Plenarprotokoll 17/98 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 98. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 23. März 2011 I n h a l t : Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung Zusatztagesordnungspunkt 1: Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten (Drucksache 17/5168) Eduard Oswald (CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Bundesregierung: Beteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO-AWACS im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1943 (2010) vom 13. Oktober 2010 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Drucksache 17/5190) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMVg Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Rainer Stinner (FDP) Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Gesetzentwurf zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Heiner Kamp (FDP) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Swen Schulz (Spandau) (SPD) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Agnes Alpers (DIE LINKE) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF René Röspel (SPD) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 17/5120, 17/5171 (neu)) Dringliche Frage 1 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Nutzung der Stützpunkte der USA in Deutschland zum Einsatz gegen Libyen Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfragen Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Dringliche Fragen 3 und 4 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rechtliche Grundlage für die AWACS-Aufklärungsflüge im Mittelmeerraum; etwaiger Rückgriff auf Informationen von AWACS-Flugzeugen bei Luftschlägen gegen Libyen Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfragen Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Inge Höger (DIE LINKE) Dringliche Frage 5 Inge Höger (DIE LINKE) Bedeutung der von AWACS-Flugzeugen gesammelten Daten für Einsatzplanung und Zielfindung bei den Angriffen auf libysche Ziele Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Inge Höger (DIE LINKE) Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Andrej Hunko (DIE LINKE) Dringliche Frage 6 Inge Höger (DIE LINKE) Mögliche Einbeziehung der Bundeswehr in den Einsatz der AWACS-Flugzeuge seit Beginn der Beobachtung des libyschen Luftraums Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Inge Höger (DIE LINKE) Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Fragen 7 und 8 Heinz-Joachim Barchmann (SPD) Einsparungen bei Maßnahmen des Bundes zur Überwindung migrationsspezifischer Hindernisse bei der Integration in Ausbildung, Arbeit oder Selbstständigkeit; Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente mit migrationsspezifischen Anteilen Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Mündliche Frage 17 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kriterien für den Einsatz von Scharfschützen der Bundeswehr gegen Zielpersonen in Afghanistan Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Konkrete Anforderungen insbesondere des Bundesumweltministeriums für die Sicherheitsüberprüfung deutscher Atomkraftwerke Dorothee Menzner (DIE LINKE) Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Dr. Matthias Miersch (SPD) Michael Kauch (FDP) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) Ute Vogt (SPD) Angelika Brunkhorst (FDP) Johanna Voß (DIE LINKE) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) Christine Lambrecht (SPD) Franz Obermeier (CDU/CSU) Dr. Michael Paul (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl des Abgeordneten Eduard Oswald zum Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages teilge-nommen haben Anlage 3 Dringliche Frage 2 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Durchsetzung eines Waffenembargos gegen Libyen Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 4 Dringliche Frage 7 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Mögliche gesundheitliche Gefährdung der deutschen Bevölkerung durch den Verzehr verstrahlter Lebensmittel Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 5 Mündliche Frage 1 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Prüfung einer Ausfuhrbeschränkung für das Anästhesiemittel Thiopental Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 6 Mündliche Frage 2 Andrej Hunko (DIE LINKE) Diskussionen über einen möglichen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Atomgemeinschaft bzw. einer Auflösung infolge der atomaren Katastrophe in Japan Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 7 Mündliche Frage 3 Garrelt Duin (SPD) Aufstockung der Mittel für das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand bis 2013 Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 8 Mündliche Fragen 4 und 5 Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung für den Trassenausbau nach dem Energieleitungsausbaugesetz Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 9 Mündliche Frage 6 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung des Energiekonzepts der Bundesregierung in Gesetzen und Verordnungen Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 10 Mündliche Frage 9 Stefan Schwartze (SPD) Beteiligung von Bundesministerien an der Erstellung des Aktionsplans zur UN-Behindertenrechtskonvention Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 11 Mündliche Frage 10 Stefan Schwartze (SPD) Berücksichtigung von Vorschlägen der Behindertenselbsthilfe im Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 12 Mündliche Fragen 11 und 12 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Fortschritte bei der Umsetzung der Komplexleistung Frühförderung Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 13 Mündliche Frage 13 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Benachteiligung schwerbehinderter Menschen in Bewerbungsverfahren Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 14 Mündliche Frage 14 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Mittelbindung der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Zeitraum 2005 bis 2011 Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 15 Mündliche Fragen 15 und 16 Kerstin Tack (SPD) Vorlage der Rechtsverordnung für die Eigenkontrollen der Lebens- und Futtermittelunternehmen sowie der Verordnung über die Zulassung von Futtermittelunternehmen Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 16 Mündliche Frage 18 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gewährung von Vorteilen für EADS bei den jüngsten Verhandlungen über die Lieferung von Transportmaschinen durch Vertreter der Bundesregierung Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 17 Mündliche Frage 19 Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Bewertung der im Zusammenhang mit Förderprogrammen gegen Extremismus abgegebenen Stellungnahmen zur geforderten Demokratieerklärung von Trägern Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 18 Mündliche Frage 20 Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Auswirkungen von Zusatzerklärungen im Rahmen von Stellungnahmen zur geforderten Demokratieerklärung auf die Behandlung im Förderverfahren Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 19 Mündliche Frage 21 Hans-Joachim Hacker (SPD) Position der Bundesregierung zur EU-Richtlinie zur Regelung von Erstattungsansprüchen gesetzlich Krankenversicherter bei Behandlung im EU-Ausland und zur Weiterentwicklung der Krankenversicherungskarte Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 20 Mündliche Frage 22 Hans-Joachim Hacker (SPD) Gewährleistung der Arbeitsplätze und der medizinischen Leistungsfähigkeit inländischer Kureinrichtungen angesichts der Verlagerung ambulanter Vorsorgemaßnahmen aus deutschen Kurorten ins Ausland Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 21 Mündliche Frage 23 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umfang der Lieferungen des Anästhesiemittels Thiopental in die USA Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 22 Mündliche Frage 24 Gustav Herzog (SPD) Vorlage des auf dem Elbschifffahrtstag im November 2010 angekündigten Elbekonzepts Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 23 Mündliche Frage 25 Gustav Herzog (SPD) Kategorisierung der Bundeswasserstraßen und Vereinbarkeit mit dem Unterhaltungsziel betreffend die Elbe Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 24 Mündliche Frage 26 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zweckgebundene Verwendung der Dividende der Bahn AG Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 25 Mündliche Frage 27 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bundesrechtliche Möglichkeiten der Beteiligung der Öffentlichkeit in den Planungsschritten vor dem Genehmigungsverfahren Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 26 Mündliche Frage 28 Manfred Grund (CDU/CSU) Überhöhte Flugpreise der Deutschen Lufthansa für Flüge aus Japan Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 27 Mündliche Fragen 29 und 30 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überprüfung des Sicherheitssystems des AKW Krümmel angesichts der aktuellen Ereignisse in japanischen Atomkraftwerken Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 28 Mündliche Frage 31 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bewertung der Sicherheitsvorkehrungen für das in Krümmel bestehende Zwischenlager Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 29 Mündliche Frage 32 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bewertung des Siedewasserreaktors Krümmel Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 30 Mündliche Frage 33 Steffen-Claudio Lemme (SPD) Rücknahme der Kürzungen für die Solarwirtschaft vor dem Hintergrund der Wende in der Atompolitik Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 31 Mündliche Frage 34 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Möglichkeit der Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken über 2050 hinaus aufgrund der von der schwarz-gelben Koalition geschaffenen Rechtslage Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 32 Mündliche Frage 35 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterschiede der Sicherheitsmerkmale stillgelegter älterer Kernkraftwerke im Vergleich zur Sicherheit weiterlaufender Anlagen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 33 Mündliche Frage 36 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gefährdungspotenzial in sicherheitsrelevanten Anlagenteilen älterer Kernkraftwerke Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 34 Mündliche Frage 37 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gründe für die Stilllegung der Reaktoren Neckarwestheim 1 und Isar 1 im Unterschied zu den baugleichen Anlagen Biblis A und B und Unterweser bzw. Brunsbüttel und Philippsburg 1 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 35 Mündliche Fragen 38 und 39 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anforderungen der angekündigten Sicherheitsüberprüfungen deutscher Atomkraftwerke; etwaige Entschädigungszahlungen infolge der Anordnung zur Abschaltung von Atomkraftwerken Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 36 Mündliche Frage 40 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rechtliche Begründungen für die Abschaltung von Neckarwestheim 1 und Isar 1 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 37 Mündliche Frage 41 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Übertragung nicht abgerufener Laufzeiten der stillgelegten AKW auf neue AKW Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 38 Mündliche Fragen 42 und 43 Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entschädigungsforderungen an den Bund und die Länder für die Stilllegung älterer Atomkraftwerke; mögliche Laufzeitübertragung an jüngere Anlagen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 39 Mündliche Frage 44 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erforderlichkeit der Atomenergie für den Klimaschutz Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 40 Mündliche Frage 45 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufrechterhaltung der Notstromversorgung durch Batterien an den einzelnen Atomkraftwerksblöcken im Falle eines Stromausfalls Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 41 Mündliche Frage 46 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Pläne des BMU zur Erhöhung der Sicherheitsanforderungen für Atomkraftwerke Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 42 Mündliche Frage 47 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Federführende Stelle in der Bundesregierung für die dreimonatige Stilllegung der Atomkraftwerke; pünktliche Zahlung in den Förderfonds durch die entsprechenden Stromkonzerne Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 43 Mündliche Frage 48 Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sicherheitsrelevante Tatsachen für die Anwendung von § 19 Abs. 3 Atomgesetz Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 44 Mündliche Frage 49 Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schadenersatzrisiko angesichts der vorübergehenden Stilllegung von Atomkraftwerken Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 45 Mündliche Fragen 50 und 51 Sabine Stüber (DIE LINKE) Einfluss der BMU-Vorlage zur Verschärfung von Sicherheitsnormen bei deutschen Atomkraftwerken auf das Moratorium und die anstehenden Sicherheitsüberprüfungen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 46 Mündliche Fragen 52 und 53 Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) Studien zum Nachweis von Gesundheitsschädigungen durch radioaktive Strahlung infolge von Atomkraft sowie Grundlage für die Festlegung entsprechender Grenzwerte Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 47 Mündliche Fragen 54 und 55 Harald Weinberg (DIE LINKE) Studien zum Einfluss eines Atomkraftwerks auf die Gesundheit der Anwohner; präventive Maßnahmen im Gesundheitssystem für den Fall einer deutschen Atomkatastrophe Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 48 Mündliche Frage 56 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einbeziehung neuer Waffentypen in die Untersuchung von Bedrohungsszenarien durch Panzerabwehrlenkwaffen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 49 Mündliche Frage 57 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verwendung von MOX-Brennstäben in deutschen Atomkraftwerken Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 50 Mündliche Frage 58 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Gesundheitsprävention im Fall einer deutschen atomaren Katastrophe Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 51 Mündliche Frage 59 Klaus Hagemann (SPD) Verbesserung der Ausschreibungspraxis bei "Fusion for Energy" sowie Entwicklung des Auftragsvolumens an deutsche Unternehmen seit der Änderung Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 52 Mündliche Frage 60 René Röspel (SPD) Kosten für das Projekt "Haus der Zukunft" Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 53 Mündliche Fragen 61 und 62 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Funktion der Bundesregierung bei der Erarbeitung und Einführung eines neuen Verfahrens für die Hochschulzulassung und Stand der Umsetzung des KMK-Beschlusses zur Änderung der Ländergemeinsamen Strukturvorgaben vom Dezember 2009 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 54 Mündliche Frage 63 Nicole Gohlke (DIE LINKE) Beteiligung von Studenten und Lehrkräften am Aufbau und der Struktur der geplanten Akademie bzw. des Forums für Studium und Lehre Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 55 Mündliche Frage 64 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Untersuchung der Korruptionsvorfälle beim Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 56 Mündliche Frage 65 Andrej Hunko (DIE LINKE) Konsequenzen aus der Forderung Hamid Karzais nach einem Abzug der NATO aus Afghanistan für den Einsatz der Bundeswehr Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 57 Mündliche Fragen 66 und 67 Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen von Aufrufen zum Boykott israelischer Waren auf den deutsch-israelischen Dialog Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 58 Mündliche Frage 68 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Verantwortung der Türkei für die völkerrechtswidrige Verhaftung mehrerer Personen durch Besatzungsbehörden im nördlichen Teil Zyperns Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 59 Mündliche Frage 69 Manfred Grund (CDU/CSU) Zusätzliche Flüge zur Rückholung deutscher Staatsangehöriger aus Japan Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 60 Mündliche Frage 70 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Hilfeleistungen für die Opfer von Tschernobyl und der Atomkatastrophe in Japan Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 61 Mündliche Fragen 71 und 72 Manfred Kolbe (CDU/CSU) Begründung für die Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung über die Resolution zur Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 62 Mündliche Frage 73 Steffen-Claudio Lemme (SPD) Neuakzentuierung der Extremismuspolitik vor dem Hintergrund des Erstarkens der NPD Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 63 Mündliche Frage 74 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Vereinbarkeit der Verschärfung zu § 8 Abs. 3 Satz 5 (neu) des Aufenthaltsgesetzes bei türkischen Staatsangehörigen mit dem Verschlechterungsverbot im Assoziationsrecht Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 64 Mündliche Frage 75 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Subsumierung von Terrorangriffen unter den Begriff "Restrisiko" Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 65 Mündliche Frage 76 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Anteil schwerbehinderter Menschen an den Neueinstellungen in den obersten Bundesbehörden im Jahr 2010 Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 66 Mündliche Fragen 77 und 78 Dr. Eva Högl (SPD) Erweiterter Zugriff der USA auf innereuropäische und innerdeutsche Finanztransaktionsdaten im Rahmen des SWIFT-Abkommens Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 67 Mündliche Frage 79 René Röspel (SPD) Zulässigkeit der Patentierung von Zellprodukten aus abgetriebenen menschlichen Föten Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 68 Mündliche Fragen 80 und 81 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Pachtpreisreduzierung bei vom Hochwasser betroffenen Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) für landwirtschaftliche Betriebe; Rückkäufe bereits privatisierter BVVG-Flächen aufgrund der Erwerbsansprüche von Alteigentümern Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 69 Mündliche Frage 82 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Folgen der einstweiligen Einstellung des Betriebs von Atomkraftwerken; etwaige Entschädigungspflicht gegenüber den Betreibern Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 70 Mündliche Frage 83 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Auslaufen der Malusregelung im Kraftfahrzeugsteuergesetz zum 31. März 2011 für Kraftfahrzeuge ohne Partikelfilter Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 71 Mündliche Frage 84 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Reform der Besteuerung der privaten Nutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 72 Mündliche Frage 85 Klaus Hagemann (SPD) Finanzhilfen für Irland; Anhebung der dortigen Steuer- und Abgabenlast Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF 98. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 23. März 2011 Beginn: 13.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zu unserer 98. Plenarsitzung. Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um die Wahl eines Vizepräsidenten sowie um die Beratung des Antrags der Bundesregierung zur Beteiligung deutscher Streitkräfte am AWACS-Einsatz in Afghanistan zu erweitern. Nach der Regierungsbefragung und der Fragestunde ist später am Nachmittag eine von der Fraktion Die Linke beantragte Aktuelle Stunde zu den Anforderungen für Sicherheitsüberprüfungen bei deutschen Atomkraftwerken vorgesehen. Sind Sie mit den vorgesehenen Ergänzungen und Änderungen einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten - Drucksache 17/5168 - Die Kollegin Gerda Hasselfeldt hat ihr Amt als Vizepräsidentin niedergelegt. Sie weiß, dass ich das bedauere; aber das hat sie offenkundig nicht hinreichend beeindruckt. Ich nutze die Gelegenheit gerne, ihr nicht nur im Namen der übrigen Mitglieder des Präsidiums, sondern sicher auch in Ihrer aller Namen herzlichen Dank für ihre langjährige Amtsführung als Mitglied des Präsidiums auszusprechen. (Beifall) Liebe Frau Hasselfeldt, ich bin nicht völlig sicher, ob es im neuen Amt so schön wird, wie es im alten war. (Heiterkeit - Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Kann gar nicht sein! - Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir sind ja nicht bei den Grünen! Bei uns ist es noch schön!) Umso herzlicher sind meine guten Wünsche für die übernommene neue Aufgabe. (Beifall) Als Nachfolger schlägt die Fraktion der CDU/CSU den Abgeordneten Eduard Oswald als Stellvertreter des Präsidenten vor. Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist offenbar nicht der Fall. Dann darf ich jetzt einige Hinweise zum Ablauf der Wahl geben. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält. Für die Wahl benötigen Sie Ihren blauen Wahlausweis, den Sie, soweit noch nicht geschehen, den Stimmkartenfächern in der Lobby entnehmen können. Die blaue Stimmkarte sowie der Wahlumschlag werden von den Schriftführerinnen und Schriftführern an den Ausgabetischen vor den Wahlkabinen ausgegeben. Sie dürfen Ihre Stimmkarte nur in der Wahlkabine ankreuzen und müssen die Stimmkarte ebenfalls noch in der Wahlkabine in den Umschlag legen. Gültig sind nur Stimmkarten mit einem Kreuz bei "ja" oder "nein" oder "enthalte mich". Stimmkarten, die kein Kreuz oder mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Bevor Sie die Stimmkarte in die Wahlurne werfen, müssen Sie dem Schriftführer an der Wahlurne Ihren blauen Wahlausweis übergeben. Die Abgabe des Wahlausweises dient zugleich als Nachweis für die Beteiligung an der Wahl. Kontrollieren Sie daher bitte, ob der Wahlausweis Ihren Namen trägt. Die drei Wahlurnen sind neben den Sitzreihen der Bundesregierung und des Bundesrates sowie vor dem Rednerpult aufgestellt; das haben wir oft genug geübt. Um einen reibungslosen Ablauf der Wahl zu gewährleisten, bitte ich Sie, von Ihren Plätzen aus über die seitlichen Zugänge und möglichst nicht durch den Mittelgang zu den Ausgabetischen zu gehen. Ich darf nun darum bitten, dass die Schriftführerinnen und Schriftführer die vorgesehenen Plätze einnehmen. - Sind die Schriftführerinnen und Schriftführer an den vorgesehenen Plätzen? - Das ist offensichtlich der Fall. Ich eröffne den Wahlgang. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe den Wahlgang und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses werden wir die Sitzung für einige Minuten unterbrechen. (Unterbrechung von 13.27 bis 13.46 Uhr) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Ich komme zurück zum Zusatzpunkt 1 und gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der Wahl eines Vizepräsidenten bekannt: abgegebene Stimmen 570. Alle abgegebenen Stimmen waren gültig. Mit Ja haben gestimmt 504 Mitglieder des Deutschen Bundestages.1 (Beifall im ganzen Hause) Mit Nein haben 39 Mitglieder gestimmt. 27 Kolleginnen und Kollegen haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Kollege Eduard Oswald mit der erforderlichen Mehrheit zum Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages gewählt. Ich darf Sie fragen, Herr Kollege Oswald: Nehmen Sie die Wahl an? Eduard Oswald (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme die Wahl an und bedanke mich sehr herzlich für das Vertrauen. (Beifall im ganzen Hause - Abg. Volker Kauder [CDU/CSU] und Gerda Hasselfeldt [CDU/CSU] überreichen dem Vizepräsidenten Eduard Oswald Blumensträuße - Abgeordnete aller Fraktionen beglückwünschen den Vizepräsidenten Eduard Oswald) Präsident Dr. Norbert Lammert: Lieber Kollege Oswald, bevor Sie jetzt eine beachtlich große Zahl von einzelnen Glückwünschen entgegennehmen, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie die durch mich stellvertretend für alle Mitglieder des Hauses zum Ausdruck gebrachten guten Wünsche für das neue Amt entgegennähmen. Wir freuen uns auf gute Zusammenarbeit. Ich wünsche Ihnen für dieses ebenso schöne wie anspruchsvolle Amt Erfolg und Gottes Segen. Herzlichen Glückwunsch! (Beifall im ganzen Hause) Meine Damen und Herren, im Interesse einer Beherrschung der Abwicklung der weiteren Tagesordnungspunkte bin ich allen Kolleginnen und Kollegen dankbar, die sich entschlossen haben, ihre persönlichen Glückwünsche irgendwann im weiteren Verlauf des Tages dem Kollegen Oswald zu überbringen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Man kann das notfalls auch schriftlich erledigen. Deswegen möchte ich hiermit diesen Teil der Gratulationscour gerne für beendet erklären und unseren nächsten Tagesordnungspunkt aufrufen. Wir kommen zum Zusatzpunkt 2: Beratung des Antrags der Bundesregierung Beteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO-AWACS im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1943 (2010) vom 13. Oktober 2010 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen - Drucksache 17/5190 - Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Wir können ganz offenkundig so verfahren. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Am 17. März hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1973 beschlossen. Sie ist nach der Entscheidung in New York geltendes, verbindliches Völkerrecht. Wir unterstützen die Ziele dieser Resolution, aber bei den Mitteln ist die Bundesregierung zu einer anderen Bewertung gekommen als die Mehrheit des Sicherheitsrats. In einer schwierigen Abwägung der Risiken, auch der Eskalationsrisiken, sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir uns nicht mit der Bundeswehr an diesem Einsatz beteiligen werden. Die Bundeswehr wird nicht nach Libyen geschickt. Das heißt nicht, dass wir neutral wären. Wir teilen das Ziel des Schutzes der Zivilbevölkerung und natürlich auch das Ziel, dass dem Diktator Einhalt geboten werden muss. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir respektieren die Entscheidung der internationalen Staatengemeinschaft, und ich wiederhole: Sie ist geltendes Recht. Wir wollen dementsprechend auch ihren Erfolg. Deswegen hat die Bundesregierung beschlossen, unsere Verbündeten zu entlasten, ohne dass wir uns selbst mit der Bundeswehr in Libyen militärisch engagieren. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie mir das mal erklären?) Die internationale Gemeinschaft ist in Afghanistan seit dem Strategiewechsel des vergangenen Jahres auf dem richtigen Weg. Wir haben auf den Afghanistan-Konferenzen in London und in Kabul und dann auf der Tagung in Lissabon einen Strategiewechsel beschlossen. Wir setzen auf eine politische Lösung. Bei all den schrecklichen Rückschlägen, die wir sehen, dürfen aber auch Fortschritte nicht übersehen werden. Gestern hat Staatspräsident Hamid Karzai drei Provinzen und vier Städte genannt, die für den Beginn des Übergabeprozesses reif sind. Darunter ist Masar-i-Scharif im deutschen Verantwortungsbereich im Norden. Das zeigt den Erfolg des Strategiewechsels in Afghanistan, für den die Bundesregierung von Anfang an geworben hat. Die Abzugsperspektive ist sichtbar geworden. Wir sind und bleiben der Überzeugung: Der Einsatz in Afghanistan ist richtig, aber es ist auch richtig, dass der Prozess der Übergabe der Verantwortung gestern begonnen hat. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]) Dass die Afghanen mehr und mehr in der Lage sind, für die eigene Sicherheit zu sorgen, ist auch ein Erfolg der neuen Schwerpunkte, die auf Aussöhnung, Eingliederung und Wiederaufbau gesetzt sind. Es ist ein Erfolg der Ausbilder unserer Polizei aus Bund und Ländern, es ist ein Erfolg der Bundeswehrausbilder. Man kann sagen: Die Ausbildung durch die internationale Gemeinschaft und uns Deutsche wirkt. Der zivile Aufbau kommt voran. Die Menschen sehen mehr und mehr eine echte Zukunftsperspektive für sich und ihre Familien. Ich unterstreiche erneut: Die Rückschläge werden nicht übersehen. Die Opfer, die wir oft genug zu beklagen haben, werden nicht vergessen werden. Darüber besteht überhaupt kein Zweifel. Deswegen werde ich auch diese Debatte nutzen, an dieser Stelle all den Frauen und Männern, die in Afghanistan für unsere Freiheit und unsere Sicherheit eintreten, ob in Uniform oder nicht, ein Dankeschön im Namen der Bundesregierung und, dessen bin ich sicher, auch im Namen des Deutschen Bundestages zu sagen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, deshalb bleibt es auch bei unserem Ziel, dass wir bis zum Jahr 2014 die endgültige Übergabe der Verantwortung schaffen wollen. Aber wir halten hier fest: Wir müssen auch danach noch unsere Verantwortung für Frieden und Entwicklung in Afghanistan kennen und uns weiter engagieren. Zehn Jahre nachdem der Afghanistan-Einsatz begonnen wurde, ist durch die gestrige Übergabe der ersten Verantwortung ein wichtiger Fortschritt gemacht worden. Ich sage aber ausdrücklich: Wir wollen eine Übergabe der Verantwortung in Verantwortung. Ein kopfloser Abzug ist nicht das Richtige. Deswegen werden wir dies auch nicht dem Deutschen Bundestag vorschlagen. Der AWACS-Einsatz ist aus unserer Sicht militärisch notwendig. Er ist übrigens auch schon auf Antrag der vorherigen Bundesregierung seinerzeit vom Deutschen Bundestag beschlossen worden. Er lief dann aus, weil objektive Rechtskriterien - Überflugrechte und Weiteres mehr - nicht erfüllt waren. Deshalb hat die Bundesregierung entschieden, dass gewissermaßen ein leeres Mandat nicht erneut beantragt wird, sondern erst dann ein Mandat beantragt wird, wenn die Lage tatsächlich den Erfordernissen entspricht. Der AWACS-Einsatz ist militärisch notwendig, weil er die Operation der NATO unterstützt und die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten sowie der afghanischen Bevölkerung erhöht. AWACS liefern zuverlässige Lagebilder und unterstützen auch die medizinische Luftrettung. Der AWACS-Einsatz ist zivil notwendig, weil er die Sicherheit der zivilen Luftfahrt schützt. Afghanistan liegt auf der Flugroute von Südostasien nach Europa. AWACS verbessern die Flugsicherheit auch für Linien- und Frachtflüge. Der AWACS-Einsatz ist außerdem Ausdruck unserer Bündnissolidarität und unserer Solidarität mit dem afghanischen Volk. Dass wir selbstverständlich unverändert daran arbeiten, dass die Afghanen mittelfristig selbst den eigenen Luftraum auch technisch kontrollieren können, das unterstreiche ich hier noch einmal nachdrücklich. Meine Damen und Herren, als die Verlängerung des Bundestagsmandats Anfang des Jahres anstand, hatte die Bundesregierung auf die Beantragung des Einsatzes von AWACS verzichtet, weil wir den Schwerpunkt unserer Kräfte in Abstimmung mit General David Petraeus auf die Ausbildung gelegt haben. Zugleich versicherten die militärischen Experten der NATO, der AWACS-Einsatz sei auch ohne deutsche Soldaten möglich. Im Dezember hat die Bundesregierung gesagt: Solange die NATO ohne uns die AWACS betreiben kann, brauchen wir kein Mandat. - Jetzt sage ich: Die Lage in Libyen hat auch die Lage insgesamt verändert. Ich weise darauf hin, dass wir die Obergrenze für die Zahl der Soldatinnen und Soldaten unverändert lassen. An der Obergrenze, die der Deutsche Bundestag beschlossen hat, wird nichts verändert. Es bleibt bei den bereits vom Deutschen Bundestag beschlossenen 5 350 Soldatinnen und Soldaten als Obergrenze. Die deutschen AWACS-Besatzungen werden auf die Obergrenze angerechnet. Die Bundesregierung wird auf die flexible Reserve nur im Rahmen dieser Obergrenze zurückgreifen. Die Bundesregierung bleibt zuversichtlich, im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab 2011 reduzieren zu können. Dabei sind wir auf einem guten Weg. Wir bitten Sie, diesen Weg der Übergabe der Verantwortung in diesem Haus gemeinsam mit der Bundesregierung zu gehen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Gernot Erler für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. h. c. Gernot Erler (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist in erster Linie eine Afghanistan-Debatte. Leider hatten wir in den vergangenen Jahren viele solcher Debatten, dabei aber selten Gelegenheit, über gute Nachrichten zu sprechen. Heute ist das jedoch der Fall. Die SPD-Fraktion begrüßt ausdrücklich die gestrige Erklärung von Präsident Karzai mit der Benennung von sieben Provinzen und Städten, in denen ab Juli dieses Jahres die Transition starten soll, also die Verantwortungsübergabe an die afghanische Polizei und die afghanischen Streitkräfte. Genannt werden die Provinz Kabul mit Ausnahme des Bezirks Surobi, die Provinzen Pandschschir und Bamiyan sowie die Provinzhauptstädte Masar-i-Scharif, Mehtar Lam, Lashkar Gah und ein Großteil von Herat. In Masar-i-Scharif befinden sich das zentrale Feldlager der deutschen Einsatzkräfte und das Nordkommando. Damit wird der Start der Transition auch im deutschen Einsatzgebiet stattfinden. Das begrüßen wir ebenfalls ausdrücklich. Der gestern verkündeten Entscheidung ist eine sorgfältige Prüfung vorausgegangen. Die Ermutigung liegt bereits darin, dass ein verabredetes Verfahren tatsächlich im Zeitplan umgesetzt und nicht immer wieder aufgeschoben wird, wie wir das in der Vergangenheit schon häufiger erlebt haben. Es passt gut dazu, dass wir in letzter Zeit öfter auch Informationen über Fortschritte bei der Ausbildung sowohl von Polizei wie auch von Streitkräften bekommen haben. Beides, die Verantwortungsübergabe und der Fortschritt bei der Ausbildung, gehört engstens zusammen. Erst der Aufwuchs der afghanischen Sicherheitskräfte ermöglicht den Inteqal-Prozess, wie die Transition auf Paschtunisch genannt wird. Natürlich wissen wir, dass der Härtetest in den drei Provinzen und den vier Städten noch bevorsteht. Wir wissen auch, dass es noch ein langer Weg sein wird, bis alle Städte und alle Provinzen in die afghanische Sicherheitsverantwortung übergehen werden. Aber nach vielen Rückschlägen signalisiert die Ankündigung von gestern doch, dass es jetzt mit der Umsetzung der neuen Afghanistan-Strategie konkret wird und damit auch die Chancen wachsen, dass bis Ende des Jahres erste Kontingente der Bundeswehr zurückgezogen werden können, ohne dass dies zu einer Gefährdung im Lande führt. Das ist gut. Ich freue mich, dass Sie das auch so sehen, Herr Außenminister. Für die SPD ist das ein wirklich wichtiger Punkt. So steht es im Mandat vom Januar dieses Jahres. Das erwartet auch die Öffentlichkeit. Heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir hier über die Beteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO-AWACS im Rahmen von ISAF zu beraten. Dieses Thema wurde nachträglich in die Tagesordnung dieser Woche hineingequetscht. Wir sind gezwungen, über diesen Einsatz in Sondersitzungen der Ausschüsse quasi im Schweinsgalopp bis zum Freitag dieser Woche abschließend zu beraten. Ich finde, das ist eine Zumutung, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zumal dies überhaupt nichts mit der Entwicklung in Afghanistan zu tun hat. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig! Das ist der Punkt!) Es geht stattdessen um ein Problem in einer ganz anderen Weltgegend, das sich die Bundesregierung selber geschaffen hat - durch ihre Enthaltung bei dem UN-Beschluss zur Einrichtung einer Flugverbotszone und zum Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sowie durch die politische Isolierung innerhalb der Europäischen Union, die sie damit verursacht hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Jetzt sucht sie händeringend nach Maßnahmen, die diese politische Isolierung abschwächen oder wenigstens irgendwie hinter den Vorhang schieben. Ein einseitiger und schnöder Abzug der deutschen AWACS-Besatzungen im Rahmen der Operation Active Endeavour über dem Mittelmeer hätte allerdings tatsächlich das fatale Bild des deutschen Sonderweges noch verstärkt. Jetzt wird großzügig Tausch angeboten: Wir ziehen aus dem Mittelmeer ab, gehen sofort nach Afghanistan und ermöglichen damit US-Kräften, ihrerseits nun wieder nach Libyen zu gehen. - Aber jeder, der sich mit der Materie auskennt, weiß, dass das nicht nur ein Nullsummenspiel ist, sondern dass das obendrein eine politische Mogelpackung ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Herr Außenminister, Sie haben eben selber erwähnt, dass wir schon im Juli 2009 über einen AWACS-Einsatz im Rahmen von ISAF eine Entscheidung getroffen haben, nämlich zugestimmt haben. Wegen des Streits mit Paris und wegen der Überflugrechte ist es aber zu keiner Umsetzung dieses Beschlusses gekommen. Nach einem Jahr verfiel sozusagen das Haltbarkeitsdatum dieses Mandats. Als die Hindernisse endlich ausgeräumt waren und die NATO am 15. Januar dieses Jahres mit dem AWACS-Einsatz beginnen wollte, haben Sie sich nicht getraut - so muss man das ausdrücken -, das noch auf das ohnehin zu verlängernde Afghanistan-Mandat draufzusatteln, und haben den Verbündeten nahegelegt, doch nach drei Monaten noch einmal nachzufragen. Die sind notgedrungen darauf eingegangen und haben den Job für 90 Tage erst einmal selber gemacht. Am 15. April endet diese Frist. Dann hätten wir hier allerdings ohne jede Hast und ohne Sondersitzungen sowieso über die deutsche Beteiligung bei den AWACS-Besatzungen zu diskutieren und zu entscheiden gehabt. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das ist nach dem 27. März!) Die Mogelpackung besteht darin, dass Sie den frustrierten Alliierten jetzt, im März, eine in Geschenkpapier verpackte Leistung als Ausgleich anbieten, für die Sie für April dieses Jahres sowieso schon eine Zusage in Aussicht gestellt haben. Das ist Ihre Art, Bündnissolidarität zu organisieren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich weiß nicht, wie Sie zu der Hoffnung kommen, dass niemand diesen billigen Trick durchschaut. Es wäre jedenfalls ein weiterer Fehler, anzunehmen, dass der höfliche Dank der frustrierten Alliierten so zu deuten ist, dass sie nicht kapiert haben, wie das Spiel hier läuft. Wir haben hier im Deutschen Bundestag einen anderen Schaden. Sie belasten die deutsche Afghanistan-Politik, die doch schwierig genug ist und bei der es die vernünftige Tradition gibt, nach möglichst viel Gemeinsamkeit und Konsens zu suchen, fahrlässig mit dem schweren Gepäck aus Ihrer scheiternden UN- und Libyen-Politik. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Damit legen Sie einer notwendigen Sachdiskussion regelrechte Brocken in den Weg und stellen die Bereitschaft, gemeinsam zu einem möglichst breiten Konsens zu kommen - an dieser Bereitschaft hat es bei uns, den Sozialdemokraten, nie gefehlt -, auf eine harte Probe. Fängt man trotz dieser widrigen Umstände mit der Sachprüfung an, stellt man fest, dass der Mandatsantrag der Bundesregierung über weite Strecken mit dem nicht umgesetzten Mandatsbeschluss vom 2. Juli 2009 wortgleich ist. Wir werden diesen Antrag sorgfältig prüfen und unsere Fragen dazu ganz besonders auch in den Fachausschüssen stellen. Die Beantwortung dieser Fragen wird für die Entscheidung der SPD wichtig sein. Eine unserer Fragen bezieht sich auf die Definition des Auftrags der AWACS-Systeme. Sowohl in dem im Juli 2009 beschlossenen Text wie in dem Mandatsantrag von heute werden fünf Aufträge genannt, von denen vier völlig identisch sind. Bei dem fünften hat es aber eine Änderung gegeben. 2009 hieß es, zu den Koordinierungsaufgaben des AWACS-Systems gehöre - ich zitiere - "Unterstützung von ISAF-Luftoperationen". In dem neuen Mandat, das wir jetzt behandeln müssen, fehlt diese Aufgabe. Dafür taucht eine andere auf. Ich zitiere noch einmal: Unterstützung bei der Durchführung von Operationen ISAF-geführter Bodenkräfte; ... Das ist erklärungsbedürftig, zumal bekannt ist, dass, wie auch im Begründungsteil des Mandates noch einmal ausführlich erwähnt, die NATO-AWACS "weder über die Fähigkeit zur Bodenaufklärung" verfügen noch "eine Feuerleitfähigkeit für Luft-Bodeneinsätze" haben. Wenn hier kein Irrtum vorliegt, muss erklärt werden, auf welche Weise AWACS eigentlich Bodenoperationen unterstützen sollen. Vielleicht kann der Verteidigungsminister ja gleich dazu etwas sagen. Eine andere Frage, die uns schon 2009 beschäftigt hat, muss auch diskutiert und beantwortet werden: Wie ist es eigentlich mit dem Aufbau einer zivilen bodengestützten Luftkontrolle in Afghanistan? AWACS ist ja der fliegende Ersatz für ein solches normales auf dem Boden stationiertes Kontrollsystem. Insofern hängt auch die Dauer des AWACS-Einsatzes davon ab, wann denn endlich auf afghanischem Boden ein solches System errichtet ist. Schon in der Debatte am 17. Juni 2009 hat der Kollege Dr. Stinner - er ist unter uns - voller Ungeduld die damalige Bundesregierung gefragt, wie lange es denn noch dauern würde, bis diese notwendige Kontrollfunktion in Afghanistan aufgebaut sein werde. Seitdem sind fast zwei Jahre vergangen. Die Bundesregierung widmet im Begründungstext des Antrags einen ganzen Absatz ihren bisherigen und künftigen Bemühungen um den Aufbau eines zivilen Luftverkehrskontrollsystems. Wir erfahren von dem Projekt eines "satellitengestützten zivilen Überwachungssystems für den afghanischen Luftraum", das von 2009 bis 2011 laufen sollte, von einem Expertenteam für die Umsetzung des Regelwerks der International Civil Aviation Organization, ICAO, sogar von der "Errichtung einer Akademie für Zivilluftfahrt" noch in diesem Jahr und vom Ausbau der Flughäfen von Masar-i-Scharif und Uruzgan. Irgendeine Angabe darüber, wann denn einmal die Technik stehen wird, um den AWACS-Einsatz überflüssig zu machen, sucht man aber vergebens. Wir fordern Sie auf, das nachzuliefern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Verärgerung über das ganze Verfahren ist erheblich. Dieses Verfahren erschwert es, sich auf das zu konzentrieren, was eigentlich im Zentrum unserer Arbeit stehen sollte: die Beratung darüber, wie ein Erfolg der neuen Strategie in Afghanistan von uns am besten abgesichert werden kann. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie machen es denjenigen schwer, denen es vor allem um Afghanistan geht. Das steht allein in Ihrer Verantwortung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist meine erste Rede als neuer Bundesminister der Verteidigung. Bevor ich zur Sache rede, möchte ich Ihnen gerne sagen, wie ich es auch schon im Ausschuss getan habe, dass ich dem ganzen Hohen Haus insbesondere in all den sensiblen Fragen der Sicherheitspolitik auch meinerseits eine offene, konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit anbiete. Ich hoffe, dass sie auch von allen erwidert wird. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) In Afghanistan sind bereits seit weit vor 2011 nationale AWACS-Flugzeuge unserer Partner, vor allem der Vereinigten Staaten von Amerika, im Einsatz. Um diese wichtige operative Fähigkeit 24 Stunden am Tag im Einsatz nutzen zu können, unterstützen seit dem 15. Januar dieses Jahres darüber hinaus auch NATO-AWACS des multinationalen Verbandes aus Geilenkirchen diesen Einsatz - derzeit ohne deutsche Beteiligung. Dieser 24-Stunden-Einsatz hat sich bewährt. Wir wollen ihn fortsetzen. Ohne deutsche Beteiligung wäre dies jedoch nur beschränkt durchhaltefähig. Wie hier richtig vorgetragen worden ist, würde das ab irgendeinem Zeitpunkt im April, Mai oder Juni gelten. Vor dem Hintergrund der Libyen-Vorgänge gilt das aber jetzt erst recht. Sie finden in dem Mandatsantrag dazu kein Wort, weil die Entscheidung, um die wir den Deutschen Bundestag bitten, auch aus sich heraus sinnvoll ist. Auch ohne die Entwicklung in Libyen wäre es sinnvoll und nötig, den AWACS-Einsatz in Afghanistan zu beschließen. Ich höre aus den Wortmeldungen der Sozialdemokraten, dass das jedenfalls ein wichtiger Teil der Sozialdemokratie ebenfalls so sieht. Aufgrund der Entwicklung in Libyen ist es nun aber erst recht richtig, dies so zu beschließen; denn wenn AWACS am Mittelmeer - und niemand weiß, wie lange die Auseinandersetzung geht - noch lange bzw. dauerhaft gebraucht wird, brauchen wir eine tatsächliche fachliche Entlastung der NATO-AWACS. Ohne die Deutschen kann man auf Dauer nicht in Libyen und in Afghanistan gleichzeitig sein. Wenn sich der Einsatz am Mittelmeer länger hinziehen sollte, brauchen wir eine wirkliche Entlastung für NATO-AWACS. Deswegen ist es richtig, die Beteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO-AWACS in Afghanistan zu beschließen. Selbst wenn es nicht nötig wäre, so ist es doch - das will ich nicht in Abrede stellen - ein politisches Zeichen der Bündnissolidarität, dass wir dies gerade jetzt anbieten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herr Erler, ich habe Ihr Angebot zur konstruktiven Zusammenarbeit durchaus zur Kenntnis genommen. In einem Punkt möchte ich Ihnen aber widersprechen. Sie haben von einem schnöden einseitigen Abzug der AWACS aus dem Mittelmeerraum gesprochen. Der Abzug geschieht deswegen, weil dies die Verfassungsrechtslage so vorsieht. Speziell zu AWACS gibt es ein Verfassungsgerichtsurteil. Danach wird der Einsatz von AWACS ab dem Moment, in dem Aufklärungsmaterial von den AWACS für einen operativen Einsatz mit militärischem Hintergrund eingesetzt wird, mandatspflichtig. Deswegen ist das kein schnöder einseitiger Abzug, sondern es ist die Konsequenz aus unserer verfassungsrechtlichen Lage. Das mag man bedauern, aber so ist es nun einmal. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der Außenminister und ich mussten am Freitag und Samstag - niemand wusste, wie der Beschluss des NATO-Rats ausfallen würde - darüber entscheiden, ob wir erstmalig im Laufe dieser Debatten von dem Instrument der Eilentscheidung Gebrauch machen. Diese Eilentscheidung hätte beinhaltet, dass die AWACS im Mittelmeerraum bleiben können, falls am Freitag oder Samstag ein Operationsplan und eine Executive Directive, also die Ausführung, beschlossen worden wären. Ich hätte sehen wollen, was Sie gesagt hätten, wenn wir Sie erst im Anschluss an eine solche Entscheidung um ein Mandat gebeten hätten. Das Theater im Bundestag hätte ich erleben mögen. Dann hätten Sie zu Recht Kritik geübt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Das ist die Nullsumme!) Nun ein Wort zu den Schiffen. Es ist richtig, dass wir die entsprechenden Schiffe im Mittelmeer seit heute Morgen nationalem Kommando unterstellt haben. Leicht ist mir das nicht gefallen. Aber auch das ist eine Konsequenz aus der Rechtslage. Wenn die NATO einen Operationsplan beschließt, was wir nicht verhindert haben, und es anschließend sofort durch die Executive Directive zur Ausführung kommt, die das Waffenembargo vorsieht, wenn also exekutive Maßnahmen mit Zwangscharakter greifen, dann unterliegt der Einsatz dieser Schiffe ab dieser Sekunde der Mandatspflicht. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Deswegen mussten wir in dieser Sekunde die Schiffe nationalem Kommando unterstellen. Man kann vor dem Hintergrund der Entwicklung darüber diskutieren, ob dafür ein Mandat geschaffen werden muss. Aber es ist nicht kritikwürdig, dass wir sie in dieser Nacht zurückgezogen haben. Das hat unsere verfassungsrechtliche Lage verlangt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Richtig ist, dass die bisherige Umsetzung des im Juli 2009 gefassten Beschlusses des Bundestages zum Einsatz der NATO-AWACS in Afghanistan nicht ruhmreich ist. Es ist nicht schön, wenn trotz der Zustimmung des Deutschen Bundestages die Umsetzung nicht erfolgt, weil man keine Überflugrechte hat; das ist wahr. Das Problem ist inzwischen beseitigt. Es gibt in Konya in der Türkei eine Stationierungsbasis, und es besteht die Möglichkeit einer Zwischenlandung in Masar. Frau Abgeordnete Hoff, ich schließe nicht aus, dass die Maschinen irgendwann dauerhaft in Masar stationiert werden können; denn acht Stunden Flug, Zwischenlandung und all das sind doch recht mühsam. Das ließe das Mandat, um dessen Zustimmung wir bitten, auch zu. Aber zunächst ist es wichtig und geboten, dem Mandat zuzustimmen und es umzusetzen. Der Auftrag lautet in der Tat: Erstellung eines Luftlagebildes und Unterstützung bei der Durchführung von Operationen der ISAF-Kräfte, auch der Bodenkräfte. Sie haben danach gefragt, was das konkret bedeutet. Wir haben darüber im Verteidigungsausschuss bei der Anberatung eben schon diskutiert. Eben wurde das Stichwort "close air support" in dem Zusammenhang genannt. Auch beim Herausholen von verletzten Soldaten mit Sanitätsflugzeugen und Ähnlichem hilft die Koordinierungstätigkeit mithilfe von AWACS. Das heißt, dieser Auftrag dient auch dem Schutz deutscher Soldaten und ist deswegen nicht kritikwürdig, sondern dringend zustimmungsbedürftig. Zum Auftrag gehören darüber hinaus die Entflechtung von Luftverkehrsbewegungen einschließlich der Koordinierung des militärischen Luftverkehrs unter Berücksichtigung ziviler Luftraumnutzer, die Koordinierung der Luftbetankung und die Relaisfunktion für Kommunikations- und Datenaustausch. Im Übrigen entspricht das Mandat also unverändert dem vom Juli 2009, dem Sie damals zugestimmt hatten. Deswegen können Sie ihm hoffentlich, unabhängig von den Begleitumständen, auch jetzt zustimmen. Wir haben, auch in der Bundesregierung, über die Obergrenze diskutiert. Dafür ist ein gesondertes Mandat notwendig. Es endet zeitgleich mit dem normalen ISAF-Mandat, also im Januar 2012. Deswegen hätte man die dafür erforderlichen Zahlen ebenfalls gesondert beschließen können. Aber im Blick auf die gemeinsam verabschiedete NATO-Strategie, auf die Obergrenze und auf die gemeinsame Entwicklung einer Abzugsperspektive haben wir uns entschlossen, dass das Mandat sich im Rahmen der für den Einsatz beschlossenen Obergrenze einschließlich der Reserve bewegen muss. Das ist auch eine Geste an die, die sich schwertun, dem Mandat zuzustimmen. Es ist wahr, dass die Reserve zum Teil anders begründet worden ist. Angesichts der bestehenden Lage ist uns aber bei der Abwägung das Einhalten der Obergrenze, auch als Signal an die deutsche Öffentlichkeit, wichtiger, als an der bisherigen Begründung der Reserve festzuhalten. Wir sagen aber - das finden Sie im letzten Absatz der Begründung -, dass wir auf die Reserve nur im Fall der tatsächlichen Inanspruchnahme der AWACS-gebundenen Soldaten zurückgreifen wollen und darüber hinaus nur, wie in dem Verfahren besprochen, nach vorheriger Konsultation. Das ist der Grund, warum wir sagen: "Jawohl, es ist ein gesondertes Mandat; aber wir bleiben bei der Obergrenze." Dies muss, wird und soll in die insgesamt verabredete Afghanistan-Strategie einbezogen werden. Der Grund für die Dringlichkeit ist von mir vorgetragen worden; ich halte ihn für richtig. Wer dem Einsatz zustimmen möchte, weil er ihn im Hinblick auf Afghanistan für richtig hält, soll das tun. Wer ihm nur wegen der Entlastung im Zusammenhang mit Libyen zustimmen möchte, soll das tun. Wer es aus beiden Gründen tut, liegt doppelt richtig. Ich bitte herzlich um Zustimmung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Wolfgang Gehrcke ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um gleich beim Verteidigungsminister anzuknüpfen: Wer aus beiden Gründen - wegen Libyen und wegen Afghanistan - überhaupt nicht zustimmen will, kann das auch tun, indem er dieses Mandat einfach ablehnt. (Beifall bei der LINKEN) Dann ist er immer auf der politisch klügeren und besseren Seite. Ich weiß nicht, warum man sich nicht einmal ein bisschen zurücknehmen und darüber nachdenken kann. Ein Spruch lautet: Ich denke an das Ende und an den Anfang auch. - Das Ende ist völlig klar: Die Bundeswehr wird irgendwann - ich hoffe, möglichst rasch - aus Afghanistan abgezogen. Der Anfang ist auch klar; auch er lag hier im Hause. Kollege Erler, es wird auch noch darüber zu sprechen sein, unter welcher Regierung, verbunden mit welchen Aufgaben hier der Anfang geknüpft worden ist. Mir ist nicht klar, wie viele Menschen zwischen dem Anfang und dem Ende ihr Leben oder ihre Gesundheit verlieren werden. Das ist für mich das wichtigste Argument: Ich will diese Mandate nicht, weil Menschenrechte unter dem Strich niemals mit Bomben und Raketen durchzusetzen sind, weder in Libyen noch in Afghanistan. Das ist die Motivation, die meine Fraktion hat. (Beifall bei der LINKEN) Man weiß, dass AWACS kein ziviles System ist; es ist ein militärisches System. Man muss der Bevölkerung sagen: Wir entscheiden hier über den Einsatz eines militärischen Systems. In Ihrem Antrag steht ausdrücklich, dass der AWACS-Einsatz auch zur "Unterstützung bei der Durchführung von Operationen ISAF-geführter Bodenkräfte" genutzt wird. Das ist neu; das stand bisher nicht im Mandat. Die SPD muss sich entscheiden, ob sie dem zustimmen will oder nicht. Natürlich haben Sie auch bei der Obergrenze geschummelt, die bisher einen Puffer enthielt und nichtständige Einsatzgrenze genannt wurde; jetzt wird die Obergrenze ständig ausgereizt. Das heißt also: Mit dem AWACS-Einsatz wird der Krieg verschärft; das ist eine nüchterne Feststellung. Darüber muss man reden. Ich denke, dass man auch über die Hintergründe reden muss. Die Linke lehnt den AWACS-Einsatz wie auch andere Einsätze generell ab. Wir werden nicht den kleinsten Finger für Kriegseinsätze hinhalten. (Beifall bei der LINKEN) Das ist nicht die politische Linie, sind nicht die Vorschläge, die wir vertreten. Herr Außenminister, es ist doch eine eigenartige Logik, den Krieg in Afghanistan zu verschärfen, weil man sich in Libyen - das ist der Sinn der ganzen Sache - nicht an einem Krieg beteiligen will. Sie helfen zwar nicht direkt mit Soldaten; aber Sie helfen mit anderen Dingen erheblich bei der Kriegsführung. Nun ist die Entscheidung, in Libyen keine Soldaten einzusetzen und auch die deutsche Marine zurückzuziehen, aus meiner Sicht durchaus vernünftig. Aber es ist schon - Entschuldigung, ich finde dafür keinen anderen Ausdruck - eine ziemlich perverse Logik, dies kompensieren zu wollen, indem man AWACS-Maschinen nach Afghanistan schickt, also den Krieg in Afghanistan zu verschärfen, weil man den anderen Krieg in dieser Art und Weise nicht will. Was ist das überhaupt für eine Denkweise! (Beifall bei der LINKEN) Der Volksmund argumentiert: Der Hehler ist genauso schlimm wie der Stehler. Im Falle des AWACS-Einsatzes ist man der Hehler, weil man die Ziele ausmacht; andere sollen diese Ziele dann militärisch bekämpfen. Ich finde das schlimm. Jetzt noch einmal zu den Kollegen von der SPD. Welcher Logik folgt denn der Außenminister? Herr Steinmeier, Sie werden sich genau erinnern, dass Sie als Fraktionsvorsitzender die Entscheidung von Gerhard Schröder, keine Soldaten in den Irak zu schicken - diese Entscheidung war richtig -, hier, vor diesem Haus, damit begründet haben, dass wir uns im Gegenzug stärker in Afghanistan engagieren. In mehreren Debatten zu diesem Mandat haben Sie das ausgeführt: Weil wir im Irak nicht an der Seite unserer Bündnispartner militärisch agiert haben, sind wir nach Afghanistan gegangen. Entschuldigen Sie, aber genau das Gleiche macht die Bundesregierung heute. Die Merkel macht den Schröder. Dabei ist schon Schröder mit dieser Politik gescheitert. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Jetzt haben Sie sich ein bisschen verheddert!) Wenn man jetzt sagt, dass wir uns nicht in Libyen engagieren, sondern in Afghanistan, dann folgt man der gleichen Logik wie damals beim Irak; das wird dieses Mal nicht zu einem besseren Ergebnis führen. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Was war denn 2001 für ein Irakkrieg? - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Welche Reihenfolge, Herr Kollege? - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um was ging es eigentlich im Irak?) Ich bitte Sie ganz einfach: Nutzen Sie Ihre Möglichkeit, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie sollten Ihre Möglichkeiten auch nutzen, intellektuell!) zweimal mit Nein zu stimmen und weder Soldaten für den Krieg in Libyen zur Verfügung zu stellen noch den AWACS-Einsatz in Afghanistan zu mandatieren. Wir brauchen endlich eine Friedenspolitik. Ich finde, darüber kann man in diesem Hause streiten. Solche Auseinandersetzungen sind aber höchst selten geworden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Nouripour für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Gehrcke, ich glaube, Sie haben noch immer nicht verstanden, dass der Irakkrieg eine historische Zäsur in negativer Hinsicht dargestellt hat - ich meine das, was im Sicherheitsrat damals vorgefallen ist, dass es kein Mandat für die Einsätze gab -, und das ist sehr bedauerlich. Diese historischen Vergleiche hinken immer. (Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN) Ich komme jetzt zum AWACS-Einsatz. Viele Kollegen in diesem Hohen Haus verstehen in der Sache, warum es eine Notwendigkeit zum Einsatz der Fähigkeiten von AWACS-Aufklärungsflugzeugen in Afghanistan gibt. In den letzten Jahren hat sich die Bundesregierung im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen stets bemüht, eine breite Mehrheit in diesem Haus zu finden. Das ist auch richtig so; denn Auslandseinsätze bringen eine große Verantwortung für das gesamte Parlament mit sich. In diesem Fall war das leider nicht möglich, weil eine unglaubliche Eile geboten war. Diese Eile erschwerte die Entscheidungsfindung für alle. Wenn man sehr genau überlegt, wie es zu dieser Eile kam, kommt man auf eine einzige Antwort: Die Bundesregierung hat sich in den letzten Wochen und Monaten nicht darum gekümmert. Sie hat die Entscheidungen, die anstanden, nicht getroffen. Das ist ein großes Problem. Sie haben sich darum schlicht nicht gekümmert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ende 2010 gab es zum wiederholten Mal eine Anfrage an die Bundesregierung, ob Deutschland sich an dem AWACS-Einsatz beteiligt. Der Außenminister war strikt dagegen. Er hat übrigens auch nach der Abstimmung über das Gesamtmandat verkünden lassen - das war Ende Januar 2011 -: Für die nächsten zwölf Monate ist das kein Thema. Es war aber klar, dass das so nicht geht. Man wollte sich über einen bestimmten Zeitpunkt retten. Das war keine Landtagswahl, sondern die ISAF-Abstimmung im Deutschen Bundestag. Also machte die Bundesregierung das, was sie in solchen Situationen immer macht: Sie verhängte ein Moratorium von drei Monaten. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Da hat das angefangen!) In dieser Zeit sollte über den AWACS-Einsatz nicht geredet werden. Jetzt ist dieses Moratorium fast ausgelaufen. Es stand also sowieso die Entscheidung an, was nun passiert, ob Deutschland sich an dem AWACS-Einsatz beteiligt oder nicht. Voller Hektik sagen Sie nun: Nein, wir warten das nicht ab, sondern bieten unsere Beteiligung an dem AWACS-Einsatz an. Der Verdacht liegt nahe, dass Sie damit einen einfachen Zweck verfolgen. Sie wollen das Desaster der Passivität der Bundesregierung, diesen deutschen Sonderweg in der Libyen-Frage, gegenüber der Öffentlichkeit schnellstmöglich vergessen machen, und das ist indiskutabel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Minister Westerwelle, die FAZ meldet, Sie hätten die Resolution, die Sie danach öffentlich begrüßt haben, eigentlich ablehnen wollen. Wenn das nicht stimmt, wäre ich sehr dafür, dass Sie das dementieren. Sie haben sich in der Vergangenheit häufiger als Abgeordneter zu Wort gemeldet und sich erklärt. Jetzt haben Sie die Möglichkeit, uns zu sagen, ob es stimmt, dass die Bundesregierung diese Resolution, die sie begrüßt hat, tatsächlich ablehnen wollte. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Wir haben sie nicht abgelehnt! Was soll das? Das ist reine Spekulation!) Bei diesem Mandat gibt es ein noch größeres Problem. Aufgrund der Eile, die Sie sich selbst auferlegt haben, legen Sie nicht einmal einen gründlich ausformulierten Mandatstext vor. Ich gebe Ihnen ein einziges Beispiel: das bodengestützte System. Wir fragen uns, was hier seit 2009 überhaupt passiert; das ist eine sehr berechtigte Frage. Im Mandatstext steht zum Beispiel wortwörtlich: Die Rehabilitierung des Flughafens Uruzgan ... steht kurz vor dem Beginn. Das ist eine wunderschöne Nachricht; das freut mich ungemein. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Stinner? Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. Ich sehe ihn gar nicht. - Da ist er. (Birgit Homburger [FDP]: Ganz vorne!) Dr. Rainer Stinner (FDP): Vielen Dank. - Sehr geehrter Kollege Nouripour, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass heute in den vergangenen zwei bis drei Stunden sowohl das Auswärtige Amt durch den entsprechenden Sprecher als auch die Bundeskanzlerin durch ihren Sprecher eindeutig erklärt haben, dass an dem Gerücht, das auch Sie hier verbreitet haben, gar nichts dran ist, sondern dass die Entscheidung zur Enthaltung von vornherein einstimmig so gefasst worden ist? Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen? Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin gerne dazu bereit; das freut mich ungemein. Ich habe das Gerücht nicht verbreitet; das ist eine Pressemeldung. (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Was soll das?) Nichtsdestotrotz habe ich die Verlautbarung der Bundesregierung immer so verstanden, dass man die ganze Zeit verhandelt und hart mit sich gerungen habe. Nun sagen Sie, die Enthaltung habe von vornherein festgestanden. Das ist ein wenig verwirrend und macht so keinen Sinn. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Zurück zum Antragstext. Sie haben geschrieben - ich wiederhole -: Die Rehabilitierung des Flughafens Uruzgan ... steht kurz vor dem Beginn. Das ist eine schöne Sache. Das Problem ist, dass 2009 exakt derselbe Satz im Mandat stand. Auch 2009 hieß es, der Beginn der Rehabilitierung des Flughafens Uruzgan stehe kurz bevor. Der Satz danach lautete, dass die Fertigstellung für 2010 geplant sei. Das ist nicht konsistent, vor allem auch deswegen nicht, weil wir uns alle erinnern, wie es 2009 war: Wir Grüne haben hier dem Mandatstext mehrheitlich zugestimmt, um dann festzustellen, dass sich die Bundesregierung überhaupt nicht um die Details gekümmert hat. Das war eine extrem peinliche Aktion, die jetzt durch dieses hektische Copy and Paste, das Sie bei der Erstellung des Antrags gemacht haben, nicht wirklich besser wird. Jetzt geht es darum, dass wir Vertrauen, das in den letzten Tagen verloren gegangen ist, wieder zurückgewinnen. Aber Sie tun nichts dafür. Ein weiteres Beispiel: Es gibt das feste Versprechen der Bundesregierung, dass die Zahl der Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan Ende des Jahres - vorbehaltlich der Sicherheitslage - reduziert wird. Ich habe damals den Herrn Außenminister im Plenum gefragt: Wie ist es denn, wenn die AWACS dazukommen? Er sagte: AWACS und Mandatsobergrenze haben miteinander überhaupt nichts zu tun. - Wir erleben gerade, dass gesagt wird: Wir haben jetzt die flexible Reserve angebrochen. Wir müssen einmal schauen, wie es geht. Das Problem ist, dass Sie sich dadurch, dass wir jetzt mehr Soldatinnen und Soldaten nach Afghanistan schicken werden, faktisch von diesem Versprechen entfernen. Ein weiteres Problem ist, dass Sie damit nicht nur die Öffentlichkeit verprellen und Ihr Versprechen möglicherweise nicht halten können. Ich hoffe, dass Sie Ihr Versprechen halten können. Problematisch ist vielmehr auch, dass die Soldatinnen und Soldaten dadurch, dass Sie so herumtaktieren, politische Manövriermasse bei einem Kuhhandel werden. Der Kuhhandel lautet: Libyen nein, deshalb Afghanistan. - Dabei haben die beiden Konflikte in der Sache nichts miteinander zu tun. Es geht darum, dass jeweils für jede Intervention - in manchen Fällen auch für die jeweilige Nichtintervention - eine genaue Begründung in der Sache vorliegen muss. Das ist bei Ihnen nicht der Fall, sondern Sie vermengen alles auf eine unseriöse Weise miteinander. Das hat mit sachlicher und - das ist das Gravierende - vor allem mit einer wertegebundenen Außenpolitik überhaupt nichts mehr zu tun. Die Kontinuität, die die deutsche Außenpolitik ausgemacht hat - egal wer in den letzten Jahrzehnten regiert hat -, setzen Sie fahrlässig aufs Spiel. Das ist wirklich verheerend. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Stefan Liebich [DIE LINKE]: Na, danke schön! Keine Position!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Dr. Andreas Schockenhoff für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Nouripour, Sie haben es geschafft, Ihre volle Redezeit auszunutzen, ohne eine einzige Silbe dazu zu sagen, wie sich Ihre Fraktion nachher in dieser Frage verhalten wird. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN - Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wenn wir es uns so einfach machen würden wie Sie, wäre es hier ganz schlimm!) Sie haben von Medienberichten gesprochen. Ich habe Medienberichte gelesen, in denen stand, dass Sie für das AWACS-Mandat sind. Ich habe von Herrn Trittin in der Presse gelesen, dass er dagegen ist. Mich hätte interessiert, wie die Mehrheit Ihrer Fraktion das sieht und ob Sie in Ihrer Fraktion überhaupt darüber geredet haben. Bevor ich zu AWACS komme, möchte ich zwei Dinge klarstellen: (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mich würde interessieren, wie es bei Ihnen aussieht, wie Sie abstimmten, wenn Sie die Abstimmung freigäben!) - Sie schreien zwar, aber sagen Sie doch bitte einmal, wie die Grünen abstimmen. Das interessiert; das andere interessiert nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir lesen Mandatstexte, bevor wir entscheiden!) Erstens. Die CDU/CSU-Fraktion teilt die Einschätzungen und Abwägungen - dies möchte ich vorab sa-gen - der Bundesregierung, die bei der Resolution 1973 zu der Enthaltung im Sicherheitsrat geführt haben. Zweitens. Deutschland ist in diesem Konflikt nicht neutral, sondern steht fest an der Seite des libyschen Volkes und der internationalen Gemeinschaft. Die Bundeskanzlerin hat am vergangenen Samstag beim Gipfel in Paris klar gesagt, dass die Resolution gilt und Deutschland die Ziele der Resolution vorbehaltlos unterstützt. Deshalb unterstützt die CDU/CSU-Fraktion geschlossen das Bestreben der Bundesregierung, unterhalb einer direkten militärischen Beteiligung alles dafür zu tun, dass die Resolution 1973 erfolgreich durchgesetzt wird. Dazu gehört auch - das hat der Verteidigungsminister dargestellt -, dass wir der NATO zusätzliche Kapazitäten für den Einsatz in Afghanistan anbieten, indem wir uns an den AWACS-Flügen beteiligen. Dies geschieht auch mit dem Ziel, unsere NATO-Partner für ihren Einsatz in Libyen zu entlasten. Das Bündnis hat sich gestern auf einen Plan zur Durchsetzung eines Flugverbots über Libyen geeinigt. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt diese Entscheidung und die erzielte Einigkeit ausdrücklich. Bislang gibt es weder eine Anfrage an die NATO noch eine Anfrage der Allianz selbst an ihre Mitglieder bezüglich einer konkreten Umsetzung der Resolu-tion 1973. Aber auch hier sage ich in aller Klarheit: Es ist selbstverständlich, dass Deutschland eine solche Entscheidung unterstützen wird. Das heißt ganz praktisch, dass die deutschen Soldaten bei einer entsprechenden Mission der NATO in den integrierten Stäben des Bündnisses ihre Aufgaben erfüllen und Verantwortung übernehmen werden. Die Bundesregierung muss sich daher von niemandem Vorwürfe gefallen lassen, sie hätte ihre Bündnissolidarität infrage gestellt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme auf das vorliegende Mandat zu sprechen. Seit dem 15. Januar 2011 sind NATO-AWACS in Afghanistan eingesetzt, bisher allerdings ohne deutsche Besatzungen und Bodenpersonal. Der Einsatz der AWACS erfolgt aufgrund des steigenden Flugaufkommens über Afghanistan. Die Flugzeuge sollen die Koordinierung des militärischen Flugverkehrs unter Berücksichtigung ziviler Nutzer sowie Aufgaben zur Unterstützung von ISAF-geführten Bodenkräften übernehmen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Schockenhoff, darf der Kollege Bartels Ihnen eine Zwischenfrage stellen? Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Gerne. Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Herr Kollege Schockenhoff, in der vergangenen Woche habe ich in einem Rundfunkinterview von Ihnen vernommen, dass die Nichtbeteiligung Deutschlands an der Umsetzung des Libyen-Beschlusses des Sicherheitsrats sowie die Enthaltung Deutschlands im Sicherheitsrat damit begründet wurde, die Bundeswehr könne das gar nicht mehr. Ist das eine tragende Begründung für die Regierungsfraktionen? Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Nein, ich habe in der letzten Woche darauf hingewiesen, dass es - und das war bis gestern der Fall - weder im Sicherheitsrat noch in der EU noch in der NATO noch in der Arabischen Liga Einigung über die Ziele und die Einsatzregeln für diese Operation gab. Das habe ich kritisiert und deshalb gesagt: Es war richtig, dass sich die Bundesregierung enthalten hat. - Dass wir hinter den Zielen "Schutz der Bevölkerung" und "dem Diktator Einhalt gebieten" stehen, ist eindeutig. Das hat auch der Außenminister für die Bundesregierung und für die Koalitionsfraktionen wiederholt. Dabei bleibt es. Die Begründung, sich zu enthalten, hat mit den politischen Zielen, die wir jetzt voll mittragen, nichts zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich komme zurück zum AWACS-Einsatz. Dieser war ursprünglich für 90 Tage angedacht. Deshalb bestand bei der Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes im Januar auch keine Veranlassung, eine mögliche deutsche Beteiligung in dem Mandatstext zu berücksichtigen. Weil sich das System bewährt und als sehr effektiv erwiesen hat, soll der Einsatz nun auf Wunsch des ISAF-Oberkommandos weitergeführt werden. Die AWACS-Flugzeuge der NATO sind hochintegrierte Verbände, die ohne deutsches Personal auf Dauer nur beschränkt einsetzbar sind. Deshalb wollen wir uns künftig an dem AWACS-Einsatz der NATO in Afghanistan mit dem Ziel der Luftraumsicherheit und Luftraumkoordinierung beteiligen. Dies gilt unabhängig von einer möglichen Beteiligung des Bündnisses an den Operationen zur Durchsetzung der beiden UNO-Resolutionen zu Libyen. Neben dem Schutz unserer eigenen Soldatinnen und Soldaten sowie der afghanischen Zivilbevölkerung ist der wichtigste Aspekt meines Erachtens, dass der Einsatz der NATO-AWACS den Prozess der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen unterstützen kann. Die Flugzeuge verdichten das Lagebild für die Operationsführung nicht nur der ISAF-Truppen, sondern auch der afghanischen Sicherheitskräfte, die an Operationen gegen Aufständische im Rahmen unserer Konzepte des Partnerings und des Mentorings beteiligt sind. Mit diesem Einsatz befördern wir unser Ziel, möglichst schnell eine Übergabe der Sicherheitsverantwortung in afghanische Hände zu erreichen, was die Verringerung unserer militärischen Präsenz zur Folge haben kann. Schon aus diesem Grunde hoffen wir, dass das Mandat eine breite Zustimmung im Bundestag findet. Im Übrigen zeigt die gestrige Ankündigung des afghanischen Präsidenten Karzai, ab Juli 2011 sieben Regionen in die afghanische Sicherheitsverantwortung zu übernehmen, dass der von uns im letzten Jahr vorgenommene Strategiewechsel wirkt. Der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte - Armee und Polizei - kommt zügig voran. Auch Deutschland hat seine Trainingskapazitäten in unserem Verantwortungsbereich im Norden Afghanistans erhöht und kann nun in der Stadt Masar-i-Scharif die Sicherheitsverantwortung an die Afghanen übertragen. Dieser maßgebliche Schritt verdeutlicht, dass wir auf dem richtigen Weg sind, um die von uns angestrebte völlige Übergabe in afghanische Verantwortung bis 2014 zu erreichen. Zum Abschluss möchte ich noch einmal unterstreichen: Gerade weil dieses Mandat unseren Abzug aus Afghanistan befördern kann, kann auf eine Erhöhung der Mandatsobergrenze verzichtet werden. Dies ist ein weiterer Grund, aus dem die Vorlage der Bundesregierung eine breite Unterstützung finden sollte. Dazu lade ich uns alle herzlich ein. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/5190 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Es ist vereinbart, dass wir die Sitzung jetzt für Fraktionssitzungen unterbrechen. Das wird bis voraussichtlich 16 Uhr der Fall sein. Wir werden den Wiederbeginn der Plenarsitzung wie immer durch Klingelsignal bekanntgeben. Ich möchte Ihnen mit Blick auf den weiteren Ablauf unserer Tagesordnung einen Verfahrensvorschlag machen. Als Nächstes werden dann ja die Regierungsbefragung und die Fragestunde aufgerufen, auf die die vereinbarte Aktuelle Stunde folgt. Nach Rücksprache mit den Fraktionen möchte ich Ihnen vorschlagen, dass wir nach einer vielleicht etwas knapper gehaltenen Regierungsbefragung die Fragestunde auf eine Stunde statt zwei Stunden begrenzen. Auch nach Durchsicht der jetzt schon zur schriftlichen Beantwortung eingereichten oder korrigierten Fragen scheint mir das auskömmlich zu sein. Dann könnten wir zu einer halbwegs kalkulierbaren Zeit mit der Aktuellen Stunde beginnen und vermeiden, dass diese mit Abendverpflichtungen kollidiert. Können wir so verfahren? (Iris Gleicke [SPD]: Die dringlichen Fragen gehen voran? Ja?) - Natürlich beginnen wir nach der Regierungsbefragung, die über das angemeldete Thema hinaus von sonstigen Nachfragen entlastet bleiben könnte, mit den dringlichen Fragen und rufen die verbliebenen anderen Fragen danach auf. - Ich bedanke mich für die Zustimmung. Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 14.42 bis 16.05 Uhr) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Als Thema der heutigen Kabinettssitzung hat die Bundesregierung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen. Ich erteile das Wort zum fünfminütigen Einführungsbeitrag der Frau Bundesministerin Dr. Annette Schavan. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, den die Präsidentin angekündigt hat und der heute vom Kabinett verabschiedet wurde, ist ein wichtiger Schritt in Bezug auf Integration und eine zentrale Maßnahme in Bezug auf das Thema Fachkräftebedarf, über das wir immer wieder diskutieren. Worum geht es? Was ist neu? Viele von uns kennen einzelne Fälle, in denen die Anerkennung eines im Ausland erworbenen Berufsabschlusses viele Behörden beschäftigt, lange dauert, ergebnislos bleibt oder in denen über die Anerkennung in dem einen Bundesland anders entschieden wird als in dem anderen. Deshalb - das ist neu - enthält das Gesetz einen Rechtsanspruch auf Prüfung von beruflichen Auslandsqualifikationen. Neu ist, dass das Verfahren der Prüfung, soweit alle Unterlagen vorliegen, in einem Zeitraum von drei Monaten abgeschlossen sein muss. Abgeschlossen werden kann es nicht einfach mit einem Ja oder Nein, sondern erforderlich ist ein Hinweis darauf, welche Qualifikationen vorhanden sind und welche zusätzlichen erbracht werden müssen, um eine Anerkennung zu bekommen. Neu ist auch, dass die Kriterien, anhand derer sich die Frage "Anerkennung, ja oder nein?" entscheidet, für Deutschland insgesamt gelten. Das Gesetz besteht aus Art. 1 - das ist das eigentliche Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz - und 60 weiteren Artikeln, die Änderungen von 60 Berufsgesetzen und entsprechenden Verordnungen beinhalten. Ich sage das, weil manche mit Recht gefragt haben, warum es eigentlich so lange gedauert hat, von Dezember 2009, als die Eckpunkte vorlagen, bis März 2011. In diesem Prozess ging es darum, 60 Berufsgesetze zu verändern, und einen Konsens herzustellen, wie hier künftig verfahren wird. Zudem mussten auch die Schritte der Umsetzung, die jetzt anstehen, mit bedacht werden. Wir werden eine bundesweite Hotline einrichten, sodass jeder, der ein Anerkennungsverfahren anstrebt, unter einer Nummer die Information bekommt, wo und wie das möglich ist. Auf der Ebene der Kammern gibt es Vorbereitungen für die Bündelung von Zuständigkeiten und Kompetenzen, sodass nicht jede Kammer die Entsprechenden Entscheidungsgrundlagen vorhalten muss. Die Industrie- und Handelskammer plant zum Beispiel eine zentrale Stelle, wenn ich es richtig sehe, in Nürnberg. Betroffen von dem Gesetz sind in Deutschland nach jetziger Prognose 285 000 Bürgerinnen und Bürger. Die Aufschlüsselung dieser Gruppe ergibt, dass es sich zum größten Teil - bei rund 250 000 - um Personen handelt, die über eine Lehre oder einen sonstigen berufsqualifizierenden Abschluss verfügen. Ungefähr 23 000 Personen verfügen über einen Meister-, Techniker- oder Fachschulabschluss und rund 16 000 Personen über einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss. Das zeigt zugleich, dass die Personen mit einem Fachhochschul- oder Hochschulabschluss eher eine Minderheit sind. Geregelt sind im Gesetz rund 500 Berufe, darunter - das ist die größte Gruppe - die 350 Ausbildungsberufe. Es gibt jedoch auch Berufe, die auf der Ebene der Länder geregelt werden. Deshalb sind auch die 16 Länder in diesen Prozess mit einbezogen. Dazu gehören zum Beispiel die Lehrer. Ich habe es heute Morgen schon gesagt: Es besteht jetzt die Hoffnung, dass vielleicht nicht nur diejenigen, die im Ausland einen Abschluss erworben haben, in Deutschland diesen anerkannt bekommen, sondern dass auch die 16 Bundesländer untereinander ihre Lehrerabschlussprüfungen anerkennen, sodass die Lehrerinnen und Lehrer überall in Deutschland lehren können. Das sind Nebeneffekte, die ich jetzt einmal nennen wollte. Angesprochen sind nicht nur die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, die woanders ihren Abschluss gemacht haben, sondern selbstverständlich auch Deutsche, die woanders ihren Abschluss gemacht haben, und in Zukunft wollen wir natürlich auch diejenigen ansprechen, die interessiert daran sind, nach Deutschland zu kommen und in ihrem Beruf zu arbeiten. Vom Ausland aus kann ein Antrag ebenso gestellt werden wie in Deutschland selbst. Die Neuigkeiten sind also: Rechtsanspruch auf Prüfung der Anerkennung, klare Angaben über die Dauer der Bearbeitung, gleiche bzw. vergleichbare Kriterien in ganz Deutschland und schließlich eine sehr viel klarere Form, in der eine Beantragung erfolgen kann. Das beginnt schon mit der Hotline, die unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes eingerichtet wird. So weit zu den wichtigsten Informationen zum heute verabschiedeten Gesetzentwurf. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Es gibt schon jetzt eine ganze Reihe von Fragestellerinnen und Fragestellern. Ich erinnere noch an die Ankündigung des Präsidenten von vorhin, dass wir die Regierungsbefragung heute vielleicht nicht allzu weit ausdehnen sollten, und gebe zunächst der Kollegin Daðdelen das Wort zur Frage. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin Schavan, ich würde gerne wissen, ob aufgrund des im Gesetzentwurf und in der Begründung angedachten Anspruchs, für mehr Transparenz und Vereinfachung zu sorgen, auch vorgesehen ist, eine einheitliche Datenbank zu errichten - zum Beispiel auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung -, um ungleiche Bewertungsergebnisse bei gleichen Qualifikationen in den Bundesländern zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist es mir auch wichtig, zu fragen, ob man mehr Transparenz und Vereinfachung dadurch erreichen kann, dass man es den Kammern überlässt, die Anerkennungsverfahren durchzuführen, da es dann 16 unterschiedliche Anlaufstellen in 16 unterschiedlichen Bundesländern gibt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Es sind diverse Maßnahmen geplant, um Daten und Informationen speziell zu Drittstaaten, deren Abschlüsse bei uns bislang noch nicht so bekannt sind, zu sammeln. Ich nenne zum Beispiel die zentrale Plattform beim Bundeswirtschaftsministerium, die zurzeit aufgebaut wird. Damit wird es eine gemeinsame Daten- und Informationsbasis geben. Damit wir sichergestellt, dass die im Gesetz festgelegten Kriterien nicht unterschiedlich angewandt werden. Deshalb sagen uns sowohl die Handwerks- als auch die Industrie- und Handelskammern: Es wird nicht, wie bislang, jede Kammer für sich entscheiden, sondern wir wollen Kompetenzzentren einrichten. - Beim Industrie- und Handelskammertag wird überlegt, eine große Stelle in einer Stadt in Deutschland einzurichten, sodass nicht unterschiedliche Stellen die gleichen Kriterien anwenden, sondern das nur an einer Stelle erfolgen muss. Das Einzige, was wir nicht wollen, ist, eine neue zentrale Stelle jenseits der Kammern und der bisherigen Behörden aufzubauen. Das heißt aber nicht, dass die Kräfte nicht gebündelt werden. Es werden nicht mehr 400 Stellen in Deutschland sein, die die Anerkennungsverfahren durchführen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die nächste Frage stellt Kollege Kamp. Heiner Kamp (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, angesichts des Mangels an qualifiziertem Personal im Gesundheitsbereich frage ich Sie, welche Auswirkungen das Gesetz auf die Anerkennung von Abschlüssen ausländischer Ärzte, Krankenpfleger, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Hebammen, MTAs und PTAs haben wird und ob Sie eine Gefahr sehen, dass der Standard der anerkannten Abschlüsse, ob Hochschulabschlüsse oder Berufsausbildung, eventuell gefährdet sein könnte. Anders gefragt: Könnten diese Abschlüsse dadurch entwertet werden? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin, bitte. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Die Gefahr der Entwertung sehe ich nicht. Ich bin davon überzeugt, dass die Stellen, die für die Anerkennung zuständig sind, die deutschen Referenzqualifikationen sehr genau kennen und bei der Qualität unserer Ausbildungen ansetzen werden. Was die Mediziner und die sonstigen Heilberufe angeht, steht in dem Bereich der Patientenschutz besonders im Vordergrund. Deshalb würde ich nach heutigem Stand sagen: Das, was im Gesetzentwurf vorgesehen ist, ist ein guter erster Schritt, aber es ist durchaus eine Weiterentwicklung denkbar. Der wichtigste Schritt in dem Bereich ist, dass nicht mehr die Staatsangehörigkeit darüber entscheidet, ob jemand eine Approbation oder den Berufszugang bekommt. Bisher ist dafür in vielen Bereichen die deutsche Staatsangehörigkeit die Voraussetzung. Das gilt selbst für den türkischen Arzt oder die Ärztin, die in Deutschland geboren und ausgebildet sind, aber ihre türkische Staatsangehörigkeit behalten. Hier ist eine entscheidende Änderung erfolgt. Jetzt ist nur noch die Qualifikation Voraussetzung für die Anerkennung. Ich glaube, dass das ein erster wichtiger Schritt ist. Eine Weiterentwicklung ist denkbar und vermutlich auch notwendig, wenn wir uns gezielt - Kollege Rösler hat in dieser Woche davon gesprochen - außerhalb der EU um Mediziner bemühen wollen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Sager. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Ministerin, das Eckpunktepapier der Bundesregierung hat noch die Einrichtung dezentraler Erstanlaufstellen in Aussicht gestellt. Eine Internetplattform ist kein Ersatz für Beratung und Begleitung. Warum regelt der Gesetzentwurf nicht den Anspruch auf Beratung und Begleitung durch dezentrale Stellen vor Ort? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Das, was mit der Erstanlaufstelle beabsichtigt ist, wird in unter anderem durch die zentrale Hotline gewährleistet. Der entscheidende Punkt ist: Jemand, der seine Qualifikation prüfen lassen will, muss sich nicht an zehn Adressen wenden, sondern an eine zentrale Nummer. Da nennt man ihm nicht einfach eine weitere Telefonnummer, sondern er erhält eine gezielte Beratung, an wen er sich mit seinem Antrag wenden kann. Beratung bzw. Begleitung ist uns sehr wichtig. Das gilt vor allem in den Fällen, in denen eine Anerkennung nicht ausgesprochen werden kann, und sich die Frage stellt, welche zusätzliche Qualifikation notwendig ist, um eine Anerkennung zu erreichen. Hierfür sind regionale Stellen vorgesehen. Eine untergesetzliche Regelung ist in Arbeit. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Rupprecht. Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU): Frau Ministerin, der Entwurf des Anerkennungsgesetzes ist aus unserer Sicht ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Integration. Respekt hierfür! Viele haben lange darüber geredet; diese Regierung bringt es auf den Weg. Nichtsdestotrotz geht es um die Qualität, die wir gewährleistet haben wollen. Ich frage Sie meinerseits zum einen: Wie schaffen wir es, dass die dezentral getroffenen Entscheidungen auf vergleichbare Weise zustande kommen? Zum anderen frage ich Sie, die Frage des Kollegen von der FDP vertiefend: Wie gewährleisten wir über den medizinischen Bereich hinaus, dass die hohe Qualität des deutschen Ausbildungssystems aufrechterhalten wird? Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Wir gewährleisten das auf zweifache Weise: erstens indem die Prüfungen durch die Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern oder sonstige berufsnahe Stellen erfolgen - sie erfolgen nicht bei einer neuen staatlichen Behörde, sondern da, wo Ausbildungsverordnungen mit uns entwickelt werden, da, wo Kompetenz hinsichtlich der Erstausbildung und der Weiterbildung sitzt. Und zweitens macht das Gesetz sehr deutlich, dass deutsche Qualitätsstandards der Referenzpunkt und Maßstab sind, mit dem die ausländischen Qualifikationen und Zertifikate geprüft werden. Es geht immer um Gleichwertigkeit und Vergleichbarkeit: Ist das, was vorgelegt wird, vergleichbar mit dem Berufsbild, um das es geht? Ich bin fest davon überzeugt: Es liegt im Interesse von allen Berufsbranchen, ihren Qualitätslevel zu halten. Ich füge allerdings hinzu: Ich glaube nicht, dass es in der Welt nicht auch andere Orte gibt, an denen eine qualitätsbewusste Ausbildung erfolgt und Berufserfahrung gewonnen wird. Indem wir keine neue Behörde schaffen, sondern die Kompetenzen, die da sind, nutzen, wird das Ganze - davon bin ich überzeugt - nicht zu einem Absinken der Qualität führen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Schulz. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Schönen Dank, Frau Präsidentin. - Verehrte Frau Bundesministerin, ich habe leider den Beginn Ihrer Ausführungen nicht verfolgen können, weil die SPD-Fraktion noch getagt hat. Deswegen verzeihen Sie, wenn ich jetzt möglicherweise nach etwas frage, das Sie schon ausgeführt haben. Der Gesetzentwurf beinhaltet Regelungen für nur einen Teil der Ausbildungen, nämlich diejenigen, die sozusagen durch Bundesrecht zu regeln sind. Aber es gibt noch eine ganze Menge mehr. Deswegen die Frage: Wie gestaltet sich der Prozess? Engagiert sich die Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern, eine Regelung hinzubekommen, die tatsächlich eine Verbesserung für alle Ausbildungen, alle Berufe darstellt? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin, bitte. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Selbstverständlich. Ich will kurz die Zahlen, die ich vorhin genannt habe, wiederholen, weil man sich dann ein Bild davon machen kann, wer wie stark betroffen sein wird. Wir gehen von etwa 285 000 interessierten Personen in Deutschland aus. Davon haben rund 250 000 eine Lehre oder eine Art berufsqualifizierende Ausbildung abgeschlossen. Die große Gruppe der 350 Ausbildungsberufe ist also sozusagen das Herzstück der neuen Regelungen. Der Anteil derer, die einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss mitbringen und die zum Teil - wie beispielsweise Lehrer - in die Regelungszuständigkeit der Länder fallen, ist vergleichsweise gering. Wir haben in den letzten Monaten konstruktive Gespräche mit den Ländern geführt, damit entsprechende Veränderungen auch in den Ländern vorgenommen werden. Mit keinem der 16 Länder gibt es Dissens darüber, dass nicht nur gesetzliche Änderungen vorzunehmen sind, sondern dass auch die Praxis der Anerkennung zu verbessern ist; denn so wichtig das Gesetz ist, so wichtig ist auch die Praxis, bis hin zu dem Punkt, den ich eingangs genannt hatte, nämlich dass mit der Anerkennung in einem Land zugleich die Anerkennung in Deutschland insgesamt gewährleistet sein muss. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich möchte gerne darauf hinweisen, dass wir ausdrücklich die Nachricht aus der Geschäftsführung der SPD-Fraktion hatten, dass wir mit der Regierungsbefragung beginnen sollen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist nicht der Fall! Dies bestreite ich hiermit!) - Ich kann das nur so sagen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Hier sitzt die Geschäftsführung!) Jetzt gebe ich das Wort zu einer Frage dem Kollegen Feist. Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, ich bin mir sicher, dass die Menschen, über die Sie vorhin gesprochen haben - 285 000 waren das -, dieses Gesetz mit großer Spannung erwartet haben. Ich weiß das auch von Organisationen aus meiner Heimatstadt Leipzig. Für mich wäre interessant, zu erfahren, wie es gewährleistet worden ist, dass die Verbände der Betroffenen in das Erstellen des Gesetzes eingebunden worden sind. Gibt es schon erste Reaktionen von diesen darauf? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Es hat in den vergangenen Monaten enorm viele Reaktionen der Gruppen, der Verbände - aus unterschiedlichsten Branchen -, der Kammern und der Länder gegeben. Mein Eindruck ist: Es gibt einen überwältigenden Konsens, dass dieses Vorhaben wichtig und ist und dass die Staatsangehörigkeit kein Kriterium für die Zulassung zu bestimmten Berufen sein kann. Der Teufel steckt im Detail. Natürlich hat jeder Berufsverband deutlich gemacht, dass ihm Qualität wichtig ist. Das ist aber auch unbestritten. Deshalb sagen wir: Wenn die Anerkennung nicht gleich möglich ist, dann muss die Stelle, die geprüft hat, deutlich sagen - das ist eine Frage der Transparenz -, warum die Anerkennung nicht möglich ist. Sie darf nicht rein gefühlsmäßig entscheiden, dass eine Qualifikation nicht reicht. Neu ist also, dass es eine transparente Information darüber geben muss, welche Qualifikationsbestandteile noch erbracht werden müssen. Ich glaube, dass eines der wichtigsten Signale an die betroffenen Gruppen ist, dass es um faire Kriterien und Transparenz geht und nicht um eine gefühlte Akzeptanz oder Nichtakzeptanz. Mit Blick auf den Aufbau der Strukturen, die erforderlich sind, um die Anerkennungsverfahren zügig durchzuführen - drei Monate ist ein anspruchsvolles Ziel -, gab es eine sehr gute Zusammenarbeit mit diesen vielen Partnern, die im Zusammenhang mit der Änderung von 60 Berufsgesetzen gefordert waren. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin Hein, bitte. Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Frau Ministerin, ich bin, ehrlich gesagt, aus dem, was Sie vorhin gesagt haben, und der Antwort, die Sie eben Herrn Schulz gegeben haben, nicht so richtig schlau geworden. Ich möchte deshalb gerne nachfragen. Sind nun mit diesem Gesetz auch Berufe erfasst, für die die Ausbildungszuständigkeit bei den Ländern liegt, oder nicht? Zum Zweiten: Sie haben gesagt, es gebe einheitliche Verfahrensregeln. Nun werden Sie sicherlich zugeben, dass man einheitliche Verfahrensregeln unterschiedlich auslegen kann. Können Sie ausschließen, dass die Kammern eine unterschiedliche Bewertung von vorgelegten Nachweisen vornehmen und eine Anerkennung vielleicht davon abhängig machen, ob es in dem betreffenden Beruf gerade einen Bedarf gibt oder nicht? Können Sie eine solche Einheitlichkeit im Verfahren mit diesem Gesetz tatsächlich garantieren? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin, bitte. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Zu Ihrer ersten Frage möchte ich klarmachen, was vom Gesetz erfasst ist. Erfasst sind sämtliche 350 Ausbildungsberufe, alle Heilberufe, Juristen, Fahrlehrer und weitere bundesrechtlich geregelte Berufe. Auf der Ebene der Länder zu regeln ist zum Beispiel die Anerkennung der Ausbildungsnachweise von Lehrern, Ingenieuren und Erziehern. Die Länder haben zugesagt, die entsprechenden Gesetze zu liefern. Deshalb habe ich eben gesagt: Das hat den Vorzug, dass es etwa bei den Lehrern nicht mehr nur um die Frage geht, ob jemand aus dem Ausland in Deutschland Lehrer werden darf; vielmehr wird die Debatte zwischen den Ländern sein: Was sind die Kriterien für die wechselseitige Anerkennung von Abschlüssen? Das Bundesgesetz deckt die allermeisten Anerkennungsfälle ab, zumal das Gros der hier lebenden Menschen mit Auslandsqualifikation - 250 000 von den von mir genannten 285 000 Personen - eine Art Lehre und sonstigen berufsqualifizierenden Abschluss hat, und damit in jedem Fall unter das Gesetz fällt. Das Allermeiste ist also geregelt. Dort, wo die Länder zuständig sind, sind Gesetze angekündigt. Ich bin davon überzeugt, dass das Gesetz ein gutes Instrument ist, um bundesweite Vergleichbarkeit herzustellen. Wenn die Anerkennung ausgesprochen ist, kann nicht an anderer Stelle gesagt werden: Bei uns gilt das nicht. Auch der Umgang mit vorgelegten Zertifikaten wird eingeübt werden müssen; das ist gar keine Frage. Da wird es manche interne Diskussion geben. Der Rechtsanspruch bedeutet aber, dass es einen Anspruch darauf gibt, dass geprüft wird und dass am Ende transparent erklärt wird, wie die Anerkennung oder die Nichtanerkennung zustande kommt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege Weinberg. Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, Kollege Rupprecht hat schon gesagt, dass dies für die Zielgruppe des Gesetzentwurfs, für die hier lebenden rund 300 000 Migranten, unter arbeitsmarkt- und integrationspolitischen Gesichtspunkten ein Meilenstein ist. In zwei Nebensätzen haben Sie schon angesprochen, dass damit natürlich die Frage einhergeht, was in Zukunft mit den Menschen passiert, die nach Deutschland kommen. Meine Frage ist, inwieweit man überlegt hat, ob es in Zukunft eine Beratungsmöglichkeit bereits im Ursprungsland geben soll, und inwieweit man mit den Außenhandelskammern, mit den Botschaften und mit den Konsulaten im Gespräch ist, damit diese Beratungsfunktion für die Menschen, die nach Deutschland kommen und das Anerkennungsverfahren bereits frühzeitig durchführen wollen, auch in Zukunft gewährleistet ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ein Antrag auf Prüfung der Anerkennung kann in der Tat auch vom Ausland aus gestellt werden. Man muss also nicht schon in Deutschland sein. Das wird in den weiteren Debatten über Fachkräfte ein interessanter Punkt werden: Welche Rolle spielt, dass jemand bereits im Ausland einen Antrag gestellt hat, dieser bearbeitet wurde und die Anerkennung ausgesprochen wurde? Das erleichtert hier natürlich vieles. Ich gehe davon aus, dass die Botschaften bzw. Konsulate eine zentrale Anlaufstelle sein werden und die Vermittlung zur Hotline oder zu den Anerkennungsstellen organisieren werden. Und auch innerhalb Deutschlands wird es regionale Stellen geben, die Beratung anbieten und Verbindungen herstellen werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Kollege Kilic. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr verehrte Bildungsministerin, Sie haben in der Öffentlichkeit verkündet, dass Sie nicht wollen, dass Ärzte als Taxifahrer beschäftigt werden. Diesen Ansatz haben wir begrüßt. Ihr erster Arbeitsentwurf machte auch große Hoffnungen. Darin haben Sie festgelegt, dass Sie den Immigranten zu ihren Berufen adäquate Beschäftigungen ermöglichen wollen. Aus meiner Sicht wird dieses Ziel im Gesetzentwurf allerdings ein bisschen verwässert. Dort ist von berufsnahen Beschäftigungen die Rede. Ist das so zu verstehen, dass man sich damit zufriedengeben wird, wenn ein Arzt als Krankenpfleger oder eine Krankenschwester als Altenpflegerin arbeitet? Das wäre schade. Außerdem wäre es besser gewesen, wenn Sie die Regelungen, die sich auf Verfahren beziehen, für die Länder als verbindlich erklärt hätten. Das haben Sie bewusst nicht getan. Die Länder können jetzt eigene Verfahrensregelungen schaffen. Es wäre aber schade, wenn wir bundesweit 16 unterschiedliche Regelungen hätten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin, bitte. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Es liegt nicht in der Kompetenz der Länder, Regelungen zu den Heilberufen zu schaffen. Die Regelungszuständigkeit für sämtliche Heilberufe liegt beim Bund. Neben dem Ingenieurberuf wird vor allem der Arztberuf schon jetzt als Mangelberuf angesehen. Das wird zunehmen. Dann wird es schlicht ein großes Interesse daran geben, dass diejenigen, die Ärzte sind, auch als Ärzte arbeiten können. Zweitens machen wir kein Gesetz zur Vermittlung in berufsadäquate Beschäftigung, sondern ein Gesetz, das endlich die erforderlichen Voraussetzungen dafür schafft. Bezogen auf den Arztberuf heißt das, dass nicht mehr die Staatsangehörigkeit über die Approbation entscheidet, sondern die Qualifikation. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, wenn man an die Ärzteversorgung in der Fläche denkt. Ich kann niemandem vorschreiben, Menschen mit anerkanntem Abschluss zu beschäftigen. Aber klar ist: Wenn die Anerkennung des Abschlusses erfolgt ist, bringt derjenige, der sich um eine adäquate Beschäftigung bewirbt, die dafür notwendigen Voraussetzungen mit. Er kann nicht abgewiesen werden mit der Begründung, die Voraussetzungen lägen nicht vor. Das ist ein entscheidender Schritt, gleichsam die rechtliche Voraussetzung, um sich bewerben zu können. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin Kolbe. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Bundesministerin, Sie haben recht: Es gibt schon seit langem einen Konsens darüber, dass wir ein Anerkennungsgesetz brauchen. Ich freue mich darüber, dass jetzt ein Entwurf dazu vorliegt. Allerdings: Dass es weiterhin ein Wirrwarr von Anlaufstellen gibt und dass Sie sich nicht Gedanken darüber gemacht haben, wie man den Menschen weiterhilft, die keine Anerkennung oder nur eine Teilanerkennung bekommen, denen der große Schritt zu einer wirklichen Anerkennung also fehlt, betrübt mich sehr. Sie als Bildungsministerin wissen ja, dass viele der Menschen, die schon jetzt ein Recht auf Feststellung der Anerkennung haben, mit dem, was sie erhalten, zum Beispiel eine Ablehnung, nicht weiterkommen. Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesregierung für diese Menschen Wege aufzeigt, sodass ein solches Ergebnis nicht zustande kommt. Das ist nicht geschehen. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die Bundesregierung versucht hat, hier möglichst unter der Prämisse "Es darf nichts kosten" zu agieren. Genau dazu die Frage. Sie schreiben in dem Gesetz zum Thema Kosten, dass Anpassungsmaßnahmen für Menschen, die zum Beispiel über die Argen, die Jobcenter betreut werden, aus dem Topf der aktiven Arbeitsmarktförderung finanziert werden sollen. Diesen Topf hat die Bundesregierung aber schon massiv gekürzt. Können Sie mir dazu eine Zahl sagen? Mit welcher Größenordnung rechnen Sie in diesem Feld? Ich halte diese Maßnahmen für sinnvoll. Allerdings ist die Frage, ob die Größe des Topfes angemessen ist. Eine zweite Frage. Vergleichbarkeit setzt Wissen voraus. Man muss wissen, welches Wissen für bestimmte Berufe in Uganda oder in anderen Staaten notwendig ist. Auch über das Sammeln und Verwalten von Wissen dazu steht in Ihrem Gesetz nichts. Das hat mich sehr enttäuscht. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Wenn ich Sie wäre, dann wäre ich jetzt eher ein bisschen betrübt darüber, dass niemand in den früheren Bundesregierungen auf die Idee gekommen ist, ein solches Gesetz vorzulegen. (Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: So ist es!) Es gab 60 Jahre Zeit dafür. (Ulrich Kelber [SPD]: Waren Sie nicht schon vorher Bundesbildungsministerin?) Auch wir sind erst jetzt darauf gekommen. Aber ich wäre darüber jetzt nicht so betrübt. Man hätte das alles vor 10 Jahren oder vor 20 Jahren machen können. Deutlich ist, dass es höchste Zeit für dieses Gesetz ist. Natürlich haben wir uns Gedanken gemacht; mit Verlaub. Ich habe einige Stichworte genannt. Es geht um die Wege derer, die Anerkennung beantragen. Es geht um die Frage: Wie ist es, wenn eine Anerkennung noch nicht ausgesprochen werden kann, weil noch keine ausreichenden Qualifikationen vorliegen? Das wird im Zweifelsfall sogar die größte Gruppe von Fällen sein. Es wird vermutlich nicht allzu viele geben, die einfach eine Anerkennung erhalten. Man wird feststellen: Diese und jene Kompetenz ist noch wichtig. In diesem Zusammenhang denke ich auch an den Europäischen Qualifikationsrahmen und die Umsetzung hier. Wir wissen doch, dass in Zukunft eine solche Feststellung nicht mehr nur auf der Grundlage von Abschlüssen, sondern auch auf der Grundlage von Kompetenzen getroffen wird. Genau dem tragen wir mit diesem Gesetz im Blick auf im Ausland erworbene Abschlüsse schon einmal Rechnung. Das passiert übrigens genau da, wo es auch die Möglichkeiten gibt, Angebote zu unterbreiten, damit diese zusätzlichen Qualifikationen erworben werden können: bei den Kammern, im Zusammenhang mit überbetrieblichen Ausbildungsstätten, in den großen beruflichen Schulzentren, bei den Trägern der berufsbegleitenden Weiterqualifizierung. Das alles wird selbstverständlich stattfinden. Das gehört zur Umsetzung des Gesetzes. Das ist keine Frage der gesetzlichen Regelung, sondern eine Frage von untergesetzlichen Maßnahmen im Prozess der Umsetzung. Sowohl in den Handwerks- als auch in den Industrie- und Handelskammern wird man sich große Mühe geben, eine attraktive Infrastruktur aufzubauen, weil Anerkennung nicht nur für die interessant ist, die sie beantragen, sondern - weil es einen Fachkräftebedarf gibt - auch für die, die die Anerkennungsverfahren durchführen. Ich kann Ihnen keine Zahlen nennen; aber es ist völlig klar, dass für alle Beteiligten Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung gegeben sein müssen. Die hierbei entstehenden Kosten - das wurde von Ihnen angesprochen - werden denjenigen, für die diese Maßnahmen wichtig sind, um überhaupt wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen, und die auf Unterstützung angewiesen sind, erstattet. Also: Der Gesetzestext liegt vor. Viele Vorbereitungen sind längst im Gange. Das Wissen über Abschlüsse zum Beispiel in Uganda - das habe ich eben angesprochen - wird in einer Wissens- bzw. Datenbank zusammengetragen, die das Wirtschaftsministerium derzeit aufbaut und die immer weiterentwickelt wird. Dieses Wissen wird dann auch den Kammern zur Verfügung gestellt werden. Es wird also einen zentralen Datenpool auch über jene Länder geben, über die wir derzeit vielleicht noch nicht so viel Wissen in Deutschland haben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Alpers. Agnes Alpers (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte eine Vorbemerkung machen: Frau Ministerin, wir freuen uns natürlich, dass das Gesetz nun endlich auf den Weg gebracht wird. Wir waren ja diejenigen, die 2007 dieses Thema zum ersten Mal in den Bundestag gebracht haben. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) - Es war so. Ich möchte noch einmal auf die Entscheidungskompetenz zu sprechen kommen. Im Ausschuss und auch bei den Anhörungen war immer wieder das zentrale Thema, wer letztlich entscheidet. Es war lange in der Diskussion - das hatten wir auch mit vorgeschlagen -, dass ein unabhängiges Entscheidungsgremium eingerichtet wird. Nun sagen Sie, dass die Kriterien für die Entscheidungen, die dann für alle gelten, vom Wirtschaftsministerium zusammengetragen werden und die Kammern entscheiden sollen. Wir fragen uns: Warum wurde nicht eine unabhängige Stelle eingerichtet? Nach welchen Kriterien entscheiden die Kammern? Ist es tatsächlich so, dass die Unabhängigkeit gewährleistet ist? In § 1 "Zweck des Gesetzes" heißt es: Dieses Gesetz dient der besseren Nutzung ... für den deutschen Arbeitsmarkt, ... Hierzu möchte ich Ihnen sagen: Ein wichtiger Zweck ist auch die Integration von Menschen und die Anerkennung ihrer Leistungen. Es kann doch nicht sein, dass Qualifikationen, die aktuell auf dem Arbeitsmarkt nicht gebraucht werden, unter Umständen nicht so schnell anerkannt werden. Auf diese Weise wird es uns nicht gelingen, die Kompetenzen eines jeden Menschen anzuerkennen. Wie wollen Sie den Prozess also so ausgestalten, dass die Anerkennung nicht von wirtschaftlichen Anforderungen in einzelnen Berufen und Branchen abhängig gemacht wird? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Das Gesetz ist doch gerade das Instrument, das deutlich macht, dass Bedarf, Staatsangehörigkeit oder Ähnliches keine Kriterien sind, die bei der Prüfung eines entsprechenden Antrags eine Rolle spielen. Es geht nicht um die Frage, ob in einer Branche jemand gebraucht wird. Es geht nicht um die Frage, ob jemand diese oder jene Staatsangehörigkeit hat. Es geht vielmehr um eine systemimmanente Geschichte: Jemand bringt Qualifikationen mit, die bei uns zu einem bestimmten Berufsbild passen. Referenz sind damit dieses Berufsbild und die Qualifikationen, die damit verbunden sind. Diese muss man nicht neu erfinden; sie lassen sich aus Ausbildungsordnungen und den darin enthaltenen Zielsetzungen und damit verbundenen Kompetenzfeldern erschließen. Nun ist die Aufgabe - wie übrigens immer schon, wenn ausländische akademische Abschlüsse bei der entsprechenden Prüfstelle der KMK geprüft wurden -, festzustellen, ob es, wenn schon nicht Gleiches, so doch wenigstens Gleichwertiges gibt. Das, was Sie schildern, ist eine Problematik von früher. Damals hat man gesagt: Wir brauchen das nicht. Daher müssen wir es auch nicht prüfen. Niemand hat einen Anspruch darauf, dass geprüft wird. - Jetzt besteht ein Anspruch auf Prüfung. Außerdem stellt sich die Frage, welche Stelle unabhängig ist. Es kann nur ein Netzwerk unterschiedlichster Stellen sein, das über alle Informationen und Daten verfügt, die für eine Bewertung notwendig sind. Eine vom Staat unabhängige Instanz sind die Kammern. Sie sind zugleich diejenigen, die im Bereich der Ausbildungsberufe das meiste Wissen haben. Um für die Kammern die erforderliche Dienstleistung zu erbringen, habe ich mit dem Wirtschaftsminister schon vor einigen Monaten besprochen, dass jetzt eine solche zentrale Datenbank aufgebaut und immer wieder aktualisiert wird. Sie steht übrigens nicht nur den Anerkennungsstellen zur Verfügung, sondern ist auch für alle Bewerber von Interesse. Ich halte die Entwicklung eines Netzwerks aus vielen unterschiedlichen Stellen, die Verantwortung tragen, für sehr praktikabel. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gehört dazu. Da hier ganz unterschiedliche Ressorts beteiligt sind, gibt es viel mehr Dynamik und viel mehr Spielraum als bei einer zentralen Stelle, die neu aufgebaut würde. Dort müsste man auch neue Kompetenz schaffen. In diesem Fall müssten Sie ab Verkündung des Gesetzes erst einmal zwei, drei Jahre ins Land gehen lassen, bis Sie eine Behörde aufgebaut haben, die über die notwendigen Kompetenzen verfügt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Nachdem wir die für diesen Tagesordnungspunkt vorgesehene Zeit von einer halben Stunde deutlich überschritten haben, rufe ich jetzt als letzten Fragesteller den Kollegen Röspel auf. Alle anderen Kolleginnen und Kollegen haben im Übrigen schon die Gelegenheit gehabt. - Bitte schön. René Röspel (SPD): Vielen Dank für die Großzügigkeit. - Frau Ministerin, meine Frage lautet: Wie wird denn gewährleistet, dass Antragsteller tatsächlich Anpassungs- und Qualifizierungsmaßnahmen absolvieren können? Werden sie einen Anspruch auf solche Maßnahmen - möglicherweise im Sinne eines Rechtsanspruchs - bekommen, und wie wird sichergestellt, dass sie finanziell auch in der Lage sind, solche Maßnahmen durchzuführen? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin, bitte. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Es gibt einen Rechtsanspruch auf Prüfung der Anerkennung, keinen Rechtsanspruch auf Anpassungsweiterbildung. Es ist im Interesse derer, die einen Antrag stellen, dass, wenn es um den Erwerb zusätzlicher Qualifikationen geht, diese zusätzlichen Qualifikationen auch erworben werden können. Dafür wird es - davon bin ich überzeugt - nicht nur bei den Kammern gute Angebote geben. Ich habe bereits einige Institutionen genannt, die in dem Bereich von Weiterbildung bzw. Weiterqualifizierung tätig sind. In diesem Zusammenhang gibt es die zwei Wege, die schon genannt wurden. Wenn Ansprüche auf Leistungen bestehen, werden die Kosten von der BA erstattet. Ansonsten werden die Kosten von den Bewerbern getragen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 17/5120, 17/5171 (neu) - Wir verkürzen die Fragestunde um die überzogenen Minuten, wie es üblich ist. Zu Beginn der Fragestunde rufe ich nach Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen auf Drucksache 17/5171 (neu) auf. Wir kommen zunächst zu den dringlichen Fragen im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht Staatsminister Dr. Werner Hoyer zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Enkelmann auf: Welche Garantien und Zusagen machte der Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle bei seinem jetzt bekannt gewordenen Telefonat mit der Außenministerin der USA, vergleiche Süddeutsche Zeitung vom 21. März 2011, bezüglich der Nutzung der Stützpunkte der USA in Deutschland zum Einsatz gegen Libyen? Herr Minister. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr verehrte Frau Kollegin Enkelmann, am 18. März 2011 informierte die amerikanische Außenministerin, Hillary Clinton, den Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, telefonisch über die vorgesehene Nutzung von US-Militärstützpunkten in Deutschland im Rahmen des internationalen Militäreinsatzes in Libyen. Eine solche Nutzung richtet sich nach dem Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Oktober 1954, dem NATO-Truppenstatut vom 19. Juni 1951 und dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut vom 3. August 1959 in der Fassung vom 18. März 1993. Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die gegenwärtige Nutzung der amerikanischen Militärstützpunkte in Deutschland nicht in diesem rechtlichen Rahmen erfolgt. Zusagen, die darüber hinausgehen würden, hat der Bundesminister nicht gegeben, geschweige denn irgendwelche geheimen Nebenabreden getroffen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Haben Sie eine Nachfrage, Frau Enkelmann? - Bitte schön. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herzlichen Dank. - Die erste Nachfrage. Es geht hier um die indirekte oder mittelbare Beteiligung Deutschlands am Kriegseinsatz in Libyen. Die Koordinierung dieses Einsatzes erfolgt ja unter anderem über das Afrika-Kommando der USA, dessen Stützpunkt in Stuttgart-Möhringen liegt. Inwieweit sind deutsche Behörden bzw. Vertreter deutscher Behörden an der Planung des Einsatzes im Afrika-Kommando oder anderweitig beteiligt? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Staatsminister. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Gar nicht. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Deutsche Behörden oder Vertreter von deutschen Behörden sind also nicht beteiligt? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Nein. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das war noch nicht die zweite Frage? Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Das war nur eine Nachfrage. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das war ein Zwiegespräch, das hier nicht gestattet ist, Frau Enkelmann. Die zweite Frage können Sie jetzt stellen. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Das war nur eine Nachfrage, um das sicher verstanden zu haben, vor allen Dingen, damit es sicher im Protokoll steht. Die zweite Frage betrifft den deutschen Luftraum. Dort gibt es Überflugrechte nicht nur für amerikanische, sondern zum Beispiel auch für dänische Militärmaschinen. Wie werden die erforderlichen Genehmigungen erteilt? Gibt es pauschale Genehmigungen für Überflüge, oder werden die Genehmigungen im Einzelfall, für jeden einzelnen Flug, erteilt? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die Frage kann ich Ihnen hier nicht beantworten; denn darauf habe ich mich nicht vorbereitet. Ich gehe davon aus, dass solche Genehmigungen in einer pauschalen Vereinbarung enthalten sind. Aber ich glaube, dass jeder einzelne Flug, im zivilen wie im militärischen Bereich, angemeldet werden muss und entsprechend einem Genehmigungsvorbehalt unterliegt. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass die Genehmigung im Einzelfall erteilt wird. Es wäre aber unseriös, wenn ich die Frage jetzt abschließend beantworten würde. Sie bekommen die präzise Antwort sofort im Anschluss schriftlich. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich weise darauf hin, dass natürlich nichts so sicher ist wie das Protokoll der Protokollantinnen und Protokollanten des Deutschen Bundestages. Frau Daðdelen, Sie haben eine Nachfrage. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Lieber Herr Hoyer, ich würde gerne wissen, wann und in welchem Umfang die Strukturen der NATO in Deutschland für die Vorbereitung und Durchführung des Krieges in Libyen genutzt wurden oder werden, zum Beispiel die NATO-Airbase in Geilenkirchen in meinem Bundesland Nordrhein-Westfalen oder andere Einrichtungen und Kommandostrukturen. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die Einrichtungen der Verbündeten einschließlich des Nordatlantischen Bündnisses in Deutschland können selbstverständlich genutzt werden; das ist so vereinbart. Eine Beteiligung deutscher Staatsbürger daran gibt es nicht. Deswegen sieht die Bundesregierung hier kein Problem. (Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Nein, Moment mal!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Daðdelen, Sie haben nicht die Möglichkeit, zwei Nachfragen zu stellen; das darf nur die ursprüngliche Fragestellerin. (Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gefragt!) Die dringliche Frage 2 des Kollegen Omid Nouripour wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zur dringlichen Frage 3 der Kollegin Keul: Treffen die Berichte - vergleiche "Wir wünschen viel Erfolg", Süddeutsche Zeitung vom 19. März 2011 - zu, dass die derzeit im Mittelmeerraum stattfindenden AWACS-Aufklärungsflüge, die auch den libyschen Luftraum erfassen, unter dem Mandat der Operation Active Endeavour laufen, und, falls nein, auf welcher rechtlichen Grundlage findet ihr Einsatz statt? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Wenn ich darf, Frau Präsidentin, möchte ich die Antworten auf die beiden dringlichen Fragen von Frau Keul zusammenfassen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dann rufe ich auch die dringliche Frage 4 auf: Wurde im Rahmen der am letzten Wochenende gegen Libyen durchgeführten Luftschläge auf Informationen von AWACS-Flugzeugen zurückgegriffen, an deren Flügen auch deutsche Besatzungsmitglieder beteiligt waren, und wie schließt die Bundesregierung aus, dass dies vorkommen wird? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Vielen Dank. - Auftrag der Operation Active Endeavour ist der Schutz gegen eine mögliche terroristische Bedrohung im Mittelmeerraum. In diesem Zusammenhang erstellt die Operation Active Endeavour ein Lagebild und gleicht dieses mit denen von Partnern ab. Vor dem Hintergrund der verstärkten Schiffsbewegungen im zentralen Mittelmeer setzte Operationskommandeur COM JFC Neapel seine Kräfte im Schwerpunkt im mittleren Mittelmeer ein. Hierzu gehörten seit Mitte 2010 regelmäßig auch NATO-AWACS-Flugzeuge. Zwischen dem 12. und dem 19. März 2011 hat SACEUR den im Rahmen von OAE eingesetzten NATO-AWACS-Flugzeugen den Auftrag erteilt, auch ein Luftlagebild zu Libyen zu erstellen. Dieser Auftrag wurde ergänzend und außerhalb von OAE erteilt und diente der Wahrnehmung der Verantwortung des SACEUR für die Krisenfrüherkennung und den Schutz des Bündnisgebietes. Das ist die Rechtsgrundlage für das, was SACEUR hier angeordnet hatte. Seit dem 19. März 2011 wird das Luftlagebild zu Libyen durch nationale AWACS-Maschinen einzelner Partner aufgebaut. Der NATO-AWACS-Einsatz unter OAE erfolgt seitdem mit Aufklärungsschwerpunkt im zentralen Mittelmeer ohne räumlichen oder inhaltlichen Bezug zu Libyen. Durch die zeitgerechte Verlegung des Aufklärungsschwerpunktes seit dem 19. März wurde ein Beitrag der NATO-AWACS-Maschinen zu exekutiven Handlungen der Koalition im Zusammenhang mit Libyen ausgeschlossen. Zur zweiten Frage. Bei der Vorbereitung der Luftschläge der Koalition der Willigen auf Ziele in Libyen wurden weder NATO-Kräfte noch NATO-Informationsstränge genutzt. Die unter deutscher Beteiligung im Mittelmeerraum bis zum 22. März 2011 operierenden AWACS-Flugzeuge lieferten mithin keinen Beitrag zur militärischen Durchsetzung der UN-Sicherheitsrats-resolution 1973 aus 2011. Durch die bereits erwähnte zeitgerechte Verlegung des Aufklärungsschwerpunktes seit dem 19. März wird ein Beitrag der NATO-AWACS-Maschinen zu exekutiven Handlungen der Koalition ausgeschlossen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Keul, Ihre erste Nachfrage. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Herr Staatsminister, das war eine weitere widersprüchliche Aussage. Wir haben einmal gehört, dass die AWACS-Maschinen im Rahmen der Operation Active Endeavour unterwegs sind. Der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Wolf hat uns das Gegenteil gesagt. Er hat gesagt, dass sie keinesfalls im Rahmen der Operation Active Endeavour unterwegs gewesen sind. Deswegen ist an dieser Stelle meine Frage: Wie kommt es zu diesen Widersprüchen? Ist denn der Bundesregierung nicht eindeutig klar, ob die AWACS-Maschinen nun auf der Rechtsgrundlage der Operation Active Endeavour dort sind? Die Maschinen sind, wenn ich Sie richtig verstanden habe, außerhalb der Operation Active Endeavour vom SACEUR dorthin geschickt worden. Wäre das nicht im Zusammenhang mit Libyen ein Einsatz, der nachträglich genehmigt werden müsste? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Nein, Frau Kollegin. Ich habe versucht - ich bin der Meinung, es ist mir gelungen -, die Sequenz, die Abfolge der Einzelentscheidungen präzise darzustellen. Der Einsatz vor dem 12. März war eindeutig im Rahmen der Operation Active Endeavour. Dann gab es die Anordnung des SACEUR, vom 12. bis zum 19. März die Verantwortung des SACEUR für die Krisenfrüherkennung und den Schutz des Bündnisgebietes außerhalb der Operation Active Endeavour wahrzunehmen. Es ist die legitime Aufgabe des SACEUR, die entsprechenden Mittel des Bündnisses für diese seine Aufgabe einzusetzen. Seit wenigen Tagen haben wir eine neue Rechtsgrundlage. Daraufhin wurde sofort entschieden, ab dem 19. März mithilfe nationaler AWACS-Maschinen einzelner Partner ein Luftlagebild zu Libyen aufzubauen. Der verbliebene Teil des NATO-AWACS-Einsatzes im Rahmen der Operation Active Endeavour erfolgt im mittleren Mittelmeer und hat keinen direkten Bezug zu Libyen. Das ist eine klare Abfolge. Damit ist sichergestellt, dass die Rechtsgrundlagen für das Tätigwerden deutschen Personals in NATO-AWACS-Flugzeugen glasklar sind. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine zweite Nachfrage? - Bitte schön. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oder habe ich jetzt vier Nachfragen? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Natürlich. Es waren zwei Fragen; es gibt insgesamt vier Nachfragen. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Ich möchte an der Stelle nachhaken. Wie konnte denn die Bundesregierung zwischen dem 19. und dem 22. März, also gestern, sichergehen, dass diese Informationen nicht bei dem Lufteinsatz in Libyen zum Einsatz gekommen sind, also weitergeleitet wurden? Der Verteidigungsminister hat uns heute hier im Plenum deutlich erklärt, wie wichtig es aus verfassungsrechtlicher Sicht war, gleich gestern, am 22. März, die Besatzungen der dortigen AWACS-Maschinen abzuziehen bzw. die Schiffe unter nationales Kommando zu stellen. Wenn das am 22. März verfassungsrechtlich notwendig war, warum dann nicht auch vom 19. bis zum 22. März? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Weil vom 19. bis zum 22. März die Aufgabe des SACEUR, die ich eben beschrieben habe, von nationalen AWACS-Flugzeugen wahrgenommen wurde, nicht von den NATO-AWACS-Flugzeugen aus Geilenkirchen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine weitere Nachfrage? - Bitte sehr. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mir ist eines nicht ganz klar: Wenn die AWACS-Besatzungen im Mittelmeer jetzt abgezogen werden müssen, weil Deutschland den Flugeinsatz über Libyen nicht mitträgt, wie können dann die gleichen Besatzungen in Afghanistan in AWACS-Maschinen eingesetzt werden, um zum Beispiel verbliebene OEF-Kräfte Großbritanniens und Amerikas weiter zu unterstützen? So steht es nämlich in der Begründung des uns heute vorgelegten Mandates. Deutschland hat die OEF-Mission im letzten Jahr beendet. Wie kann es also sein, dass das, was in Afghanistan möglich sein soll, in Libyen nicht möglich ist? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Das ist jetzt, glaube ich, eine falsche Interpretation dessen, was in dem Mandatstext steht. Hier geht es um die Unterstützung von ISAF und nicht um die von OEF in Afghanistan. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Keul, Sie haben noch eine Nachfrage. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der Begründung des Antrags steht ausdrücklich - das können Sie gerne nachlesen -: zur Unterstützung der Kräfte von OEF am Boden. Wie erklären Sie sich das? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Der entscheidende Punkt ist, dass aufgrund des Begründungstextes eine operative Unterstützung von OEF-Einsätzen nicht möglich ist. Dazu haben die AWACS-Flugzeuge, die über Afghanistan fliegen, im Übrigen auch gar nicht die Möglichkeit, weil sie weder im Hinblick auf den Bodenkampf eingesetzt werden können noch eine unmittelbare Feuerleitfunktion wahrnehmen können. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Daðdelen. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank. - Meine Nachfrage zur dringlichen Frage 4 meiner Kollegin Keul richtet sich an Herrn Hoyer. Die AWACS-Überwachung wurde seitens der Deutschen aufgrund des Krieges gegen das Gaddafi-Regime eingestellt. Die Bundeswehr hat sich aus den Einsätzen des NATO-Verbandes im Mittelmeer ganz zurückgezogen. Zwei Schiffe und zwei Boote mit mehr als 500 Soldaten wurden bereits am Dienstag wieder unter deutsches Kommando gestellt. Der Abzug von 60 bis 70 deutschen Besatzungsmitgliedern der NATO-AWACS-Maschinen im Mittelmeerraum läuft bereits. Deshalb möchte ich gerne fragen: Kann die Bundesregierung ausschließen, dass darüber hinaus Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in NATO-Stäben mit der Planung und Durchführung von Aktionen im Zusammenhang mit dem Krieg gegen Libyen befasst sind? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die Frage der Präsenz in NATO-Stäben ist gesondert geregelt. Sie unterliegt keiner Mandatierung. Von daher war es erforderlich, dass die Bundesregierung zum Beispiel im Hinblick auf bestimmte schwimmende Einheiten, die im Mittelmeer unterwegs waren, durch ihre notwendigen Entscheidungen von vornherein klarstellt, dass eine Involvierung in die Linienaktivitäten nicht möglich ist. Alles andere, auch nur ein Verbleib dieser Schiffe in der Region oder die Beteiligung an entsprechenden Operationen, hätte eine unmittelbare Beschlussfassung des Deutschen Bundestages erforderlich gemacht oder, im Falle einer Dringlichkeitsentscheidung der Bundesregierung, die nachträgliche Befassung des Bundestages. Das ist nicht geschehen und war auch nicht erforderlich. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Höger hat eine Nachfrage. - Bitte schön. Inge Höger (DIE LINKE): Vielen Dank. - Seit dem 7. März 2011 waren deutsche Soldaten an den AWACS-Überwachungsflügen im Luftraum über Libyen beteiligt. Ich möchte nachfragen, unter welchem Mandat das in dem Zeitraum bis zum 19. oder 23. März 2011 stattgefunden hat. Oder hat es überhaupt kein Mandat gegeben? Oder wissen Sie das selber nicht so genau? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ich habe das eben sehr präzise dargestellt. Ich erinnere an die Antwort auf die Frage der Kollegin Keul, in der ich die Sequenz deutlich gemacht habe: vor dem 12. März, zwischen dem 12. März und dem 19. März, nach dem 19. März bzw. jetzt im Zusammenhang mit der Operation, die die Koalition der Willigen in Libyen durchführt. Dementsprechend wurde der Beitrag deutscher Soldaten rechtlich abgesichert. Von daher gibt es keine neue Lage, die uns zu einer neuen Bewertung der Aktion vor dem 12. März veranlassen würde. Vizepräsidentin Petra Pau: Herzlichen Dank. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Ich rufe die dringliche Frage 5 der Kollegin Höger auf: Welche Bedeutung haben Daten, die von den nach Angaben der NATO seit dem 7. März 2011 den libyschen Luftraum auch unter Einsatz deutschen Personals überwachenden AWACS-Flugzeugen gesammelt wurden, für die Einsatzplanung und Zielfindung bei den Angriffen auf libysche Ziele nach dem Inkrafttreten der UN-Resolution 1973? Bitte, Herr Staatssekretär. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Präsidentin, mit Verlaub, ohne dem Präsidium oder sonst jemandem im Hohen Hause zu nahe treten zu wollen, möchte ich sagen: Eigentlich sind die dringlichen Fragen 5 und 6 gerade schon beantwortet worden. Ich habe aber nicht übel Lust, die Antworten von meiner Seite mit einem Hinweis zu ergänzen. Hinsichtlich der Frage, welche Bedeutung die Daten haben, die nach Angaben der NATO seit dem 7. März 2011 im libyschen Luftraum gesammelt worden sind, möchte ich Bezug nehmen auf die Äußerungen von Staatsminister Hoyer, denen ich inhaltlich voll zustimme. Ich weise darauf hin, dass die unter deutscher Beteiligung im Mittelmeerraum bis zum 22. März 2011 operierenden AWACS-Flugzeuge mithin keinen Beitrag zur militärischen Durchsetzung der Sicherheitsresolution 1973 geliefert haben. Das "übel Lust" bezieht sich auf Folgendes: Wir hatten in diesem Haus zu Zeiten der rot-grünen Regierung eine intensive Diskussion darüber, ob es für den Einsatz von AWACS-Flugzeugen eines Mandats bedarf oder nicht. Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei im Deutschen Bundestag hat - interessanterweise ohne ein Mandat - in einer Situation geklagt, in der bereits ein Konflikt, nämlich der Irak-Konflikt, unterwegs war. Diese Flugzeuge wurden mit der Begründung geschickt, sie würden nur Routineaufgaben erfüllen. Daraus schließen wir: In der Tat gibt es Routineaufgaben. AWACS-Flugzeuge steigen nicht erst dann in die Luft, wenn eine Sicherheitsratsresolution vorhanden ist. Sie sollen auch dazu dienen, dass für unser Bündnis, für die NATO Sicherheit im eigenen Territorium möglich ist. Das ist eine rund um die Uhr bestehende Aufgabe. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Urteil aus dem Jahre 2008, das Sie sicherlich gelesen haben, ich glaube, in den Ziffern 76 und 78 ausgeführt, dass konkrete Bedrohungslagen vorhanden sind. Es hat dann, im Gegensatz zur Einschätzung der damaligen Bundesregierung, für diesen Fall eine konkrete Bedrohung in Anspruch genommen. Gerade weil wir dieses Urteil kennen und, wie der Bundesverteidigungsminister heute ausgeführt hat, sehr korrekt beachten wollen und werden, hatten wir alle Dinge ausgeschlossen, die außerhalb einer rein routinemäßigen, unser aller Sicherheit dienenden Operation von AWACS hätten entstanden sein können. Das heißt, weder sind Daten an die Coalition of the Willing zu geben gewesen, noch ist - sobald die Gefahr bestanden hätte, dass im Rahmen einer Umsetzung der Sicherheitsratsresolution 1973 eine Operation notwendig gewesen wäre - aus der Sicht einiger dies den Vereinten Nationen anzeigenden Mitgliedstaaten der NATO, insbesondere Großbritanniens, Frankreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika sowie einiger anderer, klargestellt und sichergestellt worden, dass Daten hier nicht ausgetauscht werden. Dies wurde dann durch andere Aufklärungsmittel der jeweiligen Nationalstaaten sichergestellt. Sie haben, wenn ich das unterstreichen darf, weiterhin die Frage gestellt, wie das Verhältnis zwischen der Operation Active Endeavour und dieser Operation ist. Auch hier ist es im Rahmen der von uns dem SACEUR, dem Supreme Allied Commander Europe, dem Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in Europa, übertragenen Routinekompetenz möglich, dass er Flüge anordnet. Er kann jedoch nicht beispielsweise ein Mandat wie die Operation Active Endeavour ausdehnen; denn dieses Mandat beruht auf Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen und ist ein Antiterrormandat. Gerade aus diesem Grunde hat er zwar für die Ausübung dieses Antiterrormandats, das vom Deutschen Bundestag mandatiert worden ist, die Kompetenz, dass er AWACS-Flugzeuge einsetzt. Allerdings dürfen diese dann sozusagen nicht das Mandat ausweiten. Deswegen ist hier eine strikte Trennung erfolgt. Ich darf Ihnen versichern, dass die Bundesregierung in voller Kenntnis der Rechts- und Sachlage sehr exakt und präzise die Regeln beachtet, die wir uns in diesem Hause auferlegt haben und die uns das Völkerrecht sowie das Bundesverfassungsgericht explizit auferlegt haben. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Recht zu einer Nachfrage. Inge Höger (DIE LINKE): Vielen Dank. - Es ist richtig: Das Mandat Operation Active Endeavour umfasst den Kampf gegen den Terror und nicht die Überwachung des Luftraums über Libyen. In dem Urteil, das die FDP erstritten hat - das haben Sie nicht zitiert -, ist auch ausgeführt worden: Eine Mandatierung ist nötig, wenn greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine drohende Verstrickung in bewaffneter Auseinandersetzung vorliegen. Das war auch schon vor dem 19. März gegeben, weil sich die Auseinandersetzungen in Libyen zuspitzten. Wenn im Luftraum von Libyen Daten unter Beteiligung deutscher Soldatinnen und Soldaten gesammelt worden sind, dann sehe ich schon eine Mandatierungsnotwendigkeit. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin Höger, ich darf Ihnen in aller Freundlichkeit, aber auch mit aller Entschiedenheit widersprechen. Ich bitte Sie, noch einmal den zeitlichen Ablauf zu überdenken und sich die Frage zu stellen: Ist am 19. März bereits ein NATO-Aktivierungsmandat für AWACS ergangen? Nein. Wir wissen, dass zu diesem Zeitpunkt in Brüssel noch intensiv über diese Frage gerungen worden ist und dass das Mandat zwischenzeitlich, am 22. März, erteilt worden ist. In dem Augenblick, in dem ein entsprechendes Mandat - Mandat nicht im Sinne einer Mandatserteilung für Deutschland durch den Deutschen Bundestag, sondern ein Mandat der NATO - für eine Operation der der NATO unterstellten Kräfte ergangen ist, haben wir unsere Kräfte aus diesen möglicherweise zur Mandatserfüllung benötigten Mitteln und Fähigkeiten zurückgezogen. Das, was Sie für die Zeit zwischen dem 19. und 22. März implizieren, würde erfordern, dass eine aktive Informationshandlung an andere Stellen außerhalb der NATO - nationale Stellen sind Stellen außerhalb der NATO - ergangen ist. Wir hatten sehr deutlich gemacht, dass eine solche Vorgehensweise mit uns nicht durchzuführen sein wird, auch unter Hinweis auf die Notwendigkeit eines Mandats. Ich nehme die Möglichkeit wahr - ohne Ihnen direkt aus den NATO-Treffen zu berich-ten -, Ihnen die notwendigen Informationen zu liefern und bin derjenige, der die entsprechenden Erklärungen im Kopf gehabt und mündlich gegeben hat. Insofern können Sie sicher sein, dass die Informationen so präzise gemacht worden sind, wie es notwendig ist. Ich gehe auch davon aus, dass sie ebenso präzise beachtet worden sind. Vizepräsidentin Petra Pau: Haben Sie eine zweite Nachfrage zu dieser Antwort? Inge Höger (DIE LINKE): Ich würde gerne wissen, welche Daten genau aufgeklärt worden sind und an welche Stellen diese in der NATO weitergegeben wurden. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Zunächst möchte ich noch etwas zu Libyen sagen. Wir haben ein den Mittelmeerraum betreffendes Mandat zur Antiterrorbekämpfung im Rahmen von Active Endeavour. An diesem Mandat nimmt auch die Bundesrepublik Deutschland teil. Das ist ein parlamentarisch akzeptiertes und genehmigtes Mandat. Wir haben auch nicht die Absicht, dieses Mandat nicht weiter fortzuführen. Bis zu der Situation der Operation, die sich jetzt in Verfolgung der Resolution 1973 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ergeben hat, ist uns auf dem Lagebild, das zu erstellen ist, nicht der Eindruck entstanden, Libyen sei ein Land, in dem per se der Terrorismus keine Rolle spielen könnte. Menschen, die Herrn Gaddafi bereits länger kennen, könnten mich diesbezüglich sicherlich mit einigen Hinweisen versorgen. Das heißt nicht, dass in diesem Zusammenhang konkret auf ein bestimmtes Land geachtet worden ist; es stand vielmehr die gesamte Region einschließlich des Mittelmeerraumes im Fokus. Wir haben nicht zugestimmt, dass weitere Informationen zur Durchsetzung der Flugverbotszone - ich muss das von unserer Seite noch einmal unterstreichen - weitergegeben werden. Uns liegen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass sie etwa weitergegeben worden wären. Die militärische Notwendigkeit ist - das ist jetzt nur nachrichtlich, Frau Präsidentin - außerhalb des Rahmens der Kenntnisse und der Zuständigkeiten der Bundesregierung. Es gibt aber für diejenigen, die konkrete Operationen beabsichtigen, planen und diese auch durchgeführt haben, andere Möglichkeiten, sich Informationen zu verschaffen. Vizepräsidentin Petra Pau: Für eine weitere Nachfrage hat die Kollegin Daðdelen das Wort. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär Schmidt, ich würde gerne wissen, wer auf die Daten, die man im Rahmen dieses AWACS-Einsatzes ermittelt hat, Zugriff hat. Sind darunter auch die NATO-Mitglieder, zum Beispiel die USA, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Dänemark, die sich an der Bombardierung Libyens beteiligen? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Vielen Dank. - Ich will noch einmal etwas sagen, das hoffentlich zu mehr Klarheit über die ermittelten Daten beiträgt. Kollege Hoyer hat bereits darauf hingewiesen, dass der Aufklärungsschwerpunkt der Operation Active Endeavour seit dem 19. März 2011 - es gab da noch kein AWACS-Mandat innerhalb der NATO - im zentralen Mittelmeer gewesen ist. Hierbei - ich hatte das angedeutet - spielte der durchaus vorhandene räumliche Bezug zu Libyen und anderen Ländern eine Rolle. Das heißt, ab diesem Zeitpunkt wurden auch die Schwerpunkte der Aufklärung von OAE ganz bewusst von Libyen wegverlegt. Das gilt im Übrigen auch für die im Rahmen von OAE tätigen Schiffe der Marine. Über die Situation seit diesem Zeitpunkt kann ich aber nur Interpretationen anstellen; ich kann das nicht im Detail sagen. Ich gehe auch nicht davon aus, dass in dieser Zeit Daten angefallen sind, die für eine Luftbildaufklärung hinsichtlich Libyens verwendbar gewesen wären; Sie gestatten mir die Unschärfe des Wortes "verwendbar". Ich meine, dass solche Daten nicht in Zusammenhang mit einer Operation gebracht werden können. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Ströbele stellt eine weitere Nachfrage. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, ich habe eine ganz präzise Frage: Können Sie ausschließen, dass der Bundesregierung oder einer der ihr unterstellten Behörden, insbesondere der Bundeswehr und anderen Sicherheitsbehörden, aus der Aufklärung durch AWACS-Flugzeuge seit Beginn der Aufstandsbewegung und des Bürgerkrieges Informationen bzw. Daten über Flugbewegungen in und über Libyen, über Zerstörungen, etwa von Stadtteilen, oder Ähnliches - ganz egal, in welchem Auftrag diese aufgenommen worden sind - gegeben worden sind? Vizepräsidentin Petra Pau: Bitte, Herr Staatssekretär. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich bedanke mich für die Frage. Ich liebe insbesondere die Fragen, die mit "Können Sie ausschließen" beginnen. Diese Zwischenbemerkung gegenüber dem Kollegen Ströbele sei mir erlaubt. Ich habe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem so ist. Ich bitte allerdings darum, dass ich das, soweit sich anderes ergibt, schriftlich nachweisen kann, wobei mir der Zusammenhang zur Ausgangsfrage allerdings nicht ganz klar ist. Sie wollen ja wissen, ob wir etwas erfahren haben. Da stellt sich auch die Frage, durch wen wir etwas hätten erfahren können. (Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Frau Präsidentin, soweit der Inhalt von Fragen dem Geheimschutz unterliegt, würde ich das entsprechende Verfahren bitte zur Anwendung kommen lassen. Vizepräsidentin Petra Pau: Gut, das halten wir fest. - Die letzte Nachfrage zu dieser Frage stellt der Kollege Hunko. Danach fahren wir mit Frage 6 fort. Andrej Hunko (DIE LINKE): Ich habe eine Nachfrage hinsichtlich der Frage meiner Kollegin Daðdelen. Sie hat ja gefragt, wer, zum Beispiel welche NATO-Staaten, auf die Daten Zugriff haben, und nicht, wofür die Daten verwendbar sind. Könnten Sie freundlicherweise noch einmal präzisieren, wer auf die Daten zugreifen kann? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die von NATO-Stellen erhobenen Daten sind grundsätzlich zur Verwendung der NATO. Sie wertet sie auch aus. Am Beispiel der Operation Active Endeavour ist erkennbar, dass die NATO die Daten im Rahmen eines NATO-Mandats erhebt, natürlich durch nationale Stellen oder Schiffe. Ich darf darauf hinweisen, dass es sich im Gegensatz zu AWACS, wo es einen integrierten Verband gibt, also Flugzeuge, die im unmittelbaren Auftrag und unter Kommando der NATO fliegen, bei dem maritimen Teil überwiegend bzw. fast ausschließlich - mir ist nicht bekannt, dass die NATO eigene Schiffe hätte - um Schiffe der Mitgliedstaaten handelt, so auch um Schiffe der deutschen Marine. Beispielsweise nutzen Fregatten, die im Rahmen der Operation Atalanta eingesetzt wurden und vom Horn von Afrika zurückverlegt werden, diese Zeit, um diese Aufklärungsaufgabe mit zu erfüllen. Wir haben also Schiffe, die diese Aufgabe erfüllen, zwar nicht nebenbei, aber auch nicht als Hauptaufgabe. Es gibt aber auch Schiffe - wir nennen sie Flottendienstboote -, die ein großes Spektrum von Fähigkeiten in dieser Richtung haben. Auch im Rahmen der Operation Active Endeavour war im Frühjahr zeitweise ein Flottendienstboot mit einbezogen. Vizepräsidentin Petra Pau: Dann kommen wir zur dringlichen Frage 6 der Kollegin Höger: In welchem Umfang und zu welcher Zeit ist die Bundeswehr seit Beginn der Beobachtung des libyschen Luftraums mit Boden- und Besatzungspersonal in den Einsatz der AWACS-Flugzeuge und damit möglicherweise in die Vorbereitung der Intervention gegen Libyen involviert gewesen? Bitte, Herr Staatssekretär. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Die im Rahmen der Beteiligung an AWACS im Mittelmeerraum eingesetzten deutschen Soldaten haben keinen Beitrag zur Vorbereitung der Intervention in Libyen geleistet. Das deutsche Kontingent unter dem Mandat der Operation Active Endeavour, nach dessen Stärke Sie fragen, umfasste im Zeitraum vom 28. Februar 2011 bis zum 22. März 2011 bis zu 75 Soldatinnen und Soldaten. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre erste Nachfrage. Inge Höger (DIE LINKE): Wie viele dieser 60 bis 70 Soldaten waren an der Operation Active Endeavour beteiligt, und wie viele waren an der Überwachung des Luftraums über Libyen beteiligt? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Hier muss man unterscheiden: Am 22. März 2011, in dem Augenblick, in dem die NATO ihren Operationsplan gebilligt und die Aufgabe übernommen hat, war niemand mehr beteiligt. Was die Zeit vorher betrifft - Kollege Hoyer hat gerade auf die Unterscheidung zwischen der Operation Active Endeavour einerseits und der allgemeinen, routinemäßigen, parallel dazu stattfindenden Luftraumüberwachung andererseits hingewiesen -, kann ich Ihnen jetzt keine tieferen Details zur Beteiligung deutscher Kräfte nennen. Ich bin aber gerne bereit, dies nachzuliefern und zahlenmäßig aufzuschlüsseln. Es wird sich vermutlich in der gleichen Größenordnung bewegen, das heißt bei bis zu 75 Personen. Aber ich bitte darum, Frau Präsidentin, diese Information schriftlich nachliefern zu dürfen. Vizepräsidentin Petra Pau: Herzlichen Dank. - Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nachfrage. Inge Höger (DIE LINKE): Ich danke Ihnen erst einmal dafür, dass Sie das nachliefern. Falls Sie meine zweite Frage auch nicht beantworten können, können Sie dies dabei gleich mit einbeziehen. War auch deutsches Bodenpersonal an den AWACS-Überwachungen beteiligt? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Lassen Sie mich Folgendes sagen, Frau Kollegin: Ich gehe davon aus, dass Bodenpersonal beteiligt war. Schon allein deswegen: Sie wissen, dass die Hauptbasis der NATO-AWACS-Flugzeuge, wo immer die Flugzeuge konkret gestartet sind, in Geilenkirchen bei Aachen ist. Ich gehe davon aus, dass zur Vorbereitung dieser Flüge zwangsläufig auch in Aachen Bodenpersonal beteiligt wurde, zum Beispiel Tankwarte. Inwieweit aufgenommene Daten weitergegeben worden sind, müsste ich Ihnen nachliefern. Ich gehe davon aus, dass die Erfüllung der Aufgaben im gesamten Umfeld der fliegerischen Betreuung, die Auswertung sowie die Vor- und Nachbereitung, weiteres Personal erfordert haben. Klammer auf: Sie haben die Frage zwar nicht gestellt, aber Sie haben insinuiert, dass dann, wenn man 300 in einem Mandat fordert, dabei alle diejenigen hinzugezählt werden müssen, die nicht im Flugzeug sitzen, sondern drumherum sind und helfen, dass das Flugzeug fliegt - Klammer zu. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer letzten Nachfrage hat die Kollegin Keul das Wort. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Herr Staatssekretär Schmidt, es ist ja etwas verwirrend. Deswegen nochmals die Nachfrage, um zu sehen, ob ich das auch richtig verstanden habe. Sie sagen, bis zum 19. März sind die AWACS und die entsprechenden Schiffe in einem Bereich eingesetzt gewesen, in dem sie unter anderem libyschen Luftraum mit überwacht haben, weil das zum allgemeinen Mandat dazugehörte. Am 19. März, also mit Beginn des Einsatzes der Koalition der Willigen, haben sich die AWACS und die Schiffe mit deutschen Besatzungen, wie Sie sagen, irgendwo in einen Bereich im Mittelmeer zurückgezogen, in dem sie außerhalb des Bereichs waren, von dem aus sie libyschen Luftraum überwachen konnten. Habe ich das richtig verstanden und, wenn ja, wohin sind sie denn gefahren? Wo waren sie dann außerhalb der Reichweite? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich darf das für die AWACS-Flugzeuge sagen. Wir haben ja einen Teil dieser Flugzeuge mit den Pilzen drauf, die sehr augenfällig sind und die unter NATO-Kommando stehen - das ist eine Zahl von, ich glaube, 16 oder 17 Flugzeugen -, und dann nationale Flugzeuge amerikanischer, britischer und französischer Herkunft. Es gibt dann noch einige weitere andere Typen. Aber ich nehme einmal diese drei Nationen, weil sie ja die Hauptträger der Umsetzung der Resolution 1973 sind. In der Tat wurde das Luftlagebild Libyens ab dem 19. März von nationalen AWACS-Flugzeugen und nicht mehr von NATO-Flugzeugen erstellt. Ich kann Ihnen die Flugrouten der AWACS-Flugzeuge der NATO nun nicht genau nennen. Aber wenn man davon ausgeht - ich mag mich korrigieren, wenn ich jetzt etwas Falsches sage -, dass die Eindringtiefe eines AWACS-Flugzeuges sichtmäßig 400 Kilometer beträgt - ich glaube, das ist sogar etwas zu weit -, dann zeigt sich, dass das Mittelmeer durchaus auch Räume hat, von denen aus man, wenn man dort fliegt, keinen Einblick in diese Region mehr hat. Es wurde hier aufgeschrieben: das zentrale Mittelmeer. Ich würde einmal sagen, dass es das Gebiet nördlich des Einzugsgebiets Große Syrte usw. vor Libyen ist. Wie groß die Entfernung genau ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß auch nicht, ob das genau rekonstruierbar ist; aber sie sind mit erheblichem Sicherheitsabstand geflogen. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die dringliche Frage 7 der Abgeordneten Vogler wird schriftlich beantwortet. Nachdem die dringlichen Fragen aufgerufen und beantwortet worden sind, rufe ich jetzt die Fragen auf Drucksache 17/5120 in der üblichen Reihenfolge auf. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Frage 1 des Abgeordneten Tom Koenigs, die Frage 2 des Abgeordneten Andrej Hunko, die Frage 3 des Abgeordneten Garrelt Duin, die Fragen 4 und 5 der Abgeordneten Ingrid Nestle und die Frage 6 der Abgeordneten Bärbel Höhn werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel zur Verfügung. Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Barchmann auf: In welcher Form werden die Instrumente und Programme des Bundes, die zur Überwindung von migrationsspezifischen Hindernissen bei der Integration in Ausbildung, Arbeit oder Selbstständigkeit dienen, von Einsparungen im Bundeshaushalt und bei der Bundesagentur für Arbeit aktuell und mittelfristig betroffen sein? Bitte, Herr Staatssekretär. Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege, wenn Sie einverstanden sind, würde ich die Fragen 7 und 8 gern gemeinsam beantworten. (Heinz-Joachim Barchmann [SPD]: Bin ich!) - Vielen Dank. Vizepräsidentin Petra Pau: Dann rufe ich die Frage 8 des Abgeordneten Barchmann auf: Welche inhaltlichen Veränderungen bei den Instrumenten und Programmen des Zweiten und Dritten Buches Sozialgesetzbuch mit migrationsspezifischen Anteilen bzw. den Instrumenten und Programmen, an denen Personen mit Migrationshintergrund besonders partizipieren, sind angesichts der von der Bundesregierung geplanten Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente derzeit geplant? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Zunächst einmal zu dem Zweiten und Dritten Sozialgesetzbuch und den darin geregelten Instrumentarien. Nach dem Aufbau des Sozialgesetzbuchs wird keine spezifische Zielgruppe herausgegriffen, sondern es geht um das Instrument insgesamt. Bei dem Instrument geht es darum, zu erreichen, generell Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden oder auch zu beseitigen und individuelle Beschäftigungsfähigkeiten wiederherzustellen. In diesem Zusammenhang bemüht man sich natürlich auch sehr stark darum, individuelle migrationsspezifische Hemmnisse zu beseitigen. Anfängliche Defizite in der Ausbildung der Mitarbeiter wurden in der Zwischenzeit durch viele Bemühungen der Bundesagentur und der Jobcenter behoben. Insoweit werden die Kürzungen auch davon abhängen, wie die Arbeitsmarktinstrumente in der Zukunft aussehen. Die Abstimmung hierüber haben wir in der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen, sodass ich am heutigen Tage auch noch keine spezielle Aussage dazu machen kann. Ich erwarte, dass wir in der nächsten Zeit recht viel mehr dazu sagen können. Ein besonderes Programm ist das Netzwerk "Integration durch Qualifizierung", IQ. Hierbei geht es um die berufliche Integration und die Beratung von Zuwanderern. Dieses Netzwerk soll nach dem derzeitigen Stand fortgesetzt werden. Im Jahre 2011 ist es mit 10 Millionen Euro dotiert, wobei 7 Millionen Euro aus dem Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und 3 Millionen Euro aus dem Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung kommen. Die Bundesregierung plant, dieses Netzwerk wenigstens bis Ende 2014 fortzusetzen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben die Möglichkeit zu insgesamt vier Nachfragen. Bitte. Heinz-Joachim Barchmann (SPD): Ich verzichte auf Nachfragen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie verzichten. - Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Die Fragen 9 und 10 des Abgeordneten Stefan Schwartze, die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Markus Kurth, die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert und die Frage 14 der Abgeordneten Sabine Zimmermann sollen schriftlich beantwortet werden. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Fragen 15 und 16 der Abgeordneten Kerstin Tack sollen ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht wiederum der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Ich rufe die Frage 17 des Kollegen Hans-Christian Ströbele auf: Nach welchen Kriterien, Bezug nehmend auf meine mündlichen Fragen auf Bundestagsdrucksache 17/4812 und 17/5015 - vergleiche Plenarprotokoll 17/92 und 17/95 -, wählen Bundeswehr-Scharfschützen in Afghanistan Zielpersonen aus, die sie aus dem Hinterhalt nach oft langem getarnten Warten aus mehreren 100 Metern Entfernung militärisch bekämpfen, also töten, auch wenn diese nicht "unmittelbar an Feindseligkeiten beteiligt" sind, sondern sich auf Wegen oder Feldern bewegen und nichtsahnend ungedeckt ins freie Schussfeld treten, und wenn somit eine vom Scharfschützen nur durchs Fernglas aktuell beobachtete unmittelbare Beteiligung der einzelnen Personen an Feindseligkeiten als Auswahlkriterium faktisch entfällt, nach welchen sonstigen Kriterien, Fotos, Beschreibungen oder Ähnlichem erkennen die Scharfschützen "ihre Zielperson" sonst und schließen versehentlichen tödlichen militärischen Einsatz gegen nicht unmittelbar an Feindseligkeiten beteiligte, also unbeteiligte, harmlose Zivilpersonen wirkungsvoll aus? Bitte, Herr Staatssekretär. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Ströbele, die Entscheidung zur Bekämpfung eines legitimen militärischen Ziels ist nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu bewerten. Ausgangspunkt ist dabei regelmäßig die Beurteilung, ob es sich um eine Person handelt, die sich unmittelbar an Feindseligkeiten beteiligt. Zur Vermeidung der Gefährdung von unbeteiligten Zivilpersonen muss dies vor der Anwendung militärischer Gewalt durch entsprechende Beobachtungen sichergestellt sein. Scharfschützen der Bundeswehr in Afghanistan stehen keine Befugnisse zur Anwendung militärischer Gewalt zu, die über die Befugnisse der anderen Kräfte des deutschen Einsatzkontingents ISAF hinausgehen. Auf der Grundlage der völkerrechtlichen Ermächtigung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und des Mandates des Deutschen Bundestages gelten das internationale operative ISAF-Regelwerk und auch die Taschenkarte für den deutschen Anteil an ISAF. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre erste Nachfrage, bitte. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, das ist die graue Theorie. Ich bedanke mich zunächst einmal bei Ihnen - das ist ja die dritte Frage, die ich zu diesem Thema gestellt habe -, dass Sie mir jetzt noch einmal schriftlich beantwortet haben, wie viele Scharfschützen die Bundeswehr in den letzten Jahren bis heute in Afghanistan eingesetzt hat. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass sich die Anzahl von 2008 bis 2010 verdreifacht hat. Dadurch wird diese Anfrage, die ich hier jetzt noch einmal gestellt habe, besonders dringlich. Sie wissen - darauf habe ich mich ja bezogen -, dass der Stern von einem Scharfschützen berichtet hat, der in Afghanistan eingesetzt ist, und er hat auch darüber berichtet, dass noch mehrere solcher Scharfschützen mit einem solchen Auftrag dort sind. Der Auftrag soll darin bestehen, dass sich der Scharfschütze an einer Durchgangsstraße postiert und möglicherweise ein bis zwei Tage im Gras liegt und wartet, bis ein vermutlicher, feindlicher Kämpfer auftaucht, um ihn dann aus großer Entfernung - 800 Meter oder ähnlich weit entfernt - zu bekämpfen, das heißt, zu erschießen. Alle meine Fragen zielen darauf hin: Nach welchen Kriterien entscheiden Scharfschützen - nicht allgemein; das könnte ich auch nachlesen -, wenn sie alleine dort warten, sich also nicht in einer Kampfhandlung befinden - sie warten dort, bis jemand kommt -, ob es sich bei der Person, die sie an bzw. auf der Straße sehen - meinetwegen einen jungen Mann, der sich vielleicht an der Straße zu schaffen macht -, um eine Person handelt, gegen die sie militärisch, das heißt, durch Töten, vorgehen? Ich habe besonderen Anlass zu dieser Frage: Ich habe den Spiegel von dieser Woche gelesen, dessen Lektüre ich Ihnen dringend empfehlen kann. Er enthält einen längeren Artikel über US-amerikanische NATO-Soldaten, die sich geradezu einen Spaß daraus gemacht haben, dort Unschuldige, also Nichtkämpfer, zu töten und sich anschließend, indem sie die Köpfe der Getöteten hochhalten, als Trophäenjäger zu präsentieren. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wie kann man ausschließen, dass durch diese Scharfschützen auch Unschuldige getroffen werden, die nicht an Kampfhandlungen beteiligt sind? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Sehr geehrter Kollege Ströbele, diesen Spiegel-Artikel haben sicherlich viele Kollegen im Haus gelesen. Wir alle teilen die Abscheu gegenüber dem, was an völlig inakzeptablen und auch rechtlich in keiner Weise zu rechtfertigenden menschenverachtenden Handlungen dort stattgefunden hat. Wenn ich richtig informiert bin, bezieht sich der Artikel auf ein Gerichtsverfahren gegen die betroffenen amerikanischen Soldaten. Soweit ich weiß, hat sich die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika bereits entschuldigt und davon distanziert. Ob schon eine Verurteilung erfolgt ist, ist mir nicht bekannt. Im Zusammenhang mit der Frage der Völkerrechtsmäßigkeit von militärischen Handlungen, die Sie angesprochen haben, gehe ich davon aus, dass wir sehr scharf zwischen Angelegenheiten trennen müssen, die die amerikanische Armee innerhalb ihrer Verantwortlichkeiten zu behandeln hat, und dem nach Recht und Gesetz abgesicherten Verhalten von Soldaten der Bundeswehr. Falls hier ein Zusammenhang hergestellt werden sollte, würde ich ihn in aller Schärfe zurückweisen. Die von Ihnen gestellte Frage hat auch damit zu tun, inwieweit man das Völkerrecht in extenso nutzt. Das Völkerrecht sieht vor, dass bei einer direkten Beteiligung an Feindseligkeiten eine Person, die aufgrund ihrer Rolle und Funktion bei den gegnerischen Kräften dauerhaft an den Feindseligkeiten beteiligt ist - das ist mit "continuous combat function" gemeint -, auch außerhalb der Teilnahme an konkreten Feindseligkeiten ein legitimes militärisches Ziel ist. Landläufig heißt das, dass die Anführer, die Rädelsführer auch dann bekämpft werden können, wenn es keine unmittelbaren Kampfhandlungen und Gefechte gibt. Das ist eine der Grundlagen im Zusammenhang mit dem sogenannten Targeted Killing. Wir haben bei anderer Gelegenheit in diesem Hause darüber gesprochen, dass sich die Bundeswehr an dem Targeted Killing nicht beteiligt. Ziel und Auftrag der Bundeswehr ist es nicht, die auf der Liste genannten Personen - sie ist als "JPEL list" bekannt - zu töten, sondern sie zu verhaften und festzusetzen. Scharfschützen haben - das habe ich bereits angedeutet - über Aufgaben und Funktion der Bundeswehr insgesamt im ISAF-Einsatz und innerhalb des nationalen und völkerrechtlichen Regelwerkes hinaus keine Befugnisse. Sie haben deshalb nur die Befugnis, bei einer unmittelbaren Verknüpfung mit Kampfhandlungen tätig zu werden. Ich weiß nicht, wo die Bilder, die Sie im Zusammenhang mit dem Artikel im Stern ansprechen, entstanden sind und wer dafür verantwortlich ist. Ich kann Ihnen aber versichern, dass es nach Ausbildung, Ausrüstung und Befehlslage Scharfschützen, die in schwierigen Gefechtssituationen durchaus zum Einsatz kommen und die auch benötigt werden, nicht erlaubt ist, nur dazuliegen und so lange zu warten, bis einer vorbeikommt, der ein Gegner sein könnte. Dies ist nach dem nationalen Regelwerk für die deutschen Soldaten ausgeschlossen. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Ströbele, bevor Sie Ihre zweite Nachfrage stellen, erlaube ich mir den Hinweis, dass wir noch zwei Minuten in der Fragestunde haben. Es wäre also schön, wenn wir es schafften, Frage und Antwort in ein angemessenes zeitliches Verhältnis zu stellen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine zweite Nachfrage ist noch kürzer. - Herr Staatssekretär Schmidt, die Scharfschützen, von denen ich rede - die Tätigkeit eines Scharfschützen ist im Stern beschrieben -, befinden sich nicht in aktuellen Kampfhandlungen, sondern liegen friedlich oder nicht friedlich im Gras - genau so, wie ich es beschrieben habe -, ohne dass um sie herum Kampfhandlungen stattfinden, und warten so lange, bis Personen auftauchen. Über diese Personen wissen sie nichts. Sie kennen weder ihre Herkunft noch ihre Tätigkeit. Allein von der visuellen Feststellung her gehen sie gegen diese vor. So wird das von einem der Scharfschützen beschrieben. Wollen Sie ausschließen, dass solche Scharfschützen auch gegen Unschuldige, an Kampfhandlungen nicht Beteiligte mit militärischen Mitteln vorgehen bzw. diese töten? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Präsidentin, im Rahmen der nationalen Regularien ist es den Scharfschützen der Bundeswehr in Afghanistan untersagt, Personen, die sich dauerhaft an bewaffneten Auseinandersetzungen beteiligen, also die genannte "continuous combat function" innehaben, außerhalb einer Situation, an der sie an konkreten Feindseligkeiten teilnehmen, durch gezielte Waffenwirkung zu bekämpfen. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Herr Staatssekretär. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die übrigen Fragen werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Zusatzpunkt 3 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE Konkrete Anforderungen insbesondere des Bundesumweltministeriums für die Sicherheitsüberprüfung deutscher Atomkraftwerke Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Dorothee Menzner für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dorothee Menzner (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben seit Monaten - und im Moment mit wachsender Geschwindigkeit - eine Achterbahnfahrt in Sachen Atomenergie und energetischer Nutzung von Atomtechnik. Ich möchte Sie an den 28. Oktober letzten Jahres erinnern. Da haben wir in diesem Haus trotz massiver Bedenken vieler Kolleginnen und Kollegen mehrheitlich die Laufzeiten verlängert. Wir haben die Laufzeiten nach einem Verfahren verlängert, das mit den Produzenten, den Atomkonzernen ausgekungelt war. Man hätte meinen können, dass eine Sicherheitsüberprüfung der Kraftwerke vorgenommen worden wäre, bevor man zu einem solchen Schritt kommt. Am 11. März haben wir dann die unfassbare dreifache Katastrophe von Japan erlebt, nicht nur Erdbeben und Tsunami, sondern auch die atomare Katastrophe in Fukushima. Ich möchte betonen, auch wenn sie heute nicht mehr die Headline in allen Nachrichten bestimmt: Diese Katastrophe ist beileibe nicht beendet. Wir kennen bis heute nicht ihren Ausgang. Gregor Gysi sagte letzte Woche: Die Vorkommnisse in Fukushima sind "eine Zäsur, ein Zivilisationsbruch in der Geschichte des industriell-kapitalistischen Zeitalters". - Er hat recht. Zu diesem Schluss komme ich, wenn ich tagtäglich die Nachrichten, die noch immer reich an Hiobsbotschaften sind, verfolge. Das Ganze hat einen ungewissen Ausgang und auf jeden Fall fatale Folgen für viele Japanerinnen und Japaner. Jetzt liegt ein Papier vor, erstellt im Zusammenhang mit dem dreimonatigen sogenannten Moratorium. Die Arbeitsgruppe Reaktorsicherheit hat erste Überlegungen angestellt. So weit, so gut. In dem Papier steht viel Vernünftiges. Bei manchem frage ich mich allerdings, wieso man das nicht schon längst im Vorfeld des Oktobers auf die Tagesordnung gesetzt hat. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Es steht dort zum Beispiel, dass eine Erdbebenauslegung oder eine Hochwasserauslegung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erfolgen soll. Was ist denn, bitte schön, daran so Besonderes? Weiter hinten liest man, dass eine Notsteuerstelle selbst im Falle einer atomaren Kontamination betretbar und bedienbar sein muss. Ich behaupte: Das ist eigentlich etwas Normales. Das erwarten die Menschen mit Fug und Recht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wie gesagt, in diesem Papier steht viel Vernünftiges. Es wird auch angemerkt, dass man die Ereignisse von Fukushima abwarten, vielleicht nachsteuern und noch das eine oder andere aufnehmen muss. Aber eines wird auch deutlich: Selbst wenn man alles, was in diesem Papier aufgeführt ist, wirklich eins zu eins umsetzen würde, und nicht alles wieder weichspült und das eine oder andere herausstreicht, weil die Maßnahme ach so teuer wird, weil sie nicht leistbar ist oder weil sie die Gewinne der Konzerne schmälert, bleibt die energetische Nutzung von Atomenergie ein unsicheres Verfahren; (Beifall bei der LINKEN) denn Menschen sind nun einmal fehlbar, und zwar sowohl bei der Planung als auch bei der Umsetzung von Dingen, sie sind fehlbar in ihrem Handeln. Daher kann uns das beste Sicherheitskonzept - die Japaner hatten Sicherheitskonzepte, die uns immer als beispielgebend hingestellt wurden - nicht davor bewahren, dass es zu solch unfassbaren Katastrophen kommt. Wenn man sich die Geschichte atomarer Unfälle anschaut, dann stellt man fest, dass es meistens Lappalien oder Dinge, auf die kein Mensch vorher gekommen ist, waren, die zu den Unfällen geführt haben. Auch wenn Sie jetzt solche engagierten Papiere in Ihrem Haus erarbeiten, was ich, wie gesagt, zuerst einmal gut finde, frage ich mich schon: Wieso müssen wir wochenlang bohren und fragen, was es mit der Auffälligkeit im Kühlkreislauf des Kraftwerks Grafenrheinfeld auf sich hat, wo Ultraschallaufnahmen gezeigt haben, dass es einen Riss in den Rohren geben könnte? Es behauptet niemand, dass es tatsächlich einen Riss gibt, aber es könnte einen geben. Es dauerte Monate, bis Sie das AKW heruntergefahren haben, um genauer nachzuschauen. Ich möchte weiterhin an die Probleme in Philippsburg in den letzten anderthalb Jahren erinnern, die heute deutlich wurden. Die Frage wird sein, wie wir nach dem dreimonatigen Moratorium damit umgehen und wie es weitergeht. Die Menschen erwarten klare Positionen. Sie wollen aus der Atomenergie aussteigen, und zwar unverzüglich und unumkehrbar. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dass Sie es mit viel Gegenwind zu tun haben, erleben Sie im Moment Montag für Montag bei den Mahnwachen, und das werden Sie am kommenden Samstag bei den Großdemos erleben. Sie erleben es auch dadurch, dass heute die Bravo nach 55 Jahren zum ersten Mal in ihrer Geschichte ein Poster mit einem politischen Inhalt bringt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir werden die Proteste auf jeden Fall begleiten und weiter Druck machen. Ich danke. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist wirklich unzweifelhaft: Die nuklearen Folgen der Erdbebenkatastrophe in Japan bedeuten einen Einschnitt, zuallererst selbstverständlich für Japan, aber auch für die ganze Welt. Die Katastrophe hat ganz deutlich gezeigt, dass Ereignisse auch jenseits der bislang berücksichtigten Szenarien eintreten können. Vielleicht noch ein paar Punkte zum Sachverhalt, weil es im Weiteren darum gehen wird - so verstehe ich das Thema der Aktuellen Stunde -, welche Sicherheitsüberprüfungen es in unseren deutschen Kernkraftwerken geben wird. Bei allen betroffenen Reaktoren gab es ein Zusammentreffen eines extremen Erdbebens mit einem Tsunami. Das Zusammenwirken hat zum Ausfall der externen Stromversorgung geführt. In der Folge wurden die notwendigen Sicherheitseinrichtungen zerstört. Die Kernkühlung bei den Blöcken 1 bis 3 am Standort Fukushima fiel aus. Die Blöcke 4 bis 6 waren zu diesem Zeitpunkt abgeschaltet, weil sie in Revision waren. Gleichwohl machen sie uns heute auch große Probleme, wie Sie den Medien entnehmen können. In den Blöcken 1 bis 3 waren die Reaktorkerne zeitweise nicht mehr mit Wasser bedeckt mit der Folge von schweren Kernschäden bis hin zu einer beginnenden Kernschmelze. Infolgedessen wurde Wasserstoff freigesetzt. Es kam zu Explosionen. Die Reaktorgebäude wurden schwer beschädigt. Sie alle kennen die Bilder. Obwohl bereits das Erdbeben mit einer Stärke von 9 eine deutliche Überschreitung der Auslegung darstellte, kam es aber erst durch den anschließenden Tsunami zu dieser dramatischen Entwicklung. Aus diesem Zusammenwirken von zwei Ereignissen, die deutlich über die Auslegung der Reaktoren hinausging, resultiert die Notwendigkeit, die Lage bei uns in Deutschland vorbehaltlos zu analysieren. Die Ereignisse in Japan haben uns gezeigt, dass das sogenannte Restrisiko durchaus existent ist und dass es sich hierbei nicht nur um eine rechnerische Größe handelt. Es gibt eine Vielzahl von Fragestellungen, die im Lichte von Japan gegebenenfalls neu bewertet werden müssen. Dies gilt vor allem für die Frage der Bewertung der Sicherheit und der Bewertung der Sicherheitsstandards. Deshalb hat die Bundesregierung, hat die Bundeskanzlerin und haben die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kernkraftwerken beschlossen, die Sicherheit aller Kernkraftwerke in Deutschland im Lichte der Ereignisse von Japan zu überprüfen. Sie haben ferner beschlossen, die sieben ältesten Kernkraftwerke für einen Zeitraum von drei Monaten vom Netz zu nehmen. Wir haben das schon intensiv diskutiert. Für die dreimonatige Betriebseinstellung als vorläufige Maßnahme sieht das Atomgesetz § 19 Abs. 3 als Rechtsgrundlage vor. Aufgrund dieser Rechtsgrundlage kann bei Vorliegen eines Gefahrenverdachts die einstweilige Betriebseinstellung angeordnet werden. In der Zeit des Moratoriums werden sich zwei Kommissionen intensiv mit der Frage der Sicherheit befassen. Dies ist zum einen die Reaktor-Sicherheitskommission, die beim Bundesumweltminister angesiedelt ist. Das ist ein Gremium unabhängiger Experten. Diese wird gemeinsam mit den Ländern, die jeweils aufsichtsführende Stelle sind, eine Überprüfung aller Kernkraftwerke durchführen. Sie wird sich insbesondere mit der Frage beschäftigen, ob die bisherigen Auslegungsgrenzen richtig definiert sind. Dabei geht es nicht nur um die Frage der Stärke eines Erdbebens oder um die Frage der Höhe des Hochwassers, sondern darum, ob die bisherigen Auslegungsgrenzen richtig definiert sind und wie robust unsere deutschen Kernkraftwerke gegenüber auslegungsüberschreitenden Ereignissen sind. Gerade eben wurde noch einmal erwähnt: Das Papier, das eine Vielzahl von Themen enthält und das immer wieder öffentlich diskutiert wird, dieses Papier, das bei uns im Haus erstellt worden ist, war eine Ideensammlung für die Reaktor-Sicherheitskommission, um zu sagen: Das könnten Themen sein, die zusätzlich berücksichtigt werden sollten. Hierbei geht es insbesondere - auch wenn es ein bisschen technisch ist, es ist aber besonders zu erwähnen - um die Schutzziele Abschaltbarkeit, Kühlung der Brennelemente im Reaktordruckbehälter sowie im Brennelementebecken und Begrenzung der Freisetzung radioaktiver Stoffe. Das sind drei Themen, die wir Tag für Tag als große Probleme mit verheerenden Wirkungen in Fukushima beobachten können. In diese Betrachtung sind natürlich auch naturbedingte Ereignisse wie Erdbeben oder Hochwasser, aber auch Explosionsdruckwellen, gezielte Angriffe, Abstürze etc. einzubeziehen. Neben der Reaktor-Sicherheitskommission, die sich mit den technischen Fragen, mit den Auslegungsgrenzen und mit dem Restrisiko befasst, wird sich eine neue Ethikkommission mit den gesellschaftlichen Fragen der Atomtechnologie auseinandersetzen. Den Vorsitz wird der ehemalige Umweltminister Professor Klaus Töpfer zusammen mit dem Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Kleiner, übernehmen. Diese Ethikkommission wird die Aufgabe haben, Risiken zu bewerten und entsprechend einzuordnen. Das heißt, sie wird sich natürlich mit der Frage der Sicherheit der Kernkraftwerke befassen, aber auf der anderen Seite auch mit der Schlüssigkeit in der Frage: Wie kann man den Ausstieg mit Augenmaß so vollziehen, dass der Übergang in das Zeitalter der erneuerbaren Energien praktikabel und vernünftig ist, (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen wir doch schon längst! Alles da, schon seit Jahren!) und wie lässt sich vermeiden, dass zum Beispiel durch den Import von Strom aus Kernenergie nach Deutschland Risiken eingegangen werden, (Ulrich Kelber [SPD]: Ein Fauxpas nach dem anderen!) die vielleicht höher zu bewerten sind als die Risiken bei der Produktion von Strom aus Kernenergie in Deutschland? (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht Ihr Niveau!) - Herr Kelber, Sie müssen sich auch einmal mit ein paar Wahrheiten befassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Sie können nicht von heute auf morgen Deutschland komplett von der Stromversorgung abhängen. Das funktioniert einfach nicht. (Rolf Hempelmann [SPD]: Sie scheinen Probleme zu haben! - Ulrich Kelber [SPD]: Seit 16 Monaten kürzen Sie bei den Erneuerbaren!) Über diese Folgen wissen Sie auch Bescheid. Wenn Sie heute im Ausschuss gewesen wären, hätten Sie auch das eine oder andere dazugelernt. Es geht um die entscheidende Frage, dass Sicherheit eben nicht in umfassender Weise ausrechenbar ist - ich habe es vorhin schon gesagt -, sondern dass das am Ende eine gesellschaftlich-politische Wertung ist. Mit dieser Frage wird sich die Ethikkommission befassen. (Ulrich Kelber [SPD]: Die bringt Sie hoffentlich auf den neuesten Stand! Der Rest der Gesellschaft ist schon so weit!) Beide Gremien werden in den nächsten drei Monaten überlegen, welche Lehren aus der Katastrophe in Fukushima tatsächlich zu ziehen sind. Gestatten Sie mir noch einen Hinweis auf die internationale Situation. Die Internationale Atomenergie-Organisation hat angekündigt, neue Richtlinien der nuklearen Sicherheit zu entwickeln. China hat seine Neubaupläne vorerst gestoppt - das ist, finde ich, ein klares Zeichen - und eine Sicherheitsprüfung angekündigt. Auf Einladung von EU-Energiekommissar Oettinger haben die Regierungsvertreter aus dem Energiebereich über Sicherheitsfragen debattiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel macht die Frage der Sicherheit von Kernkraftwerken zu einem wichtigen Thema auch auf dem Europäischen Rat am Ende dieser Woche. Es gibt international, sicherlich aber auch national einen breiten Konsens darüber, dass die Risiken von Kernenergie neu bewertet werden müssen. Ich habe die Bitte an die Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, auch hier im Bundestag einen solchen Konsens mit zu suchen (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Heinen-Esser, das ist doch wohl nicht wahr!) und zu sagen: Hier geht es um entscheidende wissenschaftlich-gesellschaftliche Fragen. Dazu lade ich Sie herzlich ein. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Matthias Miersch für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Matthias Miersch (SPD): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, ich habe mich eben gefragt: Wo waren Sie eigentlich vor wenigen Monaten, als die Entscheidung darüber anstand, ob der Konsens, der im Jahr 2000/01 bereits gefunden worden war - einen solchen Konsens mahnen Sie hier an -, wieder aufgeschnürt werden soll? Wo haben Sie sich da eingebracht? Wir brauchen an dieser Stelle nicht zwei weitere Kommissionen; wir brauchen ein selbstbewusstes Parlament, das seine Aufgabe wahrnimmt. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eine schlechte Regierung kann nur durch ein gutes Gesetz ausgeglichen werden, und dazu sind Sie jetzt aufgefordert. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie werden morgen das erste Mal die Möglichkeit bekommen, zwei entsprechenden Gesetzentwürfen zuzustimmen. Das Angebot steht weiter: Wenn wir uns denn einig sind, dass es ein Fehler gewesen ist, was Sie hier mit Ihrer Mehrheit vor wenigen Monaten beschlossen haben, dann lassen Sie es uns rückgängig machen, und zwar so schnell wie möglich! (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was sollen diese Kommissionen eigentlich bringen? Eine Ethikkommission! Was wurde die letzten Jahrzehnte in Deutschland eigentlich diskutiert? Wenn man wissen will, was Herr Töpfer zum Thema Kernenergie und Atomtechnologie sagt, kann man das nachlesen. Wenn man hätte wissen wollen, was die Kirchen in Deutschland über dieses Thema denken, dann hätte man es im Oktober nachlesen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte lassen Sie sich nicht auf diese Verzögerungs-, auf diese Verschleierungstaktik ein, sondern nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr und nehmen Sie zur Kenntnis, was in der Bundesrepublik Deutschland bereits an ethischen Grundsätzen entwickelt worden ist! (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hinsichtlich der geplanten Sicherheitskommission frage ich Sie: Ist es nicht doch angebracht gewesen, dass wir im Umweltausschuss, als es um die Auswertung der sehr ausführlichen Sachverständigenanhörung zur Laufzeitverlängerung ging, sehr emotional diskutiert haben? Lesen Sie noch einmal die Anhörungsprotokolle nach, die vor einigen Monaten erstellt wurden. Sie werden feststellen, dass dort sämtliche Sicherheitsrisiken angesprochen wurden. Sie haben sich schlichtweg darüber hinweggesetzt und sich geweigert, sich mit diesen Argumenten auseinanderzusetzen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!) Ich habe bei der Schlussberatung einen Brief des schleswig-holsteinischen Justizministers vorgelesen, weil der Bundesumweltminister womöglich den Argumenten von Rot-Grün nicht glaubte. Wenige Tage vor der Schlussabstimmung hier im Parlament hat er darin dem Bundesumweltminister dringend dazu geraten, vor einer Laufzeitverlängerung Verbesserungen bei den Altmeilern vorzuschreiben und die Laufzeitverlängerung erst zu genehmigen, wenn diese erfüllt sind. Der Bundesumweltminister hat da gelacht. Jetzt sagt er, es gebe eine neue Sicherheitslage. Das ist keine glaubwürdige Politik. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der schleswig-holsteinische Justizminister hat da beispielsweise Dinge geschrieben, die Sie mittlerweile in Ihre Ideensammlung aufgenommen haben. Er hat Ihnen nämlich attestiert, dass die Themen "Flugzeugabstürze" und "externe Ereignisse" in Ihrem Gesetz nicht berücksichtigt wurden und der Sicherheitsstandard gegenüber den vorherigen Regelungen sogar noch deutlich abgeschwächt worden ist. Der Bundesumweltminister hat da gelacht, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das kann man ihm, wie ich finde, nicht durchgehen lassen. Er muss erklären, wie der plötzliche Sinneswandel zustande gekommen ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Eigentlich war es ja noch schlimmer: Sie von der Koalition haben nicht nur diese Argumente nicht berücksichtigt, sondern Sie haben noch eins draufgesetzt: Sie sind einen Deal eingegangen und haben einen Vertrag geschlossen, in dem Sie die Haftung der vier großen Konzerne für Sicherheitsnachforderungen auf 500 Millionen Euro begrenzt haben. Sie sind ihnen bei den Sicherheitsanforderungen entgegengekommen, obwohl Sie wussten, dass Nachbesserungen notwendig sind. Sie wollten verhindern, dass sie in die Enge gedrängt werden und diese Altmeiler abschalten müssen. Dies ist ein Versagen der Politik auf ganzer Linie. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben darüber hinaus das kerntechnische Regelwerk negiert und einen der Cheflobbyisten der deutschen Atomwirtschaft - das ist, wie ich finde, das eigentlich Denkwürdige - zum Abteilungsleiter gemacht, der über die einzurichtende Sicherheitskommission wachen soll. Das kann doch nicht wahr sein! Das ist nichts anderes, als den Bock zum Gärtner zu machen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage es noch einmal: Das Parlament ist der Ort, in den Diskussionen um Ethik und elementare Sicherheitsfragen der deutschen Bevölkerung gehören. Insofern fordere ich Sie auf: Nehmen Sie Ihre Aufgabe wahr! Lassen Sie uns hier diskutieren! Lassen Sie uns hier möglichst schnell abstimmen! Auf diese Weise können wir gerne zu einem Konsens kommen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Kauch hat für die FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Michael Kauch (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Opposition zeigt, dass sie ein heißes Herz hat. Aber die Frage ist, ob sie auch einen kühlen Kopf hat. Nachdem ich Herrn Miersch und Frau Menzner gehört habe, muss ich sagen: Das alles passt nicht so ganz zusammen. Frau Menzner redet so, als wenn wir sofort, noch heute, aus der Kernkraft aussteigen könnten. (Beifall bei der LINKEN) Herr Miersch erinnert sich offensichtlich schon ein bisschen mehr an das, was Rot-Grün gemacht hat: Rot-Grün ist nämlich nicht von heute auf morgen aus der Kernkraft ausgestiegen. Das stimmt, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Jetzt sprechen wir doch mal darüber, was Sie denn gesagt haben!) auch wenn andere Redner hier plötzlich so tun, als wäre das möglich. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Schluss mit den Lügen!) Ich erinnere daran, dass Rot-Grün einen Deal gemacht hat. Rot-Grün hat einen Vertrag mit den Kernkraftwerksbetreibern abgeschlossen. Darin stand: Wir steigen über einen Zeitraum von 20 Jahren aus. Dafür garantieren wir, dass die Sicherheitsphilosophie und, von wenigen Einzelmaßnahmen abgesehen, die sonstigen Sicherheitsniveaus der Kernkraftwerke so bleiben, wie sie heute sind. - (Ulrich Kelber [SPD]: Das steht dort nicht! Das war jetzt frei zitiert!) Das war Ihr schmutziger Deal gegen die Sicherheit von Kernkraftwerken. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Ulrich Kelber [SPD]: Sie wissen, dass Sie lügen, Herr Kauch! Es wird nicht besser durch Wiederholungen!) Dagegen hat die Koalition im letzten Oktober mit der Einführung des § 7 d in das Atomgesetz zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen von den Kernkraftwerksbetreibern verlangt. Wir haben mehr Sicherheit ins Gesetz geschrieben. Sie haben hingegen weniger Sicherheit in einen Vertrag geschrieben. Das ist die Wahrheit, die hier auch einmal gesagt werden muss. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Ulrich Kelber [SPD]: Alle Experten haben bei der Anhörung dieser Aussage widersprochen!) Die Opposition stellt sich aufs hohe Ross. Sie hat schon immer alles gewusst. (Zuruf von der SPD: Wir stellen uns auf kein Ross!) Auch Sie sollten verstehen, dass sich mit Japan etwas verändert hat. (Lachen bei der LINKEN und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eine Veränderung ist, dass wir über die Sicherheitspuffer reden müssen, die bei unseren Szenarien, was passieren kann, gesetzt wurden. Das kerntechnische Regelwerk, das Herr Gabriel in Kraft setzen wollte, muss vor dem Hintergrund von Japan ebenfalls überprüft werden. Es geht nicht nur darum, die Kernkraftwerke daraufhin zu überprüfen, ob sie im genehmigten Betrieb sicher sind - das stellt dieses kerntechnische Regelwerk sicher -, sondern auch um die Frage, ob das Regelwerk selbst noch den Anforderungen genügt. Das muss überprüft werden. Diese Aufgabe wird im Rahmen dessen wahrgenommen, was die Bundesregierung macht. Dafür müssen wir alle umdenken - auch Sie, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange wollen Sie damit noch weitermachen? Warum bleiben die 60er-Jahre-Anforderungen in Kraft? Auf so was kann nur Herr Kauch kommen!) Die Sicherheitsüberprüfung ist notwendig, weil wir die gleichen Risiken nach Japan anders bewerten müssen, als das vorher gemacht worden ist. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat man alles vorher bewertet, Herr Kauch!) - Das ist hier auch von Ihnen anders bewertet worden, liebe Damen und Herren von der Koalition. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Noch sind wir nicht die Koalition, aber demnächst vielleicht!) - Von der Opposition. - Hätten Sie schon in Ihrer damaligen Koalition diese Einschätzung gehabt und gewusst, wie man diese Risiken nach Japan zu bewerten hat, wäre es nämlich Ihre Pflicht und Schuldigkeit gewesen, die Kernkraftwerke abzuschalten, anstatt 20 Jahre dauernde Ausstiegsszenarien zu machen. (Ulrich Kelber [SPD]: Wir hätten sie eher abgeschaltet, wenn Sie die Laufzeit nicht verlängert hätten!) Das ist die Unredlichkeit der Opposition in diesem Haus. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Diese Koalition hat verstanden, dass wir den Bereich Kernkraftwerke überdenken müssen, dass es zu neuen Regelwerken kommen muss. Es ist richtig, dass diese Koalition eine Kommission mit unabhängigen Experten eingesetzt hat - auch mit solchen, die mit der Beaufsichtigung des jeweiligen Kraftwerks bisher nicht betraut waren. Wenn ein Kraftwerk nicht den neuen Sicherheitsanforderungen entspricht, gibt es die Möglichkeit, es nachzurüsten. Falls eine solche Nachrüstung nicht möglich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, wird dieses Kernkraftwerk aus Sicherheitsgründen abgeschaltet. Das wird das Ergebnis des Moratoriums sein. Meine Damen und Herren, Sie sollten hier weniger mit Schaum vor dem Mund reden (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt genau der Richtige! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Hier im Raum redet eigentlich nur einer!) und mehr darüber, welche Sicherheitsanforderungen tatsächlich erfüllt werden müssen. Auch unter den Gesichtspunkten, die die SPD hier in den Raum gestellt hat, würden diese Kernkraftwerke noch zehn Jahre laufen, und Sie hätten die gleiche Verpflichtung, zur Sicherheitsdiskussion beizutragen. Sie haben sich jahrelang nur mit dem Thema Abschalten beschäftigt, aber nicht mit der Frage, welches Sicherheitsniveau in diesen zehn Jahren notwendig ist. (Ulrich Kelber [SPD]: Andere für die eigenen Fehler zu beschimpfen, ist primitiv!) Das ist genauso unsere Verantwortung. In diesem Zusammenhang geht es nicht nur um Laufzeiten, sondern auch um die Sicherheit der Kraftwerke, die in der Übergangszeit noch laufen müssen, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) weil wir eben nicht von heute auf morgen aus der Kernkraft herauskommen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Jetzt kommt's raus: doch kein Ausstieg!) Wer das der Bevölkerung weismachen will, der lügt die Bevölkerung an. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Ulrich Kelber [SPD]: Das tun Sie in der Tat!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Krischer das Wort. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kauch, Sie haben durch die Japan-Katastrophe überhaupt nichts verstanden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Sie halten hier die gleiche Rede wie vor vier Monaten, statt die Größe zu haben, zu sagen: Wir haben uns geirrt; wir haben vielleicht eine falsche Einschätzung gehabt. - Sie haben schlicht und ergreifend nichts verstanden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Gestatten Sie mir eine weitere Vorbemerkung. Für die heutige Fragestunde waren 30 Fragen zur Sicherheit der Atomkraftwerke und zu konkreten Sicherheitsproblemen eingereicht worden. Diese Fragen wurden nicht zugelassen. Das mag nach der Geschäftsordnung korrekt sein; aber es zeigt, dass sich die Bundesregierung, genauso wie heute Morgen im Umweltausschuss, weigert, in eine Debatte über die konkreten Probleme in den Atomkraftwerken einzutreten. Daran wird deutlich: Das Vertuschen und Wegdrücken geht schon wieder los. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Dr. Michael Paul [CDU/CSU]: Komm, hör auf!) Meine Damen und Herren, wir haben vorhin gehört, dass für das Auftreten eines GAUs in Form einer Kernschmelze eine Wahrscheinlichkeit von ein paar Hunderttausend Jahren gilt. Jetzt haben wir schon zwei innerhalb von 25 Jahren erlebt. Wer angesichts dessen nicht anfängt, nachzudenken, und nicht die Größe hat, zu sagen: "Wir haben uns geirrt; wir müssen etwas ändern", der hat wirklich nichts verstanden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN - Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Meinen Sie, wir haben die Atomkraftwerke nur so abgeschaltet?) Der Vorfall hat sich jetzt nicht in einem untergehenden System wie der damaligen Sowjetunion, sondern im Hightechland Japan ereignet. Wir alle sitzen erschrocken und schockiert vor den Fernsehbildschirmen und sehen zu, wie man hilflos versucht, die Reaktoren mit Wasser aus Wasserschläuchen und von Hubschraubern aus zu kühlen. Die Hilflosigkeit zeigt doch eigentlich nur eines: Diese Technologie ist unbeherrschbar, und sie verzeiht keine Fehler. Deshalb müssen wir sie schnellstmöglich hinter uns lassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Was im Moment in Japan passiert, ist auch in Deutschland vorstellbar. Denn die eigentliche Ursache der Vorfälle in den Reaktoren waren nicht der Tsunami oder das Erdbeben, sondern der Ausfall der Stromversorgung und damit der Kühlung. Dafür sind sehr viele Auslöser vorstellbar, auch in Deutschland, zum Beispiel ein Flugzeugabsturz, eine Überschwemmung oder auch anderes, worüber wir heute noch gar nicht reden können. Aber all das war auch schon im Oktober letzten Jahres bekannt, als Sie die Laufzeitverlängerung beschlossen haben und nicht über dieses Thema reden wollten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Das war auch schon vor fünf oder zehn Jahren bekannt! Meine Güte!) Ein weiteres Versäumnis hat der Kollege Miersch bereits angesprochen. Es gibt ein kerntechnisches Regelwerk; aber Sie weigern sich beharrlich, es in Kraft zu setzen. Ich kann das nicht nachvollziehen. Obwohl es dieses Regelwerk gibt, ziehen Sie es vor, das Regelwerk der 60er- und 70er-Jahre anzuwenden. Dafür gibt es eine Erklärung: Wenn Sie das neue kerntechnische Regelwerk in Kraft setzen würden, würde das erhebliche Sicherheitsauflagen bedeuten, und damit würden etliche Anlagen zusätzlich zu den alten vom Netz gehen. Genau das wollen Sie nicht, weil Sie immer noch an den Atomkonzernen kleben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich könnte hier über viele Schwachstellen und Sicherheitsmängel in Atomkraftwerken berichten: über fehlenden Feuerschutz, fehlenden Erdbebenschutz, fehlende Notstandswarte. All das ist Realität in deutschen Atomkraftwerken. (Michael Kauch [FDP]: Das war Realität unter Trittin!) Die Kollegen im Umweltausschuss haben heute zur Kenntnis nehmen müssen, dass es noch nicht einmal ein meldepflichtiges Ereignis ist, wenn unbemerkt 10 Prozent des Kühlmittels verloren gehen. Das ist offensichtlich ein völlig normaler Vorgang. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was sonst noch alles in Atomkraftwerken passiert, ohne dass Behörden und Öffentlichkeit davon erfahren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie wissen, dass Sie mit dieser fragwürdigen Atomnummer nicht mehr durchkommen. Deshalb gibt es jetzt das fragwürdige dreimonatige Moratorium. Ich frage mich: Was wollen Sie in drei Monaten herausfinden? Die Überprüfung dauert viel länger. Wenn Ihr Vorhaben seriös sein sollte, müssten Sie einen viel längeren Zeitraum vorsehen. Außerdem soll die Überprüfung - das ist wirklich der Gipfel - unter der Federführung von Herrn Hennenhöfer - er sitzt hinter der Regierungsbank -, Exlobbyist der Atomkraft, heute der oberste Atomaufseher, stattfinden. (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Pfui! - Ute Vogt [SPD]: Von unseren Steuergeldern bezahlt!) Wenn Sie es mit der Sicherheitsüberprüfung ernst meinen würden, dann müssten wir Ihnen sagen: Sie haben den Frosch beauftragt, den Sumpf trockenzulegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat den Bock zum Gärtner gemacht!) Jetzt wurde eine sogenannte Ethikkommission eingesetzt. Ich muss ehrlich sagen: Als ich gestern die entsprechende Meldung gelesen habe, habe ich das nicht geglaubt. Ist die gesellschaftliche Debatte der letzten 30 Jahre eigentlich an Ihnen vorbeigegangen? Haben Sie nicht gelesen, was Kirchen, Verbände und Institutionen zum Thema "Atomkraft und Ethik" gesagt haben? Nein, haben Sie offensichtlich nicht. Das Einzige, was Sie mit der Einsetzung der Ethikkommission bezwecken wollen, ist: Sie wollen herausfinden, wie viel Atomkraft man dem deutschen Volk zumuten kann, damit die Union und die FDP noch so gerade an der Macht bleiben können. Das ist der wahre Zweck dieser Ethikkommission. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sinn und Zweck ist nur, über den Sonntag zu kommen, sonst nichts!) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Krischer, achten Sie bitte auf die Zeit. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zum Schluss. - Letzter Satz: Entscheiden Sie sich zusammen mit uns, die sieben ältesten AKW sofort vom Netz zu nehmen, das kerntechnische Regelwerk in Kraft zu setzen, eine hinreichende Sicherheitsüberprüfung zu starten, die Laufzeitverlängerung zurückzunehmen sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Erhöhung der Energieeffizienz wirklich und ehrlich voranzubringen. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Unionsfraktion hat der Kollege Dr. Nüßlein das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Krischer, man müsste an Ihrer Rede korrigieren, dass der "oberste Atomaufseher" - anders als Sie es gesagt haben - nicht Herr Hennenhöfer ist, sondern Herr Röttgen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja noch schlimmer!) Man könnte das zu einer Abhandlung ausbauen, um zu zeigen, welche Unwahrheiten Sie an dieser Stelle verbreiten. Ich will mit einem Begriff anfangen, der in den Vorreden mehrfach aufgetaucht ist, nämlich mit dem Wort "Konsens". Ich möchte herausstellen, was man, wenn man redlich ist, als Konsens in diesem Parlament beschreiben muss: Erstens. Es gibt einen Konsens, dass wir aus der Kernenergie aussteigen wollen. In unserem Koalitionsvertrag steht klipp und klar: Die Kernenergie ist eine Brückentechnologie, bis sie durch erneuerbare Energien verlässlich ersetzt werden kann. Es geht also um einen Ausstieg. Dort steht auch: Das Neubauverbot ... bleibt bestehen. (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aussteigen, aber verlängern! Toll!) Ich gehe davon aus, dass Sie das genauso sehen. Das ist nur eine Frage der - - (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Dauer!) Die Frage ist: Wie lange dauert der Übergang? Wie lang muss diese Brücke sein? Zweitens. Wenn ich von den Grünen wäre, würde ich nicht ganz so laut schreien. Denn Sie haben es im Jahr 2000 offenbar genauso gesehen, dass es nämlich eine Übergangsfrist geben muss. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht eine so lange wie bei Ihnen!) Sie sind im Wahlkampf 1998 mit der Forderung nach einem sofortigen Ausstieg angetreten; die Nutzung der Kernkraft sei unverantwortlich. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die alte Leier wieder!) Diese Forderung kramen Sie heute wieder heraus. Dann haben Sie unter dem Eindruck der Annehmlichkeiten von Dienstwagen gesagt: (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Ute Vogt [SPD]: Billig!) Wenn es dem Erhalt von Ministerämtern dient, dann kann man eine längere Laufzeit verantworten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Liebe Freunde von der SPD, noch schlimmer war, dass sich der frühere Umweltminister, Herr Gabriel, in der letzten Debatte dazu hinreißen ließ, zu sagen, er habe schon immer gewusst, dass von den alten Anlagen, die wir jetzt vom Netz genommen haben, eine Gefahr für Leib und Leben ausgehe. Da frage ich mich: Was war das für ein Minister, der das wusste, der die Verantwortung dafür tragen musste, aber nicht zurückgetreten ist? Meine Damen und Herren, an der Stelle müssen wir doch überhaupt nicht über Redlichkeit diskutieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Es muss eine Übergangsfrist geben. Wir haben über die Frage diskutiert, wie lang diese sein muss; darüber werden wir im Rahmen des Moratoriums sicherlich neu diskutieren. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, Sie wollen aussteigen! Jetzt wollen Sie darüber "neu diskutieren"!) Auch muss man Ihnen deutlich sagen - Kollege Kauch hatte damit schon angefangen -: Konsens bestand hinsichtlich des Sicherheitsniveaus. Man muss klarstellen, dass es offenbar ein gemeinsames Verständnis hinsichtlich Sicherheit und Vertretbarkeit gibt. Im Übrigen steht nichts anderes in Ihrem sogenannten Ausstiegsvertrag. Dort heißt es explizit, dass die Anlagen auf einem im internationalen Vergleich hohen Sicherheitsniveau betrieben werden. Die Einschätzung des Sicherheitsniveaus, die dem bisherigen Betrieb zugrunde lag, ist gemeinsam erfolgt. Ich würde das an Ihrer Stelle nicht bestreiten. Wenn Sie es anders sehen, dann stellt sich nämlich die Frage: Warum sind Sie damals nicht ausgestiegen? (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Lassen Sie mich zu dem seltsamen Deal kommen, der schon angesprochen wurde. Das Ganze ärgert Sie immer wieder; das weiß ich. Sie haben in dem Ausstiegsvertrag mit den Versorgern niederlegt: Die Bundesregierung wird keine Initiative ergreifen, um diesen - den gerade beschriebenen - Sicherheitsstandard und die diesem zugrunde liegende Sicherheitsphilosophie zu ändern. (Ute Vogt [SPD]: Sicherheit nach Stand von Wissenschaft und Technik! Das war unsere Grundlage!) Wenn man das so niederlegt, ist man meiner Ansicht nach in der Defensive. (Frank Schwabe [SPD]: Wir sind in der Defensive? Lenken Sie doch nicht ab!) - Warten Sie es ab. - Man muss sich Folgendes vor Augen führen: (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Jetzt entschuldigen Sie sich doch tatsächlich für Ihre Atompolitik in den letzten Jahrzehnten! Eine Entschuldigung gegenüber dem deutschen Volk wäre angesagt! Das ist ja unglaublich!) Wenn das, was Sie mit den Versorgern vereinbart haben, was wir geändert haben, weiterhin gelten würde, dann brauchten wir jetzt nicht über ein Moratorium, eine Änderung der Politik und all das zu diskutieren. Wir diskutieren darüber, weil Sie damals etwas anderes vereinbart haben. Das muss man einmal in aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Eine Entschuldigung fehlt!) Wenn Sie jetzt wieder mit der Ausrede kommen, Sie hätten das kerntechnische Regelwerk auf den Weg gebracht, entgegne ich: Das war ein langer Weg; sieben Jahre regierte Rot-Grün. (Rolf Hempelmann [SPD]: Das ist noch nicht einmal Stammtischniveau!) Anschließend war Herr Gabriel Umweltminister. Jetzt, in der Erprobungsphase, kann man doch nicht sagen, dass Herr Röttgen daran schuld ist, dass das Ganze noch nicht in Gang gesetzt wurde. Das kann doch nicht wahr sein. (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Ihre Rede kann nicht wahr sein!) Ich sage Ihnen ganz offen: Das, was wir an dieser Stelle tun, ist richtig, und es ist auch richtig - ich sage das, weil die Ethikkommission hier kritisiert worden ist -, noch einmal über das Thema Restrisiko zu diskutieren. Welches Restrisiko ist gesellschaftlich akzeptiert? Darüber muss auch unter ethischen Gesichtspunkten diskutiert werden. Eines ist uns allen klar: Egal was wir an dieser Stelle tun, es wird ökonomische und ökologische Konsequenzen - Stichwort "Klimaschutz" - haben. Noch etwas möchte ich unterstreichen: Unabhängig von der Frage, was bei dem Moratorium am Ende herauskommt, ist das entscheidend, was international passiert. Wenn sich an der Haltung zur Kernenergie auf internationaler Ebene nichts ändert, insbesondere nicht in Europa, werden wir keinen Gewinn an Sicherheit, aber einen Verlust an ökonomischer Unabhängigkeit haben. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Ute Vogt für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Ute Vogt (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Nüßlein, Sie haben Ihre Rede mit der Bemerkung begonnen, dass es Ihnen um Redlichkeit geht. Wenn es Ihnen um Redlichkeit gegangen wäre, hätten Sie mit einer Entschuldigung begonnen. Dann hätten Sie deutlich gemacht, dass Sie falsch gelegen haben (Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Besonders Sie müssen das sagen!) mit der ungeprüften Verlängerung der Laufzeiten, die Sie in Gang gesetzt haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Dr. Christian Ruck [CDU/ CSU]: Sie sollten sich schämen!) Ich kann verstehen, dass Sie sich für solche oberflächlichen Entscheidungen in Grund und Boden schämen. Zur Politik gehört aber, dass man auch in solchen Augenblicken Haltung bewahrt und Demut zeigt, wo sie angebracht ist, und hier keine Märchenstunde abhält, was wir gerade bei Ihnen und Herrn Kauch erlebt haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Sie leiden doch unter Amnesie!) Wissen Sie, Herr Kollege Nüßlein, das Atomkraftwerk Isar liegt auf einmal, seit dem 11. März 2011, in einer Einflugschneise. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Nun hat es auch Herr Seehofer gemerkt. Dabei wurde schon in der Anhörung am 21. Oktober 2010 deutlich, dass keines der älteren Kraftwerke gegen einen Absturz von Kleinflugzeugen gesichert ist. Gegen den Absturz großer Passagierflugzeuge haben wir erst recht keinerlei Absicherung. (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Und Ihre Konsequenz? Und Gabriels Konsequenz? Nichts! Der hat es doch genauso akzeptiert!) Es war fahrlässig, falsch und nur Wirtschaftsinteressen geschuldet, dass Sie die Laufzeit verlängert haben. Das war ein unsinniger Beschluss. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Im Moment erleben wir, dass das Unwahrscheinliche, das Seltene alltäglich geworden ist. Gerade die Ereignisse, die nicht vorhersehbar sind, bewirken in unserer Welt oft die entscheidenden Veränderungen. Wir haben das am 11. September 2001 erlebt. Kein Mensch hat je mit einer solchen Gefährdung gerechnet. Jetzt haben wir das in Japan erlebt. Selbst wir, die wir immer schon gegen Atomkraftwerke gekämpft und uns gegen die Nutzung der Atomkraft eingesetzt haben, (Widerspruch bei der CDU/CSU - Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Das ist wahnsinnig konsequent!) haben nicht damit gerechnet - wir haben nicht damit rechnen wollen -, dass es so schnell zu einem Störfall dieses Ausmaßes kommen kann. (Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Das ist wahnsinnig tapfer, was Sie da sagen!) Wir müssen uns bewusst werden, dass wir eine Technologie in Gang gesetzt haben, hinsichtlich der ein Teil des Parlaments schon lange vorbereitet hat, aus ihr auszusteigen, weil erkannt worden ist, welche Gefährdungen sie birgt. Diese Technologie entzieht sich in einem Störfall jeglicher Kontrolle. Sie haben in der Art und Weise, wie Sie Ihre Regierungsverantwortung und die politische Verantwortung in die Hände der Atomlobby gegeben haben, im Grunde genommen einen Fall von beispielloser Verantwortungslosigkeit in politischen Entscheidungen gezeigt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Christian Hirte [CDU/CSU]: Sie müssen nicht von sich auf andere schließen!) Den Geheimvertrag haben nicht die Ministerien mit den Betreibern von Atomkraftwerken ausgehandelt, sondern es haben Anwaltskanzleien der Betreiber von Atomkraftwerken mit einer Anwaltskanzlei, die den Auftrag der Bundesregierung hatte, verhandelt, um einen Geheimvertrag festzulegen. Ich sage Ihnen: Das kann doch wohl nicht wahr sein! (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Das ist auch nicht wahr!) Wo, wenn nicht in der Bundesregierung, haben wir viele ausgezeichnete Juristen? Herr Staatssekretär Stadler wird das bestätigen können. Dennoch nutzen Sie eine Anwaltskanzlei für Geheimverhandlungen, und am Ende stellt sich heraus, dass diese auch schon für die Atomkonzerne tätig gewesen ist. (Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Die nächste Lüge!) Das sind Folgen einer unglaublichen Wirtschaftshörigkeit, die Ihre Augen vor allen anderen Risiken verschließt. (Beifall bei der SPD - Michael Kauch [FDP]: Utes Märchenstunde!) Schauen wir uns jetzt einmal an, wie die Überprüfung der Sicherheit von Atomkraftwerken ablaufen soll. Wir haben uns schon ein bisschen die Augen gerieben, als es heute Morgen im Umweltausschuss hieß, dass auch der TÜV Süd wieder maßgeblich beteiligt ist, wenn es um die Überprüfung und die weitere Kontrolle der Sicherheit geht. Das Mitgliederverzeichnis des TÜV Süd, also das Mitgliederverzeichnis eines e. V., weist die EnBW, Vattenfall, Eon und andere aus. (Michael Kauch [FDP]: Wie war es denn unter Gabriel? - Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Gabriel und Steinmeier, das sind die Oberscheinheiligen!) Ich glaube, dass wir gut daran tun, jetzt nicht nur oberflächlich darüber zu diskutieren, was notwendig ist, sondern auch zu schauen, wem wir die Verantwortung überhaupt noch in die Hände legen können. Wir haben heute ein beispielloses Versagen von desinteressierten Landesministerien erlebt, und zwar am Beispiel von Baden-Württemberg, wo es im Umweltministerium kein vernünftiges Meldesystem gibt. Die Ministerin lässt sich bei diesem schwierigen Thema nicht etwa in regelmäßigen Abständen informieren; vielmehr sind es ausschließlich Beamte, die sich wöchentlich treffen, um über mögliche Vorfälle zu diskutieren. Wir haben außerdem erfahren, dass die Ministerin nur dann eingeschaltet wird, wenn tatsächlich etwas Gravierendes passiert. Ich sage Ihnen: Nach den Maßstäben, die in Baden-Württemberg angelegt werden, hat man den Eindruck, dass etwas Gravierendes am Ende allenfalls noch die Kernschmelze sein könnte. (Beifall bei der SPD - Christian Lange [Backnang] [SPD]: "Abschalten, abwählen!", kann man da nur sagen!) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Vogt, kommen Sie bitte zum Schluss! Ute Vogt (SPD): Ich möchte Ihnen abschließend ein Zitat aus einer baden-württembergischen Zeitung vorlesen, die nicht unbedingt immer sozialdemokratische Politik befürwortet, nämlich aus den Stuttgarter Nachrichten. Diese Zeitung schreibt heute, wie ich finde, sehr treffend: Diskutiert, beraten und philosophiert wurde über die Atomkraft in den letzten 30 Jahren genug. Alle Argumente liegen auf dem Tisch. Angela Merkel muss etwas machen, was ihr gar nicht liegt: Sie muss sich festlegen. Jetzt sind politische Entscheidungen gefragt. Schwarz-Gelb muss Farbe bekennen, wohin die Reise in der Energiepolitik gehen soll. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Vogt, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen. Ute Vogt (SPD): Ich sage Ihnen: Wenn Ihre Kanzlerin für diese Entscheidungen zu feige ist, dann nehmen Sie als Parlamentier es in die Hand. Haben Sie Mumm! Zeigen Sie einmal Verantwortungsgefühl, und verabschieden Sie ein Abschaltgesetz! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Brunkhorst das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Michael Kauch [FDP]: Jetzt wird es einmal sachlich!) Angelika Brunkhorst (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach so viel Aufgeregtheit werde ich einmal versuchen, hier ein bisschen Ruhe hineinzubringen. (Ute Vogt [SPD]: Ein bisschen Temperament schadet nicht!) - Temperament hat damit gar nichts zu tun. Es hat damit zu tun, dass die Notwendigkeit besteht und dass man die Chance nutzen kann, den Bürgern draußen im Lande klar darzulegen, was alles im Moment im Hintergrund läuft und was getan wird; das wird hier ja völlig unter den Tisch gekehrt. (Beifall bei der FDP) Wir alle haben uns dazu verpflichtet - Sie selbst auch -, aus dem Reaktorunglück in Fukushima Lehren zu ziehen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Welche?) Leider wissen wir heute noch nicht im Detail, wie groß die Schäden sein werden, welche Kontaminationen es gibt usw. Wir müssen die Ursachen und die Wirkungsketten kennen, wenn wir daraus Schlussfolgerungen für die Sicherheit der kerntechnischen Anlagen in Deutschland ziehen wollen. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abschalten!) Die Bundesregierung hat in Anbetracht der Umstände schnell gehandelt. Zwei Drittel der Bundesbürger befürworten, dass die Bundesregierung das dreimonatige Moratorium verfügt hat. (Ulrich Kelber [SPD]: 80 Prozent halten es für einen Wahlkampftrick!) Wir werden dieses Moratorium nutzen, um über die Sicherheitsannahmen und die Sicherheitsreserven intensiv und seriös nachzudenken. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) An dieser Stelle ist festzuhalten - das kann man gar nicht oft genug tun -, dass deutsche Kernkraftwerke über ein hohes Sicherheitsniveau verfügen. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben auch die Japaner gesagt! - Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das haben selbst die Kernenergiekritiker Gerhard Schröder und Jürgen Trittin im Ausstiegsbeschluss bestätigt. Wörtlich heißt es darin - ich zitiere aus dem Ausstiegskonsens -, dass die kerntechnischen Anlagen auf einem international gesehen hohen Sicherheitsniveau betrieben werden. Das ist die Formulierung der beiden Herren. An dieser Stelle möchte ich den Bürgern klar sagen - das haben wir nicht nur in der Vergangenheit gemacht, sondern das machen wir ständig -, dass im Rahmen von Änderungsgenehmigungen und periodischen Sicherheitsüberprüfungen sowie bei der laufenden Überwachung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden in den Ländern das Sicherheitsniveau ständig überprüft wird. Dadurch wird die Sicherheit garantiert. Die Frage, die wir uns heute stellen wollen - an dieser Stelle hören Sie nie genau zu -, lautet: Gibt es Szenarien oder Ereignisse über unsere im Atomgesetz abgebildeten Sicherheitskriterien hinaus, die wir in Betracht ziehen müssen? Darüber müssen wir seit den Ereignissen in Japan nachdenken. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir kennen doch die Terrorgefahren! Darüber müssen wir nicht nachdenken!) - Ich rede nicht nur von Terrorgefahren. Das ist für mich nicht unbedingt entscheidend. Das mag ja für Sie entscheidend sein. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das ist das Problem!) - Das ist kein Problem. Es hat vielmehr mit der Frage zu tun, wie man die Risikofaktoren einschätzt. Das Bundesumweltministerium hat uns heute den Fahrplan im Umweltausschuss erörtert. Eine erste Ideenliste ist bereits vorgelegt worden. Die Staatssekretärin hat gesagt, dass bis zum Ende dieses Monats eine endgültige Prüffassung vorgelegt werden wird. Diese wird den Bundesländern zugeleitet. Die zuständigen Genehmigungsbehörden werden ihrerseits die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit beauftragen, konkrete technisch-wissenschaftliche Gutachten zu erstellen. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und in fünf Jahren haben wir ein Ergebnis!) Diese Gutachten werden eine konkrete Grundlage zur Beurteilung jedes einzelnen Kraftwerks sein. Sollte diese Risikoanalyse ergeben, dass ein Kraftwerk den möglicherweise veränderten und erhöhten Sicherheitsanforderungen nicht entspricht, dann muss entsprechend nachgebessert werden. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, abgeschaltet!) Wenn sich das wirtschaftlich nicht darstellen lässt, dann wird man unter Umständen überlegen müssen, ob diese Kraftwerke weiter betrieben werden können. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Erörtern Sie mal, was "unter Umständen" heißt!) - Ich denke, hier sind keine Fragen zugelassen. (Lachen bei der SPD - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Bei Ihrem Vortrag sind sie zwingend!) An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die Zwölfte Atomgesetznovelle mit dem neuen § 7 d zu sprechen kommen, weil Sie immer sagen, wir täten nichts für zusätzliche Sicherheit. In diesem neuen § 7 d wird erstmals eine aktive, dynamische Beteiligung der Betreiber eingefordert. Danach müssen die Betreiber, hinausgehend über das, was irgendwann einmal Stand von Wissenschaft und Technik war, die neuesten technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse aufgreifen und aus eigener Initiative nachrüsten. Sie haben vorhin den Rat der Weisen ein wenig herablassend dargestellt. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn der Rat der Weisen, Frau Kollegin?) Die Diskussionen in der Bevölkerung zu diesem Thema und die große mediale Aufmerksamkeit machen es geradezu notwendig, dass man alle gesellschaftlichen Gruppen abbildet. Beim Rat der Weisen handelt sich immerhin um hochrangige und anerkannte Experten. Ich finde, man sollte hier jetzt nicht so tun, als ob sie nichts zu sagen hätten. Es sind durchaus Personen dabei, denen Sie sonst den Rücken stärken. Tun Sie also bitte nicht so, als ob das alles nicht gewollt ist. Ich denke, die Bevölkerung wird es dankbar aufnehmen und froh darüber sein, nicht nur von Politikern, sondern auch von Persönlichkeiten aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen die Meinung zu hören. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Johanna Voß für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Johanna Voß (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man hört jetzt oft: Nur ein abgeschaltetes Atomkraftwerk ist ein sicheres Atomkraftwerk. (Beifall bei der LINKEN) Wer aber wie ich aus Lüchow-Dannenberg, aus dem Wendland, kommt, der weiß es besser: Nur ein zurückgebautes Atomkraftwerk ist ein sicheres Atomkraftwerk. (Beifall bei der LINKEN) Damit sind wir genau bei dem Punkt, der hier bislang ausgelassen wurde. Wenn die Regierungsparteien jetzt feststellen, dass die Sicherheitsanforderungen an Atomkraftwerke nicht ausreichen, stellen sich folgende Fragen: Wie sieht es denn bei den Zwischenlagern aus? Wie sieht es bei Atommülltransporten aus? Wie sieht es bei der langfristigen Lagerung radioaktiver Abfälle aus? Wer Atomkraft nutzt, produziert Atommüll, und zwar in riesigen Mengen. Jedes Jahr fallen in deutschen Atomkraftwerken rund 400 Tonnen abgebrannte Brennelemente an. Sie sind hochradioaktiv. Trotzdem gibt es beim Transport und bei der Lagerung nicht annähernd so hohe Sicherheitsanforderungen wie bei Atomkraftwerken, und das, obwohl auch die Sicherheitsanforderungen an AKW, wie es das BMU in dem erwähnten internen Papier festgestellt hat, viel zu niedrig sind. Japan zeigt uns, dass selbst zwischengelagerte Brennelemente das Potenzial für einen GAU haben. Auch dieses akute Problem gehört auf den Tisch. Dazu ein paar Fakten: Ein Castor-Behälter enthält über 1 000 Trillionen Becquerel. Anders ausgedrückt: Die Radioaktivitätsmengen von Gorleben betragen ein Zigfaches der bei der Tschernobyl-Katastrophe frei gewordenen Radioaktivität. Greenpeace sagt: Castoren sind nur unzureichend gesichert. Sie sind in der Nähe des Deckels und des Bodens ohne Abschirmung. Neutronenstrahlung kann an diesen Stellen ungehindert durchkommen. Prüfvorschriften sind so gestaltet, dass diese Mängel bei Castor-Behältern für Brennelemente nur teilweise, bei Castor-Behältern für Glaskokillen gar nicht erfasst werden. Diese Prüfvorschriften für den Transport und die Lagerung wurden von der dafür verantwortlichen Firma GNS entwickelt. Der TÜV und die zuständigen Behörden BfS und BAM haben sie unverändert genehmigt. Wir brauchen eine unabhängige Revision der Prüfvorschriften und in dieser Zeit einen Transportstopp für weitere Castoren. (Beifall bei der LINKEN) Wenn Lobbygruppen Prüfvorschriften ausarbeiten, ist allein das ein Grund, nach diesen Vorschriften keine neue Genehmigung zu erteilen. (Beifall bei der LINKEN) Aber es geht noch weiter. Bei Atomkraftwerken gilt: Die Radioaktivität im Reaktorinnern wird durch mehrere voneinander unabhängige Barrieren von der Umwelt abgeschirmt. Wird eine Hülle zerstört, kann die zweite eventuell noch schützen. Bei Atommüllzwischenlagern ist der Lagerbehälter die einzige Barriere. Sie allein soll ausreichen, den hochradioaktiven Müll von der Umwelt abzuschirmen. Ein fundamental wichtiges und international anerkanntes Sicherheitsprinzip wird hier ignoriert. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen. (Beifall bei der LINKEN) Auch die Hallen der Zwischenlager dienen nur dem Schutz vor Regen - das sind Kartoffelscheunen -, aber sie schützen die Bevölkerung keineswegs vor der ständigen Neutronenstrahlung. (Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Das war eine rot-grüne Idee!) Diese Strahlung geht die ganze Zeit von den Castoren aus - da braucht man sich nichts vorzumachen - und schädigt die Umwelt. Hinzu kommt: Ob ein Castor-Behälter überhaupt 40 Jahre hält - so ist es vorgesehen - oder ob er nicht vielmehr porös wird und das Material durch die starke Strahlung zerfällt, wissen wir nicht. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Das ist doch Unfug!) - Es ist noch kein Castor 40 Jahre alt. Es ist noch keiner mit Glaskokillen oder abgebrannten Brennstäben 40 Jahre lang irgendwo gelagert worden. Wir fordern, dass die Sicherheitsanforderungen bei der Lagerung massiv verschärft werden. Auch hier muss das Prinzip der Mehrfachbarrieren gelten. Auch hier muss jedes Unfallszenario einkalkuliert werden. Ebenso müssen die Gefahren, die insbesondere durch die Niedrigstrahlung von Castor-Behältern ausgehen, neu bewertet werden. Dafür brauchen wir eine systematische Erfassung der durch Neutronenstrahlen verursachten Gesundheitsschäden, der Krebserkrankungen und der signifikant niedrigeren Geburtenrate bei Mädchen, die rund um Gorleben und rund um die Asse festgestellt wurde; dies wurde übrigens auch nach den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki festgestellt. Schließlich: Die Asse ist abgesoffen. Ebenso sind Gorleben und der Schacht Konrad als Standorte für ein sogenanntes Endlager bewiesenermaßen ungeeignet. Wir brauchen einen Schnitt. Wir brauchen ein Verfahren zur Auswahl eines Standortes für die sichere Lagerung von Atommüll. Hier brauchen wir ganz dringend Bürgerbeteiligung, Frau Heinen-Esser, und keinen Dialog. Die nationale Lagersuche muss beginnen: transparent, ergebnisoffen und mit Beteiligung der Bürger, aber nicht so, wie sie bisher gelaufen ist. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Mir wird immer wieder versichert, dass ein Atommeiler extrem sicher ist und 10 000 Jahre hält. Man muss aber weiterrechnen. Es gibt über 400 Atomkraftwerke auf der Welt. Das bedeutet: Im Schnitt gibt es alle 25 Jahre einen Unfall, einen GAU. Wir haben das erlebt; wir brauchten es aber nicht mehr. Denn wir hätten die Atomkraftwerke längst abschalten können, wir hätten längst umdenken können, und wir hätten uns längst auf die Suche nach einem sicheren Lager für abgebrannte Brennelemente machen können. Wir brauchen Schutz vor Flugzeugabstürzen, wir brauchen Schutz vor Naturkatastrophen, wir brauchen Schutz vor Terrorangriffen, wenn wir in unserem Land Atomkraft nutzen. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Es darf kein weiterer Atommüll produziert werden. Deswegen gilt: AKW abschalten, und zwar alle, unumkehrbar und ohne weiteres Hinauszögern! Mehr Atommüll können und dürfen wir uns nicht leisten. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Voß, das war Ihre erste Rede im Hohen Hause. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg für Ihre weitere Arbeit. (Beifall) Für die Unionsfraktion hat die Kollegin Dr. Flachsbarth das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wirklich gut, dass es in diesem Parlament ein paar Abgeordnete gibt, die schon immer alles wussten - schade nur, dass der Erkenntnisprozess und konkretes politisches Handeln oftmals auseinanderfallen. (Ute Vogt [SPD]: Oh ja! Stimmt! - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorsicht! Das trifft auch auf Sie zu!) Liebe Frau Kollegin Voß, vielen Dank für Ihre bedenkenswerten Worte, die Sie zur Zwischenlagerung und zu Castor-Transporten vorgetragen haben. Das waren allerdings keine Erkenntnisse, die wir erst in den letzten Jahren gewonnen haben, sondern diese Fragen stellen sich schon seit Jahrzehnten. Wir sollten gemeinsam daran arbeiten - hier bin ich ganz bei Ihnen -, so schnell wie möglich ein sicheres Endlager für hochradioaktive Abfälle zu finden. Wenn zumindest dies bei dieser Debatte herauskommen würde, wäre das schon ein großer Erfolg. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bringen wir den Atommüll also nach wie vor nach Gorleben, ja? Oder gibt es da inzwischen neue Erkenntnisse?) Die objektive Sicherheitslage für Kernkraftwerke in Deutschland hat sich auch nach den Ereignissen in Japan ohne Zweifel nicht geändert. (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Das ist ja interessant!) Was sich geändert hat, ist die Bewertung des Restrisikos. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für Sie hat sich das geändert!) Sie hat sich deshalb geändert, weil wir aus den Ereignissen in Japan lernen mussten, dass sich Zwischenfälle ereignen können, deren Stärke, deren Dramatik und deren mögliche Häufung die Auslegung von Kernkraftwerken bezüglich ihrer Sicherheit infrage stellen können. Ich begrüße das Moratorium, nach dem die sieben ältesten deutschen Kraftwerke, die vor 1980 in Betrieb gegangen sind, vorübergehend vom Netz genommen wurden. In diesen drei Monaten soll die Sicherheit aller 17 Kraftwerke, nicht nur die der sieben ältesten, noch einmal grundlegend überprüft werden, und zwar nach Maßgaben, die die Reaktor-Sicherheitskommission neu erarbeitet. Die Reaktor-Sicherheitskommission ist eine Kommission, die den Bundesumweltminister berät. Trotz bester Kompetenz, Herr Kollege Miersch, können wir hier im Bundestag gar nichts ausrichten. Das müssen Techniker machen; das müssen Fachleute machen. Das können keine Politiker machen. Deshalb ist es selbstverständlich richtig, dass die Reaktor-Sicherheitskommission jetzt schaut, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 17 Atomkraftwerke in drei Monaten? Das dauert mindestens ein Jahr!) wie denn die Sicherheitsmaßgaben in Bezug auf kumulative Ereignisse, auf die Größe von Schadensereignissen, auf Naturkatastrophen, Klimawandel, Cyberangriffe, terroristische Gefahren usw. ausgelegt sind. Heute Morgen ist uns im Umweltausschuss mitgeteilt worden, dass das neue Prüfkonzept bis Ende kommender Woche konkretisiert wird und dass danach die Untersuchungen im Hinblick auf diese Punkte beginnen. Das begrüße ich ausdrücklich. Darüber hinaus ist eine Ethikkommission unter der Leitung des ehemaligen Umweltministers Klaus Töpfer und des Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Matthias Kleiner, eingesetzt worden, in der auch Vertreter der energieintensiven Industrie, von Gewerkschaften, Kirchen und weiteren gesellschaftlich relevanten Gruppen mitwirken. Auch dafür gab es schon viel Häme. Ich will sagen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen: Ende der 60er- bis Mitte der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts gab es einen gesamtgesellschaftlichen Konsens darüber, dass Kernenergie ein wichtiger Baustein für die Energieversorgung in Deutschland sei. Man plante sogar bis zu 50 neue Kernkraftwerke. (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) - Nun hören Sie doch zu und brüllen Sie nicht herum! Damit kommen wir bei der Lösung dieser Problematik keinen Schritt weiter. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich bin davon überzeugt, liebe Kolleginnen und Kollegen auf allen Seiten des Hauses: Wir brauchen auch heute wieder einen gesamtgesellschaftlichen Konsens über Energiepolitik in diesem Lande; (Zuruf der Abg. Dorothea Steiner [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN] - Weitere Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) denn Energiepolitik ist die Grundlage für den Industriestandort Deutschland. Das wiederum ist die Grundlage für den Wohlstand in Deutschland. Wir stehen jetzt vor ganz neuen Herausforderungen, aber natürlich auch vor neuen Chancen. Wichtig ist mir auch der Gesamtzusammenhang im Hinblick auf die Novelle zum EEG im nächsten Sommer. Wichtig ist für mich, dass wir jetzt an die Bundesregierung die dringende Bitte richten, (Frank Schwabe [SPD]: Was heißt eigentlich "Bitte"?) auf der Grundlage des Energiekonzeptes den Ausbau von erneuerbaren Energien, den Ausbau von Netzen, von Speichern, auch im Hinblick auf Elektrolyse und auf erneuerbares Methan, zu konkretisieren und zu beschleunigen. Aber wir müssen alle wissen - deshalb bitte ich um diesen Grundkonsens -: Auch dies wird keine Harmonieveranstaltung: nicht bezüglich des Ausbaus von Netzen, nicht bezüglich des Ausbaus von Speichern und auch nicht bezüglich des Zubaus von Anlagen zur Gewinnung von erneuerbaren Energien. Wir kennen doch die Stichworte: in Bezug auf Wind die Verspargelung der Landschaft, in Bezug auf Biomasse die Vermaisung der Landschaft, in Bezug auf Geothermie die Angst vor seismischen Ereignissen und auch die Angst vor radioaktiver Bedrohung, in Bezug auf Wasserkraft die Durchlässigkeit der Flüsse. Wir kennen das doch alles. Meine Damen und Herren, ich würde uns sehr dringend zu einer Versachlichung der Debatte raten. Ich hoffe, dass es dazu kommt, wenn sich der Pulverdampf der Wahlkämpfer am nächsten Wochenende verzogen hat. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Dann zeigt die CDU ihr wahres Gesicht!) Energiepolitik bleibt ein hochemotionales Thema. Wir können dieses Thema missbrauchen, um uns gegenseitig politisch vorzuführen. Aber ich glaube nicht, dass das der Zukunft dieses Landes tatsächlich dient. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich werde Sie beim Wort nehmen, Frau Flachsbarth! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Aussteigen und Abschalten!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Lambrecht für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Christine Lambrecht (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Flachsbarth, ich kann Ihnen versichern, dass ich in dieser Diskussion sachlich bleibe. Aber ich kündige an: Ohne Emotionen geht es ganz bestimmt nicht. Das hat damit zu tun, dass ich aus dem Wahlkreis komme, in dem Biblis liegt. Sie können sich vorstellen, wie hoch angesichts der Situation die Emotionen da im Moment schlagen. Aber das hat auch etwas damit zu tun, welche Argumente in dieser Debatte vorgetragen werden. Es ist nicht zu fassen, welche dreisten, unverschämten Angriffsversuche von der CDU/CSU uns gegenüber gestartet werden. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Ich habe Herrn Nüßlein so verstanden, dass Sie quasi gezwungen waren, eine Laufzeitverlängerung vorzunehmen, weil wir nicht sofort aus der Atomenergie ausgestiegen sind. Ist das verkehrte Welt, oder wie habe ich das zu verstehen? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Das war wirklich der Gipfel!) Das ist doch nichts anderes als ein kläglicher Versuch, Ihre Rolle rückwärts jetzt noch mit irgendwelchen Argumenten zu begründen. (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Nein! Das hat mit Ihrer Glaubwürdigkeit und Ihrer Scheinheiligkeit zu tun! Das ist es!) Sie wissen, dass Sie mit dem Rücken zur Wand stehen; denn die Bürgerinnen und Bürger haben nicht vergessen, dass Sie es waren, die angesichts ganz vieler Vorfälle und angesichts ganz vieler bekannter Umstände im letzten Jahr die Laufzeitverlängerung beschlossen haben. Deswegen versuchen Sie jetzt, uns nach dem Motto: "Angriff ist die beste Verteidigung" an die Wand zu stellen. Das wird Ihnen nicht gelingen. Das sehen Sie auch an den aktuellen Umfrageergebnissen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Es ist zutreffend, dass 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger es begrüßen, dass Sie jetzt aussteigen bzw. die acht ältesten Atomkraftwerke abschalten und die anderen überprüfen wollen. Aber auch diese Wahrheit gehört dazu: 80 Prozent kaufen Ihnen das nicht als ehrliche Position ab, sondern sehen das als nichts anderes als ein Wahlkampfmanöver an, was es auch ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Nichts anderes!) Lassen Sie mich jetzt noch auf ein paar Argumente eingehen, die in der Debatte schon genannt worden sind. Herr Nüßlein, Sie haben gesagt: Wir alle sind uns darüber einig, dass es ein Ende der Atomkraft gibt und es nur noch darum geht, wann dieses Ende eintritt. - Ich habe nicht den Eindruck, dass wir diesen Konsens hier in diesem Haus haben. Mein Wahlkreiskollege von der CDU hat noch im Jahre 1998 gefordert, dass es in Biblis nicht nur die Blöcke A und B, sondern auch noch einen neuen Block C geben soll. Von wegen Konsens! Das müssen Sie sich einmal vorstellen. Es gibt in Ihren Reihen überhaupt keinen Konsens darüber, dass es tatsächlich ein Ende der Atomkraft gibt. Frau Flachsbarth, Sie sagen, wir müssen jetzt darüber nachdenken, welche zusätzlichen Ereignisse, Umstände hinzukommen können, aufgrund derer man bei dem einen oder anderen Kraftwerk jetzt vielleicht neue Sicherheitsmaßnahmen auf die Beine stellt. Ich will Ihnen einmal Folgendes sagen: Das Kraftwerk Biblis liegt in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens. Das ist bekanntermaßen kein Regionalflughafen, sondern ein internationales Drehkreuz. Spätestens seit dem Jahr 2001, (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Wer regierte da noch mal?) spätestens seit den terroristischen Angriffen, wird darüber auch ganz intensiv diskutiert, da gerade dieses Kraftwerk nicht gegen Flugzeugabstürze - noch nicht einmal gegen Abstürze von kleinen Flugzeugen - gesichert ist. (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Wer regierte da denn?) - Sie können sich die Protokolle von 2001 einmal anschauen. Sehen Sie sich doch einmal an, wer 2001 in Hessen regiert hat. (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Ach so! In Hessen!) Ich weiß ganz genau: Seit 1999 haben wir in Hessen nicht mehr regiert. (Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Tatenlos!) Wir versuchen gebetsmühlenartig, darauf hinzuweisen, dass dieses Kraftwerk allein schon wegen dieser Gefährdung abgeschaltet werden muss. (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Und was haben Sie gemacht?) Herr Kauch, Sie sagen: Wir müssen jetzt einmal über Sicherheitspuffer nachdenken. Es gibt ganz interessante Vorschläge dazu. Ein Vorschlag ist zum Beispiel: Lasst uns doch um das Atomkraftwerk Biblis Windräder bauen. - Das soll nicht etwa geschehen, um erneuerbare Energien zu gewinnen, nein, der Vorschlag bezweckt: Wir bauen Windräder um das Atomkraftwerk, damit sich abstürzende Flugzeuge darin verheddern. (Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und dem Bündnis 90/Die Grünen - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Könnte von der FDP sein!) - Darüber wird gelacht. Der Vorschlag ist aber gemacht worden, und er kam zu dieser Zeit nicht von irgendwem, auch nicht von einem Kabarettisten, sondern vom damaligen FDP-Fraktionsvorsitzenden im Hessischen Landtag, Herrn Hahn, der heute Justizminister ist. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dies zeigt, mit welchem Zynismus Sie diese Themen angehen. Ich habe nur noch darauf gewartet, dass er sagt, man solle auch noch Sonnenkollektoren aufstellen, damit man die Piloten blenden kann. (Heiterkeit bei der LINKEN) Wenn die Situation nicht so schlimm und schwierig wäre, könnte man wirklich darüber lachen. Das ist der Zynismus, den Sie hier an den Tag legen. Sie sagen, wir hätten die Standards in Bezug auf die Sicherheitsanforderungen abgesenkt, während Sie im letzten Jahr bei der Verlängerung der Laufzeiten alles ganz groß aufgebaut hätten, sodass es jetzt sicher sei. Lassen Sie mich mit Erlaubnis der Präsidentin noch ganz kurz etwas aus einem Brief von Herrn Schmalfuß, Justizminister in Schleswig-Holstein, zitieren, der zu dieser Bewertung des § 7 d schreibt: Für gänzlich inakzeptabel halte ich die von Ihnen geplante und regelungstechnisch auch in § 7 d AtG verankerte Einschränkung des Rechtsschutzes Dritter. Das Bundesverwaltungsgericht hat gerade im Urteil vom 10. April 2008 zum atomaren Standortzwischenlanger Brunsbüttel in wünschenswerter Klarheit ausgeführt, dass das Risiko terroristischer Anschläge - und damit eben auch Abstürze von Flugzeugen - grundsätzlich der Schadensvorsorge zuzurechnen ist und Dritte auch insoweit subjektive Rechte geltend machen können. Ich halte es für einen umweltrechtlichen, umweltpolitisch sowie verfassungsrechtlich und rechtspolitisch verfehlten Rückschritt, - merken Sie sich das gut! - wenn Sie nunmehr qua Gesetz trotz entgegenstehender Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes in existente Rechtspositionen Dritter eingreifen wollen. Das ist die exakte Bewertung des von Ihnen zitierten § 7 d Atomgesetz. Es geht nicht um ein Mehr an Rechten, sondern um einen Rückschritt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Ulrich Kelber [SPD]: Das weiß der Herr Kauch auch! Das darf er nur nicht zugeben!) Hören Sie auf mit diesen Nebelkerzen, und fangen Sie an, sich der ganzen Situation endlich einmal sachgerecht zu widmen - durchaus mit Emotionen -; denn das ist ein Thema, das die Menschen bewegt. Vizepräsidentin Petra Pau: Frau Kollegin Lambrecht, ich wollte gerne das vollständige Zitat zulassen. Das heißt aber nicht, dass wir die Redezeit verlängern. Schauen Sie bitte auf die Uhr und kommen Sie bitte zum Schluss! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Christine Lambrecht (SPD): Ja, ich komme zum Schluss. Lassen Sie uns diese acht derzeit abgeschalteten alten Kraftwerke dauerhaft abschalten. Der Kraftwerksbetreiber von Biblis verkündet heute schon, dass er die drei Monate abwarten wird, dass er aber selbstverständlich davon ausgeht, dass es danach wieder hochgefahren wird. Wir werden Sie beim Wort nehmen und nachhalten, ob Sie in dieser Frage endlich Konsequenzen ziehen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Obermeier für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Franz Obermeier (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Japan ist von einer der schlimmsten Naturkatastrophen seit Menschengedenken betroffen. Ein schweres Erdbeben und ein gewaltiger Tsunami auf einer Strecke von über 1 000 Kilometern haben die Küste auf einer Breite von 10 Kilometern und mehr verwüstet. Frankreich macht Hilfsangebote an Japan. Die USA helfen vor Ort. Russland bietet Hilfe für verstrahlte Menschen und Obdachlose an. Was machen wir? (Ute Vogt [SPD]: Das THW war schon da!) Die Opposition nutzt die Aktuelle Stunde für ihr Geschrei und führt einen Veitstanz auf. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben so schön angefangen! - Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben persönlich gegen Hilfe für Japan gestimmt! Am letzten Donnerstag in diesem Plenum!) - Herr Solar-Kelber, Sie nutzen diese Gelegenheit hier als Theater, statt gemeinsam und in aller Ruhe darüber zu diskutieren, welche Bedeutung das Ganze für unsere Energiepolitik in Deutschland hat. (Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, weil das auch hier passieren kann!) Als ob die zwei verheerenden Ereignisse nicht reichen würden, kommt es bei den Kernkraftwerken noch zu Ausfällen der Notfalleinrichtungen. Die Notstromversorgung funktioniert nicht. Kolleginnen und Kollegen, es wäre angebracht, dass wir mit einer gewissen Demut über dieses Thema reden, (Christine Lambrecht [SPD]: Ihr ja!) weil wir noch nicht wissen, woran es gelegen hat, dass die Sicherungseinrichtungen ausgefallen sind. Das wissen wir bis zum heutigen Tag nicht. Trotzdem tun viele von uns so, als könnten sie Rückschlüsse auf die Sicherheitstechnik in Deutschland ziehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch unglaublich! Nicht zu fassen! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Kann es sein, dass Sie gegen die Bundesregierung sprechen?) Wenn wir in der Frage einen Konsens anstreben wollen, dann müssen wir die Ursachen, die zu dem Desaster in Japan geführt haben, gründlich analysieren und einen Vergleich zwischen der Sicherheitstechnik in Japan und in Deutschland ziehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Was heißt das jetzt für heute? Weiter Atomenergie zulassen, oder was heißt das? Nichts tun oder wie?) Ich verspreche Ihnen: Wir werden zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Ich will nicht sagen, dass wir so weitermachen sollen wie bisher. (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Sagen Sie doch mal etwas zu Isar 1!) Ich bin davon überzeugt, dass wir auf Grundlage der Bewertung der Ereignisse in Japan zu neuen Kriterien kommen werden, die ohne jeden Zweifel zur Folge haben können, dass die infrage stehenden Kernkraftwerke abgeschaltet bleiben und möglicherweise weitere vom Netz gehen werden. Wir dürfen aber keinen Vergleich zwischen den Verhältnissen in einem akuten Erdbebengebiet mit einem drohenden Tsunami und den Verhältnissen in Mitteleuropa ziehen. Hier gelten andere Kriterien. Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Bemerkung an die Kollegin Ute Vogt richten. Frau Vogt, ich empfehle Ihnen dringend ein Gespräch mit Altbundeskanzler Helmut Schmidt. (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Richtig! Ganz genau! - Ulrich Kelber [SPD]: Und Ihnen mit Herrn Töpfer!) Ihnen ist völlig entgangen, dass die allermeisten Kernkraftwerke in der Regierungszeit der SPD genehmigt und gebaut wurden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Ute Vogt [SPD]: Vor meiner Geburt!) Sie stellen sich hierhin und informieren die Öffentlichkeit völlig falsch. Nach Ihrem Slogan müsste man sagen: Sie lügen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie von der CDU etwa nicht? - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Waren Sie damals dagegen, wenn Sie schon dabei waren?) Ich sage das nicht. Aber Sie haben hier Dinge erzählt, die nichts mit der Wahrheit zu tun haben und völlig falsch sind. (Ute Vogt [SPD]: Ich war schon immer gegen Atomkraftwerke!) Das Einzige, was bei Ihnen gestimmt hat, ist die Lautstärke, aber sonst nichts. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Der Atomfetischist hat gesprochen! - Ulrich Kelber [SPD]: Er hat sich gestern wahrscheinlich zehn Minuten über den Gag gefreut, als er den gefunden hat!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Paul für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Vorgänge in Japan sind ernst. Sie sind sicherlich viel zu ernst, um daraus ein innenpolitisches Süppchen zu kochen. Ich sage in aller Ernsthaftigkeit: (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Deshalb das Moratorium!) Gerade Sie, meine Damen und Herren von der Linken, haben in diesem Haus die geringste Berechtigung, über die Sicherheit der Kernenergie in Deutschland zu sprechen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Schließlich war es die SED - die Partei, aus der Sie hervorgegangen sind -, die für den Bau von Schrottreaktoren in Deutschland verantwortlich war. (Ulrich Kelber [SPD]: Die Ost-CDU war auch dabei!) Sieben Blöcke sowjetischer Bauart haben Sie in Deutschland in Betrieb genommen. Alle wurden 1990 wegen Sicherheitsdefiziten vom Netz genommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch bei der LINKEN) Erzählen Sie also den Menschen in diesem Land nichts von nuklearer Sicherheit! Meine Damen und Herren von SPD und Grünen, auch Sie kann ich heute nicht verschonen. Sie haben schon vor zehn Jahren jede Legitimation verloren, um in Fragen der Sicherheit ernst genommen zu werden. (Ute Vogt [SPD]: Wenn man mit dem Finger auf andere zeigt, dann zeigen drei auf einen zurück!) Sie wollten mit dem von Herrn Trittin und Herrn Schröder im Jahr 2001 unterzeichneten Deal, (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Sie bekämpft haben!) den Sie mit der Industrie geschlossen haben, die deutschen Kernkraftwerke um bis zu 20 Jahre weiter laufen lassen. Dabei haben Sie die Sicherheitsanforderungen eingefroren, nur damit Ihre industriellen Partner von den Kosten der Nachrüstung verschont bleiben. Das ist doch die Wahrheit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist vollkommen richtig, dass wir nach einem solchen schweren Unfall wie in Japan innehalten, die Erkenntnisse auswerten und alle Reaktoren in Deutschland auf den Prüfstand stellen. Dazu werden wir das dreimonatige Moratorium nutzen. Bei dieser Prüfung kann es aber aus meiner Sicht nicht nur darum gehen, einzelne Szenarien, die bisher betrachtet wurden, zahlenmäßig zu verändern, also beispielsweise statt das stärkste Erdbeben der letzten 10 000 Jahre nun das stärkste der letzten 100 000 Jahre in Betracht zu ziehen; denn jede Zahl, die man bei solchen Szenarien einsetzt, ist letztlich willkürlich. Vielmehr muss es darum gehen, die Sicherheitsreserven der Anlagen darauf zu untersuchen, ob Situationen, wie sie nach Naturkatastrophen und anderen Ereignissen entstehen können, zum Beispiel der Fall eines totalen Stromausfalls im Kernkraftwerk, den sogenannten Station Blackout, den wir auch in Japan erleben mussten, überstanden werden können, ohne dass Menschen in diesem Land von radioaktiver Strahlung verletzt oder getötet werden. Diese Sicherheitsreserven müssen wir systematisch untersuchen und gegebenenfalls verbessern. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In drei Monaten? Warum haben Sie das letztes Jahr nicht gemacht?) Wir werden aber auch grundsätzlich einen neuen, ergebnisoffenen gesellschaftlichen Diskurs über die Frage führen, welches Risiko wir hier in Deutschland bereit sind zu tragen. Hier wird die Ethikkommission sicherlich einen wichtigen Beitrag leisten. Dabei darf sich die Diskussion meiner Meinung nach aber nicht nur auf eine einzige Technologie beschränken; denn es geht um die Gesundheit und das Leben der Menschen in diesem Land. Beides kann nicht nur durch die Kernenergienutzung gefährdet werden. Vielmehr gehen wir in einem Industrieland wie Deutschland mit vielfältigen Risiken um. Wir haben allein über 2 000 Industrieanlagen, in denen mit gefährlichen oder sogar sehr gefährlichen Stoffen umgegangen wird. Über die Frage, welche Risiken wir in unserem Land hinnehmen, können wir ehrlich - nicht isoliert, nur hinsichtlich der Kernenergie - diskutieren. Außerdem müssen die Fragen, die wir zuletzt bei der Erarbeitung des Energiekonzepts in den Mittelpunkt gestellt und beantwortet haben, einbezogen werden. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das mit dem Energiekonzept ist wohl erledigt! - Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie haben nur ein Atomkonzept gehabt! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie haben überhaupt kein Energiekonzept! Sie haben ein Atomkonzept, sonst nichts!) Denn die Fragen sind richtig: Wie können wir sicherstellen, dass wir auch in Zukunft keine Stromausfälle haben? Wie können wir die Preise für Energie für die Bürgerinnen und Bürger und auch für unsere Industrie auch in Zukunft bezahlbar halten? (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Atomenergie bestimmt nicht!) Wie erreichen wir unsere anspruchsvollen Umwelt- und Klimaschutzziele? Wie finanzieren wir den Umbau des Energiesystems hin zu mehr erneuerbaren Energien? (Dorothee Menzner [DIE LINKE]: Lesen Sie das Gutachten Ihres eigenen Sachverständigenbeirats!) Wie kommen wir in der Forschung weiter? Wie können wir den Netzausbau und die Entwicklung von Speichern voranbringen? Beides brauchen wir, wenn wir aus Sonne und Wind Strom erzeugen wollen. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie doch mal in das grüne Energiekonzept! Da hätten Sie das längst lesen können!) Auch auf diese Fragen müssen wir in der anstehenden Diskussion Antworten geben; denn wir wollen auch in Zukunft in diesem Land in Sicherheit leben - und das mit einer hohen Lebensqualität. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht nur ohne Atom!) Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 24. März 2011, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 19.06 Uhr) Redetext Bundesminister Dr. Thomas de Maizière Bundesminister Dr. Thomas de Maizière Sevim Daðdelen Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bas, Bärbel SPD 23.03.2011 Binder, Karin DIE LINKE 23.03.2011 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 23.03.2011 Buchholz, Christine DIE LINKE 23.03.2011 Bülow, Marco SPD 23.03.2011 Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 23.03.2011 Dr. Danckert, Peter SPD 23.03.2011 Dyckmans, Mechthild FDP 23.03.2011 Ernstberger, Petra SPD 23.03.2011 Ferner, Elke SPD 23.03.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 23.03.2011 Gerster, Martin SPD 23.03.2011 Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 23.03.2011 Hänsel, Heike DIE LINKE 23.03.2011 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.03.2011 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.03.2011 Klöckner, Julia CDU/CSU 23.03.2011 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.03.2011 Kunert, Katrin DIE LINKE 23.03.2011 Kurth (Kyffhäuser), Patrick FDP 23.03.2011 Laurischk, Sibylle FDP 23.03.2011 Nietan, Dietmar SPD 23.03.2011 Pieper, Cornelia FDP 23.03.2011 Reiche (Potsdam), Katherina CDU/CSU 23.03.2011 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.03.2011 Rupprecht (Tuchenbach), Marlene SPD 23.03.2011* Schlecht, Michael DIE LINKE 23.03.2011 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 23.03.2011 Schulz, Jimmy FDP 23.03.2011 Sendker, Reinhold CDU/CSU 23.03.2011 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.03.2011 Werner, Katrin DIE LINKE 23.03.2011 Wichtel, Peter CDU/CSU 23.03.2011 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl des Abgeordneten Eduard Oswald zum Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages teilgenommen haben CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Volker Kauder Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Karin Evers-Meyer Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Michael Groschek Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Christian Lindner Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Daðdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Dorothee Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Neškovic Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Dr. Ilja Seifert Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Alexander Bonde Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Anna Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Anlage 3 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5171, Dringliche Frage 2): Wie und mit welchen zivilen und militärischen Mitteln will die Bundesregierung die am letzten Wochenende durch den NATO-Rat beschlossene Durchsetzung eines Waffenembargos gegen Libyen unterstützen? Der NATO-Rat hat gestern, 22. März 2011, die Durchsetzung des Waffenembargos gegen Libyen beschlossen. Die Bundesregierung wird sich hieran mit militärischen Mitteln nicht beteiligen. Auch zivile Mittel zum Einsatz durch die NATO sind nicht vorgesehen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Drucksache 17/5171, Dringliche Frage 7): Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit einer gesundheitlichen Gefährdung der deutschen Bevölkerung durch den Verzehr verstrahlter Lebensmittel wie beispielsweise Spinat, Blattgemüse oder Bohnen aus Japan, und mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung - gegebenenfalls gemeinsam bzw. in Abstimmung mit den Partnerländern der Europäischen Union - sofort und dauerhaft verhindern, dass kontaminierte Lebensmittel bzw. industriell verarbeitete Nahrungsmittel wie zum Beispiel Fertignudeln, Schokolade, Reiskräcker und Kekse aus Japan und dem pazifischen Raum mit Strahlenbelastung auf den deutschen Markt gelangen können? Nach derzeitigem Kenntnisstand gibt es zurzeit keine Auswirkungen auf die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland durch möglicherweise kontaminierte Lebensmittel aus Japan. Hierbei wird die aktuelle Medienberichterstattung sehr aufmerksam verfolgt. Der Handel mit Japan ist nach dem schrecklichen Erdbeben und dem Tsunami praktisch zum Erliegen gekommen. Zudem ist Japan ein Lebensmittelimportland. Exporte aus Japan nach Deutschland sind weitgehend auf Spezialitäten beschränkt, wie beispielsweise Sojasaucen und Nori-Algen. Frischwaren werden praktisch nicht exportiert, ausgenommen wenige Fischspezialitäten. Zum Vergleich: 2010 führte Deutschland rund 913 000 Tonnen Fisch und Fischerzeugnisse ein, aus Japan stammten davon nur etwa 60 Tonnen. In Deutschland ist das Johann Heinrich von Thünen-Institut, vTI, nach dem Strahlenschutzvorsorgegesetz als Leitstelle für die Überwachung der hiesigen Umweltradioaktivität in Fischen und Fischereiprodukten zuständig und beobachtet die Lage in Japan aufmerksam. Das Institut geht derzeit davon aus, dass eine Gefährdung der deutschen Verbraucher durch Fisch aus Japan zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen werden kann. Europaweite Höchstwerte an Radioaktivität in Lebens- und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls sind in einer Verordnung der EU-Kommission bereits seit langem im Grundsatz abgestimmt, Verordnung - EuroATOM - Nr. 3954/87 des Rates; Höchstwerte für Futtermittel sind auf der Grundlage dieser Verordnung durch die Verordnung - EuroATOM - Nr. 770/90 abgestimmt worden. Sollte die Kommission Informationen über eine radio-logische Notstandssituation erhalten, aus der sich ergibt, dass die Höchstwerte in Lebens- oder Futtermitteln erreicht werden könnten, erlässt sie unverzüglich eine zunächst zeitlich befristete Verordnung zur Anwendung dieser Werte. Lebens- und Futtermittel, die diese Höchstwerte überschreiten, dürften nicht importiert oder auf den Markt gebracht werden. Auf europäischer Ebene wird es nach Informationen der Europäischen Kommission nicht für erforderlich gehalten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt Maßnahmen zur Beschränkung des Imports von Lebensmitteln aus Japan oder des Verzehrs japanischer Lebensmittel auszusprechen. Ich teile diese Auffassung. Die Einschätzung wurde in Abstimmung mit der FAO getroffen. Es ist ebenfalls zurzeit nicht vorgesehen, die oben erwähnten Notfallwerte in Kraft zu setzen. Um ein Lagebild zu erhalten, hat die Europäische Kommission den Mitgliedstaaten am 15. März 2011 empfohlen, ab sofort Lebensmittel pflanzlichen und tierischen Ursprungs - insbesondere Fisch und Fischerzeugnisse - sowie von Futtermitteln aus Japan auf Radioaktivität zu untersuchen und sofort über ungewöhnliche Messwerte informiert zu werden. Unsichere Lebensmittel dürfen nicht in den Verkehr gebracht werden. Die Bundesregierung verfolgt die Entwicklungen in Japan ebenfalls sehr sorgfältig. Das BMELV hat die für die Lebensmittelkontrolle zuständigen Bundesländer über die Empfehlung der EU-Kommission informiert. Unter anderem haben Länder mit wichtigen internationalen Einfuhrstellen bereits entsprechende Kontrollverfahren etabliert und führen im Rahmen ihrer Zuständigkeit Untersuchungen von Lebens- und Futtermitteln auf Radioaktivität durch. Des Weiteren wurde der Zoll durch das BMF gebeten, die Lebensmittelüberwachung bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe zu unterstützen. Außerdem hat das BMELV das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Berlin beauftragt, die Untersuchungsergebnisse zentral zu sammeln und sie zügig auszuwerten. Auch Erkenntnisse aus den Forschungseinrichtungen - BfR, BfS, vTI - fließen hier ein. Nach Aussagen der WHO gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keine Hinweise darauf, dass kontaminierte Nahrungsmittel in andere Länder gelangt sein könnten. Auch dem BMELV liegen zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Kenntnisse hierüber vor. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Frage 1): Hat die Bundesregierung die rechtliche Prüfung der Ausfuhrbeschränkung für das Anästhesiemittel Thiopental abgeschlossen, und welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu einer etwaigen Ausfuhrbeschränkung von Thiopental in die USA ein? Die Prüfung von nationalen ausfuhrkontrollrechtlichen Möglichkeiten der Beschränkung der Lieferung von Thiopental-Natrium in die USA ist innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung wird aber die zur Verfügung stehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten zur Verhinderung einer Lieferung von Thiopental-Natrium in die USA zum Einsatz bei der Vollstreckung der Todesstrafe ausschöpfen. Unabhängig davon unterstützt die Bundesregierung in Abstimmung mit den EU-Partnern die Diskussion über die Schaffung einer EU-einheitlichen Regelung in der Anti-Folter-Verordnung (EG) Nr. 1236/ 2005. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/5120, Frage 2): Inwiefern gab es infolge der atomaren Katastrophe in Japan in der Bundesregierung Diskussionen über einen möglichen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Atomgemeinschaft bzw. eine Auflösung, und welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über ähnliche Diskussionen oder Initiativen in den Mitgliedstaaten der EU und in der EU, zeitlich unabhängig von der Katastrophe in Japan? Die Frage eines Austritts Deutschlands aus der Europäischen Atomgemeinschaft, EuroATOM, stellt sich nicht. Der EuroATOM-Vertrag von 1957 als einer der Gründungsverträge der EU beschäftigt sich unter anderem mit einheitlichen Sicherheitsanforderungen und Kontrollmaßnahmen und dient damit in weiten Teilen der Sicherheitsvorsorge der Bevölkerung. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 3): In welchem Umfang wird die Bundesregierung - wie in einer entsprechenden Publikation angekündigt - die Mittel für das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, bis 2013 weiter aufstocken, und wie erklärt sich vor diesem Hintergrund der Widerspruch zu den Aussagen im Eckwertebeschluss zum Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2012 und zum Finanzplan 2011 bis 2015, dass bei den klassischen Ausgabeschwerpunkten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, wie der Stärkung der kleinen und mittelständischen Betriebe und der Förderung von neuen Technologien und Innovationen, die bisherige Finanzplanlinie lediglich fortgeschrieben wird? Für das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, sind im Bundeshaushalt 2011 und in der Mittelfristigen Finanzplanung 2012 bis 2014 im Rahmen des Einzelplans des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie Mittel vorgesehen, die von 389 Millionen Euro im laufenden Jahr auf jeweils über 500 Millionen Euro in den Folgejahren anwachsen. Damit besteht bei Fortschreibung der Finanzplanung kein Widerspruch zu der Aussage, dass die Bundesregierung die Mittel für das ZIM bis 2013 weiter aufstocken wird. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Fragen der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Fragen 4 und 5): Wie viele der 24 Trassen des Vordringlichen Bedarfs nach § 1 Abs. 1 des Energieleitungsausbaugesetzes sind in erster Linie aufgrund der mangelnden Akzeptanz in der Bevölkerung verzögert? Was tut die Bundesregierung, um den Ausbau der Verteilnetze voranzubringen, deren Engpässe aktuell die Hauptursache für die Abregelung von erneuerbaren Energieanlagen sind? Zu Frage 4: Eine projektbezogene Aussage über die fehlende Akzeptanz lässt sich nicht treffen. Die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz ist ein flächendeckendes Phänomen, das sich in einigen Regionen stärker gegen den Netzausbau kanalisiert als in anderen. Zu Frage 5: Die Bundesregierung hat erst jüngst die Investitionsbedingungen der Verteilnetzbetreiber verbessert, um den Netzausbau aufgrund der Einspeisung Erneuerbarer Energien zu beschleunigen. Regulatorisch wurde der sogenannte Erweiterungsfaktor im Rahmen der Anreizregulierung so geändert, dass die dezentrale Einspeisung aus Erneuerbaren Energien stärker berücksichtigt wird. Das erhöht die Rückflüsse aus Investitionen der Netzbetreiber. Darüber hinaus wird im Rahmen der im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie angesiedelten Netzplattform auch die Situation der Verteilnetze im Hinblick auf die Beschleunigung des Netzausbaus sowie die Verbesserung der Akzeptanz untersucht. Auf dieser Basis wird dann zu entscheiden sein, ob und gegebenenfalls welche Korrekturen bei der Regelung der Verteilnetze erforderlich sind. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Frage 6): Welche im Energiekonzept der Bundesregierung angekündigten Maßnahmen sind schon per Gesetz oder Verordnung umgesetzt worden, und welche Maßnahmen sollen in der Novelle zum Energiewirtschaftsgesetz umgesetzt werden? Die Bundesregierung wird die im 10-Punkte-Sofortprogramm zum Energiekonzept beschlossenen Maßnahmen wie angekündigt bis Ende 2011 umsetzen. Im Rahmen der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes sollen die Netzentwicklungspläne der Netzbetreiber (Sofortprogramm zum Energiekonzept) umgesetzt werden. Die Ressortabstimmung hierzu läuft bereits. Sie soll zügig durchgeführt werden, um noch im Sommer das parlamentarische Verfahren beginnen zu können. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Stefan Schwartze (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 9): Sind Vertreter von Bundesministerien außer dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales an der Erstellung des Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention beteiligt und, wenn ja, welche? Der Nationale Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist ein Aktionsplan der gesamten Bundesregierung. Deshalb sind alle Ressorts in die Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans eingebunden. Die Federführung liegt beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen des Abgeordneten Stefan Schwartze (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 10): Ist beabsichtigt, die Vorschläge der Behindertenselbsthilfe aus den Kongressen "Mit Dir zum Wir" im Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen aufzugreifen, und wird die Bundesregierung das Votum der Mehrheit der Teilnehmer für ein Gesetz zur sozialen Teilhabe beachten? Die Ergebnisse der Kongresse "Teilhabe braucht Visionen" vom 23. Juni 2010 und "Teilhabe braucht Maßnahmen" vom 4. November 2010 in Berlin fließen in den Nationalen Aktionsplan ein. Das kann aber nicht bedeuten, dass alle Forderungen der Behindertenverbände in den Nationalen Aktionsplan übernommen werden. Im Rahmen des Maßnahmenkongresses des BMAS im November 2011 gab es keine "Abstimmung" unter allen 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu einzelnen Maßnahmen. Dies gilt auch für den Vorschlag eines neuen Leistungsgesetzes zur sozialen Teilhabe. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen des Abgeordneten Markus Kurth (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5120, Fra-gen 11 und 12): Welche inhaltlichen Punkte zu Fragen der Umsetzung der Komplexleistung Frühförderung wurden bei der ersten Analyse der Fachreferate im Bundesministerium für Arbeit und Soziales und im Bundesministerium für Gesundheit mit Vertretern von Leistungserbringern und Leistungsträgern auf Bundesebene sowie einer Vertreterin des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen am 16. November 2010 besprochen, und warum haben entgegen der Verlautbarungen der Bundesregierung (mündliche Frage 32 auf Bundestagsdrucksache 17/3947) im Jahr 2011 noch keine Bund-Länder-Gespräche zur Abstimmung des weiteren Vorgehens stattgefunden? Wann ist nach Ansicht der Bundesregierung mit aussagekräftigen Ergebnissen darüber zu rechnen, ob das aus dem Juni 2009 datierende gemeinsame Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie des Bundesministeriums für Gesundheit an die Spitzenverbände der zuständigen Rehabilitationsträger die Probleme bei der Umsetzung der Komplexleistung Frühförderung beseitigt hat? Zu Frage 11: Gegenstand der Sitzung am 16. November 2010, an der auch die Interessenvertretungen der behinderten Menschen teilnahmen, war vor allem die Diskussion über die Ergebnisse der Befragung des BMAS zur Umsetzung der Komplexleistung Frühförderung 2010. Die Ergebnisse wurden unterschiedlich gewertet. Die Leistungsträger sahen eine Verbesserung der Situation. Die Interessenvertretungen der behinderten Menschen sahen noch Verbesserungspotenziale vor allem bei der Ausgestaltung und der Finanzierung der Komplexleistung. Als Lösungsvorschläge wurden insbesondere eine Ergänzung der Frühförderverordnung und die Einrichtung von Schiedsstellen diskutiert. Letztere sollen Streitigkeiten bei den Vertragsverhandlungen zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern beilegen. Diese Anregungen werden in den Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention einfließen. Vor Kabinettsbefassung werden auch die Länder in die Abstimmung des Aktionsplans einbezogen. Die Länder wurden bereits über die Ergebnisse der Besprechung im BMAS am 16. November 2010 informiert. Ihnen wurden auch die Ergebnisse der BMAS-Untersuchung zur Kenntnis gegeben. Zu Frage 12: Das 2009 gemeinsam von BMAS und BMG herausgegebene Rundschreiben hat die damals bestehenden Probleme, insbesondere zum Anwendungsbereich der Frühförderverordnung, zum Inhalt der Komplexleistung sowie zur Abgrenzung der Zuständigkeiten der Reha-Träger praxisorientiert aufgegriffen. Das Rundschreiben ist sowohl bei den Betroffenenverbänden als auch den Reha-Trägern auf eine sehr positive Resonanz gestoßen und hat zur Klarstellung der damals offenen Fragen beigetragen. Es lässt aber auch weiterhin die Freiheit und Flexibilität, örtlich angepasste Lösungen im Rahmen von Landesrahmenempfehlungen und Vereinbarungen zu entwickeln. Dies entspricht dem überwiegenden Interesse der Reha-Träger, der Träger der Sozialhilfe und der Leistungserbringer, da es eine gewachsene Landschaft mit unterschiedlichen Strukturen gibt. In diesem Sinne haben sich auch die Vertreterin des Deutschen Städtetages und Verbandsvertreter in der Kinderkommission des Deutschen Bundestages am 1. De-zember 2010 dafür eingesetzt, es bei den Verbesserungen des Rundschreibens zu belassen und diese zu beherzigen. Denn letztlich könne auch eine gesetzliche Regelung inhaltlich nicht über das Rundschreiben hinausgehen. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/5120, Frage 13): Welche Bundesbehörden betrifft die Kritik der Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, und des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Hubert Hüppe, dass schwerbehinderte Menschen in Bewerbungsverfahren, zum Beispiel durch Nichteinladung zu Vorstellungsgesprächen, benachteiligt werden (siehe deren Pressemitteilung vom 17. März 2011)? Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes berät Menschen, die sich wegen der im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannten Gründe, zum Beispiel wegen einer Behinderung, benachteiligt fühlen. Dieses Beratungsangebot ist anonym und vertraulich, sodass konkrete Einzelfälle nicht öffentlich gemacht werden können. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/5120, Frage 14): Wie viele der Mittel der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sind 2005 bis 2011 absolut und relativ bereits gebunden gewesen? Die den Grundsicherungsstellen insgesamt zugewiesenen Budgets für Leistungen zur Eingliederung für Arbeit nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (ohne Sonderprogramme) und die zum 1. Januar des jeweiligen Jahres insgesamt bestehenden Festlegungen sowie der Anteil dieser Bindungen am zugewiesenen Budget sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: Jahr Budget Bindung Anteil in Millionen Euro in Prozent 2005 6528,3 558,2 8,6 2006 5496,3 1365,0 24,8 2007 5508,6 2019,1 36,7 2008 6398,7 2213,9 34,6 2009 6294,8 2568,5 40,8 2010 5570,1 3041,8 54,6 2011 4662,0 2088,8 44,8 Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Fragen der Abgeordneten Kerstin Tack (SPD) (Drucksache 17/5120, Fragen 15 und 16): Wann wird die Bundesregierung die im Rahmen des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften angekündigte Rechtsverordnung für die Eigenkontrollen der Lebens- und Futtermittelunternehmen vorlegen? Wann ist mit der Verordnung über die Zulassung von Futtermittelunternehmen zu rechnen? Zu Frage 15: Es ist geplant, in Kürze einen Vorschlag für eine Verordnung nach dem neuen Artikel 44 a LFGB vorzulegen. Ein Referentenentwurf ist in Vorbereitung. Voraussetzung für den Erlass der neuen Verordnung ist das Inkrafttreten der Änderung des LFGB. Zu Frage 16: Der Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Futtermittelverordnung, in dem unter anderem in Umsetzung des Aktionsplans Verbraucherschutz in der Futtermittelkette eine Zulassungspflicht für bestimmte Betriebe im nationalen Recht verankert werden soll, wird in Kürze vorgelegt werden. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Frage 18): Treffen Medienberichte zu, wonach der ehemalige Bundesminister der Verteidigung oder andere Vertreter der Bundesregierung bei den jüngsten Verhandlungen mit dem EADS-Unternehmen über die Lieferung von EADS-Transportmaschinen Vorteile für das Unternehmen von insgesamt 1,75 Milliarden Euro "herausgehandelt" hat, bestehend aus 398 Millionen Euro Verzicht auf Vertragsstrafen, Verzicht auf sieben Maschinen bei gleichem Preis - circa 1 Milliarde Euro -, 500 Millionen Euro Kredit - von der Bundesregierung an EADS - und 346 Millionen Euro Preiserhöhung für EADS - trotz verspäteter Lieferung, weil EADS inzwischen die Preise angehoben hat - so ARD-Magazin Fakt vom Januar 2011 (www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=6272182), und wie rechtfertigt die Bundesregierung diese Ausgabe in Höhe von 1,75 Milliarden Euro (500-Millionen-Euro-Kredit nicht mitgerechnet)? Deutschland beteiligt sich entsprechend der im A400M-DPP-Vertrag vereinbarten Abnahmemenge von A400M-Luftfahrzeugen an der Fortführung des A400M-Programmes nach Maßgabe der durch die Staatssekretäre der A400M-Partnernationen im Rahmen der "Berliner Erklärung" vom 5. März 2010 festgelegten Parameter. Dies bedeutet im Einzelnen, dass Deutschland seinen Anteil an der Vertragsanpassung durch einen Leistungsverzicht, insbesondere den Verzicht auf sieben Luftfahrzeuge, welche nunmehr als Optionen zur Verfügung stehen, in Höhe von 667 Millionen Euro erbringt. Zudem verzichtet Deutschland gemeinsam mit den anderen Partnernationen auf die Geltendmachung von Verzugsentschädigungen gemäß dem A400M-DPP-Vertrag. Der deutsche Anteil beläuft sich auf 398 Millionen Euro, mit dem Preisstand Dezember 2010. Die vertraglich im A400M-DPP-Vertrag geregelte Preisanpassung, die im Rahmen der Fortführung des A400M-Programms nicht geändert wurde, wird sich aufgrund der Vertragsverlängerung nunmehr über einen längeren Zeitraum erstrecken. Der sich daraus ergebende Effekt wird, basierend auf dem neuen Lieferplan, auf circa 346 Millionen Euro prognostiziert. Das Bundesministerium der Verteidigung beabsichtigt daneben, zur Fortführung der Entwicklung und Beschaffung des Lufttransportflugzeugs A400M ein bedingt rückzahlbares verzinsliches Darlehen, dessen Rückzahlung an den Exporterfolg des Lufttransportflugzeugs A400M gekoppelt ist, an die Airbus Operations GmbH unter Einbeziehung der Kreditanstalt für Wiederaufbau auszureichen. Mit den beschriebenen Maßnahmen haben die Partnernationen nach langwierigen Untersuchungen und Verhandlungen gemeinsam mit der Firma EADS das A400M-Programm wieder auf einen erfolgreichen Weg gebracht und sichern damit sowohl die Einsatzbereitschaft ihrer jeweiligen Streitkräfte, den Erhalt ihrer für die Souveränität der Partnernationen unabdingbaren nationalen wehrtechnischen Kernfähigkeiten sowie erhebliches nationales Wertschöpfungspotenzial. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 19): Wie bewertet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BMFSFJ, die im Zusammenhang mit Förderprogrammen des BMFSFJ und des Bundesministeriums des Innern gegen Extremismus abgegebenen kritischen Erklärungen zur geforderten sogenannten Demokratieerklärung vieler Träger, und gibt es Weisungen, Überlegungen und/ oder Aussagen seitens der Bundesministerien, Antragsteller, die eine solche kritische Erklärung abgeben, im Förderverfahren anders bzw. schlechter zu behandeln? Es steht jedem Träger frei, seine Meinung zur Demokratieerklärung zu äußern. Dabei ist klar, dass die Abgabe der Demokratieerklärung eine Voraussetzung für die Förderung und Bestandteil des Bewilligungsbescheides ist. Kritische Kommentare zur Erklärung haben keinen Einfluss auf die Förderentscheidung. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 20): Wem obliegt im Rahmen der Lokalen Aktionspläne die letztendliche Entscheidung über die Förderung von beantragten Projekten, dem für den Lokalen Aktionsplan verantwortlichen Landkreis oder dem BMFSFJ als Initiator des Förderprogramms, und gibt es Überlegungen seitens des BMFSFJ im Rahmen der Lokalen Aktionspläne getroffene Förderentscheidungen aufzuheben, wenn geförderte Projektträger eine Zusatzerklärung entsprechend der vorhergehenden Frage abgegeben haben? Die Verantwortung für die Umsetzung des Lokalen Aktionsplans hat die Behörde in der Kommune, die den Antrag zur Entwicklung, Implementierung und Umsetzung eines Lokalen Aktionsplans gestellt hat. Sie setzt damit auch die Demokratieerklärung vor Ort um. Was den zweiten Teil Ihrer Frage anbetrifft, so habe ich ja bereits gesagt, dass kritische Kommentare keinen Einfluss auf die Förderentscheidung haben. Anlage 19 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Annette Widmann-Mauz auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 21): Welche Position hat die Bundesregierung zur Verabschiedung einer neuen EU-Richtlinie, mit der Erstattungsansprüche von gesetzlich Krankenversicherten bei der Behandlung innerhalb der Mitgliedsländer einheitlich geregelt werden sollen, und welche Vorstellungen hat die Bundesregierung zur Weiterentwicklung der europäischen Krankenversicherungskarte (travel-tribune Nr. 7/11 vom 17. Februar 2011, Seite 13? Die "Richtlinie über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung" hat der EU-Ministerrat am 28. Februar 2011 verabschiedet. Bereits am 19. Januar 2011 hatte das Europäische Parlament seine Zustimmung erteilt. Die Richtlinie setzt die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, EuGH, zur Patientenmobilität um, wonach jeder Patient ein Recht auf Behandlung im Ausland hat. Die Kosten für die Auslandsbehandlung sind nach der Richtlinie grundsätzlich von der Krankenkasse bis zu der Höhe und für solche Leistungen zu erstatten, die auch bei einer entsprechend im Inland nach dem Leistungskatalog des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, SGB V, erbrachten Behandlung angefallen wären. Darüber hinaus sieht die Richtlinie die Schaffung neuer Kontaktstellen vor, mittels derer sich Patientinnen und Patienten in Zukunft besser über Behandlungsmöglichkeiten in anderen EU-Staaten informieren können. Zudem können sich die Mitgliedstaaten unter anderem an Referenznetzwerken zur Behandlung und Erforschung von seltenen Erkrankungen beteiligen. Die Bundesregierung begrüßt die rechtliche Klarstellung im Sinne der Versicherten und sieht in ihr Chancen für Anbieter im deutschen Gesundheitswesen. Sie wird die Richtlinie innerhalb der vorgesehenen Frist von 30 Monaten umsetzen. Eine Weiterentwicklung der europäischen Krankenversichertenkarte wird im Zusammenhang mit der Einführung einer elektronischen - also SmartCard-basier-ten - europäischen Krankenversichertenkarte, eEHIC, untersucht. Ende 2007 hat die für die EHIC zuständige Verwaltungskommission für Wanderarbeitnehmer, in der die Bundesregierung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vertreten wird, eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe eingesetzt, die den Auftrag hatte, die politischen, rechtlichen und technischen Grundlagen für die Einführung der eEHIC auszuarbeiten. Diese Ad-hoc-Arbeitsgruppe wurde geleitet von einem Mitarbeiter der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH, gematik, die in Deutschland für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte zuständig ist. Die Ad-hoc-Gruppe hat im Mai 2009 einen Abschlussbericht vorgelegt, in dem die rechtlichen, funktionalen und technischen Anforderungen für die Einführung einer eEHIC dargelegt wurden. In ihrer 326. Sitzung am 16./17. März 2011 hat die Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit beschlossen, hierzu eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. Die Bundesregierung wird auch weiterhin die konzeptionellen Arbeiten zur Einführung einer eEHIC unterstützen. Insbesondere wird dann, wenn die Karte nicht ausschließlich im Rahmen der Kostenerstattung, sondern zusätzlich auch im Rahmen der grenzübergreifenden medizinischen Versorgung eingesetzt werden soll - zum Beispiel als Schlüssel für den Zugang zu medizinischen Daten des Versicherten -, die Frage der Kompatibilität und Interoperabilität zur deutschen elektronischen Gesundheitskarte und zur Telematikinfrastruktur im deutschen Gesundheitswesen eine wesentliche Rolle spielen. Dem Datenschutz wird dabei oberste Priorität eingeräumt. Anlage 20 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Annette Widmann-Mauz auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 22): Über welche Kenntnisse verfügt die Bundesregierung zu sinkenden Zahlen ambulanter Vorsorgemaßnahmen in Kurorten in Deutschland in den vergangenen Jahren zugunsten kurörtlicher Maßnahmen im Ausland, und mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung der Gefährdung der Arbeitsplätze und der medizinischen und pflegerischen Leistungsfähigkeit der inländischen Kureinrichtungen entgegentreten? Die amtliche Statistik erfasst nicht, ob eine ambulante Vorsorgemaßnahme zulasten inländischer Kureinrichtungen im Ausland durchgeführt wurde. Der Bundesregierung sind auch aus anderen Quellen keine belastbaren Zahlen bekannt, die solche Verlagerungen belegen. Auf dieser Basis sind daher auch keine Aussagen darüber möglich, ob sich hieraus Gefährdungen für die Arbeitsplätze und die Leistungsfähigkeit inländischer Kureinrichtungen ergeben. Anlage 21 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5120, Frage 23): In welchem Umfang wurde das Anästhesiemittel Thiopental in die USA geliefert, und wird das Mittel weiterhin - entgegen der verlautbarten Selbstverpflichtung der produzierenden Unternehmen - exportiert? Da das Arzneimittelgesetz keine Verpflichtung für pharmazeutische Unternehmen oder Großhändler vorsieht, den Export eines Arzneimittels ins Ausland unter Angabe der Bezeichnung des Arzneimittels anzuzeigen, liegen keine Erkenntnisse vor, ob Thiopental überhaupt aus Deutschland in die USA exportiert worden ist. Entsprechend seiner Zweckrichtung enthält das Arzneimittelgesetz, AMG, im Falle der Ausfuhr von in Deutschland zugelassenen und verkehrsfähigen Arzneimitteln nur Regelungen, um die Berechtigung der ausführenden Person - Großhändler - zu kontrollieren. Für den Export von Arzneimitteln gelten die allgemeinen ausfuhr- und zollrechtlichen Bestimmungen. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob Lieferungen in die USA in den letzten Monaten nachgefragt wurden. Die Firmen und die Großhändler haben erklärt, dass sie entsprechenden Lieferungsbegehren nicht nachkommen würden. Der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels hat deutlich gemacht, dass seine Mitgliedsfirmen Arzneimittel ausschließlich an deutsche Apotheken liefern. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 24): Wann wird die Bundesregierung das bereits auf dem Elbschifffahrtstag in Wittenberge im November 2010 angekündigte Elbekonzept vorlegen? Das sogenannte Gesamtkonzept für die Binnenelbe ist noch in der abschließenden Bearbeitung. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 25): Wie vereinbart die Bundesregierung das auf dem Elbschifffahrtstag 2010 in Wittenberge erneut bekräftigte und mit den internationalen Verpflichtungen in Einklang stehende Unterhaltungsziel mit der von der Bundesregierung neu vorgestellten Kategorisierung der Bundeswasserstraßen, die die Elbe lediglich als Nebennetz einstuft und somit von jeglichen Ausbaumaßnahmen ausschließt? Die Bundesregierung verfolgt keine Ausbauplanungen an der Binnenelbe. Die Maßnahmen an der Binnenelbe beschränken sich auf Unterhaltungsmaßnahmen, die den Status quo der Schifffahrtsverhältnisse vor dem Hochwasser von August 2002 wieder herstellen und erhalten. Dieses Konzept geht konform mit dem sogenannten Modernisierungskonzept der WSV, das zum Nebennetz enthält: "Bestandserhaltung steht im Vordergrund, Ausbau findet nicht statt, Unterhaltung, Erhaltung und Ersatz und Betrieb erfolgen bedarfsgerecht." Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Frage 26): Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die höhere Dividende der Deutschen Bahn AG zweckgebunden für die Schieneninfrastruktur und nicht für die Sanierung des Haushalts eingesetzt wird, und welche Zweckbindung sieht die Bundesregierung für die 500 Millionen Euro Dividende vor, die nicht in die Schieneninfrastruktur zurückfließen sollen? Eine Zweckbindung der Dividendeneinnahmen der Deutsche Bahn AG im Bundeshaushalt besteht nicht. Im Rahmen des Eckwertebeschlusses für den Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2012 hat das Bundesministerium der Finanzen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zusätzliche Mittel für die Schienenwegeinvestitionen zur Verfügung gestellt. Dabei wurde auch die um 25 Millionen Euro erhöhte Dividende berücksichtigt, die zur Gänze als Einnahme im Einzelplan 12 vorgesehen sein wird. Aus dieser haushalterischen Maßnahme werden langfristig zusätzliche Mittel für Neu- und Ausbauvorhaben bei der Schiene in Höhe von knapp 1 Milliarde Euro bis 2014 und in Höhe von circa 350 Millionen Euro jährlich ab 2015 verfügbar. Damit wird auch mithilfe der Dividende ein Finanzierungskreislauf Schiene begonnen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Frage 27): Welche bundesrechtlichen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Öffentlichkeit frühzeitig, das heißt in den Planungsschritten vor dem Genehmigungsverfahren, wie Linienbestimmungsverfahren, Raumordnungsverfahren etc., angemessen zu beteiligen, und wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, in diesen Planungsschritten bereits gerichtliche Überprüfungsmittel für Bürgerinnen und Bürger sowie Nichtregierungsorganisationen vorzusehen? Durch die frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit kann die gesellschaftliche Akzeptanz von Projekten nachhaltig gestärkt werden. Die Bundesregierung prüft vor diesem Hintergrund die Möglichkeit, zusätzliche Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung im Verwaltungsverfahren einzuführen, damit die Beteiligung der Öffentlichkeit gestärkt und die Akzeptanz von Infrastruktur-und sonstigen Großvorhaben verbessert werden kann. Ein Ansatz könnte das Instrument einer "frühen Öffentlichkeitsbeteiligung" sein, das heißt, das Vorhaben wird frühzeitig der Öffentlichkeit vorgestellt und mit ihr erörtert. Es wird derzeit geprüft, ob eine entsprechende Regelung in dem Entwurf für ein Planungsvereinheitlichungsgesetz vorgesehen werden könnte, der derzeit vom Bundesministerium des Innern überarbeitet wird. Eine wichtige Frage ist in diesem Zusammenhang, welche Personen unter den Begriff der "Öffentlichkeit" fallen. Zwar würde dieser Kreis weiter zu fassen sein als die in eigenen Rechten "Betroffenen". Andererseits ist offensichtlich, dass bei Vorhaben mit überregionaler Bedeutung eine Beschränkung erforderlich sein wird. Es ist aber auch darauf hinzuweisen, dass es bereits heute üblich ist, bei Planungsvorhaben die Öffentlichkeit frühzeitig zu informieren und mit ihr das Vorhaben auch zu diskutieren. Dies geschieht zum einen in gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren, etwa im Rahmen der Beteiligung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen nach § 10 Abs.1 ROG und auch im Raumordnungsverfahren nach § 15 ROG Abs. 3 i. V. m. den Landesplanungsgesetzen oder bei Linienbestimmungsverfahren im Bundesfernstraßenbau, bei der in der Regel nach § 15 i. V. m. § 9 UVPG die Öffentlichkeit beteiligt wird. Dabei kommen ausdrücklich auch Fragen zum Vorhaben und den Alternativen zur Sprache. Im Bauleitplanverfahren ist eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung grundsätzlich erforderlich, § 3 Abs.1 BauGB. Zum anderen werden aber auch gesetzlich nicht vorgeschriebene Beteiligungsverfahren wie Runde Tische, Mediationsverfahren, Bürgerforen etc. zusätzlich bereits genutzt. Die Frage einer gerichtlichen Überprüfbarkeit von vorgelagerten Verfahrensschritten stellt sich nicht, weil eine abschließende Entscheidung gerade nicht vorliegt, sondern vorbereitet werden soll. Eine Rechtsverletzung kann aber erst mit der Zulassungsentscheidung eintreten, eine Klagemöglichkeit im Vorfeld ist daher abzulehnen. Das Raumordnungsverfahren beispielsweise oder auch das Linienbestimmungsverfahren sind verwaltungsinterne Verfahren ohne Außenwirkung gegenüber den Bürgern. Das Ergebnis kann auch in der Gesamtabwägung überwunden werden. Ein Rechtsschutzverfahren in diesen Verfahren wäre im deutschen Recht nicht nur systemfremd, es könnte auch zu keinem durchsetzungsfähigen Ergebnis führen. Das Instrument der Popularklage, also die Möglichkeit, auch ohne eigene rechtliche Betroffenheit Klage erheben zu können, ist im geltenden Rechtssystem mit guten Gründen nicht angelegt. Es ist aber auch ein ausreichender Rechtsschutz gewährleistet, wenn die durch die Zulassungsentscheidung Betroffenen und die mit entsprechenden Anfechtungsrechten ausgestatteten Vereinigungen (zum Beispiel anerkannte Umweltschutzvereinigungen) die Entscheidung gerichtlich überprüfen lassen können. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Manfred Grund (CDU/CSU) (Drucksache 17/5120, Frage 28): Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über angeblich von der Deutschen Lufthansa AG durchgeführte Flüge aus Tokio bzw. anderen japanischen Flughäfen, bei denen laut Fernsehberichten nur Tickets der Businessclass zu stark überhöhten Preisen - bis zu 7 000 Euro - angeboten werden und dabei in Kauf genommen wird, die Maschinen auch halbleer nach Deutschland fliegen zu lassen? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die das in der Frage zitierte Buchungsverhalten bestätigen würden. Anlage 27 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5120, Fragen 29 und 30): Wie wird die Überprüfung des Sicherheitssystems des Atomkraftwerks, AKW, Krümmel angesichts der aktuellen Ereignisse in japanischen Atomkraftwerken aussehen, und wie wird mit Schwachstellen umgegangen bzw. in welchem Umfang könnten Nachbesserungen vorgenommen werden? Kann die Bundesregierung absehen, bis wann die Sicherheitsüberprüfung des AKW Krümmel im Rahmen des Moratoriums abgeschlossen sein wird, und in welchem Rahmen und Umfang wird die Bundesregierung den Deutschen Bundestag und die Öffentlichkeit über die gewonnenen Erkenntnisse informieren? Die nuklearen Folgen der Erdbebenkatastrophe in Japan bedeuten einen Einschnitt - für Japan und die ganze Welt. Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kernkraftwerken haben deshalb beschlossen, die Sicherheit aller Kernkraftwerke in Deutschland zu überprüfen. Die Vorkommnisse in Japan haben gezeigt, dass Ereignisse auch jenseits der bisher berücksichtigten Szenarien eintreten können. Hieraus resultiert die Notwendigkeit, die Lage unter Berücksichtigung der aktuellen Ereignisse vorbehaltlos zu analysieren. Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wird die Risikoanalyse aller deutschen Kernkraftwerke von der Reaktorsicherheitskommission als Gremium unabhängiger Experten in Abstimmung mit den zuständigen Behörden der Länder vorgenommen. Bei dieser Sicherheitsanalyse ist zu überprüfen, inwieweit bisher nicht berücksichtigte Szenarien nunmehr eine neue Bewertung erfordern. Dabei sollen auch externe Risiken betrachtet werden, die denen vergleichbar sind, die sich in Japan ereignet haben. Die Reaktor-Sicherheitskommission hat am 17. März 2011 die Beratungen zur Durchführung der Sicherheitsüberprüfung für die deutschen Kernkraftwerke aufgenommen. Alle Beteiligten sind aufgerufen, diesen Prüfprozess sehr ernst zu nehmen. Daraus folgt natürlich, dass nicht schon am Beginn dieses Prüfprozesses über mögliche Ergebnisse oder einzelne Teilaspekte des Prüfbereiches Auskunft gegeben werden kann. Nach Ablauf der Prüffrist wird zu beurteilen sein, welche konkreten Entscheidungen getroffen werden müssen. Die Überprüfung dient genau dieser Entscheidungsfindung. Anlage 28 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN) (Drucksache 17/5120, Frage 31): Wie bewertet die Bundesregierung, auch vor dem Hintergrund der Geschehnisse im Reaktor Fukushima, die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen für das in Krümmel ebenfalls bestehende Zwischenlager? Basierend auf der am 19. Dezember 2003 vom Bundesamt für Strahlenschutz, BfS, erteilten atomrechtlichen Aufbewahrungsgenehmigung lagern im Standortzwischenlager Krümmel Ende des Jahres 2010 19 Be-hälter vom Typ Castor V/52. Das Gebäude des Standortzwischenlagers ist gegen das für den Standort zugrunde zu legende Bemessungserdbeben und das Bemessungshochwasser der Elbe ausgelegt. Die Transport- und Lagerbehälter vom Typ Castor V/52 sind aufgrund ihrer Prüfungen im Rahmen der verkehrsrechtlichen Zulassung, Typ B(U), ebenfalls gegenüber dem Einfluss des Bemessungserdbebens und einer Überflutung ausgelegt. Anlage 29 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantion von Notz (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN) (Drucksache 17/5120, Frage 32): Wie bewertet die Bundesregierung, dass der Siedewasserreaktor Krümmel, der gleichen Bautyps ist wie der in Fukushima, im Falle eines Ausfallens der Notstromgeneratoren im Gegensatz zur Anlage in Fukushima nicht einen sechs-, sondern lediglich einen zweistündigen Batterienotstrombetrieb sicherstellen kann (Bergedorfer Zeitung, 15. März 2011)? Das Kernkraftwerk Krümmel ist ein Siedewasserreaktor der Baulinie 69. Dieser hat sowohl Gemeinsamkeiten als auch zahlreiche Unterschiede zu den Siedewasserreaktoren in Fukushima, vom Typ General Electric Mark I, ist also keineswegs baugleich. Die nuklearen Folgen der Erdbebenkatastrophe in Japan bedeuten einen Einschnitt - für Japan und die ganze Welt. Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kernkraftwerken haben deshalb beschlossen, die Sicherheit aller Kernkraftwerke in Deutschland zu überprüfen. Die Vorkommnisse in Japan haben gezeigt, dass Ereignisse auch jenseits der bisher berücksichtigten Szenarien eintreten können. Hieraus resultiert die Notwendigkeit, die Lage unter Berücksichtigung der aktuellen Ereignisse vorbehaltlos zu analysieren. Im Auftrag des Bundesumweltministeriums wird die Risikoanalyse aller deutschen Kernkraftwerke von der Reaktorsicherheitskommission als Gremium unabhängiger Experten in Abstimmung mit den zuständigen Behörden der Länder vorgenommen. Bei dieser Sicherheitsanalyse ist zu überprüfen, inwieweit bisher nicht berücksichtigte Szenarien nunmehr eine neue Bewertung erfordern. Dabei sollen auch externe Risiken betrachtet werden, die denen vergleichbar sind, die sich in Japan ereignet haben. Die Reaktor-Sicherheitskommission hat am 17. März 2011 die Beratungen zur Durchführung der Sicherheitsüberprüfung für die deutschen Kernkraftwerke aufgenommen. Alle Beteiligten sind aufgerufen, diesen Prüfprozess sehr ernst zu nehmen. Daraus folgt natürlich, dass nicht schon am Beginn dieses Prüfprozesses über mögliche Ergebnisse oder einzelne Teilaspekte des Prüfbereiches Auskunft gegeben werden kann. Nach Ablauf der Prüffrist wird zu beurteilen sein, welche konkreten Entscheidungen getroffen werden müssen. Die Überprüfung dient genau dieser Entscheidungsfindung. Im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung wird auch die Verfügbarkeit des Notstromsystems, dem die Batterien zugeordnet sind, überprüft. Anlage 30 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 33): Plant die Bundesregierung, die jüngsten Kürzungen für die deutsche Solarwirtschaft vor dem Hintergrund ihrer Kehrtwende in der Atompolitik in der letzten Woche zurückzunehmen? Die Bundesregierung hat ein dreimonatiges Moratorium für die kürzlich beschlossene Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke verkündet. In dieser Zeit sollen alle deutschen Kernkraftwerke einer umfassenden, ergebnisoffenen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Die Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes soll unabhängig vom Ausgang dieser Überprüfung nicht zurückgenommen werden. Die Anpassung der Photovoltaikförderung steht den Zielen der Bundesregierung zum Ausbau erneuerbarer Energien nicht entgegen und ist erforderlich, um die Kosten für die Stromverbraucher zu begrenzen. Sie ist gerechtfertigt, da aufgrund eines starken Zubaus von weltweiten Produktionskapazitäten die Kosten der Photovoltaikhersteller stark gesunken sind. Mit der Änderung der Degressionsschritte wurde auf diese Kostensenkung reagiert. Der Kürzungsvorschlag ist gemeinsam mit der Photovoltaikindustrie entwickelt worden. Anlage 31 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Frage 34): Trifft es zu, dass durch die von der schwarz-gelben Bundesregierung geschaffene Rechtslage, wonach die Laufzeiten der älteren Atomkraftwerke, AKW, um acht Jahre, die der jüngeren AKW um zwölf Jahre verlängert wurden, und durch die Möglichkeit der Laufzeitübertragung die Möglichkeit besteht, die AKW über 2050 hinaus zu betreiben? Mit der Atomgesetznovelle 2002 wurde ein § 7 Abs. 1 b in das Atomgesetz eingefügt, wonach unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit besteht, Elektrizitätsmengen ganz oder teilweise auf andere Anlagen zu übertragen. Ob im Lichte der Ergebnisse des Moratoriums die geltende Rechtslage noch geändert werden soll, ist dann zu entscheiden. Anlage 32 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Frage 35): An genau welchen Punkten unterscheiden sich die Sicherheitsmerkmale, die zur Einstellung des Betriebes der ältesten AKW führen, von der Sicherheit der weiterlaufenden AKW? Die Bundesregierung hat ihrer Entscheidung keine konkreten Anlagenaspekte zugrunde gelegt. Diese werden erst bei der vorgesehenen Sicherheitsüberprüfung untersucht. Insbesondere für die sieben ältesten deutschen Anlagen - denen auch bereits im Rahmen einer Differenzierung der Laufzeitverlängerung eine geringere zusätzliche Elektrizitätsmenge zugewiesen wurde - ist nach den Ereignissen in Japan zu überprüfen, inwieweit bisher nicht berücksichtigte Szenarien nunmehr eine neue Bewertung erfordern. Da sich gerade bei älteren Anlagen die Frage nach den in der Auslegung berücksichtigten Szenarien in besonderer Weise stellen kann, werden diese Anlagen für den Zeitraum der Überprüfung vom Netz genommen. Anlage 33 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Frage 36): In welchen deutschen Atomkraftwerken ist die Abtrennung von Anlagenteilen mit hohem Gefährdungspotenzial - Brandlast - von sicherheitsrelevanten Anlagenteilen oder Raumbereichen nicht vollständig gegeben, und in welchen der älteren Atomkraftwerke sind teilweise noch brennbare PVC-Kabel innerhalb des Sicherheitsbehälters vorhanden? Zu dieser Frage liegen beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit kurzfristig keine Informationen vor. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wird die zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder bitten, zu der Frage Stellung zu nehmen. Anlage 34 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Frage 37): Welche konkreten Anlagen- oder Gefahrenaspekte haben nach Kenntnis der Bundesregierung zu der Einschätzung geführt, dass die beiden Reaktoren Neckarwestheim 1 und Isar 1 endgültig stillgelegt werden sollen, und wieso werden nach Kenntnis der Bundesregierung dieselben Anlagen- oder Gefahrenaspekte nicht auch bei den zu Neckarwestheim 1 und Isar 1 baugleichen Atomkraftwerken Biblis A und B und Unterweser - Reaktorbaulinie DWR-2 - bzw. Brunsbüttel und Philippsburg 1 - Reaktorbaulinie SWR-69 - zur Anwendung gebracht? Die Bundesregierung hat ihrer Entscheidung keine konkreten Anlagenaspekte zugrunde gelegt. Diese werden erst bei der vorgesehenen Sicherheitsüberprüfung untersucht. Insbesondere für die sieben ältesten deutschen Anlagen - denen auch bereits im Rahmen einer Differenzierung der Laufzeitverlängerung eine geringere zusätzliche Elektrizitätsmenge zugewiesen wurde - ist nach den Ereignissen in Japan zu überprüfen, inwieweit bisher nicht berücksichtigte Szenarien nunmehr eine neue Bewertung erfordern. Da sich gerade bei älteren Anlagen die Frage nach den in der Auslegung berücksichtigten Szenarien in besonderer Weise stellen kann, werden diese Anlagen für den Zeitraum der Überprüfung vom Netz genommen. Anlage 35 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5120, Fragen 38 und 39): Wie unterscheiden sich die nun angekündigten Sicherheitsüberprüfungen der deutschen Atomkraftwerke von den bisherigen, und worin unterscheiden sich bei den anstehenden Sicherheitsüberprüfungen für Flugzeugabstürze die Untersuchungsstandards von denjenigen vorangegangener Sicherheitsuntersuchungen? Geht die Bundesregierung davon aus, dass sie für die Anordnung der Einstellung des Betriebes Entschädigungszahlungen an die Betreiber wird zahlen müssen und, wenn nein, warum nicht? Zu Frage 38: Die nuklearen Folgen der Erdbebenkatastrophe in Japan bedeuten einen Einschnitt - für Japan und die ganze Welt. Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kernkraftwerken haben deshalb beschlossen, die Sicherheit aller Kernkraftwerke in Deutschland zu überprüfen. Die Vorkommnisse in Japan haben gezeigt, dass Ereignisse auch jenseits der bisher berücksichtigten Szenarien eintreten können. Hieraus resultiert die Notwendigkeit, die Lage unter Berücksichtigung der aktuellen Ereignisse vorbehaltlos zu analysieren. Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wird die Risikoanalyse aller deutschen Kernkraftwerke von der Reaktorsicherheitskommission als Gremium unabhängiger Experten in Abstimmung mit den zuständigen Behörden der Länder vorgenommen. Bei dieser Sicherheitsanalyse ist zu überprüfen, inwieweit bisher nicht berücksichtigte Szenarien nunmehr eine neue Bewertung erfordern. Dabei sollen auch externe Risiken betrachtet werden, die denen vergleichbar sind, die sich in Japan ereignet haben. Die Reaktor-Sicherheitskommission hat am 17. März 2011 die Beratungen zur Durchführung der Sicherheitsüberprüfung für die deutschen Kernkraftwerke aufgenommen. Alle Beteiligten sind aufgerufen, diesen Prüfprozess sehr ernst zu nehmen. Daraus folgt natürlich, dass nicht schon am Beginn dieses Prüfprozesses über mögliche Ergebnisse oder einzelne Teilaspekte des Prüfbereiches Auskunft gegeben werden kann. Nach Ablauf der Prüffrist wird zu beurteilen sein, welche konkreten Entscheidungen getroffen werden müssen. Die Überprüfung dient genau dieser Entscheidungsfindung. Zu Frage 39: Die Anordnung der einstweiligen Betriebseinstellungen erfolgt auf der Rechtsgrundlage des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 des Atomgesetzes. Danach sind Entschädigungszahlungen an die Betreiber bei der Anordnungen der einstweiligen Betriebseinstellung nicht vorgesehen. Anlage 36 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5120, Frage 40): Welche Rechtsprüfung hat stattgefunden, auf deren Basis die Bundesregierung annimmt, dass die Einstellung des Betriebs nach § 19 des Atomgesetzes möglich ist, wenn bekannt ist, dass ein Atomkraftwerk, AKW, nicht dem gesetzlichen Sicherheitsstandard entspricht oder wenn Gefahr für Leben und Gesundheit befürchtet wird, und welche dieser beiden Begründungen war die entscheidende für die Abschaltung von Neckarwestheim 1 und Isar 1? Für die dreimonatige Betriebseinstellung der sieben ältesten Anlagen als vorläufige aufsichtliche Maßnahme sieht das Atomgesetz § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 des Atomgesetzes als einschlägige Rechtsgrundlage vor. Auf dieser Rechtsgrundlage kann bei Vorliegen eines Gefahrenverdachts die einstweilige Betriebseinstellung angeordnet werden. Ein derartiger Verdacht ist im Atomrecht bereits dann gegeben, wenn sich wegen begründeter Unsicherheiten im Rahmen der Risikovorsorge Schadensmöglichkeiten nicht völlig ausschließen lassen. Insbesondere für die sieben ältesten deutschen Anlagen - denen auch bereits im Rahmen einer Differenzierung der Laufzeitverlängerung eine geringere zusätzliche Elektrizitätsmenge zugewiesen wurde - ist nach den Ereignissen in Japan zu überprüfen, inwieweit bisher nicht berücksichtigte Szenarien nunmehr eine neue Bewertung erfordern. Da sich gerade bei älteren Anlagen die Frage nach den in der Auslegung berücksichtigten Szenarien in besonderer Weise stellen kann, haben sich die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kernkraftwerken dazu entschlossen, diese Anlagen für den Zeitraum der Überprüfung vom Netz zu nehmen. Dies ist Ausdruck äußerster Vorsorge, der sich die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten zum Schutz der Bevölkerung verpflichtet sehen. Anlage 37 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5120, Frage 41): Werden die nicht abgerufenen Laufzeiten der stillgelegten AKW auf neuere AKW übertragen und, wenn ja, nach welchem Modus? Mit der Atomgesetznovelle 2002 wurde ein § 7 Abs. 1 b in das Atomgesetz eingefügt, wonach unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit besteht, Elektrizitätsmengen ganz oder teilweise auf andere Anlagen zu übertragen. Ob im Lichte der Ergebnisse des Moratoriums die geltende Rechtslage geändert werden soll, ist dann zu entscheiden. Anlage 38 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen der Abgeordneten Dorothea Steiner (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5120, Fra-gen 42 und 43): In welcher Höhe gegenüber welchem Betreiber wird die Bundesrepublik Deutschland oder werden einzelne Bundesländer für die einstweilige Einstellung des Betriebs der AKW eine Entschädigung zu leisten haben? Trifft es zu, dass der Betreiber des stillgelegten Atomkraftwerks, AKW, Neckarwestheim 1 berechtigt ist, die ihm für diese Anlage von der schwarz-gelben Bundesregierung zugestandene zusätzliche Laufzeit von acht Jahren ohne Genehmigung durch die Atomaufsicht auf jüngere Anlagen zu übertragen, und trifft dies analog für alle weiteren Fälle zu, in denen AKW, die vor 1980 fertiggestellt wurden, vor dem Ende ihrer regulären Betriebszeit endgültig stillgelegt werden? Zu Frage 42: Die Anordnung der einstweiligen Betriebseinstellungen erfolgt auf der Rechtsgrundlage des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 des Atomgesetzes. Danach sind Entschädigungszahlungen an die Betreiber bei der Anordnung der einstweiligen Betriebseinstellung nicht vorgesehen. Zu Frage 43: Mit der Atomgesetznovelle 2002 wurde ein § 7 Abs. 1 b in das Atomgesetz eingefügt, wonach unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit besteht, Elektrizitätsmengen ganz oder teilweise auf andere Anlagen zu übertragen. Ob im Lichte der Ergebnisse des Moratoriums die geltende Rechtslage geändert werden soll, ist dann zu entscheiden. Anlage 39 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann Ott (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5120, Frage 44): Wie bewertet die Bundesregierung, dass die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in der Regierungserklärung vom 17. März 2011 die Erforderlichkeit der Atomenergie für den Klimaschutz betonte, gegenüber den Angaben des Umweltbundesamtes, ebenfalls vom 17. März 2011, Deutschland könne sofort und ohne Stromlücken auf neun Atomkraftwerke verzichten und dass bis 2017 ein vollständiger Ausstieg ohne den Neubau von Kohlekraftwerken möglich sei? Eine Gefährdung der Versorgungssicherheit mit Strom ist durch das von der Bundesregierung beschlossene Moratorium nicht zu befürchten. Dies sieht auch das Umweltbundesamt so. Nach Einschätzung der Übertragungsnetzbetreiber hat die im Rahmen des Moratoriums angeordnete Abschaltung der Kernkraftwerke zurzeit beherrschbare Auswirkungen auch auf die Netzsicherheit und die Systemstabilität. Aus Sicht der Bundesregierung hat die Sicherheit der Kernkraftwerke oberste Priorität. Deswegen sind für gegebenenfalls weitere Entscheidungen die Ergebnisse der im Rahmen des Moratoriums anberaumten Sicherheitsüberprüfung abzuwarten. Anlage 40 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5120, Fra-ge 45): Wie lange können an den einzelnen Atomkraftwerksblöcken Batterien die Notstromversorgung alleine aufrechterhalten, falls die übrige Stromversorgung ausgefallen ist? Die Batterien sind vorgesehen für Teile der Notstromversorgung. Für diesen Zweck haben sie eine Kapazität von mindestens zwei Stunden. Insbesondere versorgen sie die Gleichstromanlage, die gesicherten Notstromschienen und sicherheitstechnisch wichtige Steuerungssysteme. Anlage 41 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/5120, Frage 46): Wie bewertet die Bundesregierung die - laut einem Bericht der Sendung Kontraste vom 17. März 2011 - in einem Papier des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit festgelegten Anforderungen für den Weiterbetrieb inländischer Atomkraftwerke hinsichtlich der Sicherheit gegen Stromausfälle, Hochwasser, Erdbeben und Flugzeugabstürze, und ist die Bundesregierung bereit, diese Anforderungen in vollem Maße unverzüglich umzusetzen? Das von Kontraste zitierte Papier wurde ab Sonntag, den 13. März 2011 im Hinblick auf eine Sicherheitsüberprüfung als eine erste Diskussionsgrundlage im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit erstellt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat das Papier am 14. März 2011 den für die Aufsicht über Kernkraftwerke zuständigen Landesministerien übermittelt. Es wurde in der Besprechung der Minister vom 15. März 2011 angesprochen, in dem auch die vorübergehende Betriebseinstellung der sieben ältesten Kernkraftwerke erörtert wurde. Das Dokument wurde der Reaktor-Sicherheitskommission, RSK, übermittelt. Die RSK berät derzeit die Anforderungen der Sicherheitsüberprüfungen und ist dabei als unabhängiges Gremium nicht an das als Ideensammlung gedachte Papier gebunden. Anlage 42 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Frage 47): Wer innerhalb der Bundesregierung redet federführend mit den Atomkraftwerksbetreibern über die dreimonatige Stilllegung der Reaktoren, und geht die Bundesregierung davon aus, dass die entsprechenden Stromkonzerne laut Förderfondsvertrag in den nächsten drei Monaten zum zehnten Bankarbeitstag jeweils die volle Höhe der vereinbarten Summe in den Förderfonds einzahlen? Die Anordnung der einstweiligen Betriebseinstellung erfolgt durch die zuständigen Atomaufsichtsbehörden der Länder auf Bitten des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Rechtslage bezüglich des Förderfondsvertrags bleibt von den Anordnungen der einstweiligen Betriebseinstellung unberührt. Anlage 43 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen der Abgeordneten Ingrid Hönlinger (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5120, Frage 48): Welche sicherheitsrelevanten Tatsachen und welche Veränderung des Sicherheitsniveaus an welchen Punkten nimmt die Bundesregierung an, die die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 des Atomgesetzes begründen? Die bisher unbestrittene Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke beruht auf der Einhaltung des Atomgesetzes, der auf dem Atomgesetz beruhenden Rechtsverordnungen und der erteilten Genehmigungen. Die Vorkommnisse in Japan haben jedoch gezeigt, dass Ereignisse auch jenseits der bisher berücksichtigten Szenarien eintreten können. Hieraus resultiert die Notwendigkeit, die Lage unter Berücksichtigung der aktuellen Ereignisse vorbehaltlos zu analysieren und hieraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Zu diesem Zweck wird die Reaktorsicherheitskommission als Gremium unabhängiger Experten in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Länder und dem Bundesumweltministerium eine neue Sicherheitsanalyse im Lichte der Ereignisse in Japan für alle deutschen Kernkraftwerke vornehmen. Für die dreimonatige Betriebseinstellung der sieben ältesten Anlagen als vorläufige aufsichtliche Maßnahme sieht das Atomgesetz § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 des Atomgesetzes als einschlägige Rechtsgrundlage vor. Auf dieser Rechtsgrundlage kann bei Vorliegen eines Gefahrenverdachts die einstweilige Betriebseinstellung angeordnet werden. Ein derartiger Verdacht ist im Atomrecht bereits dann gegeben, wenn sich wegen begründeter Unsicherheiten im Rahmen der Risikovorsorge Schadensmöglichkeiten nicht völlig ausschließen lassen. Insbesondere für die sieben ältesten deutschen Anlagen - denen auch bereits im Rahmen einer Differenzierung der Laufzeitverlängerung eine geringere zusätzliche Elektrizitätsmenge zugewiesen wurde - ist nach den Ereignissen in Japan zu überprüfen, inwieweit bisher nicht berücksichtigte Szenarien nunmehr eine neue Bewertung erfordern. Da sich gerade bei älteren Anlagen die Frage nach den in der Auslegung berücksichtigten Szenarien in besonderer Weise stellen kann, haben sich die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kernkraftwerken dazu entschlossen, diese Anlagen für den Zeitraum der Überprüfung vom Netz zu nehmen. Dies ist Ausdruck äußerster Vorsorge, der sich die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten zum Schutz der Bevölkerung verpflichtet sehen. Anlage 44 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Hönlinger (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5120, Frage 49): Mit welchem Schadenersatzrisiko - aufgeschlüsselt nach Wahrscheinlichkeit, Höhe und Anspruchsteller - rechnet die Bundesregierung angesichts des Umstandes, dass die Atomkonzerne EnBW, Eon und RWE angekündigt haben, die vorübergehende Stilllegung ihrer Atomkraftwerke juristisch überprüfen zu lassen? Die Anordnung der einstweiligen Betriebseinstellungen erfolgt auf der Rechtsgrundlage des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 des Atomgesetzes. Danach sind Entschädigungszahlungen an die Betreiber bei der Anordnung der einstweiligen Betriebseinstellung nicht vorgesehen. Anlage 45 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen der Abgeordneten Sabine Stüber (DIE LINKE) (Drucksache 17/5120, Fragen 50 und 51): Hatte die Bundesregierung bereits vor dem Reaktorunglück in Japan Kenntnis von dem laut einem Bericht der Sendung Kontraste vom 17. März 2011 im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, erstellten Papier, in dem deutlich erhöhte Anforderungen für den Weiterbetrieb inländischer Atomkraftwerke hinsichtlich der Sicherheit gegen Stromausfälle, Hochwasser, Erdbeben und Flugzeugabstürze festgelegt sind, und, wenn ja, warum ist dieses Papier nicht unverzüglich umgesetzt worden? Welche Rolle hat das Papier des BMU zur Verschärfung von Sicherheitsnormen bei deutschen Atomkraftwerken, über das das Fernsehmagazin Kontraste am 17. März 2011 berichtete, bei der Entscheidung der Bundesregierung über die dreimonatige Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke gemäß § 19 Abs. 3 des Atomgesetzes gespielt, und wird es als Basis für die anstehenden Sicherheitsüberprüfungen der deutschen Atomkraftwerke dienen? Zu Frage 50: Nein. Zu Frage 51: Das von Kontraste zitierte Papier wurde ab Sonntag, den 13. März 2011, im Hinblick auf eine Sicherheitsüberprüfung als eine erste Diskussionsgrundlage erstellt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat das Papier am 14. März 2011 den für die Aufsicht über Kernkraftwerke zuständigen Landesministerien übermittelt. Es wurde in der Besprechung der Minister vom 15. März 2011 angesprochen, in dem auch die vorübergehende Betriebseinstellung der sieben ältesten Kernkraftwerke erörtert wurde. Das Dokument wurde der Reaktor-Sicherheitskommission, RSK, übermittelt. Die RSK berät derzeit die Anforderungen der Sicherheitsüberprüfungen und ist dabei als unabhängiges Gremium nicht an das als Ideensammlung gedachte Papier gebunden. Anlage 46 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen der Abgeordneten Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) (Drucksache 17/5120, Fragen 52 und 53): Welche Studien liegen der Bundesregierung vor, die einen Zusammenhang radioaktiver Strahlung sowohl wegen der Atomkatastrophe in Tschernobyl wie auch wegen in Deutschland vorhandener Atomkraftwerke bzw. Atomlager mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen bis hin zu Krebs nahelegen oder nachweisen - bitte alle Studien benennen)? Aufgrund welcher wissenschaftlicher Expertisen werden Grenzwerte für Strahlungen aus Atomkraftwerken festgelegt, und liegen prospektive wissenschaftliche Langzeitstudien dazu vor, dass bei Strahlenbelastungen unterhalb dieser Grenzwerte gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden können - bitte Studien benennen? Die Bundesregierung verfolgt und bewertet zusammen mit dem Bundesamt für Strahlenschutz und der Strahlenschutzkommission die aktuelle Entwicklung des Kenntnisstandes im Strahlenschutz. Der Stand des diesbezüglichen Wissens, insbesondere zu den Risiken durch ionisierende Strahlung, ist in den Berichten des United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation, UNSCEAR, und in den Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission, ICRP, abgebildet. Hieraus ergeben sich die Grundlagen für internationale Standards und Regelungen - zum Beispiel der Internationalen Atomenergie Organisation, IAEO, und der Europäischen Kommission - und die nationale Festlegung von Grenzwerten. Falls Anzeichen für neue Erkenntnisse vorliegen, werden die bestehenden Regelungen überprüft. Ein Beweis, dass unterhalb der Grenzwerte gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden können, ist aus erkenntnistheoretischen Gründen nicht möglich. Eine Auflistung aller Studien, die sich auf mehrere Hundert belaufen dürften, ist kurzfristig nicht möglich. Anlage 47 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen des Abgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE ) (Drucksache 17/5120, Fragen 54 und 55): Plant die Bundesregierung neben der dreimonatigen Unterbrechung der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke in Deutschland, Studien zur gesundheitlichen Situation von Anwohnern von Kernkraftwerken bezüglich möglicher erhöhter Strahlenwerte und deren Auswirkungen in Auftrag zu geben? Welche präventiven Maßnahmen ergreift die Bundesregierung angesichts der Erfahrung einer Atomkatastrophe in Japan im deutschen Gesundheitssystem - zum Beispiel Bevorratung von Jodtabletten, Lebensmitteln und Wasser - für den Fall einer Atomkatastrophe in Deutschland oder einem europäischen Nachbarland, und sind Weiterbildungsmaßnahmen für das Personal in Krankenhäusern und bei niedergelassenen Ärzten vorgesehen? Zu Frage 54: Nein. Die bisherigen Untersuchungen sind nach derzeitigem Kenntnisstand methodisch nicht mehr zu verbessern; ein Erkenntnisgewinn durch weitere Untersuchungen ist gegenwärtig nicht zu erwarten. Zu Frage 55: Der Katastrophenschutz fällt in die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Auch der Gesetzesvollzug unterliegt dem Verantwortungsbereich der Landesregierungen. Dies umfasst auch die unmittelbare Gefahrenabwehr im nuklearen Notfallschutz. Damit die Planungen der Bundesländer im Zusammenhang mit nuklearen Ereignissen nach weitgehend einheitlichen Kriterien erfolgen und bei der besonderen Katastrophenschutzplanung für die Umgebung kerntechnischer Anlagen im gesamten Bundesgebiet soweit wie möglich nach gleichen Grundsätzen verfahren wird, hat der Bund in Zusammenarbeit mit den Ländern und der Strahlenschutzkommission die "Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen" sowie die "Radiologischen Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei unfallbedingten Freisetzungen von Radionukliden" - in der Fassung vom 27. Oktober 2008; GMBl. 2008, Nr. 62/63, S. 1278 ff. - herausgegeben. Auf die konkreten Einzelplanungen und Maßnahmen hat der Bund keinen Einfluss. Die Bevorratung von Jodtabletten ist umgesetzt. Auch der Vollzug der Trinkwasserverordnung liegt in der Zuständigkeit der Länder. Um die geltenden rechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren durch kontaminiertes Trinkwasser sicherzustellen, werden regelmäßige Wasseruntersuchungen vorgenommen. Für den Fall einer Kontaminierung können von den zuständigen Behörden geeignete Maßnahmen vor Ort eingeleitet werden, die bis zu einer lokalen Unterbrechung der Trinkwasserversorgung sowie einer ersatzweisen Trinkwasserversorgung reichen. Ein Kurrikulum für die Fortbildung von Ärzten wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und des Bundesamtes für Strahlenschutz erarbeitet. Entsprechende Fortbildungsangebote werden bereits gemacht. Anlage 48 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5120, Frage 56): Werden nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Untersuchung von Bedrohungsszenarien durch Panzerabwehrlenkwaffen auch neuere Waffentypen in die Szenarien einbezogen, die in den letzten Jahren produziert wurden, und, falls ja, werden auch Waffentypen einbezogen, die sich in der Entwicklungspipeline der Hersteller befinden? Grundlage der erforderlichen Schutzmaßnahmen gegen eine mögliche terroristische Bedrohung kerntechnischer Anlagen und Einrichtungen sind Lastannahmen als Ergebnis einer Bedrohungsanalyse. Diese Lastannahmen werden in Abstimmung zwischen den atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden und den Sicherheitsbehörden festgelegt, regelmäßig überprüft und gegebenenfalls an neue Erkenntnisse angepasst. Zu den Lastannahmen zählen auch mögliche Tatmittel potenzieller Täter. Panzerabwehrlenkwaffen gehören zum derzeitigen Spektrum der Tatmittel. Einzelheiten zu den unterstellten Waffentypen werden jedoch grundsätzlich nicht veröffentlicht, um die Wirksamkeit der getroffenen Gegenmaßnahmen nicht zu gefährden. Anlage 49 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5120, Frage 57): In welchen deutschen Atomkraftwerken werden MOX-Brennelemente eingesetzt, und in welchen wurden in der Vergangenheit MOX-Brennelemente eingesetzt? Folgende Kernkraftwerke haben Genehmigungen für den Einsatz von Mischoxid-(MOX-)Brennelementen; die Jahreszahl, in Klammern, bezieht sich auf die bislang letzte Nachladung von MOX-Brennelementen: Die Druckwasserreaktoren Neckarwestheim Block 1 (1992) und 2 (2003), Philippsburg 2 (2006), Unterweser (2006), Grohnde (2004), Brokdorf (2009), Emsland (2009), Grafenrheinfeld (2007), Isar 2 (2009) und die Siedewasserreaktoren Gundremmingen Block B (2009) und Block C (2009). In der Regel bleiben die MOX-Brennelemente wie die Uranbrennelemente für vier Zyklen, das heißt für rund vier Jahre, im Kern, bis sie ihren Zielabbrand erreicht haben. Weiter wurden in folgenden stillgelegten Kernkraftwerken oder Prototypreaktoren MOX-Brennelemente eingesetzt: Obrigheim vor dem Jahr 2000, Gundremmingen A vor 1983, Lingen vor 1977 und Versuchsatomkraftwerk Kahl, VAK, vor 1985. Anlage 50 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE ) (Drucksache 17/5120, Frage 58): Welche präventiven Maßnahmen empfiehlt die Bundesregierung der Bevölkerung angesichts der Erfahrung einer Atomkatastrophe in Japan, um im Falle einer atomaren Katastrophe Gesundheitsschäden zu vermeiden, und wie wird über solche Maßnahmen informiert? Die Zuständigkeit für den Katastrophenschutz liegt bei den Ländern. Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen sind die vorgesehenen Maßnahmen der Länder ausreichend. Die Länder sind zusammen mit den Betreibern verpflichtet, für die Bevölkerung in einem Umkreis von 25 km um ein Kernkraftwerk die Bevölkerung über geplante Katastrophenschutzmaßnahmen zu unterrichten. Damit die Planungen der Bundesländer im Zusammenhang mit nuklearen Ereignissen nach weitgehend einheitlichen Kriterien erfolgen und bei der besonderen Katastrophenschutzplanung für die Umgebung kerntechnischer Anlagen im gesamten Bundesgebiet soweit wie möglich nach gleichen Grundsätzen verfahren wird, hat der Bund in Zusammenarbeit mit den Ländern und der Strahlenschutzkommission die "Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen" sowie die "Radiologischen Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei unfallbedingten Freisetzungen von Radionukliden" - i. d. F. vom 27. Oktober 2008; GMBl. 2008, Nr. 62/63, Seite 1278 ff. - herausgegeben. Auf die konkreten Einzelplanungen und Maßnahmen hat der Bund keinen Einfluss. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 59): Welche konkreten Verbesserungen beim Management von "Fusion for Energy" konnte die Bundesregierung insbesondere im Hinblick auf die von ihr kritisierte "intransparente Ausschreibungspraxis" von "Fusion for Energy" (Ausschussdrucksache 17(8)1932) zwischenzeitlich aufgrund ihrer Vorschläge beim europäischen Wettbewerbsfähigkeitsrat vom 26. November 2010 erreichen, und wie haben sich die Auftragsvolumina an deutsche Unternehmen, die sich demnach auf "lediglich ca. 28 Millionen Euro" bei einem "Gesamtvolumen von 1,3 Milliarden Euro" beliefen, mittlerweile entwickelt? Nach Kenntnisstand der Bundesregierung haben - unabhängig von der vom Europäischen Wettbewerbsfähigskeitsrat konkret erbetenen Vorschläge - bei der Europäischen ITER-Agentur eine Reihe von Verwaltungsanpassungen im vergangenen Jahr bereits stattgefunden. Für die Beantwortung der Forderungen der Ratsschlussfolgerungen hatte die Europäische Kommission im November letzten Jahres das Dokument "Towards a robust management and governance of the ITER project" vorgelegt. Die in ihm enthaltenen Vorschläge zur Veränderung des Managements gehen aus Sicht der Bundesregierung in die richtige Richtung, reichen aber noch nicht aus. Daher hat die Bundesregierung in der genannten Ratssitzung eine Erklärung mit initiiert, nach der noch erhebliche Anstrengungen erforderlich sind, um das Projekt auf eine solide Basis zu stellen. Inzwischen hat der Aufsichtsrat der Europäischen ITER-Agentur Fusion for Energy, F4E, eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit allen Fragen der Verbesserung von Management und Governance einschließlich der Vergabepraxis befasst. Die Bundesregierung ist in der Arbeitsgruppe vertreten. Die Ergebnisse sollen in Kürze vorliegen. Bereits jetzt ist zu sagen, dass die diskutierten Veränderungen zum großen Teil in die von der Bundesregierung gewünschte Richtung gehen. Zum zweiten Teil der Frage: Seit der Sitzung des Wettbewerbsfähigkeitsrates am 26. November 2010 sind keine größeren Ausschreibungen erfolgt. Zurzeit wird ein recht großer Auftrag verhandelt, bei dem ein deutsches Unternehmen in einem internationalen Konsortium größere Chancen hat, den Zuschlag zu erhalten. Allerdings wird von F4E vorgetragen, dass die Preisvorstellungen des französisch-deutschen Konsortiums deutlich über den Erwartungen von F4E liegen und daher gegebenenfalls auch eine internationale Ausschreibung als notwendig angesehen wird. Die Bundesregierung beobachtet diesen Prozess sehr genau. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 60): Welche Kosten erwartet die Bundesregierung für die Umsetzung des Konzepts des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für ein "Haus der Zukunft", und welche Kosten sind für das Projekt bisher entstanden? Aus der Machbarkeitsstudie, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung zum "Haus der Zukunft" in Auftrag gegeben hat, lassen sich jährliche Kosten in Höhe von circa 11 bis 13 Millionen Euro ableiten. Darin sind einerseits die aus dem Bundeshaushalt zu finanzierenden Umlagekosten für die Infrastruktur an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, BImA, und andererseits die Kosten für Betrieb und Bespielung enthalten. Letztere soll eine Trägerorganisation unter maßgeblicher Mitwirkung des Bundes, der Wissenschaft, der Wirtschaft und von Stiftungen finanzieren. Hinzu kommen Vor-Eröffnungs-Kosten und Kosten für die Planung und Einrichtung der Erstausstattung der Ausstellung, für die circa 11 bis 13 Millionen Euro einzuplanen sind. Ziel ist es, auch dafür anteilig private Mittel einzuwerben. Bislang sind aus dem Titel 3003/539 99 Haushaltsmittel in Höhe von rund 335 000 Euro für das Projekt "Haus der Zukunft" abgeflossen. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Fragen des Abgeordneten Kai Gehring (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Fragen 61 und 62): Welche steuernde, koordinierende, beratende und kontrollierende Funktion nimmt die Bundesregierung bei der Erarbeitung und Einführung eines neuen Verfahrens für die Hochschulzulassung derzeit wahr, und welche aktive Rolle will sie vor dem Hintergrund des Fachgesprächs im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages am 16. März 2011 übernehmen, um weitere Verzögerungen beim Starttermin des Systems und fortgesetztes Durcheinander bei der Hochschulzulassung zu verhindern? Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den zentralen Ergebnissen des 11. Studierendensurveys insbesondere im Hinblick auf die beabsichtigten Korrekturen der Bologna-Reform - Studierbarkeit verbessern und Mobilitätsfenster integrieren, individuelle Studienverläufe sichern, breite wissenschaftliche Qualifizierung sichern, Masterzugang flexibilisieren, Transparenz des gestuften Studiensystems erhöhen, Studierbarkeit in Akkreditierung prüfen, Kompetenz benennen, Prüfungsleistungen reduzieren, Anerkennung verbessern, Arbeitsbelastung flexibilisieren -, und wie bewertet sie den Stand der Umsetzung des Kultusmininisterkonferenzbeschlusses zur Änderung der Ländergemeinsamen Strukturvorgaben vom Dezember 2009? Zu Frage 61: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat der von Ländern und Hochschulen getragenen Stiftung für Hochschulzulassung eine Zuwendung für die Anschubfinanzierung des neuen dialogorientierten Serviceverfahrens als Projektförderung gewährt. Die Durchführung des Projekts obliegt der Stiftung für Hochschulzulassung. Im Rahmen des Projektcontrollings wirkt das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf die am Projekt unmittelbar beteiligten Akteure ein. Diese Rolle wird die Bundesregierung auch weiterhin aktiv wahrnehmen. Zu Frage 62: Der 11. Studierendensurvey der Arbeitsgruppe Hochschulforschung an der Universität Konstanz beruht auf einer Erhebung, die im Wintersemester 2009/2010 durchgeführt wurde. Insofern können die Ergebnisse noch nicht die Auswirkungen der politischen Vereinbarungen aus dem Jahr 2010 zeigen. Die Ergebnisse bestätigen jedoch, dass mit den Maßnahmen, die von Bund, Ländern und Hochschulen zur Verbesserung der Qualität der Lehre, zur Studierbarkeit und zur Reduzierung der Prüfungslast vorgenommen wurden, zentrale Bereiche für eine verbesserte Umsetzung der Bologna-Reformen in Angriff genommen wurden. Die Umsetzung des Beschlusses der Kultusministerkonferenz zur Änderung der Ländergemeinsamen Strukturvorgaben vom Dezember 2009 ist erfolgt durch die Verabschiedung einer veränderten Fassung am 4. Februar 2010. Die in dieser Fassung enthaltenen Neuregelungen, insbesondere zur Berücksichtigung der Studierbarkeit in der Akkreditierung, die Verweise auf die Lissabon-Konvention als Grundlage für die Anerkennung von Studienleistungen und die Klarstellungen zur geforderten Anzahl von ECTS-Punkten stellen wichtige Verbesserungen dar. Die Umsetzung der Strukturvorgaben in den Landeshochschulgesetzen und Studienordnungen der Hochschulen dauert an. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage der Abgeordneten Nicole Gohlke (DIE LINKE) (Drucksache 17/5120, Frage 63): Wie will die Bundesregierung zukünftig die Beteiligung und Mitbestimmung der Studierenden sowie der Lehrenden - etwa in Form einer Vertreterin oder eines Vertreters des Freien Zusammenschlusses von Student/inn/enschaften e. V. bzw. der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft - beim Aufbau und bei der Struktur der geplanten Akademie bzw. des geplanten Forums für Studium und Lehre sicherstellen, und warum ist dies bisher nicht erfolgt? Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz, GWK, von Bund und Ländern hat noch nicht abschließend über den Vorschlag eines Forums für Studium und Lehre entschieden. Die in diesem Zusammenhang diskutierten Aufgaben für eine mögliche Bund-Länder-Initiative sollen zunächst im Lichte der mehr als 200 zwischenzeitlich eingegangenen Anträge der Hochschulen für den Qualitätspakt Lehre sowie der durch verschiedene Stiftungen angekündigten Fördermaßnahmen für gute Lehre bewertet werden. Anlage 55 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Gudrun Kopp auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Frage 64): Wie sieht der genaue Zeitplan der Bundesregierung für die Untersuchung der Korruptionsvorfälle im Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria aus, und wie soll die Sonderprüfung konkret gestaltet werden? Derzeit wird ein "hochrangiges unabhängiges Untersuchungsgremium zur Finanzkontrolle und -überprüfung des Globalen Fonds" (High-Level Independent Review Panel of Global Fund Fiduciary Controls and Oversight) eingerichtet. Derzeit stehen erst die beiden Ko-Vorsitzenden fest: Festus Mogae, ehemaliger Präsident von Botswana und Träger des Mo-Ibrahim-Preises für gute Regierungsführung, sowie Michael O. Leavitt, ehemaliger Minister für Gesundheit und Soziales der USA. Die Bundesregierung wird die Gesamtbesetzung, die Aufgabenstellung, den Zeitplan und die geplante Vorgehensweise dieses Panels bewerten. Sie bemüht sich im Übrigen um hochrangige Beteiligung in dem Panel. Die Bundesregierung wirkt darauf hin, dass die notwendigen Prüfungsergebnisse noch vor Ende Juni 2011 vorliegen, sodass sie noch im Juli eine Auswertung vornehmen kann. Abhängig von der Bewertung der Zusammensetzung, der Aufgabenstellung, dem Zeitplan und der geplanten Vorgehensweise des Panels behält sich die Bundesregierung vor, ergänzende eigene Prüfungen durchzuführen. Dies gebietet die Verantwortung für die ordnungsgemäße Umsetzung öffentlicher Gelder. Die konkrete Gestaltung einer eventuell erforderlichen eigenen Sonderprüfung steht vor diesem Hintergrund noch nicht fest. Anlage 56 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/5120, Frage 65): Wie bewertet die Bundesregierung die vom afghanischen Präsidenten Hamid Karzai geäußerte Kritik daran, dass Zivilisten bei Bombardierungen der internationalen Truppen zu Tode gekommen sind, und seine Forderung nach einem Abzug der NATO aus Afghanistan (Tagesschau vom 12. März 2011) und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Forderung von Hamid Karzai für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan? Staatspräsident Karsai hat gegenüber dem Sonderbeauftragten der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, Botschafter Steiner, klargestellt, dass er sich bei seiner Aussage auf Operationen, soweit sie zivile Opfer im afghanischen Volk fordern, bezogen hat. Dies bestätigte auch der Sprecher des Präsidenten, Wahid Omer, auf einer Pressekonferenz am 14. März 2011. Einen Abzug der NATO aus Afghanistan hat Präsident Karsai nicht gefordert. In diesem Kontext ist die gemachte Aussage nachvollziehbar und wird so auch von der Bundesregierung geteilt. Die Internationale Sicherheits- und Unterstützungstruppe ISAF, der auch die Bundeswehr angehört, ist bestrebt, ihren Auftrag ohne Opfer unter der Zivilbevölkerung zu erfüllen. Die Bundesregierung und die afghanische Regierung sind sich darin einig, an dem international vereinbarten Zeitplan zur Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte bis 2014 festhalten zu wollen. Nach diesem Ziel richtet sich auch der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Anlage 57 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Fragen der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Fragen 66 und 67): Wie bewertet die Bundesregierung Kundgebungen und Aufrufe wie zum Beispiel die von Aktivisten des Bremer Friedensforums - Arbeitsgruppe Nahost -, dem Arbeitskreis Süd-Nord Bremen und der Initiative "Nordbremer Bürger gegen den Krieg" am 11. März 2011 in Bremen durchgeführte Aktion, die den Boykott aus Israel importierter Waren zum Inhalt hatte, und die Folgen derartiger Aufrufe und Aktionen für den deutsch-israelischen Dialog - vergleiche www.dielinke-bremen.de/nc/politik/aktuell/detail/zurueck/bremennews/artikel/ boykottaktion-in-der-wachmannstrasse, aufgerufen am 16. März 2011, 14.30 Uhr? Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über ähnliche Aktionen, Kundgebungen oder Boykottaufrufe in den vergangenen zwölf Monaten, und von welchen Personen, Parteien, Verbänden, Initiativen oder Vereinigungen wurden diese initiiert? Zu Frage 66: Die Bundesregierung lehnt Aufrufe zum Boykott aus Israel importierter Waren nachdrücklich ab. Solche Aufrufe sind für das deutsch-israelische Verhältnis zutiefst schädlich. Sie zeugen von einem eklatanten Mangel an Bewusstsein für unsere besondere historische Verantwortung gegenüber Israel. Zu Frage 67: Der Bundesregierung sind keine weitere Boykottaufrufe ähnlicher Art aus den letzten zwölf Monaten in der Bundesrepublik bekannt. Anlage 58 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/5120, Frage 68): Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Verhaftung der zyprischen Europaabgeordneten Eleni Theocharous, der polnischen Europaabgeordneten Jaroslaw Walesa und Artur Zasada, der bulgarischen Abgeordneten Mariya Nedelcheva, des Bischofs von Neapolis Porfyrios, der früheren Europaabgeordneten Yiannakis Matsis sowie der Vertreter der Flüchtlinge aus Famagusta, Loizos Afxentiou, und zwei weiterer Personen am 12. März 2011 durch Besatzungsbehörden im türkisch besetzten Teil Zyperns völkerrechtswidrig war, und inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Türkei dafür zwar nicht tatsächlich verantwortlich sei, aber dieser Akt grundsätzlich in die Hoheitsgewalt der Türkei fällt, auch wenn er außerhalb türkischen Hoheitsgebiets gesetzt wurde, weil die Verantwortlichkeit als Folge der militärischen Besetzung des nördlichen Teils Zyperns entsteht, in deren Folge die Türkei die effektive Kontrolle über ein fremdes Gebiet ausübt? Die Verhaftung der Abgeordneten sowie der weiteren Personen fand in dem Teil Zyperns statt, in welchem die Regierung der Republik Zypern keine tatsächliche Kontrolle ausübt. Eine rechtliche Bewertung des Falles durch die Bundesregierung wird nicht weiterführen. Die Bundesregierung hält vielmehr die Verhandlungsführung der Parteien untereinander mit Unterstützung durch die Vereinten Nationen für den richtigen Weg zu einer Lösung des Zypern-Konflikts. Die Bundesregierung fordert die am Zypernkonflikt beteiligten Parteien in Übereinstimmung mit EU und Internationaler Gemeinschaft immer wieder auf, in gegenseitigem Einvernehmen die bestehende Blockade zu überwinden. Anlage 59 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des Abgeordneten Manfred Grund (CDU/CSU) (Drucksache 17/5120, Frage 69): Inwieweit plant die Bundesregierung, Flugzeuge einzusetzen, um deutsche Staatsangehörige aus Japan nach Deutschland zu fliegen? Linienflüge von und nach Japan verkehren regelmäßig. Es stehen ausreichend Sitzplatzkapazitäten in Linienflügen sowohl für Flüge aus Japan in die Region als auch aus Japan nach Europa zur Verfügung. Anlage 60 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/5120, Frage 70): Welche Maßnahmen und Hilfen leistet die Bundesregierung für die Opfer der Atomkatastrophe von Tschernobyl, und welche Hilfen für die Opfer der Atomkatastrophe von Japan sind bisher geplant? Zu Tschernobyl: G 8, EU sowie 20 weitere Geberstaaten haben dem Chernobyl Shelter Fund, CSF, aus dem die Stabilisierung des bestehenden Sarkophags sowie der Bau des neuen sichereren Einschlusses finanziert werden, seit 1997 circa 864 Millionen Euro zugesagt und davon bisher 793 Millionen Euro überwiesen - Stand: Oktober 2010. Deutschland beteiligt sich mit circa 60,5 Millionen Euro am CSF und stellte 43,9 Millionen Euro für den Nuclear Safety Account, NSA, der der Errichtung neuer Abkling- und Lagerbecken dient, zur Verfügung. Daneben gab es umfangreiche Hilfen sowohl der Bundesregierung als auch aus der Bevölkerung, für die von der Katastrophe betroffenen Menschen. Deren genauer Umfang ließ sich - hierfür bitte ich um Verständnis - in der Kürze der Zeit nicht mehr exakt rekonstruieren. Zu Fukushima: Zu den Ereignissen am Kernkraftwerk Fukushima in Japan liegen bislang keine verlässlichen Informationen vor. Insbesondere ist nicht absehbar, welche Opfer das Unglück gefordert hat und mit welchen Langzeitfolgen zu rechnen ist. Nach Kenntnissen der Bundesregierung ist in Japan eine umfassende und gute medizinische Versorgung gewährleistet. Japan hat am 16. März 2011 Hilfeersuchen an die EU gerichtet. Japan wünscht derzeit keine bilaterale humanitäre Hilfe, da diese besser aus Japan bzw. regional zu beschaffen ist. Wir unterstützen die EU-Kommissarin für internationale Zusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Krisenreaktion, Kristalina Georgieva, und erwarten, dass die EU-Expertenmission, die seit dem 18. März 2011 vor Ort ist, rasch zu konkreten Ergebnissen und Vorschlägen kommt. Anlage 61 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Fragen des Abgeordneten Manfred Kolbe (CDU/CSU) (Drucksache 17/5120, Fragen 71 und 72): Warum hat sich Deutschland bei der Abstimmung über die Resolution zur Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen enthalten, während alle unsere westlichen Partner diese Maßnahme gegen den Diktator Muammar al-Gaddafi befürwortet haben, die auch von der Arabischen Liga gefordert worden war? Glaubt die Bundesregierung, dass allein die starken Worte des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, den Diktator Muammar al-Gaddafi zur Einhaltung der Menschenrechte bewegen werden und das angekündigte Massaker an der Opposition in Bengasi verhindert hätten? Zu Frage 71: Die Bundesregierung hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Sie war Ergebnis eines intensiven, ausführlichen und schwierigen Abwägungsprozesses. Wir waren uns einig: Der Druck auf Gaddafi muss erhöht werden. Über dieses Ziel gibt es keinen Zweifel. Wir unterstützen nachdrücklich jene Teile der Resolution 1973, die die Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime weiter und erheblich verschärfen. Wir sind aber in der Abwägung aller Risiken zu dem Ergebnis gekommen, dass wir uns nicht mit deutschen Soldaten an einem militärischen Einsatz in Libyen beteiligen werden. Daher haben wir uns bei der Abstimmung enthalten. Zu Frage 72: Die Bundesregierung ist überzeugt, dass die Verhängung gezielter, harter Sanktionen und ihre weltweite konsequente Umsetzung geeignet sind, das Gaddafi-Regime zur Abgabe der Macht zu zwingen. Eine militärische Intervention ist demgegenüber mit hohen Risiken für alle Beteiligten - auch für die libysche Bevölkerung - behaftet. Insofern verweise ich auf meine Antwort auf Ihre erste Frage. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage des Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 73): Wird die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Erstarkens der rechtsextremen NPD in einem weiteren ostdeutschen Bundesland eine Neuakzentuierung ihrer bisherigen Extremismuspolitik vornehmen? Die Bundesregierung betrachtet den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und - damit verbunden - die Bekämpfung und Prävention von politisch oder religiös motiviertem Extremismus als eine der grundlegenden Aufgaben von Staat und Gesellschaft. Die Bundesprogramme zur Stärkung von Demokratie und Toleranz leisten im Bereich pädagogischer Arbeit mit jungen Menschen und in anderen Bereichen der demokratischen Gemeinwesenarbeit hierzu ihren anerkannten Beitrag. Diesen Weg gilt es, nicht zuletzt auch in Ansehung der jüngsten Wahlergebnisse der NPD in Sachsen-Anhalt, weiterhin konsequent zu beschreiten. In Ostdeutschland unterstützt der Beauftragte der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer mit dem Programm "Zusammenhalt durch Teilhabe" entsprechende Bemühungen in besonderer Weise. Die Förderprojekte für demokratische Teilhabe orientieren sich an dem von der Bundesregierung verfolgten ganzheitlichen Ansatz. Durch die Förderung von Handlungskompetenzen zum Beispiel im Bereich der Jugendarbeit sowie einer Stärkung demokratischer Teilhabe sollen Einflussmöglichkeiten extremistischer Tendenzen minimiert werden. In diesem Sinne wird die Bundesregierung ihre Politik zur Bekämpfung von Extremismus und Intoleranz unter Einbeziehung aller politischen Kräfte und des zivilgesellschaftlichen Engagements weiter entschlossen fortsetzen. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/5120, Frage 74): Inwieweit ist die Verschärfung zu § 8 Abs. 3 Satz 5 des Aufenthaltsgesetzes - Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nur für maximal ein Jahr, solange nicht das Sprachniveau B 1 nachgewiesen wurde - bei türkischen Staatsangehörigen mit dem Verschlechterungsverbot im Assoziationsrecht vereinbar - Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation -, sowohl was das neue Erfordernis eines Sprachnachweises betrifft als auch die neuen Beschränkungen infolge vermehrter Vorsprachen und damit verbundener erhöhter Kosten für häufigere Verlängerungen der Aufenthaltserlaubnis, und inwieweit hält die Bundesregierung diese Neuregelung überhaupt noch für sinnvoll, wenn sie auf die Hauptbetroffenengruppe gar nicht anwendbar ist? Die Rechte der türkischen Staatsangehörigen nach dem Assoziationsrecht EWG-Türkei bleiben durch die Neuregelung unberührt. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis jeweils nur um maximal ein Jahr bis zum erfolgreichen Abschluss des Integrationskurses bzw. dem Nachweis, dass die Integration anderweitig erfolgt ist, kann einen zusätzlichen Anreiz schaffen, sich zügig in die Lebensverhältnisse in Deutschland zu integrieren. § 8 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz stellt bislang lediglich auf die ordnungsgemäße und nicht auf die erfolgreiche Teilnahme am Integrationskurs ab. Integrationspolitisch kommt es jedoch darauf an, dass der Betroffene den Integrationskurs auch erfolgreich abschließt, das heißt insbesondere ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache erwirbt. Die Frage der Vereinbarkeit einer gesetzlichen Festlegung der Geltungsdauer von Aufenthaltstiteln mit Art. 13 Assoziationsratsbeschluss 1/80 ist in der Rechtsprechung des Europäische Gerichtshof noch nicht entschieden. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Frage 75): Fallen aus Sicht der Bundesregierung Terrorangriffe unter den Begriff "Restrisiko"? Nein. Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden des Bundes muss ein Anschlag auf kerntechnische Einrichtungen in Deutschland als mögliche Option islamistischer Terroristen in Betracht gezogen werden und kann insoweit nicht völlig ausgeschlossen werden. Doch wird eine solche Gefährdung derzeit als nicht wahrscheinlich bewertet. Für Anschlagsszenarien wie etwa ein gewillkürter Flugzeugabsturz auf ein Kernkraftwerk oder Terrorakte in einer Anlage besteht zwar eine sehr niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit. Sie sind aber von dem sogenannten Restrisiko zu unterscheiden, das als unentrinnbar hinzunehmen ist, weil seine Realisierung als praktisch ausgeschlossen erscheint. Der deshalb erforderlichen Schadensvorsorge wird durch ein integriertes Sicherungs- und Schutzkonzept Rechnung getragen, in dem Maßnahmen der Betreiber und der staatlichen Sicherheitskräfte aufeinander abgestimmt sind. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/5120, Frage 76): Wie viele Neueinstellungen erfolgten im Jahr 2010 in den obersten Bundesbehörden, und wie viele davon waren schwerbehinderte Frauen und Männer (bitte aufgeschlüsselt nach Bundesbehörden)? Statistische Daten über die jährlichen Neueinstellungen in den obersten Bundesbehörden werden nicht zentral erhoben. Diese Daten einschließlich der Anzahl der neueingestellten schwerbehinderten Frauen und Männer wurden zur Beantwortung der mündlichen Frage mittels einer Ressortabfrage erhoben. In den obersten Bundesbehörden erfolgten im Jahr 2010 671 Neueinstellungen, davon waren 26 schwerbehindert. Der Anteil der schwerbehinderten Frauen und Männern lag bei 3,9 Prozent. Oberste Bundes-behörde Neueinstellungen im Jahr 2010 insge samt davon schwerbehindert insgesamt davon Frauen davon Män ner abso lut in Pro zent BK 13 0 0,0 0 0 AA 198 8 4,0 2 6 BMI 37 1 2,7 0 1 BMJ 32 2 6,3 1 1 BMF 22 0 0,0 0 0 BMWi 41 0 0,0 0 0 BMAS 23 3 13,0 1 2 BMELV 44 2 4,5 2 0 BMVg 13 0 0,0 0 0 BMFSFJ 34 2 5,9 1 1 BMG 30 2 6,7 1 1 BMVBS 56 2 3,6 1 1 BMU 55 1 1,8 0 1 BMBF 36 2 5,6 0 2 BMZ 32 1 3,1 0 1 BPA 6 0 0,0 0 0 Insgesamt 672 26 3,9 9 17 Die nach § 71 Abs. 1 in Verbindung mit § 159 Abs. 1 SGB IX zu erfüllende Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen beträgt für den Bund 5 bzw. 6 Prozent, gemessen an dem Gesamtbestand der Beschäftigten des Bundes. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich diese Quote auf die gesamte Bundesverwaltung bezieht. Daher ist die isolierte Betrachtung eines Jahres hinsichtlich der Erfüllung der gesetzlichen Quote nicht aussagekräftig. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass eine Schwerbehinderung auch im Laufe des Berufslebens erst entstehen kann. Der Beschäftigungsanteil von Schwerbehinderten beim Arbeitgeber Bund und somit den Erfüllungsgrad der gesetzlichen Quote erhebt die Bundesagentur für Arbeit. Die Auswertung für das Jahr 2008 ergab für die Bundesverwaltung eine Beschäftigungsquote von 7,9 Prozent. Die gesetzlich zu erfüllende Quote wurde damit deutlich übererfüllt. Da der Bund die Beschäftigungsquote regelmäßig erfüllt, entfällt die Zahlung der Ausgleichsabgabe. Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Max Stadler auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Eva Högl (SPD) (Drucksache 17/5120, Fragen 77 und 78): Seit wann ist dem Bundesministerium der Justiz bekannt, dass die USA nach dem SWIFT-Abkommen auch Zugriff auf innereuropäische - und sogar zu einem geringen Anteil auch auf innerdeutsche - Finanztransaktionsdaten über das System SWIFTNet FIN haben und nur Daten aus dem SEPA-Überweisungssystem vor dem Zugriff geschützt sind? Warum hat das Bundesministerium der Justiz in den Verhandlungen zum SWIFT-Abkommen mit den USA nicht darauf gedrungen, auch die Daten, die über das System SWIFTNet FIN übertragen werden, vor dem Zugriff durch die USA zu schützen? Zu Frage 77: Vorab möchte ich anmerken, dass Zahlungen von Deutschland in einen anderen Mitgliedstaat der EU grundsätzlich als SEPA-Überweisung erfolgen und daher vom TFTP-Abkommen ausgenommen sind. Diese Ausnahme gilt zwar nicht für frühere EU-Zahlungsformen, wie die EU-Standardüberweisung. Da eine SEPA-Überweisung jedoch wesentlich billiger als die früheren EU-Zahlungsformen ist, hat sie diese im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr weitgehend verdrängt. Nach dem Scheitern des sogenannten Interimsabkommens am 11. Februar 2010 im Europäischen Parlament wurde innerhalb des Rates zunächst das Mandat für die weiteren Verhandlungen über das spätere TFTP-Abkommen vorbereitet. Die vom Rat beschlossenen Verhandlungsrichtlinien vom 26. April 2010 für die Verhandlungen mit den USA sahen vor, dass SEPA-Überweisungen von der Übertragung in die USA ausgeschlossen werden. Am Ratsbeschluss über die Verhandlungsrichtlinien hat die Bundesregierung mitgewirkt. Die Ausnahme für SEPA-Überweisungen war allen beteiligten Stellen bekannt. Zu Frage 78: Die Bundesregierung hat sich im Vorfeld der Beratungen dafür eingesetzt, die Menge der in die USA zu übertragenden Daten möglichst gering zu halten und hierzu die Übermittlung von Daten an möglichste enge Tatbestandsvoraussetzungen zu knüpfen. Die jetzige Regelung im Abkommen ist das Ergebnis der Verhandlungen zwischen EU und USA. Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 79): Ist es nach geltendem Recht - vor dem Hintergrund der Debatte über das sogenannte Brüstle-Patent - zulässig, Zellen bzw. Zellprodukte aus abgetriebenen menschlichen Föten zu patentieren, und wie bewertet die Bundesregierung diesen Sachverhalt? Dem Europäischen Gerichtshof liegt derzeit das in der Frage erwähnte "Brüstle-Patent" aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Bundesgerichtshofs zur Entscheidung vor, Rechtssache C-34/10. Dieses Patent betrifft isolierte und gereinigte Vorläuferzellen, die aus menschlichen embryonalen Stammzellen hergestellt und zur Behandlung neurologischer Erkrankungen verwendet werden sollen. Der EuGH wird auf der Grundlage der Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen die Frage zu beantworten haben, ob der Ausschluss von der Patentierbarkeit des menschlichen Embryos alle Entwicklungsstadien menschlichen Lebens von der Befruchtung der Eizelle an umfasst oder zusätzliche Voraussetzungen wie zum Beispiel das Erreichen eines bestimmten Entwicklungsstadiums erfüllt sein müssen. Der EuGH wird auch Stellung nehmen zu der Frage der Patentierbarkeit für den Fall, dass die Durchführung eines Verfahrens die vorherige Zerstörung menschlicher Embryonen oder ihre Verwendung als Ausgangsmaterial umfasst, selbst wenn in der Beschreibung auf deren Verwendung nicht hingewiesen wird. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Entscheidung des EuGH zum "Brüstle-Patent" sowie das auf dieser Grundlage zu fällende Berufungsurteil des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf die vorgenannten Fragen Rechtssicherheit herstellen wird. Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Steffen Kampeter auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/5120, Fragen 80 und 81): Welche Informationen liegen der Bundesregierung über von Hochwasser betroffenen Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, BVVG, vor, und welche Möglichkeiten einer Pachtpreisreduzierung zur Unterstützung der davon betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe sind nach Ansicht der Bundesregierung der BVVG möglich bzw. werden bereits genutzt? Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Notwendigkeit von Rückkäufen bereits privatisierter BVVG-Flächen aufgrund der Erwerbsansprüche von Alteigentümern infolge des Zweiten Flächenerwerbsänderungsgesetzes? Zu Frage 80: Nach eigenen Erkenntnissen der BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH sind deren Flächen nur in geringem Umfang betroffen, zum Beispiel maximal 100 Hektar in der Region Bernburg, Sachsen-Anhalt. Eine genaue Aussage zum betroffenen Flächenvolumen ist nicht möglich, weil der BVVG bisher keine Anträge auf Pachtzinsreduzierung oder -stundung vorliegen. Sollten entsprechende Anträge von Pächtern eingehen, wird die BVVG entsprechend § 59 Bundeshaushaltsordnung nach Prüfung des Einzelfalles über ein Entgegenkommen entscheiden. Zu Frage 81: Für derartige Rückkäufe von der BVVG privatisierter Flächen gibt es keine Grundlage. Anlage 69 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5120, Frage 82): Welche Wirkung hat der mit den Energieversorgungsunternehmen geschlossene Vertrag für die einstweilige Einstellung des Betriebs von Atomkraftwerken, und folgt aus dem Vertrag eine Entschädigungspflicht gegenüber den Betreibern? Die Anordnung der einstweiligen Betriebseinstellung auf der Rechtsgrundlage des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 des Atomgesetzes hat keinen Einfluss auf den Förderfondsvertrag, der finanzielle Leistungen der Betreiber von Kernkraftwerken für die Nutzung von Strommengen aus der Laufzeitverlängerung ab 2017 regelt. Der Vertrag sieht hierfür auch keine Entschädigungsregeln vor. Anlage 70 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/5120, Frage 83): Hält es die Bundesregierung für einen positiven Beitrag zum Umweltschutz, dass die im Kraftfahrzeugsteuergesetz verankerte Malusregelung in Höhe von durchschnittlich 24 Euro pro Jahr angesichts der rund 5 Millionen Kraftfahrzeuge, die nicht mit einem Partikelminderungssystem ausgestattet sind, zum 31. März 2011 ausläuft? Durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 24. März 2007 war eine befristete Steuerbefreiung von 330 Euro für Diesel-Pkw eingeführt worden, die mit Partikelminderungstechnik nachgerüstet wurden, um eine Reduktion der vom Straßenverkehr ausgehenden Feinstaubbelastung zu erreichen. Diese Regelung lief zum 31. Dezember 2009 aus. Durch diese befristeten Steuerbefreiungen entstanden Mindereinnahmen, die zulasten der Länder gingen, denen die Kraftfahrzeugsteuer damals zustand. Diese Mindereinnahmen sollten im Zeitraum 2007 bis 2011 weitestgehend kompensiert werden durch einen vergleichsweise geringen Zuschlag in Höhe von 1,20 Euro je 100 Kubikzentimeter für Diesel-Pkw ohne Partikelfilter - vgl. Bundestagsdrucksache 16/4010, Finanztableau auf Seite 8. Dementsprechend wurde der Zuschlag bis 31. März 2011 befristet. Ab August 2009 konnte der nachträgliche Einbau von Partikelminderungstechnik wahlweise auch über einen Barzuschuss von 330 Euro gefördert werden. Die Förderung über den Barzuschuss wurde in 2010 verlängert und auf leichte Nutzfahrzeuge ausgedehnt. Die Bundesregierung prüft, ob und in welcher Form zusätzliche Anreize zur Emissionsminderung an der Quelle gesetzt und wie diese ausgestaltet werden können. Anlage 71 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/5120, Frage 84): Welche steuerlichen Ausfälle bei der Einkommensteuer wären zu verzeichnen, wenn im Rahmen einer Steuervereinfachung die 0,03-Prozent-Regelung für die Besteuerung der privaten Nutzung von betrieblichen Kraftfahrzeugen ersatzlos gestrichen würde, gleichzeitig in diesen Fällen aber auch ein Ansatz der Entfernungspauschale für die Wege zur Arbeitsstätte entfiele, und wie ist der Stand bei der Überprüfung der Angemessenheit der Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Privatnutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge durch die Bundesregierung? Nach dem Koalitionsvertrag soll die Angemessenheit der Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Privatnutzung betrieblicher Fahrzeuge überprüft werden. Die Bundesregierung kommt derzeit diesem Prüfauftrag nach. Die Prüfungen sind noch nicht abgeschlossen. Dies schließt auch die Frage der steuerlichen Ausfälle ein. Anlage 72 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 85): Wie hoch waren in Bezug auf die Aussagen von Professor Dr. Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München in der öffentlichen Anhörung zur haushalts- und wirtschaftspolitischen Koordinierung in der Europäischen Union im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages am 14. März 2011 jeweils das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und das durchschnittliche Nettoeinkommen pro Kopf im Jahr 2010 in Deutschland und in Irland, die Steuer- und Abgabenlast von Arbeinehmern in 2010 und 2011 in diesen beiden Ländern sowie die Steuer- und Abgabenlast in Irland nach Umsetzung der Sparmaßnahmen, die Grundlage der Vereinbarungen mit dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union für Finanzhilfen sind, und inwieweit trifft die Aussage von Professor Dr. Hans-Werner Sinn in der Anhörung zu, dass bei einer "geringfügigen Anhebung der Steuer- und Abgabenlast von drei bis vier Prozent in Irland" diese Finanzhilfe nicht erforderlich sei? Das Bruttoinlandsprodukt, BIP, pro Kopf lag 2009 (neuere Daten liegen im Folgenden nicht für beide Länder vor) in Deutschland bei 29 300 Euro, in Irland bei 35 700 Euro. Das Nettonationaleinkommen betrug 2009 in Deutschland 25 200 Euro und in Irland 26 400 Euro je Einwohner. Misst man aber die Größen in Kaufkraftstandards, KKS, verringert sich der relative Wohlstand Irlands deutlich. Gemessen in KKS betrug das BIP pro Kopf 2009 in Deutschland 27 400 KKS und in Irland 29 800 KKS je Einwohner. Das Nettonationaleinkommen betrug 2009 in Deutschland 23 600 KKS und in Irland 22 000 KKS je Einwohner (Quelle: Eurostat Datenbank). Die Steuerquote betrug 2009 in Deutschland 22,6 Prozent des BIP, in Irland 22,3 Prozent. Die Abgabenquote, Steuern und Sozialabgaben, lag 2009 in Deutschland bei 37 Prozent des BIP, in Irland bei 27,8 Prozent (Quelle: OECD Revenue Statistics, 2010). Die Gesamtbelastung eines alleinstehenden Arbeitnehmers mit durchschnittlichem Einkommen betrug 2009 in Deutschland 50,9 Prozent der Lohnkosten und in Irland 28,6 Prozent (Quelle: OECD Taxing Wages 2010). Allerdings kann die Steuer- und Abgabenlast in Irland nach Umsetzung der Sparmaßnahmen derzeit noch nicht exakt beziffert werden. Die Aussage des Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages am 14. März 2011, dass bei einer "geringfügigen Anhebung der Steuer- und Abgabenlast von drei bis vier Prozent in Irland" die Finanzhilfe nicht erforderlich wäre, greift zu kurz. Irland hat derzeit insbesondere aufgrund der Probleme im Bankensektor keinen Zugang zum Kapitalmarkt. Die Finanzhilfen der EU und des Internationalen Währungsfonds sollen den Zeitraum überbrücken, in dem Irland keinen Zugang zum Kapitalmarkt hat. Der Finanzierungsbedarf Irlands beträgt in diesem Jahr nach gegenwärtigem Stand 26 Milliarden Euro, dies entspricht etwa 17 Prozent des BIP. Dies kann kurzfristig nicht durch die Anhebung der Steuer- und Abgabenlast gedeckt werden. Um den Zugang zum Kapitalmarkt wieder zu erlangen, sind umfassende Reformen notwendig, die Irland im Rahmen seines Anpassungsprogramms angeht und dessen Anforderungen es bis jetzt erfüllt hat. 1Namensverzeichnis der Teilnehmer an der Wahl siehe Anlage 2 ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ II Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 98. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 23. März 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 98. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 23. März 2011 11177 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 11256 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 98. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 23. März 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 98. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 23. März 2011 11255