auf den Finanzmärkten mit Papier zugeschmissen werden. Im Kern hat es der Gesetzgeber in der Vergangenheit immer gut gemeint; aber in der Praxis ist weniger Transparenz übrig geblieben. Ich glaube, das Produktinformationsblatt ist wichtig, um dem Kunden die wesentlichen Fakten in vereinfachter Form mitzuteilen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Kerstin Tack [SPD]: Davon sind Sie selber nicht überzeugt!) Ich halte für wesentlich, was wir bei den offenen Immobilienfonds geschaffen haben. Es handelt sich dabei um eine wichtige Anlageklasse. Wir in Deutschland haben wenige Anlageklassen, bei denen wir Wettbewerbsvorteile gegenüber dem Ausland haben. Eine der wenigen Anlageklassen, bei der wir noch solche Wettbewerbsvorteile haben, sind die offenen Immobilienfonds. Es ist schlicht Fakt, dass fast ein Drittel der offenen Immobilienfonds inzwischen geschlossen ist oder sich in der Abwicklung befindet. Dabei handelt es sich nicht um Peanuts; vielmehr hat der gesamte Markt ein Volumen von 88 Milliarden Euro. Es geht also um eine ganz wichtige Anlageklasse in Deutschland. Es war für uns eine besondere Verpflichtung, diese Anlageklasse zukunftsfähig zu machen. Wir wollen den Run, den wir im Zuge der Finanzkrise erlebt haben, nicht noch einmal erleben. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis, das wir erzielt haben. Sie haben kritisiert, dass wir über den richtigen Weg im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gestritten haben. Ich frage mich: Was ist denn unsere Aufgabe als Parlamentarier? Unsere Aufgabe ist doch, Gesetzentwürfe zu verbessern. Das haben wir in hervorragender Weise getan. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Dass Sie sich immer selber loben müssen!) Wir haben letztendlich das, was Sie vorhin kritisiert haben, verhindert, nämlich dass Großinvestoren in diese Fonds hinein- und aus ihnen herausgehen und damit das gesamte Produkt in Schieflage bringen. Das haben wir verhindert. Wir haben eine Haltedauer von zwei Jahren und eine Kündigungsfrist von 12 Monaten eingeführt. Das wird dazu führen, dass das Produkt nicht als Geldmarktfonds missbraucht werden kann, sondern für den mittel- und langfristigen Anleger geeignet ist. Außerdem haben wir dafür gesorgt, dass die Kleinanleger gut an ihr Geld kommen können. Ich glaube, das ist ganz entscheidend. Darüber hinaus haben wir die Unabhängigkeit der Sachverständigen wesentlich gestärkt. Wir haben die Lehre aus dem gezogen, was bei den Wirtschaftsprüfern und Ratingagenturen in der Vergangenheit schiefgelaufen ist. Dadurch, dass man Beratung und Bewertung verquickt hat, gab es dort Interessenkonflikte. Das kann man nicht durch gesetzliche Informationsbarrieren verhindern; das funktioniert in der Praxis nicht. Stattdessen haben wir eine klare Linie gezogen. Wer in diesem Markt tätig ist, darf am Ende nur bewerten und nicht parallel auch noch beraten. Das ist ein ganz entscheidender Faktor. Gleichzeitig wollen wir, dass die Sachverständigen nicht dauerhaft bei ein und derselben Kapitalanlagegesellschaft tätig sein dürfen; vielmehr müssen sie, wie wir das auch von den Wirtschaftsprüfern kennen, nach einer gewissen Zeit wechseln. Außerdem machen wir das Produkt stabiler, indem wir die hohen Fremdkapitalquoten, die einige Fonds haben und die in der Krise eher zu Instabilität beitragen, reduzieren. Der vorliegende Gesetzentwurf sowie das Finanzvermittlergesetz und ein Gesetz zur Honorarberatung, zu denen wir in den nächsten Wochen Entwürfe vorlegen werden, bedeuten einen Dreiklang in Bezug auf eine Steigerung des Verbraucherschutzes in Deutschland. Ich kann die Opposition und vor allem die SPD nur auffordern, an diesem Dialog konstruktiv mitzuwirken. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Kollegin Dr. Barbara Höll hat das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schäffler, Sie haben recht: Dieses Gesetz kann nicht isoliert betrachtet werden. Aber der finanzielle Verbraucherschutz wird erst dann tatsächlich greifen, wenn die Finanzmärkte national und international grundsätzlich reguliert sind. Davon sind wir noch weit entfernt. Die Banken müssen auf ihr Kerngeschäft zurückgeführt werden; erst dann können wir grundsätzliche Lösungen anstreben. (Beifall bei der LINKEN - Otto Fricke [FDP]: So wie es in der DDR war!) Detailliert wird meine Kollegin Caren Lay das noch ausführen. Ich möchte mich jetzt auf die Regeln zur Übernahme von Unternehmen konzentrieren. Die freie Handelbarkeit von Aktien, also das Recht, Anteile von Gesellschaften zu erwerben, erfordert natürlich ein Regelwerk. Es muss sichergestellt werden, dass einerseits Spekulationen mit Aktien nicht ins Aberwitzige gesteigert werden und andererseits Klein- und Minderheitsaktionäre nicht übertölpelt und unter Wert abgefunden werden können. Sie erheben mit Ihrem Gesetzentwurf den Anspruch, zu regeln, dass intransparentes Anschleichen an Unternehmen verhindert werden kann. Die Süddeutsche Zeitung titelte im August 2008: Überraschend aus dem Hinterhalt: Vor Angreifern, die sich über verdeckte Aktienkäufe an Unternehmen anschleichen, gibt es immer noch keinen Schutz. Wir reden von Übernahmeschlachten, von feindlichen Übernahmen. Hier findet sich ein wirklich schöner militärischer Sprachgebrauch. Wie immer im Krieg bleiben die einfachen Soldaten, sprich: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf der Strecke, aber auch Unternehmensanteilseigner, die sich vor dem Anschleichen nicht schützen können. Ihre Lösung ist halbherzig; denn Sie sind nicht bereit, tatsächlich voranzugehen und so zu agieren, wie es zum Beispiel in der Schweiz geschieht. Schweizer Unternehmen sind anders geschützt als deutsche Unternehmen. Sie haben die Freiheit, die Verträge so zu gestalten, dass niemand 10, 20 oder 30 Prozent der Aktien erwerben kann, sondern höchstens 5 Prozent. Sie hingegen sind nicht bereit, einen solchen Schritt zu gehen. Statt sich für die Vertragsfreiheit der Anteilseigner eines Unternehmens einzusetzen, fordern Sie einen offenen Zugang zu den Märkten. Ein strengeres Kapitalmarktrecht in Deutschland würde - das wurde in den Beratungen zu dem Gesetzentwurf deutlich - erschwerte Regulierungen für im Ausland tätige deutsche Unternehmen zur Folge haben. Das wollen Sie nicht. Wer agiert denn solchermaßen bei Übernahmen im Ausland? Das sind große Finanzinvestoren und Konzerne. Das heißt, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, der nur halbherzige Regelungen vorsieht, agieren Sie wieder nur im Interesse von großen Finanzinvestoren und Konzernen. Das lehnen wir ab. (Beifall bei der LINKEN) Sie setzen sich auch nicht wirklich für Offenlegungspflichten ein. Das alles bleibt außen vor. Wir haben Ihnen zu diesem Thema einen knappen, aber treffenden Antrag vorgelegt. Wir fordern von Ihnen, dass die Position von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesen Prozessen gestärkt wird. Wir könnten schon heute das Vertragsrecht so gestalten, dass Unternehmen frei über Beteiligungen bestimmen können. Wir fordern von Ihnen auch, dass bei Unternehmensübernahmen die Interessen der Beschäftigten insoweit berücksichtigt werden, als Gewerkschaften zum Beispiel einen gesetzlichen Anspruch haben, Fusionstarifverträge abzuschließen. Wir fordern von Ihnen, dass die Betriebsräte der betroffenen Unternehmen ein Vetorecht bekommen. Dann können sie sagen: Mit uns nicht; denn wir sind diejenigen, die die Werte im Betrieb erarbeiten. (Frank Schäffler [FDP]: Das hat mit dem Thema nichts zu tun, Frau Kollegin!) Ich finde es schon sehr bedenklich, dass die FDP genau aus dem Grund, dass wir ein Vetorecht des Betriebsrates fordern, unseren Antrag abgelehnt hat und sich nicht einmal zu einer Enthaltung durchringen konnte. (Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der FDP: Der Antrag ist grundgesetzwidrig!) Wir sind auch für ein Vetorecht der öffentlichen Hand, sobald bei einer Übernahme überragendes öffentliches Interesse besteht. Wir sind für satzungsmäßige Offenlegungspflichten und Erwerbsbegrenzungen, die möglich sind. Es wurde Ihnen in der Anhörung eindeutig gesagt, dass dem nichts entgegensteht. Bei all diesen Prozessen, ob bei Schaeffler oder bei Hochtief, (Otto Fricke [FDP]: Was hat denn der Schäffler damit zu tun? - Lachen bei Abgeordneten der FDP) geht es nicht darum, ein Unternehmen einfach zu übernehmen und auf dem Rücken der Beschäftigten profitabler gestalten zu wollen. Das wäre schon schlimm genug. Ich sage ganz klar: Bei diesen feindlichen Übernahmen geht es oftmals darum, Konkurrenten vom Markt zu verdrängen, die übernommenen Betriebe mit eigenen Schulden zu überhäufen oder Betriebe zu zerschlagen. Betroffen sind immer die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aus diesem Grunde ist die Linke dafür, dass eine grundsätzliche Regelung erfolgt, die es insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und der öffentlichen Hand ermöglicht, hier wirksam einzugreifen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Dr. Gerhard Schick hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf ist von Ihrer Seite mit großen Ankündigungen versehen worden. Im Koalitionsvertrag haben Sie geschrieben: Wir wollen ein konsistentes Finanzdienstleistungsrecht schaffen, damit Verbraucher in Zukunft besser vor vermeidbaren Verlusten und falscher Finanzberatung geschützt werden. Ein angemessener Anlegerschutz ... wird prinzipiell unabhängig davon gewährleistet, welches Produkt oder welcher Vertriebsweg vorliegt. Ich habe damals gedacht: Schauen wir mal. (Otto Fricke [FDP]: Dann sehen wir schon!) Jetzt sehen wir es: Sie werden Ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht, und zwar bei weitem nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Herr Flosbach hat in der Debatte vom 1. Juli 2010 - in der wir gedrängt haben, dass etwas passieren muss - ausgeführt: Sie fordern ein schlüssiges Gesamtkonzept zur Stärkung des Verbraucherschutzes. Warten Sie noch ein paar Tage. In wenigen Tagen wird dieses Konzept vorgelegt. Herr Flosbach weiter: Bei uns dauert es nur acht Monate, - er bezog sich auf die Zeitspanne nach der Bundestagswahl - bis ein schlüssiges Gesamtkonzept vorgelegt wird. Wenn das, was uns heute vorliegt, das schlüssige Gesamtkonzept sein soll, das Sie damals angekündigt haben, dann muss man feststellen - das haben Sie heute schon selber zugegeben -: Dem ist nicht so. Jetzt heißt es plötzlich, es gebe einen Dreiklang, wir sollten abwarten. Aber genau diese Ankündigungen sind Verbraucherinnen und Verbraucher leid. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Wir sind die ersten, die es anpacken!) Milliardenschäden aus den letzten Jahren verpflichten die Politik dazu, endlich zu reagieren, und nicht nur Ankündigungen zu machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich begrüße in dieser Debatte ganz herzlich die Ankündigungsministerin Aigner, die in dieser Debatte mal wieder nicht das Wort ergreifen wird und die bei allen relevanten Fragen des Verbraucherschutzes bei Finanzdienstleistungen außer Ankündigungen nichts zu sagen gehabt hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Otto Fricke [FDP]: Wo ist denn Ihr Verbraucherschützer? Sind Sie im Finanzausschuss oder im Verbraucherausschuss?) - Die Kollegin Maisch erwartet Nachwuchs und ist deswegen bei der heutigen Debatte nicht da. (Otto Fricke [FDP]: Aha! Haben Sie nur einen?) Ich finde, damit sollten Sie respektvoll umgehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Otto Fricke [FDP]: Sie haben nur einen Verbraucherschützer, einen einzigen? - Gegenruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Flegel! - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Für Schnöseleien haben wir hier keine Zeit!) Ich will auf die konkreten Lücken in Ihrem Konzept eingehen, weil sie für die Verbraucherinnen und Verbraucher noch zu großen Problemen führen werden. Ich komme auf die erste große Lücke zu sprechen und zitiere die Stellungnahme der Deutschen Bundesbank aus der Anhörung, in der deutlich gemacht wurde, dass, um eine sektorübergreifende Gleichwertigkeit einzuführen, auch erwogen werden sollte, die Vermittler von geschlossenen Fonds und von Investmentfonds und auch gebundene Versicherungsvermittler einzubeziehen, das heißt Versicherungsvermittler, die von den Anforderungen des § 34 d Gewerbeordnung befreit sind. Der Vertreter der Bundesbank hat in der Anhörung selbst gesagt - ich zitiere -: Von daher ist die Lücke bei den gebundenen Versicherungsvermittlern von uns auch explizit als Lücke mit einem entsprechenden Handlungsbedarf, den wir dort sehen, identifiziert worden. Die Bundesbank beklagt also eine große Lücke, die in Ihrem Gesetzgebungsverfahren relevant ist. Damit deutlich wird, dass dies keine kleine Lücke ist: Es handelt sich hier um 80 000 freie Vermittler unter den 256 000 Vermittlern, die es im Versicherungsbereich insgesamt gibt. Das ist ein knappes Drittel. Eine große Lücke in Ihrem Gesetzgebungsverfahren! (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Reden Sie mal richtig zum Gesetz!) Die zweite Lücke - Herr Sieling hat sie schon angesprochen - betrifft die freien Anlageberater. Sie haben den ganzen Bereich des Grauen Kapitalmarkts ausgenommen; dabei waren wir uns im Juli 2009 nach der Anhörung im Finanzausschuss noch einig, dass hier vordringlicher Handlungsbedarf besteht. (Frank Schäffler [FDP]: Machen wir auch!) Auch das wird verschoben. Sie kündigen erneut an: Das wird irgendwann passieren. - Aber warum passiert es nicht jetzt? Weil es Einfluss von den entsprechenden Verbänden gegeben hat und Sie eingeknickt sind! (Frank Schäffler [FDP]: Quatsch!) Es ist die zweite große, die zweite gravierende Lücke in Ihrem Gesetz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es gibt eine dritte Lücke in Ihrem Gesetz, die große Auswirkungen für Kundinnen und Kunden hat, und das ist die Lücke bei den Verjährungsfristen. (Frank Schäffler [FDP]: Auch das kommt!) Schon bei der Reform des Schuldverschreibungsrechts ist angekündigt worden: Wir wollen von den Sonderverjährungsfristen wegkommen. - Wir haben Ihnen unsere Änderungsanträge im Finanzausschuss vorgelegt, und Sie haben sie abgelehnt. Dabei wäre es wirklich an der Zeit, zu einem einheitlichen Recht zu kommen: bei der Prospekthaftung im Börsengesetz und im Verkaufsprospektgesetz; bei der Veröffentlichung von Insiderinformationen. Es gibt immer noch eine ganze Reihe von offenen Punkten. Warum muss das weiter verschoben werden? Der Anspruch, ein einheitliches Recht zu schaffen, ist von Ihnen selber formuliert worden. Sie werden diesem Anspruch nicht gerecht, und damit leidet Ihr Gesetz an einer weiteren großen Lücke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich komme zur vierten großen Lücke. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Schick, der Lückenmeister!) Es geht hier um das ganze Themenfeld der Zertifikate. 108 Milliarden Euro betrug das Volumen dieser Finanzprodukte in Deutschland Ende November 2010. Das ist wesentlich mehr als das Volumen der offenen Immobilienfonds, die jetzt reguliert werden. Warum bleibt diese große Masse von Produkten unreguliert? Dabei sagen viele: Das ist intransparent; da muss endlich etwas geschehen. - Nach der Pleite von Lehman Brothers ist doch deutlich geworden, wie die Menschen auf intransparente Produkte hereingefallen sind. Auch die Sachverständigen haben uns darauf hingewiesen. Sie lassen eine große Lücke in einem relevanten Produktfeld. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn wir als Grüne den Strich darunter ziehen, müssen wir sagen: Die Lücken in diesem Gesetz haben System. Die Lücken in diesem Gesetz sind groß. Die Lücken in diesem Gesetz werden die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land noch sehr teuer zu stehen kommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Carsten Sieling [SPD] - Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das tut ja weh!) Genauso war es ja auch bei den Lücken, die Sie bei der MiFID-Umsetzung gelassen haben - Herr Michelbach, Sie wissen es, da habe ich auch schon von den Lücken gesprochen -; auch diese sind für die Menschen später in dramatischer Weise relevant geworden. Auch bei der Umsetzung der EU-Versicherungsvermittler-Richtlinie haben Sie eine Lücke gelassen. So ging es während der ganzen Zeit der Großen Koalition. Machen Sie sich nichts vor: Es ist doch nicht nur die Opposition, die davon spricht, dass das Gesetz seine Probleme hat. Die Wirtschaftswoche zum Beispiel schreibt: Verbesserungswürdig ist aber nicht nur der Anlegerschutz, sondern auch das Gesetz selbst. Die Bundesregierung hat das ursprünglich 68 Seiten starke Werk auf 45 Seiten geschrumpft und damit in den vergangenen Monaten entscheidend abgeschwächt; Mängel blieben dagegen bestehen. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Qualität statt Quantität!) Das Handelsblatt titelt: "Vom geplanten Schutz der Anleger bleibt nicht viel übrig". Auch der Chef von MLP hat in einem bemerkenswerten Gastbeitrag im Handelsblatt gesagt, das Gesetz gehe nicht an die Wurzel des Übels heran. Sie trauen sich eben nicht, die vorhandenen Ungleichheiten, die schlechten Regulierungen im deutschen Finanzmarkt wirklich anzugehen, und Sie lassen damit eben nicht nur für die Kundinnen und Kunden Schutzlücken, sondern Sie verhindern damit auch Wettbewerbsgleichheit für diejenigen, die auf dem Markt tätig sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Frank Schäffler [FDP]: Das stimmt nicht!) Ich will noch auf drei Punkte eingehen, die mir sehr wichtig sind: Neben den großen Lücken, die zu beklagen sind, geht Ihr Gesetzentwurf an manchen Stellen leider auch in die falsche Richtung. Das Beratungsprotokoll hat sich in vielen Fällen als nachteilig für die Kunden herausgestellt, weil es im Nachhinein als Beweis dafür herangezogen wird, dass die Beratung in einer Form stattgefunden habe, die aber nicht der Wirklichkeit entsprach. Wir müssen sehr aufpassen, dass nicht unter der Überschrift "Verbraucherschutz" etwas eingeführt wird, was nachher den Verbrauchern schadet. Wenn es so weit kommt, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die Menschen kein Vertrauen fassen. Genauso verhält es sich beim Produktinformationsblatt. Solange wir viele intransparente Produkte zulassen, gibt es für die Kunden nur eine Scheinvergleichbarkeit. Außerdem scheuen Sie sich im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, klare Vorgaben zu machen, damit es wirklich zu einer Vergleichbarkeit der verschiedenen Produkte kommen kann. Warum nehmen wir uns denn nicht ein Vorbild an den Niederlanden oder Schweden, wo die Aufsicht so vorgeht? Daran wird doch wieder einmal deutlich, dass das Produktinformationsblatt, statt Transparenz zu schaffen, dazu dienen soll, die Probleme des deutschen Finanzmarkts überzutapezieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein letzter Punkt ist mir persönlich sehr wichtig; Sie wissen das: Für uns Grüne geht es bei anlegergerechten Beratungen auch wirklich um den Menschen, um den Anleger; das heißt, es geht nicht nur um Rendite. Wir stehen hier in der Tradition einer wirklich sozialen Marktwirtschaft, die einmal entstanden ist aus den humanistischen Idealen eines Walter Eucken und aus der christlichen Soziallehre. (Zuruf des Abg. Klaus-Peter Flosbach [CDU/ CSU]) Die Vordenker der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland wussten, dass Menschen nicht nur renditehungrige Wesen sind. 40 Prozent der Menschen in Deutschland, so Schätzungen, wollen neben Angaben zu Rendite, Liquidität und Risiko auch wissen, welche Auswirkungen ihre Investition hat. Sie wollen vermeiden, dass sie unwissentlich in Unternehmen investieren, die mit Streumunition Geld verdienen oder in denen es Kinderarbeit gibt. (Frank Schäffler [FDP]: Eucken würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das hören würde!) Sie haben in diesem Gesetzgebungsverfahren unseren Vorschlag abgelehnt, dass wenigstens ein Minimum an diesbezüglicher Information geliefert wird. Daran sieht man, wie weit es mit der Christlich Demokratischen Union und der Christlich-Sozialen Union gekommen ist. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Sie haben nie ein solches Gesetz gemacht!) Wenn man wirklich Anlegerschutz betreiben will, dann muss man bei den Menschen ansetzen. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was hat denn Rot-Grün gemacht?) Menschen sind durchaus nicht nur renditehungrig, wie Sie das immer darstellen. Sie sorgen mit Ihrem Gesetz ja nun dafür, dass auch nur diesbezügliche Informationen zur Verfügung gestellt werden. Ein entsprechendes Gesetz müsste vielmehr auch an den Bedürfnissen der Anlegerinnen und Anleger in Deutschland ausgerichtet sein. Das heißt, dass es auch für Ethik Platz an den Finanzmärkten geben muss. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat der Kollege Dr. Mathias Middelberg für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Verehrter Kollege Schick, ich muss sagen: Das Ross, auf das Sie sich eben geschwungen haben, war doch recht hoch. Sie haben in Ihrer Zeit, in der Sie politisch die Verantwortung hatten, die Möglichkeit gehabt, all diese Dinge zu implementieren, die Sie uns hier gerade vorgetragen haben, zum Beispiel den Gesichtspunkt der Ethik in die Anlageberatung einzuflechten. Das ist allerdings in Ihrer Regierungszeit nicht geschehen. (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich! - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Sie haben doch alles abgelehnt!) Ich glaube, man muss jetzt einmal ehrlich sein und diesen Gesetzentwurf in Gänze und in aller Breite zur Kenntnis nehmen. Dann sieht man nämlich, dass wir unter dem Strich gesehen heute ganz wesentliche Schritte machen auf dem Weg zu mehr Anlegerschutz, zu mehr Transparenz am Markt, zu mehr Vertrauen in den Kapitalmarkt - das ist gerade für die Kleinanleger wichtig - und zu mehr Verlässlichkeit in diesen Markt. Um das gleich am Anfang zu bilanzieren: Heute ist ein erfreulicher und guter Tag für die Kleinanleger und für die ganz normalen Leute in Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich möchte das an dem Punkt deutlich machen, den sich Frau Höll eben herausgegriffen hat, nämlich an den Unternehmensübernahmen. Ich glaube, wir tun gerade auf diesem Feld einen ganz entscheidenden Schritt in Richtung Transparenz und Offenheit auf dem Markt. Wir haben die Katastrophen infolge der Versuche zur Übernahme von VW durch Porsche und von Conti durch Schaeffler - in diesem Fall ist nicht der Kollege Schäffler, sondern das Unternehmen Schaeffler aus Süddeutschland gemeint - (Frank Schäffler [FDP]: Richtig! Das sollten wir in das Protokoll aufnehmen!) noch bestens in Erinnerung. Davon waren - das hat Frau Höll zu Recht betont - nicht nur größere Konzerne oder irgendwelche Konzernchefs betroffen. Es ging auch um die einfachen Arbeitnehmer, in diesem Fall um Hunderttausende von Arbeitnehmern in Niedersachsen, die von solchen Übernahmen, die verdeckt und intransparent eingeleitet wurden, betroffen gewesen wären. Zum Schluss ging es im Fall Porsche/VW darum, dass die Kasse des VW-Konzerns geplündert werden sollte. Nur dann wäre nämlich diese Übernahme finanzierbar gewesen. Diese Katastrophen, die wir fast gehabt hätten und die wir gerade noch verhindern konnten, kann und wird es in Zukunft aufgrund dieses Gesetzes nicht mehr geben. Ein verdecktes Anschleichen bei Unternehmensübernahmen wird es in Zukunft in Deutschland nicht mehr geben. (Zuruf der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]) - Es gibt jetzt klare Regelungen, Frau Höll. Das erkläre ich Ihnen gerne. Wir Parlamentarier - Herr Schäffler hat das hervorgehoben - haben uns intensiv dafür eingesetzt, dass wir jetzt ein Regime haben, in dem alle Finanzinstrumente - nicht nur Aktien, sondern auch Optionen, Swaps und Ähnliches, mit denen man die Möglichkeit hat, Aktien zu erwerben - meldepflichtig sind, und zwar in Stufen von 5 Prozent. Die Anteile der verschiedenen Instrumente werden addiert. Es ist nicht mehr wie früher möglich, dass sich beispielsweise Frau Schaeffler 2,97 Pro-zent der Aktien kaufen konnte und dazu noch 4,98 Pro-zent in Form von Optionen, was sie nicht melden musste. Nach einem weiteren Kauf von Swaps konnte sie dann sagen: Ich habe 36 Prozent der Aktien. Ihr alle hört jetzt auf mein Kommando. - Diese Veranstaltung wird es in Zukunft in Deutschland nicht mehr geben. Das sind die entscheidenden Schritte hin zu einer Verbesserung, hin zu einem transparenten, fairen und ehrlichen Übernahmerecht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir sind aber durchaus interessiert daran - auch das möchte ich betonen -, dass es in Deutschland Übernahmen unter einem ehrlichen und klaren Regime geben darf und auch geben muss. Es gibt nämlich Unternehmen, die schlecht dastehen und bei denen im Grunde genommen eine Übernahme sinnvoll wäre. Das ist dann keine Bedrohung für die dort beschäftigten Arbeitnehmer. Vielmehr kann es für ein schlecht gemanagtes Unternehmen absolut gut sein, wenn es mit anderen Unternehmen fusioniert bzw. von anderen übernommen wird. Das ist gut und sichert die Arbeitsplätze dort. Wichtig ist, dass ein Übernahmeregime offen, transparent und für die Beteiligten am Markt erkennbar ist. Dann werden auch Kleinanleger nicht dadurch betrogen, dass sie im Übernahmefall vielleicht zu wenig für ihre Aktien bekommen. Dann werden gesunde, faire und ehrliche Übernahmepreise gezahlt. Das wiederum ist letzten Endes gut für die Stabilität der Unternehmen und für die Sicherheit der Arbeitsplätze. Ich komme also zu ganz anderen Ergebnissen als Sie. Es wurden von der Opposition Anträge vorgelegt. Die SPD meint, absehbar sei die geringe Wirkung dieser von uns vorgelegten gesetzlichen Regelung und es gebe die Notwendigkeit einer zügigen Weiterentwicklung des Übernahmerechts. Ich teile diese Einschätzung nicht. Ich glaube vielmehr, dass wir heute die entscheidenden Schritte hin zu einer Verbesserung des Übernahmerechts tun, damit wir in Zukunft klare, faire, transparente und ehrliche Verhältnisse am Markt haben. Frau Höll, ich fand interessant, dass Sie auf die Schweiz hingewiesen haben - davon habe ich in Ihren Anträgen bisher nichts gelesen -: In der Schweiz gibt es Regelungen, die den Unternehmen erlauben, über die Satzung Erwerbsbeschränkungen festzulegen, das heißt, festzulegen, wie viele Anteile jemand erwerben kann. Ich konnte dazu allerdings keine konkreten Vorschläge in Ihrem Antrag lesen, auch nicht im Antrag der SPD. Wir wollen uns auch über eine Verschärfung des Sanktionsregimes beim Anschleichen zum Zwecke von Unternehmensübernahmen unterhalten. Das sind Punkte, über die man sich durchaus noch unterhalten kann. Es gibt bestimmte Details, bei denen man noch nacharbeiten kann. Ich möchte aber noch einmal betonen: Wir machen jetzt den entscheidenden Schritt, um klare Verhältnisse am Kapitalmarkt zu schaffen. Wenn in Zukunft Anteilsübernahmen in 5-Prozent-Schritten gemeldet werden müssen, dann sieht jeder, wer sich an ein Unternehmen gewissermaßen heranpirscht, wer 5, 10 oder 15 Prozent der Anteile erwirbt. Das können dann alle Marktteilnehmer zur Kenntnis nehmen. Das bekommen dann auch alle Arbeitnehmer mit; sie sind übrigens in den Aufsichtsräten - zumindest der großen Gesellschaften - zu 50 Prozent vertreten und haben damit mittelbar Einfluss auf die Satzungsgestaltung. Schon heute kann man per Satzung Aktien vinkulieren, also die Verwendung für bestimmte Zwecke ausschließen. Schon heute kann man von Inhaber- auf Namensaktien umstellen; man kann dann genau sehen, wer an einem Unternehmen beteiligt ist. Schon heute hat man die Möglichkeit, die Abwahl des Aufsichtsrats über die Satzung zu beschränken. Schon heute man die Möglichkeit - ich spreche damit das Beispiel Hochtief an -, mithilfe eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages bestimmte Mehrheitsgrenzen als sehr hohe Schwelle festzulegen. Weil wir heute im Zusammenhang mit den vorliegenden Anträgen auch über Hochtief diskutieren, will ich an dieser Stelle auf Folgendes hinweisen: All das ist vom Management von Hochtief leider versäumt worden. Bei Hochtief waren alle Möglichkeiten gegeben, sich rechtzeitig auf Übernahmeversuche vorzubereiten. Der Fall ACS/Hochtief war kein Fall von Anschleichen; denn es war für jedermann erkennbar, dass ACS Beteiligungen am Unternehmen hatte, die knapp unterhalb der 30-Prozent-Schwelle lagen. Jeder Vernünftige hätte damit rechnen können, dass ACS alsbald dazu übergehen würde, ein Pflichtangebot zu machen. Es ist unverständlich, warum das Management von Hochtief nicht vorbereitet war und nicht rechtzeitig reagiert hat, obwohl jahrelang bekannt war, dass die Spanier am Unternehmen beteiligt sind. Man muss diese Frage an das Management von Hochtief richten, aber nicht an den Gesetzgeber. Ich habe am Punkt des Übernahmerechts deutlich gemacht: Wir sind mit diesem Anlegerschutzgesetz gewichtige und aus meiner Sicht ganz wesentliche Schritte gegangen. Ich habe kein Verständnis dafür, wenn das hier heute kleingeredet wird, so wie Sie es gemacht haben. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die SPD-Fraktion spricht Lothar Binding. (Beifall bei der SPD) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Wenn man sich den Bericht des Finanzausschusses ansieht, dann ahnt man vielleicht, dass sich Herr Middelberg bei dem, was er vorgetragen hat, nicht ganz sicher ist. (Otto Fricke [FDP]: Du bist dir wohl immer sicher!) - Ich bin mir oft unsicher; aber ich verschweige es nicht. (Otto Fricke [FDP]: Da bin ich mal gespannt!) Im Bericht des Finanzausschusses steht auf Wunsch der Koalitionsfraktionen, der Finanzausschuss solle "noch vor der Sommerpause im Jahr 2011 ein Fachgespräch zur Klärung der Frage durchführen", ob es Möglichkeiten der Fortentwicklung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes gibt. Daran sieht man, dass doch noch etwas kommen soll. Daher habe ich die Kritik von Gerhard Schick nicht ganz verstanden. (Frank Schäffler [FDP]: Das hat keiner verstanden!) Er hat gesagt, Herr Flosbach habe vor einem halben Jahr für die CDU/CSU-Fraktion erklärt, dass in wenigen Tagen ein gutes Gesetz kommen werde. Herr Flosbach hat auch heute wieder erklärt, dass in wenigen Tagen ein gutes Gesetz kommen werde. Er wird auch in einem halben Jahr erklären, dass in wenigen Tagen ein gutes Gesetz kommen werde. Insofern ist er sich doch hundertprozentig treu geblieben. Ich finde, das muss man respektieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es geht uns darum, die feindlichen Übernahmen und die Zerschlagung von Unternehmen zu erschweren; man kann sie sicher nicht unmöglich machen. Dabei geht es uns nicht so sehr um die Aktionäre im Allgemeinen, sondern eher um die Kleinaktionäre. Uns geht es um faire Wettbewerbsbedingungen. In erster Linie geht es uns aber um Arbeitsplätze, um Arbeitnehmer, um Familien und damit - last, but not least - um Schicksale. Immer wenn man genauer hinschaut, stellt man fest, dass Einzelne betroffen sind. Es geht uns aber ebenso um die Unternehmenskultur. Bedenken Sie, was passiert ist: Hoechst existiert zwar noch irgendwie, aber trotzdem ist alles ganz anders. Ich glaube, man muss auch auf die Unternehmenslandschaft achten. Es geht in diesem Zusammenhang darum, dass wir die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer und der Gewerkschaften bei Übernahmen verbessern, um bestimmten Konzentrationsprozessen entgegenzuwirken. Auf der anderen Seite gibt es sehr wohl die taktische Kursgestaltung. Es gibt Spekulationen. Es gibt unberechenbare Vorgänge auf Handelsplätzen, zum Beispiel das High Frequency Trading, das keiner genau überschauen kann. Das sind Vorgänge, die niemand vorhersehen kann. Außerdem gibt es das Anschleichen, das Einschleichen. Das hat etwas mit Heimlichkeit zu tun: Man will überraschen. Man will mit Überraschungseffekten den eigenen Gewinn steigern, möglicherweise sogar als Unternehmen, das vor dem Konkurs steht. In einer letzten Rettungsaktion versucht dieses Unternehmen aber, ein gutgehendes Unternehmen zu übernehmen, um sich so selbst aus dem Sumpf zu ziehen. Dies geschieht aber zum Preis der Zerschlagung von anderen Unternehmen. Der Kollege Middelberg hat in der ersten Lesung gesagt: Das Szenario einer Zerschlagung ist ... ziemlich unwahrscheinlich. Er dachte an Hochtief. Ich glaube, das Szenario einer Zerschlagung ist im Regelfall sehr wahrscheinlich. Herr Middelberg sprach vom "Wert ... in der komplexen, weltweiten Aufstellung des Unternehmens" und sagte: Keiner würde so dumm sein, dieses Unternehmen tatsächlich zu zerschlagen. Wenn wir uns anschauen, wie viele gute Unternehmen in Wirklichkeit schon zerschlagen wurden, stellen wir fest, dass der eigentliche Wert des Unternehmens im Ideenreichtum der Arbeitnehmer und in deren Hände Arbeit liegt, dass aber viele Unternehmen, die feindliche Übernahmen planen, darauf keine Rücksicht nehmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deshalb spricht die praktische Erfahrung gegen das gutgläubige "Es wird schon nichts passieren!". Nein, oft geht es um die feindliche Übernahme, um die Filetierung. Es geht sogar darum, dass die Arbeitnehmer der Zielgesellschaft letztendlich die Übernahme ihres Unternehmens und ihre eigene Entlassung auch noch bezahlen. Wer das vermeiden will, der muss, ähnlich wie England und Frankreich - es gibt auch Länder, die das nicht so machen; das stimmt -, die Verpflichtung zur Veröffentlichung und Abgabe eines Pflichtangebots auch für den Fall vorsehen, dass der Erwerber die Schwelle von 30 Prozent - qualifizierte Beteiligung - überschreitet. Das steht in unserem, dem SPD-Gesetzentwurf. Wir glauben, dass wir mit diesem Gesetzentwurf einen guten Schritt weiterkommen. Wir sind damit sicherlich noch nicht am Ende angekommen und haben auch noch nicht alle Ziele erreicht, aber das ist eine gute Möglichkeit, um Übernahmen, die wir vermeiden wollen, zu verhindern. Dadurch können wir die Möglichkeiten einschränken, sich legal an eine Zielgesellschaft anzuschleichen - auf Englisch heißt das Creeping-in; ohne diese Begriffe geht es heutzutage gar nicht mehr -, womit die Absicht verfolgt wird, unauffällig und kostengünstig eine Kontrollposition gegenüber anderen Unternehmen zu erreichen. Der Fall ACS/Hochtief war für uns der Anlass für das Gesetz. Allein betrachtet wäre das kein hinreichender Grund, zu handeln. Wenn man aber alle anderen Prozesse, die wir beobachten, hinzunimmt, hat man einen guten Grund. Wenn man bei Hochtief genauer hinschaut, stellt man fest, dass dieses Unternehmen schuldenfrei und wirtschaftlich gesund war und gute Projekte in Deutschland und Europa hatte. Das alles kann man über ACS nicht sagen. Auch diesen Fall muss man also sehr genau unter die Lupe nehmen. Er ist für uns Anlass genug, um darüber nachzudenken. Wir wissen, dass im Markt auch durchaus über ganz andere Dinge nachgedacht wird. Vielleicht erleichtert es Ihnen die Entscheidung, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, wenn ich einige Namen nenne: Infineon, Rheinmetall, MTU Aero Engines. Es gibt also weiterführende Gedanken mit Blick auf den Markt. Daher lohnt es sich, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Professor Dr. Erik Schweickert. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Erik Schweickert (FDP): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schick, nur um das klarzustellen: Ich wünsche Nicole Maisch von dieser Stelle alles Gute. Als junger Vater weiß ich, was da auf sie zukommt. Der Vorwurf in Richtung Ihrer Fraktion bezog sich nicht darauf, dass die Kollegin Maisch nicht anwesend ist. Ich hätte ihr heute sehr gerne zugehört, weil sie immer etwas Substanzielles zur Debatte beiträgt. Es ging darum, deutlich zu machen: In Ihrer Fraktion bearbeitet nicht nur Frau Maisch das Thema Verbraucherschutz. Sie haben eine Vorsitzende der Arbeitsgruppe für den Verbraucherschutz. Sie stellen außerdem eine stellvertretende Ausschussvorsitzende. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Sie kennen sich gut aus bei den Grünen!) Von ihnen redet niemand, und es ist auch niemand von ihnen anwesend. Das hätten wir gar nicht erwähnt, wenn Sie nicht gemeint hätten, die Ministerin, die hierbei gar nicht federführend ist, angreifen zu müssen. Das geht so nicht, Herr Schick. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Frau Höll, es überrascht mich, dass Sie sagen, dass Sie die Kompetenzen der Banken auf das Kerngeschäft zurückschneiden wollen. Was bleibt denn dann noch übrig? Wollen Sie nur noch die freien Finanzvermittler? Ich dachte, ich hätte die Anliegen der Linken anders verstanden. Wahrscheinlich muss man sich hier wundern. Wir haben zwei Möglichkeiten. Entweder wir machen etwas à la Hartz IV. Wir schnüren ein riesiges Paket, in das insbesondere die Opposition sachfremde Sachen packen möchte, bei dem letztlich aber nichts herumkommt. Wir gehen einen anderen Weg und sagen: Heute beschließen wir dieses Gesetz, das die Banken betrifft. Wir haben zugesagt, dass wir in diesem Bereich auch Regelungen für die freien Finanzvermittler schaffen. Außerdem werden wir noch das Thema der Honorarberatung angehen. Hier brauchen wir ein ganz klares Berufsbild. Ich lege mich an dieser Stelle einmal fest: Ein Honorarberater ist für mich kein Vermittler, sondern ein Berater. Das muss klar voneinander getrennt werden. Deshalb brauchen wir ein gescheites Berufsbild, das mehr als nur die Teilnahme an einem Wochenendseminar voraussetzt. (Kerstin Tack [SPD]: Da lehnst du dich aber weit aus dem Fenster!) Vielmehr muss eine Trennung deutlich werden, und das gesamte Spektrum muss überblickt werden. Dies sage ich, damit Sie auch einmal einen Einblick in die Meinung der FDP-Bundestagsfraktion zum Verbraucherschutz bekommen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir werden diesen Bereich also noch angehen. Heute liegt uns ein Gesetzentwurf vor, über den wir beraten müssen, ob er gut oder schlecht ist. Wenn ich Herrn Binding höre, dann gewinne ich den Eindruck, dass wir ein gutes Gesetz brauchen. Das ist aber falsch; denn wir haben bereits ein gutes Gesetz. Warum haben wir ein gutes Gesetz? Mit Blick auf die Reihen in der Opposition muss ich sagen: Es waren Ihre Finanzminister, die damals Hedgefonds zugelassen haben, die meinten, die würden die große Rendite bringen. (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Sie haben Beifall geklatscht! - Ulrich Kelber [SPD]: Ihre Partei hat das für zu viel Regulierung erklärt!) - Der Herr Kelber regt sich schon wieder auf. Vielleicht haben Sie die namentliche Abstimmung verpasst. (Zuruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD]) - Stellen Sie eine Zwischenfrage, wenn Sie etwas wissen wollen. (Ulrich Kelber [SPD]: Sie wollten viel mehr Deregulierung! Das wollen Sie heute nicht mehr zugeben!) - Wenn Sie das interessiert, dann stellen Sie eine Zwischenfrage. Wir sichern mit diesem Gesetzentwurf die Qualität der Beratung, indem wir uns die Qualifizierung der Berater nachweisen lassen, Herr Kelber. Das ist mehr als das, was Sie hinbekommen haben. Außerdem erhöhen wir mit diesem Gesetzentwurf die Transparenz bei den Verkaufsgesprächen, weil wir die Offenlegung der Provisionen vorschreiben. (Ulrich Kelber [SPD]: Das ist verlogen!) Eine größere Transparenz der Produkte kann nicht über 40 Seiten Protokoll erreicht werden. Vielmehr haben wir Protokolle von zwei Seiten und bei komplexen Beratungen von drei Seiten vorgesehen. Somit wird klar festgelegt, dass der Kunde informiert wird. (Kerstin Tack [SPD]: Sie haben gar nichts festgelegt bei den Protokollen!) - Wir haben das nicht festgelegt. Wir haben extra ins Gesetz geschrieben, dass, wenn die Protokolle unseren Anforderungen nicht genügen, wir dies sehr schnell und ohne eine große Debatte auf dem Verordnungswege lösen können. Das ist überhaupt kein Problem. (Kerstin Tack [SPD]: Also haben Sie nichts aufgeschrieben!) Ich sage Ihnen auch, dass ich einheitliche Risikoklassen festlegen möchte. Hierbei brauchen wir Transparenz; denn nur dann kann ich ein Produkt mit einem anderen Produkt vergleichen. Sollen wir als Politik aber vorgeben, wie diese Sachen funktionieren? (Kerstin Tack [SPD]: Es funktioniert auf dem Markt nicht!) Wir geben die Rahmenbedingungen vor. Wenn uns das nicht passt, was uns die Banken vorlegen, werden wir das auf dem Verordnungswege regeln, und zwar schneller, als Sie denken können. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wie können wir die Rahmenbedingungen in diesem Bereich schaffen? Wir müssen zusehen, dass die Aufgaben des Verbraucherschutzes erfüllt werden. Das muss in die Finanzaufsicht integriert werden. Das ist für uns ein wichtiges Thema. (Kerstin Tack [SPD]: Wo steht es denn?) - Das steht selbstverständlich im Gesetz. Das müssen Sie nachlesen. Manchmal tut es sogar gut, wenn man die Vorlagen der Regierung liest. Dann würde man nämlich feststellen, dass genau diese Punkte darin enthalten sind. Vorhin ist der Vorwurf der Bürokratie erhoben worden. Wir haben die Meldung, die jetzt mit einem Knopfdruck von den Banken erledigt werden kann, so hinbekommen, dass das verwaltungstechnisch sehr wohl machbar ist. Außerdem haben wir festgelegt, dass eine Vermittlerkartei erstellt wird, sodass wir wissen, gegen wen im Falle einer Falschberatung oder wenn sich die Beschwerden in diesem Bereich häufen vorgegangen werden muss. Allein schon die Erfassung der Daten, also wer am Kunden arbeitet und wie die Beratung aussieht, wird zu einer Disziplinierung beitragen. Der Berater wird sich zweimal überlegen, ob er den Vorgaben seines Obervertriebes nachgibt oder ob er das Wohl des Kunden im Auge hat. Darum geht es uns als christlich-liberale Koalition. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Kerstin Tack [SPD]: Das glaube ich nicht!) Da Sie so viel über die anderen Sachen reden, möchte ich klar sagen: Wir werden diese Vorgaben auch auf dem Grauen Kapitalmarkt umsetzen, aber in einem anderen Gesetzestext. Wenn das Ihr einziger Kritikpunkt ist, ob es ein Gesetz ist oder ob es drei Gesetze sind, dann ist das wirklich schwach. Außerdem wissen Sie, dass die Sachen, die wir hier sagen, auch umgesetzt werden. Wenn dann der Vorwurf kommt, man hätte zu lange gebraucht, dann sage ich nur, Herr Kelber: Wenn zwölf Jahre nichts gegangen ist, wenn zwölf Jahre in diesem Bereich nichts passiert ist, dann würde ich mir fünfmal überlegen, ob ich diese Kritik hier äußere. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die christlich-liberale Koalition geht beim Anlegerschutz voran. Sie macht einen Schritt nach dem anderen, und diese macht sie schnell. Das ist ein Meilenstein für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Von daher sind wir auf einem guten Weg und arbeiten in diesem Bereich erfolgreich und effizient für den Verbraucherschutz. Um genau das geht es. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Zu einer Kurzintervention der Kollege Kelber bitte. Ulrich Kelber (SPD): Herr Kollege Schweickert, Sie haben mich insgesamt viermal direkt angesprochen. Sie sind erst seit 2009 Mitglied des Bundestages. Sie haben gesagt, zwölf Jahre lang sei nichts passiert. Haben Sie aufgepasst und bemerkt, dass Ihre Partei bei jeder Regulierung, die vorgenommen wurde, von Überregulierung (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Falsche Regulierung! - Frank Schäffler [FDP]: Das ist totaler Quatsch!) gesprochen hat und uns Irland und Island als Beispiele für gute Finanzregulierung empfohlen hat? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie möchten antworten? - Bitte schön. (Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Das war eine bedeutende Kurzintervention!) Dr. Erik Schweickert (FDP): Herr Kollege Kelber, Sie haben gesagt, dass ich erst seit 2009 Mitglied dieses Hohen Hauses bin; das ist richtig. Daher habe ich mir die Mühe gemacht, nachzuschauen, was damals zu diesem Punkt gesagt worden ist. Ich möchte zitieren (Ulrich Kelber [SPD]: Wen?) aus einer Pressemitteilung Ihres damaligen Finanzministers Hans Eichel, der dort (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie sollten die FDP zitieren! - Ulrich Kelber [SPD]: Ich habe über die Äußerungen Ihrer Partei gesprochen! Vielleicht zitieren Sie die mal! Zitieren Sie einmal sich selbst!) - Moment, ich komme sofort dazu; dann können Sie es in Relation setzen - zur "Verbesserung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes" geschrieben hat: Weitere wesentliche Bestandteile sind das Investmentgesetz 2003, Regelungen über Hedgefonds und alternative Investments ... Wenn man in der Pressemitteilung weiterliest, um herauszufinden, was diese alternativen Investments sind, findet man Folgendes: Kreditinstitute können nunmehr in Deutschland ihre Kreditforderungen und Kreditrisiken in Zweckgesellschaften bündeln und daraus eine Reihe liquider Wertpapiere an den Kapitalmarkt bringen. In der Pressemitteilung heißt es auch: Damit wird Deutschland - bei den Hedgefonds - den Anschluss an die Entwicklung im Bereich alternativer Investments halten, die insbesondere im angelsächsischen Finanzmarkt weit vorangeschritten ist. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Jetzt die Äußerung unseres Kollegen Solms, der damals dazu im Plenum gesprochen hat - ich zitiere -: Deswegen will ich daran erinnern, Frau Staatssekretärin: Vertrauen für den Finanzmarkt zu schaffen bedeutet mehr als die Schaffung von Finanzmarktförderungsgesetzen oder eine Liberalisierung bei den Fondsprodukten. Lieber Herr Kelber, nehmen Sie sich dies zu Herzen. Dann wissen Sie, wo wir stehen und wo damals die Fehler gemacht worden sind. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Ulrich Kelber [SPD]: Das ist jetzt nicht Ihr Ernst! Solms hat in der Debatte von einer Überregulierung gesprochen! Unzureichende Zitierungen sind auch falsche Zitate! Sie haben zu früh aufgehört mit dem Zitat! - Lachen bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat Caren Lay das Wort für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Caren Lay (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines ist aus meiner Sicht unstrittig: Der Gesetzentwurf, den wir heute behandeln, ist längst überfällig. Aus Sicht der Kleinanlegerinnen und Kleinanleger kommt er viel zu spät. Denn jedes Jahr verlieren private Haushalte 20 bis 30 Milliarden Euro allein durch Falschberatung bei der Geldanlage. Vor diesem Hintergrund muss ich sagen: Es ist völlig inakzeptabel, dass Sie heute, zweieinhalb Jahre nach der Lehman-Pleite, sagen: Wir beschließen heute einmal ein kleines Paket, dann kommen der zweite, der dritte und der vierte Schritt. Das sagen Sie uns jetzt seit Beginn dieser Legislaturperiode. Das ist für uns als Opposition nicht mehr hinnehmbar. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen einfach nur diese Legislaturperiode zu betrachten. Der Rettungsschirm für Banken einschließlich vieler Milliarden Euro Steuermittel war natürlich ganz schnell gespannt. Auf einen Schutzschirm für Verbraucherinnen und Verbraucher, der diesen Namen wirklich verdient, warten wir bis heute. Wir als Linke haben als Erste ein Gesamtkonzept für den finanziellen Verbraucherschutz vorgelegt; die anderen Oppositionsfraktionen sind bald gefolgt, übrigens häufig mit großen Übereinstimmungen. Vor diesem Hintergrund ist das, was die Koalition uns heute zur Abstimmung vorlegt, überaus mager und für uns nicht hinnehmbar. (Beifall bei der LINKEN) Man muss eine ganz andere Einschätzung haben, wenn man hier von einem großen Wurf oder gar von einem Meilenstein für den Verbraucherschutz spricht. Die Regierung verläuft sich hier in Klein-Klein, und die wirklich zentralen Fragen des finanziellen Verbraucherschutzes werden überhaupt nicht angegangen. Deswegen kann ich mich in meiner Rede auch nicht nur auf das konzentrieren, was Sie falsch oder unzureichend regeln, sondern ich möchte auch die Dinge ansprechen, die in diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht vorkommen, die aber dringend notwendig wären, wenn man im Interesse der Kleinanleger handeln möchte. (Frank Schäffler [FDP]: Na, na! Das können Sie so aber auch nicht sagen!) Das Kernanliegen von uns Linken ist immer, dass wir sagen: Wir können nicht die gesamte Verantwortung auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abwälzen. Manche Finanzprodukte sind so intransparent, dass selbst Profis nicht durchblicken. Wie soll dann eine Verkäuferin sie verstehen, die vielleicht 3 000 Euro, die sie sich hart erspart hat, zur Bank tragen möchte, aber gar kein Vertrauen mehr hat, ob sie ihr Geld dort in sicheren Händen weiß? Wir sagen: Hier ist die Politik gefragt. Wir brauchen wirksame öffentliche Institutionen. Diese sind nach wie vor nicht geschaffen. Als ersten Schritt hätte man sagen können: Man muss die Finanzaufsicht, die BaFin, stärken, indem man ihr den gesetzlichen Auftrag für den Verbraucherschutz gibt; auch wenn wir Linke dies für unzureichend halten, wäre es ein erster Schritt gewesen. In diesem Gesetzentwurf ist aber Fehlanzeige. Wir sagen: Auch Deutschland braucht endlich eine Verbraucherschutzbehörde für die Finanzmärkte, die auch aktiv vor Missständen warnen muss. (Beifall bei der LINKEN) Das halten wir eigentlich für eine Selbstverständlichkeit. In Ihrem Gesetzentwurf ist aber Fehlanzeige, ebenso wie im Hinblick auf den Marktwächter und die Stärkung der Verbraucherzentralen, was seit langem gefordert wird. Kommen wir zur Registrierungspflicht für Berater. Erstens gehen Sie mit der Registrierungspflicht das Kernproblem nicht an. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Genau!) Das Kernproblem ist die provisionsgetriebene Beratung. Sie muss endlich überwunden werden. (Beifall bei der LINKEN - Frank Schäffler [FDP]: Sie haben keine Ahnung!) Zweitens sind die überzogenen Verkaufsvorgaben, denen die Beraterinnen und Berater ausgesetzt sind, ein ganz zentrales Problem. Hier muss man ansetzen; denn diese Vorgaben setzen die Beschäftigten der Bank unter Druck. Auch diesen Mut haben Sie nicht aufgebracht. Außerdem gibt es Finanzprodukte, die aus Sicht der Linken so unseriös sind, dass sie überhaupt nicht auf den Markt gehören. Deswegen fordern wir, wie viele andere, einen Finanz-TÜV. Auch davon ist im Koalitionslager noch nichts zu sehen. Die fehlende Regulierung des Grauen Kapitalmarktes wurde mehrfach angesprochen; dabei geht es beispielsweise um die freien Vermittler. Die Regulierung soll jetzt auf die Gewerbeaufsicht der Länder abgewälzt werden. (Frank Schäffler [FDP]: Da ist sie doch schon längst! Sie haben wirklich keine Ahnung!) Das ist wirklich ein völlig untaugliches Instrument, weil die Gewerbeaufsicht, die sich ansonsten zum Beispiel um den Nichtraucherschutz kümmert, hierfür überhaupt nicht ausgestattet ist. Ihr Gesetzentwurf ist ein Flickenteppich, den die Verbraucherverbände an dieser Stelle zu Recht kritisieren. Wir halten all das für den Gipfel einer falschen Politik, die nicht im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher ist. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, die Koalition ist vor der Bankenlobby eingeknickt. (Frank Schäffler [FDP]: Was? Das Register ist doch da!) Der Kollege Sieling hat zu Recht gesagt, dass es dafür ab und zu ein Dankeschön gibt; Sie haben aus dem entsprechenden Schreiben zitiert. Eines haben Sie aber leider nicht erwähnt: Ab und zu wird auch ein großzügiger Scheck ausgestellt. Wenn man sich vor Augen hält, welche Beträge von Juli bis November letzten Jahres an Union und FDP geflossen sind, (Frank Schäffler [FDP]: Tja! Wir können nun mal nicht wie Sie von einem Vermögen in Liechtenstein zehren!) zum Beispiel von der Deutschen Vermögensberatung, muss man sagen: Das passt wirklich auf keine Kuhhaut. (Frank Schäffler [FDP]: Ja, ja! Sie haben doch Ihre Konten in Liechtenstein!) Ich sage nicht, dass es an dieser Stelle einen Zusammenhang gibt. (Frank Schäffler [FDP]: Nein! Sie doch nicht!) Fakt ist aber: Es gab Spenden in großer Höhe. Jeder sollte sich selbst einen Reim darauf machen, ob es hier einen Zusammenhang mit dem schwachen Gesetzentwurf, den Sie heute vorgelegt haben, gibt. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Mechthild Heil spricht jetzt für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Mechthild Heil (CDU/CSU): Meine sehr verehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Finanzkrise hat das Vertrauen der Verbraucher in die Finanzmärkte erschüttert. Selbst hochanerkannte Finanzfachleute haben viel Geld verloren. Wenn Fachleuten, die sich doch auskennen müssten, dies passiert, wie kann ich mich dann als Laie noch zurechtfinden? Das fragen sich viele Verbraucher und, wie ich denke, auch viele Bürger, die dieser Debatte folgen. Mit ihrer eigenen Bank, mit ihrem eigenen Berater sind die meisten Anleger zufrieden. Dennoch ist die Verunsicherung unter den Bankkunden groß. Oder positiv gesagt: Das Interesse der Kunden an den Produkten ist stetig gewachsen. Was verkauft mir mein Berater da eigentlich? Was steckt dahinter? Wie viel Risiko gehe ich ein? Warum bietet er ausgerechnet mir dieses Produkt an? Und warum das und nicht ein anderes? Was springt dabei eigentlich für den Berater heraus? Blickt mein Berater da eigentlich durch? Was befähigt ihn dazu, mich zu beraten? - Der Verbraucher ist sensibilisiert, und mancher Verbraucher ist sicherlich auch verunsichert. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf reagieren wir auf diese Vertrauenskrise. Integere, effiziente und transparente Kapitalmärkte sind die entscheidende Voraussetzung für eine gesunde Volkswirtschaft. Wir stärken den öffentlichen Anlegerschutz und verbessern die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte. Wir bekämpfen die Unsicherheit von Anlegern und stärken damit den Finanzplatz Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das wichtigste Anliegen aus Sicht des Verbraucherschutzes ist es, dem Bürger zu ermöglichen, seine Entscheidungen wirklich mündig fällen zu können. Mit diesem Gesetz tun wir genau das: Wir stärken den Schutz der Verbraucher, und wir bringen mehr Transparenz in das ganze System. Das Beratungsprotokoll hat die Beweissituation von Privatanlegern bereits verbessert. (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht! Das kann sogar zum Nachteil werden!) Wir gehen heute aber noch einen Schritt weiter: Produktinformationsblätter werden Pflicht. In den Produktinformationsblättern werden die wesentlichen Eigenschaften des Finanzproduktes in leicht verständlicher Form auf zwei bis drei Seiten dargestellt. Dieser "Beipackzettel" enthält alle wesentlichen Informationen über das jeweilige Finanzprodukt. Der Kunde wird informiert, und er kann auf einen Blick die Art des Finanzprodukts, seine Funktionsweise, die damit verbundenen Risiken, die Aussicht auf Kapitalrückzahlung bzw. Erträge unter den verschiedenen Marktbedingungen und die mit der Anlage verbundenen Kosten sehen. Das Informationsblatt darf sich jeweils nur auf ein Finanzprodukt beziehen. Werbung und sonstige, nicht dem Zweck dienende Informationen sind verboten. Der Vorteil dieses Informationsblattes sind eine realistische Einschätzung des Produktes und eine gute Vergleichbarkeit mit anderen Finanzprodukten. Damit steigern wir die Entscheidungssicherheit des Einzelnen gegenüber den Banken und Anlageberatern. Welche Konsequenzen ziehen wir aber noch aus der Finanzkrise? - Die Krise hat gezeigt: Nicht jeder Berater hat die nötige Sach- und Fachkunde. Und sie hat gezeigt: Nicht immer stand bei der Anlageberatung das Kundeninteresse im Vordergrund. Provisionen und Vertriebsvorgaben spielen eine große Rolle. Es muss jedoch klar sein: Provisionen und Vertriebsvorgaben dürfen nicht zu Falschberatungen führen. Darüber hinaus muss derjenige, der mit dem Geld anderer Leute umgeht, ein hohes Verantwortungsbewusstsein haben und hohe Sach- und Fachkenntnisse besitzen. Deshalb verpflichtet der vorliegende Gesetzentwurf zum Nachweis der Sach- und Fachkunde der Anlageberater, Vertriebsbeauftragten und der Compliance-Beauftragten. Daher legen wir im Gesetz fest: Jeder der rund 300 000 Berater muss sich bei der Finanzaufsichtsbehörde BaFin registrieren lassen. Wie in einem Klassenbuch wird jede Beschwerde, der Name des Mitarbeiters sowie des Unternehmens vermerkt. Das ist ein richtiger und wichtiger Schritt in Richtung Schutz der Anleger einerseits und Stärkung der Verantwortlichkeit der Berater andererseits. Wir führen Sanktionsmöglichkeiten der BaFin im Falle von Falschberatungen ein. Kommt es wiederholt zu Falschberatungen, kann als letzter Ausweg ein Anlageberater bis zu zwei Jahre von seiner Funktion suspendiert werden. Das ist ein wichtiger Beitrag für mehr Verbraucherschutz in Deutschland. Die Möglichkeiten der BaFin gehen in Zukunft aber noch weiter: Die BaFin prüft auch die Vertriebsstrukturen, die für eine Falschberatung ausschlaggebend waren. Somit sagen wir auch Provisionen und Vertriebsvorgaben, die sich gegen einen Kunden wenden, den Kampf an. Das Gesetz verpflichtet die Banken ausdrücklich, Vertriebsvorgaben so auszugestalten, umzusetzen und zu überwachen, dass die Kundeninteressen nicht beeinträchtigt werden. Doch was macht die Opposition? - Die traurige Wahrheit sieht wie folgt aus: Die SPD sträubt sich gegen eine pauschale Registrierung. Das verwundert mich schon sehr, hat doch im Sommer noch die gesamte SPD mit Herrn Steinmeier an ihrer Spitze in einem Antrag zur Stärkung des Verbraucherschutzes eine - ich zitiere - "umfassende Registrierungspflicht" gefordert. (Zurufe von der FDP: Aha!) Von Ihrem hohen Anspruch ist nach Druck von den Gewerkschaften und von Bankenlobbyisten nicht viel übrig geblieben. Der Schutz der Verbraucher ist bei Ihnen auf der Strecke geblieben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Man muss die Richtigen registrieren! - Kerstin Tack [SPD]: Wir wollen auch eine Registrierung, aber nicht von 300 000 Bankberatern!) Die Sozialdemokraten fordern aktuell in ihrem Antrag: Registrierung erst nach Kundenbeschwerde. Als Anwalt der Verbraucher sind Sie gestartet, (Frank Schäffler [FDP]: Und als Bettvorleger gelandet! - Dr. Mathias Middelberg [CDU/ CSU]: Ich habe noch nie so viele Bettvorleger gesehen! - Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Für welche Berufsgruppe gilt das, was Sie sagen? Gilt das für alle oder nur für eine?) und jetzt ziehen Sie mit einer bunten Truppe aus Gewerkschaften, Interessenverbänden und Banken unter dem Slogan "Kriminalisierung eines Berufsstandes" gegen den Schutz von Anlegern vor schlechten Beratern zu Felde. Das ist schäbig. (Frank Schäffler [FDP]: Die geben deren Interessen nach! - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Was sagen Sie als Verbraucherschützerin zum Grauen Kapitalmarkt?) Es geht nicht um die Kriminalisierung eines Berufsstandes. Wir als CDU/CSU nehmen aber die Realität in den Blick. Ja, der einzelne Kundenberater kann durch Vorgaben seiner Vorgesetzten unter großen Verkaufsdruck geraten. Deshalb wird die BaFin ja auch die gesamte Beratungsstruktur in den Blick nehmen. Aber genauso wenig, wie ein Lkw-Fahrer über eine rote Ampel fahren darf, nur weil sein Chef ihm einen engen Zeitplan vorgegeben hat, darf ein Bankberater ungeeignete Papiere an seine Kunden verkaufen, nur um Zielvorgaben zu erfüllen. Tut er das, müssen er und sein Chef mit Sanktionen rechnen. Das ist richtig, und das wollen wir zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher. Dadurch schaffen wir Vertrauen. Mit dem Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz schaffen wir die Grundlage dafür. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Kollegin Kerstin Tack spricht jetzt für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Kerstin Tack (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich den Gesetzentwurf anguckt, muss man sich fragen: Was war das Ziel, und was ist das Ergebnis? Zum Ziel hat der Kollege Schick vorhin schon etwas aus dem Koalitionsvertrag zitiert, indem er gesagt hat: Ziel dieser Koalition war es, eine Einheitlichkeit bei den Rahmenbedingungen sowohl für die Vermittlung als auch für die Vertriebswege als auch für die Produkte selber herzustellen. Gucken wir uns jetzt einmal an, was wir hier heute mit dem Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt bekommen haben, nämlich eine Zweiteilung auf dem Beratermarkt. Auf der einen Seite gibt es die streng regulierten Bankberater, auf der anderen Seite freie Vermittler, denen ein Gewerbeschein genügt, um Fondsanteile verkaufen zu dürfen. Die genauen Regelungen werden wir am Ende des Tages hier vorgelegt bekommen. Das alles machen Sie ja erst noch. Sie sind noch dabei, uns das alles vorzulegen. Das haben Sie ja nicht in einem Rutsch hinbekommen. Das wollen wir an dieser Stelle doch einmal konstatieren. (Beifall bei der SPD) Frau Aigner hat als Verbraucherschutzministerin in den letzten Monaten keine Gelegenheit ausgelassen, ihre Vorstellungen in Bezug auf eine künftige Regelung kundzutun. Sie hat immer wieder auf den Koalitionsvertrag verwiesen und gesagt, sie wolle die Einheitlichkeit und dass die Protokollierung standardisierter wird. Sie hat auch immer wieder gesagt, dass die Honorarberatung gestärkt werden muss und dass für das Produktinformationsblatt eine standardisierte Vorgabe erforderlich ist. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Wir selbst auch! - Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Nicht gesagt, auch Taten! - Frank Schäffler [FDP]: Wir haben es zumindest vor!) Was ist passiert? Von den Ankündigungen ist im jetzigen Gesetzentwurf nichts übrig geblieben. (Beifall bei der SPD) Wehe dem Verbraucher, der sich auf die Ankündigungen von Frau Aigner verlässt; denn davon bleibt doch nichts übrig. Jetzt ist es schon so weit, dass die Ankündigungen nicht nur von der Ministerin kommen, sondern auch von den jeweiligen verbraucherpolitischen Sprechern der Regierungskoalition. (Beifall bei der SPD) Herr Schweickert, ich habe Ihre Ankündigung zur Honorarberatung gehört. Mir fehlt aber der Glaube, dass das in Ihren nächsten und übernächsten Schritten auch Wirklichkeit wird. Sie kündigen ja auch hinsichtlich des Protokolls an: "Wenn das nicht reicht, dann arbeiten wir nach", und zu den Produktinformationsblättern sagen Sie: "Wenn das nicht reicht, dann machen wir eine Rechtsverordnung." Wenn Sie doch schon wissen, dass das nicht ausreichend ist; wieso stehen die Ergänzungen denn dann nicht hier drin? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Frank Schäffler [FDP]: Sie haben doch gerade selbst gesagt, warum es nicht reicht!) Was die Protokolle angeht, die schon vorgeschrieben sind, gibt es kein Testheft von Stiftung Warentest, in dem nicht festgestellt wird, dass sie nicht nachvollziehbar und inhaltlich unzureichend sind oder erst gar nicht erstellt werden. Das wollen Sie komplett ignorieren und stellen allenfalls eine Nachregelung in Aussicht. (Zuruf von der FDP: Schritt für Schritt!) Warum regeln Sie es nicht in dem Gesetzentwurf? Das wäre doch Ihre Aufgabe gewesen. Menschen, die eine Beratung aufsuchen, erwarten, dass sie eine vernünftige Auswertung und Protokollierung des Gespräches bekommen können. Schließlich sollen sie daraus auch später Ansprüche gegenüber dem Berater ableiten können. (Frank Schäffler [FDP]: Was sagen Sie denn zu Herrn Eichel?) Des Weiteren sehen Sie eine Stärkung der Bankaufsicht vor, indem Sie die Bankberater verstärkt unter Druck setzen wollen. In der Begründung des Gesetzentwurfes stellen Sie selber fest: Problemfelder sind insbesondere die heterogene Qualifikation der Anlageberater und die nachteilige Beeinflussung durch Vertriebsinteresse, -druck und -provisionen. Aber was ist die Quintessenz aus dieser Problembeschreibung? Was passiert in Bezug auf den Vertriebsdruck? Sie setzen die Bankberater immens unter Druck, indem sie nicht nur montags die Anweisung bekommen, wie freitags die Zahlen auszusehen haben, sondern indem Sie auch eine Prüfung durch die BaFin vorsehen. Sie sagen, die Bankberater würden schon Manns genug sein, sich dagegen zu wehren, wenn die Vorgaben am Montag zu hoch sind, um mit der Zahl der Kunden, die die Woche über die Bank besuchen, eingehalten zu werden. Das kann doch nicht sein. Es kann nur darum gehen, die Vertriebswege und die internen Systeme der Banken in den Blick zu nehmen. Sie können doch nicht die Berater dafür bestrafen, dass das System innerhalb der Bank nicht stimmt. Da stinkt der Fisch vom Kopf. Das ist die Situation. (Beifall bei der SPD) Richtig wäre gewesen, sich den Vertriebswegen stärker zu öffnen und einen vernünftigen Informantenschutz für das System zu schaffen, damit Bankberater eventuelle Missstände in ihrer Bank unter besonderem Schutz weitergeben können. Das wäre vernünftig gewesen und hätte uns weitergeholfen. Ein gutes Gesamtkonzept auch aus Sicht des Verbraucherschutzes muss mehr beinhalten. Es muss eine Marktwächterfunktion vorsehen. Es muss auch beinhalten, dass die Verbraucherzentralen die Märkte beobachten können und Beschwerderechte haben. Wir haben das in der Großen Koalition noch gemeinsam beschlossen. Davon wollen die Kollegen von der CDU/CSU heute nichts mehr wissen. Damals haben wir auch die Stärkung der Honorarberater, die Klärung eines genauen Rechtsrahmens und die Kostentransparenz beschlossen. Auch das ist nicht mehr im Gesetzentwurf enthalten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Kerstin Tack (SPD): Ich komme zum Schluss. - Dieser Gesetzentwurf schützt keinen Anleger. Er schützt die freien Vermittler und den Grauen Kapitalmarkt vor Regulierung und Sanktionierung. Das machen wir nicht mit. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD - Frank Schäffler [FDP]: Unfassbar! - Weiterer Zuruf von der FDP: Märchenstunde!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Ralph Brinkhaus hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Privileg des letzten Redners in der Debatte ist, dass er auf alles reagieren kann, was vorher gesagt wurde. Ich muss ehrlich sagen: Die Debatte war ein bisschen rituell. Die Regierung sagt: Alles ist gut. Die Opposition sagt: Alles ist schlecht. Das ist das Übliche. (Kerstin Tack [SPD]: Nein! Sie sagt: nicht ausreichend! Das ist ein Unterschied!) Gestört hat mich ein bisschen, Herr Schick und Herr Sieling, dass Sie das Ganze etwas auf die persönliche Ebene gezogen haben. Ich glaube, das ist nicht notwendig. Ich glaube, wir alle wollen im Anlegerschutz mehr tun. Wir haben unterschiedliche Vorstellungen, wie das geschehen kann. Dementsprechend wünsche ich mir, dass wir die Diskussion mit weniger Schaum vor dem Mund ein wenig sachlicher führen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich nehme die einzelnen Kritikpunkte, die heute wie auch in Briefen von Gewerkschaften und Personalräten geäußert worden sind, sehr ernst und möchte auf den einen oder anderen Punkt eingehen. Fangen wir mit dem Anschleichen an. Kollege Middelberg hat dazu einiges ausgeführt. Wir schließen eine Lücke und damit eine Umgehungsmöglichkeit im geltenden Recht. Das ist ehrenwert, gut und richtig. Es trifft aber nicht zu, dass wir damit das ganze Übernahmerecht verbessern. Diesen Anspruch erheben wir gar nicht. Das ist ein sehr komplexer Prozess, dem übrigens auch der SPD-Antrag nicht gerecht wird. Wir müssen vielmehr das Ganze in den Blick nehmen und feststellen, ob das, was teilweise in Presse und Wissenschaft geäußert wird, zutrifft, nämlich dass deutsche Unternehmen ein besseres Ziel für feindliche Übernahmen sind als Unternehmen in anderen Ländern. Das ist insofern gerade jetzt besonders wichtig, als deutsche Unternehmen besser dastehen als viele andere Unternehmen in vielen anderen Ländern und deswegen durchaus ein Übernahmeziel sind. Wir werden das sorgfältig machen. Wir werden ein Fachgespräch führen. Wir werden gemeinsam mit Ihnen die Anregungen gründlich aufgreifen und werden dann Lösungen erarbeiten, die dazu beitragen werden, dass wir ein Level Playing Field, einen fairen Wettbewerb, in Europa und auch in der ganzen Welt haben. Zweiter Punkt: Produktinformationsblätter. Dazu muss man einfach einmal sagen, dass wir es gemacht haben. Wir haben ein Produktinformationsblatt eingeführt (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Zuruf von der SPD) gegen sehr viel Widerstand. Wir haben teilweise konkurrierende europäische Regelungen, wir haben Vorstellungen im Bankenbereich, wie das Ganze aussehen soll. Wir haben angefangen, wir haben es gemacht. Jetzt kann man natürlich kritisieren, dass das Ganze nicht detailliert genug ist. Man kann kritisieren, dass darin nichts steht zu ökologischen und sozialen Aspekten. Man kann viel kritisieren. Aber man sollte doch einfach mal anerkennen, dass wir einen Anfang gemacht haben. Wenn wir bessere Erkenntnisse gewinnen, dann werden wir diese einbeziehen. Das müssen wir sowieso tun, weil wir auf europäischer Ebene die PRIPs-Intiative haben, wonach wir dieses Informationsblatt in zwei bis drei Jahren überarbeiten müssen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dritter Punkt: Beraterqualität. Ganz ehrlich, meine Damen und Herren, wer kann denn wirklich etwas dagegen haben, dass wir verlangen, dass Berater im Wertpapierbereich über Sachkunde verfügen? Wer kann denn wirklich etwas dagegen haben? (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Hat ja auch keiner!) Dementsprechend sollte man anerkennen, dass wir das hier an dieser Stelle im ersten Schritt bei den Bankberatern verortet haben. Wir haben sogar noch eines gemacht: Damit durch dieses Gesetz niemand geschädigt wird, haben wir die Übergangsfrist im Gesetzgebungsprozess noch einmal verlängert. Wir haben eine "Alte-Hasen-Regelung" eingebaut. Wir haben ganz viele Regelungen eingebaut, damit auch Leute, die vielleicht nicht über die formale Qualifikation verfügen, genügend Zeit haben, sich diese Qualifikation anzueignen. Zweiter Punkt hierzu: Was kann man dagegen haben, dass die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, tatsächlich überwacht, ob die Beratung gut und richtig ist? Was kann man wirklich dagegen haben? Genau das werden wir in diesem Gesetz regeln. Man muss eines dazu sagen - das ist jetzt an die Kollegen der SPD gerichtet -: Ja, wir fangen eben nicht nur bei den Beratern an, sondern elementarer Teil dieses Gesetzes ist, dass wir erstmals die Vertriebsbeauftragten und die Compliance-Beauftragten in Unternehmen in den Fokus nehmen und versuchen, auch diese zu überwachen. Was wird passieren? Es wird Folgendes passieren: Wir werden alle Bankberater registrieren. Ja, wir werden alle Bankberater registrieren. Da kann man jetzt einwenden, das sei eine riesige Bürokratie. Wir haben das bei den Versicherungsvermittlern gemacht, die übrigens fast genauso viele sind wie die Bankberater. - Anstandslos. Es gibt keine Beschwerde. (Frank Schäffler [FDP]: Da hat sich selbst die SPD nicht beschwert damals!) In einem zweiten Schritt werden wir dann die Beschwerden, die von Kunden gegenüber einem Bankberater geäußert werden, sammeln. Es wird aber nicht so kommen wie bei der Flensburger Verkehrssünderkartei: sechs Beschwerden, und du bist raus, du kriegst ein Berufsverbot. Das ist ja die Befürchtung, die von den Gewerkschaften immer wieder suggeriert wird. Nein, es wird so sein: Wenn wir eine gewisse Häufung von Beschwerden haben, dann wird die BaFin anrücken, und dann wird sie beim Berater fragen, was schiefgelaufen ist. Sie wird aber genau das tun, was Sie angemahnt haben. Sie wird nämlich auch bei den Vertriebsstrukturen prüfen, was dort schiefgelaufen ist, ob da ein Vorgesetzter ist, der unzulässigerweise Druck ausgeübt hat. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Nur so geht es!) Sie wird auch den Compliance-Beauftragten befragen: Gibt es in diesem Unternehmen eine Unternehmenskultur, die gezielt auf eine Falschberatung hinwirkt? Das ist neu, das ist gut, und das ist richtig. Das ist ein Quantensprung gegenüber all den Dingen, die wir vorher gemacht haben. Das muss man auch mal anerkennen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Jetzt will ich Ihnen eines sagen. Es wird ja immer so getan, als könne der arme Berater nichts dafür. Wir wissen, dass Vertriebsdruck in den Betrieben ausgeübt wird. Aber wer kann denn ernsthaft etwas dagegen haben, dass dann, wenn ein Berater systematisch über Jahre hinweg eine Falschberatung betreibt, systematisch über Jahre hinweg das Vermögen, das ihm anvertraut wird, vernichtet, ganze Lebensentwürfe vernichtet, wie das im Lehman-Fall passiert ist, diesem Berater als Ultima Ratio gesagt wird, dass er für zwei Jahre aus dem Verkehr gezogen wird? Ich kann das nicht verstehen. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Hier gibt es gar keinen Widerspruch!) Denn auch der Berater hat eine Verantwortung. Im Übrigen tun wir mit diesem Gesetz eines: Wir stärken den Berater gegenüber seinem Chef, weil er sich immer wieder darauf berufen kann: Ich werde beobachtet, ich muss für mein Handeln einstehen. (Zuruf von der LINKEN) Deswegen ist es so richtig, wie wir diesen Gesetzentwurf gemacht haben, und deswegen ist es völlig unverständlich, dass von der SPD versucht wird, dieses Gesetz mit der Begründung zu torpedieren, dass das zu viel Bürokratie sei. Das, Herr Sieling, ist armselig! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Sie haben keine Ahnung von der Wirklichkeit im Arbeitsleben! - Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber keinen Schaum vorm Mund haben!) Kommen wir zum nächsten Bereich, zum Bereich der offenen Immobilienfonds. Wir haben festgestellt, meine Damen und Herren, dass wir bei den offenen Immobilienfonds einen Konstruktionsfehler haben. Der Konstruktionsfehler bestand darin, dass wir auf der einen Seite den Anlegern versprochen haben, dass sie täglich ihre Anteile zurückgeben dürfen und ihr Geld dafür kriegen, (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Sie brauchen ein Taschentuch für den Schaum! Holen Sie mal das Taschentuch raus!) das aber mit Immobilien unterlegt war, die man nicht täglich wie Aktien in einem Aktienfonds verkaufen kann. Wir haben dieses Problem angepackt. Wir haben dieses Produkt durch Mindesthaltefristen, Kündigungsfristen und vieles andere mehr sicherer gemacht, und zwar in einem Prozess, der wahnsinnig schwierig war; denn die Branche hatte keine Lösung angeboten. Wir mussten das alleine machen. Wir haben das auch auf den Weg gebracht. Das Einzige, was Ihnen, Herr Sieling, dazu einfällt, ist der Satz: Ich habe dagegen Bedenken. - Der Gegenvorschlag, den Sie im Entschließungsantrag machen, läuft letztendlich nur auf eine genauere Beobachtung hinaus. Das entspricht nicht dem Niveau, auf dem wir hier diskutieren sollten. Aber das passt zu Ihnen, Herr Sieling, und Ihrer Rede. Das ist nicht gut. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nachdem ich einiges zum Gesetzentwurf gesagt habe, lassen Sie mich noch ein paar allgemeine Ausführungen machen. (Ulrich Kelber [SPD]: Das war schon allgemein!) Lassen Sie mich auf den Vorwurf der Branche eingehen, wir regulierten zu viel und verursachten einen zu hohen bürokratischen Aufwand. Ich habe grundsätzlich eine sehr marktwirtschaftliche und wirtschaftsliberale Einstellung und frage mich manchmal auch, ob das, was wir regulieren, richtig ist oder ob wir dadurch nicht nur zusätzlichen bürokratischen Aufwand verursachen. Aber die gesamte Finanzbranche hatte seit 2008 zweieinhalb Jahre Zeit, auf all die Fragen, die die Finanzkrise aufgeworfen hat, eigene Antworten zu geben. Diese Antworten sind nie gekommen, weder beim Eigenkapital noch bei der Liquidität noch bei den Ratingagenturen und auch nicht beim Verbraucherschutz. Wenn die Branche nun sagt: "Ihr macht da etwas falsch; das ist eine Überregulierung", dann muss sie sich fragen lassen, warum sie keine eigenen Vorschläge gemacht hat. (Beifall des Abg. Ulrich Kelber [SPD]) Ich will das am Beispiel der offenen Immobilienfonds erläutern. Wir wissen seit zwei Jahren, dass dieses Produkt in der Krise ist. (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit vier Jahren!) Wir warten seit zwei Jahren auf Vorschläge der Branche. Aber es kommt nichts. Schlimmer noch: Jeder Vorschlag, den wir gemacht haben, wurde bekämpft, einmal vom Verband, dann von größeren Anbietern und dann wieder von kleineren Anbietern. So kann man nicht arbeiten. Ganz ehrlich: Wenn man Marktwirtschaft ernst nimmt, dann muss man dem Markt auch zugestehen, dass er in der Lage ist, Probleme selbst zu lösen. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: So ist es!) Ich habe das Gefühl, dass der Finanzmarkt momentan dazu nicht in der Lage ist. Er ist nicht in der Lage, seine Probleme selbst zu lösen. Deswegen darf er sich nicht wundern, dass wir Politiker mit unserem vielleicht begrenzten Wissen - so demütig sollten wir sein - hin und wieder Regelungen erlassen, die nicht optimal sind. Aber der Finanzmarkt hätte immer die Alternative gehabt, sich selbst zu regulieren und selber etwas auf den Weg zu bringen. Warum müssen wir denn ein Produktinformationsblatt machen? Warum hat es der Zentrale Kreditausschuss nicht geschafft, ein bundesweit einheitliches Produktinformationsblatt für Deutschland auf den Weg zu bringen? Das geht so nicht. Da darf er sich nicht wundern, dass wir das machen. Ein letzter Satz, den ich Ihnen noch mitgeben möchte. Ich habe neulich an einer Podiumsdiskussion über die Finanzmärkte teilgenommen; es waren nette Gespräche mit netten Bankern. Herr Schick, ich habe dann eingeworfen: Ohne Ethik und Moral funktioniert Marktwirtschaft nicht. - Daraufhin wurde mir empört entgegengeschleudert: Der Markt hat keine Moral, Herr Brinkhaus. - Das ist zwar richtig. Aber die einzelnen Marktteilnehmer sollten Ethik und Moral haben. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Ich habe das Gefühl, dass die Finanzbranche, die überwiegend gut und korrekt arbeitet - das gilt insbesondere für die vielen Hunderttausenden Mitarbeiter -, nicht über die Selbstreinigungskraft verfügt, diejenigen, die nicht diese Moral haben, zu bekämpfen. Ich wiederhole: Ich habe das Gefühl, dass die Finanzbranche nicht über die Selbstreinigungskraft verfügt, diejenigen zu bekämpfen, die nicht diese Moral haben. Dann muss sich diese Branche auch gefallen lassen, reguliert zu werden. Eines steht fest - das gilt zumindest für uns -: Wir sind noch immer begeisterte Anhänger der Marktwirtschaft. Aber wir werden es nie wieder zulassen, dass eine Branche durch Fehlverhalten die Marktwirtschaft gefährdet. Deswegen beschließen wir heute über den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes. Die freien Vermittler werden genau den gleichen harten Regelungen unterworfen wie die Bankvermittler und Bankberater. Wir werden auch Basel III weiter umsetzen und die OTC-Derivate regulieren. Die christlich-liberale Koalition wird den eingeschlagenen Weg weitergehen. Ich hoffe auf Ihre Unterstützung. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. Zu diesem Punkt liegt eine Erklärung zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsordnung des Abgeordneten Thomas Dörflinger vor.3 Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksachen 17/4710 und 17/4739, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 17/3628 und 17/3803 in der Ausschussfassung anzunehmen. Diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, bitte ich um ihr Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen angenommen. Dagegen haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen gestimmt. Die Linke hat sich enthalten. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer dafür stimmt, möge bitte aufstehen. - Die Gegenstimmen! - Die Enthaltungen! - Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen wie vorher. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Zunächst stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksa-che 17/4721. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist abgelehnt bei Zustimmung durch die einbringende Fraktion, dagegen haben CDU/CSU und FDP gestimmt, enthalten haben sich Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/4722. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt. Dafür hat die einbringende Fraktion Die Linke gestimmt, dagegen haben die Koalitionsfraktionen und die SPD gestimmt, enthalten hat sich Bündnis 90/Die Grünen.4 Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/4723. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt bei Zustimmung durch das Bündnis 90/Die Grünen, dagegen haben die Koalitionsfraktionen gestimmt, SPD und Linke haben sich enthalten. Wir kommen zu Zusatzpunkt 10 a: Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Änderung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/4710, den Gesetzentwurf der SPD auf Drucksache 17/3481 abzulehnen. Wer für den Gesetzentwurf stimmen will, möge die Hand heben. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt bei Zustimmung durch die SPD, die Regierungsfraktionen haben dagegen gestimmt, enthalten haben sich Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Damit entfällt die dritte Beratung. Wir setzen die Abstimmungen zur Beschlussempfehlung des Finanzausschusses fort. Zusatzpunkt 10 b: Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/2136 mit dem Titel "Gesamtkonzept zur Stärkung des Verbraucherschutzes bei Finanzdienstleistungen vorlegen". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und FDP, dagegen hat die SPD gestimmt, Linke und Bündnis 90/ Die Grünen haben sich enthalten. Unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/3540 mit dem Titel "Beschäftigtenrechte bei Übernahmen und Fusionen stärken". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/ CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die Fraktion Die Linke hat dagegen gestimmt. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchsta-be e seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-sache 17/3210 mit dem Titel "Verbraucherschutz auf Finanzmärkten nachholen". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen. Bündnis 90/Die Grünen hat dagegen gestimmt, Linke und SPD haben sich enthalten. Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 23 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, Ingrid Nestle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Klimaverträgliche Energien für Europa - Erneuerbar, effizient, sicher - Drucksache 17/4687 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Vorgesehen ist, hierzu eineinhalb Stunden zu debattieren. - Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der Kollegin Bärbel Höhn für Bündnis 90/Die Grünen. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Am 4. Februar dieses Jahres hat der EU-Gipfel zur Energiepolitik stattgefunden. EU-Kommissar Oettinger hat Anfang dieser Woche beim Neujahrsempfang des Bundesverbandes Erneuerbarer Energien seine Konzepte vorgetragen. Wir Grünen halten es für notwendig und sinnvoll, auch im Bundestag über dieses Thema zu debattieren; denn es geht um die zukünftige Klima- und Energiepolitik in Europa. Wir sehen, dass eine negative Entwicklung nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa stattfindet. Wir stellen fest, dass die Politik rückwärtsgewandt ist. Das wollen wir thematisieren, denn das hat auch in Deutschland Auswirkungen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Michael Kauch [FDP]: Olle Kamellen!) Während wir vor einigen Jahren noch erlebt haben, dass Deutschland und Europa in der Klimapolitik und in Bezug auf die erneuerbaren Energien Vorreiter waren, so müssen wir jetzt feststellen, dass die Ergebnisse des letzten EU-Rates enttäuschend sind. Es ist so, dass die erneuerbaren Energien in der zukünftigen Energiepolitik von Europa gar nicht vorkommen. Für Sie mag vielleicht verwunderlich sein, dass ich mich darüber sogar freue; (Horst Meierhofer [FDP]: Sonst hätten Sie ja nichts zu meckern!) aber es ging darum, etwas Schlimmeres zu verhindern. EU-Kommissar Oettinger hatte nämlich einen dramatischen Angriff auf unser deutsches EEG in Vorbereitung: Er wollte versuchen, es von Europa aus zu kippen. (Michael Brand [CDU/CSU]: Stimmt ja gar nicht!) Es ist gut, dass die Mehrheit der EU-Länder das abgewehrt hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Unter dem Begriff "Harmonisierung" - das hört sich ja eigentlich ganz gut an - wollte er versuchen, die einzelnen Förderinstrumente der Länder aufeinander abzustimmen. Das heißt, wir hätten wirkungslose Systeme von anderen übernehmen müssen. Es war richtig, dass wir sofort interveniert haben. (Josef Göppel [CDU/CSU]: Herr Röttgen hat interveniert! - Gegenruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD]: Herr Röttgen hat der Kanzlerin widersprochen, das stimmt!) Es war richtig, dass wir unseren Europaabgeordneten gesagt haben: Seid vorsichtig, passt auf! - Ja, es gibt auch ein paar Aufrechte in der CDU/CSU; auch Sie gehören dazu, Herr Göppel. Aber leider repräsentieren Sie da nicht mehr die Mehrheit Ihrer Fraktion; die Mehrheit Ihrer Abgeordneten ist mittlerweile auf einem anderen Trip. Ich würde mich freuen, Herr Göppel, es wäre anders. Warum gibt es diesen Trend, die Angriffe auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Deutschland? Der Grund ist die Laufzeitverlängerung; denn die Atomkraftwerke wollen ihren Strom weiter ins Netz speisen, und der Ausbau der Erneuerbaren würde genau das verhindern. Gerade wenn die Erneuerbaren ausgebaut werden, können die großen Energiekonzerne mit ihren Atomkraftwerken nicht den erhofften Gewinn machen. Deshalb versuchen sie, den Ausbau der Erneuerbaren zu verhindern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich persönlich finde deshalb, dass der Begriff "Brückentechnologie" eigentlich das Unwort des letzten Jahres ist. (Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist alternativlos!) Diejenigen, die die Atomkraft als Brückentechnologie für die Erneuerbaren bezeichnen und die Laufzeitverlängerung deshalb gutheißen, hätten einmal zum Empfang des Bundesverbandes Erneuerbarer Energien gehen sollen. Dort hätten sie feststellen können, dass die Betroffenen selber die Laufzeitverlängerung als Mauer und nicht als Brücke sehen. Deshalb werden wir weiter dagegen vorgehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Michael Brand [CDU/ CSU]: Die Brückentechnologie ist alternativlos!) Der erste Redner auf diesem Empfang, Herr Fuchs, hat gesagt: Die Umlage für die erneuerbaren Energien wird noch enorm steigen. Am Ende dieses Jahres werden es 5 Cent statt 3,5 Cent sein. - Das sind Gruselgeschichten, und das weiß er auch. Wenn man die Fehlentwicklungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz endlich angehen würde - und das muss man tun; das müssen Sie tun -, dann kann man die Umlage im nächsten Jahr sogar mindern. Das hat eine Studie des DIW, die heute veröffentlicht wurde, deutlich gemacht. Das heißt, wenn man vorsichtig und sorgfältig mit dem EEG umgeht, dann ist - so das DIW - im Jahre 2020 die Umlage nicht höher als 3,5 Cent, also nicht mehr als in diesem Jahr. Wir fordern Sie auf, das umzusetzen; denn damit bewahren wir den Ausbau der erneuerbaren Energien und entwerfen keine Horrorszenarien, wie der Kollege Fuchs das am Montag getan hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wichtig ist, dass wir den Bereich der erneuerbaren Energien schützen, weil er eine Erfolgsgeschichte ist. In den letzten Jahren wurden durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien 70 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr eingespart, 320 000 Menschen haben Arbeit gefunden, und beim Export haben wir Spitzenergebnisse zu verzeichnen. Das alles lassen wir uns von Ihnen nicht gefährden. Deshalb kämpfen wir weiter für den Bereich erneuerbare Energien. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Kämpfen Sie nur weiter!) - Ja, ab und zu gibt es Abgeordnete, die mitkämpfen. Das ist doch auch in Ordnung. Wir müssen uns daneben um einen zweiten Aspekt kümmern, nämlich um die Energieeinsparung. Ich stelle fest: Bisher haben Sie nur Sonntagsreden gehalten. Angela Merkel sagte am 3. Januar 2007 in einem Interview mit der Financial Times Deutschland: Das A und O ist Energieeffizienz, sparsamer Umgang mit Energie. Im Koalitionsvertrag heißt es: Wir wollen "die enormen Potenziale im Bereich Energieeffizienz heben". (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Ja!) Dann tun Sie es auch! Das, was Sie momentan machen, ist eine zahnlose Umsetzung der EU-Gesetzgebung. Sie haben keine Einsparquote, und Sie haben keinen Energiesparfonds. Das Einzige, was Sie haben, ist Information. Auf unseren Stromrechnungen bekommen wir einen Hinweis auf das Internet, wo man sich eine Liste von Energiedienstleistern angucken soll. So leisten Sie keinen wirkungsvollen Beitrag zur Verbesserung der Energieeffizienz. Das ist eine falsche Politik, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) und zwar deshalb, weil es auch im Bereich der Energieeffizienz enorme Potenziale gibt. Eine Studie des Bundesumweltministeriums besagt, dass 260 000 neue Arbeitsplätze entstehen könnten, 77 Millionen Tonnen CO2 und 19 Milliarden Euro Energiekosten eingespart werden könnten. Dieses Potenzial wollen wir heben. Ich komme zum Schluss. Als neue Maßgabe haben Sie ein Energieeinsparpotenzial von 12,8 Prozent genannt und nicht mehr 20 Prozent, wie es die EU eigentlich vor hatte. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Malta ist mit 22 Prozent weiter, auch Österreich, Spanien und Frankreich sind weiter. Setzen Sie endlich die Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz um. Das wäre ein Beitrag für mehr Beschäftigung. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jens Koeppen hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Jens Koeppen (CDU/CSU): Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute wieder einen Antrag der Grünen zum Thema klimaverträgliche Energieversorgung. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist immer gut!) Einige dieser Anträge - in der Vergangenheit haben Sie immer wieder welche eingebracht - sind nahezu identisch. Sie haben eine andere Überschrift gewählt, aber die Forderungen sind die gleichen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihnen muss man immer dasselbe sagen!) Aber was nutzt die Quantität, die Antragsflut, wenn die Qualität nicht stimmt? (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es ist außerdem bemerkenswert, mit welcher Beharrlichkeit Sie immer wieder mit demselben Kopf durch dieselbe Wand wollen. Aber es ist auch gut, dass Sie diese Anträge stellen; denn das gibt uns die Gelegenheit, über das Thema Umwelt und Energie zu sprechen und darauf zu verweisen, dass man erstens - das ist der Kardinalfehler - bei der Energie- und Klimapolitik nicht nur national denken darf, sondern auch global denken muss. Zweitens. Nachhaltige Energiepolitik muss sich am Zieldreieck Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz ausrichten. Bei Ihnen brechen immer zwei Säulen weg, nämlich die Versorgungssicherheit und die Wirtschaftlichkeit. Drittens. Unser Energiekonzept, Frau Kotting-Uhl, richtet sich an diesem Zieldreieck aus. Damit machen wir den Weg frei, solide ins regenerative Zeitalter zu gehen. Diesen Weg wollen wir beharrlich gehen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden wir am Ende sehen!) Sie können gerne mitmachen. (Zuruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD]) - Herr Kelber, auch Sie sind eingeladen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die Energiepolitik in Deutschland nur am Klimaschutz auszurichten, ist blauäugig, es gefährdet den Standort Deutschland und den internationalen Klimaschutzdialog. Deutschland in ein grünes Paradies zu verwandeln, ohne dabei den Blick in die Welt zu wagen, ist zu wenig, ja sogar fahrlässig. Es reicht eben nicht aus, nur zu fordern - und das wöchentlich! -, dass wir bis zum Jahr 2030 100 Prozent erneuerbare Energien haben wollen. Es reicht nicht aus, zu sagen: Im Jahr 2050 wollen wir 95 Prozent CO2-Reduktion erreicht haben. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Müssen! Nicht wollen!) Es reicht auch nicht aus, immer nur zu schreiben, dass Wind und Sonne Vorrang beim EEG haben. Es reicht nicht, zu schreiben (Rolf Hempelmann [SPD]: Was reicht denn?) - ich komme gleich dazu -, dass Kohle und Kernkraft verteufelt werden, ohne zu beachten, dass wir darauf heute noch nicht verzichten können, Herr Hempelmann. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Eine moderne Energieversorgung muss ganzheitlich ausgerichtet werden. Dazu haben wir in unserem Energiekonzept einen Fahrplan vorgelegt, der genau dieses Zieldreieck beachtet. Sicherlich, man kann die Ziele noch ambitionierter gestalten und immer noch einen draufsetzen, aber wir brauchen auch den gesellschaftlichen Konsens. Wir müssen die Menschen im Lande und vor allen Dingen auch die Länder mitnehmen; ohne die wird das nichts. Meine Damen und Herren, Sie hingegen richten Ihre Politik einseitig auf den Klimaschutz aus, egal was die Menschen künftig dafür bezahlen müssen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau wieder das falsche Argument!) Ihnen ist es egal, dass die Wirtschaft unter diesem Kostendruck leiden muss. Sie treiben mit Ihrer Politik auch die soziale Spaltung der Gesellschaft voran. (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie wird das Ergebnis haben, dass einige sich die Energie leisten können, andere nicht. Das führt bereits jetzt dazu, dass die Akzeptanz für erneuerbare Energien rapide abnimmt. (Michael Brand [CDU/CSU]: Ja, leider!) Sie riskieren die Abwanderung der Industrie in vermeintliche Energieparadiese. Das lehnen wir strikt ab. Bezahlbare Energie muss für alle in Zukunft möglich sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage von Frau Höhn zulassen? Jens Koeppen (CDU/CSU): Selbstverständlich. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, Sie haben wieder das falsche Argument gebracht, nämlich dass durch die Erneuerbaren alles total teuer wird und dass man das deshalb nicht bezahlen kann. (Michael Brand [CDU/CSU]: Nein, das hat er nicht gesagt!) Können Sie hier bestätigen, dass die Preise an der Leipziger Börse seit 2008 am Spotmarkt und am Terminmarkt um 30 bis 40 Prozent gesackt sind, dass die Strompreiserhöhung um 7,5 Prozent von allen Energieversorgern nicht hätte stattfinden dürfen, weil diese Erhöhung nur in die Gewinne gegangen ist, und dass Eon und RWE bei den Erzeugerpreisen mittlerweile Renditen haben, die höher sind als die von Ackermann? Können Sie also bestätigen: "Der eigentliche Preistreiber ist die Monopolsituation am Markt"? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Rolf Hempelmann [SPD]: Das ist auch O-Ton Bundesnetzagentur!) Jens Koeppen (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Höhn, lieber Herr Hempelmann, losgelöst von jeder Kostenentwicklung und von anderen Konditionen: Die erneuerbaren Energien werden in Zukunft nicht die Innovationskraft haben, die nötig ist. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist Ihr Argument!) Sie werden auch nicht die Technologietreiber sein. Wenn Sie heute den Monopolmarkt der erneuerbaren Energien verkünden und ausschreiben würden, dann würden die Wertschöpfung und insbesondere die Exportkraft in diesem Bereich extrem geschwächt. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie was zu den Gewinnen der Konzerne! - Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beantworten Sie mal die Frage!) Ohne jeglichen Wettbewerb und ohne Kostendruck würden die erneuerbaren Energien ihr großes Potenzial verspielen. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie immer: Die Konzerngewinne werden verschwiegen!) Eine einseitige Energiepolitik, die mit hohen Subventionen arbeitet, hätte den Effekt, dass die Versorgung aus erneuerbaren Energien in 20 bis 30 Jahren teilweise unbezahlbar würde. Das können und werden wir nicht zulassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Ihrem Antrag wird immer wieder ein - vermeintlicher - Widerspruch zwischen erneuerbaren Energien und Energieeffizienz auf der einen Seite und CO2-armen Technologien auf der anderen Seite aufgemacht. Ihre kategorische und enervierende Absage an einzelne Technologien können, wollen und werden wir nicht mittragen. Unser Ansatz gilt nach wie vor: Technologieoffenheit, Wettbewerb, Marktanreiz statt Dauersubventionierung und Preistreiberei. (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie subventionieren die Atomenergie!) Der freiwillige Verzicht auf einzelne Technologien, der Verzicht auf die Technologieoffenheit würde die Preise massiv steigen lassen. Sie riskieren damit außerdem, dass die Senkung der CO2-Emissionen in dem gesteckten Zeitrahmen nicht möglich wird. Sie setzen alles auf eine Karte: auf Wind, Sonne und Biomasse. Aber Sie können das doch nicht so einengen und für 40 oder 50 Jahre im Voraus festlegen, dass Sie andere Technologien nicht mehr zulassen. Mit einer solchen Politik würden Sie auch die Kernfusionsforschung ausschließen sowie andere Technologien, die heute noch nicht erforscht sind. Damit würden wir eine große Chance vertun. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sparen wir Geld!) - Das mag aus Ihrer Sicht so sein, aber ich glaube, dass wir eine Chance vertun. Wir sind in Europa im Bereich der erneuerbaren Energien auf einem guten Weg. Aus der Mitteilung der Europäischen Kommission vom Januar geht hervor, dass die Ziele für die erneuerbaren Energien bis 2020 erreicht und, wenn wir gut sind, sogar übertroffen werden, wenn die Mitgliedstaaten ihre Aktionspläne auch wirklich vollständig umsetzen und wenn die Finanzierungsinstrumente verbessert und evaluiert werden. Frau Höhn, dazu gehört auch das EEG; denn auch ein bewährtes Tool wie das EEG muss für die Zukunft neu aufgestellt werden, muss verbessert werden, muss sich einer Evaluation unterziehen. Das EEG muss insbesondere Anreize für neue Technologien, für Innovationen, für Speicherlösungen, für intelligente Netze und Zähler, für Einsparungen beim Eigenverbrauch schaffen. (Horst Meierhofer [FDP]: Sehr richtig! Nichts im Antrag!) Die Kosten-Nutzen-Relation muss deutlich verbessert werden: mehr Markt, mehr Wettbewerb. Ein Weiter-so mit einer blinden Einspeisevergütung darf es nicht geben. Darauf sollten wir auch bei der EEG-Novelle achten. Meine Damen und Herren, ich bin ja von Beruf Elektrotechniker. Eines hat mich in Ihrem Antrag sehr gestört und geärgert: kein Wort zum dringend notwendigen Netz-ausbau. (Michael Brand [CDU/CSU]: Die sind ja auch dagegen!) Wie kommt der Windstrom aus der dünn besiedelten Uckermark, wo ich wohne, nach Berlin? Wenn wir den Anteil der erneuerbaren Energien wirklich so massiv ausbauen wollen - darin sind wir uns ja einig -, dann brauchen wir schnell 3 600 Kilometer neue Stromleitungen. (Ulrich Kelber [SPD]: Sagt wer? - Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind doch Horrorzahlen!) Dieser notwendige Netzausbau wird aber teilweise von Ihren Leuten vor Ort - das heißt nicht von Ihnen hier, aber von Ihnen nahestehenden Organisationen vor Ort - vehement blockiert. (Ulrich Kelber [SPD]: Wer hat die 3 600 Kilometer festgelegt? - Gegenruf des Abg. Michael Brand [CDU/CSU]: Der Redner!) Es handelt sich um den NABU, den BUND, Ihre Kreisverbände. Sie tun das, obwohl andererseits Techniken für Spannungsgrößen in Höhe von 380 000 Volt überhaupt noch nicht ausgereift sind. Aber das ist Ihnen egal. Aus den Augen, aus dem Sinn. Sie wollen die Leitungen unter die Erde verlegen, trotz zehnmal so hoher Kosten (Ulrich Kelber [SPD]: Wer sagt, dass es 3 600 Kilometer sein sollen? - Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!) - Sie können gleich etwas dazu sagen; Herr Kelber, Sie sind gleich dran -, (Ulrich Kelber [SPD]: Tue ich doch!) trotz größerer Umweltbelastung, trotz höherer Flächeninanspruchnahme, trotz riesiger Schneisen, die geschlagen werden müssen, trotz zigmal so hoher Bodenversiegelung aufgrund der nötigen Betonwannen. Sie sagen: "Aus den Augen, aus dem Sinn", und schüren die Proteste. Es ist nicht redlich, Woche für Woche eine Energieversorgung zu 100 Prozent aus Erneuerbaren zu fordern, aber dann, wenn es spannend wird, den Schwanz einzuziehen und die Drecksarbeit die anderen Abgeordneten machen zu lassen. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Damit werden wir uns nicht zufriedengeben. Das ist keine redliche Umweltpolitik. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben keine Ahnung!) Eine weitere Klimaschutztechnologie, die Sie vor Ort immer wieder vehement bekämpfen und verteufeln, weil Sie Angst haben, diese erklären zu müssen, ist CCS. Einerseits sagen Sie Ja zu CCS im Rahmen von Forschungsprojekten und Industrieprojekten. (Rolf Hempelmann [SPD]: Was sagen Sie denn? Legen Sie doch erst einmal einen Gesetzentwurf vor!) Andererseits sagen Sie hier, ohne irgendeine wissenschaftliche Verifizierung, es sei eine nicht verantwortbare Risikotechnologie. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagt das nicht ein CDU-Ministerpräsident in Schleswig-Holstein? Wer war das noch mal? Welcher Partei gehört der denn an?) Meine Damen und Herren, das ist Panikmache. Ohne die CCS-Technologie werden die Kosten für unsere Klimaschutzmaßnahmen nach Einschätzung der Europäischen Kommission um 70 Prozent steigen, oder unsere Bemühungen werden scheitern. Aber das wollen Sie wohl in Kauf nehmen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch mal mit Ministerpräsident Carstensen! - Weiterer Zuruf vom BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN: Warum legen Sie nichts vor?) Der Innovationsstandort Deutschland wird nur dann bestehen, wenn unabhängige Wissenschaftler Forschung ohne Scheuklappen betreiben und Demonstrationen auch bei solchen Technologien durchführen dürfen. Es wird schwer werden, den Chinesen oder Indern diese Technologie zu verkaufen, die ja nun einmal jede Woche ein neues Kohlekraftwerk ans Netz nehmen und Mengen dort speichern müssen, bei denen wir hier gar nicht mithalten können, (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Inder haben doch überhaupt keine Speicher dafür! Erkundigen Sie sich mal! Reden Sie mal mit denen!) wenn diese Technologie hier im Land bei Demonstrationen schon für gefährlich erklärt wird. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den Transrapid. Wir müssen Technologien hier ausprobieren, um sie dann exportieren zu können. Sonst wird das nichts. Wir werden in Kürze ein CCS-Gesetz zur Verabschiedung vorlegen, das Risiken für Mensch und Umwelt ausschließt. In diesem Punkt werden wir auch keine Kompromisse zulassen. Meine Damen und Herren von den Grünen, in Ihrem Antrag schreiben Sie wörtlich: Eine konsistente Klimaschutzstrategie muss vom Ziel her gedacht und angegangen werden. Da unterstütze ich Sie voll und gebe Ihnen uneingeschränkt recht. Ich füge aber hinzu: Hier darf es keine Denkverbote geben, hier darf es keine Technologieverteufelung geben, und hier darf es auch keine ideologische Herangehensweise geben. Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ulrich Kelber ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion. (Michael Brand [CDU/CSU]: Da bin ich einmal gespannt, ob er für oder gegen Netzausbau ist!) Ulrich Kelber (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der europäische Energiegipfel letzte Woche war nichts anderes als ein Krisengipfel. Die Europäische Union ist von all ihren energie- und klimapolitischen Zielen im Augenblick meilenweit entfernt, und in allen europäischen Staaten und zugleich auch in der EU-Kommission lässt der Elan zur Erreichung der Ziele nach. Was uns aber am meisten beschäftigen sollte, ist, dass Deutschland vom früheren Tempomacher und Innovationsmotor in der europäischen Energie- und Klimapolitik zur Stotterbremse geworden ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Horst Meierhofer [FDP]: Quatsch mit Soße!) Dies ist für uns doppelt gefährlich: Erstens. In Europa fehlt ein wichtiger Antreiber für eine nachhaltige Energiepolitik. Zweitens. Deutschlands wirtschaftliche Interessen sehen im Grunde genommen ganz anders aus als das, was jetzt von einigen Verbänden diktiert wird. (Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist doch Parteipolitik!) Wir als Hightechland sind eigentlich prädestiniert, Energieeffizienztechnologien zu liefern. Stattdessen müssen wir uns jetzt bescheinigen lassen, dass wir in der Europäischen Union Schlusslicht bei den Energieeffizienzbemühungen sind. Wir sind zwar Weltmarktführer bei den erneuerbaren Energien, verspielen diese Position aber im Augenblick. Früher waren wir Klimaschutztreiber in der Europäischen Union; jetzt kann sich die Regierungskoalition noch nicht einmal darüber einig werden, ob sie das europäische Ziel von verbindlich 30 Prozent minus bis 2020 unterstützt oder nicht. Das ist ein Jammerspiel an dieser Stelle. (Beifall bei der SPD - Michael Brand [CDU/ CSU]: Das sind doch Phrasen!) Die SPD fordert eine sofortige Kehrtwende in der deutschen Energiepolitik, und zwar bei der zu Hause und bei der in der Europäischen Union. Warum haben wir heute einen Antrag vorliegen? Warum musste in der letzten Woche ein Antrag eingebracht werden? Ich erwarte von einer Regierung zu einem solch wichtigen europäischen Gipfel der Staats- und Regierungschefs eine Regierungserklärung. Weder haben wir in der letzten Woche eine Regierungserklärung dazu bekommen, mit welchem Ziel man hineingeht, noch heute einen Bericht dazu, welche Folgen die Beschlüsse und Nichtbeschlüsse dieses Gipfels für die deutsche Energiepolitik und für die Investitionen in Deutschland hätten. So kann man keine Europapolitik betreiben. Das schwarz-gelbe Bündnis mit den großen Energiekonzernen behindert Deutschlands Energiezukunft. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das hat aber Vorläufer!) Dieses Ketten an Wünsche und Strategien der großen Energiekonzerne schafft keine Energiezukunft; es verspielt mögliche Schritte. (Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist doch eine Unterstellung!) Ich möchte das an ein paar Beispielen deutlich machen: Wenn man den Vorschlägen der großen Energiekonzerne folgt, verlängert man deren teures Monopol in die Zukunft. Ich will Ihnen das mit Zahlen belegen: In den letzten Wochen haben sich immer wieder Rednerinnen und Redner aus der schwarz-gelben Koalition - auch Herr Oettinger hat dies getan - darüber beklagt, wie hoch die Strompreise aufgrund der Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland gestiegen seien, und meinten, dass dies ein Thema sei, auf das wir ein Augenmerk haben müssten. Für einen Vierpersonenhaushalt werden 140 Euro als Zahl genannt. Schauen wir uns jetzt nur einmal die Gewinne der drei größten deutschen Energiekonzerne an: Das sind 23 Milliarden Euro, von 6 Milliar-den Euro vor ein paar Jahren sind sie auf 23 Milliarden gestiegen. Das sind Pi mal Daumen 300 Euro pro Kopf der Bevölkerung. Das heißt, die vierköpfige Familie, die 140 Euro für die Förderung der erneuerbaren Energien, für 350 000 daraus entstandene Arbeitsplätze und Klimaschutz zahlt, überweist 1 200 Euro direkt an die drei Energiekonzerne. Wo sind die Worte und Taten der Regierung zu diesem Thema? Sie beschäftigen sich nur mit den Zahlen der erneuerbaren Energien. Wenn Sie als Bundesregierung schon nicht auf uns als Opposition hören, dann hören Sie doch wenigstens Ihren eigenen Institutionen zu. Die Bundesnetzagentur sagt: Die Strompreiserhöhungen jetzt sind mit den Entwicklungen der erneuerbaren Energien nicht zu begründen; sie sind reine Margenerhöhungen der großen Energiekonzerne. - Oder ganz aktuell sagt heute eine Studie des Umweltbundesamtes, einer nachgeordneten Behörde Ihres Hauses, Frau Staatssekretärin Heinen-Esser: 85 Pro-zent der Strompreiserhöhungen der letzten zehn Jahre haben nichts, aber auch gar nichts mit der Förderung der erneuerbaren Energien zu tun, sondern dienten allein den Margenerhöhungen der großen Energiekonzerne. - Warum sind Sie im Bündnis mit den Energiekonzernen gegen die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land? (Beifall bei der SPD - Michael Brand [CDU/ CSU]: So eine Propaganda! - Gegenruf des Abg. Rolf Hempelmann [SPD]: Das muss man einfach mal zur Kenntnis nehmen!) Schwarz-Gelb bekennt sich in dem sogenannten Energiekonzept ganz eindeutig zur Förderung der erneuerbaren Energien. Nur: Sie wollen die erneuerbaren Energien dort fördern, wo die Interessen der Energiekonzerne liegen. (Michael Brand [CDU/CSU]: Durch Wiederholungen wird es nicht besser!) Das heißt, sie wollen zusätzliches Geld in die großen Offshorewindparks stecken. Sie wollen Geld in den Netzausbau stecken, um Solarthermiekraftwerke in Südeuropa und Nordafrika anzuschließen. Denn das ist die Idee in den Konzernzentralen: Wir lutschen unsere Kohle- und Atomkraftwerke an ihrem goldenen Ende aus, solange es geht, und verkaufen billig produzierten Strom teuer an die Verbraucherinnen und Verbraucher, (Michael Brand [CDU/CSU]: Sie lutschen einen alten Bonbon!) und danach ersetzen wir diese Kraftwerke durch große zentrale Erzeugungseinheiten. Damit wird die ganze Idee zerstört, eine dezentrale Energieerzeugung mit hoher Wertschöpfung und weniger Netzausbau zu erreichen. Wir erhalten für weitere Jahrzehnte ein Monopol, das für die Verbraucherinnen und Verbraucher und für die heimische Wirtschaft teuer ist. Das bringt keine Zukunft. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) Der Innovationsmangel Ihrer Politik schadet der deutschen Wirtschaft; denn ohne einen starken Heimatmarkt entstehen nicht die Technologien, die man auf dem Weltmarkt verkaufen kann. Man muss einen Heimatmarkt haben, auf dem man eine Entwicklung finanzieren kann und auf dem man zeigen kann, dass es funktioniert, damit die entsprechenden Produkte in der Welt gekauft werden. Das war der dritte Fehler des Bündnisses. Wir, die SPD, wollen eine dezentrale und wettbewerbliche Energieversorgung, eine massive Reduktion des Energieverbrauchs, einen schnellen und vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien. Dazu heißt es im Gutachten des von der Bundesregierung eingesetzten Sachverständigenrats für Umweltfragen: Eine vollständig regenerative Energieversorgung ist technologisch machbar und "ökonomisch vorteilhaft". Jetzt kommt der entscheidende Punkt, der bei der Solardeckeldebatte vergessen wurde: Der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der von der Regierung selbst eingesetzt wurde, sagt, dass der Übergang zur regenerativen Stromversorgung in Deutschland durch das sogenannte Energiekonzept von Schwarz-Gelb länger dauern und teurer sein wird. Das ist ein entscheidender Punkt im neuen Gutachten der sogenannten Umweltweisen. Nach einem Jahr schwarz-gelber Energiepolitik ist schon ein Investitionsstopp in Deutschland nachweisbar und nachmessbar: Es gibt einen Einbruch bei den Neubauten hochflexibler GuD-Kraftwerke; denn die Stadtwerke wollen nicht mehr investieren, weil ihnen durch die Laufzeitverlängerung bei den Atomkraftwerken der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Es gibt keine Modernisierung des Kraftwerksparks; das schadet der Umsetzung unserer Klimaziele, Herr Kauch. Es gibt ein Absacken bei den Aufträgen in allen Bereichen der erneuerbaren Energien, auch bei der Windenergie. Wenn Sie sich nur die Meldungen der letzten Wochen ansehen, nach denen RWE und EnBW trotz wieder gestiegener Gewinne ankündigen, ihre Investitionen in erneuerbare Energien zurückzufahren, dann erkennen Sie doch, welche Auswirkungen Ihre Politik hat. (Michael Brand [CDU/CSU]: Bekennen Sie sich doch mal zum Netzausbau!) Ein Land lebt doch nicht davon, dass Dinosaurierkraftwerke weiterbetrieben werden können und die Gewinne in Konzernschatullen verschwinden; ein Wirtschaftsstandort lebt von Investitionen und Innovationen. Hier haben Sie einen entscheidenden Fehler gemacht. (Beifall bei der SPD) Zum Thema Energieeffizienz. Anstatt den sparsamen Umgang mit Energie zu beschleunigen, treten Sie auf die Bremse. Sie von der CDU/CSU hatten mit der SPD eine anspruchsvolle Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen, die einen starken Rückgang des Energieverbrauchs vorsah. Im sogenannten Energiekonzept war dieses Ziel schon abgeschwächt. Dann haben wir hier ein Energieeffizienzgesetz vorgelegt bekommen, das nicht einmal mehr die Umsetzung der Vorgaben aus dem sogenannten Energiekonzept vorsah, sondern nur noch die Erreichung des Mindestmaßes, das die Europäische Union auch von Deutschland fordert. Das würde ja bedeuten: Für das Hightechland Deutschland gelten die gleichen Vorgaben wie für ein bulgarisches Dorf. Sie von der Bundesregierung haben dann nicht einmal die Vorgaben dieses Gesetzes nach Brüssel gemeldet, sondern nur einen Plan, auf den die Europäische Union mit dem Hinweis reagierte, dass Deutschland von allen Industrieländern der Europäischen Union das Land mit den am wenigsten ambitionierten Zielen bei der Energieeffizienz sei. Das war für einen Hightechstandort wie Deutschland eine Ohrfeige. Wir machen dank schwarz-gelber Energiepolitik weniger als alle anderen. (Jens Koeppen [CDU/CSU]: Was ist mit dem Netzausbau?) Das birgt für uns eine große Gefahr: Schwarz-Gelb tritt hier auf die Bremse, während unsere Konkurrenten - China, Korea, Japan, USA, Brasilien - ihre Maßnahmen in den Bereichen der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz massiv beschleunigen. Wir halten doch nicht unsere Weltmarktposition, wenn Sie sich auf den Lorbeeren der Vorgängerregierung ausruhen, sondern nur durch mutiges Voranschreiten. Damit wir nicht immer nur beim Strom bleiben, nenne ich Ihnen vergleichbare Beispiele aus dem Wärmebereich. Sie haben den Umfang der Programme verringert oder sie gestoppt. Sie haben keine Effizienzvorgaben gemacht. Folge: In Italien, in Großbritannien, überall steigt die Zahl der Maßnahmen zur Energiedämmung, etwa Kesselaustausch, und es steigt der Einsatz von Solarthermie. In Deutschland gab es bei den Wärmepumpen ein Minus von 6 Prozent, beim Tausch bei Heizungen ein Minus von 18 Prozent und beim Einbau von Solarthermieanlagen ein Minus von 27 Prozent. Das ist die Bilanz eines Jahres schwarz-gelber Politik. Sie liefern die Verbraucherinnen und Verbraucher einem Monopol aus. (Rolf Hempelmann [SPD]: Das stimmt!) Sie lassen sie mit steigenden Weltmarktpreisen allein, anstatt ihnen zu helfen, weniger zu verbrauchen. Sie werden damit nicht nur in Deutschland zum Bremsklotz. Schwarz-Gelb wird damit auch zum Bremsklotz der europäischen Energie- und Klimaschutzpolitik. Vom Tempomacher zur Stotterbremse - das ist eine Blamage für Deutschland in der Europäischen Union. (Beifall bei der SPD - Jens Koeppen [CDU/ CSU]: Das war genial! - Michael Brand [CDU/CSU]: Kein Wort zum Netzausbau! Bezeichnend! - Ulrich Kelber [SPD], an den Abg. Michael Brand [CDU/CSU] gewandt: Machen Sie doch eine Kurzintervention! - Gegenruf des Abg. Michael Brand [CDU/CSU]: Nichts da! Hier wird keine Zeit geschenkt!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Horst Meierhofer für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Horst Meierhofer (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bislang haben wir sowohl von Herrn Kelber als auch von Frau Höhn sehr wenig zu dem Antrag gehört. (Michael Brand [CDU/CSU]: Nichts! - Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum EU-Gipfel!) Ich frage mich, worüber hier geredet wurde. (Ulrich Kelber [SPD]: EU-Energiepolitik? EU-Energieeffizienzziel?) Über die Digitalisierung des europäischen Kinos? Jedenfalls wurde nicht über den Antrag geredet. Das Gesagte hatte nämlich nichts damit zu tun. Ich weiß nicht, ob Sie für oder gegen diesen Antrag sind. Sie haben den Antrag mit keinem Wort erwähnt. Man fragt sich wirklich, was für Debatten hier geführt werden. Hier geht es nicht um Schaufensterdebatten, sondern um einen konkreten Antrag, in dem zwar einiges, aber leider nichts Konkretes steht. (Rolf Hempelmann [SPD]: Sagen Sie mal was dazu! - Ulrich Kelber [SPD]: Herr Meierhofer!) Das würde ich gerne einmal aufzeigen. Ich möchte versuchen, ein paar Sachen klarzustellen. (Beifall bei der FDP - Ulrich Kelber [SPD]: Sie können es besser! Fangen Sie noch einmal von vorne an!) Vielleicht können Sie später sagen, ob die SPD dafür oder dagegen ist. In der Überschrift steht: "Erneuerbar, effizient, sicher". Was hier fehlt, sind die Punkte Klimaverträglichkeit und Finanzen. Die Kosten für den Verbraucher sollten wir nicht ganz vernachlässigen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb haben wir einiges dazu gesagt! - Gegenruf des Abg. Michael Brand [CDU/CSU]: Aber nichts zum Netzausbau!) Man sollte sich vielleicht auch über die Ressourcen Gedanken machen und über den Umweltschutz; auch dieses Thema kommt in Ihrem Antrag überhaupt nicht vor. Sie wägen ganz allgemein ab und bringen keinen einzigen konkreten Vorschlag, wie man das tatsächlich schaffen kann. Sie setzen sich sehr ambitionierte Ziele, haben eine Idee, wie das Ergebnis aussehen soll, aber Sie sagen nicht, wie man das Ziel erreichen kann. Das ist ein Schaufensterantrag, der an Populismus nicht zu überbieten ist. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie einmal in unser Energiekonzept! Da steht ganz viel drin!) Sie fordern nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa eine Vollversorgung mit Strom aus erneuerbarer Energie bis 2030 - das ist in 19 Jahren -, wohl wissend, dass Deutschland dieses Ziel schwerlich erreichen wird, (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nur wegen FDP und Union!) weil wir dafür das 500-Fache an Speicherkapazität brauchen werden. Herr Fell, vielleicht können Sie uns erklären, wie das mithilfe der Grünen erreicht werden kann. Vielleicht können Sie uns auch noch sagen, wie man es schaffen kann, dass die Netze ausgebaut werden. Dazu haben Herr Kelber und Frau Höhn nichts gesagt. Dazu sagen Sie alle überhaupt nichts, weil Sie Angst haben, konkret zu werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein Antrag, der sich mit der europäischen Energiepolitik der Zukunft beschäftigt, aber mit keinem Wort den Netzausbau erwähnt, ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht. (Michael Brand [CDU/CSU]: Jawohl! Kein Wort! Weder Rot noch Grün! Kelber hat geschwiegen! Höhn hat geschwiegen! - Rolf Hempelmann [SPD]: Einfach nur zuhören!) - Sie haben den Antrag ja nicht geschrieben, Herr Hempelmann. Ich muss mich auf das beziehen, was mir vorliegt, und in dem Antrag taucht das Wort "Netze" kein einziges Mal auf. (Ulrich Kelber [SPD]: Wenn Sie nicht wissen, was Dezentralität bedeutet, dann ist das Ihr Problem!) Es geht darum, dass einige Länder weit hinter Deutschland zurückliegen. Das ist eine Vielzahl von Ländern, zum Beispiel Frankreich, Bulgarien, Rumänien oder auch Belgien, das 6 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien bezieht. Erklären Sie diesen Ländern einmal, dass sie in 19 Jahren etwas erreichen müssen, was Deutschland, der Vorreiter auf diesem Gebiet, kaum schaffen wird. Erklären Sie mir mal bitte, warum irgendein Land mit uns ins Gespräch treten soll, wenn solche illusorischen Ziele erreicht werden sollen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Michael Brand [CDU/CSU]: Genauso ist es! - Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht bei dieser Regierung!) Hier wird ein Popanz aufgebaut. Glauben Sie, weil die Grünen das im deutschen Parlament beschlossen haben, wird daraus auf europäischer Ebene ein vernünftiges Konzept? Ich habe das wirklich nicht ganz verstanden. (Michael Brand [CDU/CSU]: Das konnte man auch nicht verstehen! - Jens Koeppen [CDU/ CSU]: Träumereien!) Am Montag hatten wir die Möglichkeit, Herrn Oettinger, dem EU-Energiekommissar, zuzuhören. Er hat sehr klar gesagt, dass er die erneuerbaren Energien als Zukunftsmarkt ansieht. (Ulrich Kelber [SPD]: Weil es ein Zukunftsmarkt der Konzerne ist!) Er hat auch klargemacht, dass ein ganz entscheidender Schritt der Aufbau eines europäischen Netzes sein wird. Er hat gesagt, dass es wichtig sein wird, die verschiedenen Nationen miteinander zu verbinden. (Ulrich Kelber [SPD]: Sie müssten als FDP doch für dezentrale Lösungen sein! Warum hängen Sie sich so an die Konzerne?) Die baltischen Staaten haben mit dem europäischen Netz nichts zu tun. Sie bekommen zu 100 Prozent Gas aus Russland. Deren Netze haben mit unseren nichts zu tun. Gleichzeitig erwarten wir, dass sie in 19 Jahren den Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gewinnen? Sie müssen erklären, wie das funktionieren soll. Sie nennen vollkommen utopische Zahlen, haben aber keine Antwort auf die Frage der Grenzkuppelstellen. Wie verbinde ich Netze miteinander? Wie verbinde ich Norden und Süden? Wie sieht das mit den Interkonnektoren aus? Nichts dazu steht in Ihrem Antrag. Aussagen dazu wären vielleicht theoretisch und würden nicht so nett klingen wie die in Ihrem Pippi-Langstrumpf-Antrag, in dem Sie sich die Welt so malen, wie sie Ihnen gefällt. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das haben Sie von Brüderle geklaut!) Solche Aussagen aber hätten etwas mit der Realität zu tun. Das sind die Antworten, auf die wir warten. Dazu steht aber leider überhaupt nichts im Antrag. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie doch einmal unser Programm!) - Ich will nicht Ihr Programm lesen, sondern Ihren Antrag. Der ist gerade einmal zwei Seiten lang. Gar nichts steht darüber drin. Darüber debattieren wir. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da steht doch etwas drin zur Infrastruktur!) Wenn wir ein europäisches Netz wollen, dann müssen wir bedenken, dass wir in Deutschland andere erneuerbare Energieträger nutzen als andere Länder. (Rolf Hempelmann [SPD]: Wo sind denn Ihre Vorschläge?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Es wäre gut, wenn nicht alle gleichzeitig reden wollten. Frau Höhn würde gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie diese zu? Horst Meierhofer (FDP): Ja, sehr gerne. (Ulrich Kelber [SPD]: Ein bisschen lebhaft muss es sein!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Aber wenn die Lebendigkeit in Unverständlichkeit ausartet, steht nicht einmal im Protokoll - außer allgemeinem Tumult -, was hätte vorgetragen werden sollen. (Rolf Hempelmann [SPD]: Da hat er recht!) Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Meierhofer, Sie haben vorhin gesagt, in unserem Antrag steht nichts zu den Netzen. Haben Sie vielleicht den vorletzten Spiegelstrich übersehen? Da steht: ... eine rasche Klärung bei der Finanzierung des Energieinfrastrukturpakets der EU unter Beteiligung der öffentlichen Hand, ... Das sehen wir anders als Oettinger. Wir glauben, dass man ein Paket schnüren muss, bei dem alle ihren Beitrag leisten, die Verbraucher, die Wirtschaft und auch die öffentliche Hand. Das ist der Weg, den wir gehen wollen, und zwar für ein Netz, das vor allen Dingen auf erneuerbare Energien ausgerichtet ist und das nicht gebaut wird, damit der Atomstrom in diesem Netz Platz hat. Das sind Kosten, die die Verbraucher nicht bereit sind zu zahlen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Horst Meierhofer (FDP): Ich habe gesagt, dass in Ihrem Antrag das Wort "Netze" nicht auftaucht und dass Sie nichts zum Netzausbau sagen. Das habe ich Ihnen gesagt, und dabei bleibe ich. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Entschuldigung, wenn ich die Frage beantworten darf: Was heißt das denn konkret, was hier steht? Man soll sich darüber Gedanken machen. Das ist doch Blabla. (Beifall bei der FDP) Wollen Sie, dass RWE und andere Netzbetreiber beim Netzausbau subventioniert werden? Wollen Sie, dass die europäischen Verbraucher innerhalb der nächsten 19 Jahre das Dreifache bezahlen müssen? Was ist denn die konkrete Folge, die Sie daraus ableiten? Nichts. Gar nichts leiten Sie daraus ab, und das ist das Problem. (Beifall bei der FDP) Sie tun so, als wären Sie diejenigen, die die Erneuerbaren möglichst schnell ausbauen wollen, und als wären Sie klima- und umweltfreundlich. In Wirklichkeit geben Sie keinen einzigen sinnvollen Hinweis, wie das gelingen kann. Das ist so bedauerlich an diesem Antrag. (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen bitte!) - Diesen Antrag zu lesen, dauert keine fünf Minuten, und danach ist man genauso schlau wie vorher, Herr Ott. Das kann ich Ihnen schon jetzt sagen. Sie geben überhaupt keine Antworten darauf, wie andere Länder mit den Deutschen in dieser Frage gemeinsam vorangehen können. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie gehen doch gar nicht voran! Sie stoppen das gerade!) Dazu ist in Ihrem Antrag nichts zu lesen. Sie haben genauso wie Herr Kelber ausschließlich über Deutschland gesprochen. Wir reden hier über Europa. 100 Prozent Erneuerbare in ganz Europa, und das innerhalb von 19 Jahren: Das ist vollkommen realitätsfremd. Das ist etwas, was mich sehr ärgert. Ich möchte noch eines am Schluss dazu sagen. (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um den Strommarkt!) - Ja, es geht um den Strommarkt. Es geht um die 100 Prozent bzw. die 50 Prozent. Das ist noch absurder, weil der Anteil erneuerbarer Energien in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten teilweise nur bei 3 Prozent bis 4 Prozent liegt. Belgien hatte Mitte letzten Jahres - vermutlich jetzt immer noch - nicht einmal ein Konzept, um die Erneuerbaren voranzubringen und zu fördern. Belgien ist hierbei noch sehr weit von uns entfernt. Das spielt für Sie aber überhaupt keine Rolle, weil Sie keine Verantwortung tragen, weder hier noch sonst irgendwo. Aus diesem Grunde haben Sie damit natürlich auch keine Probleme. Das ist das Problem. (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber bald wieder! 2013 spätestens!) Ich darf zum Schluss sagen: Es klingt wirklich nett, was Sie erzählen. Es ist wichtig, dass die Leute draußen mitbekommen: Das sind ausschließlich Luftschlösser; das ist ausschließlich Blabla. Sie blasen die Backen auf. Wenn es aber um die konkrete Umsetzung geht, tragen Sie keinen einzigen Anteil an der Verbesserung, auch aus Angst. Wenn es beispielsweise um Wasserkraft geht, haben Sie natürlich Probleme mit Ihren eigenen Mitgliedern vor Ort. Wenn es um Speicher geht, haben Sie natürlich Probleme vor Ort. Wenn es um Biogasanlagen geht, haben Sie natürlich Probleme vor Ort. Wenn es um Netze geht, haben Sie natürlich Probleme vor Ort. Wenn es um CO2-freie Kohleverstromung geht - was vielleicht für Polen und andere Länder zumindest mittelfristig interessant sein könnte -, haben Sie keinerlei Antwort. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre FDP hat jede Windkraftanlage verhindert! Sie sind die Blockierer!) Das ist es, was so wahnsinnig schade ist. Wenn Sie das nächste Mal debattieren wollen, dann legen Sie doch bitte einen Antrag vor, der es auch wert ist, debattiert zu werden. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Ulrich Kelber [SPD]: Das war einer der schwächsten Meierhofer, die ich bisher erlebt habe! - Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht eine konstruktive Idee!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Rednerin ist die Kollegin Eva Bulling-Schröter für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was letzte Woche beim EU-Energiegipfel beschlossen wurde, stand ziemlich im Schatten des Ägypten-Aufstandes. Das ist vielleicht auch besser so; denn eigentlich wurde nichts beschlossen, was uns bei der Lösung der Klima- und Energiefragen wirklich weiterbringt. Das ist aber auch eine Nachricht, und zwar eine traurige. Sie von der Regierung sind daran natürlich nicht unschuldig. Diese Nachricht zeigt, dass Europa meilenweit davon entfernt ist, die Erderwärmung und den Ressourcenschwund angemessen anzugehen. Es wurde wieder versäumt, das europäische Klimaschutzziel bis 2020 auf minus 30 Prozent anzuheben. Wir wissen auch, dass die EU mit ihrem Ziel von minus 20 Prozent die Erderwärmung vorantreibt - das wissen wir einfach, meine Damen und Herren -, und zwar auf ein Level von weit über 2 Prozent. So viel zum Thema "Umweltpolitik global denken", Herr Koeppen. Das mahnten Sie schließlich in Ihrer Rede an. (Jens Koeppen [CDU/CSU]: Anfangen, nicht quatschen!) Das merken natürlich auch Indien und China. Sie verstecken sich nicht nur hinter den USA, sondern wundern sich auch über Europa. Warum sollen diejenigen, die pro Kopf nur einen Bruchteil der Abgase ausstoßen, nun ihre Emissionen reduzieren? Ich wünsche uns allen bei den nächsten Klimaverhandlungen im Dezember viel Spaß. Wenn die EU so weitermacht, werden sich alle wieder genauso aufführen wie in Kopenhagen. Denn in Durban geht es ans Eingemachte; dort müssen Beschlüsse gefasst werden. Wir alle wissen das. (Beifall bei der LINKEN) Der angebliche Schwung von Cancún kann dann zur Bruchlandung führen. Denn in Cancún wurde ja leider nur eine leere Hülle beschlossen. Deshalb konnte man sich dort gerade noch einigen und hat dann auf einen Phantomerfolg angestoßen. Alle Beschlüsse, die wehtun würden, wurden verschoben, zum Beispiel, wer wie viele Treibhausgase einsparen soll oder welche Industrieländer wie viel in die Fonds für Klimaschutz und Anpassung für den globalen Süden zahlen sollen. Das Internationale Transportforum der OECD hat danach in einer Pressemitteilung geschrieben: Nein, von Cancún sei kein zusätzlicher Druck auf den Verkehrssektor zur Reduzierung von Emissionen zu erwarten. Die Lehre aus Cancún sei, dass die Herausforderung für die Transportbranche nun darin bestehe, sich an ein sich wandelndes Klima anzupassen. Dazu kann ich nur sagen: Na super. Zurück zum Energiegipfel. Herr Oettinger ist zwar mit seinem Vorhaben gescheitert, das deutsche EEG über eine angebliche Harmonisierung der Förderinstrumente für erneuerbare Energien auszuhebeln. Dafür hat er aber bei den Atomkonzernen gepunktet. Der vereinbarte Vorrang sogenannter CO2-armer Technologien umfasst jetzt auch die Atomkraft. Neben den Franzosen freuen sich darüber natürlich auch RWE, Eon und Vattenfall. Dazu kann ich nur sagen: Das ist wahrlich ein europäisches Projekt. Durch diese Strategie werden die Leitungen für die erneuerbaren Energien verstopft. Durch diese Politik wird der Systemkonflikt zwischen regenerativen Energien und Großkraftwerken weiter verschärft. (Michael Brand [CDU/CSU]: Es gibt doch einen Einspeisevorrang für die Erneuerbaren!) Ich frage mich: Wann begreifen Sie das endlich? (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Nie!) Die naturgemäß schwankende Einspeisung von Ökostrom passt nicht zu Grundlastkraftwerken; das passt nicht mit Atom- oder Kohlemeilern zusammen. (Horst Meierhofer [FDP]: Mit Biomasse allein würden wir es nicht schaffen!) Sie bestreiten es jetzt schon wieder. Schauen wir mal, wie lange der Einspeisevorrang noch bleibt. (Michael Brand [CDU/CSU]: Er ist doch da! Eben haben Sie ihn bestritten! Er ist existent!) Ich traue Ihnen da nicht über den Weg. (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Frau Bulling-Schröter, das ist doch unterirdisch! - Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Den Linken trauen wir auch nicht über den Weg! Meistens aus gutem Grund!) Ich sage Ihnen: Wenn Sie den Einspeisevorrang kippen, dann werden Sie Proteste auf den Straßen erleben; denn viele Menschen sehen das ganz anders als Sie. Sie wollen im Kern alte Strukturen. (Jens Koeppen [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch!) Herr Koeppen hat sich ja für CCS ausgesprochen. Ich sage: Diese Technologie ist rückwärtsgewandt. Wir lehnen diese Technologie ab. Sie ist nicht zukunftsweisend. (Beifall bei der LINKEN) Zum Schluss. Ausgerechnet Sie sprechen von sozialen Preisen. (Michael Brand [CDU/CSU]: Wir machen doch mehr für die Erneuerbaren!) Sie haben mit Ihrer Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke mit dazu beigetragen, dass die Konzerne immer mehr Profite machen. Das wissen wir; das ist bewiesen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Das sagen nicht die Linken, sondern das Öko-Institut und viele andere Umweltinstitute. Sie unterstützen die Konzerne; dafür wurden Sie gewählt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Michael Brand [CDU/CSU]: Es wird durch Wiederholen nicht richtiger!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Rednerin ist die Kollegin Maria Flachsbarth für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wundere mich. (Michael Brand [CDU/CSU]: Ich mich auch!) Dass wir gestern Abend ganz heftig über Endlagerung gestritten haben, dass wir uns in Sachen Kernenergie hart austauschen, das ist okay, geschenkt. Das ist überhaupt gar keine Frage. Aber es war immer eine Stärke dieses Hauses, dass wir bei den Fragen, wie wir die erneuerbaren Energien vorantreiben, wie wir die energetische Umstellung dieses Landes bewerkstelligen wollen, über alle Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg gemeinsam gehandelt haben. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war einmal!) Von daher denke ich, dass es besser wäre, wenn in dieser Debatte andere Töne anschlagen würden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Ulrich Kelber [SPD]: Jetzt sind Sie wieder auf Gegenkurs!) Der Klimaschutz - da sind wir uns doch völlig einig, Herr Kelber - ist die herausragende umweltpolitische Herausforderung der Gegenwart. (Ulrich Kelber [SPD]: Ja!) Es geht um die Vorsorge für eine langfristig tragfähige ökonomische wie ökologische Entwicklung. Wir wissen, dass wir das 2-Prozent-Ziel erreichen müssen; dafür müssen bis 2050 mindestens 80 Prozent der Treibhausgasemissionen eingespart werden. Wir wissen, dass die Erde ein industrielles Wachstum auf dem Niveau des bisherigen Ressourcenverbrauchs einfach nicht erträgt. Wir wissen, dass China mit seinen 6 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr zwar der größte Emittent ist, der einzelne Chinese aber nur halb so viele Emissionen wie ein Deutscher und nur ein Viertel der Emissionen eines US-Amerikaners verursacht. Ein Inder wiederum verursacht nur ein Viertel des CO2-Ausstoßes, den ein Chinese verursacht. Wir wissen, dass deshalb Handlungsbedarf besteht. Ich finde, ab und an sollte man auch diese Dimension betrachten, damit man ernsthaft diskutiert, statt sich nur gegenseitig politische Argumente um die Ohren zu schlagen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Die Menschen auf der ganzen Welt wollen an unserem Wohlstand teilhaben. Deshalb wird es einen kontinuierlich steigenden Energiebedarf geben, und deshalb müssen wir - das ist dringend notwendig - die Ressourcen intelligenter und sparsamer einsetzen und erneuerbare Energieträger verstärkt verwenden. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie dann das Effizienzziel abgelehnt? Das ist ja nicht zu fassen!) Deutschland hat das Ziel - wir haben es in unserem Koalitionsvertrag formuliert und werden die entsprechenden Maßnahmen im Laufe dieser Legislaturperiode umsetzen -, bei den Treibhausgasemissionen bis 2020 gegenüber 1990 40 Prozent und bis zum Jahr 2050 80 bis 95 Prozent einzusparen. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf EU-Ebene haben Sie es gerade verhindert!) Der Einsatz der Erneuerbaren - das haben Sie in Ihrem Antrag richtig festgestellt - senkt die Importabhängigkeit und führt zu Wertschöpfung und Arbeitsplätzen im eigenen Land - Argumente, die wir, wie ich finde, noch viel zu wenig in die Öffentlichkeit kommunizieren. Damit dieser Umbau funktionieren kann - der Umbau von einer zentralen Energieversorgung, die konventionelle Energieträger nutzt und nachfrageorientiert ist, hin zu einer dezentralen Energieversorgung, die auf Erneuerbaren fußt und angebotsorientiert ist; schließlich sind Wind und Sonne nicht steuerbar -, brauchen wir vor allen Dingen den Ausbau von Speichern und Netzen, wobei Netze zum Teil auch als Speicher fungieren können. In dieser Frage brauchen wir einen gesamtgesellschaftlichen Konsens; (Rolf Hempelmann [SPD]: Beim Thema Atom ist bei Ihnen schon genug Konsens!) denn vor Ort müssen wir diese Projekte gemeinsam durchsetzen. Insofern sind Debatten wie diese, die Scheinkonfrontationen produzieren, problematisch. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die Vorschläge, die EU-Energiekommissar Oettinger unterbreitet hat, nämlich die Netze in Europa auszubauen, zeigen doch in die richtige Richtung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auf dem EU-Gipfel vom 4. Februar dieses Jahres, über den ich noch kein gutes Wort gehört habe, wurde angekündigt, dass die EU den zersplitterten Markt binnen drei Jahren, also bis 2014, einen will, insbesondere was den Ausbau von Strom- und Gasleitungen angeht. Das ist im Hinblick auf die Nutzung der Erneuerbaren notwendig und, um mehr Wettbewerb zu ermöglichen: durch größere Leitungskapazität, mehr Grenzkuppelstellen und einen EU-weiten Stromhandel. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Rat hat die Kommission ganz konkret beauftragt, bis Juni 2011 - der Termin ist also absehbar - Angaben dazu vorzulegen, wie die notwendigen Investitionen aussehen sollen und wie das Ganze finanziert werden soll. Außerdem wurde die Kommission beauftragt, Hindernisse für Infrastrukturmaßnahmen zu beseitigen. Das ist sehr konkret. Es zeigt erstens, dass Handlungsbedarf besteht, und zweitens, dass gehandelt wird. Bei dem Thema, über das wir gerade sprechen, ist auch das EU-Klima- und Energiepaket mit einzubeziehen. Die Richtlinie 2009/28/EG vom April letzten Jahres, die wir im Rahmen des EAG, des Europarechtsanpassungsgesetzes, gerade in nationales Recht umsetzen, gibt vor, dass in der EU bis zum Jahre 2020 ein Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch in Höhe von 20 Prozent verbindlich ist. Für Deutschland sind es, wie wir alle wissen, 18 Prozent. Was ich in diesem Zusammenhang ausgesprochen positiv finde, ist, dass die Mitgliedstaaten ihre Förderinstrumente für die Zielerreichung grundsätzlich selbst ausgestalten können. Es ist darüber hinaus vernünftig, dass es flexible Mechanismen für eine Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten geben soll. Für uns ist jetzt wichtig, dass es diese europäischen Ziele und einen europäischen Konsens gibt, dass wir also gemeinsam als Europa agieren. Wichtig ist auch, dass wir zu Hause unsere Hausaufgaben machen. Auch hier sind wir auf einem guten Weg, selbst wenn wir uns im Detail streiten. Bei der Anhörung zum EAG haben uns die Experten doch gesagt, dass Deutschland in Bezug auf das meiste, was Europa im Bereich der Erneuerbaren fordert, mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz und mit den Nachhaltigkeitsverordnungen sehr weit vorangeschritten ist. Insofern ist es vernünftig, dass wir weiter daran arbeiten, und das werden wir im Rahmen der Novellen zum Erneuerbare-Energien-Gesetz und zum EE-WärmeG im nächsten Jahr tun. Wir werden die Bundesregierung nochmals bitten - ich bin mir ganz sicher, dass sie da auf unserer Seite ist -, uns relativ schnell die Evaluation des Integrierten Energie- und Klimapaketes vorzulegen, damit wir dies in unsere weiteren Überlegungen einbeziehen können. Anschließend wollen wir das Energiekonzept Schritt für Schritt in der Politik umsetzen; damit meine ich beispielsweise die Gesetzgebungsvorhaben, die ich eben genannt habe. Das Besondere an diesem Konzept ist doch, dass wir nicht noch einmal nur Ziele für die Handlungsfelder Energieeffizienz, energetische Gebäudesanierung, Netzausbau, Mobilität, Kernenergie und Erneuerbare Energien aufgeschrieben haben, sondern dass dieses Konzept finanziell unterlegt ist. Für die zusätzliche Finanzierung von Erneuerbaren, von Energieeffizienz und von nationalem wie internationalem Klimaschutz gibt es dauerhaft ein Sondervermögen, nämlich den Energie- und Klimafonds. Das kann sich sehen lassen: Für 2011 und 2012 startet dieses Sondervermögen mit 300 Millionen Euro, aber ab 2013 - dann fließen die Auktionierungserlöse der Emissionszertifikate diesem Fonds zu - sind es mehr als 2,5 Milliarden Euro pro Jahr. Ab 2017 sind es aufgrund der Gewinnabschöpfung aus der Laufzeitverlängerung sogar über 3 Milliarden Euro pro Jahr. - Das sind Dimensionen, mit denen sich Deutschland sehen lassen kann. Wir als Parlament müssen nun schauen, dass wir dieses Ziel - das geschieht natürlich auch durch Konfrontation; das ist gar keine Frage - gemeinsam erreichen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ein kleiner, ganz zarter Hinweis, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Sie sagen, Deutschland möge sich in puncto Kernenergie und CCS europaweit für eine Diskriminierung dieser Technologien einsetzen. Das ist uns seit zehn Jahren nicht gelungen. In puncto Kernenergie stehen wir isoliert da; das muss man so sagen. (Ulrich Kelber [SPD]: Die Hälfte in der EU betreibt keine Atomenergieanlagen!) Ich bitte die Bundesregierung daher, sie möge ihre Überzeugungskraft lieber für das Werben für den Ausbau Erneuerbarer verwenden. In Bezug auf CCS sagt uns das Öko-Institut, dass wir CCS im Bereich der prozessbedingten CO2-Emissionen brauchen, (Rolf Hempelmann [SPD]: Dann macht doch mal einen Gesetzentwurf! Legt doch was vor!) also zum Beispiel bei der Eisen- und Stahlproduktion oder bei der Zementherstellung. In Deutschland fallen zurzeit 80 Millionen Tonnen CO2 und global 2,5 Milliarden Tonnen CO2 an. (Rolf Hempelmann [SPD]: Warum kommt dann kein Gesetzentwurf? Legt doch mal was vor!) Deshalb sollten wir auch diese Technologie nicht vom Tisch fegen. (Beifall bei der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland hat das weltweit ehrgeizigste Klimaschutzprogramm. Jetzt gilt es, das nationale Vorgehen mit dem Vorgehen auf EU-Ebene enger zu verzahnen. Ich lade Sie ein, mit uns gemeinsam daran zu arbeiten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Rolf Hempelmann ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion. (Jens Koeppen [CDU/CSU]: Vielleicht hören wir jetzt etwas über Netze, Herr Hempelmann!) - Es würde ohnehin manche Debatte sehr beleben, wenn die jeweils anderen Fraktionen die Stichworte lieferten, auf die der gerade benannte Redner einzugehen hätte. - Bitte schön, Herr Kollege Hempelmann, machen Sie etwas daraus. (Heiterkeit) Rolf Hempelmann (SPD): Verehrter Herr Präsident, ich kann Ihre Dankbarkeit nur teilen. Man ist ja für jedes Informationsbedürfnis, das von den Regierungsparteien geäußert wird, dankbar; denn dann merkt man, dass man wirklich helfen kann und dass die Hilfe auch erwünscht ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man im Ausland unterwegs ist und sich über Energie und Energiepolitik unterhält und dabei beiläufig erwähnt, dass man aus Deutschland kommt, dann erntet man in der Regel bewundernde Blicke und Kommentare. Wenn man dann ein bisschen tiefer ins Thema einsteigt, dann kommt der Gesprächspartner eigentlich sehr schnell auf das Thema Erneuerbare Energien. Im Ausland wird nämlich konstatiert, dass wir hier in den letzten 10 bis 15 Jahren eine Erfolgsgeschichte geschrieben haben, und es ist erkannt, dass ein politisches Instrumentarium dahinter stand, insbesondere eben das EEG. Es ist auch erkannt, dass wir damit in Sachen Klimaschutz, aber auch in Sachen Wertschöpfung und Beschäftigung im eigenen Land sowie Export der Technologien in die Regionen dieser Welt vieles erreicht haben. (Beifall bei der SPD) Es muss daher eigentlich in besonderes Erstaunen versetzen, dass diese Diskussion von einigen Teilen des politischen Spektrums, aber auch von interessierten Teilen der Wirtschaft so einseitig geführt wird. Es wird nur sehr partiell und selektiv von Kosten gesprochen, nämlich von den Kosten, die man sehr direkt über die EEG-Umlage verifizieren kann. Es wird nicht davon gesprochen, wie sich der Aufbau der erneuerbaren Energien auf die Preisbildung insgesamt ausgewirkt hat, auch an den Börsen. Schon deswegen ist diese Kostendebatte unehrlich; sie ist aber natürlich auch interessengeleitet, weil so die Präferierung der Erneuerbaren gegenüber anderen Energieträgern bekämpft werden soll. (Beifall bei der SPD - Jens Koeppen [CDU/ CSU]: Sie wissen, dass es nicht so ist!) Lieber Herr Kollege Koeppen, natürlich bringt der Erfolg, den wir in den letzten 10 bis 15 Jahren hatten, auch neue Herausforderungen mit sich. Ich betone das immer, auch wenn ich in Ländern bin, in denen man gerade am Anfang dieser Entwicklung steht. Diese Herausforderungen hatten wir damals nicht, aber wir haben sie jetzt, beispielsweise in Bezug auf die Netze, weil die Anteile der volatilen Erneuerbaren erheblich angestiegen sind, aber auch bezogen auf das gesamte Energiesystem. Wir sind bereit, uns den Herausforderungen zu stellen. Wir sind aber nicht bereit, sie lediglich als Problem zu identifizieren; wir sehen sie vor allen Dingen als Chance. Wenn man sich Ihre Zielsetzungen anschaut, dann wird deutlich, dass Sie das eigentlich auch so sehen. Sie wollen im Stromsektor - diesen greife ich einmal he-raus - bis zum Jahre 2020 einen Anteil der Erneuerbaren von 35 Prozent erreichen. Im darauffolgenden Jahrzehnt wollen Sie über die 50-Prozent-Schwelle kommen. Für die Folge reden Sie zumindest schon einmal von 80 Pro-zent. Andere Parteien sind hier noch ambitionierter. - Wenn wir das gemeinsam wollen, dann heißt das natürlich, dass wir den entsprechenden gesetzlichen Rahmen dafür schaffen müssen, damit diese steigenden Strommengen in das Energiesystem integriert werden können. Dazu muss man Folgendes feststellen: Sie treffen Entscheidungen - das gilt gerade hinsichtlich der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke -, die genau in die andere Richtung weisen. Sie schaffen für eine längere Zukunft Inflexibilitäten im System, die wir überhaupt nicht vertragen können, wenn wir ein System haben wollen, in das tatsächlich bald 35 Prozent, danach 50 Prozent und später 80 Prozent und mehr an erneuerbarer Energie integriert werden können. (Beifall bei der SPD - Thomas Bareiß [CDU/ CSU]: Kernkraftwerke sind flexibel!) - Nein. Viele von Ihnen kommen jetzt auf den Trichter, zu sagen: Wir haben ein Problem mit den verstopften Netzen. Lasst uns jetzt einmal ein bisschen langsamer machen. Bei den erneuerbaren Energien setzen wir erst einmal auf Netzausbau. - Andere, zum Beispiel der EU-Kommissar Oettinger, unterstützt durch den Wirtschaftsminister Brüderle, sagen: Wir brauchen hier erst einmal eine Harmonisierung in Europa. - Was ist damit eigentlich gemeint? Wenn man die Kommentierungen, die sich daran anschließen, hört, dann weiß man, dass es offensichtlich um eine Harmonisierung in Richtung anderer Fördermodelle als das EEG geht, zum Beispiel in Richtung Quoten. Dabei wird aber einiges übersehen: Erstens. Die Erfahrungen mit der Quote zeigen, dass diejenigen Länder, die nicht das EEG, sondern Quotenmodelle haben, beim Ausbau der erneuerbaren Energien langsamer gewesen sind und dass es teurer war. Es hat also ökologisch und ökonomisch nichts gebracht. (Beifall bei der SPD) Zweitens. Viele von denen, die mit der Quote begonnen haben, sind mittlerweile beim EEG oder bei EEG-ähnlichen Modellen mit der gleichen Struktur von Vorrangeinspeisung, festem Entgelt und Degression angelangt. Wenn 21 von 27 Mitgliedstaaten schon das EEG oder EEG-ähnliche Modelle haben, dann würde Harmonisierung eigentlich bedeuten: EEG für alle. (Beifall des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/ CSU]) Das war aber, wie wir wissen, nicht so gemeint. Der dritte Punkt ist die Standortdebatte. Harmonisierung soll dadurch erreicht werden, dass man erneuerbare Energien dort zulässt, wo die besten Standorte sind. Letztendlich bedeutet das: Ade vom 35-Prozent-Ziel in Deutschland, erst recht von 50 Prozent oder 80 Prozent. Erneuerbare-Energie-Anlagen sollen im Ausland bzw. sogar außerhalb Europas in Nordafrika installiert werden. Dort scheint die Sonne häufiger, und anderswo weht der Wind stärker. Das klingt für einen Wirtschaftspolitiker zunächst nicht schlecht. Es bedeutet aber letztlich, dass wir in Deutschland auf Wertschöpfung und Arbeitsplätze in diesem Bereich verzichten. Das war ein wesentlicher Grund für die großartige Akzeptanz der erneuerbaren Energien in Deutschland. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU]) Man muss auch berücksichtigen, was es für das Zusammenspiel von Erzeugung und Netz bedeutet, wenn wir lediglich an der Peripherie Europas Erzeugungsanlagen haben. Das bedeutet, dass es sehr viel schwieriger sein wird, für Netzstabilität zu sorgen. Alle Fachleute sprechen sich für die räumliche Nähe von Erzeugung und Verbrauch aus. Das spricht für ein dezentrales System, wie wir es uns vorstellen. (Beifall bei der SPD) All das zeigt, dass sich die Bundesregierung, unterstützt von ihrem Kommissar Oettinger, ziemlich verritten hat. Das bestätigt auch das Ergebnis der letzten Woche: Es gibt keine Unterstützung von der restlichen Europäischen Union. Wir sollten uns den Herausforderungen stellen. Aber das geht weiter als das, was bisher von Ihnen vorgeschlagen worden ist. Ich bin völlig damit einverstanden, dass wir nicht nur in den Kategorien des EEG denken dürfen. Wir müssen allerdings auch erkennen, dass wir das EEG auf Sicht brauchen. (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Ja!) Aber wir müssen jetzt parallel dazu daran arbeiten, dass die Markteinführung der erneuerbaren Energien, aber auch die Netz- und Systemintegration funktionieren. (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Das machen wir zusammen!) Ich weiß, dass ich mich immer noch nicht klar genug ausgedrückt habe. Denn was ich gesagt habe, suggeriert, dass wir ausschließlich bei den Erneuerbaren ansetzen und sie in den Stand versetzen müssten, sich besser in das System zu integrieren. Das ist selbstverständlich notwendig. Dafür müssen technische Lösungen gefunden werden; Vorschläge liegen bereits auf dem Tisch. Gleichzeitig geht es aber auch darum, das System selbst weiterzuentwickeln. Es geht um die Vernetzung gerade auch im Bereich der Verteilnetze und um die Schnittstelle zum Endkunden. Da ist noch viel Musik drin. Das haben wir bisher vernachlässigt. Wir haben zwar vor Jahren erste Schritte getan, indem wir uns für intelligente Zähler und lastvariable Tarife ausgesprochen haben, aber an der Stelle sind wir stehen geblieben. Seit zwei Jahren ist nichts mehr passiert. Wir müssen jetzt weitergehen. Wenn wir das tun, können wir ein riesiges Potenzial heben. Wir können die Angebots- und die Nachfrageseite sehr viel weiter zusammenführen. (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Sehr gut!) Wir heben Effizienzpotenziale für die Erzeugungsseite ebenso wie für das Netz und den Endkunden. Bisher haben wir das nicht getan; aber es ist die Voraussetzung dafür, dass letzten Endes ein System funktioniert, in dem die Erneuerbaren der dominante Part sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns lieber über den Systemumbau diskutieren. Holen Sie die Akteure, auch die Bundesregierung, zusammen! Es gibt eine vielfältige Kulisse von Akteuren, die mithelfen können, den Systemumbau zu bewerkstelligen. Sie stehen bereit und wollen ihre Vorschläge einbringen, damit Sie als Rahmengeber und sie als Marktakteure den Systemumbau vorantreiben können. Ich glaube, das ist fruchtbringender als eine reine Diskussion über Entgeltsätze oder eine ungleichgewichtige Diskussion über Kosten oder Scheinkosten. Lassen Sie uns die Chancen nutzen, die in diesem Thema stecken! Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Michael Kauch erhält nun das Wort für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP - Klaus Barthel [SPD]: Der soll lieber was zur Leiharbeit sagen!) Michael Kauch (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zeigt wieder, dass die Grünen immer dann gut sind, wenn es um "gut fühlen" geht, wenn es darum geht, Betroffenheit zu äußern, vielleicht auch wenn es darum geht, das eine oder andere anzustoßen. Aber dann, wenn die Probleme tatsächlich im großen industriellen Maßstab gelöst werden sollen, (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kommt die FDP! Deshalb seid ihr auch bei 5 Prozent!) dann muss halt die christlich-liberale Koalition ran, zum Beispiel wenn es darum geht, einen Anteil von 80 Pro-zent erneuerbare Energien in diesem Land zu schaffen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Wir haben bei den UN-Klimaverhandlungen in Cancún einen Teilerfolg erzielt. Wir haben die stockende Verhandlung der letzten Jahre einen Schritt vorangebracht. Ich glaube, es muss nun ein Zeichen gesetzt werden, um die Verhandlungslinie für die UN-Konferenz in Durban in diesem Jahr vonseiten der Europäischen Union wieder ein Stück voranzubringen. Wir haben noch keinen Durchbruch erzielt; aber ich glaube, es ist an der Zeit, dass sich die Europäische Union über das CO2-Einsparungsziel von 20 Prozent hinaus bewegt. Wir in Deutschland müssen mit daran arbeiten, die Europäische Union in diese Richtung zu bewegen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Zukunft der erneuerbaren Energien wird wesentlich davon abhängen, ob es uns bei der Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz, vor der wir in diesem Jahr stehen, gelingt, die Marktintegration und die Netzintegration der erneuerbaren Energien voranzubringen. Denn es ist klar: Wenn wir hin wollen zu 80 Prozent erneuerbaren Energien, dann werden wir im Jahr 2050 ein anderes EEG haben. Sonst hätten wir eine Verstaatlichung der gesamten Energiewirtschaft durch gelenkte Preise. Es wäre natürlich auch im Blick auf die Netzstabilität nicht sinnvoll, weiterhin mit einem Instrument zu arbeiten, das eben keine Anreize für eine nachfrage- und angebotsgerechte Einspeisung setzt. Wir müssen bei den Markt- und Netzintegrationsinstrumenten im Jahr 2012 beginnen, um dann Stück für Stück die erneuerbaren Energien stärker in den Markt hineinzubringen. Mit Blick auf die europäische Dimension ist es auch erforderlich, die erneuerbaren Energien stärker in einen europäischen Markt zu bringen. Wir brauchen einen europäischen Strombinnenmarkt nicht nur für konventionellen Strom, sondern auch für erneuerbaren Strom. Wenn wir das erste Solarkraftwerk, das Desertec in Marokko bauen will, in den europäischen Markt einbinden wollen, dann ist es notwendig, die flexiblen Kooperationsmechanismen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie zu nutzen. Die Bundesregierung hat sich entschieden, in das Europarechtsanpassungsgesetz Erneuerbare Energien diesen Punkt noch nicht aufzunehmen. Ich sage aber auch ganz deutlich im Namen meiner Fraktion, dass wir die Bundesregierung auffordern, im Jahr 2012 ein Gesamtkonzept vorzulegen, um diese flexiblen Kooperationsmechanismen in die Praxis umsetzen zu können. Wir wollen ein nationales Förderinstrument, das EEG; wir wollen aber auch, dass der Rechtsrahmen für Kooperationen im europäischen Kontext endlich für jeden Investor klar und deutlich ist. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir haben in dieser Debatte schon wieder viel Skandalgeschrei gehört und auch, was uns die Opposition wieder alles nicht glaubt und was sie uns unterstellt. Ich sage Ihnen ganz deutlich, liebe Kollegin Bulling-Schröter: Wir von der FDP haben in den Koalitionsvertrag und in das Energiekonzept klar hineingeschrieben, dass der Einspeisevorrang zugunsten der erneuerbaren Energien erhalten bleibt. Das war so, das ist so, und das wird so bleiben. Es gibt den Systemkonflikt, der hier immer wieder heraufbeschworen wird, also nicht. Die erneuerbaren Energien haben Vorrang im Netz. Die konventionellen Kraftwerke müssen sich den Rest des Marktes teilen. Der Wettbewerb findet nicht zwischen den Erneuerbaren und der Kernkraft, sondern zwischen der Kernkraft und der Kohle statt. Das ist unter Klimagesichtspunkten auch gut so. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dorothea Steiner [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!) Da hier die Systemfrage gestellt wird, verweise ich auf die Lerneffekte bei der deutschen Energiewirtschaft. Bei einer Fraktionsanhörung am Montag hat uns die Vertreterin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft erklärt, dass der Begriff "Grundlast" aus dem deutschen Energieversorgungssystem verschwinden wird. Das hat vor einem Jahr noch anders geklungen. Ich habe daher das gute Gefühl, dass die Realitäten, die das neue Energiekonzept der Bundesregierung den Akteuren klarmacht - mit den Erneuerbaren hin zu einem Zeitalter der Erneuerbaren -, angekommen sind. Die Akteure werden nun in die Zukunft investieren; das ist gut so. Dazu brauchen sie noch nicht einmal die Grünen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Kelber, Sie haben uns heute von diesem Pult aus ein schönes Beispiel dafür gegeben, wie pharisäerhaft man sein kann. Sie haben gesagt: Diese Bundesregierung verhindert Kraftwerkserneuerungen. - Sie kommen aus Nordrhein-Westfalen, wo Rot-Grün regiert. Es handelt sich zwar nur um eine Minderheitsregierung, und Sie sind dort auch nur der Hampelmann der Grünen. Aber haben Sie vergessen, wer den Kraftwerksneubau in Datteln verhindern will? Das ist die Landesregierung von SPD und Grünen. (Jens Koeppen [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich!) Das mag Ihnen peinlich sein, aber Sie können das nicht bei der Bundesregierung abladen. Das sind Ihre Parteifreunde, die das machen, Herr Kelber. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage) - Meine Redezeit geht zu Ende. Abschließend möchte ich auf die Forderung im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen eingehen, man möge die Finanzierung des Infrastrukturpakets - Sie intonieren das so, als ob öffentliche Gelder fließen müssten - klären. Ich kann Ihnen nur sagen: Herzlichen Glückwunsch! Erklären Sie den Bürgerinnen und Bürgern, warum sie mit ihren Steuermitteln auch noch RWE & Co. subventionieren sollen! - Diese Konzerne haben in den vergangenen Jahren erhebliche Gewinne alleine im Emissionshandel erzielt und verfügen über genügend Finanzkraft, das selber zu stemmen. Es bedarf keiner Steuermittel. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Rolf Hempelmann [SPD]: Das ist einfach nur peinlich!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nun hat Diether Dehm für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Oettinger hat in dieser Woche verkündet, eine Steigerung der Energiekosten sei nicht mehr aufzuhalten. Ein Beispiel: Ein vierköpfiger Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4 500 Kilowattstunden wird in diesem Jahr 90 Euro mehr zahlen. - In einkommensschwachen Haushalten wird schon jetzt gefroren. Daher fordert die Linke, die Milliardengewinne der Konzerne abzuschöpfen und dies zugunsten der Einkommensschwachen umzulegen. (Beifall bei der LINKEN) Der Antrag der Grünen hat eine Schwachstelle. Das Problem der Speicherung wird mit keinem Wort erwähnt. Erneuerbare Energien gehen aber nur mit Rekommunalisierung. Aber das wäre das Ende von Joschka Fischers Fata Morgana vom ökologischen Kapitalismus. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Notwendig sind Entflechtung und Enteignung der Stromkonzerne. Wir stimmen Ihrem Antrag zwar zu. Aber hätte Rot-Grün damals beim Atomausstieg seine Hausaufgaben seriös und verbindlich gemacht, brauchten die Menschen heute nicht gegen Castor und Gorleben zu demonstrieren. Dann brauchten wir auch diese ganze Debatte gar nicht. (Beifall bei der LINKEN - Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wollen wir nicht von der Position der PDS damals reden!) Meine lieben Freunde von den Grünen, da Sie so dazwischen rufen, kann ich nur sagen: An die Freiwilligkeit der Energiekonzerne zu appellieren, ist, als wenn Sie an einen Marder im Blutrausch appellieren, sich selbst die Maulsperre einzuziehen. Das geht einfach nicht. (Beifall bei der LINKEN) Mit der Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken verschafft nun die Bundesregierung den Konzernen neue Milliardengewinne. Gegen diese müssen die Erzeuger erneuerbarer Energien und die Mittelständler jetzt noch brutaler auf dem Strommarkt konkurrieren und werden oft wieder verlieren. Die Niederlande haben ihre Förderung regenerativer Energien gerade auf null gefahren und den Bau neuer Atomkraftwerke auf den Weg gebracht. Der Europäische Rat hat letzte Woche beschlossen, Schiefergasvorkommen und deren - hochgefährlichen - Abbau neu zu evaluieren. Um Öl und Gas werden neue Kriege geplant. In ganz Europa haben Sie von der Bundesregierung und der Koalition die Weichen rückwärtsgestellt. Alles, was unser wunderbarer und viel zu früh verstorbener Kollege Hermann Scheer in seinem letzten großen Werk Der energethische Imperativ genannt hat, muss uns auf dem Herzen brennen. (Beifall bei der LINKEN) Was Schwarz-Gelb gegen Hermann Scheer in all den Jahrzehnten gesagt hat, war gelogen. Sie taten so, als sei Uran ein schier unerschöpfliches Gut. Sie sagten, nur Solarenergie müsse subventioniert werden, die Atomkraft würde sich nur am Markt rentieren. Sie unterschlugen die Steuerförderung, die Sie Siemens, RWE und Eon geschenkt haben. Sie genehmigten Atomlager bedenkenlos und unterschlagen heute noch, dass wegen der Grube Asse II wohl demnächst die Evakuierung von Hunderttausenden von Niedersachsen geplant werden muss. Sie katzbuckeln vor der Gier der Konzerne, die nur jetzt ihre Profite haben wollen, so wie einige in diesem Hohen Hause jetzt wiedergewählt werden wollen, unter dem Motto: Nach mir die Sintflut. (Beifall bei der LINKEN) Lieber Kollege Koeppen, lieber Kollege Meierhofer, Sie schauen immer auf die Welt, und die Welt ist die Begründung dafür, warum wir unsere innenpolitischen Hausaufgaben nicht machen können. 67 Prozent der Wertschöpfung der Energiekonzerne erfolgt in fünf zentralen Staaten der EU. Da ist Deutschland ganz vorne. Der Klimafeind steht im eigenen Land. Hermann Scheer war auch einer der jahrzehntelang überhörten Privatisierungsgegner. Um aber fit für die Börse zu werden, strich die Bahn ihre Belegschaft und die Infrastruktur zusammen, ein Viertel ihrer Schneeräumfahrzeuge, und plötzlich im Dezember war unerwarteterweise dann Winter. Es soll Stuttgart 21 gebaut werden, ohne dass die Frage nach dem Gütertransport und den damit verbundenen CO2-Emissionen beantwortet wird. (Jens Koeppen [CDU/CSU]: Noch ein Wort zu Hartz IV und Mindestlohn?) Der Noch-Ministerpräsident Mappus will die Anteile seines Landes an der EnBW, Energie Baden-Württemberg AG, an die Börse bringen. Seine DAX-Fantasien kosten nicht nur Arbeitsplätze und Tarifverträge, sondern auch klimatische Nachhaltigkeit. Dagegen wollen Menschen nicht nur auf die Straße, sondern Mappus auch abwählen gehen. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Abwarten!) Die Umweltorganisation Robin Wood hat vor Jahren ein Buch mit dem Titel Manager der Klimakatastrophe: die Deutsche Bank und ihre Energie- und Verkehrspolitik herausgebracht. Auf 340 Seiten wird nachgewiesen, wie die Deutsche Bank, die an vielem Unrecht seit dem Jahr 1933 beteiligt war, ihre Kapitalbeteiligung bei Daimler, bei Energiekonzernen und ihre 3 200 Lobbyis-ten für Spritfresser der E-Klasse und gegen die Einführung von Solarenergie über Jahrzehnte eingesetzt hat. Wer Machtkontrolle ernst meint, der braucht einen starken Staat und eine EU, die die Power hat, den Energieriesen und der Deutschen Bank entgegenzutreten, und der sich nicht so klein macht, dass er in deren Hintern passt. (Beifall bei der LINKEN) Ein sozialer und ökologischer Staat der Zukunft, der die Strompreise, die Zocker und die Emissionen in den Griff bekommt, beginnt in den Kommunen. Wer dort als Christ für die Schöpfung demonstriert, als Liberaler für einen fairen Wettbewerb ohne Monopolkapital streitet, als Sozialdemokrat oder Grüner für die Ideen Hermann Scheers eintritt, auf einem nichtkapitalistischen Weg zu erneuerbaren Energien zu kommen, wird die Linke als Antreiber und als verlässlichen Partner haben - außerparlamentarisch und parlamentarisch. (Jens Koeppen [CDU/CSU]: Rotfront!) Wer den Ausstieg aus Atom und fossilen Brennstoffen wagt, nach all den Menetekeln wie Springfluten und Dürrekatastrophen, nach all den klimatisch bedingten Kriegs- und Hungersnöten, der und die hat auch die Mehrheit der Lebenden auf seiner Seite und der Noch-nicht-Geborenen, die wehrlos sind, wenn wir nicht für sie kämpfen. (Beifall bei der LINKEN - Jens Koeppen [CDU/CSU]: Ein einziges Wort zu Energie wäre nicht schlecht gewesen! Oder zur Umweltpolitik!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Hans-Josef Fell für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der EU-Energiegipfel letzte Woche hat keine Antworten zur Sicherung der Energieversorgung, auf steigende Energiepreise, die Erderwärmung oder die zunehmenden internationalen Spannungen, die sich mit der Verknappung der Energierohstoffe immer weiter ausbreiten, gebracht. Unter der Dominanz der schwarz-gelben deutschen Regierung wurde verpasst, den dringend erforderlichen Transformationsprozess hin zu einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien unter Ausschöpfung der großen Energieeinsparpotenziale auf den Weg zu bringen. Europa droht zu über 70 Prozent von Energierohstoffimporten aus zunehmend unsicheren Lieferländern abhängig zu werden. Statt endlich die Erschließung der unerschöpflichen und kostenlosen heimischen Energieressourcen aus Solarstrahlung, Wind, Wasserkraft und Erdwärme in den Mittelpunkt zu stellen, setzt der EU-Gipfel mit neuen Pipelines und Terminals auf die Erhöhung der Importabhängigkeit, und das auch noch aus politisch instabilen Lieferländern: Erdgas aus Kasachstan über die Nabucco-Pipeline, Erdöl aus Nigeria und Kolumbien, Kohle aus Südafrika und Indonesien (Jens Koeppen [CDU/CSU]: Und aus Brandenburg!) oder Uran aus dem Niger. So, meine Damen und Herren von Union und FDP, werden Sie die EU und Deutschland in immer größere Abhängigkeiten und wirtschaftliche Probleme stürzen und keine vernünftige Energiepolitik auf den Weg bringen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Jens Koeppen [CDU/CSU]: Braunkohle aus Brandenburg!) Gleichzeitig hatte die Bundesregierung auf dem EU-Gipfel keine Kraft und keinen Willen, Herr Kauch, das EU-weite CO2-Reduktionsziel für den Klimaschutz wenigstens auf 30 Prozent bis 2020 anzuheben. Das ist ein Armutszeugnis, nein, besser: ein komplettes Versagen von Frau Merkel und Umweltminister Röttgen im europäischen Klimaschutz. Dabei will ich nicht verhehlen, dass es vom EU-Energiegipfel durchaus einen erfreulichen Punkt zu berichten gibt. Meine Kollegin Bärbel Höhn ist bereits darauf eingegangen. Die Vorstellungen von Energiekommissar Oettinger, das erfolgreiche deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz zugunsten von wirkungslosen Grünstromzertifikaten zu Fall zu bringen, wurden abgewehrt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Überfraktionelle Aktivitäten im Bundestag und im EU-Parlament stärkten Umweltminister Röttgen den Rücken. Das wird nicht aufhören; dieser parteiübergreifende Einsatz wird auch weiterhin notwendig sein. Ich appelliere an die Union, da weiterhin mitzuhelfen. In seiner Rede am Montag vor dem Bundesverband Erneuerbare Energien hat das CDU-Mitglied Oettinger Befürchtungen hinsichtlich seiner mittelstandsfeindlichen Energiepolitik mit Abschaffung des EEG neu gestärkt. Die klare Haltung der deutschen Regierung zum Schutze des EEG war leider nicht selbstverständlich. Ausgerechnet die FDP mit Wirtschaftsminister Brüderle stand nicht hinter der starken Wirtschaftsbranche der erneuerbaren Energien. Brüderle hat zusammen mit vielen Stimmen aus der Union Sympathie für die Vorschläge Oettingers bekundet. Seine Zustimmung zum Erhalt des EEG hat er sich mit der Verhinderung eines verbindlichen Zieles von 20 Prozent Energieeffizienzsteigerung auf europäischer Ebene erkauft. Man muss sich das einmal vorstellen: Da steigt der Ölpreis auf 100 Dollar pro Barrel, und der Wirtschaftsminister hat nichts Besseres zu tun, als Energieverschwendung zu unterstützen. Unglaublich, was hier abgeht! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Vertreter der fossilen Energien!) Auch den Atomwünschen Frankreichs hat Frau Merkel große Unterstützung zukommen lassen. Unter dem wohlklingenden Begriff "Low Carbon" verbergen sich in Wirklichkeit Atom und Kohle mit CCS. Nun hat also die EU die Atomkraft als investitionswürdig anerkannt. Das ist ein äußerst bedenklicher Schritt auf diesem EU-Gipfel, der die ungelösten Probleme von Atommüll und Proliferation weiter verschärfen wird, statt sie zu lösen. Das Festhalten der Bundesregierung und des EU-Gipfels an der alten atomar-fossilen Energieversorgung wird schon in diesem Jahr schlimme negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Wohlstand haben. Die gegenüber erneuerbaren Energien angeblich so billige fossile und atomare Energieversorgung wird immer mehr zur Belastung der Wirtschaft, des Verkehrssystems, des Wärmesektors und der Energiekunden. So hat sogar die den Erdölkonzernen nahestehende Internationale Energieagentur gestern gewarnt, dass die volkswirtschaftliche Belastung durch Erdöl in diesem Jahr von 4,1 auf 4,7 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts ansteigen würde. Doch diese Bundesregierung hat überhaupt keine Antwort auf diese Fragen. In Ihren Reden sprechen Sie viel über die Preise von erneuerbaren Energien. Kein einziges Wort aber habe ich zu der mit den Ölpreisen zusammenhängenden Herausforderung gehört. Die Bundesregierung träumt noch immer den Schlaf der Gerechten. Erst diese Woche hat sie auf eine Anfrage von uns wieder bestätigt, dass sie langfristig von einem Ölpreis von 60 Dollar pro Barrel ausgeht, obwohl der Preis aktuell bei 100 Dollar pro Barrel liegt. Das ist unverantwortlich. Es steht zu erwarten, dass die Studie der Bundeswehr, die Sie endlich einmal lesen sollten, Realität wird. Nach dem Überschreiten des Peak Oils werden wir mit Bankenzusammenbrüchen, mit Massenentlassungen, mit Hungersnöten und der Destabilisierung unserer Gesellschaft rechnen müssen. Warum kümmern Sie sich nicht um dieses Problem, wenn Sie sagen, Sie würden Energiepolitik machen? Mit Ihrer Energiepolitik, wie Sie sie auf dem EU-Gipfel durchgezogen haben, treiben Sie die EU-Wirtschaft und die nationale Wirtschaft immer wieder in dieses Desaster hinein. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was wir brauchen, ist eine Energieversorgung mit erneuerbaren Energien und Energieeinsparungen, die uns Klimaschutz und Energieversorgungssicherheit gleichzeitig bringen. Das fehlt bei Ihnen völlig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort dem Kollegen Georg Nüßlein für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen! Meine Herren! Bei dieser Debatte frage ich mich schon eine ganze Weile: Was bringt es denn, wenn wir uns beim Formulieren von Zielen übertrumpfen, ehe wir die ersten Etappen genommen haben? (Ulrich Kelber [SPD]: Aber man muss den ersten Schritt machen!) Was bringt es denn, wenn wir die schwächeren europäischen Länder mit dem höchsten Effizienzpotenzial, das es zu heben gilt, gar nicht herankommen lassen, sondern ihnen schon beim Formulieren von Zielen vorweggehen? Wenn wir den Stab ständig höher hängen und am Schluss keiner mehr Anlauf nimmt, hinüberzuspringen, wäre das der falsche Weg. Deshalb glaube ich, dass wir uns den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zuwenden sollten, der gesagt hat, dass er dieses Thema sehr praktisch angehen will. Lieber Kollege Fell, wenn es darum geht, das CO2-Problem zu lösen, dann sieht die praktische Realität so aus, dass für viele - nicht alle - europäische Staaten das Thema Kernenergie und das Thema erneuerbare Energien zusammengehören. (Beifall bei der CDU/CSU - Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und verschärft das Atommüllproblem!) Das ist auch ökonomisch wie ökologisch nicht von der Hand zu weisen. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, doch!) Die zentrale Forderung in diesen Schlussfolgerungen lautet, dass man den Energiebinnenmarkt zügig und uneingeschränkt umsetzen will. Man muss sich Gedanken darüber machen, was das heißt. Aus meiner Sicht muss es zunächst heißen, dass sich in den Staaten, die noch nicht so weit sind wie Deutschland, etwas ändern muss. In Frankreich gibt es einen Staatskonzern, der die dortige Chemieindustrie mit niedrigen Preisen subventioniert. Dort gibt es offenbar ein anderes Verständnis von Europa. Hier stellt sich die Frage, ob das sein kann. Nein, das kann nicht sein. Wenn im nächsten Schritt ein Binnenmarkt realisiert werden soll, dann muss man beachten, dass es zunächst um die technischen Voraussetzungen geht, um den Notverbund zu einem Handelsverbund auszubauen. Das ist der entscheidende Punkt. Es geht auch um die Frage des Wettbewerbs. Wirft man einen Blick auf die nationale Situation, Herr Kelber, haben Sie durchaus recht in Ihrer Analyse, dass nicht das bewegt wurde, was wir uns erwartet hätten, und die Wettbewerbssituation im deutschen Oligopol nicht so ist, wie wir es uns vorstellen. Ich finde es aber ausgesprochen dreist, lieber Herr Kollege Kelber, dass Sie so tun, als hätten Sie politisch nichts damit zu tun und als hätte sich das erst im letzten Jahr so entwickelt. (Ulrich Kelber [SPD]: Nein, nein!) Die SPD war doch viele Jahre mit an der Regierung (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Zu lange!) - zu lange; der Zwischenruf ist richtig -, und Sie tun so, als sei das etwas, das Sie nicht betrifft; im Gegenteil. Sie gehen noch weiter und unterlegen das Ganze mit einer Rechnung, die hanebüchen ist. Sie haben hier am Pult ausgerechnet - ich hoffe, dass das im Protokoll nicht nachträglich geändert wird, wenn ich das jetzt aufgreife -, eine vierköpfige Familie würde 1 200 Euro in die Gewinne der Energieversorger investieren. Da kann ich so lange rechnen, wie ich will: Wenn ich für eine Familie 3 500 bis 4 000 kW pro Jahr ansetze, komme ich auf Stromkosten, die irgendwo zwischen 800 und 900 Euro betragen. Wie kann die Familie, wenn sie 800 bis 900 Euro für Strom ausgibt, 1 200 Euro in die Gewinne der Energieversorger investieren? (Ulrich Kelber [SPD]: Lesen Sie das im Protokoll noch einmal nach! Da ist der gesamte Rechenweg drin! - Gegenruf von der CDU/CSU: Rechnen war noch nie seine Stärke!) Das halte ich für ausgesprochen hanebüchen. Wir sollten uns weniger mit solchen Dingen beschäftigen und stattdessen einmal eine redliche Debatte darüber führen, wie wir aus der schwierigen Wettbewerbssituation das Beste für unser Land machen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo kommen die Gewinne her?) Dabei wird man über viele Themen reden müssen. - Ich weiß, wo die Gewinne herkommen: Produktion, Vertrieb. Entschuldigung, das wissen wir doch. (Ulrich Kelber [SPD]: Wer bezahlt die denn dann?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Nüßlein, darf die Frau Höhn Ihnen - - Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Ich glaube, die Kollegin Höhn wollte genau das fragen, was ich gerade ausführe, aber das kann sie gern tun. Präsident Dr. Norbert Lammert: Aber das kann ja durch tatsächliche Frage und tatsächliche Antwort abgeglichen werden. (Michael Kauch [FDP]: Muss aber nicht!) Bitte schön, Frau Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Nüßlein, die Situation, die Herr Kelber beschrieben hat, ist sogar noch viel schlimmer. Im Jahr 2002 hatten die Energiekonzerne einen Gewinn von 6 Milliarden Euro. Im letzten Jahr betrug der Gewinn sogar schon 30 Milliarden Euro. Eine Verfünffachung des Gewinns! Alle Ökonomen sagen: Bei der Erzeugung von Strom machen die einen wahnsinnigen Gewinn. (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Deswegen haben wir eine Steuer eingeführt!) Da sind Kapitalerträge drin, die weit über der Marge liegen, die Ackermann für seine Deutsche Bank in Anspruch nimmt, nämlich eher 40 bis 50 Prozent als 25 Prozent. Es ist wirklich dramatisch, was da an Margen verdient wird. Betrachten Sie allein die Preiserhöhung in diesem Jahr! Die gesamte Preiserhöhung war ungerechtfertigt, weil genau in dem Maß, in dem die Konzerne die Preise erhöht haben, die Kosten an der Leipziger Börse gesunken sind. Herr Nüßlein, was wollen Sie als CDU/CSU und FDP tun, dass diese Abzocke der großen Energiekonzerne - was die machen, ist wirklich Abzocke - endlich aufhört? Denn was die mit den Verbrauchern machen - überhöhte, unfaire Energiepreise -, muss endlich ein Ende haben. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Liebe Frau Kollegin Höhn, das wäre jetzt das gewesen, was ich anschließend gerne gesagt hätte. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gern! Bitte schön! Dann können Sie ja auch einfach weiterreden!) - Nein, bleiben Sie bitte stehen. Jetzt haben Sie mir die Gelegenheit gegeben, das zu tun. So sollten wir schon miteinander umgehen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte!) Ich bin der Meinung dass die Europäische Union mit dem Weg, den sie vorzeichnet, nämlich mit einem Mehr an Wettbewerb über die europäischen Grenzen hinweg, den Schritt vollzieht, den wir national allein offenkundig nicht gehen können. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie doch!) - Wir können das nur im Wettbewerb lösen. Diese Thematik werden wir genau an dieser Stelle lösen. Das ist das eine. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Prüfen und nach Europa schieben. Das ist ja toll!) Das andere ist: Wir werden alles vermeiden müssen, liebe Frau Kollegin Höhn, was den Versorgern die Chance gibt, Strompreise mit politischen, staatlichen Maßnahmen zu begründen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt, Sie können nichts machen! Danke schön!) - Doch. Natürlich können wir etwas machen. Wir werden den Wettbewerb über die Europäische Union erreichen. Wir werden unsere Regulierungsmaßnahmen vorantreiben. Wir werden all diese Dinge vorantreiben, um dafür zu sorgen, dass die Preise nicht weiter steigen. Wir werden im Übrigen im Rahmen der Produktion dafür Sorge tragen, dass das in dieser Richtung nicht funktioniert. Dazu haben wir die Laufzeitverlängerung beschlossen. Wir hätten auch nettere, populärere Dinge tun können, aber wir haben sehr genau gesehen, dass die Kernenergie preisdämpfende Wirkung hat. Im Übrigen müssen wir hier im Hause eine Diskussion über die Frage führen: Wie geht es bei den erneuerbaren Energien weiter? Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Nüßlein, darf die Frau Bulling-Schröter denn auch noch eine Zwischenfrage stellen? Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Ja. (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Du bist wirklich schmerzfrei!) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Danke schön, Herr Nüßlein. - Ich habe gehört, Sie möchten alles tun, damit Gewinne abgeschöpft werden und die Preise nicht steigen, wenn ich es richtig verstanden habe. Jetzt ist es ja so, dass nach wie vor 90 Prozent der Zertifikate kostenlos an die großen Energieunternehmen weitergegeben werden. Ab 2013 dürfen sie dann versteigert werden; darüber bin ich sehr froh. Jetzt hat ja die Linke schon einige Male Anträge gestellt, zu prüfen, inwieweit diese Gewinne abgeschöpft werden können, da ja die fiktiven Kosten für diese Zertifikate - die Unternehmen bekommen sie noch kostenlos - eingepreist und direkt an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden. Das bestreitet niemand in diesem Hause. In der letzten Legislatur wurde uns gesagt, dass das nicht geprüft wurde. Gründe dafür wurden uns nicht genannt. Meine Frage an Sie lautet jetzt: Werden Sie das prüfen? Es handelt sich ja um einige Milliarden Euro, die praktisch leistungslos Jahr für Jahr den Profit der großen Konzerne steigern. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Zunächst einmal zum ersten Teil Ihrer Ausführungen: Sie verwechseln hier Wirkungen des Wettbewerbs mit der Frage, wie man Gewinne abschöpfen kann. Das ist typisch Linke. (Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Die kennen gar keinen Wettbewerb!) Wir haben nicht Verstaatlichungen und andere Repressionen im Sinn, sondern setzen darauf, dass sich dynamisch europaweit ein Markt entwickelt, der seinen Beitrag dazu leistet, dass es am Ende andere Strompreise und in der Konsequenz auch eine andere Gewinnsituation bei dem einen oder anderen Oligopolisten geben wird. Das ist das eine. Das andere ist: Wir schöpfen in der Tat ab. Wir haben eine Brennelementesteuer beschlossen. Andere, die hier sitzen und ständig solche Dinge predigen, haben sich das nicht getraut. Sie haben vielmehr seinerzeit mit den Versorgern einen Deal gemacht und explizit auf solche Maßnahmen verzichtet. Das muss man doch der Ehrlichkeit halber einmal sagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ulrich Kelber [SPD]: In der Großen Koalition haben Sie gegen die Brennelementesteuer gestimmt!) Auch wenn Sie es uns ständig vorwerfen: Den Deal mit den großen Versorgern haben ausschließlich und allein Sie gemacht. Sie haben dabei auf Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und auf steuerliche Eingriffe verzichtet. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Ulrich Kelber [SPD]: Herr Nüßlein, Sie müssen heute Abend noch in den Spiegel schauen können, ohne sich zu schämen!) All diese Dinge, die immer klug gefordert werden, werden von Ihnen, wenn es zum Schwur kommt, nicht umgesetzt. (Michael Kauch [FDP]: Genau, das sind die Genossen der Bosse!) Das ist etwas, was einen an dieser Stelle aufbringt. Wir werden über die Brennelementesteuer Gewinne abschöpfen, und wir werden im Nachgang einen Fonds füllen, der uns in der Energiepolitik in die Lage versetzt, entsprechende Dinge in diesem Bereich auch zu finanzieren, statt nur über sie zu diskutieren. Sie hätten etwas anderes gemacht, nämlich das, was Sie üblicherweise machen: Schulden, meine Damen und Herren, hätten Sie an dieser Stelle gemacht. Deshalb halte ich es für richtig, dass wir uns Gedanken gemacht haben, wie man auch energie- und klimapolitische Maßnahmen finanziert. Im Anschluss an das allgemeine Thema "Harmonisierung europäischer Politik", auf das ich vorhin schon eingegangen bin, möchte ich nun auf das spezielle Thema "Harmonisierung der europäischen Politik im Bereich der erneuerbaren Energien" eingehen. Das halte ich für ganz entscheidend. Uns muss klar sein, dass wir, sobald ein EU-Binnenmarkt im Energiesektor entsteht, über das Thema Harmonisierung reden müssen. Ich bin deshalb ganz froh, dass wir damit frühzeitig angefangen haben. In diesem Zusammenhang möchte ich auch einmal klarstellen, dass die breite Mehrheit dieses Hauses dabei nicht an die Festlegung von Quoten denkt. Wir sind ganz klar dafür, das EEG, das etabliert ist und sich nicht nur in Deutschland bewährt hat, als Diskussionsgrundlage für die Harmonisierung zu nehmen. Damit unterstreiche ich hier noch einmal deutlich das, was Herr Oettinger Ende Januar im Focus gesagt hat. Auch er hat ja explizit gesagt, dass das EEG Basis für die Harmonisierung sein kann. Wahrscheinlich haben auch ihn die Vergleichszahlen beeindruckt, die man einfach einmal zur Kenntnis nehmen sollte: In Großbritannien kostet die Förderung für die Megawattstunde Wind 65 Euro - dort gilt eine Quotenregelung -, in Italien kostet sie 85 Euro - auch dort gilt eine Quotenregelung -, während sie in Deutschland, wo das EEG gilt, rund 50 Euro kostet. Diese klaren wirtschaftlichen und preislichen Realitäten muss Politik einfach zur Kenntnis nehmen. Mir wäre es ein Anliegen, wenn wir diese Diskussion ein bisschen zielgerichteter führten, weniger unter dem Gesichtspunkt "Kernenergie oder nicht Kernenergie"; (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Das ist entscheidend!) denn das ist Schnee von gestern. Herr Kollege Fell, das ist beschlossene Sache, etwas, was die Koalition geklärt hat. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden die nicht akzeptieren! - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur für zwei Jahre!) Lassen Sie uns über die Frage diskutieren, wie wir die Themen erneuerbare Energien, Netzausbau und Speicherung weiterbringen. Dann haben wir für die Visionen, die Sie haben, viel getan; denn nur Visionen zu haben, Herr Kollege, ist ein bisschen schwierig. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Rolf Hempelmann [SPD]: Aber wir halten fest: "Atom ist Schnee von gestern", haben Sie gesagt! - Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie sollen die erneuerbaren Energien wachsen, wenn Atomstrom die Netze verstopft? - Weiterer Zuruf: Atomenergie ist tot!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Thomas Bareiß für die CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Thomas Bareiß (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Höhn, Sie haben die Debatte begonnen, haben den Antrag begründet und gesagt, dass wir in Deutschland Vorreiter im Bereich der erneuerbaren Energien waren. Ich möchte zum Ende dieser Debatte wieder etwas Klarheit in dieses Thema hineinbekommen. In der Phase der elf Jahre rot-grüner Umweltminister haben wir gerade einmal 10 Prozent Zuwachs bei den erneuerbaren Energien gehabt. Wir haben uns jetzt vorgenommen, in den nächsten zehn Jahren 20 Prozent Zuwachs bei den erneuerbaren Energien zu schaffen. Von daher möchte ich Sie fragen, wer hier ambitioniert an das Thema herangeht und wer wirklich etwas für die erneuerbaren Energien machen will. Das sind nämlich wir. Die christlich-liberale Koalition geht dieses Thema an. (Ulrich Kelber [SPD]: Da muss er selbst lachen!) Wir haben nicht nur Fragen aufgeworfen, sondern auch Antworten geliefert. Sie hingegen haben die letzten zehn Jahre im Bereich Netzausbau nichts gemacht. (Ulrich Kelber [SPD]: Der Guru der Erneuerbaren!) Sie haben in den Bereichen Marktintegration und Speichertechnologien nichts gemacht. Sie haben einfach nur 10 Prozent aufwachsen lassen und wissen nicht, wohin es gehen soll. Wir packen die Themen an. Wir haben jetzt ein Energiekonzept vorgelegt, das in sich schlüssig ist und eine - das ist das Wichtigste - in sich stimmige Finanzierung beinhaltet. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sagen Sie doch einmal, was Sie gegen steigende Ölpreise machen, Herr Bareiß! - Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie packen sie an und würgen sie!) In den nächsten Jahren werden von den konventionellen Kraftwerken, von den fossilen Kraftwerken und von den Kernreaktoren, 35 Milliarden Euro geliefert, um die Energiewende zu gestalten. Das ist für mich ein schlüssiges und in sich stimmiges Energiekonzept, das nachhaltig tragfähig ist. Hinsichtlich Ihres Antrages - wir haben schon die unterschiedlichsten Wortmeldungen dazu gehabt - möchte ich eines herausstellen. Sie schreiben: "Klimaverträgliche Energien für Europa - Erneuerbar, effizient, sicher". Aber die Worte "Verbraucher", "Wirtschaftlichkeit" oder "bezahlbar" kommen in Ihrem Antrag gar nicht mehr vor. (Zuruf von der CDU: Fehlanzeige! - Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Bareiß, sagen Sie doch einmal etwas zu 100 Dollar pro Barrel Öl!) In allen acht Punkten, die Sie aufgeführt haben, kommt das Wort "Verbraucher" nicht vor. Aber jemand muss doch diese Veranstaltung bezahlen, die Sie ständig fordern. (Rolf Hempelmann [SPD]: Was ist denn teurer, Ihr Weg oder unserer?) Dieses Thema betrachten wir genauso wie die Frage der Umweltverträglichkeit und die Frage der Sicherheit. Wissen Sie, was Sie machen? Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der zum Schluss dieser Debatte einmal gesagt werden muss: Sie verlieren mit Ihrer Energiepolitik die Akzeptanz der Menschen. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Gegenteil!) Es kann nicht sein, dass wir die Energiepreise in den nächsten Jahren ins Uferlose steigen lassen. Schon heute muss eine ganz normale vierköpfige Familie 200 Euro und ein normaler, kleiner Bäckerbetrieb über 3 000 Euro bis zu 5 000 Euro für die Energiewende bezahlen. Wenn es so weitergeht, muss ein vierköpfiger Haushalt die nächsten zwei Jahre noch weitere 100 Euro draufsatteln. Das wird nicht funktionieren. Deshalb brauchen wir mehr Realismus in der Energiewende. Auch dafür wird unser Energiekonzept stehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Herr Kelber und Frau Höhn, nun zu Ihren Wortmeldungen. Sie sprechen von Monopol. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das ist das Problem!) Sie sprechen davon, dass die Konzerne ständig nur von uns profitieren würden. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Genau!) Jetzt will ich Ihnen einmal etwas sagen - ich habe vorhin einmal nachgeschaut -: (Ulrich Kelber [SPD]: Das hat Ihnen das Bundeskartellamt übrigens auch ins Stammbuch geschrieben!) Schauen Sie einmal, wie sich die Aktienkurse von Eon und RWE, von den ganz großen Kernenergie- und fossilen Betreibern, in den letzten 12 Monaten verändert haben. Die Kurse haben sich in den letzten 12 bis 15 Monaten kontinuierlich verschlechtert: (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Aktionäre verstehen es schon!) 15 Prozent minus bei Eon und 20 Prozent minus bei RWE. So groß sind also die Erwartungen des Marktes an die drei, vier großen Konzerne, die wir in Deutschland noch haben, nicht mehr; denn wir wollen die Energiewende richtig gestalten. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die nicht mehr auf die Monopole setzen! - Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die wissen, dass es unsicheres Geld ist!) Es gibt einen Markt vor Ort; man muss ihn nur nutzen. Ein Stromverbraucher hat in Deutschland die Möglichkeit, zwischen durchschnittlich 85 Anbietern zu wählen. Ein Gasverbraucher hat die Möglichkeit, zwischen 25 Anbietern zu wählen. Das ist doch etwas. Die Bundesnetzagentur hat uns gesagt: Ein deutscher Verbraucher könnte, wenn er richtig entscheiden und wechseln würde, im Schnitt jährlich 150 Euro sparen. Also ist ein Markt vorhanden; man muss ihn nur nutzen. Damit das geschieht, muss man für die Transparenz des Marktes sorgen. Insofern haben wir uns mit dem Sofortprogramm der Bundesregierung das richtige Konzept auf die Tagesordnung geschrieben: Wir wollen eine Markttransparenzstelle einrichten. Das ist übrigens ein Projekt, das von den Stadtwerken und den kleinen Versorgern dringend eingefordert wurde. Dementsprechend haben wir in den letzten Wochen großes Lob geerntet. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Stadtwerke haben eingefordert, keine Laufzeitverlängerung zu machen!) Meine Damen und Herren, wir führen eine Debatte über europäische Energiepolitik. Wir brauchen auch bei diesem Thema eher mehr Europa als weniger. Das ist mit Blick auf das Thema Netzintegration und Netzausbau besonders wichtig. Allein in Deutschland brauchen wir 4 300 Kilometer neue Netze. (Ulrich Kelber [SPD]: Sagt wer?) - Das sagt die dena, die damals auch mit Ihrer Unterstützung gegründet worden ist. (Ulrich Kelber [SPD]: Von wem ist das Gutachten der dena? Wer hat es geschrieben?) - Herr Kelber, auch wenn nur 3 000 oder 3 500 Kilometer neue Netze nötig wären, würde das nichts an der Tatsache ändern, dass wir in den letzten Jahren nur 90 Kilometer neuer Netze errichtet haben. Entschuldigung, wenn wir in diesem Tempo weitermachen, werden wir nicht einmal in 50 Jahren so weit sein, dass wir die neuen Netze integrieren können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ulrich Kelber [SPD]: Das Gutachten stammt von den Konzernen selbst!) Wir brauchen aber nicht nur deutsche Netze, sondern auch europäische Netze; in der Europäischen Union werden 40 000 Kilometer neuer Netze benötigt. Hierfür bedarf es enormer Investitionen in Höhe von über 200 Milliarden Euro. Diese Investitionen müssen von den Unternehmen, von der Wirtschaft geleistet werden. Wir brauchen aber an gewissen Punkten, wenn es für Mitgliedstaaten nicht wirtschaftlich ist, das Netz auszubauen, eventuell auch europäische Gelder. Es ist ein wichtiges Projekt, dies in die Wege zu leiten; Kommissar Oettinger wird das angehen. Der Netzausbau ist das eine; Speicher sind das andere. Auch da ist eine europäische Zusammenarbeit dringend notwendig. Der Ausbau der Speicher ist eine enorme Herausforderung für die Länder Österreich, Schweiz und Norwegen; das muss man klar sagen. Sie wollen Norwegen zum Standort großer Pumpspeicherkraftwerke in Europa machen. (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Vielleicht sollte man die Norweger mal fragen!) Wenn alles so käme, wie Sie es sagen, würden in Norwegen 35 Pumpspeicherkraftwerke gebaut. Ich lasse die Frage außen vor, ob das mit Blick auf den Naturschutz der richtige Weg ist. Sie verteufeln immer die Kernenergie und sagen: Wir leben auf der Insel der Glückseligen und werden ohne Kernenergie auskommen. Ich sage Ihnen aber eines - das ist die Realität -: Wir rufen dann den Strom der norwegischen Pumpspeicherkraftwerke, die auch durch unsere Windkraftwerke aufgefüllt werden, ab über die Leitungen, die in der Nord- und Ostsee noch gebaut werden müssen. Wenn diese norwegischen Pumpspeicherkraftwerke leer sind, wir aber Strom brauchen und keine Windenergie da ist, dann werden sie durch finnische Kernreaktoren gefüllt, und wir werden diesen Strom abrufen. (Ulrich Kelber [SPD]: Diese Kernreaktoren werden vom finnischen Staat subventioniert, weil sie zu teuer geworden sind! 10 Cent pro Kilowattstunde kostet der Strom aus finnischen Atomreaktoren! Doppelt so teuer wie geplant!) Das ist Ihre Politik. Die Schaffung gemeinsamer europäischer Netze führt zwangsläufig dazu - das werden auch Sie akzeptieren müssen -, dass die Kernenergie in den nächsten 20, 30 oder 40 Jahren in unserem Energiemix eine Rolle spielen wird, auch wenn unsere Kernreaktoren durch Sie, durch uns oder durch wen auch immer abgeschaltet werden. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frankreich importiert den Strom von uns und nicht umgekehrt!) Wir brauchen die Kernreaktoren in Europa auch deshalb, weil wir das Thema Klimaschutz ernst nehmen. Wir haben uns das Ziel aufs Schild gehoben, einen Anteil der regenerativen Energien an der Stromversorgung von 40 Prozent zu erreichen. (Ulrich Kelber [SPD]: Sie machen nichts dafür!) - Mal sehen, Herr Kelber. Ich rate Ihnen, sich die Zahlen zum Pro-Kopf-Verbrauch von CO2 anzuschauen: jährlich 9,1 Tonnen CO2 pro Kopf in Deutschland, 5,8 Tonnen in Frankreich. Woran liegt das? Das liegt daran, dass wir in Deutschland bei der Energieversorgung sehr stark auf Kohle setzen. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: CO2-Emissionen beim Bergbau werden nicht dazugerechnet!) Allein die Energieunternehmen verursachen in Deutschland 3,9 Tonnen CO2-Emissionen pro Kopf; in Frankreich sind es nur 0,7 Tonnen. (Ulrich Kelber [SPD]: Vielleicht liegt es auch daran, dass wir ein Industrieland sind!) - Das liegt daran, dass wir - - Präsident Dr. Norbert Lammert: Das kann man leider nicht im Einzelnen erläutern. Thomas Bareiß (CDU/CSU): Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Die anderen Länder bauen nach wie vor auf Kernenergie; auch das ist europäische Politik. Sie bauen auf Kernenergie, weil sie das Thema Klimaschutz ernst nehmen; auch das spielt eine Rolle. (Ulrich Kelber [SPD]: Die Amerikaner haben 20 Tonnen CO2-Emissionen pro Kopf!) Wir sind mit unserem Energiekonzept auf dem richtigen Weg: Es ist in sich schlüssig, durchgerechnet und bezahlbar. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf der Drucksache 17/4687 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Dazu gibt es Konsens. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkten 24 a und b auf: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss) zu der Unterrichtung Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für das europäische Kino KOM(2010) 487 endg.; Ratsdok. 14119/10 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 2 des Grundgesetzes - Drucksachen 17/3608 Nr. A.39, 17/4467 - Berichterstattung: Abgeordnete Marco Wanderwitz Angelika Krüger-Leißner Dr. Claudia Winterstein Kathrin Senger-Schäfer Claudia Roth (Augsburg) b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner, Martin Dörmann, Siegmund Ehrmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Für eine Kinodigitalisierung, die den Erhalt unserer Kinolandschaft sichert - Drucksachen 17/1156, 17/4718 - Berichterstattung: Abgeordnete Marco Wanderwitz Angelika Krüger-Leißner Dr. Claudia Winterstein Kathrin Senger-Schäfer Claudia Roth (Augsburg) Das ist gewissermaßen der Beitrag des Deutschen Bundestages zur Berlinale, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Und hier sitzt unser Chef!) auch wenn ich fürchte, Frau Kollegin Roth, dass wir für die Verleihung des Goldenen Bären nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden, (Heiterkeit - Dorothee Bär [CDU/CSU]: Aber das Drama wäre da!) was, wenn uns das nicht plausibel ist, Gegenstand einer Enquete-Kommission werden könnte. (Heiterkeit) Jedenfalls soll für die jetzt vorgesehene Debatte eine Aussprachezeit von 45 Minuten reichen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Regisseur fehlt noch!) Hat jemand weiter gehende Vorschläge? - Das ist offenkundig nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Wolfgang Börnsen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte durchhaltefähige Kollegen am Freitagnachmittag! (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Für eine gute Sache!) Für eine filmpolitische Debatte hätte der Deutsche Bundestag, wie ich finde, kaum einen geeigneteren Zeitpunkt finden können. Gestern ist die 61. Berlinale glanzvoll eröffnet worden, und heute tritt die Verordnung des Bundes zur Digitalisierung der Kinos in Kraft. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der Startschuss ist gefallen. Die Gewinner sind die kleinen Kinos, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!) 140 Millionen Kinokunden jährlich und der Film als Kultur- und Wirtschaftsgut. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) - Herzlichen Dank. - Das Neumann-Modell findet eine breite Zustimmung bei den Ländern, bei den Filmverantwortlichen und dem Deutschen Bundestag. Wir als Union begrüßen diese Bündnispartnerschaft für Film und Kino in Deutschland. Verehrte Kollegen, die Debatte in dieser Woche sollte nicht ohne eine Würdigung des großartigen Filmemachers Bernd Eichinger geführt werden. (Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] ist im Gespräch) - Frau Kollegin Roth, bitte. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Entschuldigung, ich habe den Staatsminister gerade entschuldigt!) - Es gehört dazu, dass man deutlich macht, dass der Staatsminister bei der Unterzeichnung eines trilateralen Filmabkommens ist und deshalb nicht bei der Debatte dabei sein kann. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die Bundesregierung ist nicht anwesend!) Er ist sonst immer regelmäßig dabei, weil er sehr verantwortungsbewusst ist. Ich möchte zur Würdigung des großartigen Filmemachers Bernd Eichinger zurückkommen. Am Montag wurde er beerdigt. Bundespräsident Christian Wulff hat die explosive Leidenschaft dieses Mannes für den Film in seinem Nachruf betont. Mut und Tatkraft für große Filme haben Bernd Eichinger ausgezeichnet. Das Träumen hat er nie aufgegeben. Für das Filmland Deutschland war er in vielen Bereichen wegweisend. Sein Tod reißt eine große Lücke in einer Zeit, da sich in der Filmbranche in Deutschland Zweifel und Selbstkritik breitgemacht haben. Provozierend fragten FAZ-Filmfeuilletonisten vor wenigen Tagen: Woran liegt es, dass das deutsche Kino so reich ist an Talenten und Könnern? Und so arm an guten Filmen? Obwohl die langfristigen Zahlen erfreulich, die internationalen Erfolge stabil sind und das Kinointeresse in den letzten zehn Jahren stetig steigt, wachsen derzeit in der Branche Ratlosigkeit und Zweifel an dem derzeitigen System Film. Eine Frischzellenkur wird gefordert, mehr Innovationen, weniger Subventionen, Mut zum Themenrisiko, gesellschaftskritische Kompromisslosigkeit, mehr Klasse, weniger Masse. Dabei war das Kinojahr 2009 durchaus passabel. Mit 220 deutschen Filmen gab es so viele wie nie zuvor. Deren Marktanteil betrug 27,4 Prozent - so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Kino made in Germany ist zum Kassenfüller geworden. Wenn Martin Moszkowicz von der Constantin feststellt, von zehn großen Filmproduktionen würden jetzt acht in Deutschland gedreht - früher war das Verhältnis umgekehrt -, wird damit der Nachweis erbracht, dass Deutschland als Produktionsstandort an Zuspruch gewonnen hat. Das begrüßen wir. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Die hohe Qualifikation der Filmschaffenden trägt dazu bei. Aber auch der finanzielle Rahmen stimmt: 70 Millionen Euro Fördermittel von der FFA, 60 Millionen Euro Fördermittel vom DFFF, dazu die Länderförderung. Trotzdem gab es einen Besuchereinbruch im Kinojahr 2010 und weniger Besucher bei Filmen aus dem eigenen Land. Die Ursache dafür ist nicht nur in der Fußballweltmeisterschaft zu sehen, sondern ist nach Brancheneinschätzung auch auf zu viel Mittelmaß, auf zu viele deutsche Filme zurückzuführen, die sich gegenseitig das Publikum streitig machen, sowie auf zu wenige attraktive Drehbücher und wagemutige Produzenten. Bei manchen Produktionen kommt ein Zeitdruck hinzu, der Sorgfalt verhindert, wenn zum Beispiel pro Drehtag sechs Minuten abgeliefert werden müssen. Besonders kritisch wird die Rolle des Fernsehens im Filmsystem hinterfragt. Es gehört - ob öffentlich-rechtlich oder privat - zu den wichtigsten Kultur- und Filmförderern unseres Landes, keine Frage. Viele Filme, auch von jungen Filmemachern, wurden erst durch die Sendeer möglich. Das verdient Anerkennung. Auch an der Filmförderung durch die FFA sind sie neben der Videowirtschaft und den Kinobetreibern maßgeblich beteiligt. Die Handelnden klagen jedoch über zu hohe Förderauflagen und zu geringe Förderanteile des Fernsehens. Sie weisen auf Frankreich hin. Dort stammen zwei Drittel der 500 Millionen Euro Fördermittel direkt vom Fernsehen. Diese Kritik muss sich die Branche gefallen lassen. Als Mitförderer müssen wir dieser Kritik nachgehen. Sollte sie zutreffen, gehört die Filmförderung insgesamt auf den Prüfstand. Auch Teile der Kinowirtschaft erweisen sich immer mehr als Wackelkandidaten in diesem Finanzierungssystem. Wir als Union werden dafür sorgen, dass es weiterhin stabile Rahmenbedingungen für einen kreativen, für einen kritischen und auch für einen gut unterhaltenden Film gibt; denn wir glauben, dass der Film weiterhin eine Zukunft haben muss. Die Kinodigitalisierung zeigt, dass wir hinter den Kinos in unserem Land und hinter dem Film in unserem Land stehen. 4 Millionen Euro pro Jahr stellen wir dem Film zur Verfügung. Ein letztes Wort würde ich gerne noch der Berlinale 2011 widmen. Sie ist für uns alle und für Europa ein Höhepunkt des Filmjahres. Sie war und ist ein Beispiel für die Freiheit. Sie war 40 Jahre lang auch ein Symbol für die Freiheit der Kunst in dieser Stadt. Jetzt - 60 Jahre später - ist wieder unser Eintritt für die Freiheit gefragt. Es geht um den iranischen Regisseur Jafar Panahi. Er sollte der Jury angehören. Dazu ist es nicht gekommen. Wegen seines filmischen Schaffens wurde er in seiner Heimat Iran inhaftiert. Das können und werden wir als Parlamentarier nicht dulden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Union und alle anderen, glaube ich, unterstützen die Solidaritätsaktion der Berlinale. Wir fordern die Freiheit für Jafar Panahi und seine Freunde. (Beifall im ganzen Hause) In diesem Zusammenhang passen leider auch aktuelle Meldungen. Kurz vor der Berlinale-Premiere ist der Film "Khodorkovsky" über den inhaftierten russischen Regimekritiker Michail Chodorkowski geraubt worden. Unbekannte sind in die Berliner Arbeitsräume des Regisseurs eingebrochen. Damit sollte offensichtlich die Aufführung dieses Films vor der Weltöffentlichkeit auf der Berlinale verhindert werden. Ich rufe uns alle auf: Eine solche Beschneidung der Freiheit der Kunst dürfen wie niemals hinnehmen; denn Bürger- und Menschenrechte haben für uns die höchste Priorität. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Angelika Krüger-Leißner ist die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion. Angelika Krüger-Leißner (SPD): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer um 11.55 Uhr auf den Ticker geschaut hat, hat dort die Blitzmeldung lesen können: "Die FFA hat Richtlinien und Anträge zur Digitalisierungsförderung auf ihre Webseite gestellt." Das ist eine wirklich gute Nachricht für die Branche, vor allem für die Kinos. Ich freue mich - da spreche ich für meine gesamte Fraktion -, dass es nun mit der lange angekündigten Förderung für die Kinos losgeht. Ich beglückwünsche den Herrn Staatsminister, dass er sozusagen gerade noch pünktlich zur Schlussberatung des Antrages meiner Fraktion unsere Kernforderung erfüllt. Denn all die Kinos, die bei der anstehenden Digitalisierung auf sich allein gestellt und finanziell überfordert wären, können jetzt mit der Unterstützung sowohl vom Bund als auch von der Filmförderungsanstalt rechnen. Damit stehen die Chancen gut, dass wir in Deutschland eine Kinodigitalisierung durchführen, die den Erhalt unserer Kinolandschaft sichert, wie wir in unserem Antrag fordern. Aber lange hat es gedauert. Lassen Sie mich kurz Revue passieren. Wir wissen: Seit Jahren wird bei uns über Kinodigitalisierung diskutiert. Nachdem das sogenannte "100er Modell" gescheitert war, weil sich die Branche nicht einigen konnte, hat sich lange nichts getan. Dabei wollten wir doch in Europa die Ersten sein. Dann hat die SPD-Fraktion die Bundesregierung mit dem vorliegenden Antrag aufgefordert, ein Konzept für die Förderung vorzulegen; das ist schon fast ein Jahr her. Die Lösung der damit verbundenen Fragen war sicherlich nicht einfach, und sicherlich ist die Filmbranche kein leichter Verhandlungspartner; aber es stellt sich doch die Frage, ob immer geschickt agiert wurde, etwa als die Kinodigitalisierung mit dem Finanzierungsproblem der FFA verknüpft worden ist. Fest steht jedenfalls, dass das die Fronten verhärtet und die Verhandlungen zäh gemacht hat. Mit unserem Antrag kam dann endlich Bewegung in die Sache. Im Mai vergangenen Jahres lagen die Eckpunkte auf dem Tisch, die Gespräche mit den Ländern wurden forciert, und die SPD initiierte eine große Anhörung im Kulturausschuss. Wichtige Verbesserungen am Förderkonzept konnten für die kleinen umsatzschwachen Kinos und für die Programmkinos durchgesetzt werden. Dann hat meine Fraktion im Kulturausschuss die Initiative für eine gemeinsame Protokollerklärung ergriffen, der sich alle Fraktionen angeschlossen haben. Darin enthalten sind wichtige Forderungen hinsichtlich der Umsetzung der Förderung. Schließlich hat der Haushaltsausschuss im Oktober 2010 die ersten 4 Millionen Euro für die Förderung freigegeben. Dann gab es wieder Stillstand. Inzwischen lagen 750 Anträge bei der FFA vor. Die Kinobetreiber, die endlich mit der Digitalisierung loslegen wollten, hatten auf das Startsignal gewartet. Das Geld lag schon lange bereit, es konnte nur nicht ausgereicht werden. Mit dem heutigen Tag liegt die Rechtsverordnung vor, die bisher fehlte. Ich meine, der Redlichkeit halber musste dieser Hergang noch einmal sachlich und ganz objektiv dargestellt werden. Jetzt lassen Sie mich nach vorne schauen. Wir freuen uns, dass unserem Antrag im Kern entsprochen wurde. Warum wir uns überhaupt für die Kinos so starkmachen, möchte ich noch einmal ins Gedächtnis rufen. Übrigens haben wir den Leiter der Berlinale, Dieter Kosslick, fest an unserer Seite. Vor einem Jahr hat er dem Kino im Rahmen der Berlinale mit tollen Veranstaltungen einen Schwerpunkt gewidmet: Berlinale goes Kiez. Das gibt es in diesem Jahr wieder. Dabei wird der rote Teppich vor den kleinen Programmkinos ausgerollt und bringt den Glamour der Berlinale in die Stadtteile. Das sagt viel über die große Wertschätzung, die der Berlinale-Chef den ambitionierten Kinobetreibern entgegenbringt. Die große Leinwand ist tatsächlich der einzige Ort, an dem die ganze visuelle Kraft und der Zauber guter Filme zur Entfaltung kommen. Weder Fernsehen noch Laptop noch iPad noch Smartphone können diese Wirkung je erreichen. Viele von uns haben gestern Abend den wunderbaren Eröffnungsfilm der Berlinale von den Coen-Brüdern gesehen; bald kommt er ja auch in die Kinos. Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden dieses Leinwandopus auf wenige Zentimeter Display zwängen. Ich glaube, dann können Sie ermessen, wovon ich spreche, wenn ich von der Unersetzbarkeit des Kinos rede. Viele Kollegen wissen, dass ich seit Jahren mit Leidenschaft in der Vergabekommission der FFA für die Förderung von Filmprojekten arbeite. Hier habe ich das Glück, die Projekte von der Idee bis zum fertigen Film zu begleiten. Wir haben schon wahre Juwelen darunter gehabt; Das Weiße Band von Michael Haneke oder Poll von Chris Kraus, um nur zwei Beispiele zu nennen. Da werden Geschichten so erzählt, dass sie einen im Innersten erreichen. Sie bringen uns fremde Menschen und Schicksale nahe, sie öffnen den Blick für Unbekanntes und anderes, sie versetzen uns in ferne Zeiten oder fremde soziale Milieus, sie berühren uns, und sie wühlen uns auf. Im besten Falle schaffen sie es, uns zugleich zu unterhalten. Das war übrigens auch immer das Ziel von Bernd Eichinger, und das ist ihm auch immer wieder gelungen. Wenn Filme all das leisten können, dann haben wir es mit einem Kulturgut ersten Ranges zu tun. Es ist unsere Verantwortung als Kulturpolitiker, dafür zu sorgen, dass diese Filme erstens einen Ort finden, wo sie ihre ganze Kraft entfalten können, und dass zweitens möglichst viele Menschen, auch in ländlichen Regionen und kleinen Städten, Zugang zum Kulturgut Film finden. Mit der technologischen Innovation der Digitalisierung, die uns derzeit in allen Bereichen ereilt, wird die Fortexistenz unserer vielfältigen Kinolandschaft infrage gestellt, einfach weil die Digitalisierung teuer ist und weil es keine Alternative gibt. Wenn ich vom notwendigen Erhalt unserer Kinolandschaft spreche, dann meine ich alle Filmtheater. Ich meine die kleinen Traditionskinos genauso wie die Multiplexhäuser, die kommunalen Kinos ebenso wie die Filmkunst- und Programmkinos. Auf keines dieser Häuser wollen wir verzichten, wenn es um die Vielfalt geht. Der Unterschied ist nur: Die einen können sich die Digitalisierung aus eigener Kraft leisten, und die anderen sind auf Hilfe angewiesen. Genau hier soll unsere Förderung ansetzen. Für die SPD waren immer drei Punkte wichtig: erstens Technikneutralität, zweitens Nachhaltigkeit und drittens die Gewährleistung der Programmierungsfreiheit der Kinomacher. Die ersten beiden Punkte, Technikneutralität und Nachhaltigkeit, finden sich in der Rechtsverordnung wieder. Wir müssen aber aufpassen, dass beide Kriterien nicht so miteinander verknüpft werden, dass am Ende doch ein Standard verpflichtend wird, nach dem Motto: Nachhaltig ist eine digitale Anlage nur, wenn sie von den US-Majors mit Filmen beliefert wird. Das wäre dann der Zwangsstandard durch die Hintertür. Die SPD fordert, dass der Begriff "Nachhaltigkeit" ebenfalls berücksichtigt, dass die kleinen Kinos nicht mit überflüssigen und teuren technischen Standards überfordert werden. Denn das würde die Filmtheater sowohl mit dem nötigen Eigenanteil als auch mit den höheren Betriebs- und Folgekosten finanziell überfordern. Am Ende müsste das Kino dann dichtmachen, und das wäre genau das Gegenteil von Nachhaltigkeit, die wir meinen. Das sieht übrigens die EU-Kommission in ihrer Mitteilung zur Kinodigitalisierung ganz genauso. Ich denke, bei der Entscheidung, welche Technik die Kinos brauchen, sollten wir zunächst einmal von der unternehmerischen Klugheit des Kinobetreibers ausgehen. Die meisten Kinos haben nicht nur eine Leinwand. Oft werden auf den unterschiedlichsten Leinwänden ganz verschiedene Filme programmiert. Der Kinobetreiber kennt den Verleihmarkt, und er weiß am besten, welchen Standard er braucht für die Filme, die er zeigen will. Deshalb sollten wir zunächst dieser unternehmerischen Entscheidung vertrauen. Aber ich erwarte auch, dass die Filmförderungsanstalt bei der Prüfung der Anträge die gesamte Situation eines Kinos berücksichtigt und bei den Bescheiden die nötige Flexibilität zeigt. Bei aller Freude über den Start der Förderung bleibt eine Forderung, der wir uns alle verschrieben haben, die Politik genauso wie die gesamte Filmbranche, bisher unerfüllt: Wir wollten und wir wollen eine flächendeckende Kinodigitalisierung. Derzeit gibt es noch viele weiße Flächen. (Beifall bei der SPD) Denn die Förderung vom Bund gibt es nur dort, wo auch die Länder mit fördern; das war ja eine Bedingung des Haushaltsausschusses. Wir können uns hier allerdings nicht aus der Verantwortung stehlen, mit kalter Schulter auf die Länder verweisen und die Kinos in diesen Ländern im Regen stehen lassen. Ich meine, in erster Linie ist hier die Verleihwirtschaft gefragt. Auch die Verleiher haben sich immer der Flächendeckung verschrieben. Ich glaube, wir sind uns einig darin, dass die Verleiher bei der Finanzierung der Digitalisierung den besten Schnitt gemacht haben; denken wir doch nur daran, was die Verleiher noch zu Zeiten des "100er Modells" leisten wollten. Demgegenüber ist der jetzt fällige Anteil von 20 Millionen Euro ein blendendes Geschäft für sie. Deshalb erwarte ich, dass die Verleihwirtschaft hier in die Bresche springt und eine Übergangslösung möglich macht. Die Politik, das heißt wir, wird alles daransetzen, dass die noch säumigen Länder mit Förderprogrammen nachziehen. Es gibt Länder, in denen die Anzahl der Leinwände überschaubar ist. Und ich glaube, dass auch Bremen, das Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen das leisten können. Diese sind noch säumig. Deshalb mein Appell an die Verleiher: Machen Sie diesen Kinos in diesen Ländern ein Angebot! Zum Schluss noch ein Ausblick. Der nächste Schritt wird es sein, dass auch die sogenannten Marktkinos, also die umsatzstärkeren Häuser, möglichst schnell an eine Förderung kommen; die Aussichten dafür sind nicht schlecht. Am 23. Februar wird es eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes geben; ich vernehme positive Anzeichen. Dann wären auch Gelder der FFA für die Marktkinos frei. Nach dem 23. Februar können die Weichen neu gestellt werden. Ich erinnere daran, dass nicht nur Kulturstaatsminister Neumann, sondern wir alle der Branche versprochen haben, dass wir die große FFG-Novelle anpacken wollen. Aber die Branche muss in Vorleistung treten. Sie selber muss zu Solidarität zurückfinden, sich zu dieser Förderung bekennen, und dann werden wir den zweiten Schritt machen und die Grundlage dafür legen. Ich habe übrigens immer noch die Hoffnung - - Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Krüger-Leißner, für weitere Ausblicke ist jetzt wirklich keine Zeit mehr. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das wäre mir auch recht!) Angelika Krüger-Leißner (SPD): Darf ich den Satz beenden? Vizepräsidentin Petra Pau: Letzter Satz. Angelika Krüger-Leißner (SPD): Ich gebe meiner Hoffnung Ausdruck, dass die schwer angeschlagene Solidarität in der Branche wieder geheilt werden kann und dass wir diesen branchenübergreifenden Konsens finden. Übrigens ist das auch ein Vermächtnis von Bernd Eichinger. Das sind wir ihm schuldig. Danke. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Dr. Winterstein das Wort. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Claudia Winterstein (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz aller Technik, die es inzwischen für den Filmgenuss zu Hause gibt, musste ich gestern Abend eines wieder einmal feststellen: Ein Kinobesuch ist und bleibt immer ein ganz besonderes Erlebnis. Das kann bei der glanzvollen Eröffnung der Berlinale oder auch in einem Kino in Ihrer Nähe der Fall sein. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die Berlinale hat sich längst zu einem der wichtigsten internationalen Filmereignisse entwickelt. Das zeigt auch eindrucksvoll die Zahl von 385 Filmen aus 58 Ländern, und ich glaube, dass sich alle Kinofreunde darauf freuen, in den kommenden zehn Tagen recht viele dieser Filme zu sehen. Meine Damen und Herren, die Berlinale ist das Aushängeschild für den Filmstandort Deutschland. Darüber hinaus war und ist die Berlinale immer wieder Impulsgeber für neue Ideen und Motor für neue Entwicklungen in der Filmlandschaft. Dieser Vorreiterrolle wird das Festival auch beim Thema Kinodigitalisierung gerecht. Denn 39 der insgesamt 56 Kinosäle der diesjährigen Berlinale sind mit digitaler Technik ausgerüstet, also zwei Drittel; das ist eine beachtliche Zahl. Von den derzeit 4 700 Kinos in Deutschland verfügen allerdings derzeit weniger als 600 über die digitale Technik. Das heißt, das ist nur jedes achte Kino. Aus diesem Grund hat die Koalition das Thema Kinodigitalisierung zu einem ihrer Schwerpunkte in der Filmpolitik gemacht. Dieser Schritt von der analogen zur digitalen Technik ist ein Meilenstein für die gesamte Kinolandschaft. Dabei müssen wir von unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinos ausgehen. Nach dem Konzept des Kulturstaatsministers sollen noch 3 700 Leinwände in Deutschland digitalisiert werden. Davon gehören etwa 2 500 zu den umsatzstarken Kinos und Multiplexen, die sich vor allem in den Großstädten befinden. Sie sind in der Lage, die Umstellung auf die digitale Projektion selbst zu finanzieren, und haben das teilweise auch schon getan. Daneben haben wir noch 1 200 weitere Leinwände, die zu den kleineren Kinos im ländlichen Raum oder zu den Arthouse- und Programmkinos gehören. Diese Kinos stellen eine kulturelle Grundversorgung im Bereich des Films sicher. Viele der Berlinale-Filme werden nach dem Festival in solchen Kinos gezeigt und erreichen so ein weit größeres Publikum. Diese Häuser können die hohen Investitionen für die Umstellung auf digitale Technik wegen ihres besonderen Filmprogramms oder ihres Standortes nicht allein schultern. Daher haben wir in der Koalition den erwähnten Förderrahmen geschaffen, durch den der Erhalt kleiner und mittelständischer Kinos gesichert wird. Damit stützen wir auch die kulturelle Vielfalt in allen Regionen Deutschlands. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dafür haben wir - das wurde schon gesagt - in diesem Jahr 4 Millionen Euro als Bundesförderung im Haushalt bereitgestellt. In Kombination mit weiteren Fördermitteln der EU, der Länder und der Filmwirtschaft selbst sind die Kinounternehmen nun in der Lage, die digitale Umstellung mit einem überschaubaren Eigenanteil zu finanzieren. Ich freue mich, dass gerade heute - auch das ist erwähnt worden - die entsprechende Verordnung in Kraft tritt, damit möglichst zügig eine flächendeckende Digitalisierung möglich wird. Eine nationale Förderung ist an dieser Stelle insbesondere vor dem Hintergrund wichtig, dass gerade die kleinen und speziellen Kinos viele deutsche Produktionen zeigen. Ohne diese Unterstützung müssten wir ein Kinosterben befürchten. Auch wenn im vergangenen Jahr der große Kassenschlager fehlte: Die Filmindustrie befindet sich seit Jahren im Aufwind. Deutsche Filme werden beim Publikum immer beliebter, und durch die Förderung der Digitalisierung erreicht der deutsche Film sein Publikum in allen Regionen unseres Landes. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Kunert das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Katrin Kunert (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man ein Kino will, das den Blick in die Welt und in die Geschichte offenhält, dann braucht man mehr denn je die kommunalen Kinos. Das sagte Wim Wenders, einer der großen Regisseure. Wenn man seiner Logik folgt, dann muss man die Pläne der Bundesregierung zur Digitalisierung der Kinos kritisch unter die Lupe nehmen. Die Kinos weltweit und in Europa werden auf digitale Vorführtechnik umgestellt. Das ist die Folge einer grundlegenden technologischen Veränderung. Alle Schritte von der Produktion bis zur Vermarktung werden digitalisiert. Das wird zu enormen Investitionen führen. Sicher liegt die Zukunft im digitalen Kino. Das erkennen auch die kleinen und kommunalen Kinos an. Hier im Hause und auch mit der EU-Kommission sind wir uns einig: Die Digitalisierung der Kinos kann man nicht dem Markt allein überlassen. (Beifall bei der LINKEN) Wäre das der Fall, käme es zu einer Verödung des kulturellen Reichtums und zum Verlust der Vielfalt in der Kinolandschaft. Die kleinen Kinos, die Arthouse- und Programmkinos, die kommunalen Kinos, die Kinos in der Fläche: Sie alle gingen unter und würden aussterben. Übrig blieben allein die großen Kinoketten mit Programmen, die sehr oft auf verkaufsstarke Hollywood-Filme ausgerichtet sind. Das wollen wir verhindern. Die Multiplex-Kinos haben die Umstellung auf das digitale Abspiel bereits vollzogen. Jetzt gilt es, die kleinen und kommunalen Kinos in der Fläche zu erhalten. Das ist das Anliegen einer Empfehlung der EU-Kommission und auch eines Konzeptes des Kulturstaatsministers. Das finden wir gut. (Beifall bei der LINKEN) In einem entscheidenden Punkt ist das für uns aber unzureichend: Die Gelder zur Digitalisierung der kleinen und kommunalen Kinos reichen bei weitem nicht aus. Die Ursache dafür sind die hohen Kosten für Projektoren. Sie müssen den Standards der DCI, einem Zusammenschluss der großen Hollywood-Studios, entsprechen. Kleine und kommunale Kinos brauchen für die Digitalisierung eine weniger aufwendige technische Lösung. Das hängt mit den geringeren Raumgrößen und dem kleineren Projektionsabstand zusammen. Bei der von den kleineren Kinos bevorzugten Lösung kostet ein Projektor zwischen 15 000 und 20 000 Euro. Bei der Technik, die Hollywood bevorzugt, würde ein Projektor zwischen 70 000 und 80 000 Euro kosten. Der Haken an der kostengünstigeren Variante ist allerdings, dass die großen Produktions- und Verleihfirmen Hollywoods Kinos ohne Projektoren mit DCI-Norm nicht beliefern würden, weil sie ihre Qualitätsstandards gesichert sehen wollen. So würde die Förderung der alternativen Technik in eine Sackgasse führen, weil sie Folgeinvestitionen nach sich ziehen würde. Für die Vielfalt der Kinolandschaft in Europa wäre das sehr schädlich. Damit die kleinen und kommunalen Kinos auch in Zukunft existieren, brauchen sie eine höhere Zusatzförderung. Die Linke setzt sich dafür ein, dass die kleinen Kinos von Augsburg (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Augsburg - danke!) bis Sassnitz ausreichende Mittel erhalten, um die digitale Zukunft zu bestehen. Kleine und kommunale Kinos sind im Unterschied zu den großen Kinoketten innovativ. Analoge und digitale Filme, Filmfestivals, das direkte Gespräch mit dem Regisseur, Diskussionsforen und Einblicke in das Schaffen der Filmproduzenten und europäische Filme: All das macht Kino aus, und all das findet man nur in kleinen und kommunalen Kinos. Sie sind Orte der Kultur und Kommunikation. In ländlichen Räumen sind die kleinen Kinos mitunter die einzigen kulturellen Treffpunkte. Sie tragen entscheidend zur Lebensqualität bei. Die Linke setzt sich gerade für den Erhalt dieser Kinos ein, weil sie ein Stück Kulturerbe bewahren. (Beifall bei der LINKEN) In Zukunft werden diese kleinen Kinos die einzigen sein, die über die Vielfalt ihrer Programme hinaus auch Filme sowohl digital als auch in klassischen Formaten zeigen können. Ich meine, das Konzept zur Förderung der Digitalisierung der Kinos muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Zunächst müssen kleine Kinos, Arthouse- und Programmkinos gefördert werden. Finnland macht es uns vor. Die EU-Kommission hat die staatlichen Beihilfen im Falle Finnlands in ihrer Mitteilung zur Kinodigitalisierung ausdrücklich genehmigt. Mehr noch, sie betrachtet staatliche Hilfen bis 500 000 Euro als zulässig. Die Europäische Union hat endlich einmal bei einem Thema nichts gegen staatliche Beihilfen. Wenn wir im Vergleich dazu an den ÖPNV denken, dann muss uns das doch ermutigen. Nehmen wir uns also ein Beispiel an Finnland und fördern wir in ausreichendem Maße. Über fünf Jahre hinweg 20 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, ist aus unserer Sicht zu wenig. Spitzenkino wird ohne Kleinkino nicht möglich sein. Der rote Teppich wie bei der Berlinale muss jetzt in erster Linie den kleinen und kommunalen Kinos ausgerollt werden. Schönen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Claudia Roth hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns im Ausschuss lange und intensiv mit der Kinodigitalisierung beschäftigt. Erst einmal, auch stellvertretend, vielen herzlichen Dank an Bernd Neumann für die sehr kollegiale Art, in der wir dieses Thema bearbeitet haben! Ich hoffe, es bleibt bei der konstruktiven und kollegialen Art des Umgangs in unserem Ausschuss. Wann, wenn nicht in diesen Tagen der Berlinale, muss deutlich werden, dass uns der Erhalt der Kinolandschaft ein Herzensanliegen ist? Neben den tollen Filmen und dem Talentcampus ist das Besondere an der Berlinale, dass sie das weltgrößte Besucher- und Besucherinnenfestival ist. Das heißt, es gibt einen riesengroßen Bedarf an Filmen und am Filmerlebnis im Kino, und zwar nicht nur in den Metropolen, sondern auch anderswo, etwa in den Dörfern. Augsburg ist zwar kein Dorf, aber Sie haben es zu Recht genannt. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Ein großes Dorf!) Kinos muss es auch in den Dörfern geben; denn - das ist sehr wichtig - es hat eine unglaublich große bildungspolitische Bedeutung. Es ist sozusagen Grundnahrungsmittel für die kulturelle Bildung und für eine lebendige Demokratie. Ich gebe meinem Kollegen Wolfgang Börnsen explizit recht: Es ist notwendig, dass wir sehr laut gegen jede Repression eintreten, die Filmemacher erleiden, und deutlich machen: Es ist nicht hinnehmbar, dass ein großartiger und weltweit ausgezeichneter Filmemacher wie Jafar Panahi zu 6 Jahren Haft verurteilt, mit 20 Jahren Berufsverbot und einem Ausreiseverbot bestraft worden ist, weil er angeblich Propaganda gegen die Islamische Republik betrieben hat. Es sind immer wieder die Künstler und Künstlerinnen, die mit ihren Bildern, mit ihren Gedichten, mit ihren Filmen die Stimme von demokratischen Bewegungen, von Freiheitsbewegungen sind. Deswegen ist es wichtig, dass wir in Berlin sehr deutlich ein Zeichen an die junge, an die Grüne Bewegung im Iran senden, dass wir Jafar Panahi stellvertretend für alle anderen mit einem ähnlichen Schicksal nicht vergessen; denn Vergessen tötet. (Beifall im ganzen Hause) Ich will auf drei etwas kritische, nicht geklärte Punkte eingehen. Erstens: die Umsatzgrenzen bei den zu fördernden Kinos. Es gibt einiges, was in der Konsequenz gefährlich sein kann. Bei einem Mindestumsatz von 40 000 Euro und einem Höchstumsatz von 260 000 Euro jährlich dürfte etwa ein Viertel der Kriterienkinos aus der Förderung herausfallen. Das träfe zu auf so wichtige und durchaus legendäre Häuser wie das "Abaton" in Hamburg - Fatih Akin hat da seine Anfänge erlebt -, die "City Kinos" in München oder den "Delphi Filmpalast" in Berlin. Das sind legendäre Häuser, die für den deutschen, für den europäischen und für den Arthouse-Film sehr wichtig sind; aus diesem Grunde sind sie ausgezeichnet worden. An dieser Stelle muss also nachgebessert werden, was die Umsatzgrenzen angeht. Diese wichtigen Häuser dürfen nicht einfach aus der Förderung herausfallen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zweitens: Technikneutralität. Was ich hierzu zu sagen habe, möchte ich sogar noch ein bisschen schärfer formulieren als manche Kollegen und Kolleginnen, die vor mir gesprochen haben; das war mir nicht deutlich genug. Technikneutralität wird jetzt von europäischer Seite unterstützt; das ist auch schriftlich fixiert. Es muss klipp und klar sein, dass man nicht einseitig auf den Hollywood-Standard DCI setzt. Dieser Standard wird mittlerweile anders benannt; es wird von der ISO-Norm gesprochen. Dieser Standard ist schon jetzt viel zu teuer. Seine Anwendung wäre für viele Kinos absolut unrentabel. Wenn jetzt vonseiten der Regierung nichts mehr über den technischen Standard gesagt wird und wenn das Kriterium "Nachhaltigkeit" bei der Festlegung der Förderkriterien berücksichtigt wird - darüber freue ich mich natürlich; denn Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der für uns Grüne viel bedeutet -, dann betone ich: Der Ausdruck "Nachhaltigkeit" muss präzisiert sein. Bisher ist definitiv nicht klar genug, was darunter zu verstehen ist. Ist es nachhaltig, kleine Kinos vertraglich mit den hohen DCI-Folgekosten zu belasten, zum Beispiel was den Ersatz von Leuchtmitteln angeht? Ist es nachhaltig, zu riskieren, dass die Hollywood-Firmen DCI-Kinos bevorzugen und andere damit an den Rand drängen? Das birgt die Gefahr einer Kartellbildung und einer Marktbereinigung im Sinne des kommerziellen Mainstream-Kinos. Dem muss deutlich entgegengetreten werden. An diesem Punkt wünsche ich mir weniger Schwammigkeit. Vielmehr muss klipp und klar, also unmissverständlich, zum Ausdruck gebracht werden, dass es nicht zu einer Marktbereinigung kommen darf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Brigitte Zypries [SPD]) Ich möchte, dass klargestellt wird - da muss nachgebessert werden -, dass im Regelfall auch diejenigen Kinobetreiber gefördert werden, die nicht den DCI-Standard verwenden. Mit anderen Worten: Diese Förderung muss der Regelfall sein, sie darf keine verklausulierte Ausnahme sein. Technikneutralität muss grundsätzlich und nicht ausnahmsweise gewährleistet sein; sonst wird sie nämlich ganz bald verschwinden. Dritter und letzter Punkt. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Roth, ich fürchte, das werden wir jetzt nicht mehr schaffen. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben recht. Ich muss gleich zur Demonstration für Jafar Panahi. Ich lade Sie alle herzlich ein, mit mir daran teilzunehmen. Etwas will ich aber doch noch sagen. In den Ländern, die nicht fördern oder nicht fördern können - das haben die Kollegen schon gesagt -, muss etwas passieren; da muss es eine Art Notfallfonds geben. Es kann nicht sein, dass wir vom Ziel einer flächendeckenden Kinolandschaft abrücken. Die betreffenden Länder müssen unter Druck gesetzt werden. Eventuell muss ihnen geholfen werden. Um 16.30 Uhr wird der Film von Jafar Panahi gezeigt. Vizepräsidentin Petra Pau: Dann geben Sie den Kollegen, die hier noch sprechen möchten, die Chance dazu. (Heiterkeit) Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es lohnt sich, sich diesen Film anzuschauen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Unionsfraktion hat der Kollege Wanderwitz das Wort. Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Roth, die Berlinale in diesen Tagen verschafft dem Kino und dem Film wieder einmal etwas mehr Aufmerksamkeit. Besonders viel Aufmerksamkeit genießen nationale und internationale Stars der Filmbranche. Tolle Filme und deren Macher stehen im Vordergrund. Die Besucher können das Erlebnis "Film im Kino" genießen. Es gibt inzwischen viele unterschiedliche Möglichkeiten, Film zu erleben. Trotz aller Schwankungen - Wolfgang Börnsen hat schon einige Worte dazu gesagt - ist die Zahl der Kinobesucher Jahr für Jahr hoch. Das zeigt, wie sehr das Erlebnis "Film im Kino" geschätzt wird. Die deutsche Filmlandschaft lebt natürlich von Vielfalt, auch bei den Kinos, Vielfalt nicht nur bei den Multiplexen in großen Städten, sondern auch bei vielen kleinen Kinos, gerade in den ländlichen Räumen. Die meisten Anwesenden kommen genauso wie ich aus Gegenden, die eher ländlich geprägt sind und in denen es kaum größere Städte gibt. Dort sind die kleinen Kinos besonders wichtig. Umso mehr freut es mich, festhalten zu können, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben. Die Filmtheaterdigitalisierungsverordnung - eine sperrige Bezeichnung - ist seit gestern in Kraft. Die Förderung kann beginnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das ist vor allem dem Engagement unseres Staatsministers zu verdanken, der bei seinem Leib-und-Magen-Thema Film - das wissen alle - noch ein kleines bisschen mehr Engagement zeigt als ohnehin bei der Kultur insgesamt. Das alles gibt insbesondere vielen umsatzschwächeren Kinos, die im ländlichen Raum die kulturelle Grundversorgung sicherstellen, eine Chance. Wenn bestimmte strukturelle Kriterien erfüllt werden, gibt es einen erhöhten Förderzuschuss. Wenn wir feststellen, dass sich Ober- bzw. Untergrenzen, also Deckelungen, negativ auswirken, dann werden wir darüber noch einmal nachdenken. Wichtig ist aber, dass es nun losgeht. Die abgestimmten Förderprogramme von BKM und Filmförderungsanstalt umfassen auch die kommunalen Kinos. Die Förderprogramme sind weitestgehend kompatibel mit den bestehenden Förderprogrammen der Länder und haben dort weitere Impulse gegeben. Viele Länder haben nachgezogen - die Bayern waren die Ersten -, haben entsprechende Mittel in ihre Haushalte eingestellt und angekündigt, zu fördern. Im Grunde genommen kann man diejenigen, die jetzt noch sagen: "Es geht nicht", an einer Hand abzählen. Von den vorhin Genannten befinden sich die meisten schon auf dem Weg. Wir haben auch die Verleiher ins Boot geholt, obwohl diese sich noch immer etwas zieren. Aber es ist absolut wichtig, auch die Verleiher zu berücksichtigen; denn sie sind im Grunde genommen die größten Nutznießer der Digitalisierung, jedenfalls in finanzieller Hinsicht. Die Digitalisierung ist eine tolle Sache für die Kinobesucher. Für die Verleiher bedeutet die Digitalisierung finanzielle Mehreinnahmen. Diese müssen in der Branche ankommen. Das Hauptproblem war, dass die Branche ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Das zu regeln, hat sich die christlich-liberale Koalition im November 2009 im Koalitionsvertrag zur Aufgabe gemacht. Wir haben im Mai 2010 ein Konzept vorgelegt und schließen heute diese Aufgabe ab. Ich habe nicht den Eindruck, dass das Verfahren besonders langsam war. (Beifall bei der CDU/CSU) Der SPD-Antrag, über den wir heute abstimmen - eigentlich hat er sich aus meiner Sicht erledigt -, stammt von März 2010. Er lief damit sozusagen dem Koalitionsvertrag hinterher. Da wir dieses Thema insgesamt sehr kollegial vorangebracht haben, verstehe ich nicht, warum wir heute über diesen Antrag abstimmen sollen. Dass er in Bälde erledigt sein wird, war in den letzten Wochen und Monaten absehbar. Wenn wir uns die heutige Abstimmung hätten sparen können und nur eine Debatte, zum Beispiel über eine europäische Verordnung, geführt hätten, wäre es auch gut gewesen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Stichwort: Mitteilung der Europäischen Kommission zur Digitalisierung. Auch die EU hat dieses Thema auf dem Schirm. Es ist schön, dass die EU das Ganze sieht. Wir sind - wie einige andere Länder, zum Beispiel Frankreich - schon ein Stückchen weiter. Für uns ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass sichergestellt wird, dass die europäische Förderung um Deutschland keinen Bogen macht, sprich: Wenn wir in Deutschland unsere Leinwände frühzeitig digitalisiert haben, muss trotzdem der auf Deutschland entfallende Anteil der Fördermittel fließen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) beispielsweise für Investitionen in andere Digitalisierungsprojekte. Das ist unsere Forderung an die Kommission. Wir haben noch genügend in Sachen Mediendigitalisierung vor. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Müller-Sönksen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Während der Berlinale richtet sich das Spotlight immer auf die Metropole Berlin. Aber all die wunderbaren Filme, die dort präsentiert werden, müssen anschließend einem breiten Publikum gezeigt werden. Das bedeutet, sie müssen überall gezeigt werden können, quasi Berlinale in ganz Deutschland. Damit die Kinos im ländlichen Raum und die Programmkinos diese Aufgabe auch zukünftig erfüllen können, werden wir sie bei den dringend notwendigen Investitionen in digitale Abspieltechnik unterstützen; denn gerade im ländlichen Raum sind die Kinos unverzichtbar. Sie zeigen großes Kino auch in kleineren Orten und vermitteln Filmkunst. Als Treffpunkte soziokulturellen Lebens bieten sie gerade für Jugendliche ein niedrigschwelliges Angebot kultureller Bildung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Kinos im ländlichen Raum und sogenannte Programmkinos sind aber auch kleine und mittelständische Unternehmen. Oftmals sind sie Familienunternehmen. Manchmal sind sie an gastronomische Betriebe angegliedert. Aus eigener Kraft können nur die umsatzstarken größeren Betriebe und Multiplexe die kurzfristig benötigten Investitionen stemmen. Ohne eine Unterstützung kleinerer Betriebe würden wir in den nächsten Jahren ein Kinosterben erleben, das äußerst negative Auswirkungen auf den Kulturbereich und den Filmstandort Deutschland hätte. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Genau so kann es kommen!) Mit dem nun in Kraft getretenen Förderkonzept ist diese Gefahr gebannt: Wir stärken die mittelständischen Kinounternehmer. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir freuen uns, dass es uns in den parlamentarischen Beratungen zum Haushalt 2011 gelungen ist, den Kultur-etat insgesamt nicht nur vor Kürzungen zu bewahren, sondern sogar um 2,4 Prozent zu erhöhen. Allein dieses Jahr stehen für die Kinodigitalisierung 4 Millionen Euro zur Verfügung. Geplant ist, insgesamt 20 Millionen Euro über die nächsten fünf Jahre in die Kinodigitalisierung zu investieren. Das ist ein beachtlicher Erfolg. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Trotz des Sparhaushalts!) Auch mit Blick auf die zu Recht sehr strengen Regeln des europäischen Wettbewerbsrechts bestehen gegen diese Beihilfen keine Bedenken. Die EU-Kommission hat in der Mitteilung, die dieser Debatte ihren Anlass gibt, grünes Licht gegeben. Sie sieht ebenfalls Handlungsbedarf, weil die Vielfalt der Filme und Kinos in Europa bewahrt werden soll. Die Beihilfen zur Kinodigitalisierung verschaffen nicht einzelnen Unternehmen Wettbewerbsvorteile, sondern erhalten die vielfältige und bunte europäische Kinolandschaft. Die EU-Kommission hat für die nächsten Jahre weitere Förderkonzepte angekündigt, was wir begrüßen, weil diese Konzepte der Bedeutung des Kinos als Vermittler europäischer Vielfalt gerecht werden. Ich freue mich allerdings sehr darüber, dass wir nicht auf Brüssel gewartet haben, sondern vorher selbst tätig geworden sind. Nachdem die Filmtheaterdigitalisierungsverordnung gestern verkündet wurde, kann die Filmförderungsanstalt heute die ersten Anträge beraten. Darüber freue ich mich sehr. Ab jetzt kann die Kinodigitalisierung in ganz Deutschland beginnen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Bär hat für die Unionsfraktion das Wort. Dorothee Bär (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Zitat zu Beginn einer Rede ist in der Regel nichts Ungewöhnliches, heute aber vielleicht schon, weil ich nicht eine verstorbene Person der Zeitgeschichte zitiere, sondern eine Person, die heute unter uns ist. Ich möchte meine Rede mit einem Zitat des Kollegen Börnsen beginnen. (Zurufe: Oh! - Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Danke schön!) Der Herr Kollege Börnsen hat bei vielen von uns mit seiner Plenarrede am 13. März 2008 für einen Ohrwurm gesorgt, als er an die Filmmusik eines Filmhits des Jahres 1950 erinnerte, der den schönen Titel Der Theodor im Fußballtor trug. Wolfgang Börnsen musste allerdings nach diesem Hinweis ernüchtert feststellen - jetzt kommt das Zitat unseres kulturpolitischen Sprechers -: Doch gehalten hat der Olli Kahn der Notzeit den entscheidenden Elfmeter nicht. Denn Der Theodor im Fußballtor kommt nicht mehr vor. In keinem Archiv ist dieser Kultspielfilm mehr aufzutreiben. Dieses Schicksal teilt Theo mit gut einem Drittel des deutschen Filmkulturerbes. Verloren, verlegt, vergessen - ein Stück Filmerbe ist unwiderruflich auf der Strecke geblieben. Ein Land, das seine Filme verliert, verliert auch Teile seiner Erinnerung und seiner Identität. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir stehen heute hier, weil wir eben nicht wollen, dass es uns eines Tages genauso geht und wir schockiert feststellen müssen, dass die kleinen Kinos in den Großstädten oder die oftmals einzigen Kinos in den kleineren Städten unseres Landes auf einmal gar nicht mehr existieren, dass das Kino, in dem wir vielleicht einmal den Kinohit 2005 oder den Kinohit 2009 gesehen haben, geschlossen werden musste, weil es den Sprung ins digitale Zeitalter schlichtweg nicht hat finanzieren können. Deswegen begrüßen wir ausdrücklich, dass endlich auch auf europäischer Ebene erkannt wurde, wie wichtig das Thema Digitalisierung der Kinos ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Europäische Kommission bettet das Thema ein in die "Digitale Agenda für Europa", die eine der sieben Leitinitiativen der neuen Strategie "Europa 2020" für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum ist. Der hier vorgegebene Rahmen zeigt, wie allumfassend die Digitalisierung unseres Lebens ist und dass wirklich kein einziger Lebensbereich ausgespart wird. Wir begrüßen als Koalitionsfraktionen natürlich noch viel mehr, dass unser Kulturstaatsminister, der BKM, die großen Herausforderungen, die durch die Digitalisierung unserer Kinos entstehen, bereits vor geraumer Zeit erkannt hat. Deshalb sind wir den Anforderungen, die die Kommission nun an die Mitgliedstaaten stellt, bereits weit voraus. Es ist mehrfach angesprochen worden, dass wir trotzdem darauf achten müssen, dass nicht die Ersten am Ende diejenigen sind, die in die Röhre schauen müssen. Vor besonders großen Herausforderungen bei der Digitalisierung stehen die vielen kleinen Kinos, die schon mehrfach erwähnt wurden. Für uns ist es ein sehr großes Anliegen, sie bei dem Sprung ins digitale Zeitalter zu unterstützen; denn es ist nicht nur entscheidend, wo wir einen Film sehen können, sondern auch, welche Filme gezeigt werden. Es kann nicht angehen, dass man, wenn man irgendwo in Deutschland ausgesetzt wird, nicht erkennen kann, wo man sich befindet, weil sich alles ähnelt. Das gilt auch für die Kinos. Wenn es diese leuchtenden Häfen, diese Fixpunkte, die auch einmal Filme zeigen, die man nicht überall sehen kann, nicht mehr gäbe, wäre das ein äußerst großer Kulturverlust. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) In meinem eigenen Wahlkreis gibt es keinen Ort, der mehr als 50 000 Einwohner hat. Ich merke natürlich, dass gerade für die jungen Einwohner in so kleinen Orten die Schließung ihres Kinos, also die Verringerung des kulturellen Angebots, ein weiterer Grund sein kann, ihren Wohnsitz aufzugeben und in Städte auszuwandern. Wir brauchen beides: So wie wir auf der einen Seite Berlin brauchen, brauchen wir auf der anderen Seite die vielen Dörfer, Weiler und Ortschaften, und genauso wie wir die Berlinale brauchen, brauchen wir beispielsweise - ich hätte es auch gesagt, wenn Sie nicht anwesend wären, lieber Kollege Friedrich - die Hofer Filmtage. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Die Internationalen Hofer Filmtage!) - Die Internationalen Hofer Filmtage. - Denn es ist von großer Bedeutung, dass wir die Stars in unserer Hauptstadt haben, aber auch beispielsweise in Hof. Die Stadt Hof hat - das ist auf das große Bemühen der lokalen Politiker vor Ort, vor allem des Oberbürgermeisters des Wohnortes unseres Landesgruppenchefs zurückzuführen - einen roten Teppich ausgerollt, um deutlich zu machen, dass Hof ebenso wie Berlin eine Verbindung zum Film hat. Das zieht Filmliebhaber an, die sonst wohl nicht in Regionen, die eher in Grenzgebieten unseres Freistaats liegen, kommen würden. Ich danke dem BKM ausdrücklich dafür, dass mit dem Förderprogramm, das sehr ausgewogen und durchdacht ist, kulturelle, aber eben auch strukturelle Kriterien an die Förderung angelegt wurden. Besonders freut mich - das darf ich als bayerische Bundestagsabgeordnete sagen -, dass sich die zweitmeisten deutschen Programmkinos in Bayern befinden. Die Bayern zeigen ein besonders großes Engagement, wenn es um die Programmkinos geht. Wir haben beispielsweise im letzten Jahr in Würzburg ein Kino eröffnet, das eigentlich schon geschlossen war, und zwar auf Initiative derjenigen Bürger, denen das Kino so wichtig war, dass sie es selber betreiben wollten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte zum Beginn meiner Rede zurückkehren: Wolfgang Börnsen hat vor knapp drei Jahren eine Rede zum Antrag "Das deutsche Filmerbe sichern" gehalten. Diesem Antrag haben damals alle Fraktionen - bis auf die Linke, aber das ist jetzt nicht relevant - zugestimmt. Mich wundert es daher, dass bei dem heutigen zukunftsweisenden Thema, bei dem es um die Digitalisierung unserer Kinos geht, die Unterstützung für die EU-Mitteilung ausbleibt. Sie werden verstehen, dass ich auf den überflüssigen Antrag der SPD jetzt nicht weiter eingehe, weil er schon überholt war, als er in den Bundestag eingebracht wurde. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Bär, das geht jetzt auch nicht mehr, weil Ihre Redezeit zu Ende ist. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Dorothee Bär (CDU/CSU): Gut, dass es nicht mehr möglich ist, auf überflüssige Anträge einzugehen. Ein letzter Punkt. Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen mit Blick auf die Demonstration für unseren im Iran inhaftierten Kollegen aus dem Kulturbereich - Frau Roth hat es bereits angesprochen - wünschen, dass ihr Einsatz erfolgreich ist. Darüber hinaus wünsche ich allen für die nächsten zehn Tage viel Freude bei der Berlinale oder in einem Kino in dem jeweiligen Wahlkreis. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien auf Drucksache 17/4467 zu der Unterrichtung "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für das europäische Kino". Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung eine Entschließung gemäß Art. 23 Abs. 2 Grundgesetz anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 24 b: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel "Für eine Kinodigitalisierung, die den Erhalt unserer Kinolandschaft sichert". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/4718, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1156 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Hilde Mattheis, Gabriele Hiller-Ohm, Anette Kramme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Vorbereitung des 4. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung in der 17. Wahlperiode - Armuts- und Reichtumsberichterstattung weiterentwickeln - Drucksache 17/4552 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Innenausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: der Kollegen Lange, Tauber und Linnemann für die Unionsfraktion, der Kolleginnen Mattheis und Hiller-Ohm für die SPD-Fraktion, des Kollegen Kolb für die FDP-Fraktion, der Kollegin Kipping für die Fraktion Die Linke und des Kollegen Kurth für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.5 Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/4552 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Nicole Gohlke, Jan van Aken, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes - Drucksache 17/4662 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Finanzausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Gohlke für die Linksfraktion. (Beifall bei der LINKEN) Nicole Gohlke (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor, Sie leben von 812 Euro im Monat. Das haben Studierende monatlich im Durchschnitt zur Verfügung. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: So viel hatte ich als Student nicht!) Jeder von Ihnen kann im Kopf überschlagen, ob diese Rechnung aufgeht: Von 812 Euro zahlen sie Miete, Strom, Essen, Kleidung, Telefon, Internet, Verkehrsmittel, Krankenversicherung und Lernmittel. Außerdem sollen sie davon auch noch bis zu 500 Euro Gebühren im Semester zahlen, (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Das stimmt ja gar nicht! Wer sagt denn so was? Also, hören Sie mal!) also noch einmal 84 Euro im Monat dafür, dass sie studieren dürfen. Diese Rechnung geht offensichtlich nicht auf. Deswegen sind Studiengebühren ein Verstoß gegen Grundrechte, gegen das Recht auf Bildung, gegen das Recht auf freie Berufswahl und gegen den Gleichheitsgrundsatz. (Beifall bei der LINKEN - Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Thema verfehlt, Frau Kollegin!) Studiengebühren dürfen deshalb keinen Tag länger erhoben werden! In diesem Jahr gibt es gleich mehrmals die Möglichkeit, damit Schluss zu machen; denn bei mehreren Landtagswahlen können die Wählerinnen und Wähler entscheiden, ob sie mit ihrem Votum auch Studiengebühren abschaffen. Das war schon bei den letzten Landtagswahlen so, und Sie wissen, wie sie ausgegangen sind: (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Es hat geklappt!) Studiengebühren sind in Hessen, im Saarland und in NRW abgewählt worden, und das ist auch gut so. (Beifall bei der LINKEN) Das Thema hat also große Bedeutung für Wahlen; das hat auch die CDU erkannt. Ich dachte ja, ich höre nicht richtig, als sich Julia Klöckner, die Spitzenkandidatin der CDU in Rheinland-Pfalz, (Michaela Noll [CDU/CSU]: Eine gute!) in einem Interview gegen die Einführung von Studiengebühren ausgesprochen hat. Sie begründete das damit - hören Sie gut zu, Kolleginnen und Kollegen von der Union! -: Kinder aus sozial schwächeren Familien sollten nicht vom Studium abgehalten werden. Diese psychologische Hürde gibt es nun einmal. (Beifall bei der LINKEN - Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Dafür gibt es jetzt Stipendien!) Damit hat sogar Frau Klöckner erkannt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Geldbeutel der Eltern und der Aufnahme eines Studiums gibt. Ich kenne junge Leute und Studierende, für die 500 Euro im Semester nicht nur eine psychologische, sondern eine handfeste finanzielle Hürde sind. Jeder fünfte Studienabbrecher, jede fünfte Studienabbrecherin gibt als entscheidenden Grund für das Verlassen der Hochschule Finanzierungsprobleme an - und die Tendenz ist steigend. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Und die anderen vier?) Dennoch behauptet diese schwarz-gelbe Regierung weiterhin, Gebühren würden niemanden vom Studieren abhalten. (Patrick Meinhardt [FDP]: So ist es!) Aber das Gegenteil ist der Fall: In praktisch keinem anderen europäischen Land hängt es so sehr von der sozialen Lage der Eltern ab, ob man studieren kann oder nicht. (Patrick Meinhardt [FDP]: Das sind wahrscheinlich marxistische Studien! - Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Sie verdrehen einfach die Fakten!) Noch dazu studieren in der Bundesrepublik deutlich weniger Menschen als in anderen Industrieländern. Es ist völlig klar, dass jedwede Form von Gebühren das noch verschärft. (Beifall bei der LINKEN) Deswegen fordert die Linke: Abschaffung von Studiengebühren von Stuttgart bis nach Hamburg und Ausbau des BAföG! (Beifall bei der LINKEN - Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie auch zu Ihrem Gesetzentwurf? - Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Geht es um BAföG oder um Studiengebühren?) In Hamburg sprechen sich neben der Linken auch SPD und Grüne gegen Studiengebühren aus. Die Grünen sind also bereit, die von ihnen selbst 2008 in der Hamburger Bürgerschaft mit beschlossenen Studiengebühren - das kann ich Ihnen an der Stelle nicht ersparen - wieder abzuschaffen. Es ist aber schon ein wenig halbherzig, wenn es SPD und Grüne dann nicht schaffen, einem Antrag der Linksfraktion in Hamburg zur sofortigen Abschaffung der Studiengebühren vom letzten Dezember zuzustimmen. In Hamburg könnten Studiengebühren schon jetzt Vergangenheit sein. (Beifall bei der LINKEN) Hier im Bundestag tut die Bundesregierung so, als habe sie mit all dem gar nichts zu tun, als sei das Thema völlig außerhalb ihrer Zuständigkeit. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Lesen Sie im Gesetz nach!) Doch, Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, auch Sie können dazulernen: Das BAföG heißt ja Bundesausbildungsförderungsgesetz. Es steckt also schon im Namen: Es ist ein Bundesgesetz. Wir Linke beantragen, dass Studiengebühren künftig in die BAföG-Sätze mit einzurechnen sind, dass das BAföG um die Höhe der jeweiligen Studiengebühren erhöht wird. (Beifall bei der LINKEN - Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit zementieren Sie Gebühren doch!) Die Bundesregierung kann sich nicht hinter den Bundesländern verstecken. Es ist Aufgabe des Bundes, für die Durchsetzung von Grundrechten zu sorgen, und zwar bundesweit. Nehmen Sie diese Verantwortung endlich wahr, so lange, bis Studiengebühren flächendeckend abgeschafft sind. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN - Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Nichts zu danken!) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Dr. Kaufmann hat für die Unionsfraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Gohlke, Ihr Gesetzentwurf ist ein erstklassiges Beispiel für die Realitätsferne Ihrer Partei. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie wollen Studiengebühren in den Bedarf für Studierende beim BAföG einbeziehen und versuchen so, die Abschaffung von Studiengebühren voranzubringen. Gleichzeitig versuchen Sie derzeit in Nordrhein-Westfalen, die Abschaffung der Studiengebühren zu verhindern. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Eben! Was ist denn los?) Ihre Oppositionskollegen von SPD und Grünen drohen Ihnen sogar mit Neuwahlen. (Michaela Noll [CDU/CSU]: Das Beste, was NRW passieren kann!) Im Land dafür, im Bund dagegen. Wie entscheiden Sie sich denn, liebe Kolleginnen und Kollegen? (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE]) Zu Ihrem Gesetzentwurf. In der Opposition steht bei Ihnen nicht Realpolitik, sondern Realitätsverweigerung im Vordergrund. So heißt es im zweiten Absatz der Problembeschreibung in Ihrem Gesetzentwurf - ich zitiere -: Viele Betroffene wollen diese Belastung nicht auf sich nehmen und sehen sich deshalb gezwungen, auf ein Studium zu verzichten. Tatsächlich aber ist das Studium bei jungen Leuten so beliebt wie nie zu vor. (Beifall der Abg. Anette Hübinger [CDU/ CSU]) Wahrscheinlich haben Sie es noch nicht mitbekommen, aber die Studienanfängerzahl in Deutschland ist im Jahr 2010 auf ein Rekordhoch gestiegen. (René Röspel [SPD]: Trotz Studiengebühren!) Mit 442 600 Studienanfängern oder 46 Prozent des Jahrgangs haben sich so viele junge Menschen für ein Studium entschieden wie noch nie zu vor. Nehmen Sie das bitte einfach einmal zur Kenntnis! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Gebühren wären es noch mehr!) Noch ein bemerkenswerter Befund, Herr Kollege: Dort, wo Studiengebühren erhoben werden, sind die Studienanfängerzahlen sogar überproportional gestiegen. Insofern gibt es keinen negativen Zusammenhang zwischen Studiengebühren und Studienanfängerzahlen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - René Röspel [SPD]: Aber aus einem riesigen Loch heraus!) Im Gegenteil, Herr Kollege Röspel: In Baden-Württemberg und in Bayern sind die Studienanfängerzahlen seit der Einführung von Studiengebühren sogar erheblich gestiegen. Studiengebühren haben in Baden-Württemberg zu einer massiven Qualitätsverbesserung in Forschung und Lehre geführt. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nachdem vorher die Unis kaputtgespart wurden! - Widerspruch bei der LINKEN) Damit meine ich nicht nur längere Öffnungszeiten der Bibliotheken, sondern vor allem - das ist für Sie interessant - Tausende neu geschaffener Stellen im akademischen Bereich. (René Röspel [SPD]: Es kann ja sein, dass es in Baden-Württemberg schlecht war und jetzt besser geworden ist!) Diese Vorteile kommen auch allen BAföG-Empfängern zugute. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich kenne jedenfalls keine Studie, die nahelegt, dass BAföG-Bezieher ein Billigstudium wollten. Sie geben der Qualität Vorrang wie andere Studierende auch. Die Studierenden wissen: Dort, wo Gebühren erhoben werden, kommen ihnen diese unmittelbar zugute. Wie Sie die Abschaffung von Studiengebühren durch öffentliche Mittel kompensieren wollen, müssen Sie erst noch unter Beweis stellen. Ich kenne kein erfolgreiches Beispiel. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ach! Beim Nationalen Stipendienprogramm hat es aber gereicht!) Stattdessen scheint Ihr populistischer, großspurig angekündigter Versuch in Nordrhein-Westfalen nun kläglich zu scheitern. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kriegen wir schon hin!) Außerdem haben wir für BAföG-Empfänger in den letzten Jahren bereits viel erreicht. Zusammen mit der SPD, liebe Kollegen Rossmann und Röspel, wurden im August 2008 mit dem Zweiundzwanzigsten Gesetz zur Änderung des BAföG die Bedarfssätze um 10 Prozent und die Freibeträge um 8 Prozent angehoben. Eine weitere Anhebung der Bedarfssätze um 2 Prozent und der Freibeträge um 3 Prozent haben wir gerade erst hier mit dem 23. Änderungsgesetz beschlossen. Der maximale BAföG-Höchstsatz beträgt seitdem 670 Euro pro Monat. Im Übrigen profitieren BAföG-Empfänger schon jetzt von großzügigen Ausnahmeregelungen bei der Erhebung von Studiengebühren. So werden besondere soziale Umstände, etwa Kindererziehungszeiten oder studienerschwerende Behinderungen, berücksichtigt. Für Studierende aus kinderreichen Familien hat Baden-Württemberg zum Beispiel die sogenannte Geschwisterregelung eingeführt, die eine gänzliche Befreiung von Studiengebühren vorsieht. Nach neuesten Zahlen - auch das ist sehr interessant - sind an der Uni Tübingen, meiner Alma Mater, fast ein Drittel aller Studierenden aufgrund der Geschwisterregelung von Studiengebühren befreit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zurufe von der LINKEN) Eine weitere Finanzierungsmöglichkeit für leistungsstarke Studierende besteht durch Stipendien. Ich verweise nur auf das neue Deutschlandstipendium, das am 1. Februar gestartet ist und das gerade nicht auf das BAföG angerechnet wird. (Patrick Meinhardt [FDP]: Spitzenprogramm!) Mit diesem Stipendium können leistungsstarke Studierende mit bis zu 300 Euro im Monat gefördert werden - zusätzlich zum BAföG. (René Röspel [SPD]: Was sind denn "leistungsstarke Studierende"?) Kommentare zum Deutschlandstipendium von Vertretern der Linken, wie zum Beispiel "Steuerfahnder statt Fundraiser sind gefragt, wenn man die Wirtschaft heranziehen möchte", zeigen nur, dass sie von einer Regierungsfähigkeit weiter denn je entfernt sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch bei der LINKEN) Wie von Ihnen praktizierte Realpolitik aussieht, lässt sich doch in Brandenburg beobachten. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: In Berlin gibt es keine Studiengebühren!) Dort haben Sie den Hochschulen eingesparte Rücklagen in Höhe von 10 Millionen Euro wieder weggenommen. Die Hochschulen hatten diese mühsam aufgebaut, um langfristige Projekte zu finanzieren. Sie haben sie ihnen wieder weggenommen. Jetzt müssen die Hochschulen auf 10 Millionen Euro verzichten. Das ist rot-rote Realpolitik, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - René Röspel [SPD]: In Hessen ist genau das Gleiche gelaufen!) Darüber hinaus zeigt dies einmal mehr, dass Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, das Prinzip des Geldzurücklegens und des Sparens unbekannt ist. (Katrin Kunert [DIE LINKE]: Das stimmt ja gar nicht! - Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: An Bildung wollen wir nicht sparen!) Deshalb werden Sie auch in meiner schwäbischen Heimat niemals gewählt werden. Ein weiterer Grund liegt darin, dass Sie Ihren Versprechungen, die Sie regelmäßig abgeben, wenig Taten folgen lassen. Im rot-rot regierten Brandenburg werden im Landeshaushalt nur 23 Prozent der Mittel für Bildung ausgegeben. Fast alle anderen Bundesländer geben zum Teil deutlich mehr aus. An der Spitze steht - Sie ahnen es - Baden-Württemberg, meine von CDU und FDP regierte Heimat, mit fast 40 Prozent. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Die wahren Herausforderungen der Zukunft liegen darin, Profile zu schärfen und die Alleinstellungsmerkmale der Hochschulen zu verstärken. Wenn es den deutschen Hochschulen gelingt, das zu stärken, worin sie besonders gut sind, also Leuchttürme zu installieren, dann werden sie auch international in der ersten Liga mitspielen. Ich bin optimistisch, dass uns dies gelingen wird - schon deshalb, weil Qualität eben unser einziger Trumpf ist. Blicken Sie einmal nach Indien. Dort soll die Zahl der Universitäten innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahre von 350 auf 1 500 steigen. Das führe man sich einmal vor Augen! Es ist klar, dass wir da quantitativ nicht mithalten können. Deshalb sind Anträge wie die von der Linken, die den in Deutschland entfachten Wettbewerb um Exzellenz und Qualitätsverbesserungen an den Hochschulen zurückdrehen wollen, kontraproduktiv. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Zurufe von der SPD und der LINKEN) Ich empfehle Ihnen daher, Frau Kollegin Gohlke, sich die Bildungs- und Wissenschaftspolitik der CDU-regierten Länder zum Vorbild zu nehmen. In Nordrhein-Westfalen haben Sie jetzt Gelegenheit dazu. Stimmen Sie dort gemeinsam mit der CDU und der FDP gegen die Abschaffung der Studiengebühren. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Rossmann hat für die SPD-Fraktion das Wort. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun gibt es also doch eine richtige Debatte zum BAföG und hoffentlich keine Länder-Streitdebatte. Dem Kollegen Kaufmann möchte ich sagen: Brandenburg darf man, studienpolitisch gesehen, nicht ohne Berlin betrachten, weil es eine Region ist. Das, was in Brandenburg weniger für Hochschulen ausgegeben wird, wird in Berlin deutlich mehr ausgegeben; denn Berlin ist die Hochschulmetropole in Deutschland. Ich finde, wir sollten das nicht außer Acht lassen. Zu Baden-Württemberg und Bayern: Sie wissen, wie sich dort die Arbeitsplätze und die Strukturen entwickeln. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass es diesbezüglich Auswirkungen auf entsprechende Studienangebote gibt. Wir möchten uns eher auf eine detaillierte Auseinandersetzung mit der vorgeschlagenen Gesetzesinitiative konzentrieren, zumal sie schon das zweite Mal eingebracht wird. In der letzten Legislaturperiode hat sie keine Zustimmung bei den anderen Fraktionen gefunden. Ich möchte bekräftigen - da sehen wir Fortschritte -, dass es einen Konsens geben kann, wenn wir alle das BAföG stärken wollen. Ich will jetzt nicht näher erläutern, was wir beim BAföG gerne noch zusätzlich gehabt hätten, nachdem wir in der Großen Koalition das, was Rot-Grün angefangen hat, deutlich erweitert haben. Ich möchte für die SPD noch einmal sagen, dass wir grundsätzlich gegen Studiengebühren sind, weil sie, was die soziale Verteilungsfrage sowie die Aufwands- und Effizienzfrage angeht, nicht begründet werden können. Ich erinnere nur an diejenigen Bundesländer, in denen keine Studiengebühren erhoben werden. Herr Kollege Kretschmer hat sich vorhin so echauffiert. Als Sachse könnte er aus gutem Grund doch sagen: Als Sachse bin ich stolz darauf, dass es in meinem Bundesland keine Studiengebühren gibt. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Sachsen hat ein sehr gutes Bildungssystem, Herr Kollege!) Die CDU in Sachsen kann aus verteilungspolitischen, sozialpolitischen, regionalpolitischen und hochschulpolitischen Gründen stolz darauf sein, dass es dort keine Studiengebühren gibt. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Wir sind im Deutschen Bundestag! Lassen Sie das doch die Länder entscheiden! Die Länder sind dafür zuständig!) Es freut mich, dass es auch in Hessen entsprechende Einsichten gibt. Herr Kretschmer, Sie sollten es positiv bewerten, dass es auch bei Ihnen eine Entwicklung dahin gehend gibt, keine Studiengebühren mehr erheben zu wollen. Das ist auch gut so. Deshalb sollte man sich mit dem, was die Linke hier vorgeschlagen hat, genauer auseinandersetzen. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist ein Bundesgesetz. Das Verfassungsgericht hat leider entschieden, dass es in Bezug auf Studiengebühren eine Länderzuständigkeit gibt. Daher muss eine Abschaffung in den Ländern politisch durchgefochten werden. Auch in den letzten konservativen Domänen, wo es - ideologisch begründet - noch Studiengebühren gibt, müssen sich die Menschen dafür einsetzen, dass es diese Studiengebühren in Zukunft nicht mehr gibt. (Beifall bei der SPD) Das ist der politische Weg. Diesen politischen Weg kann man weitergehen, und man wird ihn weitergehen: von Hamburg bis Baden-Württemberg. Sie sollten sich nicht zu sicher sein, dass es nicht auch in Baden-Württemberg zu einer Abschaffung der Studiengebühren kommt. Um es verfassungsmäßig noch weiter zu unterlegen: Sie alle wissen doch, dass wir im Zuge der Föderalismusreform eine Diskussion über Erforderlichkeit und konkurrierende Gesetzgebung - ich verweise auf Art. 72 des Grundgesetzes - hatten. Wir können froh darüber sein, dass die entsprechenden Verfassungskommissionen in Bezug auf das BAföG gesagt haben, dieses solle weiterhin bundeseinheitlich geregelt werden. Demnach sollen Studiengebühren sozial ausgewogen sein. Wenn wir sozusagen diesen Deckel wegnehmen, dann könnte es ein Anreiz dafür sein, Studiengebühren nicht mehr in einem gewissen Umfang zu begrenzen. Das sollten wir tatsächlich nicht wollen. (Beifall bei der SPD) Deshalb sind wir der Auffassung: Es muss länderbezogen dafür gesorgt werden, dass es grundsätzlich keine Studiengebühren mehr gibt. Jetzt zu Ihrem Gesetzentwurf: Erstens. Wir müssen feststellen, dass er nicht so sorgfältig ausgearbeitet wurde, wie man es sich eigentlich wünscht, wenn politische Veränderungen damit verbunden sind. Positiv ist aber - das haben Sie im Vergleich zu vergangenen Entwürfen korrigiert -, dass Sie formulieren, dass der Bedarf sich um ein Zwölftel der im Jahreszeitraum zu entrichtenden Studiengebühren erhöht. Zweitens. Eine Frage ergibt sich mit Blick auf die Ungleichbehandlung. Sie haben es jetzt so formuliert, dass diejenigen, die 20 Euro über den Bedarfssätzen liegen, kein BAföG bekommen, und dass diejenigen, die darunter liegen, die Studiengebühren komplett ersetzt bekämen. Dadurch käme es aber zu einer Fehlsteuerung. Wenn Sie solche Gesetze machen, erwarten wir eigentlich, dass Sie die Details bedenken und diese einarbeiten. Drittens. Speziell in Hamburg und Berlin, aber auch anderswo gibt es private Hochschulen mit sehr hohen Studiengebühren. Auch an diesen Hochschulen gibt es BAföG-Empfänger. Wollen Sie eigentlich, dass den BAföG-Empfängern an diesen Hochschulen die Studiengebühren ersetzt werden? Die Länder, die gar nichts dafür können, dass es dort diese hohen Studiengebühren gibt, müssten dann dafür aufkommen. Wir stellen fest: Wenn Sie von der Linken mit heißem Herzen eine Debatte über dieses Thema führen wollen, dann sollten Sie Ihre Vorschläge so gut durchkneten, dass auch die von mir aufgeworfenen Fragen geklärt werden. (Beifall der Abg. René Röspel [SPD] und Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Leider sind diese Fragen nicht geklärt. Daher hat Ihr Gesetzentwurf keine Berechtigung. Er geht politisch in die falsche Richtung und ist sachlich nicht genügend ausgearbeitet. Zudem nehmen Sie damit das Tempo heraus, wenn es darum geht, unsere Forderung umzusetzen - andere haben es schon angesprochen -: Damit wir in Deutschland ein Hochschulwesen erhalten, das sozial offen ist, müssen wir uns - wie in Hessen, in Nordrhein-Westfalen, im Saarland, demnächst in Hamburg und bald in Baden-Württemberg - von den Studiengebühren verabschieden. (Beifall bei der SPD) Dort, wo Studiengebühren eingeführt worden sind, muss man sich mit gutem Gewissen, aber auch mit hochschulpolitischem Realismus schrittweise davon verabschieden; denn die Hochschulen hätten nichts davon, wenn auf einmal eine große Lücke in den Hochschuletats entstünde. Insofern wurde in Nordrhein-Westfalen ein realistischer Weg gewählt. Wir wollen die Linken dazu einladen, diesen Weg zu unterstützen. Auch in Hamburg wird es einen realistischen Weg geben. Wenn am Ende zu erkennen ist, dass es in Deutschland nur noch eine Minderheit von Ländern gibt, die Studiengebühren erheben, dann haben wir politisch einen guten Kampf gefochten. Danke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Meinhardt für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Patrick Meinhardt (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der Linken ist an Bildungspopulismus nicht mehr zu überbieten. Hier geht es nicht um Studierende und nicht um die Hochschulen, sondern einzig und allein um eine Neiddebatte, die Sie hier losbrechen wollen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU - Lachen des Abg. René Röspel [SPD]) Studienbeiträge sind wesentlicher Bestandteil eines soliden Finanzierungskonzeptes für unsere deutschen Hochschulen. Schauen wir uns bitte einmal die Zahlen an: Allein 1,2 Milliarden Euro - ich wiederhole: 1,2 Milliarden Euro - sind bislang durch die Eigenbeteiligung der Studierenden zusätzlich in die Hochschulkassen geflossen. Wer diesen Hahn zudrehen will, muss zunächst einmal glaubwürdige finanzielle Alternativen auf den Tisch legen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - René Röspel [SPD]: Ihr dreht dem Hahn den Hals ab! Das ist noch schlimmer!) Wir brauchen in der Bundesrepublik Deutschland nicht weniger Studiengebühren, sondern mehr Hochschulfreiheit. Hochschulen müssen selbst über die Studiengebühren, ihre Ausgestaltung und Höhe, entscheiden können. Wenn Studierende an der Entscheidung darüber beteiligt sind, was mit ihren Beiträgen passiert, wird das Ganze zu einem Erfolgsmodell. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir können uns keine Nullachtfünfzehn-Hochschulpolitik wie die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen leisten. Dort sollen die Studiengebühren mit einem Federstrich abgeschafft werden. Sofort, vom ersten Moment an, würden 250 Millionen Euro im Hochschulsystem fehlen. Die unglaublich unsolidarische Konsequenz daraus wäre, dass die Geberländer im Länderfinanzausgleich dieses auch noch mitzufinanzieren hätten. Bildung auf Pump zulasten anderer Bundesländer einzuführen, ist doch wohl der Gipfel der Unverschämtheit. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Darüber hinaus sollten wir mit einem bildungspolitischen Ammenmärchen aufräumen. Alle seriösen Studien belegen, dass es keinen Zusammenhang zwischen Studiengebühren und der Entscheidungsneigung möglicher Studierender aus bildungsfernen Schichten gibt. Dies ist das Ergebnis aller seriösen Studien, auch des Deutschen Studentenwerkes. (Beifall des Abg. Heiner Kamp [FDP]) Vielmehr gilt die Wahrheit: Nach Abschaffung der Studiengebühren wird sofort die Zahl der Tutorenstellen und der Stellen für wissenschaftliche Hilfskräfte an den Universitäten heruntergefahren. Wer will, dass die Zahl der Stellen für wissenschaftliche Hilfskräfte und für Tutoren an den Hochschulen reduziert wird, der soll dies auch öffentlich und präzise in solch einem Gesetzentwurf benennen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - René Röspel [SPD]: Das kann doch nicht mit Studiengebühren zusammenhängen!) Warum sind denn gerade diejenigen Länder als Studienstandorte besonders attraktiv, die Studiengebühren erheben? Weil dort mehr in Hochschulen investiert wird als in anderen Ländern. Allein in Bayern wurden die Ausgaben im Zeitraum 2006 bis 2008 um 778 Millionen Euro gesteigert. In Nordrhein-Westfalen wurden die Ausgaben im gleichen Zeitraum sogar um 881 Millionen Euro gesteigert. In Berlin, in Brandenburg und in Bremen herrscht bildungspolitisch tote Hose. (René Röspel [SPD]: Berlin bietet 20 Prozent mehr Studienplätze, als es Studierende im eigenen Land gibt! - Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Fairness gegenüber Berlin, bitte!) Wer über Fairness in der Bildungsfinanzierung spricht, der muss auch die akademische und die berufliche Bildung in eine Balance bringen. Ich habe hier noch nicht die Forderung gehört, an die privat finanzierten Kosten für eine Meisterausbildung heranzugehen. Bei einer dreijährigen Meisterausbildung müssen wir von einer Eigenbeteiligung in Höhe von 4 000 bis 8 000 Euro ausgehen. Angesichts dessen ist es absolut unfair, in einer Debatte über Studiengebühren nur über den Bereich der akademischen Bildung zu sprechen und, wie üblich, die berufliche Bildung außen vor zu lassen. In diesem Hohen Haus sollte endlich einmal die richtige Frage an der richtigen Stelle gestellt werden. Es geht darum, über berufliche und akademische Bildung gleichgewichtig zu diskutieren. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - René Röspel [SPD]: Wir können das Meister-BAföG ja ausbauen!) - Bringen Sie doch einmal einen entsprechenden Antrag ein. Wir werden Ihnen dann sagen, was wir davon halten. Diese Bundesregierung hat mit ihrem BAföG-Modernisierungspaket einen wichtigen bildungspolitischen Meilenstein gesetzt. Das führt dazu, dass allein in diesem Jahr 500 Millionen Euro mehr für Investitionen zur Förderung von Studierenden eingesetzt werden. 500 Millionen Euro mehr, das ist das Ergebnis des BAföG-Modernisierungskonzeptes dieser Bundesregierung. Das muss man auch einmal mit Stolz in diesem Hohen Haus sagen dürfen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Heiner Kamp [FDP]: Sagen müssen!) Darüber hinaus haben wir mit dem Nationalen Stipendienprogramm endlich eine Talentförderstrategie für dieses Land entwickelt. Schon in diesem Jahr wird sich die Anzahl der staatlich geförderten Stipendiaten von 20 000 auf 30 000 erhöhen. Ein solcher Aufwuchs um 50 Pro-zent ist ein deutliches Zeichen des Handelns dieser Bundesregierung. Studiengebühren, über die vor Ort entschieden wird, ein deutlicher Aufwuchs im Bereich der Stipendienkultur und unser BAföG-Modernisierungspaket sind zusammen ein Zeichen dafür, dass die Attraktivität des Studienplatzes Deutschland mächtig gesteigert wird. Der Antrag der Linken ist fachlich falsch, hochschulpolitisch veraltet und finanzpolitisch ein Desaster. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Gehring für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen: Der Kampf gegen soziale Selektivität in unserem Hochschulsystem und für mehr Bildungsaufstieg ist eine echte Herkulesaufgabe. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ja!) Wir teilen die Zielrichtung der Linksfraktion, dass ein Studium nicht am Geldbeutel der Eltern scheitern darf und es für alle finanzierbar sein muss. Ihr Gesetzentwurf, über den wir heute diskutieren, trägt aber leider nicht dazu bei, dass wir dieses Ziel erreichen. Er klingt sozial, würde aber nichts anderes als neue Ungerechtigkeiten produzieren. Ihr Gesetzentwurf suggeriert nämlich, dass Studiengebühren sozialverträglich gestaltet werden können. Wir bezweifeln das. Wir wollen Studiengebühren nicht für Einzelne abmildern, sondern wir wollen sie für alle abschaffen. (Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Das steht im Gesetzentwurf drin! Dann muss man ihn halt ganz lesen!) Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen. Sie wollen einseitig einkommensschwache BAföG-Empfänger entlasten - so weit, so nett -, alle anderen lassen Sie aber im Regen stehen und weiter Studiengebühren blechen in den Ländern. Das ist ein absurdes Gerechtigkeitsverständnis, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit Ihrem Gesetzentwurf spalten sie die Studierendenschaft in Zahler und in Nichtzahler. Die einen bekommen eine Rückerstattung der Gebühr aus dem Landeshaushalt, und die anderen gehen leer aus. Was wären die Konsequenzen Ihres Gesetzentwurfs in der Praxis? Erstens würden Studiengebühren zementiert. (Beifall des Abg. René Röspel [SPD]) Zweitens würde der studentische Widerstand gegen Studiengebühren geschwächt, weil die Akzeptanz der Studiengebühren damit gestärkt würde. (Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Die Logik ist sehr seltsam!) Das ist völlig absurd. Damit leisten Sie den Zielen der Bildungsstreikbewegung nachträglich einen Bärendienst. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Was ist das für eine Logik?) Anstatt die Akzeptanz der Campusmaut durch solche Gesetzentwürfe zu erhöhen, sollte die Linkspartei den Kampf gegen Studiengebühren parlamentarisch und realpolitisch wirklich unterstützen und dabei bleiben, dass Bildung keine Ware ist. Das ist das Gebot der Stunde. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unsere grünen Befürchtungen hinsichtlich der Wirkung von Studiengebühren sind leider eingetreten. (Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Aber selber in Hamburg welche haben! Das ist echt ein Witz!) - Dazu komme ich gleich; kein Thema. - Deren Einführung durch schwarz-gelbe Landesregierungen hat bundesweit Zehntausende Hochschulzugangsberechtigte vom Studium abgeschreckt. Verschiedenste Studien zeigen - Hochschul-Informations-System, Nationaler Bildungsbericht und viele andere -, dass sich viele Abiturienten gerade aus finanziellen Gründen gegen ein Studium entscheiden. Besonders abschreckend wirkt das Bezahlstudium auf Frauen und Jugendliche aus Nichtakademikerfamilien, also gerade auf diejenigen, deren Talente wir verstärkt heben müssen. Aus diesen Gründen müssen die Studiengebühren weg und das BAföG dringend weiter ausgebaut werden. Wir haben gesagt, dass es sogar zu einem Zwei-Säulen-Modell ausgebaut werden muss. Das wäre viel besser als ein Deutschland-Stipendium, das Sie hier wieder einmal gerühmt haben, das aber jetzt schon als Ladenhüter und Rohrkrepierer daherkommt und keine soziale Gerechtigkeit herstellt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die zweite Befürchtung hat sich leider auch bewahrheitet. Dass Studiengebühren zusätzliches Geld an die Hochschulen bringen, das ist ein großes Märchen. Schauen Sie sich doch einmal verschiedene Berichte an. Viele schwarz-gelbe Landesregierungen haben nach der Gebühreneinführung die Grundfinanzierung der Hochschulen abgesenkt. Der Bildungsfinanzbericht 2010 zeigt, dass 2007 rund 717 Millionen Euro aus Studiengebühren an die Hochschulen geflossen sind. Zugleich nahmen die Gebührenländer ihren Hochschulen aber eine halbe Milliarde Euro weg, indem sie die Grundfinanzierung abgesenkt haben. Negativvorreiter hierbei waren Baden-Württemberg und die abgewählte Rüttgers-Regierung in Nordrhein-Westfalen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Deshalb ist es so wichtig, festzuhalten, dass unter dem Strich die Privatisierung von Bildungsausgaben bleibt, und das halten wir für den falschen Weg. Genauso halten wir den Weg der Linken, Studiengebühren einfach abzuschaffen, sich dann aber keine Gedanken über die Gegenfinanzierung zu machen, für falsch. Diese Gebührenausfälle der Hochschulen müssen entsprechend kompensiert werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unsere Grünen in den Ländern haben dafür gesorgt, dass ein bundesweites Ende der Campusmaut näherrückt. Wir kämpfen für Gebührenfreiheit, egal in welcher Koalition: in Hessen mit SPD und Linkspartei. In Nordrhein-Westfalen steht die rot-grüne Entscheidung kurz bevor. Im Saarland kämpfen wir übrigens gemeinsam mit Union und FDP dafür, weil auch sie gemerkt und eingesehen haben, dass die Abschreckungswirkung von Studiengebühren nicht ignoriert werden kann. In Hamburg wollen wir den durch uns bereits erheblich geminderten Gebührendruck mit einem Wechsel zu Rot-Grün vollends aufheben. Das wäre ein Erfolg, weil dann weitere Gebührenländer fallen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, darum ersparen Sie uns bitte solche Schaufensterinitiativen, die realpolitisch nichts bringen! Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung in den jeweiligen Bundesländern und schaffen Sie die Studiengebühren wieder ab! Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Gehring, achten Sie bitte auf das Signal. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zum Schluss. In Nordrhein-Westfalen, wo jeder vierte Student Deutschlands studiert, können Sie in diesen Tagen den rot-grünen Ausstieg aus den Studiengebühren ermöglichen. Appellieren Sie doch an Ihre Kolleginnen und Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, diese historische Chance nicht zu verspielen, sondern mit Rot-Grün die Gebühren abzuschaffen. Darum muss es jetzt gehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/4662 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf Mittwoch, den 23. Februar 2011, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und erfolgreiche Tage. (Schluss: 16.04 Uhr) Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 11.02.2011 Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.02.2011 Bülow, Marco SPD 11.02.2011 Burchardt, Ulla SPD 11.02.2011 Freitag, Dagmar SPD 11.02.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 11.02.2011 Frieser, Michael CDU/CSU 11.02.2011 Gerster, Martin SPD 11.02.2011 Gottschalck, Ulrike SPD 11.02.2011 Dr. Freiherr zu Guttenberg, Karl-Theodor CDU/CSU 11.02.2011 Herlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.02.2011 Kaczmarek, Oliver SPD 11.02.2011 Dr. Knopek, Lutz FDP 11.02.2011 Krichbaum, Gunther CDU/CSU 11.02.2011 Leidig, Sabine DIE LINKE 11.02.2011 Lenkert, Ralph DIE LINKE 11.02.2011 Lindner, Christian FDP 11.02.2011 Lutze, Thomas DIE LINKE 11.02.2011 Maurer, Ulrich DIE LINKE 11.02.2011 Möhring, Cornelia DIE LINKE 11.02.2011 Möller, Kornelia DIE LINKE 11.02.2011 Nietan, Dietmar SPD 11.02.2011 Nink, Manfred SPD 11.02.2011 Paula, Heinz SPD 11.02.2011 Philipp, Beatrix CDU/CSU 11.02.2011 Scheel, Christine BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.02.2011 Schlecht, Michael DIE LINKE 11.02.2011 Scholz, Olaf SPD 11.02.2011 Schwanitz, Rolf SPD 11.02.2011 Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 11.02.2011 Süßmair, Alexander DIE LINKE 11.02.2011 Ulrich, Alexander DIE LINKE 11.02.2011 Dr. Westerwelle, Guido FDP 11.02.2011 Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Thomas Oppermann (SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Zusatztagesordnungspunkt 8) Als Berichterstatter des Bundestages zu den abschließenden Verhandlungen des Vermittlungsausschusses am 9. Februar 2011 mache ich darauf aufmerksam, dass folgende Protokollerklärungen von Bund und Ländern abgegeben wurden. Diese Protokollerklärungen gebe ich nachfolgend zur Kenntnis: Die Bundesregierung würde die Möglichkeit der Erstreckung eines Mindestlohntarifvertrags in der Branche der Aus- und Weiterbildung nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Weiterbildung - und der Branche Sicherheitsdienstleistungen unterstützen, sofern die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz vorliegen. Voraussetzung für eine Erstreckung eines Mindestlohntarifvertrages ist in diesen Verfahren auch bei Erneuerungen eine Einstimmigkeit im Tarifausschuss. Für den Erlass einer Verordnung ist das Einvernehmen des Kabinetts erforderlich. In der Branche Sicherheitsdienstleistungen ist die Bundesregierung offen dafür, einen Mindestlohn auf tarifvertraglicher Grundlage zu etablieren. Sie wird daher entsprechende Bemühungen der zuständigen Tarifvertragsparteien auf der Grundlage der bestehenden rechtlichen Bedingungen begleiten. Im Falle eines neuen Verfahrens auf Allgemeinverbindlicherklärung eines Mindestlohntarifvertrages nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz in der Branche Weiterbildung wird die Bundesregierung die maßgeblichen Verhältnisse erneut eingehend prüfen und dabei insbesondere ermitteln, ob sich aufgrund eingetretener Erhöhung der Tarifbindung auf Arbeitgeberseite und der Bandbreite der vertretenen Arbeitgeber eine gegenüber Oktober 2010 geänderte Sachlage ergeben hat. Sollte dies nicht der Fall sein, vereinbaren Bund und Länder folgende Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes: Für die Branche der Aus- und Weiterbildung SGB II/ III, Weiterbildungsbranche, kann der Mindestlohn durch eine Kommission vorgeschlagen werden. Diese setzt sich zusammen aus der gleichen Anzahl von Vertretern der in der Branche tätigen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sowie aus je zwei Dienstgeber- und Dienstnehmervertretern Arbeitsrechtlicher Kommissionen der in dieser Branche tätigen kirchlichen Träger. Die Kommission wird von einem nicht stimmberechtigten Beauftragten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales geleitet. Eine Empfehlung kommt zustande, wenn auf allen Bänken, Gruppe der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter, Gruppe der Dienstgeber- und Dienstnehmervertreter, Gruppe der Arbeit- und Dienstnehmervertreter, Gruppe der Arbeit- und Dienstgebervertreter, mindestens eine Dreiviertelmehrheit der Stimmen erzielt wird. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann die Empfehlung durch Rechtsverordnung auf alle Arbeitgeber und Dienstgeber in der Weiterbildungsbranche entsprechend dem für das Arbeitnehmer-Entsendegesetz im Übrigen vorgesehenen Verfahren erstrecken. Es hat neben den Zielen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes Sicherstellung der Qualität der Dienstleistungen in der Weiterbildungsbranche sowie die in § 1 SGB II und § 1 SGB III hierzu formulierten Ziele zu beachten. Begrenzung der Tariföffnungsklausel durch eine Referenzregelung für Verleihzeiten - zugleich Mindestlohn für verleihfreie Zeiten. Im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wird vorgesehen, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aufgrund eines gemeinsamen Vorschlags von Tarifvertragsparteien der Arbeitnehmerüberlassung, vorschlagsberechtigte Organisationen, durch Rechtsverordnung bestimmen kann, bis zu welchem Mindeststundenentgelt zum Nachteil des Leiharbeitnehmers durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages vom Equal-Pay-Grundsatz abgewichen werden kann - sogenannte Referenzregelung. Wird in diesen Fällen von der Referenzregelung abgewichen, hat der Leiharbeitnehmer Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer zustehen würde. Dem Verordnungsgeber werden Kriterien für die Entscheidung vorgegeben. Dies sind: die Repräsentativität der vorschlagenden Organisationen, die Berücksichtigung der bestehenden bundesweiten Tarifverträge in der Arbeitnehmerüberlassung und die Geeignetheit des Vorschlags, die finanzielle Stabilität der sozialen Sicherungssysteme zu fördern. Beim Vorliegen mehrerer Vorschläge wird ein Verfahren in Anlehnung an § 7 Abs. 2 und 3 AEntG vorgesehen. Vor Erlass einer Rechtsverordnung wird der Tarifausschuss mit dem Vorschlag befasst. Der Tarifausschuss muss den Vorschlag befürworten. Für den Erlass der Verordnung ist das Einvernehmen des Kabinetts erforderlich. Das von Tarifvertragsparteien vorgeschlagene Mindeststundenentgelt ist zugleich derjenige Betrag, auf den der Leiharbeitnehmer in verleihfreien Zeiten mindestens Anspruch hat. Zur effektiven Kontrolle werden die Zollbehörden für den Bereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes mit Kontrollbefugnissen und Sanktionsinstrumentarien nach dem Vorbild des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ausgestattet. Die Tarifvertragsparteien sind aufgefordert, den Einsatz von Zeitarbeit in den einzelnen Branchen verantwortlich zu regeln und Missbräuche zulasten der Arbeitnehmer wirksam zu bekämpfen. Hierbei soll besonders berücksichtigt werden, nach welcher angemessenen Verleihdauer "Equal Pay" einsetzt. Sollten die Tarifpartner in den diesjährigen Tarifrunden keine befriedigenden Ergebnisse erzielen, wird die Bundesregierung eine Kommission einberufen. Aufgabe der Kommission wäre es, unter Wahrung der Tarifautonomie angemessene Vorschläge für die Bundesregierung zu erarbeiten. In Ergänzung des Ergebnisses des Vermittlungsausschusses werden durch Bund und Länder folgende Erklärungen zu Protokoll gegeben: Um zu einer baldigen Verbesserung der kommunalen Finanzsituation beizutragen, ist der Bund bereit, Sozialausgaben, die bisher von den Gemeinden getragen wurden, zu übernehmen. Unter diesen Bedingungen wird der Bund die Finanzierung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in drei Schritten bis zum Jahr 2014 vollständig übernehmen. Die vier Themenbereiche, die die Beratungen der Gemeindefinanzreformkommission bestimmen, werden weitergeführt. Einigung in diesen Bereichen ist keine Voraussetzung für die vorbezeichnete Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben. Unabhängig von anderen möglichen Änderungen bei der kommunalen Steuerfinanzierung wird die Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben im Rahmen der abschließenden Sitzung der Gemeindefinanzkommission einvernehmlich beschlossen. Zur Gegenfinanzierung der Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund wird die Bundesbeteiligung an den Kosten der Arbeitsförderung der Bundesagentur für Arbeit im entsprechenden Umfang abgesenkt und in der letzten Stufe maximal dem Wert eines halben Mehrwertsteuerpunktes entsprechen. Die Länder stellen dann diesbezüglich keine Forderungen an den entsprechenden Mehrwertsteuereinnahmen. Die Länder stimmen einer entsprechenden Änderung des § 363 Abs. 1 SGB III - Bundesbeteiligung an den Kosten der Arbeitsförderung - zu. Es besteht Einvernehmen zwischen Bund und Ländern, dass eine klarstellende Anpassung des § 1 Abs. 1 Satz 1 FAG zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Die Länder verzichten auf ihre Forderung einer Veränderung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft im laufenden Vermittlungsverfahren zum 7. SGB-II-Änderungsgesetz. Ab 2012 beteiligt sich der Bund an den Ist-Kosten der Unterkunft mit durchschnittlich jährlichen 25,1 Prozent. Die bisherigen Ländersonderquoten können erhalten bleiben. Die gesetzliche Festlegung zur Abgeltung der Kosten für das Bildungs- und Teilhabepaket bleibt davon unberührt. Anlage 3 Erklärung nach § 90 Abs. 1 GO in Verbindung mit § 10 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses der Fraktion DIE LINKE zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Zusatztagesordnungspunkt 8) Die Bundesregierung hat den Auftrag zur Ermittlung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht umgesetzt. Diesen skandalösen Misserfolg hat die zuständige Ministerin selbst provoziert. Von Anfang an zeigte Frau von der Leyen weder eine Bereitschaft, die Höhe des Regelsatzes verfassungskonform und sachgerecht umzusetzen noch einen spezifischen Regelsatz für Kinder zu entwickeln. Schon frühzeitig chaotisierte sie die eigentliche Aufgabe der Neuermittlung des Regelsatzes mit Debatten zu "Bildungschipkarten" und einem sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket. Die Regierung hat sich systematisch aus ideologischen Gründen jeder Erhöhung der Regelsätze verweigert. SPD und Grüne haben sich zunehmend den Vorgaben der Regierung angepasst, ohne letztlich eine Einigung herbeiführen zu können. Die Hartz-IV-Parteien zeigen damit eine beispiellose Ignoranz gegenüber dem Bundesverfassungsgericht und seinem Urteil. Hier tut eine schnelle rechtliche Klärung not. Die Bundesregierung hat die Reform gegen die Wand gefahren und versucht nun, mit vergifteten Ködern die Zusammenstimmung für ein verfassungswidriges Gesetz zu mobilisieren. Die Kommunen sollen durch die Übernahme der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung finanziell entlastet werden. Das ist im Grundsatz zu begrüßen. Was sie aber nicht laut sagt: Die Wohltaten für die Kommunen sollen durch Kürzungen bei der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden. Dies ist ein geradezu zynischer Vorschlag. Die Erwerbslosen sollen mit Leistungskürzungen für die Zustimmung zu der Hartz-IV-Reform bezahlen. Der von der Bundesregierung ermittelte Regelsatz ist weder sachgerecht noch genügt er den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Erstens hat die Bundesregierung entgegen dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts arme Haushalte nicht aus der Referenzgruppe herausgenommen. Vom Verbrauchsverhalten auf Hartz-IV-Niveau lebender Haushalte wird auf das Existenzminimum geschlossen - ein Zirkelschluss. Das Bundesverfassungsgericht schreibt in seinem Urteil ausdrücklich, dass Zirkelschlüsse bei der Festlegung der Regelsätze zu vermeiden sind. Zweitens wurde ohne nachvollziehbare Begründung die Referenzgruppe von den untersten 20 auf die untersten 15 Prozent der Haushalte reduziert, und drittens ist die Anerkennung vieler Verbrauchsausgaben der Referenzgruppe als "regelsatzrelevant" verweigert worden. Im Klartext: Von den Verbrauchsausgaben der - ohnehin schon unzureichend definierten - Referenzgruppe wurde nur ein Anteil von etwas mehr als 70 Prozent der Ausgaben als regelsatzrelevant anerkannt. Bei den Regelsätzen für Kinder und Jugendliche fehlt weiterhin eine sachgerechte Ermittlung der eigenständigen Bedarfe. Zum einen ist die Datengrundlage zur Ermittlung eines altersspezifischen Regelbedarfs nach wie vor zu gering. Zum anderen zeigt eine aktuelle Expertise, die im Auftrag der Fraktion Die Linke im Dezember 2010 zu den Ernährungskosten erstellt wurde - dieser ist der größte Einzelposten bei der Regelsatzbemessung -, dass eine gesunde Ernährung von Kindern und Jugendlichen mit solchen Regelsätzen faktisch nicht möglich ist. Die Linke hat Berechnungen des Statistischen Bundesamtes für einen verfassungskonformen Regelsatz in die Verhandlungen eingebracht, die von der Regierung sowie SPD und Grüne ignoriert wurden. Anschließend wurde die Linke aus dem Vermittlungsverfahren ausgegrenzt. Das Verfahren wurde so zu einer Farce, die keinen demokratischen Maßstäben gerecht wird. Auch diese Fragen wird das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden haben. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist eindeutig verfassungswidrig. Daher lehnt die Fraktion Die Linke den vorgelegten Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses ab. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Thomas Dörflinger (CDU/ CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 22) Ich werde dem Gesetzentwurf der Bundesregierung heute meine Zustimmung erteilen. Das Ziel, Anleger zu schützen und den Kapitalmarkt funktionsfähiger zu machen, ist unstrittig und wird in weiten Teilen des Entwurfs auch erreicht. Trotzdem habe ich in folgenden Punkten Zweifel: Erstens. Es ist für mich fraglich, ob der sowohl bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht - BaFin - als auch bei den Kreditinstituten durch den Aufbau einer zentralen Datenbank zur Erfassung von rund 300 000 Anlageberatern entstehende Verwaltungsaufwand gerechtfertigt ist. Zweitens. Es wäre ausreichend gewesen, wenn man die Erstellung einer Datenbank auf jene Anlageberater konzentriert hätte, die sich nachweislich der Falschberatung ihrer Kunden schuldig gemacht haben. Drittens. Der Gesetzentwurf lässt meines Erachtens außer Acht, dass Anlageberater selbst durch bestimmte Vorgaben seitens des Managements in den Instituten unter Druck stehen. Insofern ist es nach meinem Dafürhalten fragwürdig, die rechtlichen Konsequenzen nur auf die in der Anlageberatung Tätigen zu konzentrieren. Viertens. Der Gesetzentwurf lässt die Anlageberater am sogenannten Grauen Kapitalmarkt außen vor; sie sollen zukünftig der Gewerbeaufsicht unterworfen werden. Dies ist meines Erachtens nicht zielführend. Anlage 5 Erklärung der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 22) Ich erkläre im Namen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, dass unser Votum Nein lautet. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Vorbereitung des 4. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung in der 17. Wahlperiode - Armuts- und Reichtumsberichterstattung weiterentwickeln (Tagesordnungspunkt 25) Ulrich Lange (CDU/CSU): Wir sprechen heute über die Forderungen der SPD zur Erstellung des kommenden Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung. Damit kritisieren Sie direkt den dritten Bericht, den Sie noch mitzuverantworten haben. Kritik ist gut, aber diese Kritik sollte konstruktiv sein. Dies lässt dieser Antrag in vielen Bereichen jedoch vermissen. Aus Ihrem Antrag wird deutlich, dass Sie die Neiddebatte wieder eröffnen wollen. Auch bei uns finden Sie Menschen, denen es finanziell nicht gut geht, aber wenn Sie wirkliche Armut in Europa suchen, werden Sie in Deutschland nicht wirklich fündig. Da müssen Sie zum Beispiel nach Rumänien oder Bulgarien gehen. In Deutschland wird auf sehr hohem Niveau geklagt. Aber trotzdem stimmen wir mit Ihnen darin überein, dass die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit einem erhöhten Armutsrisiko eine Herausforderung für die ganze Gesellschaft ist. Sie fordern, dass der Bericht Handlungsperspektiven für eine Stärkung der Teilhabe- und Verwirklichungschancen des Einzelnen aufzeigen müsse, vor allem in Richtung besserer Bildung, verbesserter Gesundheit und erleichterten Zugänge zu Erwerbsarbeit mit existenzsicherndem Einkommen. Meine Damen und Herren von der SPD, haben Sie Ihren eigenen Armutsbericht denn nicht gelesen? Darin werden Handlungsperspektiven aufgezeigt. Aber in der Opposition hat man so viel zu tun, dass man nicht mehr die Zeit hat, einen Bericht mit über 420 Seiten zu lesen, sondern man kritisiert einfach. Müntefering hat recht, wenn er sagt: Opposition ist Mist. Zumindest hätten Sie sich, bevor Sie Verbesserungen für die kommenden Berichte vorschlagen, die Kurzfassung ansehen sollen. Darin heißt es, dass Grundbedingungen für mehr Teilhabe- und Verwirklichungschancen wirtschaftliches Wachstum und die damit einhergehenden Beschäftigungsmöglichkeiten sind. Sie fordern Handlungsperspektiven: Bei den Kernaussagen steht: "Der Schlüssel zur Armutsvermeidung ist mehr Bildung und Beschäftigung. Alle Bemühungen müssen darauf ausgerichtet sein, Vollbeschäftigung zu erreichen". Wir haben mit unserer Arbeitsmarktpolitik dafür gesorgt, dass die Arbeitslosigkeit immer weiter gesunken ist. Wirtschaftliche Leistung und Schaffung von Beschäftigung sind objektive, nachprüfbare, qualitative und quantitative Werte, wie sie von Ihnen gefordert werden. Daran können Sie unsere Arbeit messen. Wir sind stolz auf unsere Leistung. Der Antrag zeigt aber auch Ihre verkorkste Einstellung zu Reichtum. Da sind die Linken weiter: Die haben im letzten Wahlkampf "Reichtum für alle" gefordert. Sie wollen scheinbar Reichtum verteufeln. Sie wollen wieder mal eine Neiddebatte heraufbeschwören. Wir brauchen keine Analyse, wie sich Reichtum auswirkt, sondern wie wir in Deutschland Armut verhindern und abbauen können. Und dazu trägt der von Ihnen erstellte und jetzt mehr oder weniger verurteilte Bericht bei. Ihre wirren finanzpolitischen Vorstellungen werden auch in Ihrer Forderung deutlich, dass der Bericht Auskunft darüber geben soll, wie sich der Einsatz öffentlicher Mittel zum Beispiel zur Bankenrettung auf die Reichtums- und Armutsentwicklung in der Gesellschaft auswirkt. Ihnen scheint nicht klar zu sein, dass damals in der Großen Koalition durch den Bankenschutzschirm erreicht wurde, unser Finanzsystem zu erhalten und zu stabilisieren. Damit wurde unser soziales System erhalten, damit wurde auch die Grundlage für unser Wirtschaftswachstum gelegt. Dem beherzten Zugreifen von Angela Merkel ist es zu verdanken, dass Deutschland heute im Vergleich zu anderen europäischen Wirtschaftsnationen so gut dasteht. Davon haben alle Gesellschaftsschichten, davon hat ganz Deutschland profitiert. Obwohl der dritte Armutsbericht aus 427 Seiten besteht, fordern Sie jetzt noch zusätzlich eine Verknüpfung und Überfrachtung des kommenden Armutsberichts, sodass sich niemand mehr die Mühe machen würde, ihn zu lesen. Ich will nur einige Punkte von Ihrer langen Liste aufführen: Sie fordern einen Abgleich zwischen den kommunalen, länderspezifischen Armuts- und Reichtumsberichten und dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Sie fordern den Abgleich mit den Vorgängerberichten, zum Beispiel hinsichtlich der Zahl überschuldeter Haushalte. Sie fordern eine Vernetzung und Bündelung von Berichten zu Familie, Kindern und Jugendlichen, Senioren, Bildung, Migration, Renten, aber auch Städtebau. Damit gelangen wir nicht zu einer neuen ressortverbindenden Bündelungspraxis und zu einer effektiveren vertikalen Bündelung zwischen Kommunen, Ländern und dem Bund, hiermit erhalten wir einen Tsunami an Informationsgewurschtele, der alle, die sich damit beschäftigen wollen, erschlagen wird. Das ist Statistikwahn, Zahlenwust. Am Ende hätten wir mehr Daten ohne Aussage. Die Folge wäre: Bürokratie und keine Aussagen, volkswirtschaftlicher Unfug, betriebswirtschaftlicher Irrsinn. Sehr interessant ist Ihre Forderung unter Punkt sieben: Sie wollen die Einbeziehung der Länder und Kommunen, "da sich Armut und Reichtum zu einem erheblichen Teil auf Länder- und kommunaler Ebene spiegelt (abzeichnet)". Mit dieser Aussage haben Sie recht! Aber hier brauchen wir nicht einen Forschungsauftrag zur Ermittlung der Ursache, es gibt ein relativ einfaches Handlungsmuster: Jedem Land, das langfristig von der Union geführt wird, geht es gut. Und umgekehrt gibt es dort finanzielle Probleme, wo eine SPD-geführte Regierung langfristig am Ruder ist. Deshalb geht es Ländern wie Bayern, Baden-Württemberg und Hessen gut und Ländern wie Berlin schlecht. Bei uns können Sie mit Aussprüchen wie "Arm, aber sexy" in der Bevölkerung nicht punkten. Unsere Bevölkerung will Wirtschaftswachstum und Beschäftigung und damit Wohlstand. Die wirtschaftliche Lage zeigt eindeutig, dass wir die besseren politischen Konzepte haben. Am Ende meiner Rede möchte ich aber auch eine Forderung von Ihnen unterstützen: Ich stimme mit Ihnen darin überein, dass Tabellen im Anhang so verständlich und leicht nachvollziehbar dargestellt werden sollen, dass sie der guten Lesbarkeit des Berichts dienen, und - das möchte ich ergänzen - sie sollten so leserlich sein, wie der gesamte Bericht sein soll. Schluss mit dem Daten- und Statistikwahn! Schauen wir selbst in unser Land und auf die Menschen, vertrauen wir nicht auf Gutachten und Statistiken, die immer schief sind! Glaube keiner Statistik, wenn du sie nicht selbst gefälscht hast! Trauen wir uns, Politik für die Menschen zu machen, aus eigener Anschauung, Kenntnis und Verantwortung! Die Menschen warten auf uns - nicht auf Statistiken. Dr. Peter Tauber (CDU/CSU): Wir reden heute darüber, welche Eckpunkte, welche Aspekte in den Mittelpunkt des regelmäßig von der Bundesregierung vorgelegten Armuts- und Reichstumsbericht rücken sollen. Der Antrag der SPD suggeriert, dass es hier einer dringenden Neujustierung bedürfe. Um es gleich vorwegzusagen: Dies ist aus unserer Sicht nicht geboten. Das Ansinnen der SPD ist im Gegenteil eher kritisch zu bewerten. Es steht die Frage im Raum, ob hier nicht der Wunsch Vater des Gedankens ist, die Parameter einfach so zu verändern, dass am Ende das Ergebnis steht, das man gerne hätte. Das mag politisch opportun sein, hat aber mit einer wissenschaftlichen Grundlage, aus der wir für unser politisches Handeln Rückschlüsse ziehen können, nicht mehr viel zu tun. Gerade angesichts der aktuellen Blockade der Sozialdemokraten bei den notwendigen Reformen des SGB II drängt sich doch der Verdacht auf, dass es gar nicht um die Menschen selbst geht, die in Armut leben, sondern dass man diese in Statistiken und Tabellen für politische Debatten instrumentalisiert. So kann man auch den Antrag der SPD lesen. Das ist fahrlässig, und es funktioniert auch nicht. Das sieht man beispielsweise daran, dass die meisten Menschen in unserem Land der SPD die Schuld am Scheitern der drängenden Reformen bei Hartz IV geben. Darum: Ändern Sie nicht Paramenter für wissenschaftliche Studien! Machen Sie mit bei den notwendigen Reformen, um vor allem Kindern und Jugendlichen durch das von uns vorgeschlagene Bildungspaket Perspektiven zu eröffnen! Das wäre ein hilfreicher Beitrag im Kampf gegen Armut, zumindest hilfreicher als Ihr Antrag heute. Man fragt sich zudem, ob Sie die Wirklichkeit in diesem Land noch bereit oder in der Lage sind, wahrzunehmen. Ich persönlich kann das ständige Gemecker, die ständigen Negativschlagzeilen aus den Reihen der Sozialdemokratie nicht mehr hören. Deutschland hat durch Vernunft und auch durch kluge Politik wie kein anderes Land einen Weg aus der Krise gefunden. Darauf kann man stolz sein, und das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Armut in unserem Land. Die Arbeitsmarktzahlen, das Wirtschaftswachstum sind Positivbeispiele, und ich fordere Sie auf: Hören Sie auf, Deutschland ständig schlechtzureden! Wir wollen keineswegs Probleme vom Tisch wischen. Es ist auch das Ziel dieser christlich-liberalen Koalition, Armut zu bekämpfen, Menschen Perspektiven zu geben und den Zusammenhalt in unserem Land zu stärken. Darum lohnt sich ein Blick auf die Gesamtsituation: Deutschland gehört zu den OECD-Staaten, in denen die Ungleichheit der Markteinkommen mit am stärksten durch Steuern und Sozialtransfers reduziert wird. Sozial- und familienpolitische Transferleistungen wie Arbeitslosengeld II, Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld haben das Risiko der Einkommensarmut laut des letzten Armutsberichts von 26 Prozent auf 13 Prozent und bei Kindern von 34 Prozent auf 12 Prozent gesenkt. Damit liegen wir deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Dies zeigt, dass der Sozialstaat - der viel gescholtene - funktioniert. Und es zeigt auch, dass diejenigen, die mit Ihrer Leistung diese Gesellschaft tragen, einen erheblichen Beitrag leisten, damit diejenigen, die Hilfe bedürfen, diese auch erhalten. Es wird aber auch deutlich, dass man diese täglich wie selbstverständlich gelebte Solidarität, die ihren Ausdruck eben nicht nur im Zahlen von Steuern findet, nicht überstrapazieren darf. Es sei an dieser Stelle noch einmal gesagt: Machen wir nicht den Fehler und schauen nur auf die Enden unserer Gesellschaft, oben und unten. Nehmen wir öfter die große Mittelschicht in den Blick. Und erkennen wir an, dass es die Leistungsträger in der Gesellschaft sind, die neben ihrer Arbeit und ihrem Ideenreichtum oft auch im Ehrenamt im sozialen Bereich einen Beitrag leisten, damit unsere Gesellschaft solidarisch und menschlich bleibt. Dies zeigt auch, dass der deutsche Sozialstaat, den die linke Seite des Hauses immer wieder schlecht macht, in beachtlicher Weise wirkt. Gemessen an der Reduzierung der Armutsgefährdung hat Deutschland nach den skandinavischen Staaten einen der großzügigsten Sozialstaaten Europas und damit auch der ganzen Welt. Die Armutsgefährdungsquote liegt in Deutschland bei 15,5 Prozent und damit unter dem EU-Durchschnitt von 16,3 Prozent. Betrachtet man den EU-Spitzenwert von 25,7 Prozent in Lettland, steht Deutschland - bei allen notwendigen Verbesserungen - durchaus gut da. Ganz zentral ist aber die sogenannte "Langzeitarmut", die mit wirklichem "Elend" verbunden ist. Wir reden hier über Menschen, die drei Jahre oder länger unterhalb der Armutsgrenze leben. Wir reden über Menschen, die unser Sozialstaat aus den verschiedensten Gründen nicht mehr erreicht. Hier geht es oft um dramatische persönliche Schicksale, aber auch hier darf man feststellen: Da steht Deutschland sehr gut da. Laut dem letzten Armutsbericht sind zwei bis drei Prozent der Personen davon betroffen. Dies ist ein Prozentsatz, der der Hälfte des OECD-Durchschnitts entspricht und nur in Dänemark und den Niederlanden noch niedriger ist. Schon heute findet eine gewaltige Umverteilung von oben nach unten statt. Die obersten zehn Prozent der Einkommensteuerpflichtigen tragen 40 Prozent des Einkommensteueraufkommens bei. Für mich sind diese Steuerzahler Leistungsträger, die für ihr Einkommen hart arbeiten und die den Sozialstaat erst ermöglichen und finanzieren. Ich warne Sie vor diesem Hintergrund davor, eine Neiddebatte in unserer Gesellschaft zu schüren. Wenn man den Ton Ihres Antrags an einigen Stellen liest, ist genau das zu befürchten. Die systematische Emotionalisierung der Menschen in Deutschland, die Sie ganz offensichtlich vorbereiten, bringt uns keinen Schritt weiter. Im Gegenteil, sie versperrt den Blick auf machbare Maßnahmen. Zur Systematik: Die begriffliche Fassung von Reichtum ist - wie Sie wissen - sehr vielschichtig. Nicht einmal in der Wissenschaft besteht ein Konsens darüber, was Reichtum konkret beinhaltet und wie er gemessen werden kann. Die Bundesregierung hat daher ein Forschungsprojekt in Auftrag gegeben, in dem Möglichkeiten und Grenzen der Reichtumsberichterstattung und mögliche Perspektiven für die weitere Erforschung des Reichtums in Deutschland skizziert werden sollen. Dies ist wichtig. Es gehört sicherlich dazu, beim Blick auf die Armut auch einmal zu fragen, wie es denen geht, die durch ihre Arbeit, ihr Können, vielleicht auch durch Glück und ein günstiges Schicksal besser dastehen. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir eine Neiddebatte beginnen und anfachen. Der Journalist Ralf Schuler hat neulich ein Wesensmerkmal einer freien Gesellschaft beschrieben, das uns nicht gefallen muss, das aber doch der Wirklichkeit entspricht. Er hat konstatiert: "Darum wird eine humane Gesellschaft immer eine ungleiche unzulängliche Gesellschaft sein, in der Wettbewerb herrscht, bei dem es Gewinner und Verlierer gibt. Die meisten ... Parteien arbeiten daran, diese unvollkommene Gesellschaft besser zu machen und Korrekturen anzubringen, wo es aus Fehlern etwas zu lernen gibt." Er beschreibt damit die soziale Marktwirtschaft. Wir laden Sie gerne dazu ein, mit uns daran zu arbeiten, durch ein Mehr ein Teilhabe, aber auch das Einfordern von Verantwortung und das Fördern mehr Menschen dazu zu befähigen, ihr Leben selbst zu gestalten. Viele der von Ihnen geforderten Punkte, wie etwa die Einbringung von Erkenntnissen der Monopolkommission zu Betriebsvermögen der Unternehmen und ihrer Konzentration im Armuts- und Reichtumsbericht, sind nicht machbar. Es ist nicht möglich, aus Analysen zu wirtschaftspolitischen Fragestellungen Schlussfolgerungen für die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu ziehen. Ganz offensichtlich war in vielen Bereichen Ihres Antrages mehr der Wunsch als der Realitätssinn Herr des Gedankens. Sie können sich darauf verlassen: Auch im Rahmen des Vierten Armuts- und Reichtumsberichts wird die Bundesregierung eine umfassende Analyse der sozialen Lage in Deutschland vorlegen, die insbesondere zum Ziel hat, die Wirksamkeit von politischen Maßnahmen gegen Armut und soziale Ausgrenzung zu überprüfen. Gleichzeitig wird er auch dieses Mal Instrument zur Förderung von Teilhabegerechtigkeit durch die Anregung neuer Maßnahmen sein. Diesem Auftrag wird die Bundesregierung auch in diesem Jahr nach bestem Wissen und Gewissen nachkommen, dazu bedarf es keines Antrags der SPD. Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Ziel des vorliegenden Antrages ist die Weiterentwicklung des Vierten Armuts- und Reichtumsberichtes. In der Präambel kommen die Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion zu dem Schluss, dass einer "gerechteren Verteilung von Wohlstand und Arbeit entscheidende Bedeutung für die Entwicklung unseres Landes zukommt". Da ist er wieder: der Begriff der Gerechtigkeit. Manchmal habe ich den Eindruck, dass hier im Hause fast pausenlos das Hohelied der Gerechtigkeit gesungen wird. Richtig deutlich wird das in Wahlkampfzeiten. Dann wird Gerechtigkeit von den meisten Politikern gefordert - übrigens gleich, welcher Parteifarbe. Fatal ist nur, dass jeder in der Politik unter Gerechtigkeit etwas anderes versteht. In Ihrem Antrag wird deutlich, was Sie darunter verstehen, nämlich Umverteilungsgerechtigkeit und damit Gleichheit. So erwecken Sie in der Bevölkerung die Erwartungshaltung, dass man durch Gleichmacherei die sozialen Probleme in unserem Lande lösen kann. Das aber ist ein Irrtum. Gleichheit mag zwar auf den ersten Blick bequem erscheinen, sie vernichtet aber jegliche Leistungsbereitschaft des Einzelnen, jegliche Motivation, jegliche Eigenverantwortung und damit jeglichen Wohlstand. Eine Gesellschaft, die auf Gleichmacherei setzt, hat ihre Zukunft schon hinter sich. Eine Gesellschaft muss vielmehr auf Chancengerechtigkeit setzen, im Sinne gleicher Startchancen. Und genau in diesem Punkt liegt schlicht der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik. Wir werden sicherlich im Ausschuss noch eine fachliche Auseinandersetzung über Ihre einzelnen Vorschläge führen. Gleichzeitig würde ich dafür plädieren, dass wir uns einmal die Armutsdefinition vornehmen. Ich persönlich - daraus mache ich keinen Hehl - habe große Probleme mit der Definition von Armut, wie sie im Armuts- und Reichtumsbericht verwendet wird. Armut und Reichtum sind hier immer relativ. Als "arm" gilt jemand, der weniger als die Hälfte des Nettodurchschnittseinkommens, median, verdient. Als "armutsgefährdet" gilt jemand, der weniger als 60 Prozent des Nettodurchschnittseinkommens verdient. Das heißt, wenn jeder in Deutschland von heute auf morgen doppelt so "reich" würde, werden wir alle objektiv reicher, aber im Armuts- und Reichtumsbericht würde es noch immer genauso viele "Arme" wie "Reiche" geben. Das muss mir mal einer erklären. Und wenn 100 Einkommensmillionäre nach Deutschland zögen, würde rasant die Zahl der Armen steigen, ohne dass sie über einen Cent weniger verfügten als zuvor. Das hat mit Logik nichts mehr zu tun. Auch die willkürliche Festlegung der Grenzwerte bei der Armutsdefinition ist fragwürdig. Wie kommt man zum Beispiel auf die 50 oder 60 Prozent? Warum nicht 70 Prozent? Kurzum: Wir sollten uns über diese Zusammenhänge Gedanken machen; ansonsten besteht die Gefahr, dass wir aus den Armuts- und Reichtumsberichten die falschen Schlussfolgerungen ziehen. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Fakt ist: Wir leben in einem reichen Land. Fest steht aber auch: Nur wenige Superreiche profitieren wirklich davon. Immer mehr Menschen hingegen sind arm. Das Armutsrisiko ist in den letzten zehn Jahren um ein Drittel angestiegen. Betroffen sind vor allem Kinder. Das dürfen wir nicht zulassen! Wir brauchen eine wirksame Offensive zur Bekämpfung von Armut in unserem Land! Die Armuts- und Reichtumsberichterstattung der bisherigen Bundesregierungen bietet hierfür eine gute Grundlage. Drei Berichte unter Federführung der SPD gibt es bereits seit 2001. Nun warten wir gespannt auf den vierten Bericht, den die schwarz-gelbe Bundesregierung in diesem Jahr vorlegen müsste. Ich sehe schwarz, denn Armutsbekämpfung und Verteilungsgerechtigkeit gehören nicht zu den Arbeitsschwerpunkten dieser Regierung. Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag wird der Armuts- und Reichtumsbericht nicht einmal erwähnt. Trotzdem wird Ministerin von der Leyen nicht müde, Armut - vor allem von Kindern - in Deutschland zu beklagen. Wo aber, so frage ich, bleiben ihre Taten? Es gibt sie nicht. Im Gegenteil: Die Ministerin macht keinen einzigen Eurocent mehr Sozialgeld für arme Kinder locker. Trotz Bundesverfassungsgerichtsurteil schon im letzten Jahr müssen Hartz-IV-Kinder weiterhin auf Bildungsgerechtigkeit und das versprochene warme Mittagessen warten. Was von der Ministerin im Vermittlungsausschuss als Bildungspaket vorgelegt wurde, ist nicht nur ungerecht, sondern auch mit riesigem Bürokratieaufbau und unvertretbar hohen Kosten verbunden. Hortkinder sollten von der warmen Mahlzeit gänzlich ausgeschlossen bleiben, und Kinder von Eltern mit kleinem Geldbeutel ebenfalls in die leere Röhre gucken. So sieht die traurige Wahrheit für 2,5 Millionen arme Kinder aus! Armut bekämpfen heißt, Arbeitslosigkeit bekämpfen. Man muss aber das Richtige tun, damit dies gelingt, zum Beispiel wie SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz. Er hat Deutschland mit der Reform des Kurzarbeitergeldes und einer breiten Qualifizierungsoffensive sicher durch die schwerste Wirtschaftskrise geführt. Er hat so vielen Menschen Arbeitslosigkeit und Armut erspart! Richtig war es auch, endlich Mindestlöhne in Deutschland einzuführen, um die Lohnspirale nach unten und Armut trotz Arbeit zu stoppen. Was tut die Ministerin von der Leyen? Sie hatte unmittelbar nach ihrer Amtsübernahme 2009 eine große Offensive für arbeitslose Alleinerziehende, Jugendliche und Ältere angekündigt. Was ist geschehen? Auf die Offensive warten wir bis heute vergebens. Schlimmer noch: Die Gelder für die aktive Arbeitsförderung wurden massiv eingedampft. Allein für das Jahr 2011 sind es 2 Milliarden Euro weniger! Im Rahmen der Hartz-IV-Verhandlungen hätten wir eine gute Chance gehabt, weitere Branchen mit Mindestlöhnen abzusichern. Doch Ministerin von der Leyen war nicht einmal in der Lage, einen Kompromiss im eigenen Lager hinzubekommen. Dringend notwendige Mindestlöhne für die Leiharbeit, für das Sicherheitsgewerbe und für die Weiterbildungsbranche sind an dem Widerstand der FDP in der schwarz-gelben Koalition gescheitert! Im Mai werden wir die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa und damit auch hier bei uns in Deutschland haben. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, und Ihre Ministerin liefern Beschäftigte in unserem Land Lohndumping schutzlos aus! Mehrere Umfragen, zum Beispiel von der Hans-Böckler-Stiftung, haben ergeben, dass 70 Prozent für einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland sind. Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis, und regieren Sie nicht länger an den Menschen vorbei! Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn! Wir brauchen gleichen Lohn für gleiche Arbeit! Bewegen Sie sich endlich! Wir können uns ein Schneckenkabinett nicht leisten! Und ich frage Sie: Wo bleibt die Kanzlerin in dieser schwierigen Situation? Eigentlich unfassbar: In den so wichtigen Hartz-IV-Verhandlungen, in denen es um das Existenzminimum von Menschen geht, hat es die Kanzlerin noch nicht einmal für nötig befunden, Gesprächsangebote von SPD und Grünen entgegenzunehmen. Statt Armut einzudämmen, wird Armut ausgeweitet: Der Zuschuss an die Rentenversicherung beim Arbeitslosengeld II - gestrichen. Das Elterngeld für Langzeitarbeitslose und der Heizkostenzuschuss beim Wohn-geld - gestrichen. Besonders schlimm: Über 25-jährigen Menschen mit Behinderung, die bei ihren Eltern oder in Wohngemeinschaften leben, soll der Regelsatz um 20 Prozent gekürzt werden! Das sind rund 70 Euro weniger im Monat! So eiskalt verhält sich Ministerin von der Leyen im sozialen Bereich! Ich bin gespannt, wie sich das alles auf den Vierten Armuts- und Reichtumsbericht auswirken wird! Wir fordern eine umfassende und transparente Berichterstattung, die Armut, aber natürlich auch Reichtum gleichermaßen beschreibt. Im Vierten Armuts- und Reichtumsbericht müssen die Ziele gegen Armut und für mehr Verteilungsgerechtigkeit in einem Aktionsplan zusammengefasst werden. Diese Weiterentwicklung fordern wir von der Bundesregierung ein. Es muss klar nachprüfbar sein, welche Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und für Verteilungsgerechtigkeit ergriffen wurden, welche Erfolge daraus resultierten oder wo es Fehlentwicklungen gab. Die gesellschaftliche Einkommens- und Vermögensverteilung darf kein Tabu sein. Wir brauchen hier Transparenz und eine kritische Analyse, um politisch handlungsfähig zu sein und die richtigen Schlüsse ziehen zu können. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine bessere Kooperation mit den Bundesländern und der kommunalen Ebene. Denn auch hier werden Armuts- und Reichtumsberichte erstellt. Diese Erhebungen und Ergebnisse müssen besser miteinander koordiniert und verzahnt werden. So bekommen wir einen umfassenderen Überblick über Verteilungsentwicklungen in Deutschland. Es reicht allerdings nicht aus, die Ergebnisse dann nur zur Kenntnis zu nehmen. Handlungsempfehlungen müssen zeitnah umgesetzt werden. Hilde Mattheis (SPD): Mittlerweile sind etwas mehr als 15 Jahre vergangen, seitdem sich Deutschland auf dem Weltsozialgipfel von 1995 in Kopenhagen verpflichtet hat, "das Ausmaß, die Verteilung und die Merkmale der Armut, der Arbeitslosigkeit, der sozialen Spannungen und der sozialen Ausgrenzung zu bewerten und Maßnahmen zu ergreifen, die auf die Beseitigung der Armut, die Steigerung der produktiven Beschäftigung und eine verstärkte soziale Integration abzielen; und unter anderem termingebundene Ziele beziehungsweise Zielwerte für die Verringerung der Armut insgesamt und die Beseitigung der absoluten Armut festzulegen". Aber erst im Jahr 2000 wurde unter der damaligen rot-grünen Regierung der Beschluss gefasst, regelmäßig zur Mitte der Legislaturperiode einen "Armuts- und Reichtumsbericht" aufzulegen, einen Armuts- und Reichtumsbericht, weil uns klar war: Nur wenn beide Pole in der Gesellschaft analysiert werden, ist das für die politische Ableitung zielführend. In seinem Beschluss, Drucksache 14/999, legte die rot-grüne Mehrheit des Bundestages fest: "Die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass ein solcher Bericht nicht zu einem Zahlengrab wird, sondern auf einer qualifizierten Datengrundlage Auskunft gibt über die gesamte Verteilung von Einkommen und Lebenslagen, der Komplexität und Vielschichtigkeit von Armut und Reichtum Rechnung trägt und die Ursachen von Armut und Reichtum darlegt." Weiter wurde festgelegt, dass der empirische Teil des Berichts unter verbindlicher Beteiligung von Armuts- und Reichtumsforschern unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung erstellt wird. Es wurde auch festgelegt, dass bei der Berichtserstellung neben den Experten aus der Wissenschaft auch Vertreter der Länder und Kommunen, Verbände und Institutionen sowie Betroffenenorganisationen in einem ständigen Beraterkreis zu beteiligen sind. In diesen Festlegungen wurde der hohe Anspruch an die Armuts- und Reichtumsberichterstattung deutlich und auch der politische Wille formuliert, kritisch eigene Entscheidungen auf ihre Wirkung zu hinterfragen. Das war ein mutiger Schritt. Und die jeweiligen, zum Teil kritischen und auch selbstkritischen Debatten zu den bisherigen drei Armuts- und Reichtumsberichten waren von dem Ziel geprägt, dem selbstformulierten Anspruch möglichst nahezukommen und auch Erwartungen an die nächstfolgende Berichterstattung zu formulieren und diese damit weiterzuentwickeln. Das tut die SPD in diesem Antrag wieder. Denn mit der Antwort auf unsere Kleine Anfrage vom Sommer letzten Jahres hat die Bundesregierung nur zu deutlich gemacht: Eine öffentliche Debatte über Verteilungsfragen in unserer Gesellschaft wird von dieser Regierung nicht gewünscht. Es ist offenkundig, dass diese Regierung die Absicht hat, eine Berichterstattung "light" vorzulegen. Wie wichtig aber die Befassung mit Fragen der Verteilung von Geld, Teilhabechancen und auch Aufstiegschancen ist, haben wir heute Morgen in der aktuellen Debatte um das Gesetz zur Änderung des Zweiten und Zwölften Sozialgesetzbuches gesehen. Auch gestern bei der Debatte um Gleichstellung haben wir erlebt, wie die Regierung bei wichtigen Fragen der Verteilung abblockt. Nicht nur durch diese Beispiele wird klar, welche Schlüsse die Bundesregierung aus offensichtlichen Ungerechtigkeiten zieht und welches Regierungshandeln daraus folgt. Auch auf der anderen Seite, bei der Konzentration von Reichtum, können Beispiele genannt werden: Um bei ihrem Haushaltssparpaket von unsozialer Umverteilung abzulenken und dem Vorwurf der sozialen Unausgeglichenheit zu entgehen, hatten Union und FDP beschlossen, das Elterngeld auch für Reiche zu streichen. Dieses wurde großartig angekündigt. Aber mittlerweile hat sich herausgestellt: Wer ein zu versteuerndes Einkommen von 150 000 Euro aufweist, gleichzeitig aber noch Kapitaleinkünfte von 250 000 Euro bezieht, kann durchaus weiterhin Elterngeld beantragen und auch beziehen. Ursache sei "eine Gesetzeslücke", wie die Bundesregierung im Nachhinein zugesteht. Es wird zwar betont, dass die Elterngeldstelle auch Kapitaleinkünfte berücksichtigen müsse. Doch im Steuerbescheid - oh Wunder - tauchen die Kapitalerträge nicht auf. Das Schlimme ist: Solche Beispiele lassen sich wie Perlen auf eine Schnur ziehen. Das sind keine Ausnahmen, sondern gewollte Regel. Gerade der Aspekt der Reichtumsberichterstattung war es, der im Jahr 2000 als mutiger Schritt gegolten hat. Denn nach dem Motto "Reichtum ist ein scheues Reh" waren es diese Lücken und Mängel, die eine Erfassung der gesellschaftlichen Gegebenheiten nur unzureichend möglich machten. Und auch im 3. ARB mussten bei all den Fortschritten seit 2000 festgestellt werden, dass gerade die Datenlage für die Reichtumsentwicklung in unserer Gesellschaft immer noch verbesserungsfähig ist. Wir wissen zwar: Ein Prozent der Bevölkerung besitzt ein Viertel des gesamten Privatvermögens. Und selbst in der Finanzmarktkrise ist die Zahl der Millionäre in Deutschland auf mittlerweile 860 000 gestiegen. Wir wissen auch: Die Hälfte der Bevölkerung besitzt kein Vermögen. Und wir wissen, dass die sogenannte Elite in unserer Gesellschaft eine gläserne Decke eingezogen hat, sich nach unten abschottet und ihre Privilegien mithilfe der Bundesregierung verteidigt. Die Durchlässigkeit unserer Gesellschaft steht nur auf dem Papier, die Wirklichkeit sieht anders aus. Vor allem sind es Frauen, die an diese gläserne Decke stoßen. Deshalb haben wir bereits nach dem 3. ARB gefordert: Eine Analyse von Reichtum muss auch privilegierte Zugänge zu Bildung und zu beruflichen Spitzenpositionen sowie Aspekte wie Macht und Einfluss umfassen, auch die Vererbung von Vermögen aufführen. Es bedarf zusätzlicher Indikatoren und umfassender Indikatorentableaus, um den Bericht zielgenauer und transparenter zu gestalten. Daher steht für uns fest: Die von der Bundesregierung vergebenen Gutachten reichen nicht aus, um Forschungsdefizite zu beheben. Das alles lässt den Schluss zu: Es gibt vonseiten der Regierung das Interesse, die Datenlage für den Reichtum und die Aufstiegschancen in unserem Land armselig zu halten, nicht offenzulegen, mit welchem Mechanismus, man könnte fast sagen: Selbstverständlichkeit, sich Reichtum vermehrt und sich Privilegien vererben. Wir fordern mit unserem Antrag eine grundlegende Verbesserung der Berichterstattung auf einer aussagekräftigen Datenbasis. Wir wollen keinen Alibibericht, sondern einen Bericht, der die Entwicklung in unserer Gesellschaft spiegelt und aus dem Handlungsoptionen für die politische Umsetzung gezogen werden können. Der Bericht muss auf der statistisch-empirischen Erfassung der gesellschaftlichen Realität in Deutschland mit ihren Gegenpolen Armut und Reichtum basieren. Denn einer gerechteren Verteilung von Wohlstand und Arbeit kommt eine immer entscheidendere Bedeutung für die Entwicklung unseres Landes zu. Die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit einem erhöhten Armutsrisiko ist eine dringliche Herausforderung für die ganze Gesellschaft. Die Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung muss Grundlage für die Ausgestaltung einer sozial gerechten Politik werden. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Dieser ganze Antrag ist im Grunde eine Ansammlung von Kritik an elf Jahren sozialdemokratischer (Mit-)Regierung, an elf Jahren fehlgeleiteter sozialromantischer Wohlfühlpolitik unter sozialdemokratischen Ministern - Minister - die sich vieles ausgedacht haben in ihren Ministerien, aber wenig getan haben, um den Menschen zu helfen. Die Hartz-IV-Gesetzgebung, die vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist und die wir als Koalition jetzt reparieren müssen, die Hartz-IV-Gesetzgebung, die Sie als Opposition jetzt blockieren, ist nur eines von vielen Beispielen. Die Feststellung, dass in den letzten 20 Jahren die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergegangen und vor allem, dass die Mittelschicht immer weiter geschrumpft ist, hängt primär an elf Jahren sozialdemokratischer, mittelstandsfeindlicher Arbeits- und Wirtschaftspolitik. Die Mittelschicht unserer Gesellschaft ist immer weiter geschrumpft, und Sie haben dabei zugesehen. Sie haben durch Ihren Regulierungswahn, Ihre Vorschriften und Verbote der deutschen Wirtschaft die Luft zum Atmen genommen, und dann haben Sie den Nerv, diese Entwicklung anzuprangern. Das jetzt zu beklagen und die Lösung in der Datenauswahl des Armuts- und Reichtumsberichts zu suchen, ist völlig fehlgeleitet. Ich bleibe bei der liberalen Position, die wir schon seit Jahren vertreten und deren Umsetzung wir jetzt in der Regierung Schritt für Schritt angehen: Der beste Schutz vor Armut ist ein Arbeitsplatz. Geben Sie den Menschen die Möglichkeit, sich selbst zu helfen. Geben Sie den Menschen die Freiheit, ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben zu führen. Aber dazu findet sich keine Forderung in dem Antrag; dazu fällt Ihnen herzlich wenig ein. Jetzt möchte ich einen wichtigen Aspekt aus dieser Debatte besonders aufgreifen: Bildungschancen. Ich glaube nicht, dass ich dem Bericht vorgreife, wenn ich feststelle, dass die soziale Herkunft heute noch viel zu sehr über die Lebenschancen eines Kindes entscheidet. Mehr als jede andere Qualifikation oder Eigenschaft, mehr als Fleiß, Intelligenz, Sprachvermögen, mehr als Leidenschaft, Disziplin oder Wissensdurst entscheidet heute über die Zukunft eines Kindes, wo es geboren wurde, was seine Eltern von Beruf sind, und häufig auch, welchem Kulturkreis es angehört. Das wollen wir ändern. Jedes Kind hat ein Anrecht darauf, aus seinem Leben das zu machen, was es sich am meisten wünscht. Wir wollen keinem Kind vorschreiben, ob es Astronaut, Pianist oder Koch werden soll. Wir wollen nur jedem Kind Möglichkeiten geben, selbst diese Entscheidung zu treffen. Dazu haben wir gerade heute im Bundesrat ein Angebot auf den Tisch gelegt, das erstmals in der Geschichte Deutschlands ein umfassendes Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder aus bedürftigen Familien beinhaltet. Uns ist es wichtig, dass Kinder nicht nur in der Schule die gleichen Startchancen haben, sondern auch in ihrem Umfeld. Natürlich dürfen wir dabei die Länder nicht aus ihrer Verantwortung lassen; denn die Bundesländer tragen die eigentliche Aufgabenhoheit im Bereich der Bildung, für alle Kinder in ihrem Land, auch die bedürftigen. Viele Bundesländer tun dies auch sehr verantwortungsbewusst bei Fragen der Lehrmittelfreiheit, Zuschüssen zu ÖPNV-Fahrten in die Schule und Mittagessen in Ganztagsschulen. Aber hier müssen wir noch viel mehr tun. Nehmen Sie die ausgestreckte Hand an. Unterstützen Sie uns, den Kindern in diesem Land zu helfen. Zum Bericht möchte ich erwähnen, dass die Frage der Aufstiegschancen und Abstiegsrisiken in den verschiedenen Gesellschaftsbereichen wie Bildung, Arbeitsmarkt und Gesundheit voraussichtlich einen Schwerpunkt der Auswertungen für den Vierten Armuts- und Reichtumsbericht bilden werden. Ein Forschungsprojekt zur sozialen Mobilität in der Gesellschaft im weiteren Sinne ist geplant und soll Merkmale und Einstellungen für einen nachhaltigen gesellschaftlichen Aufstieg behandeln. Wir werden Mitte 2011 den Vierten Armuts- und Reichtumsbericht vorlegen, und er wird genau das Datenmaterial beinhalten, das nötig ist, um seiner Aufgabe nachzukommen, nämlich eine umfassende Analyse der sozialen Lage in Deutschland vorzulegen. Der Bericht soll als Instrument zur Überprüfung der Wirksamkeit politischer Maßnahmen gegen Armut und soziale Ausgrenzung genutzt werden und als Instrument zur Förderung von Teilhabegerechtigkeit dienen. Diesen Auftrag wird die Bundesregierung mit der Vorlage eines Berichts erfüllen. Aber nur weil das unter manchen Ministern so war, müssen wir jetzt nicht mit der Tradition fortfahren, aus einem Bericht ein sozialdemokratisches Kampfpapier zu machen. Der Bericht soll den Abgeordneten und Ministern nicht die Aufgabe abnehmen, am Ende selbst zu entscheiden, was die politischen Lösungen für die Probleme in Deutschland sind. Abschließend möchte ich als Fazit ziehen: Der beste Schutz gegen Armut ist ein Arbeitsplatz. Dafür kämpfen wir auch gerade bei der Evaluierung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente. Die Ergebnisse dieser Evaluierung werden wertvolle Erkenntnisse im Kampf gegen die dankenswerterweise in Deutschland stetig sinkende Arbeitslosigkeit liefern. Im Dritten Armuts- und Reichtumsbericht ist explizit festgehalten - das will ich hervorheben -, dass die Arbeitnehmerüberlassung eine positive Wirkung auf die Beschäftigung hat, dass es keinen weitverbreiteten Trend gibt, vollzeitbeschäftigte Stammarbeitnehmer durch Zeitarbeitnehmer zu ersetzen. Dieses Instrument werden wir weiter beobachten. Die Tarifpartner sind hier aufgefordert, die Entwicklung der Zeitarbeit weiterhin verantwortungsvoll zu begleiten und gestalten. Dann möchte ich gerne auf ein kleines Schmankerl hinweisen, den "öffentlichen Reichtum". Sie wollen gerne wissen, wer von diesem "öffentlichen Reichtum" denn so alles profitiert. Diese Semantik kommt mir ja schon sehr bekannt vor; aber ich habe keine gute Erinnerung daran, und die sollten Sie eigentlich auch nicht haben. Kommen Sie wieder von dieser Sprachregelung weg. Lassen Sie uns gemeinsam den Bericht, wenn er vorgelegt wird, analysieren und daraus das Beste für die Menschen in Deutschland machen. Katja Kipping (DIE LINKE): Wenn wir am heutigen Tag über den Armuts- und Reichtumsbericht reden, dann können wir zu einer großen Armutsfalle nicht schweigen - namentlich Hartz IV. Der Hartz-IV-Regelsatz ist nicht nur verfassungswidrig, sondern auch Armut per Gesetz. Seit Monaten wird nun geschachert, und bisher ist kein Ergebnis in Sicht - ein verfassungskonformer Regelsatz schon gar nicht. Das liegt zum einen daran, dass Schwarz-Gelb mit einem Dogma in das Vermittlungsverfahren gegangen ist, nichts, aber auch gar nichts am Regelsatz zu verändern. Sie haben jegliche Bewegung in Richtung eines verfassungskonformen Regelsatzes blockiert. Das nenne ich einen Putsch gegen die Verfassung! SPD und Grüne erwecken nun den Eindruck, es lägen Welten zwischen ihren Vorstellungen und denen der Bundesregierung. Tatsächlich reduzierten SPD und Grüne am Ende ihre Forderung auf eine Regelsatzerhöhung um 11 Euro. Das sind gerade einmal 6 Euro mehr, als Frau von der Leyen vorschlägt. Der Soziologe Pierre Bourdieu sagte einst: "Es bedarf eines Mindestmaßes an ökonomischer Sicherheit, um Handlungen durchzuführen, die eine Anstrengung hinsichtlich der Bemächtigung von Zukunft implizieren." Vereinfacht ausgedrückt: Wer in Existenzangst lebt, für den ist es besonders schwer, sich bürgerschaftlich zu engagieren. Insofern ist Armut immer auch ein Problem für die Demokratie. Denn jede und jeder sollte in einer Demokratie in der Lage sein, sich zu informieren und seine Stimme zu erheben, sich zu organisieren, wenn er oder sie etwas ändern möchte. Der Hartz-IV-Regelsatz nun sieht weder genügend Geld für eine Tageszeitung noch für ein Monatsticket vor. Er muss also deutlich erhöht werden. Wir meinen, eine Erhöhung auf eine Größenordnung von 500 Euro ist mehr als berechtigt! Es ist gut, dass der vorliegende Antrag einfordert, die Berichterstattung über Reichtum zu verbessern. Denn Armut und Reichtum bedingen einander. Wenn wir uns kritisch mit Reichtum auseinandersetzen, dann wahrlich nicht, um eine Neiddebatte zu führen. Reichtum wird aber dann zum Problem, wenn der wachsende Reichtum der Wenigen seine Ursache in der Verarmung der Vielen hat, wenn Konzernmanager Boni einstreichen für Renditen, die auf Hungerlöhnen basieren, oder wenn Steuergeschenke für Einkommensmillionäre dazu führen, dass in den öffentlichen Kassen Geld fehlt, um die Sozialleistungen armutsfest auszugestalten. Deswegen setzt sich die Linke im Bundestag für eine deutlich stärkere Besteuerung von Reichtum ein. Ein zentrales Problem blendet der SPD-Antrag leider komplett aus: die verdeckte Armut. Verdeckte Armut meint, dass Menschen so arm sind, dass sie Anspruch auf Sozialleistungen hätten, diese aber nicht wahrnehmen. Was sind die Ursachen dafür? Unwissenheit, Scham, Angst davor, wie man auf dem Amt behandelt wird. Die Zahlen sind erschreckend groß. Einer Untersuchung von Irene Becker und Richard Hauser aus dem Jahre 2010 zufolge gibt es 5 bis 6 Millionen verdeckt Arme in der Bundesrepublik. Und das ist kein Wunder. Denn wie auch eine Untersuchung der Ebert-Stiftung zu Engagement und Erwerbslosigkeit ganz treffend formuliert: "Hartz IV entpuppt sich für die Betroffenen als Zone der Willkür und der Entrechtlichung mit immensen auch psychischen Kosten." Es gibt viel zu ändern, damit wir nicht nur über Armut berichten, sondern diese auch wirksam bekämpfen. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, mit Interesse habe ich Ihren Antrag zur Verbesserung der Armuts- und Reichtumsberichterstattung gelesen, erinnert er mich doch an das Jahr 2008, in dem das damals SPD-geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit dem Minister Olaf Scholz an der Spitze den Dritten Armuts- und Reichtumsbericht vorlegte. Damals schrieb ich in einer Bewertung auf meiner Homepage: "Der von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz unter dem Motto ,Der Sozialstaat wirkt' vorgelegte Bericht enthält geschönte Ergebnisse, die nicht nur in sich widersprüchlich sind, sondern auch jeglicher Realitätserfahrung zuwiderlaufen. Drastisch sinkende Kinderarmut, sinkende Armutsschwellen und Armutsrisikoquoten entsprechen weder den wissenschaftlichen Erkenntnissen noch den Alltagserfahrungen der Menschen in diesem Land, die seit Jahren mit Inflation und sinkenden Real- und Transfereinkommen zu kämpfen haben. Auch die Darstellung der Entwicklung des Reichtums kann nur als oberflächlich bezeichnet werden. Wichtige Veränderungen im Einkommensgefüge, wie das Schrumpfen der Mittelschicht, bleiben unerwähnt." Diese harsche Kritik wäre Ihnen seinerzeit erspart geblieben, hätten Sie die methodische Sorgfalt angewandt, die Sie nunmehr so genau in Ihrem Antrag darstellen und völlig zu Recht einfordern. Ich will jetzt auch nicht mehr in der Vergangenheit stochern; denn in der Tat benennt der Antrag der Sozialdemokraten wichtige Kriterien für eine künftige gleichermaßen valide wie aussagekräftige Berichterstattung über Armut und Reichtum in diesem Land. Der Dritte Armuts- und Reichtumsbericht hatte gezeigt, dass insbesondere die Daten problematisch waren, die auf der amtlichen Erhebung "Leben in Europa", EU-SILC, fußten. Von sozialwissenschaftlicher Seite wurde kritisiert, dass Kinder, Migrantinnen und Migranten und weniger gebildete Schichten nur unzureichend in der EU-Datenbasis repräsentiert werden, während die ältere Generation überzeichnet wird. Nicht berücksichtigt wurden außerdem fiktive Mieten als Einkommen im Falle von Haus- und Wohneigentum. Diese die Einkommenssituation erheblich verändernden Einkommensdaten werden in anderen Datensätzen, nämlich der EVS und in den Daten des Sozio-oekonomischen Panels, SOEP, berücksichtigt. Im Ergebnis kamen durch die Verwendung der EU-SILC-Daten höchst fragwürdige Ergebnisse zustande, die den Dritten Armuts- und Reichtumsbericht als sozialpolitisches Instrument insgesamt unglaubwürdig machen. So geht der Bericht von einer Armutsrisikoquote von 13 Prozent aus. Dies entspricht einer Armutsrisikogrenze von 781 Euro. Zum Vergleich: Auf Basis der Daten des Sozio-oekonomischen Panels liegt die Armutsrisiko bei 18 Prozent und die Armutsrisikogrenze bei 880 Euro. Im Zweiten Armuts- und Reichtumsbericht betrug die auf der Basis der EVS 2003 ermittelte Armutsrisikoschwelle 938 Euro. Die auf der Basis der bewährten und anerkannten Daten des Sozio-oekonomischen Panels des DIW berechneten Armutsquoten wurden in der Entwurfsfassung des Berichts nicht genutzt, sondern in den Anhang verwiesen. Auf eine Gegenüberstellung der unterschiedlichen Armutsquoten wurde verzichtet. In der Endfassung des Berichtes wurden dann - aufgrund der öffentlichen Kritik an der Datenbasis - die unterschiedlichen Datengrundlagen und Ergebnisse zwar in den Bericht integriert, in der öffentlichen Darstellung nutzte Olaf Scholz jedoch weiterhin die "günstigen" Armutsrisikoquoten auf der Basis der EU-SILC. Wenn die Erinnerung an den damaligen Vorgang jetzt zu einem Antrag führt, der diese Form der kreativen Datenerfassung und -verwertung wenn nicht unmöglich machen, so doch sehr erschweren würde, verdient dieser Vorstoß die Unterstützung aller Fraktionen dieses Hauses. Lassen Sie mich noch auf einen Punkt kommen, der in allen vergangenen Armuts- und Reichtumsberichten eher unbefriedigend gelöst war, nämlich die Reichtumsberichterstattung. Kapital ist offenbar nicht nur ein scheues Reh in Hinsicht auf das Fluchtverhalten, sondern auch im Hinblick auf seine Sichtbarkeit. Es versteckt sich gerne im Dickicht undurchschaubarer Beteiligungskonstruktionen, Stiftungen und natürlich in den berühmt-berüchtigten Anlegeroasen. Es gilt also, bei der Reichtumserfassung nachzubessern. Die im Rahmen des SOEP seit einigen Jahren erhobene Ergänzungsstichprobe zu Haushalten mit hohen Einkommen bedeutet zwar eine wesentliche Verbesserung der Informationsbasis für Untersuchungen zur Vermögensverteilung der privaten Haushalte. Während die Verhältnisse der Personen mit hohem Einkommen auf dieser Datengrundlage recht gut abgebildet werden können, gibt es bei der Belastbarkeit der Vermögensangaben Einschränkungen. Die Vermögensinformationen basieren auf Einschätzungen der Befragten, die verzerrt sein können. Ferner geben die Befragten in vielen Fällen keine Auskunft über die Vermögenswerte. Diese fehlenden Wertangaben auf Grundlage der beobachteten Informationen werden statistisch geschätzt. Da das SOEP aufgrund seines geringen Stichprobenumfangs die Vermögenswerte der Personen mit den sehr hohen Vermögen nicht verlässlich abbilden kann, ist es notwendig, weitere Schätzverfahren zur Zahl und Verteilung der Personen mit sehr hohen Vermögen vorzunehmen, etwa auf Grundlage einer Liste der 300 reichsten Deutschen analog der Forbes-Liste. Nur dann lässt sich die enorme Konzentration des privaten Reichtums in Deutschland in den Händen weniger Hundert Menschen erfassen. Eine solche Erfassung wäre dann vielleicht doch einmal ein Anlass, angesichts der Haushaltsschäden durch die Finanzkrise über eine Vermögensabgabe nachzudenken. Anlage 7 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mitgeteilt, dass sie den Antrag Keine Zusatzbeiträge für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II auf Drucksache 17/674 zurückzieht. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht des Koordinators für die deutsche Luft- und Raumfahrt - Drucksachen 16/13941, 17/591 Nr. 1.25 - Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen auf dem Gebiet der Unfallverhütung im Straßenverkehr 2008 und 2009 (Unfallverhütungsbericht Straßenverkehr 2008/2009) - Drucksachen 17/2905, 17/3110 Nr. 6 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Tätigkeit der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft im Jahr 2009 - Drucksachen 17/3758, 17/3956 Nr. 4 - Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung - Unterrichtung durch die Bundesregierung Hightech-Strategie 2020 für Deutschland - Drucksachen 17/2691 - Ausschuss für Kultur und Medien - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes in den Jahren 2007 und 2008 - Drucksachen 17/381, 17/591 Nr. 1.47 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/2580 Nr. A.1 Ratsdokument 9976/10 Drucksache 17/4116 Nr. A.1 Ratsdokument 8679/10 Drucksache 17/4338 Nr. A.1 Ratsdokument 16152/10 Drucksache 17/4338 Nr. A.2 Ratsdokument 16179/10 Drucksache 17/4338 Nr. A.3 Ratsdokument 16679/10 Innenausschuss Drucksache 17/1821 Nr. A.4 Ratsdokument 8895/10 Drucksache 17/2071 Nr. A.4 Ratsdokument 9114/10 Drucksache 17/2224 Nr. A.2 Ratsdokument 9685/10 Drucksache 17/2224 Nr. A.3 Ratsdokument 9893/10 Drucksache 17/2408 Nr. A.2 EuB-EP 2032; P7_TA-PROV(2010)0143 Drucksache 17/2408 Nr. A.3 EuB-EP 2033; P7_TA-PROV(2010)0144 Drucksache 17/2408 Nr. A.5 Ratsdokument 10364/10 Drucksache 17/2580 Nr. A.2 Ratsdokument 10591/1/10 REV 1 Drucksache 17/2994 Nr. A.7 Ratsdokument 10865/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.8 Ratsdokument 11212/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.9 Ratsdokument 12208/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.10 Ratsdokument 12211/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.11 Ratsdokument 12579/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.12 Ratsdokument 12653/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.13 Ratsdokument 12766/10 Drucksache 17/3280 Nr. A.6 Ratsdokument 13404/10 Drucksache 17/3608 Nr. A.3 Ratsdokument 13153/10 Drucksache 17/3608 Nr. A.4 Ratsdokument 13931/10 Drucksache 17/3608 Nr. A.5 Ratsdokument 13932/10 Drucksache 17/3608 Nr. A.6 Ratsdokument 13933/10 Drucksache 17/3608 Nr. A.7 Ratsdokument 13954/10 Drucksache 17/3608 Nr. A.8 Ratsdokument 14919/10 Drucksache 17/3791 Nr. A.1 Ratsdokument 14999/10 Drucksache 17/3955 Nr. A.1 Ratsdokument 13316/1/10 REV 1 Drucksache 17/4116 Nr. A.3 Ratsdokument 15498/10 Drucksache 17/4116 Nr. A.5 Ratsdokument 15949/10 Drucksache 17/4338 Nr. A.4 Ratsdokument 16664/10 Drucksache 17/4338 Nr. A.5 Ratsdokument 16797/10 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 17/3608 Nr. A.17 Ratsdokument 13874/10 Drucksache 17/3608 Nr. A.18 Ratsdokument 14322/10 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 17/4338 Nr. A.9 Ratsdokument 16068/10 Drucksache 17/4338 Nr. A.10 Ratsdokument 16151/10 Drucksache 17/4338 Nr. A.11 Ratsdokument 16257/10 Drucksache 17/4338 Nr. A.12 Ratsdokument 16348/10 Drucksache 17/4338 Nr. A.13 Ratsdokument 16363/10 Drucksache 17/4338 Nr. A.14 Ratsdokument 16611/10 Drucksache 17/4509 Nr. A.21 Ratsdokument 17547/10 Drucksache 17/4509 Nr. A.22 Ratsdokument 17582/10 Drucksache 17/4509 Nr. A.23 Ratsdokument 17608/10 Drucksache 17/4509 Nr. A.24 Ratsdokument 17672/10 Drucksache 17/4509 Nr. A.25 Ratsdokument 17677/10 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 17/3608 Nr. A.34 Ratsdokument 13788/10 Drucksache 17/3608 Nr. A.35 Ratsdokument 13789/10 Drucksache 17/3955 Nr. A.12 Ratsdokument 14833/10 Drucksache 17/3955 Nr. A.13 Ratsdokument 15361/10 Drucksache 17/3955 Nr. A.14 Ratsdokument 15717/10 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 17/4338 Nr. A.18 EuB-BReg 127/2010 1Anlage 2 und 3 2Ergebnis Seite 10270 D 3 Anlage 4 4 Anlage 5 5Anlage 6 ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ II Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 91. Sitzung, Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 91. Sitzung, Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011 10291 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 10309 10320 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 91. Sitzung, Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 91. Sitzung, Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011 10319