Plenarprotokoll 17/104 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 104. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Deutsches Stabilitätsprogramm 2011; sonstige Fragen Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF Rolf Schwanitz (SPD) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF Bettina Kudla (CDU/CSU) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF Bettina Hagedorn (SPD) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF Klaus Brandner (SPD) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF Bettina Hagedorn (SPD) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF Rolf Schwanitz (SPD) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 17/5421, 17/5468) Dringliche Frage 1 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Zahlungen der Atomkraftwerksbetreiber an den Fonds für erneuerbare Energien Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Michael Schlecht (DIE LINKE) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Inge Höger (DIE LINKE) Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Jörn Wunderlich (DIE LINKE) Dringliche Frage 2 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des Zahlungsstopps der Atomkraftwerksbetreiber auf die Leistungsfähigkeit des Energie- und Klimafonds Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dringliche Frage 3 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Rückforderungen des Bundes betreffend Riester-Zulagen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Jörn Wunderlich (DIE LINKE) Dringliche Frage 4 Günter Gloser (SPD) Kenntnis der Bundesregierung von der Reise des ehemaligen Staatsministers Bernd Schmidbauer nach Libyen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Günter Gloser (SPD) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dringliche Frage 5 Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufnahme von sich in Libyen befindlichen Flüchtlingen in Deutschland Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ulla Jelpke (DIE LINKE) Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) Dringliche Frage 6 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufnahme von Flüchtlingen aus Malta und Rückschiebungen von Asylsuchenden nach Malta Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 3 Andrea Wicklein (SPD) Ergebnisse von Initiativen für den Mittelstand Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfrage Andrea Wicklein (SPD) Mündliche Frage 4 Andrea Wicklein (SPD) Maßnahmen zur Unterstützung innovativer Gründungen im Mittelstand Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Mündliche Frage 7 Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Zuständige Behörde für die rückwirkende Beantragung von Leistungen aus dem sogenannten Bildungspaket Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Mündliche Frage 8 Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Information der Bevölkerung über den Anspruch auf Auszahlung von Bildungspaketen/Bildungsgutscheinen Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfrage Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Mündliche Frage 12 Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Erarbeitung einer Strategie zur Eindämmung von Spekulationen mit Agrarrohstoffen Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Zusatzfragen Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Mündliche Frage 15 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufnahme neuer Fördermaßnahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Zusatzfragen Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 19 Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Ursache für den Absturz eines US-amerikanische Kampfflugzeuges am 1. April 2011 in der Nähe von Laufeld Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Inge Höger (DIE LINKE) Mündliche Frage 20 Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Beteiligung von Bundesbehörden an der Untersuchung der Ursache des Absturzes eines US-amerikanischen Kampfflugzeuges und der Beseitigung der verursachten Schäden Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Mündliche Frage 21 Inge Höger (DIE LINKE) An Bord befindliche umweltgefährdende Stoffe des in der Eifel abgestürzten US-Kampfflugzeugs Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Inge Höger (DIE LINKE) Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Mündliche Frage 22 Inge Höger (DIE LINKE) Zukünftige Untersagung der Lagerung sogenannter DU-Munition und der Benutzung bei Flügen im deutschen Luftraum Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Inge Höger (DIE LINKE) Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemäß Anla-ge 5 Nummer 1 Buchstabe b GO-BT zu den Antworten der Bundesregierung auf die dringliche Frage 5 auf Drucksache 17/5468: Aufnahme von vom UNHCR anerkannten Flüchtlingen aus Libyen in Deutschland Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Rüdiger Veit (SPD) Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) Ulla Jelpke (DIE LINKE) Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) Kerstin Griese (SPD) Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP) Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Reinhard Grindel (CDU/CSU) Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Arnold Vaatz (CDU/CSU) Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 1 Garrelt Duin (SPD) Änderung der Spielverordnung aufgrund des neuen Glücksspielstaatsvertrags Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 3 Mündliche Frage 2 Garrelt Duin (SPD) Ausweitung der Aktivitäten zur Förderung von Unternehmensgründungen Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 4 Mündliche Frage 5 Anette Kramme (SPD) Pflicht der Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 5 Mündliche Frage 6 Anette Kramme (SPD) Begrenzung der Belastung für Geringverdiener und Empfänger existenzsichernder Leistungen bei steigenden Strompreisen; etwaige zeitnahe Anpassung des ALG-II-Regelsatzes sowie Wiedereinführung des Heizkostenzuschusses Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 6 Mündliche Frage 9 Rolf Schwanitz (SPD) Konsequenzen aus den im sächsischen Vogtland aufgetretenen Fällen von Botulismus bei Rindern Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 7 Mündliche Frage 10 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Gemeinschaftsbeihilfen der EU zur Abgabe von kostenlosem Obst und Gemüse in Schulen und Kindertagesstätten Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 8 Mündliche Frage 11 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Förderung einer ausgewogenen Ernährung bei Kindern und Jugendlichen Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 9 Mündliche Frage 13 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Förderung von Aquakulturanlagen Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 10 Mündliche Frage 14 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Unterschutzstellung deutscher Meeresgebiete und damit verbundene Einschränkungen der Fischereiwirtschaft Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 11 Mündliche Frage 16 Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) Verordnungsentwurfs mit bundeseinheitlichen Vorgaben für die artgerechte Haltung von Mastkaninchen Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 12 Mündliche Frage 17 Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) Verbesserung der Haltungsbedingungen von Pelztieren in gewerblichen Pelztierfarmen Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 13 Mündliche Frage 18 Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beim Absturz eines US-Kampfflugzeugs am 1. April 2011 in der Eifel an Bord befindliche Übungsmunition; Kooperation der deutschen und amerikanischen Stellen bezüglich der Unfallstellensicherung Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 14 Mündliche Frage 23 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kontakte zwischen dem interkulturellen Einsatzberater der Bundeswehr und dem Personal der Blauen Moschee im afghanischen Masar-i-Scharif Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 15 Mündliche Frage 24 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Öffnung des protokollarischen Dienstes der Bundeswehr für Frauen Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 16 Mündliche Fragen 25 und 26 Sabine Stüber (DIE LINKE) Förderungskriterien und Finanzierung von Kompetenzagenturen Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 17 Mündliche Frage 27 Fritz Rudolf Körper (SPD) Vorschläge für Beteiligungsmöglichkeiten der Bundesländer zur Sicherung der ärztlichen Versorgung insbesondere im ländlichen Raum Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 18 Mündliche Fragen 28 und 29 Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Finanzierung des KfW-Programms zur energetischen Stadtsanierung; Erreichbarkeit der Klimaziele Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 19 Mündliche Frage 30 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Von der Deutschen Bahn AG beantragte Förderung zum Neubau des City-Tunnels Leipzig Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 20 Mündliche Frage 31 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gewährleistung der Stromversorgung für den "Zug der Erinnerung" auf allen Bahnhöfen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 21 Mündliche Frage 32 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Projekte zur Förderung aus dem NER-300-Programm Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 22 Mündliche Frage 33 Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mögliche Verunreinigungen von Boden, Wasser und Luft aufgrund eines in der Eifel abgestürzten US-Kampfflugzeugs Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 23 Mündliche Frage 34 Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anhebung von Haushaltsmitteln für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm der KfW und für den Energie- und Klimafonds im Rahmen des "Aktionsprogramms Energieeffizienz und erneuerbare Energie" Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 24 Mündliche Fragen 35 und 36 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beurteilung der Ergebnisse der jüngsten Klimaverhandlungen in Bangkok und Rolle der Atomenergie beim weltweiten Klimaschutz Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 25 Mündliche Frage 37 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verfahren seitens der Reaktor-Sicherheitskommission für die Sicherheitsprüfungen bei Kernkraftwerken Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 26 Mündliche Frage 38 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anzahl der Sachverständigen für den Stresstest der deutschen Atomkraftwerke Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 27 Mündliche Frage 39 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wettbewerbsfähigkeit von Photovoltaik- und Windstrom aus Deutschland an der Strombörse gegenüber Atomstrom aus Frankreich oder Tschechien; im Ausland infolge des deutschen Moratoriums neu ans Netz gegangene Atomkraftwerke Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 28 Mündliche Frage 40 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Subventionen für Atomenergie; Sicherheitsmaßstäbe für Kernkraftwerke in Europa Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 29 Mündliche Frage 41 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eigentumsschutz nach Art. 14 des Grundgesetzes für zusätzliche Strommengen und Vertrauensschutz der Betreiber von Atomkraftwerken aufgrund von im Rahmen der Laufzeitverlängerung getätigten Investitionen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 30 Mündliche Fragen 42 und 43 Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des niedersächsischen Ausstiegs aus der Förderung des Projekts "Hannoversche Moorgeest" auf die Ziele der Bundesregierung zum Erhalt des Nationalen Naturerbes; geplanter Ausgleich durch den Bund Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 31 Mündliche Frage 44 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Absicherung des Brandschutzes auf dem Gebiet der Kyritz-Ruppiner Heide nach dem Abzug der Bundeswehr Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 32 Mündliche Frage 45 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung des neuen Zulassungsverfahrens zum Wintersemester 2011/12 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 33 Mündliche Frage 46 Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Toxikologieforschung in der Anwendung von Nanopartikeln Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 34 Mündliche Frage 47 René Röspel (SPD) Forschung und Entwicklung an der Lithium-Ionen-Batterie Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 35 Mündliche Frage 48 René Röspel (SPD) Fortführung der Pharma-Initiative für Deutschland Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 36 Mündliche Frage 49 Klaus Hagemann (SPD) Mittelabfluss für Forschungsbauten an Hochschulen seit der Föderalismusreform Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 37 Mündliche Frage 50 Klaus Hagemann (SPD) Stand des Ausschreibungsverfahrens für den Nachfolgebau des Forschungsschiffs "Sonne"; Forschungsschiffstrategie des Bundes Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 38 Mündliche Fragen 51 und 52 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entwicklungsorientierte Not- und Übergangshilfe für die Elfenbeinküste; Unterstützung für die Anrainerstaaten Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 39 Mündliche Frage 53 Heike Hänsel (DIE LINKE) Unterstützungsleistungen der Europäischen Union an die Regierung Alassane Ouattara Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 40 Mündliche Frage 54 Erika Steinbach (CDU/CSU) Tätigkeit ehemaliger Angehöriger der NVA und anderer "Bewaffneter Organe der DDR" als Söldner Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 41 Mündliche Frage 55 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) US-amerikanische Tötungspraktiken in Afghanistan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 42 Mündliche Frage 56 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kondolenzschreiben für die am 1. April 2011 in Afghanistan getöteten UN-Mitarbeiter Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 43 Mündliche Frage 57 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Folgen der Enthaltung Deutschlands in der Abstimmung zur UN-Sicherheitsresolution 1973 zu Libyen für die Wahl in den UN-Menschenrechtsrat Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 44 Mündliche Frage 58 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Informationspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag in Bezug auf die Militäroperation EUFOR Libya; weitere Begleitung der Beratungen über Libyen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 45 Mündliche Fragen 59 und 60 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Beteiligung an der Militärmission EUFOR Libya; Zusammenarbeit mit der EU-Grenzschutzorganisation Frontex Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 46 Mündliche Frage 61 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Weigerung der Volksrepublik China auf Erteilung eines Visums für Tilman Spengler Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 47 Mündliche Frage 62 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen der Festnahme des chinesischen Künstlers Ai Weiwei für die weitere Chinapolitik Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 48 Mündliche Fragen 63 und 64 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Folgen der Ereignisse rund um die Eröffnung der Ausstellung "Die Kunst der Aufklärung" in China Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 49 Mündliche Frage 65 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Genehmigung der Abwicklung iranischer Öllieferungen an Indien über die Deutsche Bundesbank und die Europäisch-Iranische Handelsbank als Voraussetzung für die Freilassung im Iran inhaftierter Reporter der Bild am Sonntag Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 50 Mündliche Fragen 66 und 67 Iris Gleicke (SPD) Vergabe öffentlicher Mittel an Mitgliedsorganisationen des Bundes der Vertriebenen Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 51 Mündliche Frage 68 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Änderungen beim Katastrophenschutz vor dem Hintergrund der Nuklearkatastrophe in Japan Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 52 Mündliche Frage 69 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutsche Bemühungen auf der Tagung des Rates Justiz und Inneres der EU für eine grundgesetzkonforme Verwendung von Fluggastdaten Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 53 Mündliche Fragen 70 und 71 Hans-Joachim Hacker (SPD) Maßstäbe für die BVVG bei der Veräußerung pachtfreier bundeseigener landwirtschaftlicher Nutzflächen in den neuen Ländern Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 54 Mündliche Fragen 72 und 73 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Förderung der Energieeinsparung über Gebäudesanierung sowie bereits bestehende Steuererleichterungen im Einkommensteuergesetz Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 55 Mündliche Frage 74 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Rückerstattung gewährter Finanzhilfen durch die Hypo Real Estate Holding AG; Höhe der Vergütungen und Boni für die Führungskräfte der HRE-Abwicklungsanstalt Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF 104. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: deutsches Stabilitätsprogramm 2011. Das Wort für den einleitenden Beitrag, der fünf Minuten dauern soll, hat der Bundesminister der Finanzen, Herr Dr. Wolfgang Schäuble. Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in ihrer heutigen Kabinettssitzung die Aktualisierung des deutschen Stabilitätsprogramms für 2011 beschlossen. Sie wissen: Ein Bericht über dieses Stabilitätsprogramm ist gemäß dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt jährlich zu erstatten. Darin ist darzulegen, wie die Verpflichtungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts eingehalten werden. Nach Überschüssen auf gesamtstaatlicher Ebene in den Jahren 2007 und 2008 - im Zusammenhang mit dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt geht es ja um das gesamtstaatliche Defizit bei Bund, Ländern, Kommunen und den gesetzlichen Sozialversicherungen - haben wir in Deutschland im Jahr 2009 den Referenzwert für die Neuverschuldung in Höhe von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts infolge der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise überschritten; 2010 haben wir ihn mit einem gesamtstaatlichen Defizit von 3,3 Prozent noch einmal überschritten. Anfang des letzten Jahres wurde ja erwartet, dass wir ein gesamtstaatliches Defizit von 5,5 Prozent haben. Insofern waren wir bei der Reduzierung des zu hohen Defizits im vergangenen Jahr schon ziemlich erfolgreich. Wir können den europäischen Institutionen jetzt mitteilen - das haben wir beschlossen -, dass wir die Defizitgrenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bereits in diesem Jahr unterschreiten werden und gemäß der voraussehbaren Entwicklung in diesem Jahr ein gesamtstaatliches Defizit von zweieinhalb Prozent haben werden. Wir haben ja als Lehre aus der Krise um die europäische Währung den Stabilitäts- und Wachstumspakt im vergangenen Jahr mit den Beschlüssen des Europäischen Rats geschärft: In Zukunft spielt nun auch der Schuldenstand eine stärkere Rolle; der Gesamtschuldenstand ist gemäß der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in Zukunft in 20 gleichen Jahresschritten um den Teil zu reduzieren, der die Gesamtverschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreitet. Der deutsche Gesamtschuldenstand hat sich durch die Anrechnung der Maßnahmen, die infolge der Ereignisse von 2008 für die Rettung des Bankensektors ergriffen wurden, von 73,4 auf 83,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Wir müssen also den Schuldenstand in den kommenden Jahren um jeweils rund 0,5 Prozent reduzieren. Auch dieser Anforderung werden wir mehr als gerecht: Wir werden den Gesamtschuldenstand nach der Projektion, die wir den europäischen Institutionen übermitteln, bis 2015 - also bis zum Ende des Projektionshorizonts - von jetzt rund 83 Prozent auf 75,5 Prozent zurückgeführt haben. Im Übrigen werden wir das mittelfristige Ziel des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, nämlich nach der Reduzierung der zu hohen Defizite dafür zu sorgen, dass das gesamtstaatliche Defizit in normalen Zeiten dauerhaft nicht mehr als ein halbes Prozent beträgt, nach der jetzt absehbaren Entwicklung bereits 2014 erreichen. Wir gehen also über die Anforderungen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes hinaus. Wir leisten mit dieser nachhaltigen Finanzpolitik erstens unseren Beitrag zu einem nachhaltigen wirtschaftlichen Wachstum und damit zu nachhaltiger sozialer Leistungsfähigkeit. Denn das Wichtigste ist, dass als Folge dieser Finanz- und Wachstumspolitik die soziale Stabilität unseres Landes, insbesondere die des Arbeitsmarktes, gewährleistet ist. Wir leisten zweitens unseren Beitrag zur Stabilität unserer europäischen Währung, wozu neben dem Stabilitäts- und Wachstumspakt auch andere Maßnahmen gehören: die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Europäische Stabilisierungsmechanismus. Indem wir die Stabilität unserer Währung verteidigen und uns für sie einsetzen, leisten wir im Übrigen den wichtigsten Beitrag für nachhaltige, soziale Gerechtigkeit und auch dafür, dass unsere Fähigkeit zu Wachstum, das auf dem Außenhandel beruht und damit auf eine stabile Währung angewiesen ist, nachhaltig gewährleistet ist. Dazu hat Deutschland als größtes Land in Europa eine besondere Verpflichtung. Wir erfüllen zugleich auch eine Ankerfunktion: Indem wir unseren Verpflichtungen für nachhaltiges Wachstum und nachhaltige Stabilität nachkommen, können wir zugleich glaubwürdig dafür eintreten, dass das überall in Europa geschieht. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die erste Frage kommt von Kollegen Kindler. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Bei meiner Frage geht es um den Komplex Bundesagentur für Arbeit. Es ist ja wichtig, dass die Bundesregierung die Schuldenbremse einhält und gleichzeitig ein deutsches Stabilitätsprogramm auflegt. Wie erklärt es sich die Bundesregierung, dass der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit sagt, dass wir in den nächsten Jahren aufgrund vermehrter Belastung, auch durch den neuen ALG-II-Kompromiss, ein Defizit von bis zu 10 Milliarden Euro haben werden, während das BMF davon spricht, dass das nicht zu erwarten sei und die Bundesagentur eine schwarze Null schreiben könne? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Minister. Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Die Haushaltsplanung für die Bundesagentur für Arbeit ist innerhalb der Bundesregierung zwischen dem Bundesfinanzministerium und dem Arbeitsministerium abgestimmt. Sie ist im Übrigen auch mit der Führung der Bundesagentur für Arbeit besprochen und abgestimmt worden. Im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit gibt es allerdings drei Bänke: Deren Vertreter verhalten sich gelegentlich in ihren öffentlichen Äußerungen so, wie sich auch die Vertreter anderer Interessenverbände in unserer pluralistischen Gesellschaft verhalten. Die von diesen verbreiteten Zahlen entsprechen aber nicht immer der Realität. Die tatsächlichen Zahlen werden innerhalb der Bundesregierung und am Ende durch den Haushaltsgesetzgeber - das ist der Deutsche Bundestag - beschlossen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Schneider, bitte. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Minister, Sie haben die Vorbildwirkung und die Ankerfunktion Deutschlands genannt. Ich teile diese Auffassung. Die Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, alle konjunkturellen Mehrerlöse, die sowohl durch höhere Steuereinnahmen als auch durch geringere Arbeitsmarktausgaben entstehen, zur Senkung der Kreditaufnahme zu nutzen. Wenn ich mir das Stabilitätsprogramm und auch den Entwurf des Haushalts 2012 anschaue, dann stelle ich fest, dass Sie über 10 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen und im Bereich Arbeitsmarkt 3,5 Milliarden Euro Minderausgaben haben. Das macht 13,5 Milliarden Euro. Die Kreditaufnahme sinkt aber laut Planung im Jahr 2012 nur von 40 Milliarden Euro - das war in der alten Finanzplanung vorgesehen - auf 31 Milliarden Euro, das heißt, 4,5 Milliarden Euro sind irgendwo verloren gegangen. Ich würde gerne wissen, wie Sie es gegenüber Ihren europäischen Partnern, aber auch dem Deutschen Bundestag gegenüber begründen wollen, dass die zusätzlich zur Verfügung stehenden Mittel eben nicht zu 100 Prozent zur Senkung der Kreditaufnahme genutzt werden. Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Schneider, die Bundesregierung hat am 16. März in dem neuen Verfahren zur Haushaltsaufstellung, dem sogenannten Top-down-Verfahren, die Eckwerte, die wir der Haushaltsaufstellung zugrunde legen wollen, beschlossen. Ich habe diese Eckwerte zuerst, wie es meine altmodische Art ist, im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vorgestellt, bevor ich sie der Bundespressekonferenz erläutert habe. Ich habe am 16. März - Sie waren dabei anwesend - zugleich darauf hingewiesen, dass diese Eckwerte natürlich immer unter dem Vorbehalt stehen, dass sich die tatsächliche Lage ein Stück weit anders entwickelt. Schon damals - das war ein paar Tage nach der schrecklichen Katastrophe in Japan - habe ich darauf hingewiesen, dass sich aus den schrecklichen Ereignissen in Japan für die Finanzpolitik und für die gesamtwirtschaftlichen Annahmen erhebliche Veränderungen ergeben werden, die heute noch keiner kennt. Niemand kann Ihnen genau sagen, wie sich die Weltenergiemärkte entwickeln werden. Morgen fahre ich zu der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank nach Washington. Dort wird diese Frage wieder ein wichtiger Beratungspunkt sein. Deswegen habe ich damals gesagt: Ich bin froh, dass wir in der Haushaltsplanung ein Stück weit auf der sicheren Seite sind. Im Übrigen werden wir den Haushalt - das war ja Ihre Frage -, wenn er im Detail aufgestellt ist, im Deutschen Bundestag erläutern. Der von uns vorzulegende Regierungsentwurf wird dann in erster Lesung im September und danach in intensiven Ausschussberatungen behandelt. Der Internationale Währungsfonds hat gerade in diesen Tagen die Industrieländer aufgefordert, die Politik der Schuldenreduzierung konsequent fortzusetzen. Dabei hat er einige wichtige Industrieländer sehr kritisch beleuchtet und ein Land als vorbildlich dargestellt. Das war die Bundesrepublik Deutschland. Ich muss da meinen europäischen Partnern nicht viel sagen. Wenn ich mehr sagen würde, entstünde eher die Sorge, dass wir Deutschen uns zu sehr auf die Schulter klopfen, was auch nicht hilfreich wäre. Die Zahlen sprechen für sich. Wenn sich alle die deutschen Zahlen zum Vorbild nehmen, ist mir um die Stabilität der gemeinsamen europäischen Währung nicht Bange. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Schwanitz, bitte. Rolf Schwanitz (SPD): Herr Minister, ich möchte eine Frage zum Bereich der sozialen Sicherungssysteme stellen. Ich habe noch einmal in das Stabilitätsprogramm von 2010 geschaut, das noch im Januar aktualisiert worden ist. Dabei habe ich einen ausdrücklichen Hinweis zur finanziellen Ausgestaltung der Pflegeversicherung gefunden, nämlich dass für die Pflegeversicherung eine ergänzende Kapitaldeckung eingeführt werden soll. Ich möchte Sie fragen, ob dieses Projekt auch noch im Stabilitätsprogramm 2011 enthalten ist und, wenn ja, was hierzu geplant ist. Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Schwanitz, ich muss ein bisschen um Nachsicht bitten, wenn ich nicht alle Fragen zu allen Themen mit der Verlässlichkeit, die Sie als Parlamentarier zu Recht an Antworten der Bundesregierung stellen, beantworten kann. Derzeit befinden wir uns in Diskussionen - innerhalb der Bundesregierung und auch im Parlament - über die weitere Ausgestaltung der Pflegeversicherung. Wir sind nicht am Ende aller Arbeiten für diese Legislaturperiode. Dem kann ich jetzt nicht vorgreifen, zumal ich mich auch mit dem Kollegen Rösler abstimmen muss. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kindler. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, die Bundesregierung plant ja, ab 2012 2 Milliarden Euro aus der Finanztransaktionsteuer einzunehmen. Jetzt frage ich Sie, wie der Verhandlungsstand zwischen den europäischen Partnern ist und wann es konkrete Maßnahmen und Schritte gibt, damit dieses Geld im Haushalt 2012 realisiert werden kann. Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, Sie erinnern sich vielleicht - was Sie nicht müssen, Sie können es auch in den Protokollen des Deutschen Bundestages nachlesen -, dass ich bei verschiedenen Gelegenheiten wieder und wieder darauf hingewiesen habe, dass wir in der Tat ab 2012 in unserer Finanzplanung Einnahmen von 2 Milliarden Euro jährlich aus einer Finanztransaktionsteuer eingestellt haben, ich aber zugleich auch darauf hingewiesen habe, dass keineswegs sicher ist, ob wir sie auch bekommen werden. Ich habe nämlich immer gesagt: Wir können sie nicht alleine beschließen und in einem nationalen Alleingang einführen. Dass wir sie global nicht eingeführt bekommen, wissen wir seit dem G-20-Gipfel in Toronto im vergangenen Jahr. Wir treten dafür ein, dass sie auf europäischer Ebene zustande kommt, haben aber noch kein Ergebnis erzielt. Ich habe auch immer hinzugefügt: Persönlich bin ich dafür, dass wir es für den Fall, dass sie in der Europäischen Union nicht zustande kommt, etwa in der Euro-Zone versuchen sollten. Das ist aber eine Position - das habe ich auch immer betont -, die innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmt ist, weil zunächst versucht werden soll, es in der Europäischen Union insgesamt zustande zu bringen. Jetzt zum konkreten Verhandlungsstand. Das Europäische Parlament hat die Kommission aufgefordert, Vorschläge zu machen. Die Kommission ist in dieser Frage außergewöhnlich zurückhaltend. Ich habe dem zuständigen Kommissar Semeta bei jeder Gelegenheit mit der mir eigenen Mischung aus Freundlichkeit und Klarheit gesagt, dass ich das erwarte. Die Staats- und Regierungschefs haben im Europäischen Rat am 24. und 25. März die Kommission aufgefordert, Vorschläge vorzulegen. Erst gestern - das war meine bisher letzte Initiative - habe ich ein Mitglied der Kommission, Herrn Lewandowski, darum gebeten, dass die Kommission nicht ständig neue Initiativen für alles Mögliche unterbreitet, etwa für eine europäische Dieselbesteuerung, die die Bundesrepublik Deutschland nicht akzeptieren wird - in diesem Fall gilt übrigens das Prinzip der Einstimmigkeit -, sondern endlich einmal Vorschläge bezüglich einer Finanztransaktionsteuer vorlegt, die der Europäische Rat und das Europäische Parlament von der Kommission erbeten haben; denn die Kommission hat bei solchen Initiativen das Monopol. Beim informellen Treffen der Finanzminister am vergangenen Freitag und Samstag in Gödöllö ist über dieses Thema intensiv gesprochen worden. Insbesondere die französische Kollegin hat die Kommission nachdrücklich aufgefordert, bis zur nächsten Sitzung der Finanzminister im Rahmen des Ecofin-Treffens am 16. Mai 2011 entsprechende Vorschläge vorzulegen. Ich bin zuversichtlich und gehe davon aus, dass uns bis dahin Vorschläge vorgelegt werden. Dann werden wir sehen, ob eine Chance besteht, in Europa eine entsprechende Regelung zustande zu bringen. Sollten sie nicht bestehen, werden wir uns innerhalb der Regierung dahin gehend abstimmen, ob wir für eine Regelung innerhalb der Euro-Gruppe eintreten. Das ist der Stand der Dinge. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob wir bereits im Jahr 2012 Einnahmen aus der Finanztransaktionsteuer in Höhe von 2 Milliarden Euro realisieren werden. Was ich aber sagen kann, ist Folgendes - das habe ich auch schon am 16. März 2011 gesagt -: Auch wenn wir diese Einnahmen nicht realisieren können, sind wir dank der Erfolge unserer Finanzpolitik (Johannes Kahrs [SPD]: Welche Erfolge?) derzeit trotzdem in der Lage, den Verpflichtungen, die sich aus der Schuldenbremse des Grundgesetzes und dem Stabilitäts- und Wachstumspakt ergeben, gerecht zu werden; aber wir treten mit aller Kraft und mit aller Entschiedenheit für eine Regelung ein. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin Kudla, bitte. Bettina Kudla (CDU/CSU): Herr Bundesfinanzminister, können Sie bitte einige Ausführungen zu der sogenannten 1/20-Regel machen. Was bedeutet diese Regel, die künftig beim Schuldenabbau gilt, mittelfristig für Deutschland? Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Die Regelungen zur Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, die im Oktober des vergangenen Jahres vom Europäischen Rat beschlossen wurden als Konsequenz der Krise um den Euro, die von Griechenland ausgegangen ist - die sogenannte Van-Rompuy-Taskforce hat diese Beschlüsse vorbereitet -, enthalten als ein Element zur Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes die Bestimmung, dass nicht nur die jährliche Defizitgrenze von 3 Prozent, sondern schon im Zusammenhang mit den präventiven Komponenten des Stabilitäts- und Wachstumspakts auch der Gesamtschuldenstand berücksichtigt wird, und zwar in der Form, dass, wenn ein Land eine Gesamtverschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes überschreitet, korrigierende Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die Regelung sieht so aus: Der Teil der Gesamtverschuldung eines Landes, der 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreitet, muss innerhalb von zwanzig Jahren in gleichen Teilen zurückgeführt werden. Die Bundesrepublik Deutschland wies Ende des vergangenen Jahres einen Gesamtschuldenstand von 83,2 Prozent aus, weil - das habe ich bereits erwähnt - die Maßnahmen, die wir im Zusammenhang mit der Bankenrettung unternommen haben, nach den Regeln von Eurostat auf den Gesamtschuldenstand angerechnet werden. Der Gesamtschuldenstand der Bundesrepublik Deutschland liegt also etwas mehr als 20 Prozentpunkte über der 60-Prozent-Grenze. Geteilt durch 20 bedeutet das: Wir müssen unseren Schuldenstand jährlich um 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts reduzieren. Auf Basis der finanzpolitischen Vorausschau, die wir heute beschlossen haben, erfüllen wir diese Anforderungen. Wir reduzieren den Schuldenstand sogar um mehr als 1 Prozent jährlich, sodass wir am Ende des Zeitraums, für den wir eine Prognose abgeben müssen - Ende 2015 -, bei einer Gesamtverschuldung von - ich muss nachschauen - 75 Prozent ankommen. Innerhalb von vier Jahren kann die Gesamtverschuldung also immerhin um 8 Prozentpunkte zurückgeführt werden. Wenn wir unterstellen, dass wir 2016 den Normalzustand, den die Schuldenbremse des Grundgesetzes vorsieht, erreicht haben und einhalten, nämlich eine jährliche Neuverschuldung in Höhe von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wobei die Länder ab 2020 überhaupt keine Neuverschuldung vornehmen dürfen, und wir langfristig ein durchschnittliches Wachstum von 1,5 Prozent haben, dann können wir, wie Sie leicht erkennen, die Anforderungen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts zur Reduzierung unseres Gesamtschuldenstandes ohne weitere Anstrengungen erfüllen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Hagedorn, bitte. Bettina Hagedorn (SPD): Herr Minister, ich komme noch einmal auf die erste Frage des Kollegen Kindler zur Bundesagentur für Arbeit zurück. Sie haben in Ihrer Antwort dargestellt, dass es - so habe ich Sie verstanden - bezüglich des im Finanzplan festgestellten Defizits der BA zwischen der Spitze der BA, dem BMAS und dem BMF Einvernehmen gibt. An dieser Stelle würde ich Ihnen gerne widersprechen bzw. Ihnen damit verknüpft eine Frage stellen. Ein Einvernehmen haben wir ja schon im Dezember 2010 nicht erlebt, als es um die 1,1 Milliarden Euro Insolvenzgeldumlage zwischen BA, BMAS und BMF ging. Danach kam es zum Kompromiss bei den Regelsätzen, der nach dem Willen der Mehrheit dieses Hauses, die das beschlossen hat, zur Folge hat, dass die Bundesagentur für Arbeit mit ungefähr 4 Milliarden Euro pro Jahr zur Finanzierung der Grundsicherung belastet wird. Vor diesem Hintergrund gibt es Prognosen, die zeigen, dass die Bundesagentur für Arbeit, egal wie positiv sich die Konjunktur entwickeln wird, nicht in der Lage sein wird, aus dem Defizit herauszukommen. Darauf bezog sich die Prognose von 10 Milliarden Euro Defizit bis 2015, die Herr Kindler genannt hat; diese ist nach meinem Kenntnisstand unstrittig. Insofern handelt es sich nun, Herr Minister, bei den Geldern, die die BA zum Ausgleich des Defizits bekommt, eigentlich nicht mehr um ein Darlehen; denn die Bundesagentur für Arbeit wäre ja auch in Zukunft nicht in der Lage, sie zurückzuzahlen, wenn Sie und die Regierung nicht eine Anhebung der Beiträge auf über 3 Prozent zulassen. Hier wäre übrigens die Gelegenheit, zu sagen, dass Sie dies nicht ausschließen. Wären unter dem Aspekt der Schuldenbremse und der Stabilität in Deutschland - damit beschäftigen wir uns ja heute - diese Gelder, da die BA realistisch nicht in der Lage ist, sie zurückzuzahlen, nicht eher wie ein Zuschuss statt wie ein Darlehen zu bewerten? Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Hagedorn, ich habe versucht, in der Antwort auf die Frage des Kollegen Kindler zunächst einmal darauf aufmerksam zu machen, dass der Bundeshaushalt und damit auch der Haushalt der Bundesagentur für Arbeit nach den Regeln unseres Grundgesetzes vom Gesetzgeber, also vom Deutschen Bundestag, beschlossen wird. Der Deutsche Bundestag entscheidet natürlich durch Mehrheit; aber es ist dann keine Entscheidung der Mehrheit, sondern eine Entscheidung des Deutschen Bundestages. Ich bin dafür, dass wir als Mitglieder eines Verfassungsorgans die Institutionen unserer Verfassung sorgfältig behandeln und nicht im politischen Meinungsstreit diskreditieren. Wir alle werden einen Schaden davontragen, wenn wir mit den Institutionen unserer Verfassung nicht sorgfältig umgehen. Das Budgetrecht ist das vornehmste Recht des Parlamentarismus; damit hat der Parlamentarismus in der westeuropäischen Geschichte einmal angefangen. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das haben Sie aber abgeschafft!) In der Bundesagentur für Arbeit gibt es in der Tat einen Verwaltungsrat, in dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer und die öffentliche Hand vertreten sind. Es gibt nun einen Brief, der die Unterschriften von zwei Mitgliedern trägt, und zwar von Herrn Clever und von Frau Buntenbach. Darauf hat sich meine Bemerkung bezogen, dass sich die Beteiligten im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit in öffentlichen Äußerungen so verhalten, wie es auch viele Vertreter von Verbänden und Institutionen zur Wahrnehmung ihrer berechtigten oder nichtberechtigten Interessen tun. Das ist so im Pluralismus einer freiheitlichen Demokratie; aber das hat nichts mit der Verbindlichkeit von Entscheidungen von Verfassungsorganen zu tun. Der Haushalt 2011 ist festgestellt, und die Bundesregierung wird den Haushaltsentwurf für den Haushalt 2012 im Juli dieses Jahres aufstellen. Über den Entwurf wird innerhalb der Regierung sorgfältig beraten. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist hierbei für den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit federführend. Meine Bemerkung bezog sich nun darauf, dass die mittelfristigen Linien, die wir bei der Klausurtagung des Bundeskabinetts im Juni des vergangenen Jahres zur Vorbereitung des Zukunftspaktes beschlossen haben, in Anwesenheit des Bundesministers für Arbeit und Soziales und des Präsidenten der Bundesagentur für Arbeit besprochen wurden. Ein Einvernehmen darüber brauchen wir nicht, sondern wir brauchen Entscheidungen des für den Haushalt zuständigen Gesetzgebers. Die Bundesregierung legt Entwürfe vor, der Bundestag berät sie, streitet darüber, und am Schluss entscheidet er mit Mehrheit. Dies sind dann verbindliche Entscheidungen, nicht der Mehrheit, sondern des Deutschen Bundestages; nicht mehr und nicht weniger. (Bettina Hagedorn [SPD]: Aber meine Frage ist nicht beantwortet! - Weiterer Zuruf von der SPD: Wo liegt jetzt die Antwort?) - Ihre Frage werden wir im Zuge der Haushaltsberatungen zum Haushalt 2012 behandeln. Am 16. März 2011 haben wir nur die Eckwerte aufgestellt. Diese habe ich im Haushaltsausschuss des Bundestages mitgeteilt. Der parlamentarischen Beratung führen wir einen Haushaltsentwurf zu. Diesen stellt die Bundesregierung, wenn sie pünktlich ist, Anfang Juli eines Jahres auf. Heute ist der 13. April. Wir haben den Haushalt für 2012 noch nicht vorgestellt. Die mittelfristige Finanzplanung schreiben wir im Zuge der Haushaltsaufstellung fort. Das letzte Mal haben wir sie bei der Beratung des Haushalts 2011 im Juli 2010 fortgeschrieben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Schneider, bitte. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Minister, Sie haben vorhin das Nationale Reformprogramm Deutschland angesprochen, das ebenfalls Beratungsgegenstand ist. Wenn ich mir das ansehe, dann habe ich zunächst einmal den Eindruck, dass Sie, was die Steuereinnahmen und die gute konjunkturelle Lage betrifft, die Lorbeeren vergangener Regierungen einsammeln. (Lachen des Abg. Norbert Barthle [CDU/ CSU]) Wenn es nun um das Euro-Plus-Paket zur Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit in anderen Ländern Europas geht, zeigen Sie mit dickem Finger auf diese Länder. Im Nationalen Reformprogramm Deutschland ist aber als neue Maßnahme struktureller Art nur folgender Vorschlag enthalten: die Liberalisierung der Fernbuslinien. (Heiterkeit des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Ich würde gern wissen, ob dies alles ist, was die Bundesregierung zu tun beabsichtigt, um die Binnennachfrage zu stärken und auch Deutschland ein Stück weit wettbewerbsfähiger zu machen. Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Schneider, der Spaß wird ja dadurch, dass er wiederholt wird, nicht größer. Es ist so: Beim Pakt für den Euro zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsländer der Euro-Zone geht es vor allen Dingen darum, die Länder, deren Wettbewerbsfähigkeit nicht so hoch ist wie die anderer Länder, ein Stück weit zu stärken; das ist sein Ziel. Viele sagen, ein Problem unserer gemeinsamen Währung sei, dass sich nicht alle Länder an die Leitlinien der verabredeten Finanzpolitik halten. Ich sage deswegen: Es ist gut, dass sich die Bundesrepublik Deutschland an diese Leitlinien hält und die Bundesregierung heute ein so überzeugendes Stabilitätsprogramm, das ich dem Deutschen Bundestag nun vorstellen kann, beschlossen hat. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass wir uns auch der Herausforderung, die Wettbewerbsfähigkeit anderer Länder zu verbessern, stellen müssen. Zu diesem Zweck haben wir einen Vorschlag gemacht. Er sieht im Prinzip vor, dass jedes Land selbst geeignete Vorschläge unterbreitet und umsetzt und sich im nächsten Jahr an den Ergebnissen messen lässt. Ich habe allerdings auch eine andere Debatte zu führen. Ich musste beim Treffen der EU-Finanzminister am vergangenen Wochenende in Gödöllö wieder einmal Versuche abwehren, die darauf zielen, dass Ungleichgewichte, die daraus resultieren, dass manche Länder einen Überschuss und andere Länder ein Defizit haben, symmetrisch behandelt werden. Es gibt eine Reihe von europäischen Ländern und Institutionen, die Ungleichgewichte am liebsten gleichbehandeln würden. Dies würde allerdings bedeuten, dass Deutschland als Land mit Überschuss genauso behandelt würde wie Länder, für die Deutschland aus seinem Überschuss - in richtig verstandener Solidarität - Hilfeleistungen geben muss. Dies kann nicht richtig sein. Deswegen haben wir Wert darauf gelegt, dass Überschussländer, von denen letzten Endes die Leistungsfähigkeit der Euro-Zone insgesamt abhängt, und Defizitländer im Zuge der Imbalances bei den Defiziten in Europa nicht gleichbehandelt werden. Wenn sich das so verhält, wäre im Rahmen des Pakts für den Euro zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit allerdings auch nicht in erster Linie die Bundesrepublik Deutschland gefordert. Denn Deutschland verzeichnet bereits einen relativ großen Überschuss, der in anderen Zusammenhängen teilweise sogar als problematisch betrachtet und hinterfragt wird. (Manfred Grund [CDU/CSU]: So ist es!) Ich glaube, dass wir die Anforderungen im Sinne einer realistischen Betrachtungsweise nicht überspannen sollten. Die Binnennachfrage ist ein ganz anderes Thema. Es geht um Folgendes - das werde ich meinen Partnern im Rahmen der IWF- und der G-20-Tagung morgen wieder einmal sagen können und müssen -: Die bestehenden Ungleichgewichte führen auch in einem Überschussland wie Deutschland dazu, dass die Binnennachfrage gesteigert wird, und zwar auf marktwirtschaftlich einwandfreie Art und Weise. Wenn Sie das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vom Ende vergangenen Jahres lesen, dann stellen Sie fest, dass dort für 2011 prognostiziert wird, dass das Wachstum in diesem Jahr - wir alle sind im Augenblick zuversichtlich und gehen davon aus, dass es noch ein bisschen höher ausfallen wird als Anfang des Jahres vorhergesagt - zu 90 Prozent durch eine Steigerung der Binnennachfrage getrieben wird. Die aktuellen Entwicklungen im Rahmen der Tarifverhandlungen - wir verteidigen gemeinsam die Tarifautonomie - spiegeln dies ja auch wider. Schauen Sie sich etwa an, was wir heute auch im Kabinett beraten und behandelt haben - Sie haben von Lorbeeren früherer Regierungen gesprochen; ich habe der letzten Regierung angehört; auch Sie waren als haushaltspolitischer Sprecher Ihrer Fraktion, also in einer wichtigen Funktion, daran beteiligt -: Wir haben in der letzten Legislaturperiode im Zuge der Rentenanpassung die Rentenformel ein Stück weit, wenn Sie so wollen, ausgesetzt, indem wir gesagt haben: Wir wollen als Folge des schweren wirtschaftlichen Einbruchs keinen Rückgang der Renten haben, sondern die Rentenformel wird bei null gekappt. Aber der Rückgang, der den Rentnern nach der Rentenformel eigentlich hätte zugemutet werden müssen, wird nachgeholt, sobald wir wieder Rentensteigerungen haben. - In diesem Jahr sind wir in der erfreulichen Lage, dass wir dies nachholen können und es trotzdem zu einer Rentensteigerung um knapp 1 Prozent kommt. Sie wissen, dass wir alle 2008/2009 befürchtet haben, es würde die ganze Legislaturperiode über keine Rentensteigerung geben. Es zeigt sich aber, dass die Binnennachfrage als Folge der guten wirtschaftlichen Entwicklung anzieht. Auch dies ist ein gutes Argument, dass die Finanz- und Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung außergewöhnlich erfolgreich und außerdem richtig ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Brandner, bitte. Klaus Brandner (SPD): Herr Minister, stimmen Sie mir im Rückblick zu, dass der Arbeitsmarkt in den letzten Jahren ganz deutlich zur Entlastung des Bundeshaushalts beigetragen hat, sodass sich angesichts dieser erheblichen Einsparungen die Leitung der Bundesagentur für Arbeit Sorgen über die zukünftige finanzielle Ausgestaltung macht, und stimmen Sie mir zu, dass die Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten nicht allgemeine Interessenvertreter, sondern eher Sachwalter der Beitragszahler sind? In diesem Zusammenhang möchte ich Sie gerne auf zwei Dinge konkret ansprechen: Die Regierung plant zum einen, die Instrumente ganz erheblich zu vereinfachen mit dem Hinweis, einen konkreteren Ermessensspielraum für die Personen organisieren zu wollen, die Leistungen zur Verfügung stellen. Man kann einem solchen Prozess durchaus positiv beitreten, wenn das auf der anderen Seite nicht ein frommes Versprechen ist, sondern für die Gewährung solcher Ermessensleistungen auch ausreichend finanzielle Mittel vorhanden sind. Ansonsten bleibt es bei Ankündigungen, und die vorgesehene Qualität der Leistungen wird nicht erbracht werden können. In diesem Zusammenhang gibt es einen weiteren Schritt, nämlich dass die Mehrwertsteuerzuwendung halbiert werden soll. In Bezug darauf frage ich Sie: Sind Sie bereit, auf den Aussteuerungsbetrag, der im Arbeitsmarktprozess nachweislich keine politische Steuerungswirkung hat, zu verzichten, sodass auch die Bundesregierung einen Beitrag zur Vereinfachung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen praktisch umsetzt? Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Brandner, wir sind wieder ein wenig an dem Punkt, bei dem ich vorhin den Kollegen Schwanitz um Nachsicht bitten musste. Ich kann aus Anlass der Regierungsbefragung zu einem Tagesordnungspunkt der heutigen Kabinettssitzung nicht auf alle Fragen der Regierungspolitik insgesamt erschöpfend und verantwortlich Auskunft geben. Ich verstehe sehr wohl das Interesse vonseiten der Opposition, nicht über die erfolgreiche Finanzpolitik der Bundesrepublik, die sich aus der heute beschlossenen Aktualisierung des deutschen Stabilitätsprogramms erschließt, zu reden, sondern über andere Themen. Das ist aus Sicht der Opposition auch legitim. Aber legitim aus der Sicht des Bundesfinanzministers ist, dass er sich auf seine Zuständigkeit beschränkt. Wenn Sie bei nächster Gelegenheit mit der Kollegin von der Leyen, der Arbeitsministerin, über die Einzelheiten der Arbeitsmarktpolitik reden, wird sie Ihnen sicher darlegen können, dass die Tatsache, dass wir jetzt eher bei 3 Millionen als bei 5 Millionen Arbeitslosen sind, zwangsläufig und glücklicherweise erhebliche Entlastungsspielräume für die Beitragszahler, aber auch für die Steuerzahler mit sich bringt. Das ist eine Politik, die nicht in dieser Legislaturperiode begonnen wurde; da hat der Kollege Schneider recht. Jede Regierung und jede Legislaturperiode steht im Übrigen im Guten wie im Schlechten auf dem, was in früheren Legislaturperioden gewesen ist. Wir sind bei allem Neuen und Vorhersehbaren in einer Kontinuität von politischen Entwicklungen. Das alles ist in Ordnung. Es ist schon richtig, dass sich die Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Bundesagentur für Arbeit für die Interessen der Beitragszahler einsetzen. In der Bundesagentur für Arbeit ist aber auch die öffentliche Hand vertreten. Sie muss zum Beispiel die Interessen der Arbeitslosen vertreten - das sind nicht Beitragszahler, sondern Dritte -, und sie muss die Interessen der Steuerzahler vertreten. Durch eine ordnungspolitisch richtige Arbeitsmarktpolitik müssen wir dafür sorgen, dass wir denjenigen, die Hilfe brauchen, auch Hilfe leisten. Zugleich müssen wir die Anreizwirkung aber so gestalten, dass es zu möglichst viel Beschäftigung kommt. Ich glaube, in dieser Richtung sind wir in den anderthalb Jahren seit der Bildung dieser Bundesregierung noch erfolgreicher als in früheren Legislaturperioden gewesen. Die Zahlen am Arbeitsmarkt sprechen in dieser Hinsicht jedenfalls eine eindeutige Sprache. Sie sind ein Zeichen dafür, dass unsere Finanz- und Wirtschaftspolitik den Menschen in diesem Lande nützt, und das ist das Ziel unserer Politik. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Hagedorn. Bettina Hagedorn (SPD): Herr Minister, ich muss auf meine letzte Frage zurückkommen, die Sie leider nicht beantwortet haben. Diese Frage fällt in Ihre Zuständigkeit. Herr Minister, ich darf noch einmal kurz darauf hinweisen, um was es ging: Es ist objektiv so, dass erst jetzt, in diesem Jahr, und damit deutlich nach der Aufstellung des letzten Finanzplans und nach der Haushaltsaufstellung entschieden wurde, die Zuschüsse an die Bundesagentur für Arbeit in der Perspektive bis 2015 im Umfang von über 4 Milliarden Euro pro Jahr zu kürzen, sodass sich ihre Finanzsituation verschlechtern wird. Allein aufgrund dieser Beschlusslage vom Februar wird es bei der Bundesagentur für Arbeit bis 2015 zu einem Defizit von über 12 Milliarden Euro, also zu einer Wegnahme von finanzieller Kapazität, kommen. Dadurch - diese Situation ist auf Vorschlag des Kabinetts und mit Ihrer Zustimmung herbeigeführt worden - wird die Bundesagentur für Arbeit dauerhaft nicht in der Lage sein, aus der Darlehenssituation, in die sie ab diesem Jahr planmäßig kommt, wieder herauszukommen. Herr Minister, es gibt nur zwei Möglichkeiten, dem zu entkommen: Entweder gibt man der Bundesagentur für Arbeit wieder einen finanziellen Rahmen, indem man als Kabinett bereit ist, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von jetzt 3 Prozent wieder anzuheben - dazu habe ich Sie um eine Stellungnahme gebeten -, oder man akzeptiert dieses Defizit. (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Sie wollten doch eine Frage stellen!) Wir beschäftigen uns hier mit der Schuldenbremse und mit einem strukturellen Defizit, und wir reden nicht von einem konjunkturellen Defizit. Herr Minister, ein Darlehen, das faktisch realistischerweise nicht zurückgezahlt werden kann, ist eigentlich wie ein Zuschuss zu bewerten, womit es relevant für die Schuldenbremse ist. Hierzu habe ich Sie um eine Stellungnahme gebeten. Ich glaube, diese Frage sollten Sie hier doch noch beantworten. (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Wenn Sie die Frage verstanden haben, Herr Minister, dann gebe ich einen aus!) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Koppelin, ich will Sie nicht in die Versuchung bringen, Ihre begrenzten Bezüge zu verschwenden, da wir ja eher fürs Sparen sind. (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP) Frau Kollegin Hagedorn, das Problem liegt darin: Sie haben in Ihrer Frage eine Fülle von Voraussetzungen unterstellt und behauptet, dies sei der Sachverhalt. Ich habe versucht, Ihnen so höflich und zurückhaltend, wie ich nur kann, zu sagen, dass ich Ihre Unterstellungen nicht teile und dass deswegen die Grundlage für Ihre Frage aus meiner Sicht nicht gegeben ist. Ich habe Ihnen auch gesagt: Die Bundesregierung wird bei der Aufstellung des Haushalts 2012 darauf achten - da können Sie ganz sicher sein -, dass die Unterstellungen, die Sie Ihrer Frage zugrunde gelegt haben, nicht eintreten. Hinsichtlich der Antworten müssen Sie sich gedulden, bis die Bundesregierung den Haushalt 2012 aufgestellt hat. Ich habe darauf hingewiesen: Das wird Anfang Juli der Fall sein. Wenn der Deutsche Bundestag seine Planungen nicht ändert, wird er seine Beratungen darüber im September dieses Jahres aufnehmen. Dann werden wir viel Gelegenheit haben, freundschaftlich und kontrovers darüber miteinander zu diskutieren. (Johannes Kahrs [SPD]: Das war wieder keine Antwort!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Es gibt noch eine Frage des Kollegen Schwanitz zu dem Bereich der sonstigen Fragen an die Bundesregierung. Rolf Schwanitz (SPD): Meine Frage richtet sich an das Bundeskanzleramt. - Herr von Klaeden, ich habe eine Frage im Zusammenhang mit den Diskussionen über den sogenannten ESM, den neuen, zu erwartenden Rettungsschirm im Bereich der Euro-Länder ab 2013. Ich denke, zu Ihren Aufgaben gehört auch, die Koordinierung zwischen der Bundesregierung und dem Bundestag im Blick zu haben. Sie wissen, dass wir im Bundestag intensiv darüber diskutieren, welche Beteiligungsmöglichkeiten das Parlament im Zusammenhang mit dem neuen Rettungsschirm ab 2013 haben wird. Deshalb frage ich Sie, ob das Bundeskanzleramt bzw. die Bundesregierung eine Ausweitung der Beteiligungsrechte gegenüber dem bereits bestehenden Gesetz zum Europäischen Stabilisierungsmechanismus plant und, wenn ja, in welche Richtung die Überlegungen gehen. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Herr Kollege Schwanitz, wenn Sie gestatten, wird der Bundesfinanzminister darauf eingehen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Finanzminister, bitte schön. Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Da nach den Regeln des Grundgesetzes die Mitglieder der Bundesregierung ihren Geschäftsbereich innerhalb der Richtlinien des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin eigenständig verantworten und für diesen Bereich der Bundesfinanzminister zuständig ist, habe ich dem Kollegen von Klaeden angeboten, zuständigkeitshalber die Frage zu beantworten. Ich weise darauf hin, dass ich ab 14 Uhr die Freude habe, an der Sitzung des Haushaltsausschusses dieses Hohen Hauses teilzunehmen, um über diese Fragen zu berichten. Wir stehen ganz am Anfang der Beratungen. Denn wir haben jetzt mit Beschluss des Europäischen Rates den Rahmen für den Stabilisierungsmechanismus. Die Einzelheiten, insbesondere die Übergangsregelung - das spielt heute in einer völlig verzerrenden medialen Darstellung eines Gutachtens des Bundesrechnungshofs eine gewisse Rolle -, müssen noch in einem Vertrag ausgehandelt werden, der der Ratifizierung durch den deutschen Gesetzgeber bedarf. Im Zusammenhang mit dem Ratifizierungsverfahren werden wir auch die Parlamentsbeteiligung bei diesen Beschlüssen regeln. Dazu wird die Bundesregierung Vorschläge machen, die sie aber im Vorfeld, vielleicht schon in der Sitzung des Haushaltsausschusses, die um 14 Uhr beginnen soll, mit dem Parlament erörtern wird. Ich weise darauf hin, dass in dem Bericht, den der Haushaltsausschuss in der vergangenen Woche vom Rechnungshof angefordert hat und der inzwischen erstattet worden ist, wie man den Medien entnehmen kann, ausdrücklich empfohlen worden ist, die Regelungen, die wir für die Parlamentsbeteiligung im Zusammenhang mit der Finanzierungsfazilität getroffen haben, auch für den ESM fortzuschreiben. Diesen Empfehlungen des Bundesrechnungshofs möchte ich ausdrücklich nicht widersprechen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit beende ich die Befragung der Bundesregierung. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde - Drucksachen 17/5421, 17/5468 - Zu Beginn rufe ich gemäß Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen auf Drucksache 17/5468 auf. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk bereit. Ich rufe zunächst die dringliche Frage 1 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann auf: In welchem Umfang entgehen dem Bundeshaushalt Gelder durch den Zahlungsstopp der vier Atomkraftwerksbetreiber an den Fonds für erneuerbare Energien, und was wird die Bundesregierung tun, um der gesetzlichen Zahlungspflicht voll Geltung zu verschaffen? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Enkelmann, ich beantworte Ihre dringliche Frage wie folgt: Die Betreiber der Kernkraftwerke haben erklärt, die nach dem Förderfondsvertrag zu leistenden Vorauszahlungen einzustellen. Dem Energie- und Klimafonds würden im Jahr 2011 hierdurch monatlich 25 Millionen Euro entgehen. Der Bundeshaushalt ist davon nicht direkt berührt. Das angekündigte Vorgehen entspricht nach Auffassung der Bundesregierung zum jetzigen Verfahrensstand nicht den Regelungen des Vertrages. Ich bitte um Verständnis, dass die Bundesregierung vor diesem Hintergrund keine Stellungnahme zu in diesem Zusammenhang gegebenenfalls relevanten Auslegungsfragen abgeben wird. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine Nachfrage, Frau Enkelmann? - Bitte sehr. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Das bedauere ich natürlich außerordentlich. Sie haben die Zahlen genannt. Ich finde, es sind keine Peanuts, um die es hier geht. Es geht um das Sondervermögen für erneuerbare Energien. Aus Ihrem Hause war dennoch zu vernehmen, dass das Ganze als Vertragsbruch bewertet wird. Ich teile diese Bewertung ausdrücklich und unterstütze in diesem Fall das Finanzministerium. Die Frage, die sich daraus ergibt, lautet: Was tut die Bundesregierung gegen einen offenkundigen Vertragsbruch? Welche Chancen rechnet sie sich dabei aus? - Das ist meine erste Nachfrage. Meine zweite stelle ich später. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Verehrte Frau Kollegin, die Bundesregierung wird die notwendigen rechtswahrenden Schritte einleiten. Eine endgültige Klärung zum Förderfondsvertrag wird aber erst möglich sein, wenn die Entscheidungen über die Laufzeiten der Kernkraftwerke abschließend getroffen sind. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Enkelmann, eine zweite Nachfrage. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Gut, da dürfen wir gespannt bleiben. - Aus dem Sondervermögen sollten im Jahr 2011 etwa 60 Millionen Euro für die Gebäudesanierung ausgegeben werden. Diese Mittel können jetzt offenkundig nicht ausgegeben werden. Gibt es für die Gebäudesanierung bereits Förderzusagen der Bundesregierung, die wegen der Nichtzahlungen der AKW-Betreiber nicht eingehalten werden können? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Davon, Frau Kollegin, geht die Bundesregierung nicht aus; denn der Fonds verfügt zurzeit über ein Liquiditätspolster. Zum einen haben die Unternehmen bislang pünktlich gezahlt. Zum anderen sind bislang keine Fondsmittel abgeflossen. Das liegt daran, dass der Fonds erst kürzlich gestartet ist und die über den Fonds finanzierten Programme vielfach bereits bestehende Programme des Bundeshaushalts verstärken sollen. In diesen Fällen ist geregelt, dass zunächst die im Bundeshaushalt verfügbaren Mittel einzusetzen sind. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön, Herr Kollege. Michael Schlecht (DIE LINKE): Wäre es gerade vor dem Hintergrund der Unsicherheiten, die jetzt auftauchen - es wird geklagt, weil man der Auffassung ist, dass die Nichtzahlung nicht in Ordnung ist -, vor drei, vier Wochen, als das schreckliche Unglück in Japan passierte, nicht wichtig gewesen, nicht ein Moratorium zu beschließen, sondern ein ordnungsgemäßes gesetzliches Verfahren durchzuführen? Immerhin weiß man aus anderen Bereichen, dass solche gesetzlichen Verfahren durchaus innerhalb von vier, fünf Tagen durchgeführt werden können. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, ich bin fest davon überzeugt, dass am Ende des Moratoriums konkrete Vorschläge, auch Gesetzgebungsvorschläge der Bundesregierung, stehen werden. Für die wird es selbstverständlich ein ordentliches parlamentarisches Verfahren geben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Höll. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, in § 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds" - Einnahmen des Sondervermögens und Ermächtigungen - steht: Dem Sondervermögen fließen folgende Einnahmen zu: 1. Einnahmen nach Maßgabe einer vertraglichen Vereinbarung gemäß Absatz 3 zwischen dem Bund und den Betreibergesellschaften von Kernkraftwerken und ihren Konzernobergesellschaften in Deutschland, ... Nun ist es so, dass der Bundestag und seine Mitglieder diesen Vertrag nie zu Gesicht bekommen haben. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Geheimvertrag!) Wir möchten gerne wissen: Was steht nun tatsächlich in diesem Geheimvertrag? Was heißt "nach Maßgabe einer vertraglichen Vereinbarung"? Der Spiegel hat hierzu andere, mehr Informationen als wir. Wie ist es zu verstehen, dass das Ganze nicht nur am Parlament vorbei beschlossen wurde - ein Skandal -, sondern dass offenbar auch beim Vertragsabschluss geschludert wurde und Sie noch nicht einmal auf der rechtssicheren Seite sind, wenn Sie nun versuchen, die Gelder von den Kernkraftwerksbetreibern einzutreiben? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, ich möchte für die Bundesregierung zurückweisen, dass dieser Vertrag, wie Sie gesagt haben, in schludriger Weise abgeschlossen worden ist. Ich wiederhole: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass für die Zahlungen bzw. Zuweisungen der Kernkraftwerksbetreiber zu diesem Fonds eine hinreichend klare rechtliche Grundlage besteht. Die Ankündigung, jetzt keine weiteren Zahlungen zu leisten, nachdem man bislang seinen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen ist, steht für die Bundesregierung nicht im Einklang mit diesem Vertrag. Deshalb prüft die Bundesregierung derzeit die Einleitung rechtswahrender Schritte. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Höger, bitte. Inge Höger (DIE LINKE): Vielen Dank. - In der Presse konnten wir lesen, dass es Schutzklauseln in dem Geheimvertrag gibt. Verhindern die Schutzklauseln, dass die Bundesregierung in gerichtlichen Auseinandersetzungen erfolgversprechend handeln kann? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, ich möchte zurückweisen, dass es sich hierbei um einen Geheimvertrag handelt. Ich darf nochmals sagen: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass sie diesen Vertrag auf einer einwandfreien Rechtsgrundlage abgeschlossen hat. Das bedeutet, dass das angekündigte Verhalten der KKW-Betreiber nicht dem Vertrag entspricht. Die Bundesregierung prüft zurzeit, rechtswahrende Schritte einzuleiten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Daðdelen, bitte. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte die Bundesregierung fragen: Mit welchen langfristigen Folgen für die erneuerbaren Energien rechnen Sie mit Blick auf das Sondervermögen? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, ich habe schon erläutert, dass dieser Fonds über ein Liquiditätspolster verfügt. (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Wie hoch ist das denn?) Zunächst einmal werden entsprechende Programme, die im Haushalt vorgesehen sind, durchgeführt. Die endgültige Klärung, was den Förderfondsvertrag angeht, wird erst möglich sein, wenn nach Abschluss des Moratoriums Entscheidungen über die endgültigen Laufzeiten von Kernkraftwerken zu treffen sein werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte, Herr Wunderlich. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Herr Koschyk, ich habe noch eine Frage. Sie bestreiten vehement, dass der Vertrag schludrig ist. Im Spiegel steht: "Regierung schlampt bei AKW-Geheimvertrag". Hinsichtlich der Ökoabgabe heißt es, es sei etwas geregelt, dies solle aber nicht so bleiben, da der Strompreis und damit auch die Marge der Energiekonzerne schwanke. Im Spiegel heißt es weiter - ich zitiere -: Also werde die Ökoabgabe ab 2017 angepasst, steht im Abkommen. Und zwar auf der Basis eines Index' an der Strombörse EEX: des "German Baseload Future". Noch genauer: auf der Basis von dessen volumengewichteten 12-Monats-Durchschnitt. Das klingt erst einmal in sich konsistent. Das Problem ist nur: Es gibt an der EEX keinen solchen Index; der ist nicht existent. Eine Sprecherin der Strombörse hat das mit den Worten kommentiert: Der Begriff ist völlig unpräzise. - Was sagen Sie denn dazu? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich bitte um Verständnis, dass wir zu Presseäußerungen, die nicht unbedingt den wirklichen Sachverhalt wiedergeben, nicht Stellung nehmen. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Dann stellen Sie es doch richtig!) Ich sage noch einmal: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die angekündigte Zahlungsaussetzung der Kernkraftwerksbetreiber nicht mit dem abgeschlossenen Vertrag in Einklang steht. Deshalb prüft die Bundesregierung die Einleitung rechtswahrender Schritte. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich rufe die dringliche Frage 2 der Kollegin Höhn auf: Wie wirkt sich der Zahlungsstopp der Atomkraftwerksbetreiber auf die Leistungsfähigkeit des Energie- und Klimafonds aus, und mit Einbußen in welcher Höhe rechnet die Bundesregierung für das Jahr 2011 (unter anderem Süddeutsche Zeitung vom 11. April 2011)? Bitte. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Höhn, Sie und Kollegin Dr. Enkelmann haben Fragen zum gleichen Sachverhalt gestellt. Die im Förderfondsvertrag geregelten Zahlungen der Kernkraftwerksbetreiber basieren auf der gesetzlichen Regelung der Laufzeitverlängerung. Solange diese noch nicht gesetzlich verändert wurde, bleibt die Verpflichtung zur Einzahlung in den Energie- und Klimafonds und damit das bisher vorgesehene Mittelvolumen bestehen. Ich habe schon ausgeführt, dass derzeit keine Liquiditätsprobleme beim Energie- und Klimafonds bestehen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Höhn, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte schön. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön. - Herr Staatssekretär, die Bundesregierung hatte nach den furchtbaren Geschehnissen in Japan öffentlich verkündet, dass sie eine wesentlich andere Energiepolitik, auch Atompolitik, betreiben will. Nun steht in dem Vertrag, den Sie abgeschlossen haben und der auch uns vorliegt - er lag am Anfang nicht vor; jetzt aber liegt er vor -, dass die Vertragspartner ein Kündigungsrecht haben, wenn es zu wesentlichen Änderungen kommt. Ist denn die Änderung der Atompolitik eine wesentliche Änderung, die zur Kündigung des Vertrags führen könnte? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Höhn, bis jetzt ist es noch nicht zu Änderungen von Beschlüssen der Bundesregierung oder des Parlaments im Hinblick auf die Laufzeiten von Kernkraftwerken gekommen. Deshalb sind wir der Auffassung - ich darf das wiederholen -, dass im Hinblick auf die momentane Situation, bei der es keine Rechtsänderung gibt, die Zahlungsaussetzung nicht mit dem Vertrag in Einklang steht, weswegen wir die Einleitung rechtswahrender Schritte prüfen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine weitere Nachfrage, Frau Höhn? - Bitte schön. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe noch eine zweite Nachfrage. Aufgrund der Laufzeitverlängerung wurden den Atomkraftwerkbetreibern zusätzliche Strommengen zur Verfügung gestellt. Wie sieht das die Bundesregierung? Ist durch die zusätzlichen Strommengen ein Eigentumsschutz im Sinne des Art. 14 Grundgesetz entstanden? Ist Ihnen bekannt, ob Investitionen vorgenommen worden sind? Sie haben ja gesagt, man wolle sofort in Sicherheit investieren; nun ist ein halbes Jahr vergangen. Können aus dem Eigentumsschutz und den möglicherweise getätigten Investitionen Entschädigungsansprüche der Atomkraftwerkbetreiber erwachsen? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Höhn, ich bitte um Verständnis. Das ist eine sehr schwierige Frage, die auch verfassungsrechtliche Aspekte berührt. Sie fragten nach dem Eigentumsschutz. Ich muss die Beantwortung dieser Frage nachreichen, weil sie nicht allein vom Bundesfinanzministerium, sondern auch in Abstimmung mit anderen Ressorts geprüft und beantwortet werden müsste. Ich reiche sie aber gern nach. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dann rufe ich die dringliche Frage 3 der Kollegin Höll auf: Stimmen Meldungen des Wirtschaftsmagazins des Bayerischen Rundfunks Geld & Leben vom 11. April 2011, wonach der Bund Riester-Zulagen ohne Vorwarnung bei mehr als 1,5 Millionen Vorsorgesparern und Vorsorgesparerinnen in Höhe von insgesamt einer halben Milliarde Euro zurückgeholt hat, und wie teilt sich die Anzahl der Rückforderungen auf die drei möglichen Gründe - vorzeitig gekündigte Verträge, falsche Angaben sowie veränderte Lebensumstände - auf? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Höll, eine genaue Aufschlüsselung der Rückforderungsfälle ist nicht möglich. In den allermeisten Fällen erfolgten Rückforderungen von Altersvorsorgezulagen in Fällen, in denen der Anleger sein Guthaben schädlich verwendet hat. Das heißt, der Anleger hat sein steuerwirksam gefördertes Altersvorsorgevermögen in diesen Fällen abgehoben und zu anderen als zu Altersvorsorgezwecken verwendet, etwa zum Erwerb eines Kfz oder für eine Urlaubsreise. Die Rückforderung der Zulagen und der sonstigen steuerlichen Förderung ist in einem solchen Fall natürlich unausweichlich. Auf sie kann schon aus Gerechtigkeitserwägungen anderen Anlegern gegenüber nicht verzichtet werden. Unabhängig vom Grund der Rückforderung der Zulage kann sich der Anleger gegen die Rückforderung wehren. Er kann eine Überprüfung der Rückforderung bei der Zulagenstelle beantragen; im Erfolgsfall wird die Zulage dann wieder ausgezahlt. Bei den genannten 1,5 Millionen Fällen handelt es sich nicht um die Anzahl der von einer Rückforderung betroffenen Anleger, sondern um die Anzahl der zurückgeforderten jährlichen Altersvorsorgezulagen. Die Altersvorsorgezulage bzw. Teile davon werden bei Fehlen der Voraussetzungen für den Anspruch auf die Zulagenzahlung vom Altersvorsorgekonto ebenso automatisch abgebucht, wie sie zuvor automatisch zugebucht wurden. Auch wenn die Rückforderung in den allermeisten Fällen gerechtfertigt ist und kein Anlass zur Kritik besteht, erweist sich allerdings das Riester-Verfahren für zahlreiche Eltern doch an einer Stelle als offenbar zu kompliziert: Mütter oder Väter, die einige Zeit über ihren Ehegatten mittelbar zulagenberechtigt waren und deshalb keine eigenen Beiträge leisten mussten, werden bei der Geburt ihres Kindes aufgrund der damit automatisch verbundenen Rentenversicherungspflicht unmittelbar förderberechtigt. Sie müssten nun eigene Beiträge in Höhe des Mindesteigenbeitrags von 60 Euro leisten, übersehen diese Verpflichtung aber häufig. Damit verfällt dann auch der Anspruch auf die Zulagen. Hier wird das Bundesministerium der Finanzen gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales umgehend prüfen, wie das Verfahren vereinfacht werden kann. Außerdem wollen wir prüfen, wie den in der Vergangenheit von diesem Problem betroffenen Eltern geholfen werden kann. Dabei sind wir mit dem zuständigen anderen Ressort in enger Abstimmung. Ich kann heute zusagen, dass es dafür eine kulante und bürgerfreundliche Lösung geben wird - sowohl in Zukunft für die genannten Fallkonstellationen als auch durch die Möglichkeit der Betroffenen, Versäumnisse in der Vergangenheit zum Beispiel durch eine Nachentrichtung des Mindesteigenbeitrags in Höhe von 60 Euro auszugleichen. Hier befinden wir uns in Abstimmung mit dem Arbeitsministerium. Wir gehen davon aus, dass wir die Betroffenen und die Öffentlichkeit alsbald sowohl über künftige Vereinfachungen als auch über Nachentrichtungsmöglichkeiten bei dieser Konstellation informieren. Sie sehen: Wir befinden uns an einem Punkt, an dem man durchaus einräumen muss, dass die Betroffenen dies nicht durchschaut haben. Wir sind bereit, dafür zu sorgen, dass das Ganze in Zukunft einfacher zu handhaben ist und dass die vergangenheitsbezogenen Fälle bürgernah und kulant geregelt werden können. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Höll, Sie haben das Wort zu einer Nachfrage. Bitte sehr. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Danke, Herr Staatssekretär. - Ich bin über Ihre Antwort erfreut, dass Sie bemüht sind, in den von Ihnen beschriebenen Fällen eine Lösung zu finden. Trotzdem drängt sich mir eine bestimmte Frage auf. Wir reden jetzt über den Veranlagungszeitraum 2005 bis 2007. Was ist in den Jahren vorher gewesen? Wird das, was geplant ist, auch dafür gelten? Noch steht die Prüfung für das Jahr 2008 aus. Mit welcher Gesamthöhe an Rückforderungen rechnen Sie überhaupt? Ich hatte Sie gebeten, in etwa die Größenordnung der Fallgruppen zu benennen. Dem sind Sie leider nicht nachgekommen. Die automatische Überweisung und die automatische Rückbuchung des Geldes sind im Hinblick auf die dargestellten Fälle - sie können über das Problem der fehlenden Voraussetzungen für die Zahlung der Altersvorsorgezulage im Rahmen der Elternschaft hinausgehen - schwierig. Die Betroffenen bekommen von der Versicherung, bei der sie einen Riester-Vertrag abgeschlossen haben, einen Brief. Das Geld wird dann einfach abgebucht. Diese Menschen haben jetzt überhaupt keine Möglichkeit, selbst zu überprüfen, wo es ihrerseits Fehler gab. Aus all dem ergibt sich die Frage: Fallen für den, der merkt, dass es einen Fehler gegeben hat und der vielleicht nachzahlen möchte, dann noch einmal Gebühren an? Wie ist das? Maklergebühren sind ja relativ hoch. Wie wird das alles überhaupt gehandhabt? Mit welcher Größenordnung, was die Rückforderungen angeht, rechnen Sie? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, wir sind zurzeit dabei, Zahlen über diejenigen Fälle, über die wir gerade diskutieren, zu erheben. Ich darf noch einmal sagen: Wir befinden uns in der Abstimmung mit dem mitzuständigen Arbeitsministerium und streben eine bürgerfreundliche, kulante Regelung an. Das schließt ein, Frau Kollegin, dass wir entsprechend informieren und dass wir die Handhabbarkeit für alle Beteiligten so gestalten, dass das Ganze so einfach, bürgerfreundlich und kulant wie möglich ist. Darüber kann ich Ihnen heute noch nicht abschließend berichten, weil wir uns noch in Ressortabstimmungen befinden. Sobald hier Entscheidungen getroffen worden sind, werden wir die entsprechenden Ausschüsse und damit das Parlament detailgenau unterrichten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine weitere Nachfrage, bitte sehr. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, ich bitte um eine zeitnahe Unterrichtung bezüglich des Zeitraums 2008; denn da ist die Anzahl der abgeschlossenen Riester-Verträge um ein Drittel gestiegen. Sie sagen, Sie wollen für eine bürgerfreundliche Regelung sorgen. Dies war allerdings schon immer Ihr Ansinnen. Das Wollen ist das eine, das Tun das andere. In der Financial Times Deutschland ist eine grundsätzliche Bewertung nachzulesen. Dabei geht es nicht um die hohe Anzahl der fehlerhaft ausgefüllten Anträge; vielmehr liegt der Fehler offensichtlich im System der Riester-Rente. Wie verhalten Sie sich dazu? Ich glaube, mit einem bisschen Nachbessern - so gut es für die einzelnen Betroffenen ist - wird das Problem des riesigen Aufwandes und der Fehlleitung von Steuergeldern überhaupt nicht behoben. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Bundesregierung sieht, anders als Sie, keine systematischen Fehler, wie Sie sie uns vorwerfen. Ich sage noch einmal - das werden die Fallzahlen sicherlich deutlich machen -: Die Fallkonstellation, bei der wir uns für die Zukunft und auch rückwirkend um eine kulante und auch bürgerfreundliche Regelung bemühen, betrifft nach unseren ersten Erhebungen im Hinblick auf die Gesamtzahl der Rückzahlungsfälle einen eher kleineren Teil. Die Masse der Rückzahlungsfälle betrifft diejenigen Fallkonstellationen, Frau Kollegin, bei denen ich davon gesprochen habe, dass Versicherte ihr Riester-Konto für andere, nicht mit der Altersvorsorge in Einklang stehende Maßnahmen verwendet haben. Da, glaube ich, müssen wir uns doch einig sein, dass man die vom Staat geförderte Altersvorsorge nicht für Urlaubsreisen, Motorradkauf oder Kfz-Kauf verwenden kann und dass hier überhaupt kein Anlass zur Kulanz besteht. Für die Fälle, in denen wir jetzt auch einräumen müssen, dass den Betroffenen in dieser Fallkonstellation vielleicht nicht klar war, dass zwar eine Fördermöglichkeit besteht, aber natürlich 5 Euro pro Monat eingezahlt werden müssen, wollen wir für die Zukunft nach einer einfacheren, bürgernahen Lösung suchen, auch im Hinblick auf die notwendige Information; die Fälle aus der Vergangenheit wollen wir möglichst kulant heilen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Enkelmann, bitte. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, Sie haben mehrfach von bürgerfreundlicher, kulanter Regelung gesprochen. Wir werden uns das in der Umsetzung sicher sehr genau anschauen. Ich will Sie jetzt einmal ernst nehmen. Deswegen eine ganz konkrete Frage: Müssen die Betroffenen mit einer Verzinsung der Rückzahlungsforderungen rechnen, ja oder nein? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Auch diese Frage wird zurzeit geklärt. Ich bitte um Verständnis: Diese Frage können wir ebenfalls erst dann beantworten, wenn wir die Ressortabstimmung abgeschlossen haben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Wunderlich, bitte. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Herr Koschyk, Geld & Leben im Bayerischen Rundfunk berichtete am 11. April davon, dass 1,5 Millionen Konten von Riester-Sparern geprüft worden sind und Rückzahlungen eingefordert werden sollen. Sie sprachen in Ihren Antworten insgesamt fünfmal von "Kulanz" und sechsmal von "Bürgerfreundlichkeit", wenn ich richtig mitgezählt habe. Sehen Sie im Rahmen dieser Kulanz und Bürgerfreundlichkeit die Möglichkeit, bei dieser Vielzahl von Fällen im Wege einer Billigkeitsprüfung auf Rückzahlungsforderungen zu verzichten, gerade auch angesichts des bürokratischen Aufwandes? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich habe gerade angedeutet, Herr Kollege, dass wir für diese Fallkonstellation, die im Fokus der Berichterstattung des Bayerischen Rundfunks stand - Mütter und Väter haben fälschlicherweise angenommen, über ihre Ehegatten mittelbar zulagenberechtigt zu sein und keine eigenen Beiträge leisten zu müssen -, für die Zukunft eine bürgernahe und für die Vergangenheit eine kulante Regelung anstreben. Verehrter Herr Kollege, ich habe auch darauf hingewiesen - ich möchte das unterstreichen -, dass diese Fallkonstellation nach unserer bisherigen Kenntnis nur bei einem kleinen Teil der von den Rückzahlungsforderungen betroffenen Fällen gegeben ist, dass es sich in der Masse um Fälle handelt, in denen Versicherte ihr Riester-Konto für nicht der Altersvorsorge dienende Maßnahmen im wahrsten Sinne des Wortes zweckentfremdet haben. Ich sage noch einmal: Es kann nicht hingenommen werden, schon allein aus Gerechtigkeitsgründen, dass jemand staatlich geförderte Altersvorsorge für Urlaubsreisen oder einen Kfz-Kauf verwendet. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Vielleicht ist das nur ein ganz kleiner Teil!) Es kann keine Kulanz geben, wenn staatlich geförderte Altersvorsorge zweckentfremdet worden ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Die Kollegin Staatsministerin Cornelia Pieper steht für die Beantwortung zur Verfügung. Die dringliche Frage 4 stellt der Kollege Günter Gloser: Welche vorherige Kenntnis hatte die Bundesregierung genau von der Reise des ehemaligen Staatsministers und Geheimdienstkoordinators Bernd Schmidbauer letzte Woche nach Libyen, und welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus den Ergebnissen seiner Gespräche ziehen? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Lieber Kollege Gloser, ich möchte Ihre dringliche Frage wie folgt beantworten: Herr Schmidbauer hat die Regierung lediglich telefonisch über seine Absicht in Kenntnis gesetzt, nach Tunesien, nach Djerba, zu reisen, wo er sich mit im Einzelnen nicht bekannten Libyern treffen wollte. Er hat seine Reise auf eigene Initiative unternommen. Er ist nicht im Auftrag der Bundesregierung oder nach irgendeiner Art inhaltlicher Abstimmung mit der Bundesregierung gereist. Daraus ergibt sich, dass es eine Antwort auf Ihre Frage nach Konsequenzen nicht geben kann. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Gloser, Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön. Günter Gloser (SPD): Vielen Dank. - Frau Staatsministerin, ich darf dann noch fragen: Hält denn die Bundesregierung den Besuch des ehemaligen Geheimdienstkoordinators und Staatsministers Schmidbauer in dieser Situation für hilfreich? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich will wiederholen: Herr Schmidbauer ist nicht im Auftrag der Bundesregierung oder nach irgendeiner Art inhaltlicher Abstimmung mit der Bundesregierung in Libyen unterwegs gewesen. Wie ich schon sagte, hat er uns dahin gehend informiert, dass er lediglich nach Tunesien, nach Djerba, fährt. Er war auf private Initiative dort. Das haben wir nicht zu bewerten. Mir ist auch der Inhalt der Gespräche nicht bekannt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine weitere Nachfrage, bitte schön. Günter Gloser (SPD): Sie haben gesagt, Sie hätten keine Kenntnisse. Gibt es andere Stellen der Bundesregierung bzw. nachgeordnete Stellen, die von den Ergebnissen der Reise des Herrn Schmidbauer Kenntnis erlangt haben? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Mir wurde heute mitgeteilt - da ich von einer Auslandsreise komme, konnte das eben erst geschehen -, dass Sie sich bezüglich Informationen über den Inhalt der Gespräche an die Geheimschutzstelle des Bundestages wenden können. Dort können Sie weitere Auskünfte erbitten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege Mützenich, bitte. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Vielen Dank. - Frau Staatsministerin, wenn Sie hier sagen, dass die Bundesregierung vorab lediglich telefonisch über die Reise von Herrn Schmidbauer informiert worden ist, und wenn es auch keine berichtenswerten Ergebnisse gibt, wie erklären Sie sich dann, dass Herr Nooke, der Afrika-Beauftragte der Bundeskanzlerin, heute in Zeitungen in der Weise zitiert wird, dass die Bundesregierung sich durchaus vorstellen könne, in diesem Zusammenhang als Vermittler tätig zu werden, und würden Sie der Bundesregierung eine solche Rolle zutrauen und sich dem dann auch nicht mehr widersetzen? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Erstens kenne ich diese Worte des Afrika-Beauftragten Herrn Nooke nicht. Ich kommuniziere in der Regel mit Herrn Nooke persönlich und nicht über die Zeitung. Deswegen seien die Zitate seiner Aussagen heute in den Zeitungen einmal dahingestellt. Zweitens sage ich ausdrücklich noch einmal: Der Regierungssprecher der Bundesregierung hat sich bereits in der Pressekonferenz in dieser Woche dazu geäußert, dass wir uns über den Besuch kein Urteil erlauben werden, da es sich um einen privaten Besuch handelt. Ich ergänze, dass es lediglich eine Nachfrage von Herrn Schmidbauer am Flughafen in Djerba in Tunesien bezüglich logistischer Unterstützung gab. Darüber hinaus hat es keinen Kontakt mit der Bundesregierung gegeben. Was sich aus dem Besuch von Herrn Schmidbauer in Libyen im Weiteren ergibt, kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht sagen. Sie als Abgeordneter, der verantwortungsbewusst im Auswärtigen Ausschuss arbeitet, wissen, dass Informationen, wenn es denn welche gibt, vertraulich behandelt werden und von Abgeordneten in der Geheimschutzstelle des Bundestages eingesehen werden können. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege Ströbele, bitte. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatsministerin, wie kommen Informationen über die Reise der Privatperson Schmidbauer in die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages, und über wen? Wem hat er etwas mitgeteilt, oder welche Stelle der Bundesregierung oder der Bundesregierung nachgeordnete Stelle hatte Kenntnisse darüber, die jetzt in der Geheimschutzstelle niedergelegt worden sind? Warum können Sie uns hier nicht sagen, erstens, mit wem er geredet hat, und zweitens, was er geredet hat, wenn auch nicht im Detail? Das würde mich interessieren. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das glaube ich! - Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Herrn Schmidbauer war schon immer alles geheim!) Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Lieber Herr Kollege Ströbele, das würde uns wahrscheinlich alle sehr interessieren, welche Gespräche er geführt und welche Informationen er erhalten hat. Ich kann nur immer wieder sagen: Wenn es diese gibt, sind sie vertraulich zu behandeln, und Sie können sie bei der Geheimschutzstelle erhalten. Mehr kann ich dazu nicht sagen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Soll er da vorbeugend hingehen?) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Christoph Bergner zur Verfügung. Ich rufe die dringliche Frage 5 des Kollegen Wieland auf: Wird die Bundesregierung die anlässlich des in dieser Woche stattfindenden EU-Justiz- und Innenministerrates vorgetragene Bitte des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, UNHCR, António Guterres, unterstützen, einen Teil der vom UNHCR als Flüchtlinge anerkannten 8 000 palästinensischen, irakischen, sudanesischen, äthiopischen, somalischen und eritreischen Flüchtlinge, die sich noch in Libyen befinden, in Deutschland aufzunehmen? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Wieland, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung unterstützt die in der Sitzung des Rates der Justiz- und Innenminister der Europäischen Union am Montag, dem 11. April dieses Jahres, verabschiedeten Schlussfolgerungen. Nach Auffassung der Bundesregierung sollte humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge zunächst in der Region erfolgen. Die Bundesregierung hat daher bisher 5 Millionen Euro an humanitärer Soforthilfe für Versorgung und Schutz von Betroffenen in Libyen zur Verfügung gestellt. Mit diesen Mitteln wird sowohl die medizinische Notversorgung von Betroffenen in Libyen als auch die Betreuung und die Repatriierung von aus Libyen nach Tunesien geflohenen Menschen ermöglicht. Zugleich begrüßt Deutschland, dass die EU umfangreiche Mittel für humanitäre Hilfsmaßnahmen bereitgestellt hat - bislang 40 Millionen Euro. Wie die meisten Mitgliedstaaten hat Deutschland zwar kein jährliches Neuansiedlungsprogramm mit festgelegten Quoten. Bis in die jüngste Vergangenheit hat Deutschland jedoch sein humanitäres Engagement durch verschiedene Aufnahmeaktionen wiederholt in großem Umfang unter Beweis gestellt. Ich mache darauf aufmerksam, dass nach den Zahlen Deutschland im Jahr 2009 Spitzenreiter innerhalb der EU war, was die Zahl der Aufnahmen betrifft. Auch in der gegenwärtigen Lage hat sich Deutschland zur Aufnahme von weiteren 100 nach Malta geflüchteten Personen bereit erklärt. Angesichts der hohen Zahl von rund 41 000 Asylbewerbern im vergangenen Jahr, was in der EU die zweitgrößte Zugangszahl war und gegenüber 2009 beinahe eine Verdopplung bedeutete, besteht allerdings nur wenig Spielraum für weitere Aufnahmen. Die Bundesregierung beobachtet die Entwicklung in Libyen und seinen Nachbarstaaten weiterhin sehr aufmerksam und wird im Einklang mit den Beschlüssen des Europäischen Rates die nach Entwicklung der Lage angemessenen notwendigen Schritte unternehmen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Wieland, Ihre erste Nachfrage. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war wieder einmal eine klassische Nichtantwort. Die Frage war, ob die Bundesregierung bereit ist, Transitflüchtlinge aus Libyen aufzunehmen und ob diese Bereitschaft auf dem EU-Justiz- und Innenministerrat erklärt wurde. Sie sagen: Wir beobachten aufmerksam; wir waren in der Vergangenheit Wohltäter. Können Sie mir denn wenigstens sagen, ob andere europäische Staaten, wenn schon nicht die Bundesrepublik Deutschland, aus Anlass des JI-Rates am Montag ihre Bereitschaft erklärt haben, Flüchtlinge, die zurzeit in Libyen sind, aber ursprünglich aus anderen afrikanischen Ländern stammen, aufzunehmen? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Es haben bereits im Vorfeld des Rates Mitgliedstaaten, in denen es Neuansiedlungsprogramme gibt, ihre Aufnahmebereitschaft im Rahmen der von ihnen vorgegebenen Quoten erklärt. Das sind Schweden mit 200 Personen, Belgien mit 25 Personen und die Niederlande mit circa 40 Personen. Mir war es zunächst einmal wichtig, mit meiner Antwort zu verdeutlichen, dass unsere Zurückhaltung nicht etwa auf Ignoranz gegenüber den humanitären Herausforderungen zurückzuführen ist. Wir geben aber gegenwärtig einer Lösung in der Region selbst den Vorrang. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Eine weitere Nachfrage, Herr Kollege. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, Sie gehen auch bei den Flüchtlingen, die es nach Lampedusa geschafft haben, davon aus, dass es nicht nur vorrangige, sondern alleinige Aufgabe des italienischen Staates sei, diese Flüchtlinge unterzubringen und zu versorgen. Welche Haltung nimmt da eigentlich die Bundesregierung ein? Ihre Nachbarin auf der Regierungsbank, Frau Pieper, hat nämlich exakt das Gegenteil erklärt, indem sie die Behandlung der Flüchtlinge in Italien zu einer europapolitischen Frage und zu einer Menschenrechtsfrage gemacht hat. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Herr Löning, ging sogar noch weiter und machte den Vorschlag, für zwei Jahre den Flüchtlingen den Aufenthalt in Europa und eine Ausbildung zu ermöglichen. Der Innenminister, wie ein Elefant im europäischen Porzellanladen, macht Italien-Bashing; Italien ist immerhin ein Signatarstaat der Römischen Verträge. Er muskelt auf und sagt, Italien solle gefälligst selbst damit klarkommen. Das Auswärtige Amt sagt: Eigentlich gibt es hier eine Zuständigkeit Europas. Wir müssen hier solidarisch sein. - Welche Haltung hat denn nun die Bundesregierung? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich will erstens die Diskussionslage im JI-Rat dahin gehend beschreiben, dass Italien, was seinen Umgang mit diesem Problem angeht, innerhalb der Mitgliedstaaten isoliert war. Zweitens. Es gibt keine Diskrepanz zu der Feststellung, dass es sich hier um eine europäische Herausforderung handelt, dahin gehend, dass Italien vom Europäischen Flüchtlingsfonds Mittel beantragt hat und sie nach meiner Kenntnis in Höhe von 9 Millionen Euro erhalten hat. Vor diesem Hintergrund erscheint es allerdings verwunderlich, dass sich Italien zu einer Lösung versteigt, den betroffenen Flüchtlingen gewissermaßen nationale Aufenthaltsdokumente zu erteilen, die teilweise auch noch mit dem Hinweis übergeben werden: Damit könnt ihr innerhalb des Schengen-Raums auch in andere Länder gehen. Das kann nicht die richtige Lastenverteilung innerhalb der Europäischen Union sein. Sie kann es vor allen Dingen deshalb nicht sein, weil die bisher eingetroffene Zahl von Flüchtlingen in Italien eine besondere Umverteilung in andere EU-Länder nicht rechtfertigt. Aber ich sage noch einmal: Es besteht kein Widerspruch zu der Feststellung meiner Nachbarin auf der Regierungsbank, dass es in diesem Zusammenhang europäische Solidaritätspflichten gibt. Der Europäische Flüchtlingsfonds ist in diesem Zusammenhang zu Recht beansprucht worden. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den wollen Sie doch einfrieren!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Müller, bitte. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Also, selbst das Innenministerium ist der Meinung, dass es europäische Solidaritätspflichten gibt; hört, hört! (Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär: Hatten Sie daran Zweifel?) Es gibt auf europäischer Ebene eine Richtlinie, die ermöglicht, Bürgerkriegsflüchtlinge vorübergehend aufzunehmen. Lege ich die Analyse des Ministeriums Ihrer Nachbarin auf der Regierungsbank zugrunde, herrscht in Libyen ein Bürgerkrieg. Ich frage jetzt die Bundesregierung, warum sie sich auf dem JI-Rat nicht dafür einsetzt, dass sich die EU zur Aufnahme von Kontingenten im Rahmen eines solchen Bürgerkriegsstatus oder zur vorübergehenden Schutzgewährung bereit erklärt. Das wäre europäische Lastenteilung. Sie haben hier nur von humanitärer Hilfe geredet. Das ist ein ganz anderes Kapitel. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich will zunächst einmal sagen, dass die Diskrepanz innerhalb der EU-Mitgliedstaaten über das sogenannte Resettlement-Programm darin besteht, ob die Aufnahme von Flüchtlingen auf der Basis vorfestgelegter Quoten - was nicht die Meinung von Deutschland ist - oder auf der Basis von Ad-hoc-Entscheidungen erfolgen soll - was die Position Deutschlands und, wenn ich es richtig sehe, der Mehrheit der Mitgliedstaaten ist. Ich halte den flexiblen Umgang, der auf der Basis von Ad-hoc-Entscheidungen erfolgt, für den angemesseneren Umgang mit der Vielfalt der unterschiedlichen zu erwartenden Probleme. Ich sage noch einmal: Ich halte es für absolut unangemessen, der Bundesregierung aufgrund dieser gegenwärtigen Position - ich habe darauf hingewiesen, dass die weitere Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wird - gewissermaßen Ignoranz gegenüber der humanitären Herausforderung zu unterstellen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Daðdelen, bitte. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - In der letzten Woche - wir haben das schon vorher erfahren - konnte man in der Presse nachlesen, dass die EU im Ministerrat im schriftlichen Verfahren einen Vorratsbeschluss zu einer Militäroperation der Europäischen Union, EUFOR Libya, gefasst hat. Zunächst einmal soll eine Anfrage des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten unter Herrn Ban Ki-moon abgewartet werden. Dies wurde zur Voraussetzung für die Mission erklärt. In diesem Zusammenhang wurde bereits im Vorfeld, aber auch danach seitens der Bundesregierung erklärt, dass dieser Vorratsbeschluss zur Unterstützung der humanitären VN-Hilfeleistungen gefasst worden ist, zum Teil auch als Beitrag zum sicheren Transport und zur Evakuierung von Flüchtlingen. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie gern fragen: In diesem Krisenmanagementkonzept für die Mission ist eine enge Kooperation mit Einsätzen von Frontex als notwendig erachtet worden. Das Anhalten, Entern und Durchsuchen von Schiffen ist vorgesehen. Für wie vereinbar halten Sie eigentlich die Unparteilichkeit als wichtigstes Prinzip humanitärer Hilfe - auch laut Ärzte ohne Grenzen - damit, dass Sie auf der einen Seite Soldaten hinschicken werden und auf der anderen Seite vorgeben, Flüchtlingen in Libyen und den humanitären Hilfsorganisationen, die dort im Moment helfen, humanitäre Hilfe zu leisten? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, zunächst einmal folgender Hinweis: Ich behandle die Frage nach dem EUFOR-Einsatz und dem entsprechenden Votum nur aus der begrenzten Perspektive des von mir zu vertretenden Ressorts. Ich will darauf aufmerksam machen, dass gerade die angesprochene Entscheidung als ein Zeichen der Bereitschaft zu werten ist, sich auch im Falle einer weiteren Zuspitzung für den humanitären Einsatz, wenn nötig, auch mit einer entsprechenden militärischen Absicherung, einzusetzen. Das heißt: Gerade diese Entscheidung belegt, dass wir die humanitären Herausforderungen, die im Zuge der Entwicklungen in Libyen einstweilig auftreten, ernst nehmen und angemessen darauf reagieren wollen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ströbele, bitte. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, Sie haben die Frage der Kollegin Müller leider nicht beantwortet. Deshalb frage ich nach: Ist die Bundesregierung bereit, ein bestimmtes Kontingent der Flüchtlinge für eine bestimmte Zeit aufzunehmen? Sie können die Frage namens der Bundesregierung mit "Ja" oder "Nein" oder "Weiß nicht" beantworten. (Heiterkeit der Abg. Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Ströbele, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die rechtlichen Voraussetzungen des § 23 Aufenthaltsgesetz eine Einbeziehung der Bundesländer notwendig macht; diesen Hinweis wollte ich geben. Ansonsten glaube ich, die Frage mit dem Satz, den ich gern wiederhole, beantwortet zu haben: Nach Auffassung der Bundesregierung soll die humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge zunächst in der Region erfolgen. Das ist keine Antwort nach dem Ja-oder-Nein-Schema; aber es ist trotzdem eine Antwort auf die gestellte Frage. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Schmidt, bitte. Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, vonseiten der Bundesregierung ist angekündigt worden: Wenn Italien Reisedokumente für Flüchtlinge ausstellt, könnten wieder Kontrollen an den deutschen Grenzen eingeführt werden. An den Grenzen zu welchen Ländern gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls solche Kontrollen einzuführen: an den EU-Binnengrenzen zu Frankreich oder Tschechien oder an der Grenze zur Schweiz? Gibt es schon Gespräche mit den betroffenen Ländern darüber, dass man das jetzt - ich sage einmal: mitten in der Osterreisezeit - erwägt? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Zunächst einmal ein Hinweis: Sie berufen sich auf die Äußerungen eines Landesinnenministers. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der immer noch nicht weiß, dass er das als Landesinnenminister gar nicht mehr machen kann!) Ich betrachte die Einführung von Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums als eine Ultima Ratio, für die gegenwärtig kein Anlass besteht. Die Bundespolizei arbeitet mit erhöhter Aufmerksamkeit. Ansonsten wissen wir angesichts der engen Regelungen des Schengener Durchführungsübereinkommens, dass wir nicht von einer dauerhaften Wiedereinführung eines Grenzregimes ausgehen können. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir nun ganz beruhigt: Kein Grenzregime wie früher!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege Fischer, bitte. Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, die Innenminister der EU sollen Gespräche mit dem Übergangsrat in Tunesien zu einem möglichen Rückführungsabkommen geführt haben, da es sich in dem Bereich weitestgehend um Wirtschaftsflüchtlinge handelt. Können Sie etwas über den Stand dieser Verhandlungen sagen? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Mir ist bekannt, dass mit Italien, dem hauptsächlich betroffenen Land - in Lampedusa sind überwiegend tunesische Flüchtlinge angekommen -, ein Rückübernahmeabkommen geschlossen wurde, das die Rückführung von 60 Flüchtlingen pro Tag vorsieht. Dies kann im Rahmen der EU-rechtlichen Voraussetzungen getan werden. Ich will darauf aufmerksam machen, dass es sich hier vielfach um Personen handelt, bei denen zu erwarten ist, dass sie nach den erfolgreichen revolutionären Bewegungen in Tunesien für den Aufbau des demokratischen Gemeinwesens vor Ort gebraucht werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Keul. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Ich möchte auf die EU-Richtlinie zurückkommen, die die Kollegin Müller vorhin erwähnt hat. Nach dieser Richtlinie ist es möglich, Ausländern vorübergehend Schutz in Europa zu bieten. Ich möchte Sie fragen: Was sind denn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen solchen Schutz? Sind sie in diesem Falle nicht gegeben und wenn nein, warum nicht? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Sie wissen, dass es über diese Frage Diskussionen gibt. Die Voraussetzungen sind letztlich diejenigen, die in der Flüchtlingskonvention niedergelegt sind. Die Entscheidung über die Aufnahmequote liegt beim jeweiligen Mitgliedstaat. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was macht Deutschland jetzt? - Gegenruf des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beobachten!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Jelpke, bitte. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, wie wollen Sie als unparteiisch gelten und als humanitärer Helfer wahrgenommen werden, wenn Sie Soldaten nach Libyen schicken und gleichzeitig in der Grenzregion Frontex einsetzen? Gerade das sind doch Symbole der Abschottung. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das hat doch Frau Daðdelen gerade gefragt!) Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Zunächst einmal habe ich auf Folgendes aufmerksam gemacht: Sofern es sich um den Einsatz deutscher Soldaten handelt, geht es um einen Vorratsbeschluss bzw. um eine Vorabsprache, der bzw. die militärische Einsatzmittel zur Absicherung humanitärer Maßnahmen vorsieht. Aus zahlreichen Beispielen wissen wir, dass eine solche humanitäre Absicherung notwendig sein kann. Die große Mehrheit des Hauses hat sie in vergleichbaren Fällen entsprechend unterstützt. Es hat wenig mit Parteilichkeit oder Nichtparteilichkeit zu tun, wenn Sie einen Versorgungstransport mit medizinischen Gütern oder mit Lebensmitteln vor Angriffen einer gegnerischen Partei schützen, die die humanitäre Versorgung der betroffenen Gruppe nicht will. Dann sind Sie höchstens parteiisch für die Humanität. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege Ott, bitte. Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, manchmal scheint es, als ob sich die Bundesregierung das Motto eines sehr bekannten Autobauers zu eigen gemacht hat: "Nichts ist unmöglich"; ob es nun um Guttenberg oder die Atomfrage geht. Ich habe Ihrer Antwort auf die Frage unseres Kollegen Ströbele sehr genau zugehört. Sie haben gesagt, Sie hätten nicht vor, ein dauerhaftes Grenzregime einzuführen. Was ist bei Ihnen ein nicht dauerhaftes Grenzregime, das Sie vielleicht einführen wollen? Haben Sie angesichts des bevorstehenden Osterreiseverkehrs Vorsorge dafür getroffen, dass die Bevölkerung genügend informiert und gewappnet ist? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich empfehle - auch wenn Sie die Neigung haben, mit Blick auf das Osterfest irgendwelche Grenzkontrollen anzukündigen - (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das waren doch Sie!) einen Blick in die Regelungen des Schengener Durchführungsübereinkommens. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hätte mal ihr Herr Friedrich reingucken sollen!) Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns an diese Regelungen gebunden fühlen. Da sind die Voraussetzungen und die Zeitdauer für die Einführung von Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raumes sehr eng definiert. Insofern sind manche der Äußerungen, die in diesem Zusammenhang getan werden, und auch die Spekulation, die in Ihrer Frage liegt, aus meiner Sicht völlig unbegründet. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Scheel, bitte. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, was der Kollege Ott Sie gerade gefragt hat, ist mehr als begründet, und zwar deswegen, weil Ihr Minister in den letzten Tagen mehrmals im Zusammenhang mit dem Schengener Abkommen öffentlich darüber gesprochen hat, Grenzkontrollen einzuführen. Dadurch zwingt sich regelrecht der Eindruck auf, dass sich der Minister von der einen oder anderen Überlegung, die im Schengener Abkommen formuliert ist, distanziert hat. Zur konkreten Frage. Sie sprachen von Grenzkontrollen nur als Ultima Ratio, einen Halbsatz später hieß es aber, dass Grenzkontrollen nicht dauerhaft eingesetzt werden sollen. Deswegen würde uns in diesem Zusammenhang interessieren, inwieweit die Bundesregierung zum einen derartige Grenzkontrollen erwogen hat und ob sie uns zum anderen jetzt endlich einmal sagen kann, wie sie sich im Zusammenhang mit den Flüchtlingen überhaupt verhalten will. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, zunächst einmal: Für vertiefende Auskünfte empfehle ich das Gespräch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem Innenausschuss. Der Innenminister hat erst vor einer Stunde im Innenausschuss hierzu Rede und Antwort gestanden. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind hier im Parlament!) Ich denke, jeder, der ihn gehört hat, weiß, dass er gegenwärtig nicht von der Einführung von Grenzkontrollen ausgeht. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Niemand hat die Absicht ...!) Gleichwohl bestand im Innenausschuss Einigkeit darüber - und ich hatte den Eindruck, fraktionsübergreifend -, dass das Verhalten der italienischen Regierung in dieser Frage nicht akzeptabel ist und dass es geeigneter Instrumente braucht, darauf hinzuweisen. Man kann seinen Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen nicht dadurch gerecht werden, dass man ihnen plötzlich Aufenthaltstitel gibt und die Weiterreise innerhalb des Schengen-Raums empfiehlt. Das ist unangemessen und entspricht nicht den Loyalitätsverpflichtungen innerhalb der Europäischen Union. Die eine oder andere Äußerung, die als Reaktion darauf in der Öffentlichkeit festzustellen ist, deute ich in dieser Hinsicht. Es gibt aber keine ernsthafte Absichtsbezeichnung des Bundesinnenministers, unmittelbar jetzt Grenzkontrollen im Schengen-Raum einzuführen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt bitte der Kollege Schick. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich würde gern auf Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen Fischer zurückkommen, auch wenn die Frage, was denn "gegenwärtig" in Bezug auf die Grenzkontrollen heißt, ebenfalls noch einer Vertiefung bedürfte. Ich möchte wissen, welche konkreten Erkenntnisse und Informationen die Bundesregierung zu der Frage hat, ob unter den Bootsflüchtlingen Bürgerkriegsflüchtlinge sind oder ob es sich um andere Flüchtlinge handelt. Das ist für die Frage der rechtlichen Einordnung von Bedeutung. Welche konkreten Informationen liegen Ihnen vor? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Zunächst einmal: Die große Mehrheit der Flüchtlinge, die in Italien ankommt, stammt aus Tunesien, wo man gerade erst eine diktatorische Herrschaft abgeschüttelt und den Status der Freiheit erreicht hat. Von den ungefähr 23 000 Flüchtlingen, die nach Italien gekommen sind, haben 10 Prozent einen Asylantrag gestellt. Das legt die Vermutung nahe, dass für das Gros der Flüchtlinge - ich spreche jetzt wohlgemerkt nur von den Flüchtlingen aus Tunesien - andere als asylsuchende Gründe für die Übersiedlung nach Italien entscheidend waren. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege Montag. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär Bergner, Sie haben davon gesprochen, dass die Bundesregierung bzw. das Bundesinnenministerium grundsätzlich nicht an eine Grenzüberwachung im Schengen-Raum an den deutschen Grenzen denkt. Auf die zweite Frage haben Sie geantwortet: "Konkret" und "unmittelbar" wird daran nicht gedacht. Ihre Wortwahl verleitet uns zu der Überlegung, dass doch irgend etwas zwischen "grundsätzlich nicht" und "unmittelbar jetzt nicht" im Schwange sein könnte. Deswegen stelle ich eine ganz konkrete Frage mit der Bitte um eine möglichst klare und konkrete Antwort: Gibt es für den Fall, dass die italienische Regierung das wahrmacht, was Sie angedeutet haben, und mit der Ausstellung von Ausweisen beginnt, die zur Ausreise und freien Bewegung im Schengen-Raum berechtigen - Sie haben das kritisiert; wir kritisieren das auch -, in Ihrem Ministerium Pläne zur Durchführung von Kontrollen an deutschen Grenzen, quasi als Notfallmaßnahme? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die mit der Grenzsicherung beauftragte Bundespolizei muss prinzipiell auch Lagen einkalkulieren, in denen aus unterschiedlichsten Anlässen im Rahmen des nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen Möglichen Grenzkontrollen durchgeführt werden müssen. Ich will in diesem Zusammenhang einmal einen anderen Fall als die Flüchtlingsproblematik nennen: Sie wissen, dass wir bei der Fußballweltmeisterschaft - das ist konkret - an der Grenze zu Nachbarstaaten Kontrollen durchgeführt haben, um unter anderem bezogen auf Hooligans Prüfungen zu ermöglichen. Diese Kontrollen fanden im Einklang mit den Schengen-Regelungen statt. In diesem Sinne muss man darauf eingestellt sein, in bestimmten Situationen solche Regelungen vornehmen zu müssen. Ich sage aber noch einmal: Das Schengener Übereinkommen setzt einen engen Rahmen, und wir haben nicht die Absicht - ich sprach von der Ultima Ratio -, diesen Rahmen in irgendeiner Weise zu verletzen. Wir haben nicht die Absicht, uns in irgendeiner Weise nicht konform zum Schengener Übereinkommen zu verhalten. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht sehr konkret! Dankeschön!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Haßelmann zur Geschäftsordnung. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Bergner, insbesondere Ihre Antworten auf die Fragen nach der Konkretisierung des Flüchtlingsstatus, zur Bereitschaft Deutschlands zur Aufnahme von Flüchtlingen sowie zu den Quoten und Ihre Antwort, was das Schengener Durchführungsübereinkommen und die Grenzkontrollen angeht - Sie haben sich diesbezüglich öffentlich hinreichend geäußert -, machen uns deutlich, dass Sie nicht in der Lage oder nicht bereit sind, die Fragen meiner Kolleginnen und Kollegen zutreffend und umfangreich zu beantworten. Deshalb beantrage ich gemäß Anlage 5 Nr. 1 Buchstabe b unserer Geschäftsordnung unter anderem wegen der Aktualität des Themas eine Aktuelle Stunde nach § 106 Abs. 1. (Zuruf von der CDU/CSU): Das wusstet ihr vorher schon!) - Er hätte uns ja überzeugen können! Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin! Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Entschuldigung, das war ein Beitrag zur Geschäftsordnung. Insofern ist das jetzt mein Part. Aber Sie können auch gerne etwas dazu sagen. Sie können sich gerne zu Wort melden, wenn Sie das möchten. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich will bloß sagen, dass mich dieser Antrag nicht überrascht. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Uns auch nicht!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das entspricht den Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Das entspricht, wie deutlich gemacht, Anlage 5 Nr. 1 Buchstabe b unserer Geschäftsordnung. Die Aussprache zu diesem Thema findet nach der Fragestunde statt. Ich rufe jetzt die dringliche Frage 6 des Abgeordneten Kilic auf: Beabsichtigt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der erfolgten Aufnahme von 100 anerkannten Flüchtlingen aus Malta (siehe Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern vom 8. April 2011) die weitere Übernahme von in Malta ankommenden Flüchtlingen, und ist sie dazu bereit, die Rückschiebungen von Asylsuchenden nach Malta im Rahmen des Dublin-II-Verfahrens auszusetzen? Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bitte. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Kilic, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Bund und Länder sind bereit, 100 Flüchtlinge, die sich derzeit auf Malta aufhalten, zu übernehmen. Darüber hinaus sind derzeit keine weiteren Übernahmeaktionen geplant. Im Rahmen der Anwendung der Dublin-Verordnung wird bereits seit 2009 zugunsten besonders schutzbedürftiger Personen, für die eine Zuständigkeit Maltas gegeben ist, vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht. In den vergangenen 15 Monaten wurden lediglich 13 Personen nach Malta überstellt. Eine Aussetzung von Überstellungen nach der Dublin-Verordnung ist vor dem Hintergrund der geringen Fallzahl nicht angezeigt. Die Bundesregierung beobachtet die Lageentwicklung in Malta weiterhin mit großer Aufmerksamkeit. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kilic, Sie haben eine Nachfrage? Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin, ich habe eine Nachfrage. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte sehr. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, manchmal ist auch eine nicht gegebene Antwort eine Antwort, so in diesem Fall. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Bitte nicht noch eine Aktuelle Stunde daraus machen!) Ich war im Mai 2010 mit Kolleginnen und Kollegen vom Innenausschuss in Libyen und Malta, um Flüchtlingsströme zu beobachten und Gespräche zu führen. Damals haben wir Verbindungsbeamte vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Malta getroffen. Sie sagten, dass man zur Notlinderung 100 Flüchtlinge aus Malta aufnehmen wolle. Da Ihre Antwort nicht konkret war, gehe ich davon aus, dass Deutschland immer noch dabei ist, dieses alte Versprechen einzulösen und 100 Flüchtlinge aufzunehmen. Ich frage konkret: Wie viele Asylsuchende wurden in den Jahren 2007 bis 2010 von Deutschland im Rahmen des Dublin-II-Verfahrens an Malta rücküberstellt? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Kilic, ich kann Ihnen die Zahl nennen, die in meiner Antwort steht. In den vergangenen 15 Monaten handelte es sich um 13 Personen. Ich bin gern bereit, Ihnen, wenn Sie die Jahre 2007, 2008 und 2009 in den Blick nehmen wollen, schriftlich eine Auskunft darüber zu geben. Ich sage noch einmal: Zur solidarischen Lösung des Problems in Malta muss man, glaube ich, zwei Instrumente betrachten. Das eine ist der Selbsteintritt, den wir mit der Übernahme der 100 Personen ausüben, das andere ist die Dublin-Verordnung, die ein prinzipielles Verfahren zur Aufnahme von Asylsuchenden vorsieht und nach Auffassung der Bundesregierung keinen Verteilungsmechanismus für Asylsuchende innerhalb der Europäischen Union vorsieht. Aus diesem Grunde kann ich auf Ihre Nachfrage - ich glaube, dass meine Antwort gerade deutlich genug war - nur noch einmal antworten, dass wir im Rahmen des Selbsteintritts 100 Personen aufnehmen und dass wir die Dublin-Regelung nicht aussetzen wollen. Dazu sehen wir jedenfalls gegenwärtig keinen Anlass. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kilic, Sie haben noch eine weitere Nachfrage? - Bitte sehr. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe eine weitere Nachfrage, Herr Staatssekretär. Haben sich andere Mitgliedstaaten der EU bereit erklärt, Flüchtlinge aus Malta aufzunehmen? Wenn ja, welche Staaten und welche Anzahl? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich habe in meinen Unterlagen keine Angaben über die Aufnahmebereitschaft anderer Staaten. Auch das müsste ich Ihnen schriftlich nachliefern. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Nach den dringlichen Fragen rufe ich jetzt die Fragen auf Drucksache 17/5421 in der üblichen Reihenfolge auf. Zunächst kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Ernst Burgbacher bereit. Die Fragen 1 und 2 des Kollegen Garrelt Duin werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 3 der Kollegin Wicklein: Welche konkreten Ergebnisse haben der "Neun-Punkte-Plan für den Mittelstand" sowie die Initiative für den Mittelstand "Auf den Mittelstand setzen: Verantwortung stärken - Freiräume erweitern" gebracht? Bitte schön. Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Verehrte Frau Kollegin Wicklein, mehr als 3,7 Millionen kleine und mittlere Unternehmen sind der Motor für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. Das haben wir insbesondere am Ausgang der Krise gesehen. Deshalb verfolgt die Bundesregierung eine Wirtschaftspolitik, die sich für die Belange des deutschen Mittelstands einsetzt. Hierzu hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Januar 2010, also kurz nach dem Regierungswechsel, in dem von Ihnen genannten "Neun-Punkte-Plan für den Mittelstand" erste konkrete Vorschläge vorgelegt. Lassen Sie mich beispielhaft auf zwei Ergebnisse des Neun-Punkte-Plans eingehen. Um die Innovationsfähigkeit des Mittelstands zu fördern, hat die Bundesregierung das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, besser bekannt unter ZIM, trotz Sparzwängen und Schuldenbremse fortgeführt und auf hohem Niveau stabilisiert. Es umfasst in diesem Jahr ein Gesamtvolumen von 389 Millionen Euro. Das Bundeswirtschaftsministerium hat im vergangenen Jahr Innovationsgutscheine eingeführt, um in kleinen Unternehmen Anreize zur verstärkten Forschungs- und Entwicklungstätigkeit zu setzen. Anfang Februar 2011 hat Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle die neue Mittelstandsinitiative unter dem Titel "Auf den Mittelstand setzen: Verantwortung stärken - Freiräume erweitern" auf den Weg gebracht. Diese Mittelstandsinitiative stellt den Status quo und weitere konkrete Ergebnisse des Neun-Punkte-Plans umfassend dar und identifiziert sieben zentrale Themenfelder für die deutsche Mittelstandspolitik der kommenden Jahre. Das ist sicherlich das, was Sie als Sieben-Punkte-Plan bezeichnen. Zur Sicherung des Fachkräftebedarfs der deutschen Wirtschaft wurde bereits der Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs 2010 bis 2014 unterzeichnet. Mit dem neuen Ausbildungspakt, dessen Aufgabenstellung gegenüber dem früheren sehr stark verändert worden ist, sollen vermehrt leistungsstarke Schulabgänger für eine betriebliche Berufsausbildung gewonnen werden. Zudem werden verstärkt auch solche Jugendliche in den Blick genommen, die bisher Schwierigkeiten beim Übergang in eine Ausbildung hatten. Die Mittelstandsinitiative des BMWi wurde, wie Sie nachrechnen können, vor zehn Wochen veröffentlicht. Deshalb ist es zum heutigen Zeitpunkt sicher noch zu früh, ganz konkrete Ergebnisse zu benennen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Wicklein, Sie haben eine Nachfrage. - Bitte schön. Andrea Wicklein (SPD): Herr Staatssekretär, ganz herzlichen Dank für die Beantwortung meiner Frage. - Ich möchte Sie noch um eine Stellungnahme zu der im Koalitionsvertrag angekündigten steuerlichen Forschungsförderung bitten, die gerade für die kleinen und mittelständischen Unternehmen sehr wichtig ist. Bis jetzt ist eine Umsetzung ausgeblieben, und es gibt verschiedene Aussagen von Mitgliedern der Regierungsfraktionen, die sich gegenseitig widersprechen. Die Forschungspolitiker sagen, dass sie an diesem Vorhaben festhalten; andere sagen, dass es sich dabei um Subventionen handelt, die man abbauen will. Mich würde interessieren, wie die Haltung der Bundesregierung zu diesem aus meiner Sicht sehr wichtigen Instrument ist. Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Kollegin Wicklein, eine ganz klare Aussage: Wir haben zu diesem Thema im Koalitionsvertrag eine Vereinbarung getroffen. Die Bundesregierung hat deutlich gemacht: Oberste Priorität hat die Haushaltskonsolidierung. Sie alle kennen die angespannte Finanzlage und die Sondertatbestände, die so nicht zu kalkulieren waren. Deshalb haben wir klar festgelegt: Oberste Priorität hat die Haushaltskonsolidierung. Wenn sich im Rahmen der Haushaltskonsolidierung Freiräume ergeben, dann werden andere Themen wie die steuerliche Entlastung und die steuerliche Forschungsförderung wieder auf den Plan kommen. Im Augenblick aber hat die Haushaltskonsolidierung, wie gesagt, Vorrang, weil unsere Zukunftsfähigkeit insgesamt dadurch am ehesten garantiert werden kann. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben keine weitere Nachfrage zu dieser Frage. Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Wicklein auf: Mit welchen konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung die innovativen Gründungen in Deutschland unterstützen? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Kollegin Wicklein, mit der Initiative "Gründerland Deutschland" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass mehr Menschen in Deutschland den Schritt in die Selbstständigkeit wagen und die Gründungskultur in Deutschland gestärkt wird. Im Rahmen dieser Initiative kommt innovativen Gründungen eine besondere Bedeutung zu. Die Maßnahmen der Bundesregierung zur Unterstützung innovativer Gründungen konzentrieren sich auf einen erleichterten Zugang dieser Unternehmen zu Finanzierungen. Ich möchte zwei Bereiche ansprechen. Erstens. Das Programm "Existenzgründungen aus der Wissenschaft", abgekürzt EXIST, hat zum Ziel, das Gründungsklima und den Gründungsprozess an Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland zu verbessern. Mit den entsprechenden Teilmaßnahmen zur Unterstützung von Ausgründungen mobilisiert das BMWi im Jahr gut 200 Ausgründungsprojekte mit einem Volumen von gut 20 Millionen Euro pro Jahr. Ergänzend richtet sich die Maßnahme "GO-Bio" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung an gründungsbereite Forscherteams in den Lebenswissenschaften und hat dort seit 2005 bereits 28 Gründerteams gefördert. Zweitens. Der High-Tech-Gründerfonds investiert Risikokapital in neu gegründete deutsche Technologieunternehmen. Seit seiner Auflage im Jahre 2005 hat der High-Tech-Gründerfonds bereits 220 Technologiegründungen finanziert. 2 000 zukunftsfähige Arbeitsplätze sind entstanden. Die Bundesregierung bereitet einen Anschlussfonds vor, der im Sommer 2011 an den Start gehen soll und wiederum unter deutlicher Beteiligung der privaten Wirtschaft aufgelegt werden wird. Gerade wachstumsstarke Gründungen sind auch über die Gründungsphase hinaus auf ein ausreichendes Finanzierungsangebot angewiesen. Deshalb mobilisiert das Wirtschaftsministerium mit seiner Förderarchitektur für Wagniskapital in diesem Bereich erhebliches privates Kapital, etwa mit dem ERP-Startfonds und dem ERP/ EIF-Dachfonds. Darüber hinaus setzt sich die Bundesregierung dafür ein, die Rahmenbedingungen für Venture Capital und Business Angels zu verbessern und international wettbewerbsfähig zu gestalten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Hier werden die Fragen 5 und 6 der Kollegin Anette Kramme schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 7 der Kollegin Dittrich: Wo genau beantragen die Empfänger von Arbeitslosengeld II bis Ende April 2011 Leistungen aus dem sogenannten Bildungspaket für Kinder rückwirkend zum Jahresanfang, und welche Behörde ist zuständig - die Jobcenter, die Sozialämter, die Familienkasse oder die Jugendämter? Herr Parlamentarischer Staatssekretär Fuchtel steht zur Beantwortung bereit. Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Verehrte Frau Kollegin, es gibt drei verschiedene Kategorien von Betroffenen: Das sind zum Ersten Betroffene nach dem Sozialgesetzbuch II, zum Zweiten Betroffene nach dem Sozialgesetzbuch XII und zum Dritten Betroffene nach dem Bundeskindergeldgesetz. Die Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II wird von den Jobcentern durchgeführt. Die Leistungen - auch die rückwirkend zu erbringenden - aus dem Bildungspaket nach SGB II sind im Jobcenter zu beantragen. Ob und in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen eine Übertragung der Aufgabenwahrnehmung auf eine andere Stelle - zum Beispiel kommunale Träger - rechtlich zulässig ist, wird das BMAS unter Beteiligung der Länder klären und prüfen. Zur zweiten Kategorie: Leistungsberechtigte nach SGB XII, die Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten, sowie diejenigen, die Grundsicherung im Alter sowie Sozialhilfe wegen Erwerbsminderung bekommen, erhalten die Leistungen aus dem Bildungspaket von den örtlichen Trägern der Sozialhilfe. Das sind im Regelfall die Kreise oder kreisfreien Städte. Zur dritten Kategorie: Die für die Kinderzuschlags- und Wohngeldbezieher zuständigen Stellen müssen von den jeweiligen Ländern benannt werden. Dies ist im Augenblick zum Teil noch nicht geschehen. Daher gibt es hier zur Erleichterung eine Sonderregelung. Bis zum 31. Mai 2011 können Kinderzuschlags- und Wohngeldbezieher die Anträge auf Leistungen aus dem Bildungspaket bei ihrer örtlich zuständigen Familienkasse beantragen. Diese leitet die Anträge an die zuständige Stelle weiter. Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber noch auf etwas Grundsätzliches hinweisen. Der Staat erwartet vom Bürger nicht, dass er diffizile Kenntnisse in Bezug auf die Frage hat, wo er einen Antrag zur Erreichung einer Sozialleistung stellen soll. Deshalb gibt es eine Grundsatznorm, die sich im Sozialgesetzbuch I § 13 ff. befindet. Diese Norm besagt, dass ein Antrag, der an eine nichtzuständige Stelle geleitet wird, unverzüglich von dieser Stelle an den zuständigen Leistungsträger weiterzugeben ist. Oder der Antragsteller muss ersatzweise eine Auskunft erhalten, wer die zuständige Stelle ist und wo sie sich befindet. Insoweit ist gesichert, dass der Bürger nicht alleingelassen wird. Sie haben noch eine zweite Frage zu Informationen gestellt. Die beantworte ich später. Auf jeden Fall ist die Grundlage gegeben, dass auch zum jetzigen Zeitpunkt für alle Betroffenen eine Anlaufstelle gesichert ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Dittrich, Sie haben eine Nachfrage. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Vielen Dank. - Herr Staatssekretär Fuchtel, ich habe mich gefreut, dass Sie eine so ausführliche Beantwortung vornehmen konnten. Auch hoffe ich, dass viele Bürger nun in Bezug auf Staatsbürgerkunde gelernt haben. Man kann also bei jeder Behörde, auch wenn sie nicht zuständig ist, einen Antrag - notfalls auch formlos - abgeben. Das finde ich gut. Ich habe aber noch eine Frage: Müssen für die rückwirkende Nachzahlung ab 1. Januar von den Menschen gesonderte Nachweise erbracht werden? Es war ja einmal eine Behauptung Ihres Ministeriums, dass dem so sei. Die Arbeitslosengruppen der Gewerkschaften haben gesagt, das sei nicht der Fall. Was sagen Sie denn dazu? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ich kann nur darauf hinweisen, dass die Antragsunterlagen natürlich schlüssig sein müssen. Wenn sie nicht vollständig sind, dann werden, wie bei all diesen Fällen, entsprechende Nachfragen gestellt. Die Anträge müssen dann vervollständigt werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine weitere Nachfrage, Frau Dittrich. Bitte. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Meine weitere Nachfrage zu diesem Punkt ist: Reden wir jetzt von einem Antrag - auf jedem Antrag steht ja, was beiliegen muss -, oder reden wir davon, dass in dem Gesetz ja geregelt wurde, dass es Nachzahlungen gibt? Was meinen Sie denn mit "Beilagen zum Antrag"? Kann es sein, dass erst einmal etwas ausgegeben werden kann, was die Menschen nachher nachweisen müssen? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Diese Frage würde ich Ihnen gerne schriftlich dezidiert beantworten, weil ich doch noch einmal meine Abteilungen fragen möchte, damit wir in der Öffentlichkeit keine Aussagen machen, die revidiert werden müssen. Dafür haben Sie sicher Verständnis. Vizepräsident Eduard Oswald: Wir kommen zur Frage 8 der Kollegin Heidrun Dittrich: Wie will die Bundesregierung die Bevölkerung über den Anspruch auf die Auszahlung von Bildungspaketen/Bildungsgutscheinen in der Kürze der Zeit informieren - Antragsfrist läuft am 30. April 2011 aus -, wenn die zuständige Behörde nicht feststeht? Bitte schön. Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Die zuständige Behörde für die Anträge auf Leistungen aus dem Bildungspaket für Kinder von Arbeitsuchenden in der Grundsicherung ist nach dem SGB II, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, das Jobcenter. Arbeitslosengeld- und Sozialgeldbezieher können ihre Anträge dort stellen. Diese allgemeine Information hat das BMAS unter anderem im Rahmen einer Informationskampagne, in Anzeigen, auf Plakaten und im Internet, verbreitet. Durch alle Elemente dieser Kampagne wird auf vertiefende Informationen beispielsweise durch das Bürgertelefon des BMAS verwiesen. Ich möchte in dieser Sache gleich auch etwas Werbung machen und die Nummer bekannt geben, die dieses Bürgertelefon hat, damit man sie nicht erst noch suchen muss. Die Telefonnummer lautet: 01805 676721. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Service der Bundesregierung!) - Wenn Sie das genau wissen wollen: Das habe ich jetzt gerade noch kurz im Internet ermittelt. Im Übrigen möchte ich generell darauf hinweisen, dass die Bürgerinnen und Bürger im Lande, die Informationen benötigen, dieses Bürgertelefon auch für andere Fragen zur Sozialpolitik nutzen können, für die das BMAS zuständig ist. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, gab es im letzten Jahr 700 000 Anrufe. Daraus ist ersichtlich, dass wir mit diesem Bürgertelefon eine sehr wichtige Aufgabe erfüllen. Darüber hinaus sind wir natürlich auch im Internet aktiv. Unter www.bildungspaket.bmas.de können Sie sich ebenfalls die entsprechenden Informationen besorgen. Daneben haben wir für die verschiedenen Zielgruppen Informationsmaterialien entwickelt, die nicht nur heruntergeladen, sondern auch bestellt werden können. Diese Materialien werden auch über die Verantwortlichen für die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets vor Ort als Erstinformation kostenlos angeboten. Darüber hinaus hat das BMAS am 29. März 2011 in einer Pressemitteilung nochmals auf die Möglichkeit der Antragstellung und die Ende April ablaufende Frist für die rückwirkende Beantragung hingewiesen und auf diese Weise in den Medien umfassend darauf aufmerksam gemacht. Ähnliche Informationen gibt es auch noch bezüglich der anderen beiden Segmente, die ich vorhin angesprochen habe. Kinderzuschlags- und Wohngeldbezieher informiert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Broschüren, in Infobriefen und über das Serviceprotal www.familien-wegweiser.de über die Leistungen. Darüber hinaus informieren die zuständigen Familienkassen im Rahmen des Verwaltungsvollzugs zum Kinderzuschlag über die Möglichkeit, vor der endgültigen Feststellung der zuständigen Stellen durch die Länder übergangsweise bis zum 31. Mai 2011 bei den örtlich zuständigen Familienkassen Anträge einzureichen. Bezieher von Kinderzuschlag und Wohngeld werden auch über das Informationsmaterial des BMAS angesprochen. Das sind alle Kategorien, die ich am heutigen Tage zu benennen habe. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre Nachfrage. - Sie werden sicherlich prüfen, inwieweit die Telefonnummer, die der Staatssekretär angegeben hat, richtig ist. Bitte teilen Sie ihm auch mit, wie oft aus der Fraktion angerufen wurde. (Heiterkeit bei der LINKEN - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das werden wir machen!) Bitte schön. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Vielen Dank, dass Sie mich für so gründlich halten. Ich hoffe, auch die Arbeitslosengeldempfänger werden zu schätzen wissen, was Herr Fuchtel ausgeführt hat. Meine Frage ist: Wenn das Gesetz erst Ende März öffentlich bekannt gegeben worden ist, halten Sie dann trotz aller Informationsversuche durch Internet und Presse die Fristen von einem Monat für die einen bzw. bis Ende Mai für die anderen nicht für etwas kurz? Halten Sie sie nicht gerade für diejenigen, die das Geld am dringendsten brauchen, nämlich die Arbeitslosengeld-II-Empfänger und die Empfänger der Grundsicherung - das sind oft Frauen mit Kindern unter drei Jahren, die nicht arbeiten gehen können und dies auch nicht müs-sen -, für sehr kurz? In diesem Zusammenhang habe ich einen Verbesserungsvorschlag. Wäre es nicht besser, allen Leistungsempfängern, die ohnehin halbjährlich überprüft werden, bei der nächsten Überprüfung ganz individuell den Rückzahlungs- und Nachzahlungsantrag auszuhändigen? Denn sie haben einen Rechtsanspruch auf die entsprechenden Leistungen. Warum soll man es vom individuellen Anstrengungsvermögen der Menschen abhängig machen, ob dieser Anspruch wahrgenommen wird? Unabhängig, ob sie einen Internetzugang haben, die von Ihnen genannte Telefonnummer anrufen wollen oder zufällig die Reklame gelesen haben: Wenn sie einen Anspruch haben, dann wäre es viel einfacher, den Antrag auf Nachzahlung in die halbjährliche Überprüfung der Leistungsbescheide mit aufzunehmen. Dann könnten die Betroffenen gleich hineinschreiben: Ja, natürlich, möchte ich. - Dann hätten Sie weniger Verwaltungsaufwand, und alle kämen flächendeckend zu ihrem Recht. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sehr guter Vorschlag!) Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Zunächst möchte ich sagen, dass die Bundesregierung immerhin die gesamte Jobcenterreform in sehr kurzer Zeit realisiert hat. In den Jahren zuvor gab es ja lange Diskussionen ohne Ende. Zweitens ist die Hartz-IV-Reform inklusive Bildungspaket in einer sehr kurzen und intensiven Beratungszeit bewältigt worden. Das Verfahren im Vermittlungsausschuss hat das Ganze eher in die Länge gezogen. Anderenfalls wäre der Vorlauf zur Umsetzung größer gewesen. Drittens sind, denke ich, durch die Beratung die neu geschaffenen Möglichkeiten bis in jeden Haushalt hinein bekannt geworden. Wenn ich als Abgeordneter in meiner Sprechstunde mit diesem Thema zu tun habe, stelle ich immer wieder fest, dass die Betroffenen sehr gründlich informiert sind. Im Übrigen arbeiten wir in unserem Hause daran, wie wir die weitere Entwicklung möglichst unbürokratisch, ohne zusätzlichen Aufwand und möglichst bürgerfreundlich gestalten können. Dazu sind alle Vorschläge auf dem Tisch, die es abzuwägen gilt. Dazu gehören auch die von Ihnen jetzt gemachten Vorschläge. Insoweit ist das keine völlig neue Erkenntnis. Aber es ist zu begrüßen, wenn sich Mitglieder des Parlaments mit konkreten Vorschlägen an die Regierung wenden. Vizepräsident Eduard Oswald: Wie ich nicht nur Ihrem Gesichtsausdruck entnehme, sind Sie mit der Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs zufrieden. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Bleser zur Verfügung. Die Frage 9 des Kollegen Rolf Schwanitz und die Fragen 10 und 11 der Kollegin Sabine Zimmermann werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zur Frage 12 der Kollegin Rita Schwarzelühr-Sutter: Wie viele Referenten sind im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit der Erarbeitung einer Strategie zur Eindämmung von Spekulationen mit Agrarrohstoffen beschäftigt, und hält die Bundesregierung diese personelle Ausstattung für ausreichend? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Vielen Dank. - Frau Kollegin Schwarzelühr-Sutter, Ihre Frage beantworte ich natürlich gerne. Es geht um Spekulationen auf den Agrarrohstoffmärkten und darum, welche personellen Konsequenzen die Bundesregierung daraus zieht. Mit der Erarbeitung einer Strategie zur Eindämmung von Spekulationen mit Agrarrohstoffen sind im BMELV abteilungsübergreifend mehrere Organisationseinheiten befasst. Da sich in den betroffenen Organisationseinheiten mehrere Referentinnen und Referenten mit unterschiedlichen Zeitanteilen mit diesem Thema beschäftigen, kann eine präzise Stellenzahl nicht genannt werden. Die Aufgabe kann grundsätzlich unter Einbindung des Forschungsbereichs mit dem vorhandenen Personal bewältigt werden. Zusätzlich wird derzeit eine externe Ausschreibung zur befristeten Einstellung einer Referentin/eines Referenten durchgeführt. Die Referentin/der Referent soll über wissenschaftlich-theoretische und berufspraktische Erfahrungen im Bereich Warenterminmärkte und Derivatehandel verfügen. Damit soll die Fachkompetenz im Referat "Strategie und Koordinierung" der Abteilung "Ländliche Entwicklung, Agrarmärkte" verstärkt werden. Dieses Referat ist mit der Erarbeitung von Strategien und Analysen der Agrarmärkte befasst. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine Nachfrage, bitte schön. Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, wenn damit verschiedene Referate befasst sind: Weiß man, wie viele Experten außerhalb der Ministerien, also aus der Wirtschaft, mitarbeiten? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Selbstverständlich werden alle möglichen Experten, deren Rat wir einholen können, befragt. Diese Ratschläge werden in die Bewertung aufgenommen. Vizepräsident Eduard Oswald: Zusatzfrage. Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Ja. - Sind denn auch aus den Finanzmärkten bzw. aus dem Bankenbereich Experten mit dabei? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Wir haben das verstärkte Engagement außerlandwirtschaftlicher Finanzinvestoren auf den Märkten jetzt zum ersten Mal registriert. Deswegen haben wir ein Gutachten in Auftrag gegeben, das diesen Komplex beleuchten soll. Wenn es vorliegt, werden wir entsprechend bewerten und informieren. Vizepräsident Eduard Oswald: Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. - Die Fragen 13 und 14 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 15 unserer Kollegin Cornelia Behm von Bündnis 90/Die Grünen auf: Bis wann plant die Bundesregierung die vom Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Peter Bleser auf der Regionalkonferenz des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz "Die Zukunft des ländlichen Raumes" am 22. März 2011 angekündigten neuen Fördermaßnahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes", GAK, wie einen Demografiecheck zur Bewältigung des demografischen Wandels, eine verstärkte kommunale Innenentwicklung sowie flexible regionale Finanzierungsinstrumente wie Regionalfonds, Regionalbudgets oder Mikrofinanzierung in den Planungsausschuss für Agrarstruktur und Küstenschutz einzubringen, und inwieweit liegen der Bundesregierung Informationen über die Bereitschaft der Länder vor, die Aufnahme der neuen Fördermaßnahmen in die GAK mitzutragen? Herr Staatssekretär. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Auf der Regionalkonferenz in Sankt Wendel wurde auf Überlegungen im BMELV verwiesen, zur Bewältigung des demografischen Wandels einen Demografiecheck sowie mehrere Maßnahmen in die Regelförderung der GAK einzubauen; das wurde von mir dort vorgestellt. Diese Überlegung geht einher mit einem Beschluss des Planungsausschusses für Agrar- und Küstenschutz, PLANAK, vom Januar 2011. Auf Initiative des BMELV wurde beschlossen, die GAK im Lichte der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 in ihrer Ausgestaltung zu überprüfen. Der Beschluss sieht unter anderem vor, dass die zur Überprüfung der GAK erforderlichen Schritte im partnerschaftlichen Dialog von Bund und Ländern gemeinsam erarbeitet und untereinander abgestimmt werden. In diesem Beratungsprozess wird erörtert, ob und inwieweit Fördermaßnahmen der GAK und des Rahmenplans mit dem Demografiecheck verbunden werden können. Darüber hinaus wird die Fachebene über die bereits im Herbst 2010 angestellten Überlegungen zu geeigneten Finanzinstrumenten beraten. Die Überprüfung der GAK-Maßnahmen für den Rahmenplan 2014 bis 2017 soll Ende 2012 abgeschlossen sein. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Eine Nachfrage. Bitte schön, Frau Kollegin. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Das alles hört sich leider sehr vage an. Alles wird auf die nächste Förderperiode der EU geschoben. Was den zweiten Teil der laufenden Förderperiode betrifft, scheint es keine Reaktion zu geben. Wir beobachten nicht nur, dass sich strukturschwache ländliche Räume entleeren, sondern auch, dass sich der Bevölkerungsanteil der älteren, der ärmeren und der bildungsfernen Menschen erhöht. Hinzu kommt, dass der Anteil der Kranken steigt. Es ist eine Abwehrpolitik nötig, um das Auseinanderdriften der Lebensverhältnisse in diesen Regionen zu verhindern. Eine Anpassungspolitik genügt nicht. Deswegen frage ich Sie: Wie sind denn die Empfehlungen der interministeriellen Arbeitsgruppe zur ländlichen Entwicklung aus der letzten Legislaturperiode dazu von den Ländern aufgenommen worden? Sind sie schon in den Förderkanon der GAK eingebaut worden? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Sehr verehrte Frau Kollegin Behm, insbesondere Finanzierungsinstrumente wie Regionalbudgets oder revolvierende Fonds können eine ergänzende Möglichkeit für Landkreise oder Kommunen sein, öffentliche Mittel für eine nachhaltige und zielgerichtete regionale Entwicklung einzusetzen. Sie können dazu beitragen, das finanzielle Engagement auch von Unternehmen, Stiftungen oder Verbänden zu steigern. Über die Anwendung dieser Instrumente entscheiden natürlich die Länder. Ich weise darauf hin, dass dies ein Prozess ist, der gemeinsam mit den Ländern und Kommunen in Gang gesetzt werden muss. Die Beachtung des Grundsatzes "Innenentwicklung vor Außenentwicklung" und die Schaffung einer wirtschaftlichen Existenz für die Bürger in den ländlichen Räumen sind die entscheidenden Voraussetzungen dafür, um die Menschen vor Ort zu halten. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben eine Nachfrage, Frau Kollegin Behm. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da haben Sie meines Erachtens ganz recht, aber das Instrument wird bisher unzureichend eingesetzt. Es gibt schon die Möglichkeit, Regionalbudgets einzusetzen. Wir hatten unlängst in der Fraktion dazu ein Fachgespräch. Es hat sich gezeigt, dass das relativ wenig genutzt wird. Deswegen eine weitere Frage zu Ihren Gesprächen mit den Ländern: Wie verliefen diese in Bezug auf die Frage, wie man den Regionen im Rahmen der GAK mehr Entscheidungskompetenz und vor allen Dingen mehr Finanzhoheit übertragen kann? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Frau Kollegin Behm, Sie wissen, dass die Verteilung der GAK-Mittel an die entsprechenden Interessenten über die Länder erfolgt. Dort ist auch die Gestaltung der Programme vorzunehmen. Wir stellen lediglich einen gemeinsamen Rahmen zur Verfügung, in dem die Mittel angefordert und verwendet werden können. Ich weise aber auch darauf hin, dass die Mittel, die im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" zur Verfügung gestellt werden, vorzugsweise im ländlichen Raum Verwendung finden. Dazu gehören Mittel für Dorfentwicklungsprogramme. Auch Investitionen im Agrarbereich dienen der Beschäftigungssicherung im ländlichen Raum. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie sind zufrieden, Frau Kollegin? - Gut. Die Fragen 16 und 17 des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier werden schriftlich beantwortet. Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erledigt. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Die Frage 18 der Frau Kollegin Ulrike Höfken wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Paul Schäfer auf: Was war die Ursache für den Absturz des US-amerikanischen Kampfflugzeuges vom Typ A-10 Thunderbolt am 1. April 2011 in der Nähe von Laufeld? Bitte schön, Herr Kollege Schmidt. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Schäfer, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die zuständige Dienststelle für die Untersuchung von Unfällen mit militärischen Luftfahrzeugen in Deutschland - das ist der General Flugsicherheit der Bundeswehr - steht bezüglich dieses Flugunfalls in engem Kontakt mit der US Air Force und ist mit einem Experten an der US-Untersuchung des Flugunfalls beteiligt. Die Unfalluntersuchung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Zurzeit liegen zur Unfallursache und zum Unfallhergang noch keine belastbaren Erkenntnisse vor. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben eine Nachfrage, Herr Kollege Schäfer? Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, lieber Kollege Schmidt, in der Presse war von einem Trainingsflug zu lesen. Das muss ja nicht stimmen. Flugzeuge vom Typ A-10 werden gegenwärtig auch aktiv eingesetzt. Hat die Bundesregierung bereits Erkenntnisse über Sinn und Zweck des Fluges, die Hinweise auf die Absturzursache geben könnten? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Solche Hinweise habe ich nicht. Vizepräsident Eduard Oswald: Nachfrage, Herr Kollege? Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Eine Nachfrage: Ist diese Maschine nach Ihrem jetzigen Erkenntnisstand auf einer genehmigten Flugroute unterwegs gewesen, oder etwa nicht? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Schäfer, ich muss Sie bezüglich dieser Frage, die - mittelbar oder unmittelbar - für die Unfallursache relevant sein kann, darauf verweisen, dass ich Ihnen noch keine gefestigten Informationen vortragen kann. Ich möchte auch darauf verzichten, in halbspekulativer Art und Weise zu berichten oder zu räsonieren. Ich bitte darum, dass wir dann, wenn der Bericht vorliegt, die entsprechende Information nachreichen dürfen, soweit das nicht sowieso Gegenstand von Berichterstattungen im Bundestag sein wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Es gibt eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön, Frau Kollegin Höger. Inge Höger (DIE LINKE): Herr Staatssekretär Schmidt, können Sie ausschließen, dass dieses Flugzeug im Rahmen des NATO-Einsatzes in Libyen unterwegs war? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, ich liebe Fragen, die mit "Können Sie ausschließen, dass ..." beginnen. Wir haben keinerlei Erkenntnisse dazu. Sie wissen, dass Flugzeuge des Typs A-10 Thunderbolt - das referiere ich jetzt aus meiner eigenen Kenntnis - sehr niedrig fliegende Erdkampfflugzeuge sind, die vulgär mit dem Namen "Warzenschwein" belegt werden und für Langstreckenflüge, soweit mir das bekannt ist, nicht geeignet sind. Aber das ist mein persönlicher Informationsstand. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie wollten noch eine Nachfrage stellen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist rufe ich jetzt die Frage 20, ebenfalls vom Kollegen Paul Schäfer, auf: In welcher Form ist die Bundesregierung bzw. sind Bundesbehörden an der Untersuchung der Absturzursache und der Beseitigung der verursachten Schäden beteiligt? Bitte, Herr Staatssekretär. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Nach der NATO-STANAG 3531 - das sind standardisierte Vereinbarungen über alle technischen und organisatorischen Vorgänge in der NATO - ist in Verbindung mit der ZDv - Zentrale Dienstvorschrift - 19/6 der Bundeswehr - diese betrifft die Behandlung von Unfällen und Zwischenfällen mit militärischen Luftfahrzeugen - der amerikanischen Luftwaffe das Recht eingeräumt, als Eigentümer des Luftfahrzeugs die Unfallursache zu ermitteln. Es ist eine grundsätzliche Regelung, dass das Herkunftsland des Flugzeugs innerhalb der NATO die Federführung bei der Ermittlung der Unfallursache hat. Innerhalb der Bundesregierung gibt es eine Ressortvereinbarung zwischen dem Bundesminister der Verteidigung und dem Bundesminister für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung. Danach ist der Bundesminister der Verteidigung für die Untersuchung aller Flugunfälle mit militärischen Luftfahrzeugen in Deutschland zuständig; hierum handelt es sich ja unstreitig. Die Untersuchungskompetenz wiederum wird in der Bundeswehr vom General Flugsicherheit ausgeübt. Der General Flugsicherheit steht im Augenblick im engen Kontakt mit den amerikanischen Luftstreitkräften und ist mit einem Experten an der Flugunfalluntersuchung beteiligt. Die Erhebung und die Beseitigung von durch das verunglückte Luftfahrzeug verursachten Schäden, wonach Sie ebenfalls gefragt haben, fallen in die Zuständigkeit der Landesbehörden. Deswegen liegen der Bundesregierung keine Informationen über Höhe und Ausmaß der Schäden vor. Wenn ich recht informiert bin, ist die zuständige Kreisverwaltungsbehörde aus Rheinland-Pfalz in diesem Bereich tätig. Vizepräsident Eduard Oswald: Zusatzfrage, Herr Kollege Schäfer. Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für diese Information. - Sie scheint sich damit zu decken, dass unmittelbar am Unfallort nur amerikanische Experten die Untersuchung durchgeführt haben. Sie sagen, der General Flugsicherheit sei beteiligt; ein Experte sei irgendwie dabei. Das wirft für mich die Frage auf: Wie gewährleistet die Bundesregierung, dass sie alle nötigen Informationen über Sicherheitsrisiken und Gesundheitsrisiken, die eventuell durch den Unfall ausgelöst werden können, erhält? Schließlich hat sie eine gewisse Informationspflicht der Bevölkerung vor Ort gegenüber, die mit Sicherheit ziemlich beunruhigt ist: Gehen von dieser abgestürzten Maschine eventuell Gefahren aus? Meine Frage ist also: Sind Sie angesichts der Tatsache, dass das in der NATO so geregelt ist, dass in diesem Fall exklusiven Zutritt nur Vertreter der US-Behörden haben, so umfassend informiert, dass Sie der Bevölkerung angemessene Informationen weitergeben können? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, vielen Dank für die Nachfrage. - Meine Antwort darauf ist sehr ähnlich meinen Antworten auf die nachfolgenden Fragen der Kollegin Höger. Frage 21 bezieht sich darauf, ob sich an Bord des Kampfflugzeuges, das in der Eifel abgestürzt ist, gesundheits- oder umweltgefährdende Substanzen wie etwa Munition aus abgereichertem Uran, Hydrazin oder der NATO-Treibstoff JP-8 befanden und worauf sich die diesbezüglichen Erkenntnisse der Bundesregierung stützen. Wir haben die Auskunft der zuständigen Dienststelle der US-Luftstreitkräfte - das ist in diesem Fall der 52nd Fighter Wing in Spangdahlem - erhalten. Wir hatten Kontakt mit einem Ingenieur der Umweltabteilung des 52. US-Jagdgeschwaders. Von den Proben, die entnommen worden sind, ist uns berichtet worden. Das Beproben der kontaminationsverdächtigen Flächen fällt nicht mehr in die Zuständigkeit der US-Streitkräfte; das ist vielmehr Landesangelegenheit. Ich darf darauf hinweisen, dass die Absicherung der Absturzstelle nicht Angelegenheit der amerikanischen Streitkräfte, sondern der deutschen Seite ist. Diese Absicherung ist vorgenommen worden. Der Zugang zur Unfallstelle ist ausschließlich mit deutschen Absicherungskräften geregelt worden. Wir haben bisher keinerlei Veranlassung, an der vertrauensvollen Zusammenarbeit bei der Aufklärung der Umstände des Unfalls zu zweifeln. Die Auskunft wird erteilt. Wenn die Proben entsprechend ausfallen, können erforderliche Leistungen, wie etwa die Dekontaminierung, durch die Landesbehörden selbst erbracht werden. Gegebenenfalls können Gegenproben entnommen werden. Bisher haben wir da keine Diskrepanzen, von denen ich Ihnen berichten kann. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Schäfer, möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Ja, ich möchte eine Zusatzfrage stellen. Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön. Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Wir werden die Materie ja gleich weiter vertiefen können. Mir ist bekannt, dass deutsche Behörden an der Absicherung der Unfallstelle beteiligt waren. Ich verstehe, weshalb der Zugang zu dem US-Flugzeug sehr exklusiv ist. Meine Frage ist - Sie haben das Thema Kontamination angesprochen -, ob ein deutscher Experte direkt an der Unfallstelle Ermittlungen aufnehmen konnte, ja oder nein. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die Untersuchung kann von den Landesbehörden vorgenommen werden. Es entzieht sich meiner Kenntnis, in welchem zeitlichen und inhaltlichen Rahmen das de facto in diesem konkreten Fall stattgefunden hat. Auch dieses müsste ich nachliefern, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass wir, da es eine Landesangelegenheit ist, einer entsprechenden Information durch das Land Rheinland-Pfalz bzw. der zuständigen Behörden dort bedürfen. Wenn ich noch etwas ergänzen darf, Herr Präsident: Ich habe die Frage, die Herr Kollege Schäfer gestellt hat, nämlich wer denn eigentlich Zugang hat, nicht in in concreto beantwortet, habe allerdings einiges vorbereitet, Frau Kollegin Höger, um die Frage 21 zu beantworten. Vielleicht ergibt sich das eine oder andere aus der konkreten Beantwortung dieser Frage. Vizepräsident Eduard Oswald: Genau so werden wir es machen. Jetzt kommen wir zu der Frage 21 der Frau Kollegin Inge Höger: Kann die Bundesregierung ausschließen, dass sich an Bord des US-Kampfflugzeuges vom Typ A-10, das in der Eifel bei Laufeld am Freitag, dem 1. April 2011, abstürzte, gesundheits- oder umweltgefährdende Substanzen wie etwa Munition aus abgereichertem Uran - DU-Munition -, Hydrazin oder der NATO-Treibstoff JP-8 befanden, und worauf stützen sich die diesbezüglichen Erkenntnisse der Bundesregierung? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die amerikanischen Luftstreitkräfte haben im Rahmen der Zusammenarbeit mitgeteilt, dass keine Munition mit abgereichertem Uran, sogenanntes Depleted Uranium, an Bord des verunfallten Luftfahrzeugs war. In diesem Luftfahrzeug wurde der angesprochene Treibstoff Hydrazin nicht verwendet. Es wurden Boden- und Luftproben genommen, die Kontaminationen zeigen sollten, die durch den Treibstoff JP-8, der in dem Flugzeug Verwendung fand, verursacht sein könnten. Alle Ergebnisse haben sich laut den uns übermittelten Informationen innerhalb der diesbezüglichen Normen befunden. Eine zusätzliche Beprobung der Absturzstelle durch die Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich erfolgte in zeitlicher Absprache mit den US-Dienststellen vor Ort. Aber ich muss auch hierzu sagen: Das kann ich im Detail erst dann nachliefern, wenn wir Rücksprache mit dem Land Rheinland-Pfalz genommen haben. Wir haben gegenwärtig noch keine Erkenntnisse darüber, was diese Beprobung ergeben hat. Vizepräsident Eduard Oswald: Nachfrage, Frau Kollegin Inge Höger. Inge Höger (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär Schmidt, der Treibstoff JP-8 ist hochgiftig. Es kann sicherlich nicht ausgeschlossen werden, dass davon etwas in den Boden gelangt ist. Soweit ich gehört habe, waren die am Aufräumen beteiligten Feuerwehrleute sowie Polizei und Militär, also das Personal der Landesbehörden - Sie sagten eben, die seien für die Räumung zuständig -, nicht mit entsprechender Schutzkleidung ausgestattet. Wie beurteilen Sie das? Wie wollen Sie in Zukunft für die Sicherheit dieser Menschen sorgen? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin Höger, ich kann Ihnen auf diese Frage aus meiner Zuständigkeit heraus keine Antwort geben. Das ist, bei allem Respekt, Angelegenheit der Vorsorge und der Arbeit der zuständigen Landesbehörden. Ich muss deswegen darauf verweisen, dass wir uns diese Informationen geben lassen müssen. Es ist aber auch möglich, dass sie nicht erbracht werden können. Dies ist dann eine Thematik in Rheinland-Pfalz bzw. im Kreis Bernkastel-Wittlich. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben noch eine Zusatzfrage, Frau Höger. Die Wortmeldung der Frau Kollegin Daðdelen habe ich notiert. - Bitte schön, Frau Kollegin Höger. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Entschuldigung, ich würde gern noch etwas ergänzen. - Es gab die Frage: Wer hat die Munition gesichert? Das war nicht Munition, sondern Übungsmunition. Nach Information der Amerikaner befand sich ausschließlich Übungsmunition an Bord des Flugzeuges. Sie ist durch den Kampfmittelräumdienst der US-Airbase Spangdahlem sichergestellt worden. Das ist ein Standardverfahren. Verunglückte Luftfahrzeuge werden zuerst entmunitioniert. Das ist eine aus nachvollziehbaren Gründen geübte Praxis. Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt die Nachfrage. Inge Höger (DIE LINKE): Es bestand der Verdacht, dass sowohl DU-Munition als auch, wie ich eben sagte, das Flugbenzin, das ebenfalls hochtoxisch ist, an Bord war. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass Menschen und Umwelt im Falle des Absturzes eines solchen Flugzeugs geschützt werden? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die bisherigen Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen haben keinen Hinweis auf eine relevante Gefährdung von Mensch und Umwelt durch unbeschädigte Munition mit abgereichertem Uran, die geräumt worden ist, ergeben. In Bezug auf die allgemeinen Regelungen darf ich darauf hinweisen, dass der Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran auf Truppenübungsplätzen und Luftbodenschießplätzen in Deutschland nicht erlaubt ist, auch nicht amerikanischen Streitkräften. (Inge Höger [DIE LINKE]: Und der Treibstoff?) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Als Nächste hat Frau Kollegin Daðdelen eine Nachfrage. Bitte schön. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär Schmidt, Sie sagten auf die Frage meines Kollegen Herrn Paul Schäfer, dass Sie nicht wissen, ob das Land Rheinland-Pfalz, das den Zugang zur Absturzstelle sichern sollte, wirklich Ermittlungen eingeleitet hat, und auf die Frage meiner Kollegin Höger sagten Sie, Hydrazin sei laut entnommenen Proben nicht vorhanden gewesen. Ich möchte gerne von Ihnen wissen: Wer, welche Stelle, hat die Proben entnommen? Waren das deutsche Stellen - wenn ja, welche genau -, oder waren es US-amerikanische Stellen? Und wo wurden die Proben analysiert: in US-amerikanischen Labors oder in deutschen Labors? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, ich habe auf meine fehlende Detailkenntnis hingewiesen, was die Landesarbeit betrifft, vor allem hinsichtlich der Ausrüstung der dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreisverwaltung oder welcher in Rheinland-Pfalz dafür zuständigen Landesbehörde auch immer. Die Ergebnisse liegen uns noch nicht komplett vor; aber in Bezug auf das Hydrazin kann ich Ihnen sagen: Das Flugzeug - dafür muss der Boden gar nicht untersucht werden - fliegt ohne Hydrazin. Man kann natürlich nie ausschließen, dass irgendjemand mit böser Absicht - - (Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Die anderen Proben, von denen Sie gesprochen haben! Sie haben gesagt, es gab Boden- und Luftproben! Von wem wurden die entnommen, und wo wurden sie analysiert?) - Ich gehe davon aus, dass die Proben von den zuständigen Stellen, wohl auch von den Landesbehörden, genommen worden sind. Aber ich werde Ihnen das nachliefern. Vizepräsident Eduard Oswald: Das ist eine gute Regelung. Damit der Sinnzusammenhang gewahrt bleibt, rufe ich, bevor wir diesen Geschäftsbereich und auch die Fragestunde beenden, noch die Frage 22 der Kollegin Höger auf: Welche Informationen liegen der Bundesregierung über den Umfang der von US-amerikanischen und britischen Streitkräften in Deutschland gelagerten DU-Munition vor, und ist es beabsichtigt, eine solche Lagerung sowie Flüge mit dieser Munition im deutschen Luftraum zukünftig zu untersagen? Bitte schön, Herr Staatssekretär Schmidt. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Es besteht keine Pflicht der mit Einverständnis der Bundesrepublik Deutschland im Bundesgebiet stationierten ausländischen Streitkräfte, die Bundesregierung nach dem Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland über Waffen und Munition zu informieren. Ein Verbot der Lagerung oder des Überflugs mit solcher Munition ist weder auf der Grundlage des allgemeinen Völkerrechts noch aus besonderen Vertragsverpflichtungen heraus geboten. Über die fehlende Berechtigung zur Nutzung solcher Munition auch auf deutschen Übungsplätzen habe ich Sie bereits informiert. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben noch eine Nachfrage. Bitte schön, Frau Kollegin Höger. Inge Höger (DIE LINKE): Vielen Dank. - Herr Staatssekretär Schmidt, Sie sagen, es bestehe keine Pflicht der US-amerikanischen Streitkräfte, die Bundesregierung darüber zu informieren, ob DU-Munition auf deutschem Boden vorhanden ist oder in Flugzeugen, die hier fliegen, mitgeführt wird. Sie glauben, dass bei dem Übungsflug des abgestürzten Flugzeuges keine DU-Munition an Bord war. Haben Sie unabhängige Informationen, die belegen, dass das wirklich der Fall war? Wir haben das Problem, dass in der Eifel in den letzten Jahren 50 amerikanische Flugzeuge abgestürzt sind. Die Bevölkerung ist aufgrund der Explosionen, die es gegeben hat, sehr beunruhigt. Diese lassen nämlich darauf schließen, dass entsprechende Munition an Bord war. Es gab in der Folgezeit auch eine Häufung von Krebserkrankungen, die ebenfalls darauf schließen lässt, dass DU-Munition an Bord war. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich kann keinen Beitrag dazu leisten, Ihre Vermutungen zu bekräftigen; denn solche Informationen liegen nicht vor. Wir haben auch keine Veranlassung, an der Solidität der Informationen hinsichtlich der Nichtnutzung von Übungsmunition mit DU seitens der amerikanischen Streitkräfte zu zweifeln. Wenn es Zweifel gäbe, wäre diesen nachzugehen. Die Informationen hinsichtlich des Kampfflugzeugs vom Typ A-10 Thunderbolt, das am 1. April abgestürzt ist, sind sehr plausibel gewesen. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben noch eine zweite Nachfrage, bitte schön. Inge Höger (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär Schmidt, für jeden Gefahrguttransporter gibt es mit Blick auf mögliche Unfälle umfangreiche Vorschriften zur Sicherung und zum Schutz der Bevölkerung. Der Absturz dieses US-amerikanischen Flugzeugs bringt weitaus höhere Gefahren mit sich. Sie verlassen sich aber ausschließlich auf die Angaben der US-amerikanischen Streitkräfte. Wie sieht es mit einer freiwilligen Selbstkontrolle aus? Wie will man Schaden für Mensch und Umwelt zukünftig abwenden? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, die gesundheitlichen Gefährdungen, die aus einer Nutzung von bestimmten militärischen Kampfmitteln entstehen - diese Nutzung ist allerdings nicht zu erwarten -, waren vor mehreren Jahren Gegenstand einer intensiven Erörterung und gründlichen Nachforschung. Damals ist bekräftigt worden, diese Munition auf deutschen Übungsplätzen nicht einzusetzen. Sie werden sich möglicherweise noch an die Diskussion erinnern. Ich will noch auf eines hinweisen: Wir alle sollten uns nicht an Spekulationen, sondern an Fakten orientieren. Wir sollten uns auch verpflichtet fühlen, die Ergebnisse der Beprobung durch die zuständigen Behörden des Landes Rheinland-Pfalz abzuwarten. Diese Ergebnisse können wir dann mit amerikanischen Informationen vergleichen, bei denen wir grundsätzlich davon ausgehen, dass sie glaubwürdig sind. Wir sollten also keine Schädigungen grundlos herbeireden. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die Beantwortung der noch nicht erledigten Fragen erfolgt, wie nach unserer Geschäftsordnung vorgesehen. Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemäß Anlage 5 Nummer 1 Buchstabe b GO-BT zu den Antworten der Bundesregierung auf die dringliche Frage 5 auf Drucksache 17/5468 Es geht um die Aufnahme von vom UNHCR anerkannten Flüchtlingen aus Libyen in Deutschland. Ich eröffne die Aussprache. Als Erste hat unsere Kollegin Renate Künast von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. - Bitte schön, Frau Kollegin Renate Künast. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sehen es jeden Abend in den Fernsehbildern. Jeden Abend sehen wir, wie Boote in Lampedusa und Malta ankommen. Wir hören von Rettungsmaßnahmen; wir sehen Erschöpfte an Land kommen. Wir hören aber auch von Rettungsmaßnahmen, die am Ende leider nicht erfolgreich waren. Und dann hören wir von einem EU-Innenministertreffen, das eigentlich nichts anderes hervorgebracht hat als das erklärte und bewiesene Scheitern der EU-Flüchtlingspolitik. Anfang der 90er-Jahre hat Deutschland noch laut gerufen und eine Lastenverteilung gefordert. Jetzt fällt Deutschland wirklich nichts anderes ein, als dass sich der Außenminister bei der Freiheitsbewegung in Kairo einmal auf dem Tahrir-Platz feiern lässt, aber danach gibt es nichts als ein Nein? Das Nein gegenüber Italien meint: Nein, es wird nicht verteilt; ihr müsst mit den täglich per Schiff ankommenden Flüchtlingen alleine fertigwerden. Meine Damen und Herren, das ist ein nicht akzeptables Vorgehen dieser Regierung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will durchaus zugeben: Man könnte, wenn man die Zahlen vergleicht, sagen: Italien könnte mit diesen 26 000 Flüchtlingen alleine zurechtkommen und das Thema menschenwürdig bearbeiten. Ich sage Ihnen aber: Wir alle wissen, dass es nicht bei 26 000 bleiben wird. Wir haben eine Umbruchsituation im Norden Afrikas. Vorher gab es einen fast unanständigen Deal zwischen Berlusconi bzw. Italien und Gaddafi, den heute keiner mehr kennt und keiner getroffen haben will. Im Jahr 2010 hatte Italien keine nennenswerten Asylbewerberzahlen, weil sich Berlusconi dies millionenschwer erkauft hat. Das muss man kritisch gegenüber Berlusconi anmerken. Es ist aber auch zu fragen: Was heißt eigentlich für uns Flüchtlingspolitik in Europa: Abschottung, die man sehenden Auges hinnimmt? Wir müssen zugeben, dass die EU ja auch überlegt hat, Geld zu geben, damit die Menschen da bleiben. Diese Art des Außengrenzenschutzes, diese Abschottung, ist ein großer menschenrechtlicher Makel der Europäischen Union. Das Nein können wir nicht akzeptieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Sie haben ein C in Ihrem Parteinamen, Herr Bundesinnenminister Friedrich. Das soll die gesamteuropäische Solidarität gewesen sein, das Nein im Chor mit den Landesinnenministern und am Ende, passend zu Ostern und dem Reiseverkehr, nichts anderes als Abschottung und der fröhliche Hinweis: "Wir setzen Schengen außer Kraft und machen Grenzkontrollen"? Ich wünsche gute Verrichtung, Herr Friedrich! Zur FDP kann man hier gar nichts sagen. Sie setzt sich sowieso null durch, auch wenn sie hin und wieder den Versuch macht, etwas Humanes zu sagen. Alles, was diese Bundesregierung gesamteuropäisch und humanitär zu bieten hat, ist sozusagen zur Kenntnis zu nehmen. Wir lassen uns bei den Umwälzungen feiern, aber Tausende von Menschen in ihren überfüllten Booten und in den Lagern in Italien alleine. Ich sage Ihnen: Es ist nicht akzeptabel, sich über Demokratisierungsprozesse zu freuen, aber dann die Folgen nicht tragen zu wollen. Wir verlangen Hilfsbereitschaft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich erwarte das vornean auch von Frau Merkel, die hier gestanden und gesagt hat: Solidarität mit den Flüchtlingen aus Nordafrika. Sie hat es gesagt. Aber wo ist denn diese Solidarität? Wo sind die humanitären Unterstützungen? Ich sehe davon nichts. Allein damit, 100 Flüchtlinge, die in Malta gestrandet sind, hier aufzunehmen, ist diesem Versprechen nicht Genüge getan; das ich keine Solidarität. Es geht auch um die Frage, ob man weitere Menschen aus Malta aufnehmen wird. Ich sage Ihnen: Bei 26 000 Flüchtlingen in Italien wird es nicht bleiben. Es sind sicherlich viele Menschen darunter, die sich aus wirtschaftlichen Gründen auf den Weg machen. Aber gehen wir einmal differenziert heran. Was ist mit den mehr als 3 000 Menschen, die aus Eritrea, aus Äthiopien, aus Somalia und vielen anderen Ländern kommen und vorher schon in anderen Ländern, zum Beispiel in Libyen, gestrandet waren? Wie gehen wir mit diesen Menschen um? Wer humanitär vorgehen will, muss an dieser Stelle sagen: Ja, wir sind zumindest bei diesen Flüchtlingen zu einer europaweiten Verteilung bereit; wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Das ist der Satz, den ich von Ihnen erwarte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Wir erwarten, dass es jetzt endlich Vorschläge gibt, wie wir mit besonders Belasteten umgehen: Wie gehen wir mit Frauen und kleinen Kindern um? Gibt es Angebote für Kranke? - Wir fordern jetzt, wo die Welt in Nordafrika im Umbruch ist, dass es Kreativität gibt, nicht Abschottung. Das heißt: faire Verfahren für diejenigen, die tatsächlich Asylsuchende sind. Das heißt: Aufbauhilfe für Tunesien und Ägypten. Das heißt aber auch, endlich kreativ zu überlegen: Kann es in Europa so etwas wie eine vorübergehende Anwesenheit für diese Menschen geben, damit sie zum Beispiel in Deutschland für einen gewissen Zeitraum Ausbildungs-, Arbeits- und Qualifizierungsmöglichkeiten nutzen und nach ihrer Rückkehr den Aufbau - wir haben versprochen, ihn zu unterstützen - mit mehr Kompetenz und einer besseren Qualifikation vorantreiben können? Meine Damen und Herren, wir wollen, dass den humanitären Worten endlich Taten folgen: nicht Abschottung durch Frontex-Einsätze, sondern Rettung von Flüchtlingen, humanitäre Hilfe, gegebenenfalls Gewährung eines vorübergehenden Bleiberechts, keine Rückschiebungen nach Italien. Es geht hier um wirklich existierende Menschen. Die Weise, wie wir jetzt mit ihnen umgehen, beeinflusst nicht nur deren Zukunft, sondern unser aller gemeinsame Zukunft. Wir warten auf den humanitären Einsatz der Bundesregierung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Als Nächster hat Herr Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich das Wort. Bitte schön, Herr Bundesminister. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Künast, natürlich bewegen uns alle die Bilder, die man jeden Abend im Wohnzimmer im Fernsehen sieht. Man erkennt: Diese Menschen sind in Not; sie wollen ein besseres Leben haben. Wir alle verstehen das; wir wollen ihnen helfen. Aber die Antwort muss sein: Wir können ihnen nur dadurch helfen, dass wir Nordafrika stabilisieren, dass wir vor Ort, in ihren Heimatländern, etwas für den Aufbau der Wirtschaft und der Demokratie tun. Das ist der Ansatz, den ich für dringend notwendig halte. Zuletzt kam es zur Ausreise von etwa 25 000 Personen in Richtung Europa; diese Zahl wurde vom UNHCR bestätigt. Davon sind etwa 22 000 bis 23 000 Personen in Italien angekommen. Man schätzt, dass die Hälfte davon schon in weitere Länder gereist ist. Das Interessante ist: Von den gut 22 000 Personen haben gerade einmal 10 Prozent einen Asylantrag gestellt. Das heißt im Rückschluss: Die anderen wissen möglicherweise von vornherein, dass sie einem Asylantragsverfahren gar nicht standhalten, sondern gleich zurückgeschoben würden. Man kann also davon ausgehen, dass es sich überwiegend um Wirtschaftsflüchtlinge handelt. Natürlich ist es richtig, dass auch Wirtschaftsflüchtlinge arme Menschen sind, die sich ein besseres Leben wünschen; das ist keine Frage. Man muss aber ganz klar sagen: Wir können nicht alle Menschen, die irgendwo in der Welt in Not sind, aufnehmen; wir müssen doch gemeinsam den Ansatz wählen, ihnen dort zu helfen, wo sie leben, also in ihren Ländern. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das eine schließt das andere doch nicht aus!) Italien hat am Montag im Rat gesagt: "Wir brauchen eine Verteilung der Flüchtlinge". Es gibt einen Verteilungsmechanismus nach der sogenannten Massenfluchtrichtlinie. Nur ist die Massenfluchtrichtlinie zu einem Zeitpunkt erlassen worden, als Hunderttausende von Flüchtlingen in Europa unterwegs waren. Wir reden jetzt von rund 22 000 Flüchtlingen. Es wäre das falsche Signal, jetzt diese Richtlinie zu aktivieren und damit deutlich zu machen: Ihr müsst nur irgendwie Europa erreichen; dann werdet ihr schon verteilt. - Das wäre im Übrigen eine Aufforderung an alle Schleuserorganisationen, ganz schnell tätig zu werden und ihr Geschäft blühen zu lassen. Nein, Italien ist nicht überfordert. Ich will gar nicht daran erinnern, dass wir 1992 in Deutschland 430 000 Flüchtlinge oder mehr hatten. Ich möchte an die Zahlen erinnern, die letztes Jahr im kleinen Land Belgien erreicht wurden: In Belgien gab es im letzten Jahr 20 000 Asylbewerber. In Italien, einem wesentlich größeren Land, gab es nur 8 200 Asylbewerber. Das bedeutet, dass Belgien im Jahr 2010, umgerechnet auf die Einwohnerzahl, zehnmal so stark mit Asylbewerbern belastet war wie Italien. Deswegen sagen wir - das habe ich auch meinem Kollegen aus Italien am Montag gesagt -: Solidarität in Europa heißt auch, dass man seiner eigenen Verantwortung - in diesem Fall Italien - gerecht wird. Auch das gehört zur Solidarität. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Die Italiener haben inzwischen eine Vereinbarung mit Tunesien getroffen. Nach dieser Vereinbarung werden 60 Personen pro Tag nach Tunesien zurückgebracht. Was die Italiener allerdings auch gemacht haben, was die Partner in Europa unter dem Stichwort Solidarität richtig gegen sie aufgebracht hat, ist, Aufenthaltsgenehmigungen zu erteilen, und zwar nicht, damit die Menschen in Italien bleiben, was eigentlich der Sinn von Aufenthaltsgenehmigungen wäre, sondern die ihnen nach Schengen-Recht erlauben, in andere Länder zu gehen. Die Art und Weise, mit der Italien hier vorgegangen ist, ist für uns nicht akzeptabel; denn man hat unzulässigerweise versucht, Druck auf die europäischen Partner auszuüben. Auch das ist kein Ausweis von Solidarität. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir werden selbstverständlich keine Kontrollen an den Grenzen einführen und somit das Schengen-Abkommen nicht rückgängig machen. Das geht rechtlich auch gar nicht; denn dazu müsste die Sicherheit Deutschlands gefährdet sein. Aber wir müssen die Wachsamkeit verstärken und beobachten, was jetzt in Italien passiert. Ich denke, das ist eine allzu normale und richtige Reaktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Sie haben Malta angesprochen. Malta ist ein kleines Land mit 400 000 Einwohnern. Schon jetzt leben dort 1 000 Flüchtlinge. Ich habe mit meinem maltesischen Kollegen letzte Woche telefoniert. Er hat mir gesagt: Wir haben überwiegend Flüchtlinge aus Somalia, dem Sudan und aus Eritrea. Zum Teil wurden Asylverfahren durchgeführt, zum Teil noch nicht. - Er hat um Hilfe gebeten. Ich habe in Absprache mit den Innenministern der Länder zugesagt, dass wir 100 Flüchtlinge aufnehmen. Wir Deutschen waren die ersten, die eine solche Zusage gemacht haben. Das ist für unsere Partnerländer in Europa ein Signal gewesen. Dieses Signal ist sowohl von der Kommission als auch vom UNHCR positiv aufgenommen worden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich freue mich, dass das vorbildliche Verhalten Deutschlands am Montag dazu geführt hat, dass Ungarn und die Slowakei spontan erklärt haben, dass auch sie Flüchtlinge aufnehmen werden. Wir haben natürlich die Hoffnung, dass sich andere Staaten anschließen werden. Wichtig ist die humanitäre Hilfe. Sie findet statt. Es sind bereits 5 Millionen Euro für Soforthilfe in Libyen bereitgestellt. Es gibt ein EU-Programm. Es geht im Übrigen nicht um die Finanzierung, sondern darum, ob es vor Ort Strukturen gibt, mit denen wir zusammenarbeiten können, um die Länder aufzubauen und zu stabilisieren. Es geht darum, dass wir gemeinsam mit den Regierungen Perspektiven erarbeiten. Das ist Sinn und Zweck aller Verhandlungen, die die Europäische Union jetzt führt. Auf Bitten der Italiener haben wir zugestanden - das ist die Schlussfolgerung des Rates -, dass die Europäische Union mit Tunesien verhandeln wird, damit Frontex, die Grenzschutzagentur der Europäischen Union, schon in den Gewässern Tunesiens dafür sorgen kann, dass keine weiteren Wirtschaftsflüchtlinge das Risiko auf sich nehmen, (Rüdiger Veit [SPD]: Und was ist mit den anderen Flüchtlingen?) auf das Meer hinauszugehen und sich in Gefahr zu begeben. Sie sollen sofort auf das tunesische Festland zurückgebracht werden. Gleichzeitig soll das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen in Tunesien und auch in anderen Ländern seine Arbeit aufnehmen, um Hilfebedürftige vor Ort aufzunehmen und regionale Schutzprogramme umzusetzen. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist. Ich sage es noch einmal: Selbstverständlich verhalten wir uns als Europäer solidarisch und helfen den Kollegen in anderen Ländern, wenn sie überfordert sind. Das sind die Italiener aber nicht. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das behaupten Sie!) Das sind die Malteser; deswegen mein klares Angebot an Malta. Aber in allererster Linie muss es darum gehen, dass wir in Afrika den Menschen vor Ort eine Perspektive bieten. Das ist der Ansatz der Bundesregierung. Ich halte das, mit Verlaub, für den richtigen Ansatz. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Bundesminister. Als Nächster hat das Wort unser Kollege Rüdiger Veit für die Fraktion der Sozialdemokraten. Bitte schön, Kollege Rüdiger Veit. (Beifall bei der SPD) Rüdiger Veit (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um das vorab klar und deutlich zu sagen: Das Bild, das Europa angesichts dieses Flüchtlingselends bietet, ist erbärmlich, (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) das Verhalten der Regierung Berlusconi mit Blick auf die Lega Nord mindestens als schändlich zu bezeichnen, auch angesichts dessen, was vorher von dort aus an Aktivitäten in Richtung Libyen zum großen Freund Gaddafi entfaltet worden ist. Aber auch - ich bitte um Nachsicht - das Verhalten dieser Koalition und der Regierung sowie einiger CDU-Länderinnenminister ist aus der Sicht von Sozialdemokraten keineswegs immer nur begeisterungswürdig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich registriere ja, dass wenigstens einige FDP-Politiker - dazu gehören der Europaabgeordnete Lambsdorff, der Kollege Wolff, aber auch Frau Pieper - das anders sehen als zum Beispiel die Länderinnenminister Herr Schünemann und Herr Herrmann. Man muss aber auf Folgendes deutlich hinweisen: Wir reden nicht nur in mehr oder weniger abwertender Weise von sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen. Im Juni letzten Jahres fand eine Delegationsreise des Innenausschusses nach Libyen und Malta statt, um sich - lange vor der jetzigen Entwicklung - ein Bild über die örtlichen Verhältnisse zu machen. Von dieser Reise will ich Ihnen berichten und es beschreiben, obwohl das, was wir dort gesehen haben, fast unbeschreiblich war. In der Nähe von Tripolis haben wir ein gerade einmal anderthalb Jahre altes Flüchtlingslager - man könnte auch Abschiebegewahrsam dazu sagen -, besucht. Dort waren in einem Raum mit den Abmessungen 10 mal 12 Meter, 4 Meter hoch - oben ein Lichtband, die Scheiben zum Teil zerschlagen - 40 Somalis untergebracht. In diesem Raum gab es keinen Tisch, keinen Stuhl, keinen Schrank, kein Bett. Für diese 40 Personen gab es Sanitäreinrichtungen, die bestanden aus zwei Abtritten, die zugleich als Dusche dienten, und zwei mittlerweile schon reichlich beschädigten Waschbecken. Das war die Unterbringung, die wirklichen Flüchtlingen aus dem Osten Afrikas, die an Leib und Leben bedroht waren, durch Herrn Gaddafi in Libyen geboten wurde. Meine sehr verehrten Damen und Herren, angesichts dieses Elends kann man, so glaube ich, vielen Menschen, die ihr Leben zweimal riskieren - einmal, indem sie die Wüste durchqueren, und dann möglicherweise noch einmal auf dem Weg über das Mittelmeer -, die Berechtigung ihres Fluchtanliegens kaum versagen. Ich beklage die undifferenzierte Art und Weise, mit der in Deutschland schon jetzt mit einer Abschottungsrhetorik erwidert wird. Ebenso beklage ich das völlig unmögliche und nicht akzeptable Verhalten der Regierung Berlusconi - wie gesagt, mit Rücksicht auf ihren Koalitionspartner Lega Nord, wie ich annehme -, nun zu sagen: Um Himmels Willen, jetzt sind 23 000 Flüchtlinge gekommen; damit sind wir völlig überfordert. Wir lassen die alle durchreisen, oder wir schieben sie am besten alle ab. Gerade Berlusconi hat in Abkommen bilateraler Art mit Herrn Gaddafi Zusagen über 250 Millionen Euro jährlich auf die Dauer von 25 Jahren gemacht, tituliert und angeblich mit dem Zweck und der Absicht, koloniales Unrecht wiedergutzumachen, unausgesprochen aber mit der Erwartung, dass Gaddafi möglichst keine Flüchtlinge mehr über das Mittelmeer lässt. Außerdem wurden ihm noch sieben Schnellboote zur Verfügung gestellt, zum Teil mit italienischer Besatzung. Diese Art von Verlagerung europäischer Flüchtlingspolitik wollen wir als Sozialdemokraten nicht. (Beifall bei der SPD) Wir wollen die Menschen nicht an den Küsten der Herkunfts- und Fluchtländer zurückhalten, auch nicht, indem etwa Frontex-Einheiten die entsprechende Rolle in Tunesien übernehmen. Was wir verlangen, sagen wir Ihnen klipp und klar: Wir sollten versuchen, denjenigen, die aus wirtschaftlichen Gründen, vielleicht aus Tunesien, zu uns kommen wollen - dort sind, wie wir hören, vier von fünf Akademikern arbeitslos -, eine vernünftige Perspektive für einen meinetwegen befristeten, aber geordneten Aufenthalt in der EU, beispielsweise auch in Deutschland, zu bieten. - Das ist das eine. Zum anderen sollten wir uns bemühen, politische Fluchtursachenbekämpfung zu betreiben, auch dort, wo noch Diktaturen am Werk sind, wo die Menschen durch bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen an Leben und Leib gefährdet sind. Auch das ist unsere Aufgabe. Im Übrigen - das ist das Wichtigste - haben wir alle Veranlassung, darauf hinzuwirken, dass es zu einer realen Lastenteilung bei der europäischen Flüchtlingspolitik kommt. Herr Minister Friedrich, die Massenzustrom-Richtlinie hilft uns da überhaupt nicht weiter; unter anderem, weil wir es zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht mit Massen zu tun haben, mit denen Italien nicht fertig werden könnte. Die Schwachstelle dieser Richtlinie liegt in Art. 25 - ich bitte Sie, das nachzulesen -, weil hierin gar kein Verteilungsmechanismus für die Flüchtlingswellen, die auf uns zukommen werden, enthalten ist. Es ist vielmehr so, dass die einzelnen Mitgliedstaaten sagen dürfen, wie viele sie aufzunehmen bereit sind. Dieses Versagen der EU und der Bundesregierung wiegt für mich umso schwerer, da wir alle, die wir jetzt auf den Mittelmeerraum schauen, die Augen lange vor der unverhältnismäßig großen, immensen Belastung Griechenlands verschlossen haben. Es ist richtig, dass Griechenland die Asylverfahren nicht ordentlich bearbeitet. Griechenland, wo wir 2009 zu Besuch waren, sieht sich aber einer riesigen Zuwanderungswelle gegenüber - darunter sind auch viele illegale Flüchtlinge -: Zwischen 500 000 und 1,5 Millionen Menschen sind zugewandert, bei einer Bevölkerungszahl von ungefähr 11 Millionen. Dieser Welle kann Griechenland nicht Herr werden. Griechenland bemüht sich nach Kräften, die Menschen im Land zu behalten, obwohl es allen Grund hat, zu sagen: Einfach weiter mit ihnen nach Zentraleuropa. Deutschland und die gesamte EU haben vor dieser verhängnisvollen Entwicklung, die wirklich mit einem Massenzustrom vergleichbar und mit der entsprechenden Belastung verbunden ist, die Augen verschlossen. Ich wäre allen Beteiligten sehr dankbar, wenn sie endlich begreifen würden, dass wir eine faire Lastenverteilung brauchen, dass wir nicht zulassen dürfen, dass einige Staaten mit ihrer Hausmeisterrolle für Zentraleuropa völlig überlastet werden. Das betrifft im Augenblick und seit Jahren Griechenland. Das wird vermutlich in ebenfalls erheblichem Maße Malta betreffen, und das wird auch Italien betreffen. Es besteht Handlungsbedarf. Ich bitte um mehr Aktivitäten auch seitens der deutschen Bundesregierung. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Kollege. - Als Nächster spricht unser Kollege Hartfrid Wolff für die Fraktion der FDP. Bitte schön, Kollege Wolff. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Situation der Menschen in Nordafrika bedarf unserer großen Aufmerksamkeit. Flüchtlinge dürfen aber nicht zum Spielball innenpolitischer Interessen werden. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein mutiger Satz!) Sie haben ein verbrieftes Recht auf ein faires Verfahren. Das Asylrecht steht nicht zur Disposition. Weil mancherorts womöglich ein anderer Eindruck erweckt wurde, sage ich: Der bayerische Innenminister Herrmann hat keine Verfügungsgewalt über die Schengen-Grenzen. (Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weiß er das? - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Haben Sie ihm das schon einmal gesagt?) Über Grenzkontrollen entscheidet die Bundesregierung auf der Basis geltenden Rechts. Das Schengen-Abkommen sieht die zeitweilige Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu Recht nur unter strengen Voraussetzungen vor. Wir haben innerhalb Europas und innerhalb des Schengen-Raums eine Reisefreiheit und Freizügigkeitsregelungen, die beachtet werden müssen. Von diesen Regelungen profitiert insbesondere Deutschland. Die Voraussetzungen für Einschränkungen der Reisefreiheit liegen nicht vor. Ich empfinde es als außerordentlich unerfreulich, dass die italienische Regierung Berlusconi offensichtlich die schwierige Lage auf Lampedusa für innenpolitische Manöver nutzt. Eine Überbelastung Italiens ist nicht wirklich erkennbar. Laut UNHCR ist im Jahr 2010 die Zahl der Asylanträge in Südeuropa um 33 Prozent gesunken, während sie in Deutschland um 49 Prozent gestiegen ist. Deutschland hat im vergangenen Jahr sechsmal so viele Asylbewerber aufgenommen wie Italien. Die italienische Regierung ist verpflichtet, den Status dieser Menschen zu klären und hierzu europäisches Recht anzuwenden. (Beifall bei der FDP) Die automatische Erteilung von Durchreisevisa für diese Personen ist ein klarer Verstoß gegen die europäischen Abmachungen. Das ist ein antieuropäischer Affront Berlusconis. Wenn die EU-Mitgliedsländer mit EU-Außengrenzen über einen Fonds Geld erhalten, um die Grenzen zu schützen, um Flüchtlinge zu integrieren oder zurückzubringen, wird Italiens Verhalten besonders problematisch. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Offenbar ist der Grund für Berlusconis Manöver mit den Durchreisevisa eher innenpolitischer Natur. Schade ist, dass Links-Grün-Rot ihm bereitwillig folgen will. Nationale Egoismen helfen nicht, wenn es darum geht, europäische Herausforderungen gemeinsam zu lösen. Die FDP meint: Das Schicksal Nordafrikas und der Menschen dort darf nicht zum Vorwand für innenpolitische Machtspiele werden, weder in Italien noch anderswo. (Beifall bei der FDP - Rüdiger Veit [SPD]: Sag das einmal der FDP!) Deutschland ist seiner humanitären Verpflichtung im Rahmen der europäischen Solidarität gerecht geworden. Der Bundesinnenminister hat in der letzten Woche richtigerweise angeboten, 100 Flüchtlinge aus dem besonders belasteten Malta aufzunehmen; das sagte er gerade eben noch einmal. Dies zeigt, dass Deutschland durchaus sensibel mit dem Thema umgeht. Die Europäische Union sollte aber eine gemeinsame Regelung finden, weil die Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen ankommen. Eine gerade aus humanitären Gründen notwendige, nüchterne und sachliche Betrachtung ist erforderlich. Es ist besser, die Ursachen der Flüchtlingsproblematik vor Ort in den betreffenden Ländern zu bekämpfen, als sich hinterher mit den Folgen auseinanderzusetzen. Die Bundesregierung hat die notwendigen Schritte eingeleitet, damit mit finanziellen Hilfen vor Ort der Flüchtlingsstrom aus Nordafrika verringert werden kann. Die Bundesrepublik wird nach wie vor ihren Teil tun, das Leid der Flüchtlinge zu mildern. Dazu gehört auch die Aufnahme einer angemessenen Anzahl von Flüchtlingen aus Bürgerkriegsregionen und Flüchtlingen aufgrund politischer Verfolgung. Es kann aber nicht sein, dass sich immer wieder dieselben europäischen Partner ihrer Verantwortung für Europa entziehen und ihre Probleme mit großem Lärm auf die Nachbarn abwälzen. Ein solches Verfahren bringt Europa und auch die betroffenen Menschen in Misskredit. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Kollege. - Als Nächste spricht unsere Kollegin Frau Ulla Jelpke, Fraktion Die Linke. Bitte schön, Frau Kollegin Jelpke. (Beifall bei der LINKEN) Ulla Jelpke (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Horrorbilder der Flüchtlingsboote aus Nordafrika und insbesondere aus Libyen, die hier schon beschrieben wurden, kennen wir alle. Ich möchte betonen, dass inzwischen mehrere Hundert Menschen dabei ums Leben gekommen sind. Erst am letzten Wochenende ist ein Boot mit 170 Menschen an Bord gesunken; wahrscheinlich sind alle tot. Die meisten Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet steuern derzeit Malta und Italien an. Diese Flüchtlinge kommen meistens aus Eritrea und Somalia; diese hatte im Übrigen der Diktator Gaddafi nicht nach Europa durchgelassen. Es war das EU-Mitglied Italien, das mit Gaddafi einen schmutzigen Deal zulasten dieser Menschen geschlossen hat, und zwar mit dem Segen aller EU-Staaten - das muss man hier einmal ganz deutlich sagen -, die Gaddafi ständig aufgefordert haben, die Flüchtlinge aufzuhalten, wohl wissend, dass diese Flüchtlinge dann Opfer von Gewalt und Willkür in den Haftanstalten, die der Kollege Veit eben beschrieben hat, würden. Auch ich war mit in Libyen und konnte sehen, wie dort die Flüchtlinge untergebracht wurden. Die EU-Abschottungsagentur Frontex hat Italien im Übrigen aktiv dabei unterstützt. Die Bundespolizei hat sich an diesen skandalösen Verletzungen des internationalen Flüchtlingsrechts beteiligt. Es ist an Zynismus nicht zu überbieten, dass sich der Bundesinnenminister heute dafür preisen lässt, ganze 100 Flüchtlinge aus Malta in Deutschland aufzunehmen. Es war das BMI, also das Bundesinnenministerium, das sich auf den EU-Ratstagungen regelmäßig gegen solidarische Verteilungsmechanismen für Schutzsuchende aus nordafrikanischen Ländern zur Wehr gesetzt hat. Es waren die deutschen Innenminister, die jede weitere Verbesserung des Asylrechts in der EU blockiert haben. Es ist dasselbe Ministerium, das mit Folterstaaten, zum Beispiel mit Syrien, Rückabnahmeabkommen abschließt und somit erleichtert, dass die Menschen abgeschoben werden können. Ich denke, Herr Minister, Humanität sieht wirklich anders aus. (Beifall bei der LINKEN) Auch an die Grünen: Es ist natürlich ehrenwert, jetzt hier diese Debatte zu führen. Ich halte sie auch für ausgesprochen notwendig. Aber wenn jemand auf der einen Seite danach schreit, Soldaten nach Libyen zu schicken, und damit die Eskalation des Krieges vorantreiben will - denn Krieg ist eine Ursache für viele Flüchtlinge -, und auf der anderen Seite hier in Deutschland danach ruft, mehr Humanität für Flüchtlinge walten zu lassen, dann hat das für mich einen gewissen Zynismus; das muss ich ganz ehrlich sagen. (Beifall bei der LINKEN) Doch wie sieht jetzt die neueste Antwort der EU aus? Ganz einfach: Es soll so weitergehen wie bisher. Unter der Koordination von Frontex liegt der Schwerpunkt im Abfangen und Zurückweisen der Flüchtlingsboote. Ich empfinde es schon als ein Armutszeugnis, dass Ihnen angesichts der nicht einmal besonders großen Zahl - da haben Sie durchaus recht; aber man muss natürlich auch sehen, dass Italien, weil es Grenzland ist, seit Jahren davon betroffen ist, dass viele Flüchtlinge dort ankommen - nichts anderes einfällt, als jetzt Debatten zum Beispiel darüber zu führen, die Grenze zu schließen, wie es in Bayern der Fall war, oder Schengen außer Kraft zu setzen, und hier abwertend von Wirtschaftsflüchtlingen zu sprechen. Wie wir schon gehört haben, hätten viele der Flüchtlinge, die jetzt von Gaddafi oder anderen Diktatoren verfolgt werden, natürlich ein Recht auf Asyl. Ich meine, dass es mit der viel beschworenen Solidarität mit den Menschen aus Tunesien, Ägypten und Libyen, die sich gegen die Diktatur gewandt haben und hier bejubelt wurden, nicht allzu weit her ist. Warum ist es nicht möglich, in Europa großzügig eine angemessene Zahl von Menschen aus dieser Region aufzunehmen, ihnen Aufenthalts- und Arbeitsmöglichkeiten zu geben? Ich will den Unionskollegen eines sagen: Es heißt immer wieder, die Menschen würden in ihren Herkunftsländern gebraucht. Das ist wirklich das unsinnigste Argument, das ich je gehört habe. (Patrick Döring [FDP]: Wieso?) Jeder weiß: In diesen Ländern herrscht im Moment eine hohe Arbeitslosigkeit. Es gibt dort große Krisen und keine Zukunftschancen. In Deutschland könnte man diesen Menschen Arbeit geben und sie so in die Lage versetzen, ihre Region zu unterstützen. Dies wäre, abgesehen von der Aufnahme der Menschen, ein weiterer Schritt zur Hilfe. (Beifall bei der LINKEN - Manfred Grund [CDU/CSU]: Haben Sie das schon mal in Cottbus auf einer PDS-Versammlung vorgetragen?) Die Linke hat in diesem Haus schon vor langer Zeit ganz klare Forderungen vorgetragen - es ist von anderen Kollegen bereits gesagt worden, dass sie insbesondere von dieser Regierung ignoriert werden -: Wir wollen endlich ein solidarisches System der Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge in der gesamten EU, und zwar nach Wirtschaftseinkommen und Bevölkerungsgröße. Da sieht es nämlich nicht so gut aus, Herr Innenminister; das habe ich Ihnen heute schon im Innenausschuss gesagt. Unter den ersten zehn Ländern wird man Deutschland nicht finden. Kurz und knapp: Wir fordern offene Grenzen für Menschen in Not. Das ist, glaube ich, das, was im Moment angesagt ist. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin. - Als Nächster hat unser Kollege Dr. Hans-Peter Uhl für die Fraktion der CDU/ CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig: Wir waren in Tripolis und haben uns ein Flüchtlingslager angeschaut. Es ist richtig, dass autokratische Regierungen in der arabischen Welt bekämpft werden - sicher zu Recht bekämpft werden - und vielleicht durch andere Regierungen, von denen wir noch nicht wissen, wie sie sich entwickeln werden, abgelöst werden. Es ist richtig, dass deswegen die Migrationsströme in großem Stil zunehmen werden. Die Frage ist: Wie reagieren wir darauf? Was die Linke will, haben wir gerade gehört. Wir sollen die Tore großzügig aufmachen nach dem Motto: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit! Sie sagten: "Wir müssen helfen" und sprachen von Humanität und Solidarität. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Ja! Genau das!) Es sei doch lächerlich, diesen Menschen hier in Deutschland keine Arbeit zu geben. (Beifall der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE] - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das wäre übrigens christlich!) Es ist gut, dass die Integrationsministerin gerade gekommen ist. Die Große Koalition hat nämlich eine Ministerin berufen, die nur eine Aufgabe hat: die Fehlentwicklungen jahrzehntelanger massenhafter falscher Zuwanderung nachträglich zu reparieren. Das ist der Punkt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wer sieht, dass wir Hunderttausende von Menschen durch Alphabetisierungskurse schleppen (Patrick Döring [FDP]: Teure Alphabetisierungskurse!) - die Kosten belaufen sich auf 218 Millionen Euro im Jahr -, und wer die Flüchtlinge aus Afrika sieht, die in den Lagern dort warten und natürlich gerne zu uns kämen, wenn man sie ließe, der weiß, dass wir uns auf diese Weise das nächste Massenproblem verschaffen würden. Wir reden in diesem Haus ununterbrochen davon, was wir brauchen: hochqualifizierte Fachkräfte für unsere Wirtschaft. Schauen Sie sich die Flüchtlinge doch einmal an! Es sind Analphabeten und ungelernte Hilfsarbeiter. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Haben Sie mit denen gesprochen? - Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher wissen Sie das? Haben Sie da Überprüfungen vorgenommen?) - Ich rede von den Flüchtlingen im Lager in Tripolis; (Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Und woher wissen Sie das?) zu denen aus Tunesien komme ich später. - Ich rede von den Flüchtlingen im Lager in Tripolis, die Frau Jelpke, Herr Veit, andere Kollegen und ich dort gesehen haben. Das sind genau die Menschen, denen wir in Deutschland garantiert keine Arbeit verschaffen können. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Warum denn nicht?) Insofern hat ein alter Weltreisender - so möchte ich ihn bezeichnen - wie Peter Scholl-Latour recht, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh Gott!) wenn er angesichts des Elends auf dieser Welt zu der Conclusio kommt: Wir können Kalkutta nicht retten, indem wir Kalkutta zu uns holen. - (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Arnold Vaatz [CDU/CSU], an das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Ja! Was ist denn daran falsch? - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Scholl-Latour ist auch in der Lage, in zwei Minuten eine andere Meinung zu vertreten! Das ist doch alles Quatsch! - Gegenruf des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Sie aber auch! - Heiterkeit bei der CDU/CSU) Wir sagen: Wer wie die Linke und vielleicht auch Sie, Frau Künast - - (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist zutiefst unchristlich, was Sie hier machen, und Sie verhöhnen auch noch! - Weiterer Zuruf: Wissen Sie, was ein Chamäleon ist?) Vizepräsident Eduard Oswald: Wir geben dem Redner eine Chance. Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Wenn Sie, Frau Künast, die ganze Welt umarmen wollen und dabei Ihre eigenen Mitbürger vernachlässigen, versündigen Sie sich an Ihrem eigentlichen Auftrag als Politikerin in Deutschland. Das ist der Punkt, um den es geht. Nein, Solidarität und Humanität müssen in der Region stattfinden. Es muss Hilfe für die Menschen der Region sowie eine vernünftige Unterbringung geben. (Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Warum plärren Sie denn da so rum? (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie zutiefst unchristlich sind und weil Sie sich auf dem Rücken unschuldiger Menschen profilieren wollen!) - Reisen Sie das nächste Mal mit uns, und schauen Sie sich die Flüchtlingslager an! Dann wissen Sie, wovon wir reden, Sie aber offensichtlich keine Ahnung haben. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Unerträglich!) Meine Damen und Herren, wie können wir Tunesien helfen? In Tunesien ist die Situation völlig anders. Dort gibt es viele hochqualifizierte junge Menschen, die keine Arbeitsplätze bekommen. Hier heißt es, in Tunesien zu helfen. Ich halte es für völlig falsch, jetzt 1 000 Wirtschaftsflüchtlinge aus Tunesien aufzunehmen. Wenn 100 000 Deutsche in Tunesien Urlaub machen, helfen wir Tunesien mehr. Das ist meine Antwort. (Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir können mit Europa und der GTZ ganz andere Wege beschreiten, als sie bisher beschritten wurden. Mir als Innenpolitiker ist auch völlig klar: Durch eine reine Abschottungspolitik werden wir die Probleme nicht lösen. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Aber das macht ihr doch!) Wenn wir aber einen Automatismus der Weiterverteilung der Flüchtlinge in Europa auf die verschiedenen Mitgliedstaaten organisieren, heißt das nichts anderes, als das kriminelle Werk von Schlepperorganisationen durch uns zu vollenden. Das ist nicht unsere Aufgabe. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir wollen auch nicht an 20 000 Menschen, die hier angekommen sind, das Signal aussenden: Alles wird gut, alle werden in Europa weiterverteilt. - Das wird dazu führen, dass es bald nicht 20 000, sondern 200 000 sein werden. Wer will das denn außer den Linken? Das können auch Sie nicht wollen, Herr Veit. Denn wir können das Problem nicht lösen. Wir können unseren Wohlstand und unser Wohlstandsniveau nicht mit dem Rest der Welt teilen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch nicht ums Wollen! Es geht um das Passieren! Aber Export in alle Welt! Sie sind ja vielleicht ein Christ!) Ich finde es auch nicht richtig und ungerecht, Herr Veit, wie Sie das Flüchtlingslager beschrieben haben. Es war eine Station der medizinischen Versorgung, die wir besucht haben. So etwas haben diese Flüchtlinge in ihrem Herkunftsland noch nie erlebt. Es gehört dazu, auch so etwas hier mit zu berichten, wenn man schon einen Reisebericht abgibt. (Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Was heißt das? - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Würden Sie da leben wollen?) Nein, meine Damen und Herren, wir werden eine gemeinsame europäische Lösung finden müssen. Die heißt einerseits natürlich, den Schlepperorganisationen nicht zu helfen. Andererseits muss es Hilfe in der Region geben. Die Menschen müssen in der Region bleiben. Wir müssen ihnen dort eine Perspektive bieten. Alles andere wäre eine völlig falsche Reaktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Und weiterhin Waffen liefern!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Kollege. - Als Nächste hat unsere Kollegin Frau Kerstin Griese für die Fraktion der Sozialdemokraten das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin Kerstin Griese. (Beifall bei der SPD) Kerstin Griese (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Uhl, ich bin schon ziemlich entsetzt, welche Bilder Sie malen und welches Bild Sie von Menschen haben, die auf ihrer Flucht und auch vorher schon Schlimmes erlebt haben. Wir sollten uns doch wohl einig sein, dass wir hier die Fluchtursachen und nicht die Flüchtlinge bekämpfen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit dieser Vereinfachung, bei der Sie alles durcheinandergeworfen haben, kommen wir, glaube ich, nicht weiter. Sie haben - auch der Bundesinnenminister hat das am Montag im Kreis der europäischen Innenminister getan - der Idee eine Absage erteilt, in Europa gemeinsam Verantwortung für Flüchtlinge zu übernehmen. Wir erleben gerade, wie im nordafrikanischen Raum viele junge Menschen auf die Straße gehen, mutig für Freiheit und Menschenrechte demonstrieren und, wie sie selber sagen, die Mauer der Angst durchbrechen. Sie demonstrieren natürlich für Menschenrechte, aber auch für eine gute soziale und wirtschaftliche Entwicklung ihrer Länder. Es gibt einige Tausend, die aus ihren Ländern fliehen, sei es, weil es Bürgerkriegsflüchtlinge sind, wie aus Libyen, sei es, weil es Flüchtlinge sind, besonders aus Eritrea und Somalia, die von Gaddafi äußerst schlimm behandelt wurden. Es handelt sich aber auch um Leute, die aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen fliehen. Auch das gibt es natürlich. Die werden nicht alle einen Asylantrag stellen. Aber das heißt doch nicht, dass man sich nicht um sie kümmern soll. Die Fluchtursachen zu bekämpfen, heißt doch nicht, das andere - nämlich sich anständig um die Flüchtlinge zu kümmern - sein zu lassen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich denke auch, dass wir für viele dieser Flüchtlinge gar keine Alphabetisierungsmaßnahmen brauchen; denn sie sind sehr gut ausgebildet. In diesen Ländern sind 90 Prozent der 20- bis 30-Jährigen sehr gut ausgebildet und arbeitslos. Sie suchen natürlich nach ganz anderen Dingen, zum Beispiel nach Entwicklung. Dabei nehmen sie es auf sich, über das Mittelmeer zu fahren, wobei schon Hunderte zu Tode gekommen sind. Deshalb sollte es uns auch aus humanitären Gründen beschäftigen, wie wir mit dieser Situation umgehen. Ich glaube, deshalb sind eine differenzierte Betrachtung der Situation, eine Unterstützung der Demokratiebewegung in Nordafrika und natürlich auch humanitäre Hilfe wichtig. Deswegen muss die europäische Politik gegenüber den arabischen Nachbarn davon geprägt sein, dass wir beim Aufbau der Demokratie mit ihnen zusammenarbeiten und dass wir die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen verbessern. Dazu gehört aber eben, dass wir ein offenes Europa brauchen und nicht neue Mauern bauen dürfen. Die SPD hat schon sehr früh sehr deutlich gesagt: Der demokratische Aufbruch in Nordafrika und die Menschen dort brauchen unsere Unterstützung. Wir haben eine Art Marshallplan für die arabische Welt vorgeschlagen. Es geht um eine umfassende Förderung von Demokratisierung, Modernisierung und wirtschaftlicher Entwicklung. Die Stiftung Wissenschaft und Politik hat einen Pakt für Arbeit, Ausbildung und Energie vorgeschlagen. Ich denke, es geht tatsächlich darum, die Fluchtursachen und nicht die Flüchtlinge selbst zu bekämpfen. Deshalb brauchen wir eine neue Flüchtlings- und Migrationspolitik, um gerade den Menschen zu helfen, die sich dort auf den Weg machen. Es ist allerdings reiner Populismus - das haben wir heute wieder gehört; aus den Reihen der CSU haben wir das öfter gehört -, dass Sie neue Mauern und neue Grenzanlagen aufbauen wollen. Abgesehen davon, dass es praktisch gar nicht geht, ist das reiner Populismus, mit dem Sie den Stammtisch bedient haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Wer hat das denn gesagt? Niemand!) - Sie haben angekündigt, dass Sie wieder Grenzkontrollen einführen wollen. Sie haben dann zwar gesagt, das ginge eigentlich doch nicht, aber wegen der Wirkung haben Sie es erst einmal angekündigt. (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Wer hat was von Grenzen schließen gesagt? Behaupten Sie keinen Unsinn!) Deshalb sage ich noch einmal deutlich: Unsere Antwort auf die Flüchtlinge aus Nordafrika darf keine neue Mauer sein, sondern muss eine gemeinsame europäische Lösung für Hilfen und für den Aufbau der Demokratie in Nordafrika sein. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN) Die europäische Nachbarschaftspolitik muss sich zum Ziel setzen, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Bürgergesellschaft in den Ländern Nordafrikas zu fördern. Dazu gehört eben auch eine gleichmäßige und solidarische Verteilung innerhalb der Europäischen Union. Auf der einen Seite müssen wir den Menschen ein Angebot machen, damit sie nicht fliehen wollen oder müssen - auch das gibt es ja -, sondern damit sie in ihren Ländern demokratische Strukturen aufbauen können. Auf der anderen Seite müssen wir aber eine faire innereuropäische Teilung der Verantwortung für die Flüchtlinge ermöglichen, die sich in Europa aufhalten. Ja, es geht auch um Quoten für die Verteilung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Daneben brauchen wir Resettlement-Programme für Flüchtlingsgruppen aus Nordafrika, damit hilfesuchende Menschen aus einem Staat, in dem sie Schutz gesucht haben, auch in einen anderen transferiert werden können, der ihrer Aufnahme als Flüchtlinge zustimmt und in dem sie sich dann zeitweise oder dauerhaft niederlassen können. Damit können übrigens auch illegale Einwanderung und Schlepper verhindert werden. Die Situation, in der sich diese Menschen befinden, ist häufig lebensgefährlich. Die Europäische Union braucht aber nicht nur eine bessere und gerechte Verteilung von Flüchtlingen, sondern sie braucht auch gemeinsame Schutzstandards. Auch das ist mir ganz wichtig; denn wir haben ja zuletzt anhand der katastrophalen Situation für Asylbewerber in Griechenland oder auch anhand der Situation in Italien, wo es keinerlei soziale Versorgung gibt, gesehen, dass die Schutzstandards nicht angeglichen sind. Auch das ist eine Aufgabe der Europäischen Union. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen ein offenes Europa, eine Partnerschaft mit der Region Nordafrika, die Unterstützung von Demokratie und Menschenrechten und die Unterstützung beim Austausch besonders von Bildung und Arbeit. Dafür sollte sich Europa einsetzen. Ich denke, das ist allemal besser, als neue Mauern zu bauen und sich politisch abzuschotten. Danke schön. (Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU/ CSU: Durch Wiederholung wird es nicht richtiger!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin. - Als Nächster hat unser Kollege Dr. Djir-Sarai, Fraktion der FDP, das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Dr. Djir-Sarai. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir haben die Bilder der Menschen vor Augen, die nach einer leidvollen Reise als Flüchtlinge Europa erreicht haben. Der Bundesregierung nun aber fehlende Solidarität oder gar fehlende Hilfsbereitschaft oder Nächstenliebe vorzuwerfen, ist nicht richtig. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das denn sonst?) Das zielt auf eine mediale Wirkung, und das ist auch sachlich völlig falsch. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn man so argumentiert, bleibt man an der Oberfläche der Diskussion über ein komplexes Thema, das die gesamte Europäische Union betrifft. Wir als Bundesrepublik Deutschland haben dem Staat Malta spontan und direkt angeboten, Flüchtlinge aufzunehmen, Flüchtlinge vor Bürgerkriegen, die einen Anspruch auf internationalen Schutz haben. Wir sind das erste Land gewesen, das ein solches Angebot unterbreitet hat. Für die Bundesregierung ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir helfen. Ein Flüchtling, der bedroht wird und Unterstützung braucht, wird nicht alleingelassen. Es ist trotzdem wichtig, dass wir sehr genau hinschauen und differenziert diskutieren. Denn über 20 000 auf Lampedusa angekommene Menschen sind in erster Linie Wirtschaftsflüchtlinge. Die meisten haben kein Asyl beantragt. Zu einem großen Teil sind es junge Menschen auf der Suche nach Perspektiven. Es sind junge Menschen, die völlig falsche Vorstellungen von einem Leben in Europa haben. Sie sind über Schleuserkriminalität nach Lampedusa gekommen, über Schleuserbanden, die ihnen Wohlstand und Glück in Aussicht gestellt haben. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Was Sie alles wissen!) Wenn wir hier kein Zeichen setzen, wird eine Welle von Wirtschaftsflüchtlingen auf Europa zurollen. Wenn Italien Identitätspapiere ausstellt, ist das ein klares Signal an potenzielle Einwanderer: Italien steht als Durchgangsland in die EU offen. Einen solchen Staubsaugereffekt können und wollen wir uns nicht leisten. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Es ist völlig klar: Italien ist gegenwärtig besonders beansprucht. Diese besondere Situation wird vermutlich noch etwas andauern. Das ist völlig richtig; diese Problematik müssen wir sehr sensibel handhaben. Trotzdem muss Italien sachlich mit dieser Situation umgehen und darf das Thema nicht für andere, innenpolitische Zwecke missbrauchen. Dazu eignet sich dieses Thema unserer Meinung nach nicht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Rüdiger Veit [SPD]: Da sind wir uns ausnahmsweise einig!) Wir wissen: Wenn wir diese Frage jetzt diskutieren, dann müssen wir die Gesamtlage der Flüchtlinge in Nordafrika und Europa im Blick haben. So hat das Land Tunesien in den letzten Wochen über 220 000 Flüchtlinge aufgenommen. Das Land Ägypten hat über 180 000 Flüchtlinge aufgenommen. Jeden Tag kommen fast 2 000 Flüchtlinge nach Ägypten und ungefähr 3 000 nach Tunesien. Hier spielt sich das eigentliche Drama ab. Man muss sich die verschiedenen Länder in Nordafrika sehr genau anschauen. Die Situationen sind unterschiedlich. Gerade Tunesien ist ein sehr gutes Beispiel. Die Menschen dort erleben zum ersten Mal in ihrem Leben die Freiheit. Das Land ist im Umbruch. Das Land steht vor großen Herausforderungen. Gerade jetzt werden die jungen Tunesier, die jungen Menschen vor Ort, zu Hause in ihrem Land gebraucht. Sie müssen dieses Land aufbauen. Sie müssen das Land gestalten. Ihre Zukunft ist zu Hause, nicht in Italien, nicht in Frankreich und nicht in Deutschland. Sie werden in Tunesien händeringend gebraucht. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Deshalb bin ich felsenfest davon überzeugt, dass es die richtige Antwort ist, wenn wir ein Hilfsprogramm, ein Entwicklungsprogramm - gerade für Tunesien - zur Verfügung stellen. Es ist außenpolitisch unsere Aufgabe, die Bedingungen für die Menschen in dieser Region mit zu verändern. Wir müssen den Menschen vor Ort helfen. Das Problem der Flüchtlingsströme muss an der Wurzel gepackt werden, aber nicht erst dann, wenn es dafür zu spät ist. Diese Region selbst unterstützen: Das ist die Antwort, statt Wirtschaftsflüchtlinge auf den verdammt gefährlichen Weg nach Lampedusa zu schicken. Unsere Hilfe muss viel nachhaltiger sein. Die Situation in Tunesien, aber auch in Ägypten und anderen nordafrikanischen Ländern ist schwierig. Diese Länder können alle den Weg zu Demokratie jetzt intensivieren. Das ist eine Chance. Aber genau diese Bewegung müssen wir auch unterstützen. Wir dürfen nicht wie ein Staubsauger die Menschen nach Deutschland oder Europa locken. Das wäre die völlig falsche Antwort. Wir müssen in Ländern wie Tunesien dafür sorgen, dass sich die Situation konkret vor Ort verbessert. Deutschland und die EU müssen in den Bereichen Bildung und Arbeit, Wirtschaftsförderung und beim Aufbau einer rechtsstaatlichen Ordnung Hilfe leisten. Es muss durch deutsche Außen- und Entwicklungspolitik in einem gemeinsamen europäischen Kontext möglich sein, die Bedingungen in dieser Region der Welt zu verbessern. Die Jugend in Nordafrika braucht das Signal, dass sie von Europa nicht unerwünscht ist, sondern dass wir an ihrer Seite stehen. Dann müssen wir uns aber auch ehrlich über Wege unterhalten, junge Menschen im Rahmen einer bestimmten Frist auszubilden, um sie auf die Aufgaben in ihrer Heimat vorzubereiten. Dann müssen wir uns aber auch ehrlich über Wege unterhalten, wie wir Erzeugnissen und Waren aus Nord-afrika den Zugang zu europäischen Märkten erleichtern. Ich bin sehr gespannt auf die Diskussion, wenn wir über Handelserleichterungen für Textil- und Agrarprodukte aus Nordafrika in die EU reden. Ich finde es richtig, dass wir uns offen über dieses komplexe Thema im Deutschen Bundestag unterhalten. Konstruktive Lösungen sind jetzt gefragt. Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Kollege. - Als Nächster hat das Wort unserer Kollege Memet Kilic für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Herr Kollege. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. So spricht das kollektive Bewusstsein der Menschen, weil jeder von uns irgendwann auch ein Flüchtling sein kann. Davor ist keiner gefeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In dieser Diskussion vermisse ich von der Regierungsseite den richtigen Fokus auf die Flüchtlinge. Ich habe die Sorge, dass, während die Elefanten streiten, die Flüchtlinge wie zarte Grashalme zertrampelt werden. Seit Wochen fordert die Bundesregierung lauthals eine Demokratisierung in Nordafrika und sagt den Aufständischen ihre Unterstützung zu. Wenn aber außer schönen Worten praktische Hilfe im Umgang mit Flüchtlingen notwendig wird, will sie nichts mehr von ihren Versprechen wissen. Das ist nicht gut. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Als Herr Berlusconi mit Herrn Gaddafi eine völkerrechtswidrige Vereinbarung einging, damit Herr Gaddafi den Flüchtlingen den Weg nach Europa versperren kann, war die Bundesregierung mit dieser berlusconischen Lösung anscheinend zufrieden. Herr Bundesinnenminister Friedrich hat sogar letzte Woche gesagt, dass Italien die Probleme alleine lösen soll. Anscheinend hoffte Herr Friedrich reflexartig auf eine berlusconische Lösung, mit der auch die Bundesrepublik Deutschland leben kann. Die berlusconische Lösung sah diesmal aber anders aus. Herr Berlusconi will wieder gesetzwidrig handeln und den Flüchtlingen Schengen-Visa ausstellen. Diese berlusconische Lösung empört unter anderem unseren Bundesinnenminister. Die Antwort der Bundesregierung ist aber genauso unintelligent wie die berlusconische Lösung, nämlich die Freizügigkeit im Schengen-Raum kurzfristig aufzuheben. Damit wird eine der Grundsäulen der Europäischen Union zerrüttet. Die Bundesregierung will offenbar Millionen von Osterurlaubern eine Passkontrolle an der Grenze zumuten. Das ist die falsche Richtung. Der europäische Geist und die Kreativität der Bundesregierung sind erbärmlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) Sie haben das zurückgenommen. Herr Wolff hat bereits die rechtlichen Grundlagen erklärt und auch, warum das nicht geht. Aber man kann von einem Bundesinnenminister erwarten, dass er zuerst die rechtlichen Grundlagen prüft und dann Sprüche klopft. Tatsächlich ist es umgekehrt: Er klopft kantige Sprüche und prüft erst dann die rechtliche Grundlage. Das ist der falsche Weg. Wir brauchen offenbar einen anderen Bundesinnenminister. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN - Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Sie haben doch gehört, was er gerade gesagt hat! Jetzt hören Sie aber auf!) Die Regierung handelt realitätsfern, wenn sie glaubt, mit dem Motto "Schotten dichtmachen und Grenzkontrollen verschärfen" ließen sich die Probleme lösen. So einfach ist es nicht. Wir müssen den Flüchtlingen aus Nordafrika, die sich in größter Not befinden, endlich helfen. Sie reden davon, Herr Friedrich, dass man den Menschen vor Ort helfen soll. Ja, gerne! Wir reden aber auch über die Menschen, die nicht mehr vor Ort sind, sondern bereits in Europa gelandet sind. Wir müssen auch diesen Menschen helfen. Darüber reden wir heute hier. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unsere größte Sorge gilt den in Libyen gestrandeten Flüchtlingen aus Staaten wie Somalia, Eritrea, Sudan und Äthiopien. Sie können nicht in ihre Herkunftsländer zurück und sind in Libyen akut bedroht. Es gibt Meldungen, wonach regelrechte Hetzjagden auf die Flüchtlinge veranstaltet werden. Einigen von ihnen ist es geglückt, sich in Auffanglager an den Grenzen zu Tunesien und Ägypten durchzuschlagen. Die beiden Nachbarländer befinden sich aber selbst im Umbruch und sind mit dieser Situation völlig überfordert. Sie brauchen dringend Unterstützung von europäischer Seite. Wir fordern daher eine humanitäre Evakuierung dieser Flüchtlinge aus Libyen. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die Menschen sicher europäischen Boden erreichen und EU-weit verteilt werden. Darüber hinaus muss die EU sicherstellen, dass Bootsflüchtlinge nicht zurückgewiesen oder abgedrängt werden. Die Menschenrechte gelten an der EU-Grenze, vor der Grenze, in internationalen Gewässern, aber auch in den Gewässern von Drittstaaten. Die Flüchtlinge brauchen eine rechtsstaatliche Prüfung ihrer Asylanliegen. Nur dann können wir feststellen, ob sie Wirtschaftsflüchtlinge oder Asylbewerber sind. Aber das muss erst einmal geprüft werden. Auf der Tagesordnung steht auch die Übernahme von Flüchtlingen aus besonders stark betroffenen Ländern Europas wie Malta in andere EU-Staaten. Bisher hat sich die Bundesregierung lediglich dazu bereit erklärt, 100 Flüchtlinge aus Malta aufzunehmen. Gleichzeitig werden aber im Rahmen des Dublin-II-Verfahrens Flüchtlinge nach Malta zurückgeschickt. Das ist nicht der richtige Weg; das ist falsch. Das ist nur Symbolpolitik und schädlich. Wir sollten diese historische Chance wahrnehmen und auf allen Ebenen die Menschen unterstützen, die versuchen, in ihrem Land demokratische und rechtsstaatliche Strukturen zu schaffen. Dazu gehört die Unterstützung der Freiheitsbewegung vor Ort, eine verantwortungsvolle Entwicklungshilfe, aber auch die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa. Wir als Europäer sollten uns unserer Stärke und Aufnahmefähigkeit bewusst sein und unseren Freunden, die für Menschenrechte und Demokratie kämpfen, die Hand ausstrecken. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Kollege. - Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Reinhard Grindel. Bitte schön, Kollege Reinhard Grindel. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Reinhard Grindel (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kilic, Sie haben Ihre Rede mit nachdenklichen Worten begonnen. Ich finde es aber unfair, den Bundesinnenminister anzugreifen, obwohl er exakt das Gegenteil von dem gesagt hat, was Sie ihm hier vorgeworfen haben. (Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!) Es wäre anständig, zumindest zuzuhören. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Frau Kollegin Künast, bei Ihrer Rede habe ich mich an eine andere Rede erinnert, die Sie im Rahmen einer Aktuellen Stunde gehalten haben, in der es um Integration ging. Sie haben damals nicht zu Unrecht allen Bundesregierungen vorgeworfen, dass sie keine hinreichenden Maßnahmen für die Integration getroffen hätten, dass es Integrationsprobleme gebe und dass wir kraftvoll diejenigen ausländischen Mitbürger, die bei uns sind, integrieren müssten. Glauben Sie ernsthaft, dass wir die Integration in Deutschland erleichtern, wenn wir für eine völlig ungesteuerte Zuwanderung zusätzlicher Ausländer in unser Land sorgen würden? Ich glaube das nicht. Den hier lebenden Ausländern würden wir einen Tort antun, wenn wir so vorgehen würden, und die Integrationsprobleme würden dadurch nicht gelöst werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es doch gar nicht! - Gegenruf des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Doch!) Es ist mehrfach davon gesprochen worden, wir würden uns abschotten und es gebe keine Lastenverteilung. Wir haben im Jahr 2010 in der Europäischen Union 250 000 Asylbewerber gehabt. Knapp 50 000 davon, jeder fünfte, ist nach Deutschland gekommen, er wird hier anständig untergebracht und bekommt ein faires Asylverfahren. (Zuruf von der LINKEN: Stimmt doch gar nicht! Sie sind doch nicht anständig untergebracht!) Angesichts von knapp 50 000 Asylbewerbern zu sagen, wir als Deutsche würden uns abschotten und unsere gerechte Last im Rahmen der EU nicht tragen, ist mit den Zahlen, um die es hier geht, nicht zu vereinbaren. Das ist ein falscher Vorwurf. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was stellen Sie sich vor?) Wir müssen auch einmal differenzieren, über welche Flüchtlinge wir reden. Es gibt die Gruppe der politischen Flüchtlinge aus Libyen und der Flüchtlinge aus ethnischen Gründen aus Somalia und Eritrea, die sich vor allen Dingen in Malta aufhalten. Wir werden unsere Verantwortung gegenüber den Freunden in Malta wahrnehmen. Der Bundesinnenminister hat das vorgetragen. Durch sein Vorbild haben andere Innenminister in eine europäische Lastenverteilung eingewilligt. Ich schließe auch nicht aus, dass wir als Deutsche uns an humanitären Aktionen beteiligen, die auf den Personenkreis in Libyen abzielen. Auch wenn man die Vergangenheit betrachtet, muss man feststellen: Wir haben Flüchtlinge aus dem Iran aufgenommen, wir haben in großem Umfang Flüchtlinge aus dem Irak aufgenommen, und wir haben in der Vergangenheit nun wirklich unseren Beitrag geleistet, als es darum ging, Flüchtlinge vom Balkan aufzunehmen. Insofern ist der Hinweis auf Lastenverteilung angesichts der Zahlen wirklich nicht berechtigt. Auch wir haben dieses Wort von der Lastenverteilung in der politischen Diskussion gebraucht, Frau Künast. Damals haben wir binnen kürzester Frist 350 000 Flüchtlinge alleine aus Bosnien aufgenommen. Die Situation damals, gerade für unsere Kommunen und Städte, war eine völlig andere als die, die heute in Italien existiert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Wenn wir von Lastenverteilung gesprochen haben, hat man uns dafür kritisiert!) Eine zweite Gruppe sind die Arbeitsflüchtlinge aus Tunesien, die zum überwiegenden Teil gar keinen Asylantrag gestellt haben. Eine dritte Gruppe sind die Armutsflüchtlinge aus afrikanischen Ländern wie dem Sudan, dem Tschad, aus Sierra Leone und vielen anderen Ländern. Letztere sind - die Kollegin Griese hat uns inzwischen verlassen; sie hat das angesprochen - nicht die Ärmsten der Armen; vielmehr wird im Dorf für diejenigen zusammengelegt, die zu den klugen Köpfen gehören und die die Dörfer, Gemeinden und Regionen voranbringen könnten. Denn nur sie verkörpern die Hoffnung, dass sie nach Europa durchkommen und dann die Familie und womöglich das Dorf ernähren können. Das Geld wird den Schleppern und Schleusern gegeben. Meinen Sie, dass es entwicklungspolitisch eine gute Linie ist, wenn wir in dieser Form den Braindrain unterstützen und nebenbei noch das Geschäft der Schlepper und Schleuser befördern? Ich halte das nicht für den richtigen Weg. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Widerspruch bei der LINKEN) Es gibt in Birmingham mehr Krankenschwestern aus Malawi als in ganz Malawi selbst. Das ist eines der schlechten Beispiele, von denen wir viele bekommen würden, wenn wir entwicklungs- und flüchtlingspolitisch so vorgehen würden. Man kann darüber reden. Sie wissen, dass der frühere Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in die Diskussion eingebracht hat, innerhalb der EU über zirkuläre Migration nachzudenken. (Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie vermischen jetzt!) Aber ich sage Ihnen: Jede Ankündigung, die Grenzen unkontrolliert zu öffnen, eine umfangreiche Lastenverteilung vorzunehmen, führt nur dazu, dass Schlepper und Schleuser vor Ort sagen können: Es macht wieder Sinn, sich auf den Weg nach Europa zu begeben - mit all den tödlichen Risiken, die das hat. Ich halte das nicht für den richtigen Weg. Wir müssen vor Ort helfen. Wir brauchen in unserem Land angesichts all der Asylbewerber, Ausländer, die über Familienzusammenführungen und vieles andere ohnehin jedes Jahr zu uns kommen, vor allen Dingen eine Atmosphäre, in der Integration noch möglich ist und auch gelingen kann. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Kollege. - Als Nächste hat das Wort unsere Kollegin Frau Daniela Kolbe für die Fraktion der Sozialdemokraten. Bitte schön, Frau Kollegin Kolbe. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident! - Verehrte Damen und Herren! Ich gebe zu, mir stecken die Bilder von Anfang April noch in den Knochen - Sie erinnern sich, das war sogar das Topthema bei den heute-Nachrichten -: Einer dieser "Seelenfänger" mit mehr als 200 Flüchtlingen aus Afrika ist vor wenigen Tagen gesunken; an die 200 Flüchtlinge sind dabei ertrunken: Männer, Frauen und viele Kinder. Was hat diese Menschen angetrieben, dass sie unbedingt nach Europa wollten? Das ist die Frage, die sich fest in meinem Kopf verankert hat. Gleichzeitig erleben wir ein aufgeregtes Italien. Es geriert sich als absolut überfordert, weist jegliche Verantwortung von sich und stattet Personen, die kein Asyl beantragt haben, derzeit mit Aufenthaltserlaubnissen aus, auf dass sie weiterziehen mögen. Mir ist deshalb wichtig, festzustellen: Italien ist in dieser Angelegenheit nicht das Opfer. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wenn ich mir die Zahlen anschaue - 26 000 Menschen, davon relativ wenige, die Asyl beantragt haben, auf ein Land mit derzeit 60 Millionen Einwohnern -, finde ich es empörend, dass Berlusconi in diesem Zusammenhang von einem "menschlichen Tsunami" spricht. Es ist wirklich unglaublich, wie bei einer Zahl, die derzeit nicht besonders groß ist, Angstbilder produziert werden. Ich möchte daran erinnern - Herr Grindel hatte es erwähnt -: Deutschland hat allein in der Bosnienkrise 345 000 Personen aufgenommen. Ich möchte aber auch daran erinnern, dass wir damals sehr wohl und sehr laut danach gerufen haben, doch endlich ein System der Lastenteilung in Europa hinzubekommen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! - Rüdiger Veit [SPD]: Das war damals richtig, das ist heute immer noch richtig! - Gegenruf des Abg. Arnold Vaatz [CDU/ CSU]: Wir sind damals dafür kritisiert worden! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Ich finde es auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass Italien kein unschuldiges Opfer ist, was man sieht, wenn man sich anschaut, welchen Deal Herr Berlusconi mit Gaddafi abgeschlossen hat: 3,6 Milliarden Euro dafür, dass keine Flüchtlinge mehr aus Libyen in Europa ankommen. Das war sehr erfolgreich. Wo sind die Flüchtlinge geblieben? Zum Teil auf dem libyschen Arbeitsmarkt, aber auch in der Wüste und in Lagern, in Erdlöchern, unter unmenschlichsten Bedingungen - und Europa hat weggesehen. In der Gesamtschau muss ich allerdings sagen: Auch wenn Italien im Moment noch nicht überfordert ist - wenn wir uns die Lage in Nordafrika, die Lage in Griechenland in Richtung Türkei und die Lage in Malta anschauen -, finde ich, dass es an der Zeit ist, endlich wieder über faire Lastenteilung in Europa zu sprechen. Das gehört auf der Agenda der Europäischen Union ganz nach oben; denn Solidarität ist das Gebot der Stunde. Ich glaube nicht, dass es bei diesen 26 000 Menschen auf Lampedusa in Italien bleibt. (Rüdiger Veit [SPD]: So ist es!) Auch über die Türkei in Richtung Griechenland werden weiterhin Menschen kommen. Im Moment regiert aber eher "Jeder ist sich selbst der Nächste", sowohl in Italien als leider auch in Deutschland. Das, was wir vom Innenminister aus Bayern hören, ist blanker Populismus und bedient Ängste. Die Forderung, wieder Grenzkontrollen einzuführen, geht komplett am Thema vorbei und wird definitiv nicht zur Problemlösung beitragen. Noch einmal: Wir brauchen eine faire Lastenteilung; sich abzuschotten, ist der falsche Weg. Wenn wir, Europa, bei unseren hochgehaltenen Werten bleiben wollen - beim Schutz der Menschenrechte, beim Recht auf Asyl -, wenn wir eine gesteuerte Migration nach Europa wollen, dann kann Frontex allein sicherlich nicht die Antwort sein, dann müssen wir endlich Deals wie die, die zwischen Italien unter Berlusconi und Libyen unter Gaddafi geschlossen worden sind, international ächten, und wir müssen endlich mit den nordafrikanischen Ländern auf Augenhöhe sprechen. Wir brauchen dabei wirtschaftliche Unterstützung. Die SPD hat dazu Vorschläge gemacht. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die nordafrikanischen Länder selber durch große Flüchtlingsströme belastet sind. Eine ganz plausible Möglichkeit der Problemlösung erscheint mir Resettlement: die Aufnahme von Flüchtlingen, die bereits in einem anderen Land Zuflucht gefunden haben, um die Zufluchtsländer zu entlasten und sie zu befähigen, ein Asylsystem aufzubauen und mit Europa zu kooperieren. Hier ist mehrfach von "Wirtschaftsflüchtlingen" gesprochen worden. Herr Uhl meinte, sie seien alle Analphabeten. (Widerspruch des Abg. Helmut Brandt [CDU/ CSU]) Wenn man sich die Lage in Nordafrika anschaut, sieht man: Die Arbeitslosigkeit steigt mit dem Bildungsgrad. Das heißt, es gibt dort sehr viele gut ausgebildete junge Leute, die von Europa träumen - auch wenn sie dort vielleicht nicht dauerhaft bleiben wollen - und die sich derzeit noch auf diese "Seelenfänger" begeben müssen, weil es keine andere Möglichkeit der legalen Migration nach Europa gibt. Ich finde, die Frage der legalen Migration nach Europa gehört wieder auf die Agenda. Wir müssen darüber sprechen, wie wir diesen jungen Leuten die Möglichkeit geben, gegebenenfalls nach Europa zu kommen, um Geld nach Hause schicken und mit Berufserfahrung zurückkehren zu können. Die Augen davor zu verschließen, dass diese Menschen - ich habe es eingangs erwähnt - unbedingt und dringend nach Europa wollen, bedeutet, dass sich immer mehr Menschen auf diese "Seelenfänger" begeben und im Mittelmeer ertrinken. Hier stehen wir in der Verantwortung. Davor sollte man, gerade wenn das Wort "christlich" zum Parteinamen gehört, nicht die Augen verschließen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin. - Als Nächster hat das Wort für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Arnold Vaatz. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Arnold Vaatz (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass kein Einziger in diesem Saal einem Menschen, der in Not, in Lebensgefahr geraten ist, seine Hilfe verweigern oder dafür plädieren wird, dass das getan wird. Das unterstelle ich persönlich keinem hier im Saal, und ich wünsche gleichzeitig, dass das auch mir und meiner Regierung nicht unterstellt wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Worüber wir hier reden, ist das, was dem folgt, nachdem die Elementarvorsorge bereits geleistet worden ist: über die Entscheidung, wie es mit den in Not geratenen Menschen zukünftig weitergeht. Das ist eine andere Stufe der Diskussion. Ich wünsche, dass wir diese beiden Dinge sauber voneinander trennen und unterscheiden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich habe die Debatte von Anfang an verfolgt, auch die heutige Fragestunde. In mir ist der Wunsch aufgekommen, dass Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, einen Bruchteil der Energie, die Sie für Ihre Kritik an der Bundesregierung verwendet haben, darauf verwenden, diejenigen mit Ihrer Kritik zu bedenken, die Verhältnisse geschaffen haben, die zur Folge haben, dass Menschen flüchten. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das wäre ja auch gegen die Bundesregierung! Denn die habt ihr ja unterstützt!) Die ganze Sache wird dann unaufrichtig, wenn sie den Schwerpunkt Ihrer Kritik auf diejenigen lenken, die helfen wollen, und nicht auf diejenigen, die den Notstand verursacht haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Dr. Eva Högl [SPD]: Das ist aber nicht gemacht worden! - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch, Herr Vaatz! Das ist unter Ihrem Niveau! Wir haben doch nicht Berlusconi unterstützt! Vielleicht waren Sie das!) - Sie haben die Bundesregierung ganz entschieden kritisiert. Das habe ich doch gehört. Oder war das nicht so gemeint? Haben Sie sich vielleicht versprochen, Frau Künast? (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind ein freies Land! Aber ich habe mich auch nicht mit Gaddafi getroffen! Ich habe mich mit dem nicht getroffen! - Gegenruf des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]) Der Kollege Veit und die Kollegin Kolbe haben berechtigterweise darauf hingewiesen, dass es unannehmbar ist, wie die Regierung Berlusconi diesen Fall inszeniert, um die Flüchtlinge nach Möglichkeit schnell loszuwerden. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Das verurteile ich auch, und ich gehe davon aus, dass die meisten aus meiner Fraktion, aus unserer Koalition genauso denken. Ich verstehe aber nicht, liebe Kollegen, dass Sie einerseits das Verhalten der Regierung Berlusconi verurteilen und andererseits von der Bundesregierung verlangen, genau dieser Regierung Berlusconi auf den Leim zu gehen. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es!) Das verstehe ich überhaupt nicht, (Rüdiger Veit [SPD]: Haben Sie nicht zugehört?) weil Sie nämlich dadurch ein Signal nach Italien senden, sodass man dort sagen kann: Freunde in Europa, was wollt ihr denn? Wir handeln doch genau richtig. Schaut nach Deutschland! Lest die Debattenbeiträge der Opposition im Bundestag! (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich denke, die sind Analphabeten!) - Ich rede von Italienern. Im Übrigen teile ich nicht die Meinung, dass alle Flüchtlinge Analphabeten sind. Das habe ich nicht gesagt, und ich wünsche auch nicht, dass mir Behauptungen, die ich nicht aufgestellt habe, vorgeworfen werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist der Stil dieser Debatte!) Das ist nie geäußert worden. Dass es unter den Flüchtlingen Menschen gibt, die Analphabeten sind, dürften auch Sie, Frau Künast, nicht bestreiten. Oder doch? In Italien kann die Regierung also sehr gut auf diese Debatte verweisen und sagen: Freunde, die gesamte Opposition in Deutschland unterstützt unsere Bemühungen, die Flüchtlinge nach Möglichkeit nach Norden weiterzuleiten. (Rüdiger Veit [SPD]: Das hat kein Mensch gesagt! - Gegenruf des Abg. Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Natürlich!) Das wird man genau in dieser Weise auslegen, und Sie tragen dazu bei. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch unter Ihrem Niveau! Sie haben doch mal für Freiheit gekämpft! Oder nicht?) Als Nächstes komme ich zu der Frage: Was ist Solidarität? Das ist der Punkt, auf den es mir ganz besonders ankommt. Meine Damen und Herren, ich halte Ihre Diskussion über Solidarität für unaufrichtig. Wir haben auf dem Höhepunkt der Balkankrise - ich war frisch im Bundestag - ausführlich darüber diskutiert, wie wir uns angesichts des Ansturms von Flüchtlingen aus dieser Region verhalten. Wir haben damals gesagt und sagen auch heute, dass wir für eine solidarische europäische Lösung sind. Damals ist uns von dieser Opposition vorgeworfen worden, wir wollten auf diese Weise versuchen, den Druck zulasten von anderen loszuwerden; (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es!) wir sind moralisch diskreditiert und beschimpft worden. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es!) Hätte ich vorausahnen können, dass diese Diskussion heute stattfindet, hätte ich ein paar Redebeiträge aus den Archiven herausgesucht. Sie können das alles nachlesen. - Das zur Unaufrichtigkeit in der Diskussion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Solidarität heißt nach meiner Auffassung, dass der stärker Belastete vom weniger Belasteten Hilfe empfängt, damit er mit seiner Last besser zurechtkommt. Was Sie verlangen, ist genau das Gegenteil. Unter dem Eindruck der Rhetorik in Italien - man spricht von einem Flüchtlingstsunami und ähnlich absurden Geschichten, davon, dass das alttestamentarische Ausmaße hat - versuchen Sie, Lasten vom im Augenblick relativ wenig belasteten Italien nach Nordeuropa, das in das Flüchtlingsproblem weit stärker involviert ist, zu leiten. Ich denke an Belgien, ich denke an Schweden, ich denke an Deutschland. (Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kann Verteilen nur helfen!) Malta ist eine ganz andere Frage. Zu Malta haben wir uns übrigens eindeutig geäußert. Ich will noch einen letzten Punkt ansprechen. Wenn hier zugerufen wird, dass unsere Position unchristlich sei, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist sie auch!) muss man erwidern: Unchristlich ist in erster Linie, wenn man Signale sendet, dass Flucht ein Allheilmittel sein kann. (Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Niemand sagt das!) Wenn man die Illusion, dass man sich durch Flucht verbessern kann, in den Menschen immer weiter stärkt, ist das unchristlich, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], ihren Platz verlassend: Das hätten Sie mal in der DDR sagen sollen! Sie sollten sich schämen! Sie haben für Freiheit gekämpft! - Gegenruf des Abg. Patrick Döring [FDP]: Wie führen Sie sich hier eigentlich auf? Setzen Sie sich mal wieder hin!) weil man auf diese Weise den Menschen falsche Signale und falsche Ziele gibt und mit dazu beiträgt, dass die Verhältnisse in den Ländern, aus denen diese Menschen kommen, von Tag zu Tag, von Monat zu Monat und von Jahr zu Jahr unerträglicher werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das erreichen Sie mit der Einladungsrhetorik, die Sie hier präsentieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass Ihnen in Deutschland diese Rhetorik niemand mehr abnehmen wird, je schlimmer das Problem für uns alle wird. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zurufe von der CDU/CSU: Bravo!) Vizepräsident Eduard Oswald: Der letzte Redner auf unserer Rednerliste ist der Kollege Hartwig Fischer für die Fraktion der CDU/CSU. Bitte schön, Kollege Hartwig Fischer. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es einigermaßen enttäuschend, wenn wir bei einem solch ernsten Thema, bei dem es um Menschenleben, um Überleben geht, (Zuruf von der LINKEN: Nicht wirklich helfen können!) keine Alternativen aus der Opposition aufgezeigt bekommen. (Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD]: Was? - Rüdiger Veit [SPD]: Wo waren Sie in der letzten Stunde? - Memet Kilic [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Haben wir!) Am 17. Dezember 2010 begann die Jasmin-Revolution in Tunesien, am 25. Januar 2011 in Ägypten, im Februar in Libyen. Wir reden heute über die Flüchtlingsströme, was auch notwendig ist; aber niemand nimmt zur Kenntnis, was innerhalb dieser kurzen Zeit auch von der christlich-liberalen Koalition geleistet worden ist, sowohl in der EU als auch in Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es geht nicht um die Anträge, die wir hier verabschiedet haben, sondern es geht ums Handeln. Wir könnten über den Antrag "Die arabische Welt - Region im Aufbruch, Partner im Wandel" der Koalition sprechen. Aber ich möchte über die Punkte sprechen, die dem Aufbau in den Ländern dienen sollen. Bei einigen Rednern wurde ja schon deutlich: Es geht darum, den Menschen in ihrer Heimat eine bessere Perspektive zu geben, damit sie nicht fliehen. (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: So ist es!) Wir haben einen Fonds für Demokratie und struktur- und ordnungspolitische Beratung für die reformorientierten Kräfte aufgelegt. Wir haben den Fonds "Regionalvorhaben zur Qualifizierung und Beschäftigungsförderung Jugendlicher" für diese Länder aufgelegt. Wir haben mit 20 Millionen Euro zur Finanzierung eines europäischen Regionalfonds beigetragen, um dort in den beschäftigungsintensiven Bereichen kleinste, kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen. Wir haben zusätzlich 2 Millionen Euro für PPP-Projekte und 2,25 Millionen Euro für Hochschulförderung und Ähnliches zur Verfügung gestellt. Es ist schon bedauerlich, dass keine Entwicklungspolitiker aus den Oppositionsfraktionen zu diesem Thema, durch das die Menschen eine Zukunftsperspektive erhalten, reden durften; (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf des Abg. Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) denn wir brauchen Möglichkeiten, damit sich die Menschen dort Existenzgrundlagen schaffen können. Ich möchte einen Punkt ansprechen, den ich für so wichtig halte, dass ich die Regierung bitte, dafür einen Sonderfonds aufzulegen. Wir haben ein hervorragendes Informationsinstrument, nämlich die Deutsche Welle. Die Deutsche Welle ist auch in der Maghreb-Region führend beim Rundfunk, insofern er dort alle erreicht, aber auch beim Internet, das bei der Revolution eine große Rolle gespielt hat. Ich erwarte, dass wir die Deutsche Welle in die Lage versetzen, über die Situation der Flüchtling zu sprechen, die aus diesen Ländern stammen, um den Menschen die Realität vor Augen zu führen. Die Schlepperorganisationen gaukeln ihnen ja etwas ganz anderes vor, und zwar mit negativen Folgen: Sie verlieren das Hab und Gut der ganzen Familie, weil sie meinen, ins gelobte Land zu kommen. Ich finde es übrigens schlimm, dass sich Frau Künast jetzt einfach aus der Diskussion verabschiedet und geht. Damit stimmt genau das, was Herr Schily am 27. September 2000 gesagt hat: Sie glänzt durch die Pose der Überheblichkeit. Meine Damen und Herren, wir brauchen auch in der Opposition Freundinnen und Freunde, die diese Projekte mitgestalten. (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Richtig! Genau so ist es!) Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, der mich betroffen macht. Sie sehen die Bilder, über die wir hier sprechen, im Fernsehen; ich habe sie in der Realität erlebt. Ich habe mit meiner Frau Urlaub auf Lanzarote gemacht. An unserem zweiten Urlaubstag, am 16. Februar 2009, ist 20 Meter vor dem Urlaubsort Costa Teguise in einer Sturmböe ein Boot gekentert, auf dem 30 Boatpeople aus Afrika waren. Nur sechs haben überlebt, obwohl viele Urlauber versucht haben, zu retten. Die meisten der ums Leben Gekommenen waren Kinder. Das ist das, was wir den Menschen in den Ländern, aus denen sie fliehen wollen, deutlich machen müssen: Sie dürfen nicht glauben, dass es ihnen, wenn sie zu uns nach Europa kommen, hier auf jeden Fall besser geht. Das ist keine echte Perspektive. Vielmehr müssen wir den Menschen, die in ihren Heimatländern verbleiben, eine Chance geben, zum Beispiel in Form eines Austausches mit unseren Unternehmen, damit sie, hier gebildet, in ihre Heimatländer zurückkehren können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wenn wir da gemeinsam an einem Strang ziehen, dann können wir dazu beitragen, dass die Menschen nicht ihre Länder verlassen und sich auf den Weg machen, sondern Perspektiven in ihrer Heimat sehen. (Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Menschen, die das Leben ihrer Kinder dieser Gefahr aussetzen, machen keinen Spaß! Sie machen auch keinen Urlaub! Sie setzen das Leben ihrer Kinder dieser Gefahr aus, weil sie wissen, dass ihre Kinder dort, wo sie herkommen, überhaupt keine Überlebenschance haben! Deshalb kommen sie hierher, und deshalb müssen wir den Menschen auch helfen, wenn sie in Europa sind!) - Herr Kollege, da es in der Aktuellen Stunde keine Zwischenfragen gibt, aber ich trotzdem zugehört und noch 24 Sekunden Redezeit habe, sage ich Ihnen: Das ist für mich überhaupt keine Frage. Der Kollege Grindel hat ganz klar begründet, dass wir die Asylanträge derjenigen, die aus Asylgründen zum Beispiel aus Eritrea oder Somalia über Libyen kommen oder aus dem Bürgerkriegsgebiet Libyen kommen, prüfen. Wir nehmen ja auch 100 auf, die aus diesen Gründen nach Europa gekommen sind. Das ist überhaupt keine Frage. Aber ich möchte, dass den Menschen deutlich gemacht wird, was sie erwartet, wenn sie sich auf die Flucht begeben. Wir alle sollten die Möglichkeiten nutzen, ihnen dieses über die Deutsche Welle oder auch direkt vor Ort, wenn wir in diese Länder fahren, deutlich zu machen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Kollege. - Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 14. April 2011, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 17.05 Uhr) Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.04.2011 Binding (Heidelberg), Lothar SPD 13.04.2011 Bonde, Alexander BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.04.2011 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 13.04.2011 Dr. Danckert, Peter SPD 13.04.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 13.04.2011 Friedrich, Peter SPD 13.04.2011 Groth, Annette DIE LINKE 13.04.2011* Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.04.2011 Kampeter, Steffen CDU/CSU 13.04.2011 Kotting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.04.2011 Kressl, Nicolette SPD 13.04.2011 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.04.2011 Lange (Backnang), Christian SPD 13.04.2011 Leutert, Michael DIE LINKE 13.04.2011 Roth (Esslingen), Karin SPD 13.04.2011 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 13.04.2011 Schuster, Marina FDP 13.04.2011* Dr. Seifert, Ilja DIE LINKE 13.04.2011 Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 13.04.2011 Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.04.2011* Ulrich, Alexander DIE LINKE 13.04.2011 Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 13.04.2011* Werner, Katrin DIE LINKE 13.04.2011* Dr. Westerwelle, Guido FDP 13.04.2011 Winkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.04.2011 Wolff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 13.04.2011 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache 17/5421, Frage 1): Welche Änderungen wird die Bundesregierung aufgrund der Einigung der Länder auf einen neuen Glücksspielstaatsvertrag hinsichtlich der in die Zuständigkeit des Bundes fallenden Regelungen zum Glücksspielwesen, insbesondere der Spielverordnung, vornehmen, und welche zeitlichen Planungen bestehen insoweit? Die möglichen Änderungen der in die Zuständigkeit des Bundes fallenden Regelungen, insbesondere der Spielverordnung werden derzeit noch beraten und geprüft. Wegen der Änderung der Spielverordnung stimmt sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit den Ländern ab. Die Arbeitsgruppe "Zukunft des Lotteriemonopols" der Chefs der Staatskanzleien ist bei den Beratungen eingebunden. Basis der geplanten Änderungen der Spielverordnung ist der Evaluationsbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, der im Dezember 2010 veröffentlicht wurde. Der Bericht kommt im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass das Ziel, bestimmte als gefährlich eingestufte Spiele (sogenannte Fun-Games) vom Markt zu nehmen, weitestgehend erreicht wurde. Allerdings wurden die beabsichtigten Ziele im Bereich des Spielerschutzes nicht hinreichend verwirklicht. Deshalb schlägt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung des Spielerschutzes vor. Es ist Ziel, die Änderung der Spielverordnung soweit möglich gleichzeitig mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag der Länder bis Ende 2011 zu verabschieden. Im Übrigen ist festzuhalten, dass mit der Föderalismusreform des Jahres 2006 die Kompetenz für das Recht der Spielhallen vom Bund auf die Länder übergegangen ist (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG). Aus Sicht der Bundesregierung umfasst diese Gesetzgebungskompetenz alle Maßnahmen mit örtlichem Regelungsbezug und damit die gesamte bauliche und situative Ausgestaltung der Spielhallen. Die Länder erwägen aktuell, von ihrer Zuständigkeit im Rahmen der geplanten Überarbeitung des Glücksspielstaatsvertrags Gebrauch zu machen. Dem Bund verbleibt die Gesetzgebungskompetenz für gerätebezogene Regelungen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache 17/5421, Frage 2): Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass im Jahr 2010 in Deutschland weniger Unternehmen gegründet worden sind als im Krisenjahr 2009, und wie will sie vor diesem Hintergrund ihre Aktivitäten bzw. Programme zur Förderung von Unternehmensgründungen ausweiten? Die Gründungen sind 2010 im zweiten Jahr in Folge angestiegen. Nach Analyse des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn, IfM Bonn, sind die Existenzgründungen um 1,2 Prozent auf rund 417 600 angestiegen. Die Gründungsstatistik des IfM Bonn basiert auf der Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes ohne Nebenerwerbsgründungen sowie bereinigt um nicht gründungsrelevante Effekte. Der Aufschwung gibt auch Gründerinnen und Gründern eine gute Perspektive für den Start in die unternehmerische Selbstständigkeit. Die Bundesregierung hat 2010 gemeinsam mit der Wirtschaft die Initiative "Gründerland Deutschland" gestartet. Ziel ist es, die Gründungskultur in Deutschland zu stärken und neue Impulse für eine höhere Gründungsdynamik zu geben. Schwerpunkte der Initiative sind insbesondere die Entwicklung einer neuen Gründungskultur, die Stärkung der gründungsbezogenen Ausbildung an Schulen und Hochschulen sowie die Erleichterung der Unternehmensnachfolge. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Anette Kramme (SPD) (Drucksache 17/5421, Frage 5): Durch welche Maßnahme stellt die Bundesregierung sicher, dass Arbeitgeber der Beschäftigungspflicht im Sinne von § 71 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Pflicht der Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen - nachkommen, und in wie vielen Fällen wurde im Jahr 2010 wegen einer Ordnungswidrigkeit eine Verwarnung ausgesprochen oder ein Bußgeld verhängt? Die Regelungen des Neunten Buches Sozialgesetzbuch zur Beschäftigungspflicht von Arbeitgebern haben sich aus Sicht der Bundesregierung bewährt. In den vergangenen Jahren ist sowohl die Zahl der bei beschäftigungspflichtigen Arbeitgebern beschäftigten schwerbehinderten Menschen als auch die Zahl der besetzten Pflichtplätze stetig gestiegen. Ziel dieses Systems ist es nicht, Unternehmen zu bestrafen, sondern zu motivieren, verstärkt schwerbehinderte Menschen einzustellen (Anreizfunktion). Wird dieses Ziel nicht erreicht, wird nachrangig eine Ausgleichsabgabe erhoben, die zum Zweck der Eingliederung schwerbehinderter Menschen eingesetzt wird. Damit soll den unterschiedlichen Belastungen zwischen den Arbeitgebern, die die Beschäftigungspflicht erfüllen, und denjenigen, die nur wenige oder keine schwerbehinderten Menschen beschäftigen, Rechnung getragen werden (Ausgleichsfunktion). Im Jahr 2010 hat die Bundesagentur für Arbeit im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Regelungen zur Beschäftigungspflicht und weitere Arbeitgeberpflichten insgesamt in 269 Fällen eine Verwarnung ausgesprochen und in 970 Fällen eine Geldbuße verhängt. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Anette Kramme (SPD) (Drucksache 17/5421, Frage 6): Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass im Falle steigender Strompreise wegen der Abschaltung von Atomkraftwerken Geringverdiener und Empfänger von existenzsichernden Leistungen nach dem Zweiten und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sowie dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht über Gebühr belastet werden, und sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, den Arbeitslosengeld-II-Regelsatz zeitnäher an höhere Verbrauchskosten anzupassen oder den Heizkostenzuschuss wieder einzuführen? Für Leistungsberechtigte nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch werden die Regelbedarfe nach dem sogenannten Mischindex fortgeschrieben. Nach diesem in § 28 a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, SGB XII, enthaltenen Fortschreibungsmechanismus werden die Regelbedarfsstufen mit der Veränderungsrate der Preise sowie der Nettolöhne und -gehälter fortgeschrieben. Angesichts der Bedeutung der Preisentwicklung für die Aufrechterhaltung des Existenzminimums geht die Veränderungsrate des Preisindexes mit einem Anteil von 70 Prozent in den Mischindex ein. Die Veränderungsrate der Preise ergibt sich nicht aus dem normalen Verbraucherpreisindex, sondern aus einem speziellen Preisindex, der nur die in den Regelbedarf eingehenden regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben berücksichtigt. Dies bedeutet konkret, dass die bei der Ermittlung des Regelbedarfs berücksichtigten Verbrauchsausgaben - und damit auch Verbrauchsausgaben für Strom - mit dem sich bei der Regelbedarfsermittlung ergebenden Anteil an allen berücksichtigten Verbrauchsausgaben in die Veränderungsrate der für die Fortschreibung heranzuziehenden Preisentwicklung eingehen. So ist der Anteil der Stromverbrauchsausgaben an allen regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben und damit auch dessen Gewicht in dem in den Mischindex eingehenden Preisindex mit rund 7,8 Prozent deutlich höher als im allgemeinen Verbraucherpreisindex mit nur rund 2,5 Prozent. Ferner führt der durch den Vermittlungsausschuss eingefügte § 138 SGB XII zu einer zweistufigen Fortschreibung der Regelbedarfsstufen zum 1. Januar 2012. Dies bedeutet, dass die reguläre Fortschreibung zur zweiten Stufe wird, der eine zusätzliche erste Stufe vorgeschaltet wird. Die Fortschreibung der zusätzlich vorgeschalteten ersten Stufe berechnet sich aus der Veränderung im Zwölfmonatszeitraum zweites Halbjahr 2009 und erstes Halbjahr 2010 gegenüber dem Kalenderjahr 2009. Die sich daraus rechnerisch ergebenden Regelbedarfsstufen werden dann in einer zweiten Stufe mit der Preisentwicklung sowie der Nettolohn- und -gehaltsentwicklung in den Zwölfmonatszeiträumen zweites Halbjahr 2010 und erstes Halbjahr 2011 gegenüber zweitem Halbjahr 2009 und erstem Halbjahr 2010 fortgeschrieben. Dies hat zur Folge, dass sich die Regelbedarfsstufen zum 1. Januar 2012 deutlich erhöhen werden, bereits die erste Stufe der Fortschreibung bringt für Alleinstehende oder Alleinerziehende eine Erhöhung um 3 Euro monatlich. Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass die Bundesregierung für die Fortschreibung der Regelbedarfe keinen weiteren Handlungsbedarf sieht. Was Heizkosten anbelangt, so werden diese bei Leistungsberechtigten nach dem SGB II und SGB XII zusätzlich zu den Regelbedarfen in ihrer tatsächlichen Höhe übernommen werden, sofern deren Höhe angemessen ist. Darin umfasst sind auch die Kosten für Stromheizungen. Da die Beheizung von Wohnungen mit Strom vergleichsweise selten erfolgt, könnte ein Heizkostenzuschuss im Wohngeldgesetz für Personen, die nicht leistungsberechtigt nach SGB II oder SGB XII sind, in der Regel keine Entlastung bewirken. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Rolf Schwanitz (SPD) (Drucksache 17/ 5421, Frage 9): Befasst sich das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit den kürzlich im sächsischen Vogtland aufgetretenen Fällen von Botulismus bei Rindern, und, falls ja, welche Konsequenzen zieht das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz aus diesen Botulismusfällen? Dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz liegen keine Angaben zu den kürzlich im sächsischen Vogtland aufgetretenen Fällen von Botulismus bei Rindern vor. Botulismus ist weder eine anzeigepflichtige Tierseuche noch eine meldepflichtige Tierkrankheit. Die Bundesregierung fordert Forschungsvorhaben, um das Krankheitsbild zu untersuchen. Sie arbeitet hierbei eng mit den Bundesländern zusammen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/5421, Frage 10): Welche Bundesländer nutzen bislang die Gemeinschaftsbeihilfen der Europäischen Union zur Abgabe von Extraportionen von kostenlosem Obst und Gemüse in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen - Schulen und Kindertagesstätten - im Rahmen des europäischen Schulobstprogramms, und wie setzt sich dort die jeweilige Finanzierung hinsichtlich der Höhe und Anteile zusammen? Derzeit nehmen sieben Länder am EU-Schulobstprogramm teil, Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen. Höhe und Anteil der Finanzierung setzen sich folgendermaßen zusammen: Die Finanzierung erfolgt durch Gemeinschaftsbeihilfe und wird durch die Länder kofinanziert. Der Kofinanzierungsanteil liegt bei 50 Prozent bzw. 25 Prozent - Konvergenzregionen. Die sieben Länder haben für das laufende Schuljahr, 2010/2011, 9 973 598 Euro Gemeinschaftsbeihilfe beantragt. Die Angaben beziehen sich auf das laufende Schuljahr 2010/2011. Bundesland Höhe des Ge samtetats (in Euro) (Gemeinschafts beihilfe plus Kofinanzie rungsanteil) Anteil der Finanzierung durch das Land (Kofinanzie rungsanteil) Baden-Württemberg 5106882 50 Prozent Bayern 4828511 50 Prozent Nordrhein-Westfalen 5000000 50 Prozent Rheinland-Pfalz 2400000 50 Prozent Saarland 611404 50 Prozent Sachsen-Anhalt 566900 25 Prozent Thüringen 800000 25 Prozent Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/5421, Frage 11): Welche Altersklassen in Betreuungs- und Bildungseinrichtungen profitieren bislang von dem mit EU-Mitteln geförderten europäischen Schulobstprogramm zur Verteilung von kostenlosem Obst und Gemüse, und welche Maßnahmen werden darüber hinaus getroffen, um eine ausgewogene Ernährung bei den Kindern und Jugendlichen zu erreichen, bzw. gibt es diesbezüglich Initiativen der Bundesregierung? In Deutschland sind die Länder für die Durchführung des EU-Schulobstprogramms zuständig. Die Altersklassen reichen von vorschulischen Einrichtungen bis zur 4. Schulklasse. Zielgruppe sind in der Regel Kinder in Grund- und Förderschulen bzw. Schulen mit besonderer pädagogischer Prägung. Die Bundesregierung hat mit dem Nationalen Aktionsplan IN FORM Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung eine umfassende Initiative zur Unterstützung von Projekten und Maßnahmen in den Bereichen Ernährung und Bewegung ergriffen. Die begleitenden Maßnahmen der Länder umfassen darüber hinaus beispielsweise Informationsmaterialien, Unterrichtseinheiten, Besuche auf dem Bauernhof oder bei Obstanbaubetrieben. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/5421, Frage 13): Wie bewertet die Bundesregierung die nationalen Fördermöglichkeiten für Aquakulturanlagen, und welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung zur Beseitigung rechtlicher bzw. struktureller Hindernisse der Stärkung einer nachhaltigen Aquakultur in Deutschland? Im Rahmen des Operationellen Programms für die Förderung der Fischerei in Deutschland 2007 bis 2013 ist die Aquakulturförderung ein Förderschwerpunkt. Allerdings sind für die Aquakulturförderung ausschließlich die Länder zuständig. Im Bereich des Europäischen Fischereifonds, EFF, gewähren die Landesregierungen der Fischerei und insbesondere der Aquakultur im Grundsatz die Unterstützung, die rechtlich vorgegeben ist. Dafür sind die nationalen, die EU-Regelungen und die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ausschlaggebend. Gerade Aquakultur als aufstrebender Wirtschaftsbereich soll mit dem Ziel der umweltgerechten und nachhaltigen Nutzung der Ressourcen unterstützt werden. Die Bundesregierung setzt sich auch auf europäischer Ebene dafür ein, dass ein Ausbau von Aquakultur und Binnenfischerei nicht durch untragbare Schäden - wie beispielsweise von Kormoranen - gefährdet wird. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/5421, Frage 14): Wie viel Prozent der deutschen Meeresgebiete stehen unter Schutz bzw. sollen in den kommenden Jahren zusätzlich unter Schutz gestellt werden, und welche fischereiwirtschaftlichen Einschränkungen sind damit konkret verbunden - Angabe bitte flächenbezogen? Die Bundesregierung hat insgesamt zehn Meeresschutzgebiete nach NATURA 2000 in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone, AWZ, gemeldet, davon sechs in der Ostsee und vier in der Nordsee. Die Gebiete wurden von der Europäischen Kommission im Januar 2008 auf die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen; sie umfassen etwa 30 Prozent der Gesamtfläche der deutschen AWZ. Die konkreten Schutzgebietsausweisungen sind binnen sechs Jahren nach Listung vorzunehmen. Zu den konkreten Fischereiregelungen in den Schutzgebieten ist zu sagen, dass hierzu die wissenschaftlichen Einrichtungen des Bundes zurzeit Vorschläge für solche Regelungen erarbeiten. Die Bundesregierung liegt hier voll im Zeitplan, den die EU vorsieht. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) (Drucksache 17/5421, Frage 16): Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung in den letzten sechs Monaten unternommen, damit in 2012 ein Verordnungsentwurf mit bundeseinheitlichen Vorgaben für die artgerechte Haltung von Mastkaninchen vorgelegt werden kann? Im Vergleich zu anderen Nutztierarten lagen bisher nur wenige Kenntnisse über die Voraussetzungen einer tiergerechten Kaninchenhaltung vor. Als Grundlage für eine Ergänzung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung um spezifische Anforderungen an die Haltung von Kaninchen versendete das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Oktober 2010 eine Abfrage zur aktuellen Situation an die Bundesländer. Zudem wurden wissenschaftliche Veröffentlichungen gesammelt und geprüft, fachspezifische Veranstaltungen besucht und Tierhaltungsbetriebe besichtigt, um weitere detaillierte Daten in Bezug auf eine verhaltensgerechte Unterbringung und Pflege von Kaninchen zu gewinnen. Mithilfe der gewonnenen Daten konnten anschließend im Rahmen einer Projektgruppe mit Ländervertretern Eckpunkte der zukünftigen Regelung erarbeitet und an die für Tierschutz zuständigen Referenten der Länder mit der Bitte um Stellungnahme versendet werden. Die eingegangenen Stellungnahmen und Vorschläge werden aktuell in das genannte Eckpunktepapier eingearbeitet. Das Eckpunktepapier soll dann an die Verbände und betroffenen Kreise zur Stellungnahme übersandt werden. Das BMELV ist an einem zügigen Fortgang interessiert, der weitere Zeitablauf ist aber wesentlich vom Verlauf der Abstimmungen und dem Diskussionsbedarf der im üblichen Verfahren zu Beteiligenden abhängig. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) (Drucksache 17/5421, Frage 17): Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Haltungsbedingungen von Pelztieren in gewerblichen Pelztierfarmen in Deutschland zu verbessern? Die Bundesregierung hat bereits konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Haltungsbedingungen von Pelztieren ergriffen. Die in Abschnitt 6 der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geregelten, spezifischen Anforderungen an die Pelztierhaltung sind am 12. Dezember 2006 in Kraft getreten. Damit wurden Mindestanforderungen an Haltungseinrichtungen sowie allgemeine und besondere Anforderungen an das Halten von Pelztieren zu Erwerbszwecken festgelegt. Für Haltungseinrichtungen wurden unter anderem Anforderungen hinsichtlich der Größe und Höhe der Haltungseinrichtungen, der Bodenbeschaffenheit sowie der Strukturierung festgelegt. Haltungseinrichtungen für Nerze, Iltisse und Sumpfbiber müssen zukünftig mit einem Schwimmbecken ausgestattet sein. Die festgelegten Übergangsfristen sind teilweise bereits abgelaufen, teilweise sind die Anforderungen ab dem 12. Dezember 2011 bzw. dem 12. Dezember 2016 anzuwenden und werden zu einer weiteren Verbesserung des Tierschutzes in der Pelztierhaltung fuhren. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/5421, Frage 18): Welche Mengen Übungsmunition - aufgeschlüsselt nach unterschiedlichen Arten - hatte der am Freitag, dem 1. April 2011, in der Eifel nahe Laufeld abgestürzte amerikanische Kampfjet an Bord, und wie erfolgte die Kooperation der deutschen und amerikanischen Stellen bezüglich der Unfallstellensicherung? Gemäß Auskunft der amerikanischen Dienststelle in Spangdahlem, 52nd Fighter Wing, befanden sich in dem verunglückten Luftfahrzeug des Typs A-10 Thunderbolt II 1 150 Schuss Übungsmunition, Kaliber 30 mm. Der Staat, in dem sich der Unfall eines Militärflugzeuges ereignet hat, ist dafür verantwortlich, dass der Unfallort während der Untersuchung bis zur Bergung des Wracks bewacht wird. Unmittelbar nach Kenntniserlangung über den Absturz des US-Militärluftfahrzeuges am 1. April 2011 wurden daher Feldjägerkräfte des Feldjägerdienstkommandos Koblenz zur Absturzstelle verlegt und richteten zur Absicherung des abgestürzten US-Luftfahrzeuges zwei militärische Sicherheitsbereiche ein. Am 2. April 2011 wurden die militärischen Sicherheitsbereiche von den Feldjägerkräften an das Landeskommando Rheinland-Pfalz übergeben. Bis zur endgültigen Bergung des Flugzeugwracks bleiben die militärischen Sicherheitsbereiche und die damit verbundene Absicherung bestehen. US-Kräfte sind in die Absicherung nicht eingebunden. Beteiligte deutsche und US-amerikanische Dienststellen standen im permanenten Dialog. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 23): Welcher Art waren die Kontakte zwischen dem interkulturellen Einsatzberater der Bundeswehr - Cultural Advisor - und dem Personal der Blauen Moschee in Masar-i-Scharif - die in der Vergangenheit dazu gedient hatten, eine vertrauensvolle Kommunikation zwischen den ISAF-Truppen und dem Klerus vor Ort zu führen - in den Tagen und Wochen vor den gewalttätigen Demonstrationen, besonders vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Bibelverbrennungen vom afghanischen Präsidenten und den Medien umfassend und zugespitzt thematisiert wurden und Proteste daher zu erwarten waren? Der interkulturelle Einsatzberater des Regionalkommandos Nord führt regelmäßig persönliche Gespräche mit den religiösen Würdenträgern der Stadt Mazar-i-Scharif, so auch mit denen der Blauen Moschee. Daran hat sich auch im Vorfeld der Demonstrationen nichts geändert. In Auswertung der Gespräche deutete nichts darauf hin, dass sich eine gewaltsame Demonstration gegen internationale Institutionen in Mazar-i-Scharif anbahnen würde. Dies galt in gleicher Weise für den vielfältigen Informationsaustausch im Einsatzraum, der zum Beispiel in Form sogenannter Key Leader Engagements durchgeführt wird. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 24): Warum war es Frauen bis Ende 2010 nicht möglich, Dienst im protokollarischen Dienst der Bundeswehr zu leisten, und welche Einsicht hat dazu geführt, dass sie dies nun dürfen? Seit Aufstellung des Wachbataillons BMVg wurden Protokollsoldaten ausschließlich über die Wehrverwaltung als Grundwehrdienstleistende, GWDL, bzw. Freiwillig zusätzlich Wehrdienstleistende, FWDL, einberufen. Eine Gewinnung des Personals über die militärische Personalgewinnungsorganisation erfolgte bis Ende 2010 nicht. Im Zuge der Aussetzung der Verpflichtung zur Ableistung des Grundwehrdienstes sind die bisher durch GWDL/FWDL wahrgenommenen Aufgaben als Protokollsoldaten im Wachbataillon BMVg zukünftig durch Freiwillige wahrzunehmen. Neben Soldaten auf Zeit kommen deshalb auch Soldatinnen auf Zeit für die Protokolltätigkeit infrage. Gleiches gilt für Freiwillig Wehrdienstleistende Männer und ab 1. Juli 2011 auch für Freiwillig Wehrdienstleistende Frauen. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Fragen der Abgeordneten Sabine Stüber (DIE LINKE) (Drucksache 17/5421, Fragen 25 und 26): Ist das Nichtvorhandensein eines Jugendmigrationsdienstes ein Ausschlusskriterium für die Förderung einer Kompetenzagentur in einer bestimmten Region? Warum wird ab dem 1. Januar 2012 eine Kofinanzierung der Kompetenzagenturen durch die Jobcenter, die Agentur für Arbeit und den Europäischen Sozialfonds ausgeschlossen? Zu Frage 25: Das Nichtvorhandensein eines Jugendmigrationsdienstes ist kein Ausschlusskriterium für die Förderung einer Kompetenzagentur. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat im Rahmen der neuen Ausschreibung die Kofinanzierung der Kompetenzagenturen aus Mitteln der Jugendmigrationsdienste ermöglicht, um die Programme der Initiative JUGEND STÄRKEN besser miteinander zu verzahnen. Die erforderliche Kofinanzierung kann aber auch auf anderem Wege, zum Beispiel durch die Kommunen oder Stiftungen, erbracht werden. Zu Frage 26: Die Kofinanzierung des Programms Kompetenzagenturen soll im Hinblick auf die angestrebte Verstetigung des Angebots und zur Stärkung der kommunalen Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII in erster Linie aus kommunalen Mitteln erfolgen. Die nach einer Übergangszeit bis Ende 2011 auslaufende Möglichkeit der Kofinanzierung aus Mitteln des Zweiten und Dritten Buches Sozialgesetzbuch, SGB II und SGB III, trägt diesem Anliegen Rechnung. Zudem kann künftig auch eine Kofinanzierung aus dem Programm der Jugendmigrationsdienste erbracht werden. Anlage 17 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Annette Widmann-Mauz auf die Frage des Abgeordneten Fritz Rudolf Körper (SPD) (Drucksache 17/5421, Frage 27): Wie sehen die konkreten Vorschläge der Bundesregierung für Beteiligungsmöglichkeiten der Bundesländer zur Sicherung der ärztlichen Versorgung insbesondere im ländlichen Raum (vergleiche Süddeutsche Zeitung vom 6. April 2011) aus, und welche konkrete Zeitplanung zu deren Umsetzung gibt es? Der von Ihnen angesprochene Artikel der Süddeutschen Zeitung bezieht sich auf eine von der Gesundheitsministerkonferenz eingerichtete Bund-Länder-Kommission zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung in Deutschland. Diese Kommission hat sich am 6. April 2011 zu den Beteiligungsmöglichkeiten der Bundesländer zur Sicherung der ärztlichen Versorgung auf folgende Punkte geeinigt: Erstens. Die Bundesländer erhalten ein Mitberatungs- und Initiativrecht bei den Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, G-BA, zu Fragen der Bedarfsplanung. Das Mitberatungsrecht beinhaltet ein Rederecht sowie ein Anwesenheitsrecht bei den Beratungen und Abstimmungen in den Gremien des G-BA. Zweitens. Die regionalen Gremien in den Bundesländern erhalten durch Gesetz die Möglichkeit, bei der Erstellung des Bedarfsplans zur Berücksichtigung eines regionalen Versorgungsbedarfs von den Regelungen der Bedarfsplanungsrichtlinie des G-BA abzuweichen, zum Beispiel bei der Bestimmung der Planungsbereiche und den zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung festzulegenden Verhältniszahlen. Drittens. Die Beteiligungsrechte der Länder gegenüber dem jeweiligen Landesausschuss werden analog den Beteiligungsrechten des Bundesministeriums für Gesundheit gegenüber dem G-BA ausgestaltet. Dies bedeutet, dass das Land die Rechtsaufsicht über den Landesausschuss erhält. Die vom Ausschuss zu treffenden Beschlüsse sind dem Land künftig vorzulegen und können innerhalb einer bestimmten Frist vom Land beanstandet werden. Die Nichtbeanstandung eines Beschlusses kann mit Auflagen verbunden und zur Erfüllung einer Auflage eine angemessene Frist gesetzt werden. Für den Fall, dass ein für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung erforderlicher Beschluss des Ausschusses nicht oder nicht innerhalb einer vom Land gesetzten Frist zustande komme oder Beanstandungen des Landes nicht innerhalb einer vorher gesetzten Frist behoben werden, kann das Land den Beschluss erlassen (Ersatzvornahme). Das Teilnahmerecht des Landes an Sitzungen des Landesausschusses wird analog der Regelung zur Beteiligung der Patientenvertreter ausgestaltet. Das Land erhält damit auch ein Mitberatungsrecht. Viertens. Zur Genehmigung vorgelegte Verträge nach den §§ 73 b und c sowie nach den §§ 140 a bis d Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V, mit Auswirkungen auf das landesbezogene Versorgungsgeschehen sind künftig unabhängig von der aufsichtsrechtlichen Zuständigkeit für die Kassen der betroffenen Landesaufsichtsbehörde vorzulegen. Die Bundesländer erhalten die Möglichkeit, binnen eines Monats der zuständigen Aufsichtsbehörde ihre Position vorzulegen. Darüber hinaus hat die zuständige Aufsichtsbehörde bei den genannten Verträgen im Falle einer Beanstandung das Benehmen mit den betroffenen Aufsichtsbehörden herzustellen. Die Bundesländer erhalten bezogen auf diese Versorgungsverträge zudem zur Gewährleistung einer flächendeckenden Versorgung ein Initiativrecht. Fünftens. Alle Krankenkassen einer Kassenart mit Mitgliedern mit Wohnsitz in einem Land haben künftig für das jeweilige Land für alle gemeinsam und einheitlich zu treffende Entscheidungen sowie für gemeinsam und einheitlich abzuschließende Verträge auf Landesebene jeweils einen gemeinsamen Bevollmächtigten mit Abschlussbefugnis gegenüber der zuständigen Obersten Verwaltungsbehörde des jeweiligen Landes zu benennen. Können sich die betroffenen Krankenkassen einer Kassenart nicht auf einen Bevollmächtigten einigen, bestimmt die für die Sozialversicherung zuständige Oberste Verwaltungsbehörde des jeweiligen Landes diesen gemeinsamen Bevollmächtigten. Eine Ausnahmeregelung gilt, soweit für ein Land ein Landesvertreter einer Kassenart oder ein Landesverband besteht oder die Aufgaben eines Landesverbandes nach § 207 Abs. 4 a SGB V wahrgenommen werden. Sechstens. Im SGB V wird die Rechtsgrundlage zur optionalen Bildung eines sektorübergreifenden Gremiums auf Landesebene vorgesehen, das Empfehlungen zur medizinischen Versorgung ohne Bindungswirkung aussprechen kann. Das Nähere zur Umsetzung und Arbeitsweise dieses Gremiums ist dann gegebenenfalls durch Landesrecht zu regeln. Es ist vorgesehen, die vorgenannten Punkte in das anstehende Versorgungsgesetz, das zum 1. Januar 2012 in Kraft treten soll, einzubeziehen. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen der Abgeordneten Bettina Herlitzius (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Fragen 28 und 29): Soll das vom Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Jan Mücke in einem Eckpunktepapier angekündigte KfW-Programm zur energetischen Stadtsanierung als Zuschussprogramm oder als Kreditprogramm ausgestaltet werden, und wie beabsichtigt die Bundesregierung die Finanzierung des Programms vor dem Hintergrund sicherzustellen, dass der Energie- und Klimafonds aufgrund der aktuellen Entwicklungen voraussichtlich nicht über die erwarteten Einnahmen verfügt? Wie hoch wird die Gebäudesanierungsquote in 2012 ausfallen, wenn die KfW-Mittel für die Gebäudesanierung, wie bekannt wurde, in 2012 auf knapp 50 Millionen Euro gekürzt werden, und wie beabsichtigt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die Klimaziele zu erreichen? Zu Frage 28: Herr Parlamentarischer Staatssekretär Jan Mücke hatte mit Schreiben vom 31. März 2011 an den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Eckpunkte zur Ausgestaltung des Programms "Energetische Stadtsanierung" übermittelt. Danach sollen sowohl zinsverbilligte Kredite als auch Zuschüsse zur Verfügung gestellt werden. Die Verhandlungen zum Sondervermögen "Energie- und Klimafonds" für das Jahr 2012 sind noch nicht abgeschlossen. Insofern ist derzeit noch keine Aussage über die finanzielle Ausstattung des Programms möglich. Zu Frage 29: Die von Ihnen erbetenen Angaben beziehen sich auf den Inhalt des Bundeshaushaltes 2012, der derzeit noch Bestandteil des regierungsinternen Haushaltsaufstellungsverfahrens ist. Gleiches gilt für den Wirtschaftsplan 2012 zum Sondervermögen "Energie- und Klimafonds", der parallel zum Haushalt aufgestellt, verhandelt und verabschiedet wird. Insofern kann über die Höhe der künftigen Programmmittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm derzeit noch keine Aussage getroffen werden. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU ) (Drucksache 17/5421, Frage 30): Wie hoch ist die von der Deutschen Bahn AG beantragte Förderung zum Neubau des City-Tunnels Leipzig im Rahmen des Operationellen Programms, OP, Verkehr EFRE Bund 2007 bis 2013? Die DB Netz AG hat bislang für den Neubau des City-Tunnels Leipzig 77,344 Millionen Euro aus den EFRE-Mitteln des Operationellen Programms Verkehr EFRE Bund 2007 bis 2013 beantragt. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5421, Frage 31): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der nach Aussagen des Veranstalters erfolgten Weigerung der Deutschen Bahn AG, dem "Zug der Erinnerung", der am 1. und 2. April 2011 im Bahnhof Düren Station machte, wie schon zuvor in anderen Bahnhöfen, den notwendigen Stromanschluss zur Verfügung zu stellen, und was wird die Bundesregierung als hundertprozentige Eignerin der Deutschen Bahn AG veranlassen, damit dem "Zug der Erinnerung" in Zukunft in allen Bahnhöfen, in denen er Station macht, der notwendige Stromanschluss zur Verfügung gestellt wird? Ein Handeln der Bundesregierung ist nicht angezeigt. Nach Feststellung der Bundesnetzagentur liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Deutsche Museums-Eisenbahn GmbH (DME), die für den Verein "Zug der Erinnerung" alle betriebstechnischen Leistungen übernimmt, hatte relativ kurzfristig eine Trasse im Bahnhof Düren beantragt. Im Bahnhof stellte sich dann heraus, dass die vom Zug benötigte Netzspannung von 220 V Wechselstrom nicht ohne Weiteres durch Netzanschluss am Gleis oder bahnhofseitig zur Verfügung gestellt werden konnte. Für eine Verbindung mit dem Netzanschluss des Bahnhofsgebäudes wäre eine Verlegung des Stromkabels unter den Gleisen notwendig gewesen. Hierfür ist eine Bau- und Betriebsanweisung der DB Netz AG, der die betroffenen Gleise gehören, notwendig, die in der Kürze der Zeit nicht zu erlangen war. Daher stellte das herbeigerufene THW einen Stromgenerator am Bahnsteig zur Verfügung. Nach Einschätzung der DME waren die eingetretenen Schwierigkeiten nicht Ausdruck abweisenden Verhaltens seitens der Deutsche Bahn AG. Anlage 21 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 32): Welche konkreten sechs deutschen Projekte (siehe Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage auf Bundestagsdrucksache 17/5422) wurden von der Bundesregierung an die Europäische Kommission als mögliche Projekte zur Förderung aus dem NER-300-Programm weitergeleitet, und welche Unternehmen sind daran beteiligt? Im Rahmen der NER300-Fördermaßnahme der EU wurden dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Stichtag der ersten Tranche am 9. Februar 2011 vier Projektanträge im Bereich der erneuerbaren Energien übersandt. Es handelt sich um zwei Projekte in der NER300-Kategorie "Offshore-Windkraftanlagen (Turbinenmindestleistung 6 MW)" sowie um zwei Biokraftstoffprojekte, je eines in den NER300-Kategorien "Umwandlung von Lignozellulose zu Ethanol und höheren Alkoholen" und "Umwandlung von Lignozellulose und/oder Haushaltsabfall zu Biogas, Biokraftstoffen oder flüssigen Biobrennstoffen". Im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sind zwei Anträge zur CCS-Technologie eingegangen, in den NER300-Kategorien "Stromerzeugung: Oxyfuel 250 MW" und "industrielle Anwendungen". Die NER300-Ausschreibung sieht vor, dass die Daten der Antragsteller vertraulich behandelt werden (NER300, Call for Proposals, Ziff. 116). Eine Veröffentlichung der antragstellenden Firmen ist daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen. Die Anträge werden aktuell durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sowie den von diesen beauftragten Forschungsinstituten im Hinblick auf fachliche Eignung und Übereinstimmung mit den Prüfkriterien der Kommission bewertet. Im Falle der Eignung werden sie zum 9. Mai 2011 bei der Europäischen Investitionsbank eingereicht. Anlage 22 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Ulrike Höfken (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 33): Welche Messergebnisse liegen deutschen Behörden über mögliche Verunreinigungen von Boden, Wasser und Luft vor, und wie wurde die Öffentlichkeit darüber informiert? Recherchen der Bundesregierung bei der zuständigen Landesbehörde (Innenbehörde) über durchgeführte oder geplante Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Absturz des amerikanischen Kampfflugzeugs in der Eifel haben ergeben, dass von US-militärischer Seite Beprobungen der Luft und des Bodens vorgenommen worden sind. Die Untersuchungen der Umweltabteilung des 52. Jagdgeschwaders der US-Streitkräfte auf den Stoff Petroleum Hydrocarbonat sowie auf Kontaminationen, die durch den Treibstoff verursacht werden können, haben Ergebnisse gebracht, die sich innerhalb der Norm befanden. Nach Auskunft aus dem rheinland-pfälzischen Umweltministerium hat die zuständige Behörde, die Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich, im Bereich des Flugzeugabsturzes noch keine Messungen über mögliche Verunreinigungen des Bodens durchführen können, da es noch militärisches Sperrgebiet ist. Anlage 23 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Daniela Wagner (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 34): Wie bewertet die Bundesregierung die finanziellen Forderungen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Rahmen des "Aktionsprogramms Energieeffizienz und erneuerbare Energien", die Haushaltsmittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm der KfW Bankengruppe auf 2 Milliarden Euro und für den Energie- und Klimafonds auf 1 Milliarde Euro anzuheben (siehe Artikel "Bund legt Konzept zu schnellerem Ökostrom-Ausbau vor", Reuters vom 18. März 2011), hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit, Hebelwirkung/Investitionsvolumina, geschaffenen/erhaltenen Arbeitsplätze und ihrer CO2- und Energieeinsparpotenziale? Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm der KfW ist seit Jahren ein erfolgreiches Programm, das erheblich zur CO2-Minderung und Energieeinsparung beiträgt. Es ist neben der Energieeinsparverordnung, EnEV, das wichtigste Instrument der Bundesregierung für Energieeinsparung und Klimaschutz im Gebäudebereich. Es werden Maßnahmen gefördert, die weit über die gesetzlichen Anforderungen der Energieeinsparverordnung, EnEV, hinausgehen. Im Energiekonzept der Bundesregierung vom 28. September 2010 wurde für die energetische Modernisierung im Gebäudebereich der Grundsatz wirtschaftlicher Anreize betont. Die von der Bundesregierung am 16. März 2011 verabschiedeten Eckwerte des Regierungsentwurfs zum Bundeshaushalt 2012 sind Bestandteil des regierungsinternen Haushaltsaufstellungsverfahrens, das erst mit dem Beschluss des Regierungsentwurfs zum Haushalt 2012 beendet sein wird. Gleiches gilt für den Wirtschaftsplan zum Sondervermögen "Energie- und Klimafonds", der parallel zum Haushalt aufgestellt, verhandelt und verabschiedet wird. Insofern kann über künftige Programmmittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm derzeit keine Aussage getroffen werden. Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm wird seit Jahren regelmäßig evaluiert. Im Rahmen dieser Überprüfungen wurden auch die ökonomischen und ökologischen Wirkungen des Programms ermittelt. Für die Hebelwirkung wurde ermittelt: 1 Milliarde Euro Fördermittel generieren ein Kredit- und Zuschussvolumen in Höhe von rund 5 Milliarden Euro und stoßen damit Gesamtinvestitionen von 12 Milliarden Euro an. Zugleich werden jährlich bis zu 340 000 Arbeitsplätze im Mittelstand/Handwerk geschaffen bzw. gesichert. Der jährliche CO2-Ausstoß wird durch die bislang geförderten Investitionen an Wohngebäuden um rund 4,7 Millionen Tonnen vermindert. Und zwar jährlich wiederkehrend über einen durchschnittlich 30-jährigen Nutzungszeitraum der Maßnahmen. Pro Milliarde Euro Fördermittel beträgt das jährliche Energieeinsparpotenzial etwa 2 Terawattstunden. Bei der Evaluierung wurden allerdings nicht alle gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahme berücksichtigt. So können aufgrund der erforderlichen Finanzierung negative Effekte an anderer Stelle entstehen. Darüber hinaus werden im Rahmen des Marktanreizprogramms Erneuerbare Energien und im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ebenfalls Mittel bereitgestellt, die im Bereich der privaten Haushalte und der CO2-Minderung in Gebäuden wirksam werden. Beide Fördermaßnahmen werden 2011 aus Mitteln des neu eingerichteten Energie- und Klimafonds der Bundesregierung flankiert. Anlage 24 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hermann Ott (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Fragen 35 und 36): Wie beurteilt die Bundesregierung die Ergebnisse der jüngsten Klimaverhandlungen in Bangkok, auch vor dem Hintergrund der Erfordernisse für eine erfolgreiche Klimakonferenz in Durban Ende dieses Jahres? Welche Rolle hat aus Sicht der Bundesregierung die Atomenergie beim weltweiten Klimaschutz? Zu Frage 35: Die Klimaverhandlungsrunde in Bangkok hat den Fahrplan der Verhandlungen für dieses Jahr bis zur Klimakonferenz in Durban im Dezember vereinbart. Festgelegt wurde, dass der Schwerpunkt sowohl auf der Umsetzung der Vereinbarungen von Cancún liegen soll als auch auf der Adressierung der in Cancún offen gebliebenen Fragen. Zu Frage 36: Für die Bundesregierung ist die Kernenergie eine Brückentechnologie, deren künftige Nutzung derzeit neu bewertet wird. Allerdings muss dies realistisch und mit Augenmaß erfolgen. Die Bundesregierung setzt insofern auf den zügigen Ausbau Erneuerbarer Energien, einen entsprechenden Ausbau der Stromnetze, auf Energieeinsparung und eine höhere Energieeffizienz. Die Frage, wie andere Länder ihre Klimaziele erreichen, hat die Bundesregierung nicht zu entscheiden. Anlage 25 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 37): In welchem Verfahren wird die Reaktor-Sicherheitskommission, RSK, die von ihr noch festzulegenden Maßstäbe, auf deren Basis sie die von den Gutachtern unter der Federführung der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, GRS, vorzulegenden Ergebnisse der Atomkraftwerkeprüfungen bewerten wird (vergleiche Plenarprotokoll 17/101, Anlage 16), festlegen - bitte insbesondere mit Angabe etwaiger Sondersitzungen der RSK, bis wann die Festlegung abgeschlossen sein soll und ob sie in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit erfolgt -, und welcher konkrete Zeitplan existiert für oben genannte Gutachter unter der Federführung der GRS für die Vorlage ihrer Zwischen- und Endergebnisse an die RSK? Die RSK erstellt zurzeit im Rahmen einer Redaktionsgruppe Vorschläge für Bewertungsmaßstäbe für die Einstufung der Ergebnisse der Sicherheitsüberprüfungen der deutschen Kernkraftwerke. Es ist geplant, diese Vorschläge auf einer RSK-Sitzung am 21. April 2011 zu beraten und die Bewertungsmaßstäbe zu verabschieden. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wird, wie üblich, an der Sitzung der RSK teilnehmen. 4. bis 21. April 2011: Vorbereitende Arbeiten wie zum Beispiel Herausarbeitung des anlagenspezifischen Sachstands, Konzipierung der Gliederung, Konzipierung der Art der Darstellung unter Berücksichtigung der Fragenliste, GRS, Gutachterteams, Anlagengutachter. 21. April 2011: Deadline für den Eingang der Antworten der Betreiber bei Landesbehörden; GRS und RSK. 435. Sitzung der RSK: unter anderem Diskussion Bewertungsmaßstäbe und Struktur der Stellungnahme. 21. April 2011 bis 2. Mai 2011: Aufbereitung der Antworten der Betreiber durch die Gutachterteams. Formulierung etwaiger Nachfragen an die Landesbehörden oder Betreiber, um bestimmte Sachverhalte aufklären zu können. Die RSK wird fortlaufend über Teilergebnisse informiert. 2. Mai 2011: Abschluss der Arbeiten der Gutachterteams. Vorlage einer Zusammenstellung der aus den Antworten der Betreiber gewonnenen Ergebnisse und Weiterleitung an die RSK. 12. bis 13. Mai 2011: Abschluss der RSK-Beratung in Form einer Stellungnahme in der 436. Sitzung der RSK. Anlage 26 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 38) Wie viele Personen pro betreffender Sachverständigenorganisation sind in welchen der einzelnen Prüfteams für den sogenannten Stresstest der deutschen Atomkraftwerke (bitte differenzierte Darlegung pro Prüfteam)? Team ESN GRS Öko-Institut Phy siker-büro Br. Stan genb. & Part ner TÜV Nord EnSYS TÜV Nord SysTec TÜV Süd ET TÜV Süd IS Naturbedingte Ereignisse 1 3 1 1 1 1 1 1 Zivilisatorisch Einwirkungen von außen 3 1 1 1 1 1 2 1 SEWD 1 3 1 1 1 2 Vorsorgemaßnahmen 3 1 1 1 1 2 2 Notstromversorgung, Neben kühlwasser etc. SWR 1 3 1 1 2 3 2 Notstromversorgung, Neben kühlwasser etc. DWR 1 3 1 1 2 1 2 2 Notfallmaßnahmen (Kern- und BE-Becken) 2 3 1 1 1 2 1 2 Abschätzungen und Analysen 4 2 1 2 1 Anlage 27 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 39): Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass Photovoltaikstrom und Windstrom aus Deutschland an der Strombörse wettbewerbsfähiger sind als Atomstrom aus Frankreich oder Tschechien, und sind der Bundesregierung Atomkraftwerke bekannt, die im Ausland infolge des deutschen Moratoriums neu ans Netz gegangen sind? Strom aus Windenergie und Photovoltaikanlagen wird an der Strombörse im Wesentlichen zu variablen Kosten null angerechnet. Windenergie und Photovoltaik ordnen sich daher in der Reihenfolge des Kraftwerkseinsatzes - sogenannte Merit Order - idealtypisch links vor der Kernenergie ein. Dies ist Folge auch des gesetzlichen Einspeisevorrangs der erneuerbaren Energien. Allerdings beschreibt dieser Merit-Order-Effekt lediglich den Preisbildungsmechanismus an der Strombörse. Er stellt keine allgemeine Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Erzeugungstechnologien dar, unter anderem wird dabei die Förderung durch das EEG nicht berücksichtigt. Der Bundesregierung sind keine Kernkraftwerke bekannt, die im Ausland infolge des deutschen Moratoriums neu ans Netz gegangen sind. Anlage 28 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 40): Beabsichtigt die Bundesregierung, sich auf der europäischen Ebene zukünftig gegen direkte und indirekte Subventionen für Atomenergie einzusetzen, damit die deutsche Wirtschaft nicht durch im europäischen Ausland begünstigten Atomstrom benachteiligt wird, und wird sich die Bundesregierung für europaweit höchste Sicherheitsmaßstäbe bei Atomkraftwerken einsetzen, um ein Sicherheitsdumping zum Nachteil der deutschen Wirtschaft zu verhindern? Die Bundesregierung unterstützt weiterhin eine stringente Wettbewerbskontrolle durch die Europäische Kommission. Die Bundesregierung setzt sich europaweit und international für ein höchst mögliches Sicherheitsniveau sowohl bei bestehenden als auch geplanten Kernkraftwerken ein. Bei den auf EU-Ebene beschlossenen Stresstests tritt sie beispielsweise dafür ein, dass sich diese an den Kriterien der Reaktorsicherheitskommission, die derzeit für deutsche Sicherheitsüberprüfungen erarbeitet werden, orientieren. Darüber hinaus fordert die Bundesregierung nachdrücklich, dass auch Nicht-EU-Mitgliedstaaten ihre Kernkraftwerke anspruchsvollen Sicherheitsüberprüfungen unterziehen. Die aus den Ereignissen in Fukushima resultierenden Erkenntnisse sind dabei jeweils einzubeziehen. Anlage 29 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 41): Genießen die zusätzlichen Strommengen, die den Atomkraftwerken im Rahmen der Laufzeitverlängerung zugeteilt wurden, aus Sicht der Bundesregierung Eigentumsschutz nach Art. 14 des Grundgesetzes, und haben die Betreiber seither irgendwelche Investitionen in die Atomkraftwerke getätigt, aus denen sie Vertrauensschutz bezüglich des Bestands der Laufzeitverlängerungen ableiten könnten? Die Bundesregierung hat, wie bekannt, einen Prüfprozess eingeleitet, an dessen Ende über Maßnahmen zu entscheiden sein wird. Sie beteiligt sich nicht an Spekulationen über Einzelmaßnahmen. Anlage 30 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Fragen der Abgeordneten Dorothea Steiner (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/5421, Fragen 42 und 43): Hat der Ausstieg des Landes Niedersachsen aus der Förderung des Projektes "Hannoversche Moorgeest" im Rahmen des Programmes "Chance.Natur" Auswirkungen auf die Erreichung der Ziele der Bundesregierung zum Erhalt des Nationalen Naturerbes insbesondere unter dem Aspekt des Schutzes der letzten Moore? Wie wird die Bundesregierung die Herausnahme eines großen Moorschutzgebietes in Niedersachsen aus dem Programm "Chance.Natur" im Rahmen der Zielerreichung der nationalen Biodiversitätsstrategie, deren wichtiger Bestandteil auch der Erhalt möglichst vieler wertvoller Hoch- und Niedermoore ist, ausgleichen? Zu Frage 42: Der Ausstieg des Landes Niedersachsen aus der Förderung des Projektes "Hannoversche Moorniederung" im Rahmen des Programms "Chance.Natur" hat keine Auswirkungen auf die Erreichung der Ziele der Bundesregierung zum Erhalt des nationalen Naturerbes, auch nicht unter dem Aspekt Schutz der letzten Moore. Vor dem Hintergrund, dass sich das aktuell konzipierte Projekt nahezu ausschließlich auf die Kulisse des von der Europäischen Union eingerichteten Schutzgebietsnetzes Natura 2000 bezieht, hat sich das Land Niedersachsen entschieden, das Projekt noch in diesem Jahr für eine Förderung im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 614/ 2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Finanzierungsinstrument für die Umwelt, LIFE+, bei der Europäischen Kommission einzureichen. Diese Entscheidung wird von der Bundesregierung respektiert. Zu Frage 43: Im Rahmen des Programms "Chance.Natur" hat die Bundesregierung in den Jahren 2007 bis 2009 zu den Schwerpunktthemen "Wälder", "Moore" und "Urbane/ Industrielle Landschaften" den Bundeswettbewerb "Idee.Natur" durchgeführt. Neben den fünf im Jahr 2009 in das Förderprogramm aufgenommenen Gewinnerprojekten, darunter ein Moorschutzprojekt, hat der Bundeswettbewerb ergeben, dass eine Reihe naturschutzfachlich hochwertiger Moorprojekte existiert, die in den Regionen besonders unterstützt wird, bereits mit einer den Förderrichtlinien entsprechenden Förderstruktur untersetzt ist und dem Schutz des nationalen Naturerbes Rechnung trägt. Von diesen Projekten sollen in den nächsten Jahren weitere Projekte in das Förderprogramm "Chance.Natur" aufgenommen werden. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 44): Inwieweit plant die Bundesregierung, den Brandschutz auf dem Gelände der Kyritz-Ruppiner Heide nach dem Abzug der Bundeswehr abzusichern, und inwieweit wird sie dafür die Kenntnisse und Kompetenzen der bisher zuständigen Berufsfeuerwehr der Bundeswehr zur Verfügung stellen? Die Bundesregierung ist sich der besonderen Situation hinsichtlich des Brandschutzes auf dem Truppenübungsplatz Wittstock bewusst. Die Bundesanstalt hat deshalb im Vorgriff auf die bevorstehende Übertragung des Eigentums weit reichende Maßnahmen des vorbeugenden (Wald-)Brandschutzes in die Wege geleitet, insbesondere gehören dazu das Legen von Brandschutzschneisen und die Unterhaltung von Löschwasserzisternen. Alle Planungen und Maßnahmen werden in einem von der Bundesanstalt eingerichteten Arbeitskreis eng mit den für die Gefahrenabwehr zuständigen Dienststellen des Landes und der Kommunen abgestimmt. Die Bundeswehr hat ergänzend angeboten, durch intensiven Erfahrungsaustausch die liegenschaftsspezifischen Erfahrungen des vor Ort tätigen Bundeswehrpersonals bei der Erstellung eines schlüssigen Brandschutzkonzeptes einzubringen. Auch nach dem Abzug der Truppenübungsplatzfeuerwehr können die Streitkräfte im Wege der zivilmilitärischen Zusammenarbeit Amtshilfe im abwehrenden Brandschutz leisten. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 45): Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, damit das neue Zulassungsverfahren wie geplant zum Wintersemester 2011/2012 in der Vollversion starten kann, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Erkenntnissen/Ergebnissen des Softwaretests - Quality Gates - vom 8. April 2011? Die Entwicklung des Dialogorientierten Serviceverfahrens erfolgt im Auftrag und in der Verantwortung der von den Ländern im Zusammenwirken mit den Hochschulen getragenen Stiftung für Hochschulzulassung, SfH. Gemäß dem in der Sitzung des Stiftungsrats SfH am 14. März 2011 beschlossenen neuen Zeitplan mit zwei Quality Gates - 8. April 2011 und 28. April 2011 - hat das Projektmanagement der SfH gemeinsam mit den Fachberatern und den Vorsitzenden des Stiftungsrats am 8. April 2011 eine Bewertung des Projektfortschritts im Dialogorientierten Serviceverfahren vorgenommen (Quality Gate 1). Auf Basis der Bewertungsergebnisse sind die Vorsitzenden des Stiftungsrats zu dem Ergebnis gekommen, dass aus Gesamtprojektsicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Inbetriebnahme des Dialogorientierten Serviceverfahrens - "Go-live" - für die Zulassungsverfahren zum Wintersemester 2011/12 aus Gründen der Verfahrenssicherheit nicht empfohlen werden kann, da - obwohl die technischen Voraussetzungen zum April 2011 im Wesentlichen geschaffen werden konnten - eine rechtzeitige und stabile Anbindung der Hochschulen für das Wintersemester 2011/12 nicht mehr als realisierbar angesehen werden kann. Sie haben deshalb dem Stiftungsrat vorgeschlagen, zu beschließen, die Arbeiten und insbesondere die Tests sowie die Anbindung der Hochschulen an das Dialogorientierte Serviceverfahren weiterzuführen, aber den Start zu verschieben. Ferner soll die Vorbereitungsgruppe des Stiftungsrats beauftragt werden, in ihrer nächsten Sitzung die weiteren Schritte zu beraten und dem Stiftungsrat einen Aktionsplan vorzulegen, wie das System in vollem Funktionsumfang und Service für Bewerberinnen und Bewerber sowie Hochschulen eingesetzt werden kann. Der Stiftungsrat hat diesem Vorschlag am 12. April 2011 im Umlaufverfahren zugestimmt. Die Bundesregierung unterstreicht, dass die Zuverlässigkeit des Systems für Bewerberinnen und Bewerber sowie Hochschulen erste Priorität hat. Sie betont, dass die Entwicklung der neuen Software fast abgeschlossen ist und bedauert, dass es bislang nicht ausreichend gelungen ist, den Datenaustausch mit bestehenden Campussystemen verfahrenssicher zu gestalten. Hier muss die Devise gelten: Qualität geht vor Schnelligkeit. Die Bundesregierung erwartet jetzt von der Stiftung für Hochschulzulassung, dass sie zügig einen neuen, die aktuelle Situation berücksichtigenden, konkreten Plan zur Realisierung des Dialogorientierten Serviceverfahrens vorstellt, damit das System baldmöglichst an den Start geht. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage der Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) (Drucksache 17/5421, Frage 46): Sieht die Bundesregierung bei der Nanotechnologie einen Nachholbedarf bei der Erforschung von toxikologischen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, und wie hoch sind die derzeit eingeplanten Mittel für die Toxikologieforschung in der Anwendung von Nanopartikeln im Bereich des Bundesinstituts für Risikobewertung? Forschungsaktivitäten zu Risiken der Nanotechnologie für Gesundheit und Umwelt werden national und auf EU-Ebene seit mehr als zehn Jahren gefördert. Die Bundesregierung unterstützt im Rahmen der BMBF-Aktivitäten solche Arbeiten als einen integralen Bestandteil der Fachprogramme. Risiken werden parallel zu den Anwendungen der Nanotechnologie erforscht. Aktuell fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, im Rahmen von zwei Aktivitäten Arbeiten zu Auswirkungen von Nanomaterialien auf Mensch und Umwelt: "NanoNature: Nanotechnologien für den Umweltschutz - Nutzen und Auswirkungen" sowie "NanoCare - Auswirkungen von synthetischen Nanomaterialien und -partikeln auf die Gesundheit". Auch in Fördermaßnahmen wie "NanoTextil - Nanotechnologie für textile Anwendungen" und "Nanotecture - Nanotechnologie im Bauwesen" werden Auswirkungen des Nanotechnologieeinsatzes erforscht. Darüber hinaus ist in der Innovationsallianz "Kohlenstoffnanoröhren: CNT-Materialien erobern Märkte" ein umfangreiches Arbeitspaket zur Risikoforschung enthalten. Zudem werden aus dem Umweltforschungsplan 2009 und 2010 des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, Vorhaben finanziert, die sich mit der grundlegenden Erforschung der möglichen Umweltrisiken von Nanomaterialien befassen. Die Ergebnisse dieser Arbeiten gehen unter anderem in das internationale Testprogramm zur Sicherheitsforschung von Nanomaterialen der OECD ein - "Sponsorship Programm" der "OECD Working Party of Manufactured Nanomaterials". Über die Projektförderung hinaus werden im Rahmen der institutionellen Förderung Forschungsarbeiten zu Auswirkungen von Nanomaterialien an Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft und der Leibnitz-Gemeinschaft durchgeführt. Fragen der verbraucher-, umwelt- und gesundheitsschutzorientierten Begleitforschung zur Nanotechnologie bearbeiten zudem das Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR, die Bundesforschungsanstalten, das Umweltbundesamt, UBA, sowie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, BAuA. Unter Federführung der BAuA arbeiten die Bundesoberbehörden an der Auswertung und Weiterführung der gemeinsamen Forschungsstrategie zur Sicherheitsforschung von Nanomaterialen aus dem Jahre 2007. Im Haushalt des BfR sind Mittel für Forschung zum Nachweis und zur Wirkung potenziell toxischer Substanzen in Bedarfsgegenständen und Untersuchungen von toxikokinetischen und mechanistisch toxikologischen Aspekten als Basis für Risikobewertungen in Höhe von 160 000 Euro in 2011 eingeplant. Darüber hinaus ist das BfR in Drittmittelprojekte involviert, in denen die Wirkungen von Nanopartikeln untersucht werden. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/5421, Frage 47): Gibt es Pläne vonseiten der Bundesregierung zur Fortführung der Innovationsallianz "Lithium Ionen Batterie LIB 2015" über das Jahr 2011 hinaus, und kann die Bundesregierung bestätigen, dass das Industriekonsortium von BASF, Bosch, Evonik, Li-Tec und VW seiner Verpflichtung nachgekommen ist und 360 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung an der Lithium-Ionen-Batterie investiert hat? Mit der im Jahr 2007 gestarteten Innovationsallianz LIB 2015 hat das BMBF bereits zwei Jahre vor der Verabschiedung des Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität durch das Bundeskabinett seine Förderung strategisch auf die Batterieentwicklung ausgerichtet und auch im Rahmen des Konjunkturpakets II durch die Einrichtung von Kompetenzzentren für Elektrochemie diesen Ansatz weiter ausgebaut. Weitere Aktivitäten zur Batterieentwicklung sind dringend geboten und werden auf Basis der Vorschläge der Nationalen Plattform Elektromobilität gefördert. Diese Aktivitäten bauen auf den Ergebnissen von LIB 2015 auf. Die beteiligten Unternehmen der Innovationsallianz LIB 2015 haben bereits erheblich am Standort Deutschland investiert und werden ihre Verpflichtung zu Investitionen in Höhe von 360 Millionen Euro bis zum Jahr 2015 deutlich überschreiten. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/5421, Frage 48): Welche Pläne zur Fortführung der Pharma-Initiative für Deutschland verfolgt das Bundesministerium für Bildung und Forschung? Um dem Biotechnologie- und Pharmastandort Deutschland neue Impulse zu geben, hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, 2007 die Pharma-Initiative für Deutschland gestartet. Im Fokus steht, Lücken im Innovationsprozess der Pharmaforschung zu schließen und die Erforschung und Entwicklung von neuen Medikamenten in Deutschland zu stärken. Hierbei sollen auch Strategien zur Produktion und späteren Markteinführung frühzeitig ins Visier genommen werden. Diese Ziele werden auch im Rahmen des am 8. Dezember 2010 verabschiedeten "Rahmenprogramms Gesundheitsforschung", mit dem die Bundesregierung die Gesundheitsforschung neu ausrichtet, weiter verfolgt. Insbesondere in den Aktionsfeldern 2, Individualisierte Medizin, und 5, Gesundheitswirtschaft, wird die Forschung und Entwicklung von Diagnostika und Therapeutika unterstützt und in der Förderung der Bogen entlang des Innovationsprozesses von der lebenswissenschaftlichen Grundlagenforschung über die präklinische und klinisch-patientenorientierte Forschung bis zur Marktreife gespannt. Der Übergang von einer Stufe des Innovationsprozesses zur nächsten wird erleichtert. Dazu werden insbesondere neue Wege des Wissens- und Technologietransfers erprobt und rechtliche Rahmenbedingungen weiterhin forschungs- und innovationsfreundlich gestaltet. Konkrete Förderbekanntmachungen befinden sich in der Vorbereitung. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/5421, Frage 49): In welchem Umfang wurden bzw. waren seit der Föderalismusreform für Forschungsbauten an Hochschulen (Kapitel 30 03 Titel 882 01 "Überregionale Forschungsförderung im Hochschulbereich") Projekte zur Begutachtung angemeldet, Mittel ausgezahlt, Mittel nicht abgerufen - alle drei Angaben bitte tabellarisch jeweils in Jahresangaben -, insgesamt an Geldern in den Bundeshaushalt eingestellt, insgesamt an Förderung verausgabt, zum 1. Januar 2011 als Ausgabenrest noch verfügbar bzw. zwischenzeitlich verfallen - alle vier Angaben bitte summarisch über den Gesamtzeitraum -, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung im Hinblick auf einen Mittelabfluss von lediglich 59 Prozent in 2010 und nicht verausgabten Bundesmitteln von über 121 Millionen Euro im gleichen Jahr für das Antrags- und Bewilligungsverfahren und die Abstimmung mit den Bundesländern sowie mögliche Initiativen im Rahmen der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, GWK? - Angemeldete Projekte zur Begutachtung Beim Wissenschaftsrat wurden für das zweistufige Begutachtungsverfahren insgesamt 153 Skizzen eingereicht. Förderrunde 2007 14 Förderrunde 2008 27 Förderrunde 2009 55 Förderrunde 2010 35 Förderrunde 2011 22 Gesamt 153 Für die Förderrunde 2012 wurden 31 Skizzen zur Begutachtung eingereicht. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. - Ausgezahlte Mittel Die Länder haben im Zeitraum 2007 bis 2010 Mittel in Höhe von rund 697,1 Millionen Euro für die Forschungsbauten an Hochschulen abgerufen. Nach Jahren getrennt ergeben sich folgende Beträge: Forschungsbauten und Überleitungsvorhaben Haushaltsjahr 2007 219 775 000 Haushaltsjahr 2008 206 722 445 Haushaltsjahr 2009 178 805 117 Haushaltsjahr 2010 91 769 784 Gesamt 697 072 346 - Nicht abgerufene Mittel Von den Ländern wurden insgesamt rund 154,9 Millionen Euro nicht abgerufen. Auf die Jahre verteilt ergeben sich folgende Beträge: Haushaltsjahr 2007 6 775 000 Haushaltsjahr 2008 -6 277 555 Haushaltsjahr 2009 -34 194 883 Haushaltsjahr 2010 -121 230 216 Gesamt -154 927 654 - Mittel im Bundeshaushalt bis 2010 Für Forschungsbauten an Hochschulen standen im Bundeshaushalt in den Jahren 2007 bis 2010 852,0 Millionen Euro zur Verfügung. - Verausgabte Mittel bis 2010 Für die Forschungsbauten wurden bis 2010 rund 697,1 Millionen Euro verausgabt. - Verfügbare Ausgabereste zum 1. Januar 2011 Von den nicht verausgabten Mitteln wurden Ausgabereste in Höhe von rund 81,1 Millionen Euro gebildet. - bzw. verfallene Mittel Rund 73,9 Millionen sind in den Bundeshaushalt zurückgeflossen. Aus Sicht der Bundesregierung besteht keine Notwendigkeit, von dem wissenschaftsgeleiteten und qualitätsgesteuertem Begutachtungsverfahren durch den Wissenschaftsrat abzurücken. Das Verfahren zwischen Bund und den Ländern ist in der Ausführungsvereinbarung Forschungsbauten an Hochschulen einschließlich Großgeräten, AV-FuG, geregelt. Bund und Länder werden gemäß § 11 AV-FuG die Ausgestaltung der Gemeinschaftsaufgabe evaluieren. Die Ergebnisse der Evaluierung sollen der GWK bis Mitte 2012 vorliegen. Nach den aktuellen Meldungen der Länder und den erwarteten Neuaufnahmen in die Förderung durch die GWK wird im Jahr 2012 mit einem deutlich höheren Mittelabfluss zu rechnen sein. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/5421, Frage 50): Wie ist der aktuelle Stand des Ausschreibungsverfahrens des Nachfolgebaus des Forschungsschiffes "Sonne" gegebenenfalls unter Angabe des Zuschlagnehmers, der Zuschlagssumme - in Jahrestranchen - sowie der Beteiligung der Küstenländer, für das bereits im Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2009 15 Millionen Euro veranschlagt waren, und wie sieht die weitere Forschungsschiffstrategie der Bundesregierung insbesondere im Hinblick auf Zeitplanung und in der mittelfristigen Finanzplanung eingestellte Mittel aus? Das europaweite Ausschreibungsverfahren zum "Sonne"-Nachfolgebau wurde im Dezember 2008 mit einem europaweiten Teilnahmewettbewerb eingeleitet. Die gemeinsame Finanzierung der geschätzten Baukosten des neuen Tiefseeforschungsschiffes ist vertraglich mit den fünf Küstenländern in der Bund-Länder-Vereinbarung vom 18. Dezember 2008 geregelt. Dementsprechend wurden die Mittel des Bundes und der Küstenländer im Einzelplan 30 sowie der mittelfristigen Finanzplanung eingestellt. Einzelheiten zum noch laufenden Ausschreibungsverfahren wie zum Beispiel zum Zuschlagsnehmer oder der Zuschlagssumme dürfen aufgrund der rechtlich vorgeschriebenen Vertraulichkeit derzeit nicht öffentlich bekannt gemacht werden. Die Bundesregierung erwartet die Zuschlagserteilung für Mitte des Jahres. Danach erfolgt die Unterrichtung des Parlamentes und der Öffentlichkeit. Zur Gesamtschiffstrategie für die deutsche Forschungsflotte hat der Wissenschaftsrat die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung erbetenen Empfehlungen im vergangenen November abgegeben. Diese Empfehlungen werden derzeit mit den Küstenländern und den beteiligten wissenschaftlichen Einrichtungen analysiert und bewertet. Ich gehe davon aus, dass die darauf basierende Gesamtschiffstrategie des Bundesministerium für Bildung und Forschung einschließlich der notwendigen Finanzplanung ebenfalls Mitte diesen Jahres fertiggestellt sein wird. Anlage 38 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Gudrun Kopp auf die Fragen des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Fragen 51 und 52): Welche kurzfristigen und langfristigen Maßnahmen plant die Bundesregierung im Bereich der entwicklungsorientierten Not- und Übergangshilfe sowie in der Entwicklungszusammenarbeit mit der Elfenbeinküste? Inwiefern und in welchem finanziellen und technischen Umfang plant die Bundesregierung, die Anrainerstaaten, die durch die Flüchtlingsströme aus der Elfenbeinküste betroffen sind, zu unterstützen? Zu Frage 51: Die Bundesregierung beobachtet die aktuelle Entwicklung in der Elfenbeinküste intensiv. Nach übereinstimmenden Berichten von Vereinten Nationen und lokalen Organisationen sind landesweit viele Hunderttausend Menschen intern auf der Flucht vor den anhaltenden gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen den Anhängern der beiden Präsidenten. Viele Menschen versuchen zudem, sich in das benachbarte Ausland zu retten. Mehr als 130 000 Ivorer sind in den vergangenen Wochen allein nach Liberia geflohen. Das BMZ wird das Welternährungsprogramm in der Elfenbeinküste kurzfristig bei der Versorgung der intern Vertriebenen mit Nahrungsmitteln unterstützen und hat dafür 500 000 Euro bereitgestellt. Aktuell werden zudem mit Zustimmung der Bundesregierung Nahrungsmittel aus Burkina Faso zur Unterstützung der intern Vertriebenen in die Elfenbeinküste verbracht, um den kurzfristigen Bedarf zu decken. Mittelfristige Maßnahmen der entwicklungsorientierten Not- und Übergangshilfe sowie Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit sind vor dem Hintergrund der aktuellen Situation derzeit nicht geplant Zu Frage Nr. 52: Die Bundesregierung hat im vergangenen Dezember einer vorübergehenden Umwidmung von Mitteln des Welternährungsprogramms (WEP) in Liberia in Höhe von 240 000 Euro zugestimmt. Darüber hinaus wird die Bundesregierung das WEP in Liberia bei der Versorgung von Flüchtlingen aus der Elfenbeinküste mit einem Betrag von 500 000 Euro unterstützen. Im Rahmen der humanitären Soforthilfe steht die Bundesregierung seit Beginn der Krise in engem Kontakt mit internationalen und nationalen Hilfsorganisationen. Für die Flüchtlinge in den Nachbarstaaten der Elfenbeinküste hat sie in mehreren Schritten bislang 1,25 Millionen Euro für Maßnahmen der Notversorgung bereitgestellt. Diese Maßnahmen werden vom Flüchtlingshilfswerk UNHCR sowie einer deutschen NRO überwiegend in Liberia, zum kleineren Teil in Mali umgesetzt. Die Bundesregierung beobachtet die Flüchtlingsströme in den Anrainerstaaten fortlaufend und schließt nicht aus, dass weitere humanitäre Bedarfe durch die internationale Gemeinschaft gedeckt werden müssen. Anlage 39 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache 17/5421, Frage 53): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Vergabemittel und Verwendung von Unterstützungsleistungen der Europäischen Union an die Regierung Alassane Outtara in Côte d'Ivoire und die parallel zur militärischen Eskalation in Côte d'Ivoire zusätzlich für "administrative Aufgaben" bereitgestellte 1 Million Euro durch den Europäischen Auswärtigen Dienst aus dem Instrument für Stabilität an die Regierung Alassane Outtara? Die Krise in der Republik Côte d'Ivoire ist seit Bekanntgabe der Ergebnisse der Präsidentenstichwahl Anfang Dezember 2010, die schon mit zunehmender Gewalt und Menschenrechtsverletzungen einhergegangen war, weiter eskaliert. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission im Rahmen der Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, den Konflikt mit friedlichen Mitteln zu lösen, im März 2011 beschlossen, eine Zuwendung aus dem Stabilitätsinstrument der Kommission von bis zu 1 Millionen Euro an die Regierung von Präsident Ouattara in die Planung aufzunehmen. Diese Mittel sollten der Verwaltung der Regierung Ouattara zur Verfügung gestellt werden und unter anderem die Bereiche Justiz und Menschenrechte, Außenbeziehungen und Wirtschaft und Finanzen logistisch, finanziell und personell unterstützen. Anlage 40 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Erika Steinbach (CDU/CSU) (Drucksache 17/5421, Frage 54): Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über ehemalige Angehörige der Nationalen Volksarmee der DDR bzw. andere "Bewaffnete Organe der DDR", die sich weltweit als Söldner verdungen haben? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis, ob ehemalige Angehörige der Nationalen Volksarmee der DDR bzw. anderer "Bewaffneter Organe der DDR" in anderen Staaten als Söldner angeworben worden sind. Anlage 41 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 55): Was ist der Bundesregierung bekannt über die Auswahlkriterien und konkrete Anzahl der Personen, die seit Anfang 2010 im unter deutscher Verantwortung stehenden ISAF-Kommandobereich Nord in Afghanistan durch US-amerikanische Drohnen oder sogenannte Kill-Teams aus einer der infrage kommenden Ziellisten gezielt getötet worden sind, und kann die Bundesregierung ausschließen, dass die seither zugenommenen dortigen Anschläge, die den Aufständischen zugeschrieben werden, mit zahlreichen - auch deutschen - Verletzten und Getöteten Reaktionen auf diese US-amerikanischen Tötungspraktiken darstellen? Zunächst folgende Klarstellung: Es gibt keine Verbindung zwischen den gemäß Völkerrecht sowie Operationsplan und Einsatzregeln der NATO ausgeführten Gefechtshandlungen von ISAF-Kräften bzw. unter nationalem Kommando stehenden Kräften einerseits und den kriminellen Aktivitäten einzelner US-Soldaten des sogenannten Kill-Teams andererseits. Den Mitgliedern dieses "Kill-Teams" wurde oder wird wegen ihrer Verbrechen der Prozess gemacht. Die US-Armee hat sich dafür entschuldigt. Die Morde des "Kill-Teams" stehen in keinem Zusammenhang mit der Operation von ISAF. Nun zu Ihrer Frage: Unter nationaler Führung der USA eingesetzte Streitkräfte gehen gemeinsam mit afghanischen Sicherheitskräften seit 2009 zur Unterstützung im ISAF-Regionalkommando Nord gegen die regierungsfeindlichen Kräfte vor. Nach Angaben der USA sind bei diesen Operationen mehrere Personen, die auch auf der sogenannten Joint Prioritized Effects List, JPEL, der ISAF aufgeführt waren, getötet worden. Die Bundesregierung hat weder Kenntnis über eine gezielte Tötungsabsicht im konkreten Einzelfall noch über die möglicherweise ursächlich dafür zugrunde gelegten Auswahlkriterien. Ihre Annahme, dass die "Anschläge" im Regionalkommando Nord seit Anfang 2010 zugenommen hätten, ist in dieser pauschalen Form nicht zutreffend. Die im Verlauf des Jahres 2010 angestiegene Zahl der sogenannten sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Norden Afghanistans steht nach den vorliegenden Erkenntnissen zudem in keinem direkten Zusammenhang mit dem Vorgehen der US-Streitkräfte. Vielmehr hat vor allem der zahlenmäßige Aufwuchs und das insgesamt erhöhte Operationstempo der afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte im Einsatzgebiet sowie ihr Vordringen in die bisherigen Rückzugsräume der regierungsfeindlichen Kräfte den Anstieg der Sicherheitsvorfälle verursacht. Die Sicherheitslage im Einsatzgebiet wird durch ein komplexes Beziehungsgeflecht unterschiedlicher Faktoren bestimmt. Die Absicht der regierungsfeindlichen Kräfte, Stabilität und Wiederaufbau zu verhindern und darüber hinaus die örtlich jeweils vorherrschende soziale und wirtschaftliche Situation der Bevölkerung spielen dabei die wichtigste Rolle. In den Gebieten, in denen unter anderem mit gezielten Zugriffen auf regierungsfeindliche Kräfte die staatliche Kontrolle durch die afghanischen Sicherheitskräfte wiederhergestellt wurde, ist im ersten Quartal 2011 sogar erstmals eine leicht verbesserte Sicherheitslage zu konstatieren: Stabilisierungs- und Entwicklungsprojekte können wieder ausgeführt werden. Dies führt in vielen Fällen zu einer deutlich verbesserten Gesundheits- und sanitären Versorgung der Menschen, zum Beispiel im südlichen Chahar Darah. Schließlich möchte ich auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage Ihrer Fraktion zum Thema "Informationspolitik zum Afghanistan-Einsatz" (Bundestagsdrucksache 17/2884) hinweisen. Das komplexe Zielauswahlverfahren von ISAF und die Haltung der Bundesregierung dazu sind dort ausführlich dargelegt. Anlage 42 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 56): Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung davon abgesehen, anlässlich des Mordes an sieben UN-Mitarbeitern am 1. April 2011 in der afghanischen Stadt Masar-i-Scharif ein Kondolenzschreiben an die UN zu verfassen? Der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, Botschafter Michael Steiner, hat den Vereinten Nationen umgehend persönlich, sowohl mündlich als auch schriftlich, kondoliert. Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, hat noch am Tag der Ereignisse in einer Presseerklärung dem VN-Generalsekretär im Namen der Bundesregierung seine Anteilnahme ausgesprochen. Deutschland hat als für die Behandlung des Afghanistan-Dossiers federführendes Land im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bereits unmittelbar nach Bekanntwerden des Angriffes am 1. April 2011 eine Sondersitzung des VN-Sicherheitsrates einberufen. Auf ihr beschloss der Sicherheitsrat eine auf deutsche Initiative entstandene Erklärung, in der das Mitgefühl des Sicherheitsrates und seiner Mitglieder zum Ausdruck gebracht wurde und der Anschlag mit klaren Worten verurteilt wurde. Der Ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen in New York, Botschafter Dr. Peter Wittig, kondolierte dem Generalsekretär der Vereinten Nationen mit Schreiben vom 4. April 2011. Anlage 43 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 57): Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sich durch die Enthaltung Deutschlands in der Abstimmung zur UN-Sicherheitsratsresolution 1973 (2011) zu Libyen die Chancen Deutschlands für die Wahl in den UN-Menschenrechtsrat verschlechtert haben, und inwieweit hat die Einschätzung der internationalen politischen Folgen des Abstimmungsverhaltens Deutschlands zur genannten Resolution im UN-Sicherheitsrat die Bundesregierung bewogen, erst 2012 - und nicht wie geplant 2011 - für eine Mitgliedschaft im UN-Menschenrechtsrat zu kandidieren? Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, dass sich die Chancen Deutschlands für die Wahl in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen aufgrund der Enthaltung Deutschlands in der Abstimmung zur VN-Sicherheitsratsresolution 1973 verschlechtert haben. Die Bundesregierung hat sich bereits zu Beginn ihrer ersten Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat dazu entschlossen, danach für die Wahlperiode 2012 bis 2015 zu kandidieren. Sie hat die Kandidatur im April 2007 in New York bekannt gemacht und seitdem aktiv für ihre erneute Wahl im Mai 2012 geworben. Es hat insofern keine Verschiebung der Kandidatur stattgefunden. Anlage 44 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 58): Inwiefern meint die Bundesregierung, ihrer sich aus § 5 EUZBBG ergebenden Informationspflicht gegenüber dem Deutschen Bundestag in Bezug auf ihre Zustimmung zum Beschluss des Europäischen Rates am 1. April 2011, die Militäroperation EUFOR Libya einzusetzen, nachgekommen zu sein, und wie begleitet Deutschland in der Funktion als Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen die Beratungen über Libyen im Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, OCHA, auf dessen konkrete Anfrage hin der EU-Ratsbeschluss zu EUFOR Libya umgesetzt werden soll? Der Ratsbeschluss vom 1. April 2011 ist nicht gleichzusetzen mit der Entscheidung, eine Operation zu beginnen. Vielmehr stellte er eine notwendige Maßnahme dar, um die Planungen der EU weiter fortsetzen zu können. Ein endgültiger Beschluss über einen EU-Einsatz setzt voraus, dass OCHA eine entsprechende Anfrage an die EU richtet. Der Deutsche Bundestag wird bei zu mandatierenden GSVP-Operationen regelmäßig auf Basis eines vorliegenden Operationsplans und seiner Anhänge, insbesondere der Einsatzregeln, befasst. Ein solcher Operationsplan existiert noch nicht. Die Unterrichtung der Bundesregierung über den Ratsbeschluss zu EUFOR Libyen erfolgte gemäß § 8 EUZBBG. Der entsprechende Rechtsakt wurde dem Bundestag im Rahmen des etablierten Verfahrens, als Nachmeldung zur Indikativen Vorschau auf anstehende GASP-Rechtsakte, am 5. April 2011 über das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zugeleitet. In der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages am 6. April 2011 informierte zudem der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Dr. Wolf-Ruthart Born, den Ausschuss zu diesem Thema im Rahmen einer mündlichen Unterrichtung. Das Auswärtige Amt steht in regelmäßigem Kontakt mit dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen, OCHA, um sich über die Bewertung der humanitären Lage in Libyen auszutauschen. Dabei legt es großen Wert auf die unabhängige, an humanitären Kriterien ausgerichtete Einschätzung von OCHA. Anlage 45 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/5421, Fragen 59 und 60): Mit welchen Kapazitäten und in welcher Form planen die Bundesregierung und andere EU-Mitgliedstaaten, sich an der Militärmission EUFOR Libya - EU-Battlegroup oder Teilfähigkeiten - zu beteiligen, und welche Vorbereitungen hierzu wurden bereits getroffen? Ist bei der geplanten Militärmission EUFOR Libya nach dem gegenwärtig vorliegenden Krisenmanagementkonzept, CMC, wie insbesondere von Malta gefordert, eine Zusammenarbeit mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex vorgesehen, und kann die Bundesregierung ausschließen, dass eine solche Zusammenarbeit stattfinden wird? Zu Frage 59: Die Planungen der EU für eine mögliche Operation EUFOR Libya haben erst begonnen. Da derzeit keine konkrete Anforderung des Amtes für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen, OCHA, vorliegt, kann auch keine detaillierte Planung der EU, insbesondere bezüglich möglicherweise benötigter Kapazitäten erfolgen. Zu Frage 60: Das Krisenmanagementkonzept enthält keinerlei Bezug zur EU-Grenzschutzagentur Frontex. Laut Ratsbeschluss vom 1. April 2011 soll die Operation EUFOR Libya, wenn es zu Anfrage durch OCHA kommt, vielmehr folgende mögliche Aufgaben haben: Beitrag zum sicheren Transport und zur Evakuierung von Staatsangehörigen dritter Staaten leisten und humanitäre Hilfsorganisationen bei ihrer Arbeit durch die Bereitstellung von spezifischen militärischen Fähigkeiten unterstützen. Anlage 46 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 61): Wie bewertet die Bundesregierung die Weigerung der Volksrepublik China, dem für die Delegation des Bundesministers des Auswärtigen auf dessen vergangener Chinareise als Begleiter vorgesehenen Tilman Spengler die Erteilung eines Visums zu verweigern, und welche Konsequenzen zieht sie daraus für ihre künftige Planung von Delegationen? Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, hat Dr. Spengler wegen seines großen Beitrags für die Vorbereitung der Ausstellung "Kunst der Aufklärung" und des begleitenden Dialogprogramms zur Mitreise eingeladen. Trotz hochrangiger Intervention des Bundespräsidenten und der Bundesregierung hat China das Einreisevisum für Dr. Spengler abgelehnt, weil dieser sich für den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo engagiert hatte. Die Bundesregierung hat dieses Vorgehen bedauert und hätte in dieser Frage von der chinesischen Regierung eine gelassenere Reaktion erwartet. Wir hoffen, dass Dr. Spengler weiterhin sein wertvolles Engagement für die deutsch-chinesischen Beziehungen fortsetzen kann. Auf die künftige Zusammensetzung der Delegationen des Bundesministers haben solche Vorgänge grundsätzlich keinen Einfluss. Anlage 47 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 62): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Festnahme des chinesischen Künstlers Ai Weiwei unter dem zwischenzeitlichen Vorwurf der Wirtschaftsverbrechen unmittelbar nach der Eröffnung der Ausstellung "Die Kunst der Aufklärung" durch den Bundesminister des Auswärtigen für ihre weitere Chinapolitik, und welche Ergebnisse erbrachten die in dem Gespräch mit dem einberufenen Botschafter der Volksrepublik China vorgetragenen Forderungen unter anderem nach der umgehenden Freilassung Ai Weiweis (vergleiche Mitteilung auf der Homepage des Auswärtigen Amts vom 6. April 2011: www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/ Laender/Aktuelle_Artikel/China/110406-AiWeiwei-node.html- Stand 7. April 2011)? Die Bundesregierung ist in großer Sorge über die Festnahme des chinesischen Künstlers Ai Weiwei. Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, hat gegenüber der chinesischen Regierung die klare Erwartung geäußert, dass Ai Weiwei umgehend freigelassen wird, und um Aufklärung gebeten. Der Botschafter der Volksrepublik China in der Bundesrepublik Deutschland wurde am 6. April 2011 zu einem Gespräch in das Auswärtige Amt gebeten, bei dem ihm diese Haltung der Bundesregierung deutlich vermittelt wurde. Auch der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in China, Michael Schaefer, hat gegenüber der chinesischen Vizeaußenministerin Fu Ying mit klaren Worten gegen die Festnahme Ai Weiweis protestiert. Anlage 48 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Fra-gen 63 und 64): Sieht die Bundesregierung in den Ereignissen rund um die Eröffnung der Ausstellung "Die Kunst der Aufklärung" durch den Bundesminister des Auswärtigen - Verweigerung der Einreise Tilman Spenglers und Verhaftung Ai Weiweis direkt im Anschluss - einen Anlass, ihre Strategie für künftige Menschenrechtsdialoge, Rechtsstaatsdialoge oder die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen zu ändern und, wenn ja, auf welche Weise? Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die chinesische Seite in diesem Rahmen nicht in überproportionaler Weise Tagesordnungspunkte und Diskussionsthemen setzt sowie Teilnehmerlisten bestimmt, und ist sie der Auffassung, dass ihr dies im genannten Fall gelungen ist? Zu Frage 63: Die Bundesregierung hat sowohl gegen die Visaverweigerung für den Sinologen Dr. Tilman Spengler, als auch gegen die Verhaftung des Künstlers Ai Weiwei hochrangig und massiv protestiert. Die Bundesregierung setzt sich seit Jahren gegen die andauernden Menschenrechtsverletzungen in China ein. Der Menschenrechtsdialog dient gerade auch dazu, der chinesischen Regierung die Positionen der Bundesregierung zu Meinungs- und Gewissensfreiheit zu verdeutlichen. Im Rechtsstaatsdialog haben wir erfolgreich dazu beitragen können, Schritt für Schritt rechtsstaatliche Elemente in China zu verstärken. Wir stellen diese wichtigen Instrumente daher auch jetzt nicht infrage. Die Bundesregierung plant, im Sommer bei den ersten Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen über das ganze Spektrum der Beziehungen zu sprechen. China ist einer der weltweit wichtigsten, aber auch der schwierigsten Akteure in Politik und Wirtschaft. Wir sind weiterhin an einer Vertiefung der Zusammenarbeit interessiert, werden dabei aber auch die Fragen der politischen Freiheitsrechte weiterhin nicht ausklammern. Zu Frage 64: Bisher war es immer möglich, mit der chinesischen Seite für die Dialoge Themen zu vereinbaren, die den Interessen beider Seiten gerecht wurden. Dialoge funktionieren grundsätzlich nur, wenn beide Seiten die Themen und die Teilnehmer akzeptieren. China verweigert seit Jahren die Teilnahme von Nichtregierungsorganisationen an Veranstaltungen des Menschenrechtsdialogs und lehnt regelmäßig Visa für kritische Wissenschaftler und Intellektuelle ab. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, dass es trotzdem richtig ist, diese Dialoge fortzusetzen und weiterhin alle Möglichkeiten auszuschöpfen, mit China auch auf hoher Ebene gerade über diese Probleme zu reden. Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, hat bei seinem Besuch in China Fragen der Meinungs- und der Pressefreiheit mehrfach in aller Deutlichkeit angesprochen. Anlage 49 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 65): Wie schätzt die Bundesregierung die in der zwölften Kalenderwoche dieses Jahres bekannt gewordenen Aussagen einiger ihrer Mitarbeiter ein (vergleiche Roland Nelles und andere "Das Rätsel um den deutschen Iran-Deal", Spiegel Online vom 1. April 2011), dass die ursprünglich von der Bundesregierung und der Deutschen Bundesbank (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf Frage 83 des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, siehe Plenarprotokoll 17/101) erteilte Genehmigung für die Abwicklung der indischen Zahlungen für iranische Öllieferungen über die Deutsche Bundesbank und die von den USA sanktionierte Europäisch-Iranische Handelsbank (vergleiche Pressemitteilung TG-847 des US-Finanzministeriums vom 7. September 2010) eine Voraussetzung für die Freilassung der inhaftierten Reporter der Bild am Sonntag war, besonders angesichts des Umstandes, dass das langwierige Genehmigungsverfahren unmittelbar nach den Freilassungsverhandlungen abgeschlossen wurde? Die Bundesregierung hat sich seit Beginn der Inhaftierung der beiden BILD-Journalisten im Oktober 2010 auf allen Ebenen intensiv dafür eingesetzt, dass die beiden Deutschen so rasch wie möglich nach Hause zurückkehren können. Die in der Frage aufgegriffene Medienberichterstattung enthält Mutmaßungen, die von der Bundesregierung nicht kommentiert werden. Zahlungen von und an durch Iran kontrollierte Unternehmen werden gemäß den EU-Sanktionen gegenüber Iran sehr genau kontrolliert. Über deren Zulässigkeit wird nach Rechtslage entschieden. Zu einzelnen Zahlungen kann die Bundesregierung nicht Stellung nehmen. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Fragen der Abgeordneten Iris Gleicke (SPD) (Drucksache 17/5421, Fragen 66 und 67): Wie prüft das Bundesministerium des Innern vor einer Bewilligung von Zuwendungen, ob der Empfänger der Zuwendung in einem extremistischen Umfeld angesiedelt ist, und ist die Prüfung von Bewilligungen auch bei der "Schlesischen Jugend" geschehen? Wird das Bundesministerium des Innern auch vom Bund der Vertriebenen bei der Vergabe öffentlicher Mittel die Unterschrift einer wie der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für die Förderprogramme in Kraft gesetzten Extremismusklausel fordern, und, wenn ja, warum ist dies, vor allem im Hinblick auf die rechtsextremistische Unterwanderung der Mitgliedsorganisation des Bundes der Vertriebenen "Schlesische Jugend" bzw. "Schlesische Jugend Thüringen" bisher nicht erfolgt? Zu Frage 66: Im Rahmen der haushaltsrechtlichen Feststellung, ob die zu fördernde Maßnahme im erheblichen Interesse des Bundes liegt, wird grundsätzlich überprüft, ob der Empfänger der Zuwendung in einem extremistischen Umfeld angesiedelt ist oder sich in irgendeiner Weise gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigt. Liegen entsprechende Hinweise vor, wird von einer Zuwendung abgesehen oder eine Förderung wird eingestellt. Das BMI fördert die "Schlesische Jugend" weder unmittelbar noch im Wege der Projektförderung. Zu Frage 67: Im Geschäftsbereich des BMI wird bislang lediglich bei der Durchführung des Programms "Zusammenhalt durch Teilhabe" eine Erklärung zur Sicherung demokratischer Praxis bei der Projektdurchführung - sogenannte Demokratieerklärung oder Extremismusklausel - verwendet. Über die Unterzeichnung der Demokratieerklärung soll eine Sensibilisierung erreicht und die Verpflichtung der geförderten Träger gestärkt werden, eigene Verantwortung dafür zu übernehmen, dass extremistische Gruppierungen nicht von Bundesmitteln profitieren. Bei anderen Fördermaßnahmen kann im Rahmen der Erfordernisse der Bundeshaushaltsordnung die Eignung der Träger auch mit anderen Mitteln geprüft werden. Zur Landsmannschaft Schlesien liegen keine Hinweise für rechtsextremistische Bestrebungen vor. Im Hinblick auf ihre Jugendorganisation wurde die Landsmannschaft um eine Stellungnahme gebeten. Die daraus zu ziehenden Konsequenzen werden zuwendungsrechtlich geprüft. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN) (Drucksache 17/5421, Frage 68): Hält es die Bundesregierung, auch vor dem Hintergrund der Nuklearkatastrophe in Fukushima/Japan und der Neupositionierung der Bundeskanzlerin hinsichtlich der generellen Bewertung der Risiken der Nutzung der Atomtechnologie, nicht auch für erforderlich, bei den bestehenden Plänen für Nuklearkatastrophen, bei der Planung ihrer Koordinierungsverantwortung gemäß ihren Aufgaben sowie im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung beim Katastrophenschutz grundlegende Veränderungen anzuregen bzw. vorzunehmen, und, wenn ja, welche Veränderungen sind hier konkret in Planung? Die Frage der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung beim Katastrophenschutz ist in den letzten zehn Jahren wiederholt thematisiert worden, ohne dass es zu Grundgesetzänderungen gekommen ist. Nach Auffassung der Länder hat sich die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern bewährt. Überlegungen für eine grundlegende Änderung der Zuständigkeitsverteilung gibt es derzeit nicht. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN) (Drucksache 17/5421, Frage 69): Auf welche Weise wird die Bundesregierung auf der Tagung des Rates Justiz und Inneres der EU in der 15. Kalenderwoche ihrer Pflicht nachkommen, bezüglich der Verwendung von Fluggastdaten auf grundgesetzkonforme Rechtsakte hinzuwirken, und wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen über die entsprechende Richtlinie einen ausdrücklichen Verfassungsvorbehalt gegen die geplante anlasslose Speicherung, Verarbeitung und Rasterung von Fluggastdaten durch eine staatliche Zentralstelle einlegen? Anlässlich des Jl-Rates am 11./12. April 2011 wurde insbesondere auf der Grundlage eines Präsidentschaftspapiers der Vorschlag von Großbritannien diskutiert, ob eine Ausdehnung auf innereuropäische Flüge erfolgen soll. Deutschland sprach sich ebenso wie die Kommission, Slowenien, Luxemburg, die Niederlande und Griechenland gegen die Einbeziehung innergemeinschaftlicher Flüge aus. Die Diskussion zur Einführung eines EU-PNR-Systems konzentrierte sich auf die Frage der Einbeziehung innergemeinschaftlicher Flüge in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Nach derzeitigem Entwurfsstand soll über die Frage der Notwendigkeit und Praktikabilität der Einbeziehung innergemeinschaftlicher Flüge die Europäische Kommission dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament insgesamt vier Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie einen Bericht vorlegen. Eine überwiegende Zahl der Mitgliedstaaten plädierte dafür, die Richtlinie auszuweiten, um den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einzuräumen, auch bei innergemeinschaftlichen Flügen PNR-Daten anzufordern und zu sammeln. Einige Mitgliedstaaten erklärten darüber hinaus, dass das Endziel die Sammlung der Daten aller innergemeinschaftlichen Flüge sei. Der Bundesminister des Innern, Dr. Friedrich, begrüßte die Verbesserungen des Richtlinien-Vorschlags im Vergleich zur Fassung von 2007, sprach sich aber gleichzeitig für weitere datenschutzrechtliche Verbesserungen aus: Verkürzung der Speicherfrist der Klardaten, strengere Eingriffsvoraussetzungen bei der reaktiven Nutzung, proaktive Nutzung nur mit anonymisierten Daten. Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf innergemeinschaftliche Flüge lehnte er ab: Die Ausweitung würde zu einer erheblichen Ausweitung der Datensammlung führen, die Verhältnismäßigkeit der Ausweitung sei fraglich, die Ausweitung sei zudem noch in keiner Folgenabschätzung untersucht worden und würde auch zu einer höheren Kostenbelastung für die Fluggesellschaften führen. Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin bei den Verhandlungen in Brüssel dafür einsetzen, dass der Richtlinienentwurf so gestaltet wird, dass er mit europäischen und nationalen Grundrechten, insbesondere auch dem Grundrecht auf Datenschutz bzw. informationelle Selbstbestimmung, vereinbar sein wird. Dabei sieht sich die Bundesregierung selbstverständlich auch an die Vorgaben gebunden, die das Bundesverfassungsgericht insbesondere in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung formuliert hat. In den anstehenden Verhandlungen wird Deutschland daher unter anderem besonderen Wert auf folgende Punkte legen: - Der Kanon der betroffenen Daten ist zum einen konkreter zu fassen und zum anderen auf das im Hinblick auf die verfolgten Zwecke Erforderliche und Unabdingbare weiter einzuschränken; - Reduzierung des Straftatenkatalogs auf solche Straftaten, bei denen im Hinblick auf die Schwere und die Art der Straftat eine Nutzung von PNR-Daten sinnvoll und angemessen erscheint; - Differenzierung der Verwendung der Daten nach Zwecken: - Verwendung von PNR-Daten zu Zwecken der Echtzeitanalyse nur, wenn gewährleistet ist, dass die nicht anonymisierten oder pseudonymisierten PNR-Daten ausschließlich für diese Zwecke und nur für die Dauer der Echtzeitanalyse zur Verfügung stehen; - Ablehnung eines darüber hinausgehenden Vorhaltens nicht wenigstens pseudonymisierter Daten (keine Speicherung von vollständigen PNR-Daten für die Dauer von 30 Tagen); - Verwendung von PNR-Daten zu "proaktiven" Zwecken nur in anonymisierter Form; - Verwendung von PNR-Daten zu Zwecken der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung nur mit einer so kurz wie möglich bemessenen Speicherfrist, die jedenfalls deutlich kürzer als fünf Jahre sein muss; - Speicherung nur in pseudonymisierter Form, wobei die Wiederherstellung der vollständigen PNR-Datensätze eine vorherige unabhängige Kontrolle durch eine von der Leitung der Zentralstelle unabhängige Instanz voraussetzen sollte; - hohe Eingriffsvoraussetzungen für die reaktive Verwendung der PNR-Daten: - Verwendung von vollständigen PNR-Daten zur Strafverfolgung nur bei im Einzelfall tatsächlich schwerwiegenden Straftaten; - Verwendung von vollständigen PNR-Daten zur Gefahrenabwehr nur, wenn bestimmte Tatsachen Grund zu der Annahme geben, dass eine konkrete gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit eines Mitgliedstaates besteht oder zur Abwehr einer gemeinen Gefahr; - nachträgliche Benachrichtigungspflicht der Betroffenen im Falle der reaktiven Nutzung der PNR-Daten, sofern dem keine zwingenden Gründe entgegenstehen bzw. die Benachrichtigung zu unverhältnismäßigem Aufwand führen würde. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Fragen des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/5421, Fragen 70 und 71): Welche Maßstäbe setzt die Bundesregierung für die BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH bei der Veräußerung pachtfreier bundeseigener landwirtschaftlicher Nutzflächen in den neuen Bundesländern, und welche Ergebnisse sind in den Gesprächen mit den betroffenen Ländern hinsichtlich einer Übertragung dieser Flächen auf die Länder erreicht worden? Wird die Bundesregierung bei den weiteren Veräußerungen von BVVG-Flächen gegenüber der BVVG darauf hinwirken, dass bei einem Verkauf die Agrarstruktur in den neuen Ländern gestärkt und eine Schwächung der Agrarstruktur durch Veräußerungen an nicht landwirtschaftlich gebundene Bewerber ausgeschlossen wird? Zu Frage 70: Maßstab für die Veräußerung bundeseigener landwirtschaftlicher Nutzflächen in den neuen Ländern sind die Grundsätze für die weitere Privatisierung der landwirtschaftlichen Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH BVVG (Privatisierungsgrundsätze), die von Bund und Ländern im März 2010 unterzeichnet wurden. Dabei sind das Haushaltsrecht des Bundes - Verkauf zum vollen Wert - und das Beihilferecht der Europäischen Union zu beachten. Ferner werden Flächen nach § 3 Abs. 5 des Ausgleichsleistungsgesetzes an Alteigentümer veräußert. Hinsichtlich einer Übertragung landwirtschaftlicher Flächen an die Länder ist bisher folgendes Ergebnis erreicht worden: Der Bund und das Land Sachsen-Anhalt befinden sich seit Anfang 2009 in konkreten Gesprächen. Bisher konnte keine Übereinstimmung zum Kaufpreis erzielt werden. In Auftrag gegebene Gutachten zur Preisfindung bestätigen prinzipiell das Herangehen des Bundes. Das Land Thüringen hat sich mit seinem Erwerbswunsch an die BVVG gewandt. Aussagen zu Wertvorstellungen wurden nicht gemacht. Auch hier gilt, dass der Bund die Flächen nur zum vollen Wert verkaufen kann. Gespräche wurden bisher nicht aufgenommen. Die Länder Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern haben sich vor einigen Tagen in einem Schreiben an den Bundesminister der Finanzen gewandt und um ein Gespräch über die Möglichkeiten der Privatisierung der BVVG-Flächen gebeten. Ein Termin ist noch nicht anberaumt. Zu Frage 71: Gemäß Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP soll die Verwertung der Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) unter verstärkter Berücksichtigung agrarstruktureller Belange zügig vorangebracht und im Wesentlichen bis zum Jahr 2025 abgeschlossen werden. Diesem Ziel wurde mit der Überarbeitung der Grundsätze für die weitere Privatisierung der landwirtschaftlichen Flächen der BVVG Rechnung getragen. Die BVVG verkauft über 95 Prozent ihrer landwirtschaftlichen Flächen an ortsansässige Landwirte und Betriebe. Eine Schwächung der Agrarstruktur durch Veräußerungen der BVVG ist nicht erkennbar. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/5421, Fragen 72 und 73): Welche konkreten steuerlichen Maßnahmen zur Förderung der Energieeinsparung über Gebäudesanierung strebt die Bundesregierung an (vergleiche die Äußerungen des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 7. April 2011 im Handelsblatt), und welche konkreten steuerlichen Fördermaßnahmen zur Förderung der Energieeinsparung existieren derzeit bereits im Einkommensteuergesetz? Wie viele neue Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen sind seit der letzten Positivliste mit Stand vom 23. April 2010 und der aktuellen Positivliste mit Stand vom 1. April 2011 hinzugekommen, und wie viele wurden lediglich überarbeitet und nicht aufgehoben? Bereits nach geltendem Einkommensteuerrecht können steuerliche Fördermöglichkeiten genutzt werden, zum Beispiel erhöhte Absetzungen für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Sinne des § 177 BauGB für im Inland belegene Gebäude in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsgebieten, § 7h EStG; erhöhte Absetzungen für Herstellungskosten für Baumaßnahmen an Baudenkmalen, § 7i EStG; Steuerbegünstigungen wie Sonderausgaben für Aufwendungen an zu eigenen Wohnzwecken genutzten Baudenkmalen oder Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen, § 10f EStG, sowie Steuerermäßigungen für Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Haushalt des Steuerpflichtigen, § 35a Absatz 3 EStG, sofern keine Förderung über KfW-Programme erfolgt. Ob es weiterer Maßnahmen bedarf, wird die Bundesregierung im Lichte der weiteren energie- und klimapolitischen Entscheidung und der erreichten Konsolidierungsfortschritte der Haushalte von Bund und Ländern entscheiden. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/5421, Frage 74): In welchem Umfang erwartet die Bundesregierung, dass der Hypo Real Estate Holding AG, HRE, gewährte Finanzhilfen - Zahlungen, Kredite, Garantien - von dieser je zurückerstattet werden - wie kürzlich die Commerzbank AG entsprechend ankündigte - oder aber realistischerweise abgeschrieben werden müssen, und was ist der Bundesregierung bekannt über die Höhe von Vergütungen und Boni, die an Repräsentanten sowie Mitarbeiter der am 30. September 2010 zur Verwaltung von 173 Milliarden Euro sogenannter Schrottpapiere gegründeten bundeseigenen HRE-Abwicklungsanstalt FMS - Bad Bank - zugesagt bzw. schon gezahlt wurden, insbesondere ob entsprechend § 5 Abs. 2 FMStFV diese Personen nicht mehr als 500 000 Euro jährlich verdienen? Antwort zu Ihrer ersten Teilfrage: Vorab möchte ich darauf hinweisen, dass die HRE Garantien und direkte Kapitalisierungen erhielt, ihr jedoch - anders als in Ihrer Frage dargestellt - kein Kredit gewährt wurde. Zu den Garantien: Der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung SoFFin gewährte der HRE zur Refinanzierung und zur Beschaffung von Liquidität ein Garantievolumen von insgesamt 142 Milliarden Euro. Hiervon zog die HRE zum 30. September 2010 Garantien von 124 Milliarden Euro. Mit der Übertragung der von Ihnen erwähnten Vermögenspositionen von rund 173 Milliarden Euro zum 1. Oktober 2010 gingen sämtliche SoFFin-Garantien auf die FMS Wertmanagement über. Mitte März dieses Jahres konnten diese Garantien in voller Höhe zurückgegeben und durch eigene Emissionen der FMS Wertmanagement ersetzt werden. Es gab hierbei weder eine Inanspruchnahme des SoFFin noch Abschreibungen. Zur Kapitalisierung: Das Gesamtvolumen des SoFFin zur Kapitalisierung der HRE einschließlich ihrer Abwicklungsanstalt beträgt 9,95 Milliarden Euro. Hiervon hat der Bund 7,42 Milliarden Euro an die HRE gezahlt. Den Restbetrag erhält die FMS Wertmanagement nach der noch ausstehenden Genehmigung des Beihilfeverfahrens durch die Europäische Kommission. Der Bund hält seit Oktober 2009 bekanntlich sämtliche Anteile der HRE. Das Gesamtergebnis des Engagements des Bundes bei der HRE kann erst nach der vollständigen Abwicklung des übertragenen Portfolios sowie nach der beabsichtigten Veräußerung der HRE in private Hände beziffert werden. Zum heutigen Zeitpunkt ist keine seriöse Aussage möglich. Die Bundesregierung wird jedoch einen möglichen Verlust im Interesse der Steuerzahler so gering wie möglich halten. Antwort zu Ihrer zweiten Teilfrage: Die Vergütung ist branchenüblich. Keine Mitarbeiterin bzw. kein Mitarbeiter erhält mehr als 500 000 Euro brutto im Jahr. Es wurden keine Bonuszahlungen geleistet. X Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 104. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 104. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11875 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 11948 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 104. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 104. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11949