Plenarprotokoll 17/109 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 109. Sitzung Berlin, Freitag, den 13. Mai 2011 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 24: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zweiter Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der maritimen Wirtschaft in Deutschland (Drucksache 17/5572) b) Antrag der Abgeordneten Dr. Joachim Pfeiffer, Eckhardt Rehberg, Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Torsten Staffeldt, Dr. Martin Lindner (Berlin), Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die Zukunftsfähigkeit der maritimen Wirtschaft als nationale Aufgabe (Drucksache 17/5770) c) Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Garrelt Duin, Hubertus Heil (Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Flagge zeigen für die maritime Wirtschaft (Drucksache 17/5237) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Uwe Beckmeyer (SPD) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Torsten Staffeldt (FDP) Garrelt Duin (SPD) Ingbert Liebing (CDU/CSU) Herbert Behrens (DIE LINKE) Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) Thomas Bareiß (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 25: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Josip Juratovic, Anton Schaaf, Anette Kramme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Faire Mobilität und soziale Sicherung - Voraussetzungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai 2011 schaffen (Drucksachen 17/4530, 17/5425) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial gestalten (Drucksachen 17/5177, 17/5424) Karl Schiewerling (CDU/CSU) Josip Juratovic (SPD) Jutta Krellmann (DIE LINKE) Dr. Peter Röhlinger (FDP) Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Dr. Eva Högl (SPD) Max Straubinger (CDU/CSU) Sabine Leidig (DIE LINKE) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) Gitta Connemann (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 27: Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Agnes Alpers, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Arbeitsmarktpolitik neu ausrichten und nachhaltig finanzieren (Drucksache 17/5526) Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) Katja Mast (SPD) Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Katja Mast (SPD) Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ulrich Lange (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 28: a) Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Maria Anna Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt aus der Reichsversicherungsordnung in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch überführen und zeitgemäß ausgestalten (Drucksache 17/5098) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Cornelia Möhring, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Versorgung durch Hebammen und Entbindungspfleger sicherstellen (Drucksachen 17/2128, 17/4290) c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Fritz Kuhn, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Erhebung von Daten zu der Versorgung mit Hebammenhilfe sowie zur Arbeits- und Einkommenssituation von Hebammen und Entbindungspflegern sicherstellen (Drucksachen 17/1587, 17/4349) Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) Maria Anna Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mechthild Rawert (SPD) Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) Erwin Rüddel (CDU/CSU) Nächste Sitzung Berichtigung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (108. Sitzung, Tagesordnungspunkt 14) Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: - Beschlussempfehlung und Bericht: Faire Mobilität und soziale Sicherung - Voraussetzungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai 2011 schaffen - Beschlussempfehlung und Bericht: Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial gestalten (Tagesordnungspunkt 25 a und b) Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Arbeitsmarktpolitik neu ausrichten und nachhaltig finanzieren (Tagesordnungspunkt 27) Sebastian Blumenthal (FDP) Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: - Antrag: Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt aus der Reichsversicherungsordnung in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch überführen und zeitgemäß ausgestalten - Beschlussempfehlung und Bericht: Versorgung durch Hebammen und Entbindungspfleger sicherstellen - Beschlussempfehlung und Bericht: Erhebung von Daten zu der Versorgung mit Hebammenhilfe sowie zur Arbeits- und Einkommenssituation von Hebammen und Entbindungspflegern sicherstellen (Tagesordnungspunkt 28 a bis c) Lars Lindemann (FDP) Anlage 6 Amtliche Mitteilungen 109. Sitzung Berlin, Freitag, den 13. Mai 2011 Beginn: 9.02 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können heute Morgen ohne weitere Komplizierungen, Ankündigungen, Mitteilungen oder Korrekturen gleich in die Tagesordnung eintreten. Ich rufe zunächst unsere Tagesordnungspunkte 24 a bis c auf: a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Zweiter Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der maritimen Wirtschaft in Deutschland - Drucksache 17/5572 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Joachim Pfeiffer, Eckhardt Rehberg, Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Torsten Staffeldt, Dr. Martin Lindner (Berlin), Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Die Zukunftsfähigkeit der maritimen Wirtschaft als nationale Aufgabe - Drucksache 17/5770 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Garrelt Duin, Hubertus Heil (Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Flagge zeigen für die maritime Wirtschaft - Drucksache 17/5237 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Verteidigungsausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto. Guten Morgen! Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die maritime Wirtschaft ist ein strategischer Zukunftsmarkt. Die Fraktionsanträge zeigen, dass dies parteiübergreifend so gesehen wird. (Unruhe bei der SPD) - Ich lobe Sie; Sie sollten zuhören. (Garrelt Duin [SPD]: Wir sind von Ihrem ersten Satz schon so beeindruckt!) - Es freut mich, dass Sie das auch so sehen. - Die Branche hat diesen politischen Rückhalt in den letzten beiden Jahren besonders gebraucht und auch geschätzt. Die Krise hat alle Bereiche der maritimen Wirtschaft vor große Herausforderungen gestellt. Heute können wir sagen, dass die maritime Wirtschaft besser durch die Krise gekommen ist, als dies von vielen - auch von der Branche selbst - erwartet worden war. Das Lob hierfür gehört natürlich zuallererst den Unternehmen selbst. Sie haben sich mit großer Konsequenz und Anstrengung neu aufgestellt und sind nun gut auf die Zukunft vorbereitet. Aber auch die Politik hat ihren Teil dazu beigetragen. So hat sie in Zeiten der Krise wirksame Hilfe für die gesamte Wirtschaft geleistet. Davon hat - übrigens überproportional - auch der maritime Sektor profitiert. Die Instrumente wurden immer wieder an dessen spezifische Bedürfnisse angepasst. Geholfen hat aber vor allem auch eines: der starke Zusammenhalt der gesamten Branche, der Unternehmer und der Arbeitnehmer, der Wirtschaft und der Politik. Für den weiteren Zusammenhalt möchte ich an dieser Stelle mit großem Nachdruck werben. Für mich, die Bundesregierung und die Politik insgesamt ist dieser Zusammenhalt von großer Bedeutung. Dadurch wird das erfolgreiche Engagement der Politik ermöglicht - in der Vergangenheit wie auch in der Zukunft. Dieses Engagement der schwarz-gelben Bundesregierung hat schon vorzeigbare Früchte getragen. Sie fügen sich passgenau in das allgemeine Konzept der Regierungsarbeit ein. Wir müssen einerseits konsolidieren, aber gleichzeitig auch investieren. Wir setzen Schwerpunkte bei Ausbildung, Innovation, Forschung und Entwicklung. Wir schaffen Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Gustav Herzog [SPD]: Sehr dünner Beifall! Die schlafen noch, ja?) - Nein, lieber Herr Kollege Herzog. Viele meiner Kollegen sind bereits beim Bundesparteitag in Rostock. Mir persönlich liegt dieses Thema aber so am Herzen, dass ich diese Debatte meinem Bundesparteitag vorziehe. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Otto, ich vermute im Übrigen auch, dass die Delegierten Ihren Auftritt jetzt im Augenblick live verfolgen. (Heiterkeit - Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Beifall in Rostock!) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Selbstverständlich; alle sitzen vor dem Fernseher. (Gustav Herzog [SPD]: Der beste Beitrag in Rostock!) - Das passt ja zu Rostock. Meine Damen und Herren, die schwarz-gelbe Bundesregierung hat die Förderung von Forschung und Entwicklung im Schiffbau bis heute um gut 30 Prozent und in der mittelfristigen Finanzplanung um gut 50 Prozent erhöht. Wir haben die Innovationshilfen im Bereich des Schiffbaus optimiert, was, glaube ich, von jedem gutgeheißen wird. Wir haben statt Darlehen jetzt Zuschüsse gewährt und die Summe in der Höhe auch mehr als verdoppelt. Durch die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Werften mit den erfolgreichen Exportförderinstrumenten wurde die Gewinnung von Aufträgen in Höhe von insgesamt über 11 Milliarden Euro ermöglicht. Die Investitionsmittel für Baukosten von Umschlaganlagen in Häfen zur Förderung des umweltschonenden und innovativen kombinierten Verkehrs wurden von 2010 auf 2011 wieder deutlich erhöht. Wir haben die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen und Häfen durch die Anpassung der Besteuerung von Landstrom verbessert. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) - Ah. - Schließlich: Entwicklungsminister Dirk Niebel hat dafür gesorgt, dass die Interessen der deutschen Wirtschaft, ganz konkret auch der maritimen Wirtschaft, in der Entwicklungszusammenarbeit wieder stärker berücksichtigt werden. Im Rahmen der maritimen Koordinierung haben wir gemeinsam mit Vertretern der Branche zukunftsweisende Konzepte erarbeitet. Ich denke etwa an den Nationalen Masterplan Maritime Technologien, der bei der 7. Nationalen Maritimen Konferenz vorgestellt werden soll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allen diesen Erfolgen will ich nicht verhehlen: Es gibt natürlich noch einiges zu tun, und zwar in den Bereichen des Schiffbaus, der Seefahrt - dabei ist insbesondere das Stichwort "Piraterie" zu nennen -, der Häfen und der Meerestechnik, aber auch des Umweltschutzes. Der Antrag der Koalitionsfraktionen zeigt viele richtige und gute Ansätze. Ich möchte mich ausdrücklich dafür bedanken. Auch in diesem Antrag wird die Bedeutung des von mir hervorgehobenen Zusammenhaltes der Branche betont. Das maritime Bündnis ist ein zentrales Element davon. Wir müssen und werden die anstehende Konferenz - die, wie Sie wissen, in 14 Tagen in Wilhelmshaven stattfinden wird; ich schaue den Wilhelmshavener Kollegen mit großer Freude an - dafür nutzen, dieses Bündnis zu erneuern und zu stärken. Ich appelliere an alle Beteiligten, sowohl an die einzelnen Branchen als auch in meiner Eigenschaft als Koordinator ganz deutlich an die gesamte Bundesregierung: Lassen Sie uns Hand in Hand an weiteren Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die maritime Wirtschaft arbeiten. Die konjunkturellen Rahmenbedingungen stimmen. Der massive Ausbau der Offshorewindenergie und der zunehmende Welthandel eröffnen konkrete Chancen und Perspektiven. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam den Impuls der 7. Nationalen Maritimen Konferenz nutzen, um diese großen Chancen zugunsten der maritimen Wirtschaft zu ergreifen. Ich bedanke mich. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Uwe Beckmeyer für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Uwe Beckmeyer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war zu erwarten, Herr Staatssekretär, dass Sie das, was Sie gesagt haben, hier heute sagen würden. Was bleibt Ihnen auch anderes übrig, als sich zu loben und die Politik der Bundesregierung herauszustellen? Worte sind Worte. Wir wollen aber Handlungen seitens der Bundesregierung sehen. Das erwarten nicht nur wir Sozialdemokraten, sondern auch die maritime Branche insgesamt. Es sollte Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass in den letzten Monaten auch bei Ihnen im Hause, bei uns allemal, unzählige Briefe der Branche angekommen sind, in denen von ihrer Sorge die Rede war und in vielerlei Hinsicht gesagt wurde: Liebe Freunde in der Bundesregierung, wir erwarten von euch ein Mehr an Handlungen, ein Mehr an Strategie und ein Mehr an absichtsvollem Handeln, unterlegt auch durch Haushaltsmittel und eine klare Strategie für die maritime Branche. - Hierzu gehört vor allen Dingen auch, dass der Partner Bundesregierung Zukunftsperspektiven erarbeitet und dass dies nicht allein die Industrie tun muss. Das ist, wie ich glaube, der entscheidende Punkt. Gute Rahmenbedingungen zu schaffen, ist Ihre Aufgabe, als Koordinator allemal. Es reicht nicht, nur zu moderieren, sondern Sie müssen auch aktiv handeln. Das wird auch eingefordert. Diese Frage - das will ich auch in Richtung einiger anderer Mitglieder der Bundesregierung sagen - ist nicht nur eine exklusive Angelegenheit der Küste, sondern das betrifft auch viele Branchen, die zum Teil weit im Binnenland angesiedelt sind. Viele Exportaufträge werden durch Unternehmen aus Baden-Württemberg und Bayern abgearbeitet. Wir haben es hier mit einem Wachstumsmotor besonderer Güte zu tun. Ich glaube, dass allein 40 Prozent des Umsatzes der maritimen Industrie - diese Zahl ist jedenfalls wiederholt aus der Bundesregierung genannt worden - in küstenfernen Bundesländern erwirtschaftet werden. Doch nun zu dem, was wir erwarten. Die maritime Konferenz, die alle zwei Jahre stattfindet, nachdem sie in Emden begründet wurde, steht jetzt in Wilhelmshaven an. Diese Konferenzen sind ein guter Beleg dafür, dass Staat und Wirtschaft erfolgreich ein Bündnis eingehen können. Was ist seit der letzten Konferenz vor zwei Jahren in Rostock passiert? Die Situation in der Schifffahrtspolitik stellt sich außerordentlich beunruhigend dar, weil - das ist das Entscheidende - plötzlich der staatliche Partner, die Bundesregierung, in einer ganz wichtigen Frage, in der Schifffahrtsförderung, die Haushaltsmittel halbiert hat. Das hat zur Konsequenz, dass die Haushaltsmittel schon in diesem Jahr für das bereits zugesagte Volumen nicht mehr ausreichen. Es sind weitere beunruhigende Äußerungen aus den Reihen der Bundesregierung zu vernehmen, aus dem Verkehrsressort und auch aus dem Wirtschaftsressort. Wenn man mit Vertretern der Branche diskutiert, stellt man fest: Das ist dort sehr negativ angekommen; die Beunruhigung in der Schifffahrtsbranche ist groß. Es kommt darauf an, dass die Bundesregierung in diesem Punkt wieder Zuverlässigkeit an den Tag legt. An dieser Zuverlässigkeit mangelt es zurzeit. Sie sind es, die zurzeit dieses maritime Bündnis, das wir 2000 in Emden beschlossen und begründet haben, aufkündigen. Das ist außerordentlich bedauerlich. (Beifall bei der SPD - Torsten Staffeldt [FDP]: Das ist Quatsch, Herr Beckmeyer! Das wissen Sie!) Die FDP ist sicherlich die treibende Kraft dahinter; das will ich nicht verhehlen. Die Fraktion ist ja heute Morgen auf ihre wahre Größe geschrumpft. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass Sie ein Scheinriese sind. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Gleichwohl will ich an dieser Stelle sagen: Die Branche - auch die Bremer Branche, Herr Staffeldt - macht deutlich, dass die Beihilfen 2011 von 57 Millionen Euro auf 28,5 Millionen Euro reduziert worden sind und dass diese Kürzung de facto bereits für das laufende Jahr einer kompletten Streichung gleichkommt, weil die Ansprüche aus 2010, die noch erstattet werden müssen, im Folgejahr angerechnet werden. Das bedeutet, bereits in diesem Jahr gibt es keine Beihilfen mehr. Angesichts dessen kann ich nur sagen: Wenn man auf der einen Seite von den Reedern erwartet, dass sie rückflaggen, dann muss man auf der anderen Seite auch die Bereitschaft zeigen, die eigenen Bündnisverpflichtungen einzuhalten. Das zweite Thema ist die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Wir bekommen aus allen Teilen dieser Republik, von allen Branchen, die sich mit der "wunderbaren Reform", die Sie sich vorgenommen haben, beschäftigen, Schreiben, in denen steht: Oh Gott, was passiert da eigentlich? Sind die völlig durchgeknallt? Sind die auf einem völlig falschen Weg? - Es scheint tatsächlich so. Die große CDU/CSU-Fraktion, die sich in dieser Angelegenheit in einer unerträglichen Art und Weise von ihrem kleinen Partner treiben lässt, kann keinen Kontrapunkt setzen. Ich will an dieser Stelle deutlich sagen: Das müssen Sie aber tun, meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion CDU/CSU. Helfen Sie endlich Ihrem Verkehrsminister; sonst führt diese FDP Sie am Nasenring durch die Arena! In dem Antrag der Regierungsfraktionen zur maritimen Wirtschaft, der heute vorliegt, finden wir erneut eine bedrohliche Ankündigung. Sie wollen nicht nur die Reform durchsetzen, sondern auf Seite 5 heißt es zudem - wenn auch unter der Überschrift "Hafenwirtschaft und Logistik" -, dass ein Wasserstraßenausbaugesetz beschlossen werden soll. Das bedeutet doch, dass Sie dem Bundesverkehrsminister das Thema Wasser- und Schifffahrtsverwaltung aus der Hand nehmen und ein eigenes Gesetz machen wollen, dass er praktisch nicht mehr den Versuch unternehmen kann, die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in einigermaßen ruhiges Wasser zu führen. Nein, die FDP kommt plötzlich mit einem Wasserstraßenausbaugesetz, und Sie als größte Fraktion akzeptieren das auch noch. Da kann ich nur sagen: Hallo wach! Passen Sie auf, was hier aktuell passiert! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Der dritte Punkt. Die IG Metall - dazu wird mein Kollege Garrelt Duin gleich noch ausführlich kommen - hat auf Ihre Beschwerde, Herr Staatssekretär, reagiert, dass sie so kritisch mit Ihnen umgegangen sei. Ich denke, das hat sie mit Recht getan. Wenn man sich anschaut, was die Bundesregierung bei der Finanzierung von Schiffsneubauten in Deutschland erreicht hat, stellt man fest, dass das verdammt wenig ist. Wir haben vor einem Jahr gemeinschaftlich mit den Ländern und unter Beteiligung aller relevanten Kräfte gesagt, dass wir uns anschauen wollen, was in Europa in Sachen Schiffsfinanzierung geschieht. Was ist daraus eigentlich geworden? Nicht sehr viel. Es gibt viele Beispiele dafür, dass in anderen Ländern wesentlich mehr gemacht wird, als in Deutschland jemals, jedenfalls in Ihrer Regierungszeit, geschehen ist. Das ist beispiellos schlecht. Das, was Sie momentan beim Schiffsbau als Erfolg der Bundesregierung reklamieren, ist in Wirklichkeit nicht Ihr Erfolg, sondern der Erfolg der Branche, die sich gewehrt hat, die einigermaßen findig war und sich in dieser Frage zum Besseren entwickelt hat. Das liegt aber nicht an Ihnen, sondern daran, dass die Akquisitionsbemühungen der Branche von Erfolg gekrönt waren. Das ist das Beste, was man an dieser Stelle für diese Branche feststellen kann: dass sie angesichts der fehlenden Unterstützung durch die Bundesregierung aus sich selbst heraus Kräfte entwickeln konnte. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Strategie bedeutet in der Industriepolitik auch, sich wie andere Länder in Europa zu positionieren. Im Bereich des Marineschiffsbaus fehlt mir das gänzlich. Zum Thema Offshore. Bis zum heutigen Tag ist es nicht gelungen - weil sich das FDP-geführte Wirtschaftsministerium offenbar immer noch durchsetzen kann -, dass in die Möglichkeiten der Finanzierung und der Hilfestellung für die Offshorekraftanlagen Errichterschiffe mit einbezogen werden können, also aus diesem Topf mitfinanziert und unterhalten werden können. Lieber Herr Staatssekretär, die Branche versucht die ganze Zeit, pausenlos, Sie dafür zu gewinnen, aber anscheinend ohne Erfolg. Stattdessen werden solche Schiffe in Korea und in Polen gebaut, aber nicht in Deutschland. (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Sie haben sich doch nie um das Thema gekümmert!) Da kann ich nur sagen: Das ist wenig von Erfolg gekrönt. Also bedarf es auch hier einer aktiveren Art der Unterstützung. (Beifall bei der SPD) Sie merken, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe heute bewusst versucht, mich mit dieser Fragestellung sachlich auseinanderzusetzen. (Lachen bei der CDU/CSU - Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Dünne Suppe war das!) Diese Angelegenheit ist viel zu ernst, als dass man heute Morgen hierüber in Polemik verfallen sollte. Denn das betrifft zu viele Menschen und Schicksale, insbesondere an der Küste, aber auch im Binnenland. Dieses besondere industriepolitische Feld muss aktiv und auch intensiv beackert werden. Es verdient, durch die Bundesregierung Rahmenbedingungen gesetzt zu bekommen. Aber nicht nur ich habe den Eindruck, dass das mit der jetzigen Bundesregierung nicht gelingen kann. Meine Damen und Herren, Herr Koordinator, das ist das Entscheidende und leider auch Bedauerliche, was wir vor der wichtigen Konferenz in Wilhelmshaven feststellen müssen, nämlich dass die Branche insgesamt verunsichert ist, dass die Branche unzufrieden mit den Leistungen ist und dass die Branche insgesamt sagt: So nicht! Wir - das ist mein Resümee - werden auch in dieser Angelegenheit aktuell in Deutschland nicht gut regiert. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Eckhardt Rehberg für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist das erste Mal, dass wir, im Vorfeld einer maritimen Konferenz, in der Kernzeit des Deutschen Bundestages über die maritime Wirtschaft diskutieren. Ich freue mich, dass auch sehr viele Kolleginnen und Kollegen, die nicht aus Norddeutschland kommen, diese Debatte hier mit verfolgen. Unser Antrag stellt in der Überschrift fest, dass dies eine nationale Aufgabe ist. Ich glaube, ein gemeinsames Signal sollte von hier ausgehen, nämlich dass die maritime Wirtschaft nicht nur für die Küste wichtig ist, sondern für ganz Deutschland. Dazu zählt zum Beispiel die Zulieferindustrie im Schiffbau und in der Offshoretechnik. Drei Viertel der Unternehmen der Branche kommen aus dem Süden Deutschlands. Auch unsere Häfen und ihre Hinterlandanbindungen sind für die deutsche Exportindustrie wichtig. Kollege Beckmeyer, ich glaube, wenn wir diesen Konsens im Vorfeld der Konferenz von Wilhelmshaven finden, dann geht ein starkes Signal vom Deutschen Bundestag an die deutsche Gesellschaft aus. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Als wir vor zwei Jahren bei der 6. Maritimen Konferenz in Rostock zusammensaßen, war die Schlagzeile: Rückgang des Welthandels um 10 Prozent. - Dabei war eigentlich ein Aufwuchs von 10 Prozent erwartet worden. Die Charterraten brachen ein. Wir hatten noch vor zwei Jahren über 500 Auflieger von Containern, Bulkern und Tankern. Der deutsche Schiffbau musste Stornierungen von 60 Aufträgen in Höhe von über 2 Milliarden Euro hinnehmen. Herr Beckmeyer, die Politik hat sehr wohl gehandelt. Allein aus dem Deutschlandfonds, der insgesamt 13 Milliarden Euro umfasste, sind 10 Prozent, 1,3 Milliarden Euro, in die maritime Wirtschaft geflossen, davon etwa 675 Millionen Euro für den Schiffbau. Die Werften in Mecklenburg-Vorpommern, insbesondere eine Werft mit Sitz in Wolgast und Stralsund, sind auf einem sehr, sehr guten Weg und profitieren noch heute davon. Insofern ist Ihre Forderung, den Deutschlandfonds weiterlaufen zu lassen, völlig daneben. Der Deutschlandfonds mit einer Verbürgung von 90 Prozent ist eine tolle Sache; aber wenn man Kapitalkosten, von der EU aufgedrückt, von über 10 Prozent tragen muss, dann muss auch einmal Schluss sein. Wir müssen zur normalen Finanzierung zurückkehren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie sagen, dass der Bund zu wenig tut. Ich will Sie nur mit einer Tatsache konfrontieren: Die KfW IPEX-Bank, eine 100-prozentige Tochter der KfW Förderbank, hat in den letzten Monaten Schiffsendfinanzierungen im Umfang von 2,4 Milliarden Euro vorgenommen. Damit wurde der Bau von 19 Schiffen ausländischer Reedereien finanziert; sie alle werden auf deutschen Werften gebaut. Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier geht es um Ankerziehschlepper und Kreuzfahrtschiffe, die in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern gebaut werden. Das heißt, der Bund wird hier seiner Verantwortung gerecht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zu den Finanzierungsinstrumenten, die wir haben. Ja, Sie haben recht: Andere Länder finanzieren anders; aber ich möchte nicht unbedingt das französische oder das italienische System in Deutschland haben. Ich möchte, dass wir Instrumente wie CIRR und Hermesbürgschaften nutzen. Wir haben sie genutzt; Staatssekretär Otto hat die Zahl genannt. Wir haben allein in den letzten zwölf Monaten im Haushaltsausschuss CIRR und Hermesbürgschaften im Umfang von 5,3 Milliarden Euro beschlossen. Dadurch ist es möglich geworden, dass zum Beispiel ein Auftrag über drei Kreuzfahrtschiffe im Umfang von knapp 2 Milliarden Euro an Werften in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern gegangen und eben nicht in Italien gelandet ist. Das ist die Politik der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen für den deutschen Schiffbau. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Uwe Beckmeyer [SPD]: Alles Meyer!) - Es ist nicht nur die Meyer-Werft; auch die Neptun-Werft in Rostock-Warnemünde arbeitet daran mit. Herr Beckmeyer, fragen Sie einmal Ihre Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss. Sie fordern hier ein, dass wir gemeinsam maritime Politik machen. Ich frage Sie: Warum hat dann die SPD dagegen gestimmt, als der Entwicklungsminister Niebel uns einen Antrag vorgelegt hat, ein Fährschiff für Indonesien zu bauen? Man hätte damit die Rahmenbedingungen dafür setzen können, dass mit deutschem Steuergeld auf deutschen Werften OECD-konform gebaut wird. In den 70er- und 80er-Jahren waren Sie dafür, heute sind Sie dagegen. Sie werfen uns vor, wir täten nicht genug für den Schiffbau, aber Sie stimmen selber dagegen, dass deutsches Steuergeld verwendet wird, damit Schiffe auf deutschen Werften gebaut werden. Herr Beckmeyer, Sie sind an dieser Stelle schlichtweg unglaubwürdig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wer hat denn eigentlich dafür gestimmt?) - Kollege Bartsch, ich konstatiere: Die Linken haben dafür gestimmt. Das ist richtig; da muss man der Wahrheit die Ehre geben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir über maritime Industrie und maritime Technik reden, dann dürfen wir den Blick nicht auf den Haushalt des Wirtschaftsministeriums verengen. Hier ist nicht gekürzt worden; es sind Aufwüchse zu verzeichnen, etwa bei den Innovationsbeihilfen. Herr Beckmeyer, es ist in der letzten Legislaturperiode mit der SPD nicht gelungen, diese Beihilfen als Zuschüsse auszureichen. Das ist erst in der christlich-liberalen Koalition gelungen; das haben die Haushälter miteinander vereinbart. Das ist ein ganz wichtiger Punkt für die Branche. Ich will deutlich machen, dass es im Haushalt des Bundesforschungsministeriums Mittel für ein Projekt namens "POLAR" gibt: 14 Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus Mecklenburg-Vorpommern haben den Auftrag erhalten, technische Systemlösungen im Baukastensystem für Transport, Lagerung und Verarbeitung von Rohstoffen und Energieträgern aus der arktischen Region zu entwickeln. Wenn wir uns solchen Themen zuwenden und dafür Fördermittel bereitstellen, dann wird die maritime Branche eine Zukunft haben. Wir gehen mit einer Forderung zu 100 Prozent konform: Es muss gelingen, dass mit dem 5-Milliarden-Euro-Programm der KfW nicht allein die Windparks gefördert werden, sondern auch - ich fasse das ein bisschen weiter - technische Anlagen und Güter, die der Errichtung, dem Bau und der Wartung dieser Offshorewindparks dienen. Es kann nicht sein, dass wir als Bund nur den Bau der Windkraftanlagen unterstützen. Alles, was dazu gehört, befindet sich ebenso in einer schwierigen Situation. Deswegen findet sich diese Forderung auch in unserem Antrag. Aus meiner Sicht war das Jahr 2006 - mit Beschluss und Vollendung im Jahr 2008 - nicht gerade eine Sternstunde der deutschen Politik. Damals wurde in der Anlage VI des MARPOL-Übereinkommens beschlossen, dass sich die zügige Reduzierung von Schwefel-dioxidemissionen nur auf Nord- und Ostsee beschränkt und die Irische See und das Mittelmeer ausgenommen werden. Herr Beckmeyer, meine sehr verehrten Damen und Herren von SPD und Grünen, wer eine solche Politik verfolgt und die Standards nur sehr selektiv setzt, der wird für Probleme sorgen. Auf ein solches Problem sind Sie weder in Ihrem Antrag noch eben in Ihrer Rede eingegangen. Für Union und FDP mache ich an dieser Stelle deutlich: Wenn Politik ordnungsrechtlich etwas beschließt, dann muss es auch möglich sein, dies umzusetzen. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Ja!) Es muss möglich sein - Herr Kollege Beckmeyer, das ISL in Bremen hat, das steht außer Frage, ein hohes Renommee und steht für Seriosität -, dass die Vorgaben umgesetzt werden. Wir sagen Ja zu praxistauglichen Lösungen. Nach Aussagen der ISL Bremen werden ab 2015, wenn nur noch 0,1 Prozent Schwefelanteil im Diesel erlaubt ist, 600 000 Lkw zwischen Kiel und Tallinn bzw. Rostock und Tallinn hin- und herfahren, weil die Güter nicht mehr auf Fähren transportiert werden. Das kann doch nicht sein. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie werden ja ordentliche Politik machen bei der IMO! - Torsten Staffeldt [FDP]: Wir müssen Ihre Fehler korrigieren!) - Wir müssen das reparieren, was Sie 2006 und 2008 in den Dreck gefahren haben. Sie haben vorschnell zulasten der deutschen Seeschifffahrt Beschlüsse initiiert und mitgetragen. Das müssen wir jetzt reparieren, Herr Kollege Beckmeyer, das ist das Thema. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Torsten Staffeldt [FDP]: So sieht das aus! - Uwe Beckmeyer [SPD]: Völlig auf dem falschen Fuß!) Wenn man die letzten zwei Jahre betrachtet, dann stellt man fest: Die maritime Wirtschaft ist nicht ganz aus der Krise heraus. Aber man muss auch feststellen: Wie sie sich selbst aus der Krise herausgezogen hat, mit den Rahmenbedingungen, die die Politik in Deutschland gesetzt hat, ist aller Ehren wert. Lassen Sie mich zum Schluss eine Bemerkung zum maritimen Bereich machen. Der maritime Bereich lebt von Tradition, von der Moderne und auch von der Zukunft. Lassen Sie mich mit aller Ruhe und allem Bedacht sagen: Zum traditionellen maritimen Bild Deutschlands gehört auch die "Gorch Fock". Die Vorfälle müssen aufgeklärt werden, und es müssen Veränderungen vorgenommen werden. So, wie die "Gorch Fock" in den letzten Jahrzehnten das deutsche maritime Bild im Ausland geprägt hat, so wünsche ich mir, dass sie es auch in Zukunft prägen wird. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Dietmar Bartsch ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über die Zukunft der maritimen Wirtschaft in Deutschland. Der ehemalige Wirtschaftsminister ist in Rostock. Der neue Wirtschaftsminister ist in Rostock. Das könnte ein gutes Zeichen sein, aber die haben ganz andere Probleme. (Heiterkeit der Abg. Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Lassen Sie uns gemeinsam hoffen, dass es der maritimen Wirtschaft nie so schlecht gehen wird wie aktuell der FDP. (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist unstrittig, dass der Schiffbau und die maritime Wirtschaft generell sehr wichtig für unser Land sind. Da hat der Kollege Rehberg völlig recht. Sie sind enorm wichtig, nicht nur für die Küstenländer. Aber entgegen der Behauptung von Herrn Otto und der Bundesregierung befindet sich der Wirtschaftszweig weiterhin und gerade in meinem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern in der Krise. Er ist nicht durch die Krise gekommen. Eigentlich befinden wir uns in einer permanenten Krise. (Torsten Staffeldt [FDP]: Die Linke?) Es gab einmal einen Wirtschaftsminister von Schwarz-Rot - die Älteren erinnern sich vielleicht, er hieß zu Guttenberg -, der im Krisenjahr 2009 in Rostock verkündete, dass Deutschland weiter zu einem maritimen Hightechstandort ausgebaut werden müsse. Ich zitiere: Aktuell kommt es darauf an, die Folgen der Krise in den maritimen Bereichen durch kurzfristig wirkende Maßnahmen zu überbrücken. Ebenso gilt es, irreparable Schäden und strukturelle Verwerfungen zu vermeiden. Die Bundesregierung wird diesen Weg weiterhin politisch flankieren. Das sagen Sie einmal den 2 300 Wadan-Yards-Beschäftigten, die in eine Transfergesellschaft gegangen sind und für die danach nichts passiert ist. Da hat Beckmeyer recht: Es ist bei den Ankündigungen geblieben. Das ist die Realität. Es bleibt nur zu hoffen, dass der neue Wirtschaftsminister in dieser Frage nicht nur ein Ankündigungsminister ist. Die Bundesregierung behauptet, der Bundes- und Landespolitik sei es gemeinsam gelungen, den Kernbestand der Werftindustrie in Mecklenburg-Vorpommern zu erhalten. Ich will Ihnen einige Fakten nennen: Die Zahl der Beschäftigten auf den Werften in Mecklenburg-Vorpommern lag im Jahre 1990 bei 30 500 Personen. Heute sind auf den vier größten Werften noch 2 700 Menschen beschäftigt. Ich habe über die Transfergesellschaft gesprochen. Die Situation der Werftstandorte in Wismar und Warnemünde - das sagt die IG Metall - ist die mit Abstand wichtigste Ursache für die negative Entwicklung bei den Arbeitsplätzen im Schiffbau in Deutschland. Der Containerschiffbau ist endgültig Geschichte mit allen Konsequenzen. Das gehört auch zur Wahrheit über den Werftenstandort Mecklenburg-Vorpommern. Der entscheidenden Fragestellung geht die Bundesregierung aus dem Weg. Die Beschäftigten in den Bundesländern - und zwar in allen, nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern - wollen wissen: Sind unsere Arbeitsplätze dauerhaft sicher? Haben wir eine Zukunftsperspektive in unserer Heimat? Hier lautet die Frage: Will die Bundesregierung alle Werftenstandorte langfristig sichern? Wenn ja, dann muss sie erklären, wie das geschehen soll. Sicherlich ist die Politik nicht allein verantwortlich. Es gibt viele Ursachen für die Krise in der Werftindustrie; die Gründe liegen auch nicht nur in der Wirtschafts- und Finanzkrise. Es gab Versäumnisse und Fehler im Management, falsche Unternehmensstrategien; Forschung und Entwicklung sind vernachlässigt worden. Vor allem aber fehlt es an einer schlüssigen, langfristigen politischen Strategie. Wenn das Bekenntnis zur maritimen Wirtschaft ernst gemeint ist, dann kann die Politik die Zukunftsantworten für die maritime Industrie nicht allein dem Markt überlassen. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen eine Strategie, die den Besonderheiten der Schiffbauindustrie Rechnung trägt. Die vorhandenen Standortvorteile müssen ausgebaut werden. Die Finanzierung ist eines der Schlüsselprobleme. Die Bundesregierung schreibt stolz, dass sie sich gegen die Forderung aus den Ländern ausgesprochen hat, die den Erhalt der Unterstützungsinstrumente für den Schiffbau beinhaltet. Das ist falsch. Sie kürzen die Haushaltsmittel. Das ist eine politische Fehlentscheidung und nicht gut für die Standorte der maritimen Industrie. (Beifall bei der LINKEN) Deswegen fordern wir, dass alle beihilferechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft und weiter angeboten werden müssen. Auch die Festsetzung der maximalen Bürgschaftsquote für Bürgschaften des Bundes und der Länder bis zu 90 Prozent muss weiterhin möglich sein, Herr Rehberg, um die Standorte zu erhalten. Wir müssen nicht bei den Banken betteln. Das Problem ist doch, dass wir immer Geld für systemrelevante Banken und systemrelevante Kreditinstitute haben. Für Mecklenburg-Vorpommern - und das weiß jeder Abgeordnete einschließlich der Bundeskanzlerin - ist die maritime Wirtschaft eine systemrelevante Wirtschaft, ohne deren spürbare Stärkung und zuverlässige Modernisierung das Land nur schlecht existieren kann. Deswegen muss rasch, unbürokratisch und in der erforderlichen Höhe finanziert werden, wenn Aufträge realisierbar sind. Wir als Linke unterstützen darum, dass die KfW in einem Zukunftskonzept entsprechend eingebunden wird. Sie muss hier eine wichtige und ausgeprägte Rolle spielen. Unsere Forderung lautet ganz klar: Regierungshandeln ist erforderlich, nicht nur Worte. Wir können nicht mit Dumpinglöhnen arbeiten, sondern müssen auf gute, faire Löhne für Spitzenkräfte und auf Spitzenqualität in unserem Land setzen. Das müssen wir mit den entsprechenden Haushaltsmitteln unterstützen. Es wäre nötig, dieses Signal vor der Konferenz in Wilhelmshaven zu geben. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Kollegin Valerie Wilms ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir heute über die maritime Wirtschaft reden, gerade im Vorfeld der nationalen maritimen Konferenz Ende des Monats - in 14 Tagen ist es so weit - in Wilhelmshaven. Auch wir Grünen sind uns bewusst: Ein Exportland wie Deutschland ist auf eine leistungsfähige Schifffahrt angewiesen. Wir brauchen gute Häfen. Wir brauchen eine vernünftige Hinterlandanbindung. Auch wir wollen Know-how in Deutschland halten und setzen auf die Fähigkeiten guter Ingenieurinnen und Ingenieure im Schiffbau und beim Ausbau der Windkraft. Aber diese schönen Bekenntnisse, die auch meine Vorredner teilweise gemacht haben, reichen nicht aus, wenn die Zielrichtung fehlt. Wenn man den Koalitionsantrag und den Bericht der Bundesregierung liest, wird ein ganz seltsames Muster Ihrer Arbeit deutlich: Es wird viel angekündigt, und es werden Verpflichtungen eingegangen; aber wenn es an die konkrete Umsetzung geht, wird laviert und verzögert. Am Ende weiß keiner mehr, wofür Sie stehen. Die einzige Linie, die erkennbar bleibt, ist die standhafte Weigerung, eine umweltfreundliche und klimaschonende Schifffahrt Realität werden zu lassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Torsten Staffeldt [FDP]: Das stimmt nicht, Frau Dr. Wilms!) Nehmen wir nur das Beispiel der sauberen Treibstoffe. Es gibt ein internationales Abkommen, das maßgeblich von Deutschland vorangetrieben wurde. Schwefelarme Treibstoffe sollen zumindest in Nord- und Ostsee stark schwefelhaltiges Schweröl ersetzen. Auch Amerika hat sich auf diesen Weg begeben. Das ist eine vernünftige und dringend notwendige Maßnahme zum Schutz von Gesundheit, Meer und Klima. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die fahrenden Müllverbrennungsanlagen auf See müssen endlich abgelöst werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dazu müsste sich die Schifffahrt umstellen. Das ist keine Frage. Die Fristen dafür sind schon lange bekannt. Eine verantwortungsbewusste Regierung würde jetzt zu einem internationalen Abkommen, das Deutschland geschlossen hat, stehen. Aber was machen Sie? Sie lassen sich lieber auf die Vorhersagen einer - Entschuldigung, dass ich das so drastisch sagen muss - halbgaren Studie ein, die das Ende der Ostseeschifffahrt heraufbeschwört. (Torsten Staffeldt [FDP]: Es gibt acht Studien, Frau Dr. Wilms, die alle das Gleiche sagen!) - Herr Staffeldt, beim besten Willen: (Torsten Staffeldt [FDP]: Das ist aber wahr!) Ich habe bei der von Ihrer Fraktion getragenen Regierung nachgefragt und die deutliche Aussage erhalten, dass insbesondere die immer wieder herangezogene ISL-Studie massive methodische Fehler enthält. (Torsten Staffeldt [FDP]: Acht Studien!) Es wurde nur auf die Ostseefährschifffahrt und den Lkw-Verkehr, der angeblich drohen würde, eingegangen. Die Möglichkeit von Bahntransporten ist völlig außer Acht gelassen worden. So gehen diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen mit den Fakten um. Das kann nicht sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie in allen Dingen! - Torsten Staffeldt [FDP]: Sie sollten sich ein bisschen mehr damit beschäftigen! Die Bahnlinien gibt es da gar nicht, Frau Dr. Wilms!) Es ist völlig unklar, was die Regierung und die Koalitionsfraktionen wollen. (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Sie hätten zuhören sollen!) Einerseits begrüßt die Bundesregierung weiterhin das Abkommen der Internationalen Maritimen Organisation; das hat sie zumindest auf unsere Nachfrage hin gesagt. Sie will die Grenzwerte für Schwefel sogar im EU-Recht verankern. Das steht zumindest in der Antwort auf die Kleine Anfrage. Andererseits sprechen die die Regierung tragenden Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag von praxistauglichen Grenzwerten, schwadronieren über ein Moratorium und sagen, dass sie den Stichtag verschieben wollen. Was das bedeuten soll, bleibt offen. Kann sich bei Ihnen jetzt jeder das aussuchen, was er will? Wir sind von Ihnen schon einiges gewohnt. Rechtstaatlichkeit und Verlässlichkeit sind offenbar nicht mehr die Leitlinien Ihrer Politik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Koalitionäre, so schaffen Sie Unsicherheit für die gesamte maritime Wirtschaft. Wo bleibt denn der angeblich vorhandene wirtschaftspolitische Sachverstand dieser schwarz-gelben Koalition? Ich kann ihn nicht entdecken. Keiner weiß, worauf er sich einzustellen hat. Niemand wird in saubere Technik investieren. Damit verprellen Sie die Schiffbauindustrie in Deutschland und verzögern Investitionen in die für eine moderne, umweltfreundliche und zukunftssichere Schifffahrt auf der Basis von Gasantrieben notwendige Infrastruktur. Sie bedienen damit wieder einmal Einzelinteressen, was wir schon kennen. Wir haben hier die Hoteliersteuer in neuem Gewand. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) So geht das weiter. Sie holpern in einem Maße durch die Thematik, dass man sich wirklich nicht sicher sein kann, ob Sie wissen, was Sie tun. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz sicher nicht!) Genauso unklar wie bei den Treibstoffen bleiben Sie bei einem weiteren internationalen Abkommen. Noch im Juli dieses Jahres soll ein neuer sogenannter Energie-Effizienz-Design-Index für Schiffe eingeführt werden. Wir Grünen sind sicher die Letzten, die sich nicht für eine umweltfreundliche Schifffahrt einsetzen. Der Schiffbau in Deutschland hat eine lange Tradition; sein Anteil am Weltumsatz ist aber aufgrund der großen Konkurrenz aus Asien auf nur noch 1 Prozent gesunken. Nur beim Spezialschiffbau - das ist unsere Domäne - kann Deutschland noch mit modernen Offshoreversorgungsschiffen, mit modernen Fährschiffen und mit modernen Kreuzfahrtschiffen mithalten. Hier liegen die Potenziale unserer Werften. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und da sind Arbeitsplätze!) - Haargenau, Frau Kollegin. - Aber wenn wir nicht aufpassen, dann wird das demnächst anders sein. Wenn der Energie-Effizienz-Design-Index so eingeführt wird, wie es jetzt vorgesehen ist, dann wird es für Spezialschiffe ganz eng. Der Index zielt hauptsächlich auf die Geschwindigkeit der Schiffe als Maß für die Effizienz ab; das allein ist wahrlich kein ausreichendes Kriterium. Genau hier liegt das Problem. Gerade im Spezialschiffbau werden Schiffe mit höheren Geschwindigkeiten gebaut; manche könnten dann als nicht mehr effizient genug gelten. (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?) Damit droht ein Schaden für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Werften. Ich kann nur hoffen, dass dies der Bundesregierung bewusst ist. Unterschreiben Sie nichts, was Sie hinterher nicht einhalten wollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Von dieser Ankündigungskoalition sind wir ja schon einiges gewohnt. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, leider!) Lassen Sie mich deswegen noch ein Wort zur Küstenwache sagen. Nirgendwo sonst wird die Saft- und Kraftlosigkeit dieser Regierung so deutlich wie hier. Schon im Koalitionsvertrag steht dazu nur eine besonders weichgespülte Forderung. Sie wollen keine Küstenwache, sondern reden nur von der Zielsetzung des Aufbaus einer Küstenwache. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles Küstennebel! - Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN - Gegenruf des Abg. Hans-Werner Kammer [CDU/CSU]: Dann haben Sie zu tief ins Glas geguckt!) Aber nicht einmal damit kommen Sie voran. Seit über einem Jahr wird jetzt zwischen den von Ihnen getragenen Ministerien hin- und hergeschachert, wer dabei den Hut aufhaben soll. Außer Ankündigungen ist nichts passiert. Diese Ankündigungskoalition ist ein echtes Trauerspiel. Sie schieben die Posten genauso hin und her wie die Verantwortung. Dabei kommt Ihnen ganz klar der Überblick abhanden. Möglichkeiten werden einfach nicht genutzt. Anders kann ich mir nicht erklären, wieso Deutschland im Juli dieses Jahres die Präsidentschaft im Ostseerat übernimmt, dieses Wort aber in allen Erklärungen zur maritimen Wirtschaft nicht ein einziges Mal erwähnt wird. Das zeigt das völlig fehlende Interesse an der gesamten Thematik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Nun einmal halblang, Frau Kollegin!) Das kennen wir ja schon. Insofern ist das für uns keine neue Erfahrung, aber es ist eine Enttäuschung, vor allem da der Wahlkreis der Kanzlerin direkt an der Ostsee liegt. Über 11 Millionen Menschen fahren jährlich an die Ostsee und wünschen sich eine erholsame Zeit mit frischer Luft und sauberem Wasser. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Ostsee auf dem Meeresgrund in weiten Teilen praktisch tot ist. Hier müsste dringend gehandelt werden. Der Ostseerat wäre eine gute Möglichkeit dazu. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hier könnten Sie mit allen Anrainern zusammen etwas erreichen. Aber entweder denken Sie nicht daran, oder es ist Ihnen egal. Insgesamt muss ich leider sagen: Die Arbeit dieser Bundesregierung ist mehr als enttäuschend. Aber das haben wir auch nicht anders erwartet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie kündigt an, aber setzt dann nichts um. Sie lässt die Möglichkeiten einfach liegen und schafft es nicht einmal, den eigenen Koalitionsvertrag umzusetzen. Sie schiebt die Posten hin und her und verunsichert nicht nur die maritime Wirtschaft. Die Zielrichtung bleibt unklar, und ich habe leider nicht das Gefühl, dass sich daran in Kürze etwas ändern wird. Wirtschaft braucht zu einem nachhaltigen Handeln verlässliche Ziele und kein Herumgeeiere. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) So, wie Sie es derzeit angehen, wird Wilhelmshaven sicherlich kein Aufbruch zu einer nachhaltigen maritimen Wirtschaft. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Torsten Staffeldt ist der nächste Redner für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Torsten Staffeldt (FDP): Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! 70 Prozent der Erde sind von Wasser bedeckt, auf dem Rest wimmeln und tummeln sich Milliarden Menschen. Als Junge habe ich begeistert die Bücher von Hans Hass und Jacques Cousteau gelesen. Wunderbare Erinnerungen an faszinierende Bilder aus Filmen wie zum Beispiel Geheimnisse des Meeres steigen aus meinem Gedächtnis. Jacques Cousteau erkannte, dass der größte Schatz des Meeres nicht seine Rohstoffe sind; es ist der endlose Quell der Inspiration und des Glücks, das wir daraus gewinnen. (Uwe Beckmeyer [SPD]: In der Politik sind wir bei Huckleberry Finn!) - Warten Sie einmal; ich komme noch darauf, keine Sorge. - Beide, Jacques Cousteau und Hans Hass, waren Pioniere. Beide zeigten uns die wunderbare Vielfalt ozeanischen Lebens auf und skizzierten visionär eine Welt, in der menschliches Leben auf und in den Wassern der Weltmeere durch Technik entsteht. "Wir kommen alle aus dem Meer", so Hans Hass. Ich ergänze: Wir bewegen uns dort wieder hin. Lautstark wird daher der Beginn des maritimen Zeitalters proklamiert. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Ist das Inhalt Ihrer Strategie?) Dieses steht bevor, und wir sollten daran teilhaben. Hass war Österreicher, Cousteau Franzose. An unseren deutschen Küsten finden wir neben Bernstein und Windanlagen jahrhundertealte Erfahrungsschätze des Lebens von und mit dem Meer. Diese Schätze sind uns Inspiration, um mutig und verantwortungsvoll - das sage ich insbesondere in Ihre Richtung, Frau Dr. Wilms - unseren Anteil an der Eroberung, Nutzung und Besiedelung der Ozeane zu realisieren. (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eroberung?) Dem dient auch der Antrag der christlich-liberalen Koalition. Aus dieser Grundüberzeugung heraus bestätigen wir der maritimen Wirtschaft, dass ihre Zukunftsfähigkeit eine nationale Aufgabe ist. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Schiffbau und Zulieferer sowie maritime Technologien sind die Basis dafür. Als Menschen bestehen auch wir hauptsächlich aus Wasser. Ohne technische Hilfsmittel können wir aber nicht auf und im Wasser leben. Leider. Gelegentlich wird gemunkelt, dass dies nicht für alle Völker gelte. Niederländer werden angeblich mit Kiemen geboren. Zumindest kann dieser Eindruck entstehen, wenn verglichen wird, welche Rolle das Leben mit und aus dem Wasser für Holländer spielt. Aber wir in Deutschland haben die drittgrößte Handelsschiffsflotte auf den Weltmeeren, und bei der modernen Containerschifffahrt sind wir weltweit spitze. Dem Bericht der Bundesregierung über die maritime Wirtschaft können Sie entnehmen und entnehme ich, dass über 380 000 Menschen in unserem Land in der maritimen Wirtschaft ihren Lebensunterhalt verdienen. Meine Damen und Herren, wir sind richtig gut. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Garrelt Duin [SPD]: Super! Das musste mal gesagt werden! - Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben hochspezialisierte Werften, die im Spezialschiffbau Weltmarkt- und Technologieführer sind und die sich trotz Marktverzerrungen durch Subventionen weltweit am Markt behaupten. Sie haben auch dank der politischen Unterstützung die Klippen der Krise erfreulich gut umschifft. Unsere Reeder beschäftigen 60 000 Seeleute; ich war einmal einer davon. An Land arbeiten Zehntausende, um Schiffe zu bereedern, zu betreiben und zu makeln. Die deutschen Häfen mit ihren Transportketten und Hinterlandanbindungen sind Logistikweltmeister. Das ist eine Erfolgsstory, um die wir beneidet werden; aber Kiemen haben wir immer noch nicht. Schlimmer als blind zu sein, ist, nicht sehen zu wollen. Sehen wir in Deutschland nicht, dass in unserem vom Export abhängigen Land sichtbar ist, dass es besser ist, über deutsche Häfen mit dem Be- und Entladen wertzuschöpfen, dass es besser ist, mit deutschen Schiffen die gigantischen Güterverkehrsmengen der Globalisierung zu transportieren, und dass es besser ist, Schiffe und maritime Technologien weltweit einzusetzen, die nach unseren umweltverträglichen Kriterien entwickelt wurden? Wir beweisen mit unserem Antrag eindeutig und kleinteilig genug, dass wir die maritime Wirtschaft offenen Auges sehen. Wir unterstützen die maritime Wirtschaft durch Innovations- und Forschungsförderung. Wir sorgen dafür, dass die Finanzierungen für Schiffbauer und Zulieferer, Reeder und Technologieunternehmen erhalten bleiben. Wir haben ein 5-Milliarden-Kreditprogramm aufgelegt, um die Windmühlen der Offshorewindenergie zu beflügeln. Wir sind im Atalanta-Einsatz und schützen deutsche Schiffe im vereinbarten Rahmen vor Piraterie. Wir haben Modernisierungsprogramme für die See- und Binnenschifffahrt, um die beiden unbestritten umweltverträglichsten Verkehrsträger weiter zu verbessern, und - das ist der entscheidende Punkt - wir werden die Tonnagesteuer als wesentliches Instrument beibehalten. Zehntausende von Arbeitsplätzen und die damit verbundenen Einzahlungen in die Sozialversicherungssysteme hängen von dieser wichtigen europäischen Vereinfachung ab. Sie alle wissen, dass dies der entscheidende Punkt für die deutsche Schifffahrt ist. Wir weisen aber darauf hin, dass dieses Instrument nur erhalten werden kann, wenn es genug Schiffe unter deutscher Flagge gibt. Meine Damen und Herren, das alles haben Sie auch dieser Bundesregierung, vor allem dem Maritimen Koordinator, Herrn Hans-Joachim Otto, zu verdanken. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Uwe Beckmeyer [SPD]: Toll!) Wir müssen aber auch feststellen, dass weltweit nicht fair gespielt wird, dass maritime Umweltzonen zu Marktverzerrungen und Verkehrsverlagerungen und dass Subventionen im Schiffbau zu Wettbewerbsnachteilen in unserem Land führen. Es ist billig, nun wie die SPD zu rufen: "Dann machen wir da auch mit!"; aber die Rechnung kommt hinterher. Die Stärke der deutschen maritimen Wirtschaft ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass es ihr gelingt, auch ohne das schleichende Gift der Subvention am Weltmarkt zu bestehen. (Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ja, das ist ganz toll! - Weitere Zurufe von der LINKEN: Oh! - Wie gefährlich!) Darauf können die Unternehmen und Belegschaften der maritimen Wirtschaft zu Recht stolz sein. Jetzt muss ich mich leider doch noch ein wenig mit dem SPD-Antrag beschäftigen. Da gibt es in einigen Punkten Übereinstimmung. Präsident Dr. Norbert Lammert: Nein. Dafür sehe ich leider überhaupt keine Möglichkeit. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Jetzt ist Feierabend!) Torsten Staffeldt (FDP): Es geht ganz schnell. Ich bin auf der letzten Seite. - Es gibt da, wie gesagt, in einigen Punkten Übereinstimmung; das freut mich. Dummes Zeug steht aber auch genug drin; Ihre Vorstellungen zur WSV-Reform hat Herr Beckmeyer ja wieder schön vorgetragen. Gut gemeint ist aber noch lange nicht gut gemacht. Unser Antrag weist in die Zukunft, und er ist realistisch umsetzbar. Die Kolleginnen und Kollegen von der SPD lade ich herzlich ein, unserem Antrag zuzustimmen; denn er ist eindeutig der bessere und vor allem der zukunftsfähigere. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam diesen Gedanken verfolgen: Deutschland kriegt Kiemen. Danke schön. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der nächste Redner für die SPD-Fraktion ist der Kollege Garrelt Duin. (Iris Gleicke [SPD]: Atme noch mal richtig tief durch! - Weiterer Zuruf von der SPD: Die FDP geht unter! Deswegen brauchen die Kiemen! - Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo haben Sie Ihre Kiemen?) Garrelt Duin (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tief durch die Nase und den Mund einatmend, (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Du kannst auch einen Schnorchel nehmen! - Vereinzelt Heiterkeit) will ich meine Rede beginnen. Ich möchte zunächst darauf hinweisen, dass wir in der Tat - es ist angesprochen worden - kurz vor der 7. Nationalen Maritimen Konferenz in Wilhelmshaven stehen. Ich erinnere mich noch gut an die 1. Nationale Maritime Konferenz. Ich hatte schon damals das Vergnügen, dabei sein zu dürfen, weil sie quasi bei mir zu Hause, in Emden, stattgefunden hat. Gerhard Schröder hat, als er Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland war, (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Wer ist das denn?) gemeinsam mit der Schiffbauindustrie und nicht zuletzt - das war der eigentliche Auslöser - gemeinsam mit den Gewerkschaften gesagt: Die maritime Industrie hat in Deutschland nicht den Stellenwert, den sie verdient. Wir müssen in einer gemeinsamen Anstrengung versuchen, dies zu ändern. Das tun wir mithilfe des Instruments der Nationalen Maritimen Konferenz und durch den Einsatz eines maritimen Koordinators. - Der Weg, der damals eingeschlagen wurde, war richtig. Ich bin froh, dass die Institutionen der Nationalen Maritimen Konferenz und des Maritimen Koordinators über alle Parteigrenzen hinweg und trotz verschiedener Konstellationen der Bundesregierungen - das muss man an dieser Stelle konstatieren - erhalten bleibt und dies auch für die Zukunft gesichert zu sein scheint. (Beifall bei der SPD) Ich glaube, dass in der Tat eine ganze Menge von Herausforderungen auf uns warten. Ich will zunächst das Thema Schiffbau ansprechen, weil sehr viele Kolleginnen und Kollegen und sehr viele Unternehmen in diesem Bereich tätig sind, mehr noch tätig waren. Wir haben hier radikale und sehr schmerzhafte Einschnitte hinnehmen müssen. Wenn eine Werft keine Werft mehr ist, sondern in ein anderes Feld geht, dann ist das durchaus zukunftsorientiert. Ein Beispiel - Sie kennen es, Herr Staatssekretär - ist der Standort Emden. Sie müssen verstehen, dass es für die Menschen ein tiefer Einschnitt in ihre Lebenskultur ist, wenn in Emden kein Schiff mehr gebaut wird, sondern man dort künftig - das ist die positive Meldung - im Bereich der Offshoretechnologie tätig sein wird, wodurch Arbeitsplätze gesichert werden. Aber es ist ein schwerer Einschnitt. Deswegen müssen wir uns auch an den anderen Standorten, die wir noch haben, mit aller Energie um das Thema Schiffbau kümmern. Handelsschiffbau ist nicht das Feld, in dem wir künftig agieren werden. In dem Bereich haben wir unsere Marktanteile, die ohnehin immer geringer geworden sind, so gut wie verloren. Die Zukunft liegt erstens im Spezialschiffbau. Wir alle kennen die Bilder der großen Passagierschiffe und anderer Schiffe, die in Deutschland gebaut und ausgeliefert werden. Ich möchte aber auf ein zweites Feld zu sprechen kommen: den Marineschiffbau. Beim Marineschiffbau gibt es zwei Standbeine. Das eine Standbein ist das, was wir selber tun können, indem unsere Bundesregierung bzw. die Bundesrepublik Deutschland als Auftraggeber auftritt. Wir sind in dieser Wahlperiode zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in der Situation, dass die Bundesregierung keinen einzigen Auftrag zum Neubau im Bereich des Marineschiffbaus vergibt. Das bringt unsere Werften in eine extrem schwierige Lage. Früher hatten wir zwei Felder: den Handelsschiffbau und den Marineschiffbau. Da aufgrund der internationalen Verflechtungen der Handelsschiffbau weggebrochen ist, müssen wir in diesem Bereich als Nachfrager auftreten. Wenn das eine ganze Wahlperiode lang nicht geschieht, dann gefährdet das Arbeitsplätze wie auch technisches und intellektuelles Know-how in Deutschland. Das ist Ihre Verantwortung, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Bundesregierung. (Beifall des Abg. Uwe Beckmeyer [SPD]) Das zweite Standbein ist der Export. Wenn wir in diesem Bereich zu zögerlich sind und unter anderem keine Hermesbürgschaften gewährt werden, dann bricht uns auch dieses Standbein, der Export im Marineschiffbau, weg. Das dürfen wir nicht zulassen. Lieber Herr Staatssekretär Otto, setzen Sie sich als Maritimer Koordinator der Bundesregierung auch gegenüber den anderen Häusern, insbesondere gegenüber dem Verteidigungsministerium dafür ein, dass wir dieses Standbein des Marineschiffbaus in Deutschland nicht verlieren! Wenn ich über den Schiffbau spreche, geht es selbstverständlich auch um die Finanzierung. Herr Otto, der VSM und die IG Metall, Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. Unternehmen und Arbeitnehmer, haben Ihnen im letzten Jahr konkrete Vorschläge gemacht. Sie haben die Verlängerung der Möglichkeit, Kredit- und Bürgschaftsmittel mit erhöhten Haftungsfreistellungen zu gewähren, gefordert. Sie haben die Bereitschaft des Bundes eingefordert, für Bürgschaften im Schiffbaubereich das hälftige Risiko bzw. 60 Prozent in Ostdeutschland zu übernehmen und einiges mehr. Sie wollen davon nichts wissen. Mich überrascht daran nicht, dass ein FDP-Politiker von diesen Instrumenten keinen Gebrauch machen will. Das überrascht mich nicht im Geringsten. Aber eines überrascht mich sehr, Herr Rehberg: Noch im vergangenen Jahr, am 8. November 2010, haben Sie Ihren Kongress zur maritimen Wirtschaft durchgeführt. (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Er war super!) - Das war unser Kongress, den wir vor wenigen Wochen veranstaltet haben, auch. - Dort haben Sie der versammelten maritimen Wirtschaft ein Positionspapier vorgelegt, in dem unter anderem die Prüfung der Bereitschaft des Bundes bei gleichzeitiger Bereitschaft des betroffenen Bundeslandes gefordert wird, für Bürgschaften im Schiffbaubereich künftig gegebenenfalls das hälftige Risiko bzw. 60 Prozent in Ostdeutschland zu übernehmen. Das ist die Forderung von VSM und IG Metall. In dem Papier wird auch die Prüfung der möglichen dauerhaften Beibehaltung der erhöhten Bürgschaftsquote von 90 Prozent und anderem gefordert, durch die der Kreditbedarf ausreichend besichert werden soll. Das war der Stand bei dem Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur maritimen Wirtschaft im November. (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Genau!) Warum stehen diese Punkte nicht in dem von Ihnen vorgelegten Antrag? Sie sind zwar nach wie vor dafür, Herr Rehberg und die CDU/CSU, aber die FDP lässt das nicht durchgehen. Sie lassen sich von der FDP an der Nase herumführen und schädigen damit gegen besseres Wissen das Anliegen, die deutsche Schiffbauindustrie zu unterstützen, Herr Rehberg. (Beifall bei der SPD - Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie über 10 Prozent Kapitalkosten bei der 90-prozentigen Bürgschaftsquote bezahlen!) Zur FDP: Sie haben eben noch einmal dargestellt, Herr Staffeldt, wie Sie sich das alles vorstellen. Am 5. Mai war aber in der Welt unter der Überschrift "Hilfe für deutsche Werften" zu lesen: Auch in der FDP reift die Erkenntnis, dass der Schiffbau ohne Subventionen nicht überlebt. Es ist von einem Papier die Rede, an dem Sie federführend mitgearbeitet haben sollen und das nach der Sommerpause in die Fraktion und dann ins Parlament eingebracht werden soll. Darin stellen die Liberalen fest, dass die deutschen Werften vor enormen Herausforderungen stehen und dass man nach der Sommerpause entsprechende Instrumente - diese haben Sie in Ihrer heutigen Rede noch abgelehnt - schaffen will. Sie können vor der Realität nicht weglaufen. Die deutsche Schiffbauindustrie braucht Unterstützung mit entsprechenden Finanzierungsmodellen. (Beifall bei der SPD) Zweitens. Wenn wir über den Schiffbau hinausschauen und uns ansehen, welche Chancen wir in der Zukunftsindustrie der maritimen Wirtschaft haben, dann stellen wir fest, dass das Thema Offshore eine große Rolle spielt. Da das Verkehrsministerium an unserer Debatte so prominent teilnimmt, will ich ausdrücklich sagen, dass ich es für richtig halte, dass man die Genehmigungsverfahren nicht mehr auf mehreren Schultern verteilt, sondern wieder das BSH für allein zuständig erklärt. Öffnen Sie aber endlich auch den 5-Milliarden-Topf für die Förderung von Investitionen im Schiffbau! Drittens. Herr Beckmeyer hat darauf schon hingewiesen: Die maritime Wirtschaft ist von einer funktionierenden Infrastruktur abhängig. Eine funktionierende Infrastruktur braucht auch eine funktionierende und schlagkräftige Verwaltung. Das, was Frau Winterstein und andere im Haushaltsausschuss auf den Weg bringen wollen - Sie wollen die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung privatisieren, was einer Zerschlagung gleichkommt -, ist der falsche Weg. Die Antwort, die das Verkehrsministerium darauf gibt, Herr Ferlemann und Herr Ramsauer, ist zwar besser als das, was Frau Winterstein vorhat. Aber es reicht nicht aus. Hören Sie - das wissen Sie doch aus eigener Erfahrung besser - mit der Klassifizierung der Wasserstraßen auf! Das ist an den entscheidenden Orten unseres Landes schlecht für die maritime Wirtschaft. Hören Sie auf, an der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung herumzudoktern! Ziehen Sie Ihre Konzepte, über die aktuell diskutiert wird, zurück! Machen Sie sich frei davon! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Angesichts der Zeit komme ich zum letzten Punkt, der nicht immer im Zentrum unserer Debatten steht, der aber aktuell wichtig ist. Lieber Kollege Kammer, im Antrag der Regierungskoalition lässt sich kein einziges Wort zur Fischerei in Deutschland finden. Dabei ist auch sie Teil der maritimen Wirtschaft. Die Fischerei insbesondere bei uns an der Küste befindet sich gerade in einer desaströsen Situation. Kostendeckende Preise sind nicht zu erzielen. Wir haben in unserem Antrag dazu einige Punkte aufgegriffen. Es wäre gut, wenn der gesamte Deutsche Bundestag deutlich macht: Wir brauchen die Fischerei in Deutschland nicht für irgendwelche Folkloreveranstaltungen in den Tourismushäfen. Wir müssen die Konflikte, die zum Beispiel durch die Nutzung von Offshoreanlagen entstehen, lösen. Ich wäre froh gewesen, wenn CDU/CSU und FDP wenigstens ein Wort zu diesem zentralen Punkt verloren hätten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Ingbert Liebing für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Ingbert Liebing (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Beauftragte der Unionsfraktion für maritime Wirtschaft, mein Kollege Eckhardt Rehberg, hat in seinem Beitrag eindrucksvoll beschrieben, vor welchen Herausforderungen die maritime Wirtschaft zurzeit steht und mit welchen Forderungen wir in die Nationale Maritime Konferenz gehen wollen. Ich brauche nicht zu wiederholen, welche wirtschaftlichen Interessen und Chancen mit diesem Thema verbunden sind. Ich möchte vielmehr aufzeigen, warum und wie wir die wirtschaftlichen Interessen mit den Anliegen des maritimen Umweltschutzes verbinden. Natürlich gibt es Nutzungskonflikte und mögliche Risiken. Der steigende Flächenbedarf für den Ausbau der Offshorewindenergie und die Schifffahrt, nicht nachhaltige Fischereipraktiken, die Gewinnung von Bodenschätzen und Energie aus dem Meer, Verschmutzung und Vermüllung sowie die Erwärmung der Meere infolge des Klimawandels sind nur einige Stichworte. Unser Ziel ist es, Nutzungskonflikte zu befrieden und zu einem Interessenausgleich zu kommen. Chancen nutzen, Risiken beherrschen, das ist unser Motto bei diesem Thema. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wenn wir von der Bedeutung des Meeresumweltschutzes sprechen, darf ein Hinweis nicht fehlen: Der Verkehrsträger Schiff ist nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus ökologischen Gründen das sinnvollste Verkehrsmittel. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Denn gemessen an der Transportleistung, ist sein Schadstoffausstoß am geringsten. Deshalb wird aus meiner Sicht die kritische Betrachtung dieses Themas im SPD-Antrag den Sachverhalten nicht gerecht. Die maritime Umwelttechnologie in Deutschland macht große Fortschritte. Die deutsche Industrie ist in diesem Bereich gerade für die Schifffahrtsbranche weltweit führend. Die ersten Doppelhüllentanker sind in Deutschland gebaut worden. Die Branche verfügt über exzellente Ingenieure und einen hohen Ausbildungsstandard. Ich nenne für neue Innovationen nur wenige Stichworte: den Einsatz von Brennstoffzellen, die Ausrüstung von Frachtschiffen mit Zugdrachen oder den Einsatz von LNG als Brennstoff. Die Unternehmen, die auf Forschung und Innovation setzen, werden beste Chancen haben. Wachstum in der Schifffahrtsbranche ist deshalb auch in dieser Hinsicht im Einklang mit der Ökologie möglich. Höhere Umweltstandards können auch im ökonomischen Interesse liegen. Von der Entwicklung neuer Technologien für eine noch geringere Umweltbelastung durch die Schifffahrt können Umwelt und Wirtschaft gleichermaßen profitieren, wenn man es denn richtig macht. Das heißt aber, dass Umweltstandards praxistauglich gesetzt werden müssen. Deswegen komme ich noch mal zu dem Thema der SECAs, die hier schon mehrfach angesprochen worden sind. Mit der Ausweisung dieser Sondergebiete für schwefelreduzierte Immissionen werden ab 2015 die Emissionswerte von derzeit 1 Prozent auf 0,1 Prozent in Nord- und Ostsee abgesenkt. Dies hätte den Einsatz von Destillaten zur Folge, soweit noch nicht andere Technologien wie die Scrubber-Technologien tatsächlich eingesetzt werden können. Aber die Destillate sind deutlich teurer, und teurere Treibstoffkosten können zu Verkehrsverlagerungen von See auf Land führen. Das ist genau das, was wir nicht wollen. Die möglichen Risiken, die möglichen negativen Folgen dieser Verkehrsverlagerungen sind durch Studien belegt. Deswegen ist es genau richtig, dass wir uns jetzt Gedanken darüber machen, wie man zu Lösungen kommt, zu praxistauglichen Lösungen insbesondere für die jetzt vorhandenen Schiffe. Bei Neubauten, sagt uns die Branche, kriegen wir das in den Griff. Aber wir müssen uns um die jetzt fahrenden Schiffe kümmern. Deswegen möchte ich ausdrücklich den Einsatz sowohl des Verkehrsministers Peter Ramsauer als auch seines Staatssekretärs Enak Ferlemann loben, die sich um dieses Thema kümmern, weil diejenigen, die das früher eingeführt haben, das eben versäumt haben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Uwe Beckmeyer [SPD]: VDR, Verband Deutscher Reeder!) - Da sollten Sie mal ganz ruhig sein! Sie haben das ja mit Ihren Genossen verbockt, Herr Beckmeyer. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie sind völlig neben der Spur! VDR, der Verband der Reeder!) Maritimer Umweltschutz braucht sicheren Schiffsverkehr. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Das ist der Verband der deutschen Reeder! Die arbeiten dort in den Kommissionen! Wollen Sie das mal realisieren?) - Genau, ist ja richtig. Wir machen das ja gemeinsam mit der Branche. Es wäre nur besser gewesen, wenn man das rechtzeitig, vor der Beschlussfassung, gemacht hätte. Es ist Ihre Verantwortung, das nicht getan zu haben. (Beifall bei der CDU/CSU - Uwe Beckmeyer [SPD]: Das ist mit Zustimmung des Verbands Deutscher Reeder passiert!) Maritimer Umweltschutz braucht sicheren Schiffsverkehr. Dafür haben wir vor der Küste in der Deutschen Bucht und an der Ostsee einiges erreicht. Ich nenne nur das Havariekommando in Cuxhaven. Aber die Einrichtung des Havariekommandos ist letztlich die Folge eines schweren Unglücks von vor über zehn Jahren gewesen, die Havarie der "Pallas" vor Amrum. Das Erlebnis steckt uns allen an der Küste noch in den Knochen. Aber die derzeitige Behördenstruktur mit verschiedensten Bundes- und Landesbehörden und den gesplitteten Zuständigkeiten ist trotz erreichter Fortschritte nach wie vor unbefriedigend. Der Aufbau einer nationalen Küstenwache ist im Koalitionsvertrag verankert, und das Bekenntnis zu dieser notwendigen Aufgabe haben wir in unseren Antrag aufgenommen. Mit der heutigen Beschlussfassung unterstreichen wir diese Erwartungshaltung an die Bundesregierung, dass die Zielsetzung einer nationalen Küstenwache mit der Integration der Bundesbehörden auf See jetzt auch in einem ersten Schritt vollzogen wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich erwarte, dass im Gegensatz zu manchem hinhaltenden Widerstand einzelner Fachbehörden dies jetzt auch wirklich umgesetzt wird, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen, nicht nur reden!) Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Aspekt aufgreifen, der mir sehr am Herzen liegt. Die Schifffahrt ist zwingend angewiesen auf Sicherheit und auch auf eine freie Schifffahrt auf allen Weltmeeren. Das, was wir insbesondere im Indischen Ozean mit zunehmenden Piratenangriffen erleben, macht uns Sorge, zunehmende Sorge, weil wir die Intensität, aber auch die zunehmende Brutalität in den Angriffen der Piraten feststellen, da es inzwischen auch zu Toten gekommen ist. Unsere Marine leistet hier einen wichtigen Beitrag im Rahmen von Atalanta, den ich ausdrücklich anerkennen und würdigen möchte. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich baue darauf, dass auch diese Erfahrungen in die jetzt notwendigen Entscheidungen im Rahmen der Bundeswehrstrukturreform einfließen. Die Marine leistet hier einen wichtigen Beitrag für die freie Schifffahrt als Voraussetzung für freien Welthandel. Wir müssen aber auch feststellen, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Seewege tatsächlich ausreichend zu schützen. Die langfristige und durchgreifende Lösung wird sicherlich nur in veränderten staatlichen Strukturen und in der Gewährleistung von Sicherheit an Land liegen. Wir brauchen diesbezüglich eine Lösung, insbesondere für Somalia. Aber darauf können wir nicht warten. Wir brauchen auch kurzfristige Maßnahmen; wir brauchen mehr als das, was bisher geschehen ist. Der Rat, keine Schiffe mehr durch den Suezkanal, sondern um Afrika herum fahren zu lassen, kann nicht zielführend sein. Ein solches Vorgehen käme einer Kapitulation, auch der Welthandelsnation Deutschland, gegenüber international geächteten Piraten gleich. Wir setzen uns dafür ein, nach weiteren Wegen zu suchen, um die Schifffahrt wirksam gegen Piratenangriffe zu sichern. Die Sicherheit der deutschen maritimen Wirtschaft und der für Deutschland wichtigen Handelswege muss oberste Priorität für eine Exportnation wie Deutschland haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die 7. Nationale Maritime Konferenz in Wilhelmshaven stellt sich allen diesen wichtigen Herausforderungen. Ich hoffe und ich bin auch zuversichtlich, dass von dieser Konferenz ein gutes und ein starkes Signal für unsere Branche ausgehen wird, die sich mit den Herausforderungen auseinandersetzt. Sie erhält die Unterstützung der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages. Wir sollten die Chancen nutzen und uns gleichzeitig der Risiken bewusst sein. Die Risiken sollten wir aber nicht in den Vordergrund stellen, sondern wir sollten ausdrücklich sagen: Mit diesen Aufgaben sind vor allem Chancen verbunden, die wir für unsere maritime Wirtschaft nutzen wollen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Herbert Behrens für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Herbert Behrens (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will auf den Titel dieser Debatte zurückkommen. Eigentlich wollten wir uns über Zukunftsperspektiven für die maritime Wirtschaft unterhalten. Dazu ist nach meinem Dafürhalten bislang zu wenig gesagt worden. Die maritime Wirtschaft ist eine Exportwirtschaft. Das wurde von allen hier anerkannt; da sind wir uns sicherlich alle einig. Bei den Unternehmen im Schiffbau, in der Seeschifffahrt und in der Hafenwirtschaft läuft es dann gut, wenn die Weltwirtschaft brummt. Dagegen pfeifen diese Unternehmen aus dem letzten Loch, wenn die Weltwirtschaft in die nächste Krise stürzt. (Torsten Staffeldt [FDP]: Wenn die Linken an der Regierung sind!) - Das war 2008 und 2009 so, also in einer Zeit, in der die Linke nicht an der Regierung war, sondern diese Bundesregierung und ihre Vorgängerin. - Die Folgen dieser Krise sind hochdramatisch gewesen, auch für die maritime Wirtschaft. Ich denke, es ist notwendig, dass die Zukunftsperspektiven der maritimen Wirtschaft in Deutschland anders beurteilt werden als im Moment in der Darstellung der Bundesregierung. Den Werften geht es immer noch nicht gut. Die Bedingungen der Beschäftigten auf den Schiffen sind teilweise katastrophal, und der Umschlag von Seegütern hat das Niveau von vor der Krise noch nicht wieder erreicht. Die Kolleginnen und Kollegen belastet das ständige Auf und Ab in ihren Unternehmen, auf den Werften, in den Logistikbetrieben und bei den Herstellern von Offshoreanlagen. Die Unternehmen kennen nur Boom oder Krise, ein ständiges Auf und Ab. Das hält auf Dauer keine Belegschaft aus. Das hält auf Dauer aber auch kein Betrieb aus. Es führt immer wieder dazu, dass Wissen, Vermögen und Perspektiven vernichtet werden. So müsste eine Beschreibung der Wirklichkeit aussehen, nicht weil wir das toll finden, sondern weil wir eine wahrhaftige Analyse brauchen, wenn wir eine soziale und ökologische Verkehrswirtschaft gestalten wollen. (Beifall bei der LINKEN) Wir kritisieren den Wachstumsfetisch, dem die Bundesregierung unterliegt. Zukunftsperspektiven der maritimen Wirtschaft müssen anders definiert werden. Unsere Kriterien dafür sind soziale und gerechte Standards für die Beschäftigten, fairer Welthandel und eine ökologisch ausgerichtete maritime Wirtschaft. (Beifall bei der LINKEN) Ich will ein paar Beispiele dafür geben. Die Bundesregierung will Weser, Elbe und auch die Ems über viele Kilometer ausbaggern. Die großen Seeschiffe sollen weit ins Land fahren können und dort ihre Ladung löschen oder aufnehmen. (Garrelt Duin [SPD]: Richtig so!) Das ist dann unsinnig, wenn gleichzeitig in Wilhelmshaven der JadeWeserPort gebaut wird, den Schiffe mit Tiefgängen von bis zu 16,5 Metern anfahren können. Wir meinen: Schiffe dieser Größe sollten und können Wilhelmshaven anlaufen, ihre Frachten können und sollen dort teilweise oder ganz gelöscht werden. Dann können sie ihre Reise fortsetzen. Die Güter würden von Wilhelmshaven aus vorwiegend über Schiff oder Schiene weiterverteilt. Der Transport über die Straße würde nur in Ausnahmefällen stattfinden. Von diesem Gedanken der Vernetzung der Küstenländer und ihrer Häfen ist die Bundesregierung eigentlich gar nicht so weit entfernt. Das steht ansatzweise in ihrem Papier. Aber sie bleibt in diesem Ansatz stecken und sagt: Für die Seehäfen sind die Bundesländer zuständig. - Ja, das stimmt, für die Häfen schon, aber alles, was davor oder danach kommt, liegt im Aufgabenbereich der Bundesregierung, ob es die seewärtigen Zufahrten oder die Hinterlandanbindungen sind. Ein integriertes, nachhaltiges Hafenkonzept muss dieses Hemmnis - da ist der Föderalismus eine Herausforderung - überwinden. (Beifall bei der LINKEN) Das nächste Beispiel: Das Güterverkehrsaufkommen soll bis 2025 auf das Zweieinhalbfache der heutigen Mengen wachsen. Dass diese Prognosen auf der Grundlage eines Ölpreises von 60 Dollar pro Barrel berechnet werden, wird nicht erwähnt. Der weltweite Güterverkehr wird aber in Zukunft teurer werden - das wissen wir schon heute -, und er wird Einfluss auf die Exportwirtschaft haben. Sinnvolle Perspektiven, Zukunftsperspektiven für die maritime Wirtschaft in Deutschland können nur auf der Basis einer neuen Verkehrsprognose entwickelt werden. Daraus folgt, dass wir Alternativen mit den Unternehmen entwickeln wollen. Zurzeit wird der Umschlag von Offshorewindanlagen gepusht. Das ist vernünftig, aber das darf nicht völlig einseitig passieren. Die Produktion und der Umschlag von Windkraftanlagen für die See benötigen nur einen Teil der vorhandenen Qualifikationen auf den Werften und in der Zulieferindustrie, und man braucht auch nur einen Teil des vorhandenen Know-hows in Technik und Wissenschaft. Die Leute können mehr. Wir brauchen dringend innovative, umweltfreundliche Schiffsantriebe und Verfahren, wie Schiffe in den Häfen mit sauberer Energie versorgt werden können. Das ist der Ansatzpunkt für eine wirklich ambitionierte Technologiepolitik an der Küste. Wir stehen vor riesigen Herausforderungen bei der Gestaltung einer umweltgerechten Nutzung der Meere. Das sind die neuen Aufgaben für Unternehmen, deren bisherige Beschäftigung wegfällt, und für neue Unternehmen, die mit innovativen Technologien auf den Markt drängen. Die 150 Millionen Euro, die die Bundesregierung für das Forschungsprogramm "Maritime Technologien der nächsten Generation" bis 2015 zur Verfügung stellt, reichen längst nicht aus. (Beifall bei der LINKEN) Noch ein Wort zur Situation der Beschäftigten auf den Schiffen: Die deutsche Schifffahrt ist heute von Billigflaggen und Zweitregistern geprägt. Billigflaggenschiffe bedeuten mangelnde Sicherheit, gekaufte Patente und unregelmäßige Arbeitszeiten. (Torsten Staffeldt [FDP]: Quatsch, Herr Behrens, Sie wissen genau, dass das nicht stimmt!) Mit der Einführung der Tonnagesteuer im Jahr 1999 sollte erreicht werden, dass wieder mehr Schiffe unter deutscher Flagge fahren. Das hat im Jahr 2004 beispielsweise 1 Milliarde Euro weniger Steuereinnahmen gebracht, aber nicht verhindert, dass inländische Reeder ihre Schiffe weiter ausgeflaggt haben. 600 von 3 000 Handelsschiffen sollten nach der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Reedern wieder unter vernünftigen Bedingungen fahren, 445 sind es heute. Das Billigflaggensystem muss überwunden werden. Wir brauchen einen verbindlichen Ordnungsrahmen für die Schifffahrt und keine Anreizsysteme und Selbstverpflichtungen. Die funktionieren nicht. Nur wenn die ökologischen und sozialen Bedingungen in der maritimen Wirtschaft so gestaltet werden, dass sie in die Zukunft weisen, können wir wirklich von Perspektiven der maritimen Wirtschaft sprechen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Hans-Werner Kammer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Leistungsfähige Seehäfen sind für die maritime Wirtschaft und damit für die ganze im- und exportabhängige Volkswirtschaft der Bundesrepublik unverzichtbar. Es ist daher ein zentrales Anliegen der christlich-liberalen Koalition, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Seehäfen im internationalen Vergleich noch weiter zu stärken. Der Logistikstandort Deutschland muss auch in Zukunft weltweit führend sein. Entscheidend sind dabei die Hinterlandanbindung und die seewärtigen Zufahrten. Unsere Devise dabei ist: Hochleistungslogistik statt Flaschenhals. Dieses Prinzip haben wir nicht nur im Koalitionsvertrag, sondern auch im "Aktionsplan Güterverkehr und Logistik" und im nationalen Hafenkonzept verankert. Im Gegensatz zu den Kollegen von der Sozialdemokratie, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit alles Mögliche aufschreiben und fordern, werden wir unsere Absichten auch umsetzen. Die Koalition redet nicht, sie handelt entschlossen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen des Abg. Uwe Beckmeyer [SPD]) Lassen Sie mich als Verkehrspolitiker einige Beispiele dafür nennen, wie es in Zukunft aussehen wird und wie es in der Vergangenheit aussah. Herr Beckmeyer, ich kann Ihnen nur sagen: Das Lachen wird Ihnen dann vergehen. Ein Beispiel dafür, wie es in der Vergangenheit aussah, ist die zweigleisige Schienenanbindung des JadeWeserPorts in Wilhelmshaven. Nicht weniger als fünf sozialdemokratische Verkehrsminister haben Anwohnern und der Wirtschaft elf Jahre lang immer wieder vorgegaukelt, dass eine leistungsfähige Eisenbahnanbindung des Tiefwasserhafens rechtzeitig zu dessen Eröffnung fertig wäre. Das klang schön, war aber schlichtweg die Unwahrheit. Das waren Ihre Verkehrspolitiker. Nur dank der zupackenden Art unseres Verkehrsministers (Beifall des Abg. Dr. Johann Wadephul [CDU/ CSU] - Uwe Beckmeyer [SPD]: Hat die Deutsche Bahn sich jetzt entschlossen, das zu bauen! - Garrelt Duin [SPD]: Da lachen jetzt alle!) und seiner Überzeugungskraft gelang es uns mit vereinten Kräften in allerletzter Minute, für eine bedarfsgerechte zweigleisige Schienenanbindung zu sorgen. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Das hat die Bahn immer versprochen! Ist in Ordnung!) Um ein Haar hätte die sozialdemokratische Schlamperei im Verkehrsministerium dazu geführt, (Beifall des Abg. Torsten Staffeldt [FDP]) dass der JadeWeserPort keine Erfolgsstory, sondern eine Lachnummer geworden wäre. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Garrelt Duin [SPD]: Wir haben ihn überhaupt erst auf den Weg gebracht! Uwe Beckmeyer [SPD]: So viel zu Ihrer Märchenstunde!) So sah sozialdemokratische Verkehrspolitik aus. Herr Beckmeyer, an dieser Stelle habe ich mein Konzept umgeschrieben; (Garrelt Duin [SPD]: Es ist nicht besser geworden!) denn Frau Dr. Wilms, Sie und auch Herr Bartsch haben gefordert, dass wir handeln und aufzeigen, wo wir Taten vollbringen. Ich möchte Ihnen dazu einige Beispiele nennen. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Dann los!) Wir werden die Fahrrinne der Elbe anpassen. Die Bundesrepublik Deutschland wird fast 250 Millionen Euro investieren, damit der Hafen der Freien und Hansestadt Hamburg auch von Containerschiffen mit einem Tiefgang von 14,5 Metern erreicht werden kann. (Garrelt Duin [SPD]: Macht die CDU-Landesregierung in Niedersachsen da auch mit?) - Ich kann Ihnen dazu sagen: Der Ministerpräsident Niedersachsens trägt eine hohe Verantwortung für sein Land, und dieser Verantwortung wird er auch dort gerecht werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Garrelt Duin [SPD]: Das ist wohl wahr: auf Druck der Hamburger! Weil in Hamburg endlich wieder gut regiert wird!) Der Hamburger Hafen wird ein erfolgreicher Mitspieler im internationalen Wettbewerb bleiben. Meine Damen und Herren von der Opposition, so sieht Zukunft aus. Ein weiterer Punkt - ich nenne ausdrücklich norddeutsche Beispiele; da kennen Sie sich ja etwas besser aus -: Wenn keine unvorhergesehenen Schwierigkeiten auftreten, dann können wir noch in diesem Sommer damit beginnen, die Fahrrinne von Unter- und Außenweser zu optimieren. Das ist ein 50-Millionen-Euro-Projekt, das für die Massenguttransporte nach Brake und Bremen und für den Containerverkehr nach Bremerhaven unerlässlich ist. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Auch da muss Niedersachsen einverstanden sein!) - Auch hier legen wir los, Herr Beckmeyer. Der Hafen Emden muss besser für Autotransport- und Massengutschiffe erreichbar sein. Wir werden das Planfeststellungsverfahren für den Ausbau der Außenems einleiten. Wir reden nicht, wir handeln. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Garrelt Duin [SPD]: Sie vollenden nur all das, was wir begonnen haben!) - Ich muss Sie ja richtig treffen, sonst wären Sie nicht so aufgeregt. (Garrelt Duin [SPD]: Weil es so viel Unsinn ist!) Auch der Nord-Ostsee-Kanal muss fit für einen immer weiter steigenden Verkehr gemacht werden. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Richtig!) Hier steht nicht nur der Neubau einer dritten großen Schleuse auf unserer Agenda, sondern auch der Ausbau der 20 Kilometer langen Oststrecke des Nord-Ostsee-Kanals. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Richtig!) Außerdem sind wir dabei, die Teilplanung für die Vertiefung des gesamten Kanals um 1 Meter vorzunehmen. Wir packen auch diese Dinge an. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Uwe Beckmeyer [SPD]: Wer hat es erfunden? Die Sozialdemokaten! Mach weiter so!) Genauso machen wir es mit den Schienenwegen, die für die Hinterlandanbindungen unserer Seehäfen lebenswichtig sind: Trotz aller Schwierigkeiten aus sozialdemokratischer Vergangenheit werden wir den Vollausbau der Eisenbahnstrecke von Wilhelmshaven nach Oldenburg bis 2014 erreichen. Die Planung der Y-Trasse zwischen Hamburg und Hannover einerseits und Bremen und Hannover andererseits kann nun endlich beginnen. Planungsmittel stehen bereit. Der Ausbau der Strecke Stelle-Lüneburg wird bald fertiggestellt sein. Ebenso wichtig ist allerdings auch die Anbindung der Seehäfen an ein leistungsfähiges Straßennetz. Hierbei ist besonders die Küstenautobahn A 20 von Stettin über Rostock und Lübeck durch den Wesertunnel bis zur A 28 bei mir in Westerstede zu nennen. Auch den kontinuierlichen Ausbau des Autobahnnetzes dürfen wir nicht vergessen. Es ist klar, dass steigende Anforderungen an unsere Infrastrukturnetze auch solide finanziert werden müssen. Die Unterfinanzierung von gestern rächt sich spätestens morgen. Wir werden auch hier gegensteuern. (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher soll denn das Geld kommen?) Die Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag hat richtigerweise erkannt - da muss ich sie sogar einmal loben -, (Garrelt Duin [SPD]: Danke!) dass Deutschland über eines der besten und modernsten Verkehrsinfrastruktursysteme weltweit verfügt. Dieser Analyse kann ich mich nur anschließen. Das muss aber auch so bleiben. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Dann tun Sie etwas dafür!) Diese Spitzenstellung können wir nur dann erhalten, wenn wir unsere Infrastruktur ständig an den wachsenden Bedarf anpassen. (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen den Bedarf ehrlich berechnen!) Meine Kollegen von der Opposition, es wäre gut, das Interesse an dem Wohlergehen unseres Gemeinwesens hinter Ihre Sucht nach kurzfristiger Popularität zu stellen; denn Fensterreden im Bundestag nutzen nichts, wenn Sie dann bei Demonstrationen vor Ort in der ersten Reihe stehen und sich gegen die Zukunft Deutschlands aussprechen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ein Musterbeispiel dafür ist die Diskussion um die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Erzählen Sie einmal etwas dazu!) Bei Sozialisten aller Couleur steht nicht etwa die Frage im Vordergrund, wie wir angemessen auf die neuen Verhältnisse reagieren. Sie wollen stattdessen am liebsten den gegenwärtigen Status konservieren. Stillstand führt in den Abgrund. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie schließen jetzt erst mal Hannover, nicht?) Das gilt genauso für die A 20. Da wende ich mich besonders an die Grünen, die an jeder Stelle verhindern wollen, dass diese Strecke ausgebaut wird. (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir brauchen sie nicht! Für 15 000 Autos brauchen wir keine Autobahn!) Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen, lieber Garrelt Duin. Sie haben gesagt, dass die Fischer in unserem Antrag nicht vorkommen. Für sechs Maritime Konferenzen in der Vergangenheit trugen Sie die Verantwortung. Bei keiner dieser Konferenzen waren die Fischer vertreten. (Garrelt Duin [SPD]: Das stimmt nicht!) Ich kann hier nur ausdrücklich sagen, dass unser niedersächsischer Ministerpräsident sich gerade in den letzten Tagen ausdrücklich der Sorgen der Krabbenfischer angenommen hat (Uwe Beckmeyer [SPD]: Das sind doch nicht nur die Krabbenfischer! Fischerei ist ein bisschen mehr!) und die Nachrüstung der elektronischen Logbücher übernimmt. Auch hier handeln wir entschlossen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Garrelt Duin [SPD]: Sie leiten EU-Geld weiter! Sonst passiert überhaupt nichts!) Meine Damen und Herren von der Opposition, ich fordere Sie auf, mit uns für den Fortschritt und die Sicherung unserer Zukunft zu kämpfen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekennt sich zu ihrer Verantwortung für die maritime Wirtschaft in ganz Deutschland. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Aber sehr schwächlich!) Dafür steht unser Antrag. Als Wahlkreisabgeordneter freue ich mich natürlich besonders, dass der neue JadeWeserPort und die Energiedrehscheibe Wilhelmshaven dabei als richtungsweisend in Niedersachsen in herausragender Weise gewürdigt werden. (Garrelt Duin [SPD]: Wir freuen uns auch! Aber Sie können nichts dafür! Da war Oppermann noch in der Regierung!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Ich bin beim letzten Satz. - Ich freue mich auch, viele von Ihnen in der übernächsten Woche in Wilhelmshaven anlässlich der 7. Nationalen Maritimen Konferenz auf dem Gelände des neuen Tiefwasserhafens für Deutschland begrüßen zu dürfen. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Thomas Bareiß von der CDU/CSU-Fraktion ist der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt. (Beifall bei der CDU/CSU) Thomas Bareiß (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich muss gestehen, dass für mich als Schwaben das Thema "Maritime Wirtschaft" durchaus eine Herausforderung darstellt. Die jetzt eineinhalbstündige Debatte hat in ganz besonderer Weise gezeigt, dass die Infrastruktur und insbesondere die Verkehrsknotenpunkte ein ganz entscheidendes Thema sein werden, wenn es um die Zukunft Deutschlands und um die Frage geht, ob wir weiterhin die Drehscheibe für Handel, für Gewerbe und für Produkte in der Welt sein werden. Deutschland ist in ganz besonderer Weise von diesem Handel abhängig. Wir sind der Handelsplatz Nummer eins, was die Organisation der Exporte betrifft. Dieses Jahr haben wir wahrscheinlich erstmalig Exporte - sowohl von Waren als auch von Dienstleistungen - im Wert von über 1 000 Milliarden Euro. Gleichzeitig werden derzeit Waren im Wert von über 900 Milliarden Euro importiert. Das heißt, dass wir nicht nur beim Export spitze sein werden, sondern auch beim Import. Dafür brauchen wir leistungsfähige und moderne Infrastrukturen im Bereich der Flughäfen, der Straßen, der Schiene und vor allen Dingen auch der Häfen. Daran wird sich, wie gesagt, auch die Zukunft Deutschlands in den nächsten Jahren festmachen. Ein besonderer Punkt, den ich in meiner Rede herausgreifen möchte, ist das Thema der Energiesicherheit und die Frage, wie wir über unsere Häfen bzw. über die maritime Wirtschaft Zugänge zu Energieressourcen in den nächsten Jahrzehnten sicherstellen können. Ich glaube, auch in diesem Bereich wird die maritime Wirtschaft in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen. Wenn wir früher aus der Kernenergie aussteigen wollen - darüber haben wir an diesem Ort ja in dieser Woche schon mehrfach diskutiert -, müssen wir uns schneller um Ersatz für diese Energiequelle bemühen. Eine Möglichkeit zum Ersatz - damit möchte ich beginnen - stellen fossile Energieträger dar. Davon werden wir in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten mehr benötigen. Wir brauchen zum einen mehr Steinkohle. (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allerhöchstens Gas, aber keine Kohle!) Diese wird größtenteils über unsere Häfen importiert. Der Hamburger Hafen steht mit 6,4 Millionen Tonnen Steinkohle beim Import an erster Stelle. Wir brauchen in Deutschland in den nächsten Jahren aber zum anderen - auch das ist ja bekannt - mehr Gas. Dazu müssen wir diversifizieren. Wir wollen uns nicht nur von einem Gaslieferanten abhängig machen. Wir wollen nicht nur verschiedene Pipelines nutzen, sondern wir wollen auch Handelspartner aus anderen Regionen für uns gewinnen. Dazu brauchen wir zukünftig LNG, das an Bedeutung gewinnt. Schon seit 30 Jahren gibt es Planungen, ein LNG-Terminal in Wilhelmshaven zu bauen. Jetzt ist die Stunde günstig, um dieses Thema anzupacken. Wir brauchen nicht nur Gas; (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann aber richtig!) wir sind auch darauf angewiesen, dass in solche Anlagen investiert wird, um uns von Pipelines unabhängiger zu machen und auf neue Ressourcen zugreifen zu können. (Beifall bei der CDU/CSU) Das ist ein wichtiger Punkt in unserem Antrag. Hier wollen wir für weiteren Ausbau sorgen. Dann spielt auch die Fördertechnik im Bereich der maritimen Wirtschaft eine enorm wichtige Rolle. Fördertechnik für Öl und Gas stellt den umsatzstärksten Bereich der maritimen Wirtschaft dar: Über 8 Milliarden Euro werden hier umgesetzt. Über 500 Unternehmen und über 200 wissenschaftliche Institute spielen hier eine wichtige Rolle für die Energiegewinnung, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt. Damit sind auch in diesem Punkt deutsche Unternehmen ein Garant dafür, dass in der Welt umweltfreundlich, natur- und ressourcenschonend sowie vor allen Dingen auch sicher für die Betroffenen Energieressourcen gehoben werden. Das ist ein ganz wichtiger Beitrag, den wir leisten. Auch hier werden wir in den nächsten Jahren für weiteren Ausbau sorgen. Ein weiterer Bereich, der für die Energiegewinnung eine große und in den nächsten Jahren sogar noch größere Rolle spielen wird, ist die Windenergie. Vor allen Dingen der Offshorebereich wird einen enormen Zuwachs erfahren. Wir werden, wenn wir den Umstieg auf erneuerbare Energien wirklich ernsthaft angehen wollen, in die Energieträger investieren müssen, die in Deutschland kosteneffizient nutzbar gemacht werden können. Das ist im Bereich der erneuerbaren Energien vor allem offshore erzeugte Windenergie. Wir brauchen Energie aus Windkraftanlagen in der Nord- und Ostsee. Deshalb werden wir auf den weiteren Ausbau in den nächsten Jahren einen besonderen Schwerpunkt legen. Die Leistung wird von derzeit praktisch null in den nächsten Jahren auf 10 Gigawatt steigen. Wir wollen sie bis 2035 auf 25 Gigawatt ausbauen. Das ist eine enorme Herausforderung. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, muss ab sofort jeden zweiten Tag ein neues Windrad in der Nord- oder Ostsee ans Netz gehen. Ich glaube, allein diese Zahl zeigt, wie ambitioniert die Ziele sind. Auch die EU hat sich sehr hohe Ziele gesetzt. Die Europäische Union möchte ab 2015 jedes Jahr 3 000 Megawatt zubauen; das entspricht einem Zubau von 600 bis 800 Windrädern in Europa pro Jahr. Auch das zeigt, dass in dieser Form der Energiegewinnung eine enorme Chance für die deutsche Industrie und die deutsche Wirtschaft steckt. Allein das Erreichen des deutschen Ausbauziels hätte zur Folge, dass 100 Milliarden Euro Umsatz in diesem Bereich in Deutschland generiert würden. Damit könnte ein Beschäftigungsaufwuchs von über 10 000 Beschäftigten in diesem Bereich einhergehen. Der deutsche Anteil am Weltmarkt in diesem Bereich beträgt derzeit 25 Prozent. Es muss unser Ziel sein, diesen Anteil nicht nur zu halten, sondern in den nächsten Jahren sogar stetig zu erhöhen. Ich sehe darin eine enorme Chance für den deutschen Mittelstand. Dem deutschen Anlagenbau kommt hier ein sehr hoher Stellenwert zu. Die deutsche Ingenieurskunst ist überall in der Welt gefragt. Hier können wir durch das Setzen entsprechender politischer Rahmenbedingungen, wie in unserem Antrag auch dargelegt, sehr hilfreich wirken. Die Herausforderungen im Bereich der Offshorewindparks sind immens; ich habe sie schon genannt. Derzeit sind bereits 23 Windparks, sowohl in der Nord- als auch in der Ostsee, genehmigt, die mit über 1 600 Anlagen starten können. Nun liegt es an uns, attraktive Investitionsbedingungen für die Investoren zu schaffen. Das wollen wir unter anderem dadurch erreichen, dass wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz jetzt schnell in dem Sinne novellieren. Dafür sind unterschiedliche Vorschläge im Raum. Ich glaube, dass wir hier mit einem Stauchungsmodell - das heißt, dass wir den Investoren zu Beginn einer Investition mehr Geld geben - vieles erreichen können, dass wir Investoren auf diese Weise eher dazu bringen können, zu investieren, und dass wir auf diesem Wege eine Anlage schneller rentabel machen können. Das haben wir auch bei dem 5-Milliarden-Euro-KfW-Programm so gehalten. Das ist eine wichtige Hilfe für zukünftige Investoren. Ein weiteres wichtiges Thema - es ist schon angesprochen worden - ist der Anschluss der Windparks. Wir haben vor einer Woche mit großem medialem Aufsehen den Baltic-1-Park eingeweiht. Er war nur wenige Tage am Netz; inzwischen wurde er vom Netz genommen, weil er noch nicht in vollem Umfange angeschlossen werden konnte. Es kann nicht in unserem Interesse sein, dass ein solcher Anschluss 36 Monate dauert. Auch das muss wesentlich beschleunigt werden. Dazu enthält unser Antrag konkrete Ansätze; denn wir müssen vermeiden, dass der Anschluss in den nächsten Jahren der Flaschenhals für die Offshoreenergie ist. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir eine saubere Infrastruktur für die zukünftigen Offshorewindparks brauchen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können wir weiterhin eine sichere, umweltfreundliche, klimafreundliche, aber auch bezahlbare Energieversorgung sicherstellen. Dabei spielt die maritime Wirtschaft eine herausragende Rolle. In diesem Sinne kann ich Sie nur auffordern, unseren Antrag zu unterstützen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 1/5572, 17/5770 und 17/5237 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlage auf der Drucksache 17/5237 zu Tagesordnungspunkt 24 c soll federführend beim Ausschuss für Wirtschaft und Technologie beraten werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 25 a und b: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Josip Juratovic, Anton Schaaf, Anette Kramme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Faire Mobilität und soziale Sicherung - Voraussetzungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai 2011 schaffen - Drucksachen 17/4530, 17/5425 - Berichterstattung: Abgeordnete Brigitte Pothmer b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial gestalten - Drucksachen 17/5177, 17/5424 - Berichterstattung: Abgeordnete Brigitte Pothmer Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind auch für diese Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Karl Schiewerling für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 1. Mai 2011 war in der Tat ein denkwürdiger Tag. Er war nicht nur der Tag der Arbeit, sondern auch der Tag, ab dem 78 Millionen Menschen mehr aus Europa, vornehmlich aus den osteuropäischen Ländern, freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben. Wenn man die Diskussion verfolgt hat, die unmittelbar im Vorfeld in den Medien stattgefunden hat, konnte man den Eindruck gewinnen, all diese Menschen würden startbereit in den Löchern stehen, um die deutsche Grenze zu überwinden und bei uns ganz schnell in Arbeit zu kommen. Tatsache war: Am 1. Mai sind in der Tat viele Polen über die deutsche Grenze gekommen, aber sie sind durchgefahren zu dem dritten großen Ereignis an diesem Tag, nämlich zur Seligsprechung von Papst Johannes Paul II. in Rom, und von da aus sind sie nach Polen zurückgekehrt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine Damen und Herren, ich glaube, dass die Situation, in der wir uns befinden, eine gute ist. Es ist gut für Deutschland und für Europa, dass wir diese europäische Freizügigkeit haben, dass wir die Möglichkeit haben, in dieser Form in Europa zusammenzuwachsen. Möglicherweise gibt es für den deutschen Arbeitsmarkt, insbesondere unmittelbar an den Grenzen, Probleme. Genau wissen wir das aber nicht; vieles ist Kaffeesatzleserei. Wir wissen noch nicht einmal genau, wie viele ein Interesse daran haben, in Deutschland zu arbeiten. Das Entscheidende ist, dass wir gut aufgestellt sind. Wir sind in Deutschland in jeder Hinsicht gut aufgestellt. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die FDP steht noch schlecht da!) Ich glaube, dass die Chancen größer sind als die wie auch immer vermuteten Gefahren. Ich darf daran erinnern: Als Polen der Europäischen Union beigetreten ist, gab es zum Beispiel auch in den deutschen Handwerksbetrieben große Sorge, dass polnische oder tschechische Handwerksbetriebe ihnen auf dem deutschen Markt in großem Umfang Aufträge wegschnappen könnten, weil sie wesentlich preisgünstiger anbieten können. Tatsache war aber, dass ganz viele deutsche Handwerksbetriebe Aufträge in Polen und Tschechien bekommen haben. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Dadurch hat es einen Aufschwung auch bei uns in Deutschland gegeben. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen, dass wir in Europa gemeinsam mit Optimismus in die Zukunft schauen können. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Chancen für den Wirtschaftsstandort Deutschland überwiegen. Wir sind gut gerüstet. Der deutsche Arbeitsmarkt befindet sich in einer guten, in einer ausgezeichneten Verfassung. Die Zahl der Erwerbstätigen ist kontinuierlich gestiegen. Wir haben über 1 Million Menschen mehr in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bekommen. Ich hätte gern gehört, dass bei der einen oder anderen Maikundgebung nicht nur das blanke Elend in Deutschland beschrieben worden wäre, sondern dass auch einmal darauf hingewiesen worden wäre, dass über 1 Million Menschen mehr in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Und: Die Menschen, die in Beschäftigung gekommen sind, zahlen in die Sozialversicherungssysteme ein. Wir haben bei der Deutschen Rentenversicherung ein Plus von 3,5 Milliarden Euro; wir haben im Bereich der Arbeitslosenversicherung ein Plus von 0,7 Milliarden Euro. Das Plus wird wahrscheinlich noch in diesem Jahr auf 1 Milliarde Euro steigen. Das alles sind Indikatoren dafür, dass wir eine gute Entwicklung haben. Wahrscheinlich werden wir in diesem Monat - wir hoffen darauf - bei der Zahl der Arbeitslosen die magische Grenze von 3 Millionen unterschreiten, sodass also weniger als 3 Millionen Menschen arbeitsuchend sind. Vor fünf Jahren hätten wir noch nicht gedacht, dass uns einmal diese Frage ereilen würde: Wie bekommen wir Fachkräfte? Wie bekommen wir den Fachkräftebedarf gedeckt? Wie organisieren wir das? (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Das ist der Punkt!) Ich sage Ihnen: Vor dieser Frage, wie das zu lösen ist, stehe ich viel lieber als vor der Frage, wie man 5 Millionen Menschen wieder in Beschäftigung bringt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nach der Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung werden in Deutschland jährlich etwa 200 000 Arbeitskräfte fehlen. Bis 2020 wird das eigene Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland ohne Zuwanderung um 3,6 Millionen Menschen auf 41 Millionen Personen sinken. Die Tendenz ist, dass sich der Rückgang noch beschleunigt. Es werden bis 2020 in Deutschland nach den derzeitigen Prognosen 2 Millionen Arbeitskräfte fehlen. Wir wissen nicht genau, wie sich das entwickelt. Die optimistische Perspektive ist für uns alle gegeben. Das ist eine gute Entwicklung. Wenn ich davon ausgehe - so sind die Prognosen -, dass jährlich etwa 100 000 Menschen aus Polen und den anderen Ländern zu uns ziehen werden, können wir damit gerade einmal die Hälfte dessen abdecken, was bei uns in Deutschland an Fachkräften fehlt. Aber wir verschließen auch nicht die Augen davor, dass es Probleme gibt. Wir sehen sehr wohl die Gesamtsituation am deutschen Arbeitsmarkt, auch die Arbeitslosigkeit. Was uns bedrückt, ist die große Zahl der Langzeitarbeitslosen. Wir sehen auch, dass die Gefahr besteht, dass es zu Lohndumping kommen kann. Aber dem haben wir vorgebeugt. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Richtig!) Es gibt mittlerweile 3,9 Millionen Menschen, die einen tariflichen Mindestlohn, der für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, bekommen. Wir haben ihn in der Abfallwirtschaft, im Baugewerbe, im Dachdeckerhandwerk, im Elektrohandwerk, bei der Gebäudereinigung usw. Dazu kam zuletzt noch die Zeitarbeit. Das sind 3,9 Millionen Menschen! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich halte es für notwendig, darauf hinzuweisen, dass ein großer Teil der Beschäftigten in ganz normalen Tarifverträgen ist - in der Elektrobranche, in der Metallbranche und im öffentlichen Dienst. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Natürlich!) Weit mehr als die Hälfte der Beschäftigten haben ganz normale tarifvertragliche Arbeitsverhältnisse. Sie sind von der Frage des Mindestlohns überhaupt nicht betroffen. Ich glaube, dass wir uns hier in einer guten Entwicklung befinden. Wir sind - das sage ich an dieser Stelle sehr deutlich - für ein offensives Herangehen an den tariflichen Mindestlohn: Wenn beide Tarifpartner übereinstimmen und den Mindestlohn haben wollen, sollten wir dies entsprechend ermöglichen. Wir diskutieren gerade insbesondere im Zusammenhang mit dem Mindestlohn in der Zeitarbeit, wie die Zollbehörden die Einhaltung der Regelungen kontrollieren können, damit es zu keinem Missbrauch kommt. Wir werden das entsprechende Gesetz in Kürze verabschieden. Ich hoffe, dass wir über diesen Weg ein gutes Stück Ordnung am Markt schaffen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in Europa gemeinsam in eine gute Zukunft gehen können. Es gibt keinen Grund zum Pessimismus. Wir haben die Dinge geregelt, die zu regeln sind. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Genau!) Wir freuen uns auf alle, die bei uns eine Erwerbstätigkeit suchen, und begrüßen sie und ihre Familien herzlich. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Juratovic ist nun der nächste Redner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Josip Juratovic (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist selten, dass ein europäisches Thema jenseits der Euro-Rettung zu Schlagzeilen in deutschen Zeitungen führt. Für viele Menschen scheint Europa weit weg von ihrem täglichen Leben zu sein. Als wir im Januar schon einmal über die Arbeitnehmerfreizügigkeit gesprochen haben, schien es mir auch hier im Bundestag so zu sein. Jetzt, rund um den 1. Mai, berichten alle Medien groß über die Auswirkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Allerdings sieht die Bundesregierung immer noch keinen Handlungsbedarf. Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP - leider ist niemand von der FDP da, soweit ich sehe -, Sie tun jetzt so, als sei jetzt im Hinblick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit alles Notwendige gesetzlich geregelt. Dies ist aber falsch. Das Einzige, was gesetzlich geregelt wurde, ist der Mindestlohn in der Leiharbeit, den wir Sozialdemokraten Ihnen vor ein paar Monaten mühsam abgetrotzt haben. (Beifall bei der SPD) Dieser Mindestlohn ist sehr wichtig, denn dadurch können wir zumindest das schlimmste Lohndumping in der Leiharbeit verhindern. Doch das reicht nicht aus. Was wird aus der Krankenschwester, deren lettische Kollegin bereit ist, für 5 Euro weniger die Stunde zu arbeiten? Hier gibt es keine ausreichenden Regelungen: Es gibt keinen flächendeckenden Mindestlohn, kein Equal Pay und keinen adäquaten Schutz vor Scheinselbstständigkeit. Kolleginnen und Kollegen, die Wahrheit ist: Die Bundesregierung hat es versäumt, unseren Arbeitsmarkt rechtzeitig auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit vorzubereiten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie lassen die Arbeitnehmer und die ehrlichen Arbeitgeber wissentlich ins offene Messer laufen. Jetzt stellen Sie sich hin und sagen: Man muss doch erst einmal abwarten, wie viele Menschen zu uns kommen und wie viel Missbrauch dann geschehen wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist absurd. Sie wollen sehenden Auges zuschauen, wie das Kind in den Brunnen fällt, also Missbrauch von ausländischen und deutschen Arbeitnehmern bei uns stattfindet. Erst dann wollen Sie zählen, wie viele Menschen betroffen sind. Bei welcher Anzahl sagen Sie dann, dass es sich lohnt, politisch zu handeln, wenn 100 Menschen ausgebeutet werden oder erst bei 1 000 oder 100 000? Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, das ist meines Erachtens eine verantwortungslose Politik. (Beifall bei der SPD) Es ist unsere politische Aufgabe, nicht nur nach Statistiken zu schauen; wir müssen uns verantwortungsvoll um die Lebenswirklichkeit jedes einzelnen Menschen kümmern. Wir alle wissen aus Erfahrung: Wenn die Gesetze eine Möglichkeit geben, Löhne zu drücken, dann werden diese Lücken früher oder später ausgenutzt. Wenn einige Unternehmen anfangen, sich durch Niedriglöhne Konkurrenzvorteile zu schaffen, sind die anderen Unternehmen irgendwann durch den Wettbewerbsdruck mehr oder weniger dazu gezwungen, mitzuziehen; das ist eine betriebswirtschaftliche Logik. Diese Abwärtsspirale müssen wir verhindern, indem wir Lohnuntergrenzen gesetzlich festlegen und gleichen Lohn für gleiche Arbeit sichern. (Beifall bei der SPD) Vor kurzem wurde eine neue Studie zum Thema Mindestlohn vorgestellt. Ich weiß, darüber gibt es viele Studien, und ich weiß, dass die Fronten hier im Bundestag beinahe ideologisch sind, auch wenn die FDP heute wegen ihres Bundesparteitags praktisch nicht mehr da ist und hier gar nicht gegen den Mindestlohn wettern kann. Die Studie lässt aufhorchen. Wenn Deutschland einen Mindestlohn von 8,50 Euro einführen würde, würde unser Staat mehr als 7 Milliarden Euro mehr einnehmen. Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich bin mir sicher, dass sich Ihr Finanzminister, Herr Schäuble, sehr darüber freuen würde. Ein Mindestlohn trägt massiv zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes bei. Außerdem würde ein Mindestlohn von 8,50 Euro eine Gehaltserhöhung für 5 Millio-nen Arbeitnehmer bedeuten. Das zeigt, dass derzeit 5 Millionen Menschen in unserem Land einen Lohn haben, von dem sie nicht anständig leben können. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die drohenden Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt, mehr Steuereinnahmen und eine faire Entlohnung für Menschen, die hart arbeiten, sind nur einige Gründe dafür, endlich einen flächendeckenden Mindestlohn einzuführen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Meine Damen und Herren vom Arbeitnehmerflügel der Union, wenn Sie sich in Ihrer eigenen Partei mit dieser Forderung, die Herr Weiß erhoben hat, nicht durchsetzen können, sage ich Ihnen, dass wir Sozialdemokraten Sie gerne dabei unterstützen. Mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit wird oft die Hoffnung verbunden, dass Fachkräfte zu uns kommen, die unsere Wirtschaft dringend braucht. Ohne Zweifel: Wir müssen zunächst dafür sorgen, dass bei uns kein Jugendlicher verloren geht, weil er keine Ausbildung erhält und dann in Warteschleifen wie das BVJ geschickt wird. Auch hier täte die Bundesregierung gut daran, nicht nur Programme zu kürzen, sondern die Realität in vielen Hauptschulen zur Kenntnis zu nehmen. Aber alle gute Ausbildung wird nicht ausreichen, das weiß ich auch. Wir brauchen die Zuwanderung von Fachkräften, damit wir weiterhin wirtschaftlich erfolgreich sein können. Kolleginnen und Kollegen, glauben Sie, dass ein polnischer Facharbeiter nach Deutschland kommt, wenn er hier einen Lohn von 5 Euro erhält? (Katja Mast [SPD]: Nein!) Fachkräfte kommen nicht, wenn sie hier Niedriglöhne erhalten. Fachkräfte ziehen wir dann an, wenn wir ihnen soziale Sicherheit durch faire Arbeitsbedingungen bieten und wenn sie gute Löhne garantiert bekommen. In unserem Antrag fordern wir genau diese Schritte, damit Fachkräfte, die zu uns kommen, nicht ausgebeutet werden und damit unsere Arbeitnehmer kein Lohn- und Sozialdumping fürchten müssen. Wir fordern einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn und Branchenmindestlöhne, damit eine faire Entlohnung garantiert ist. Wir fordern eine Aufstockung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, damit die Regelungen kontrolliert werden. Wir fordern, dass der Scheinselbstständigkeit ein Riegel vorgeschoben wird und die Menschen eben nicht durch Scheinselbstständigkeit ausgebeutet werden, wie es heute oft geschieht. Wir fordern, dass die Menschen, die zu uns kommen, eine Beratung bekommen, damit sie über ihre Rechte informiert sind und Schutz vor Ausbeutung erhalten. All das sind Forderungen mit Augenmaß, die für eine faire Mobilität in Europa sorgen und sozialen Schutz auf unserem Arbeitsmarkt schaffen. (Beifall bei der SPD) Damit handeln wir in Verantwortung für die deutschen Arbeitnehmer, aber auch für die europäischen Arbeitnehmer, die bei uns arbeiten möchten. Die Debatte um die Arbeitnehmerfreizügigkeit hat in den vergangenen Wochen auch noch eine tragische Bedeutung erhalten. Die Neonazis nutzen die Arbeitnehmerfreizügigkeit, um Angst zu schüren vor einer vermeintlichen Flut von ausländischen Arbeitnehmern, die, so behauptet die NPD, den deutschen Arbeitnehmern die Arbeitsplätze wegnehmen. In meinem Wahlkreis Heilbronn organisierten die Neonazis am 1. Mai eine Demo gegen die Zuwanderung ausländischer Arbeitnehmer. Das ist ein Spiel mit dem Feuer; denn viele Menschen haben tatsächlich Angst vor der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sie haben Angst, dass sie ihren Job verlieren, weil zum Beispiel die lettische Krankenschwester weniger Lohn fordert. Sie haben Angst, dass die Arbeitgeber das ausnutzen, um den Lohn zu drücken. Wir müssen den Menschen diese Angst nehmen. (Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Deswegen ist es wichtig, dass die Politik sich darum kümmert, dass keine Verdrängung auf dem Arbeitsmarkt geschieht, sondern dass Zuwanderung ein Gewinn für alle ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Nur so verhindern wir, dass Neonazis mit ihren fremdenfeindlichen Parolen Profit aus der Debatte um die Arbeitnehmerfreizügigkeit ziehen können. Was es bedeutet, wenn die Neonazis mit solchen Parolen anfangen, weiß ich aus eigener Erfahrung im ehemaligen Jugoslawien. Dort fing es auch damit an, dass fremdenfeindliche Parolen auf Fußballfeldern gerufen wurden. Meine Freunde und auch ich lachten zunächst darüber. Doch irgendwann begannen meine Freunde und mit ihnen die Mehrheit der Gesellschaft, diese Parolen zu akzeptieren und als ihre eigenen zu übernehmen. So begannen Nationalismus und Separatismus im ehemaligen Jugoslawien. Kolleginnen und Kollegen, diese Entwicklung dürfen wir hier nicht zulassen. Wir müssen den Nährboden für diese Naziparolen entziehen, indem wir den Menschen erklären, was die Arbeitnehmerfreizügigkeit bedeutet und dass wir uns darum kümmern, dass niemand deswegen seinen Job verliert. Dann haben die Menschen keine Angst mehr und verfallen nicht den fremdenfeindlichen Sprüchen. Um das zu erreichen, muss die Bundesregierung endlich einsehen, dass man politisch handeln muss und nicht erst abwarten darf, bis Missbrauch auf unserem Arbeitsmarkt geschieht. Meine Damen und Herren von der Regierung, verkriechen Sie sich nicht immer hinter Statistiken, die noch nicht erhoben sind, und hinter irgendwelchen juristischen Klauseln, sondern schauen Sie auf die Lebenswirklichkeit der Menschen in Deutschland und in Europa. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Erlauben Sie mir zum Schluss eine Bemerkung in eigener Sache: Als jemand, der als Gastarbeiter nach Deutschland kam, weiß ich zu genau, was es heißt, ausgenutzt zu werden - sich zumindest so zu fühlen - und zum Sündenbock abgestempelt zu sein. Wir müssen uns um die Menschen kümmern, die zu uns kommen. Sie brauchen Anlaufstellen und Beratung, damit sie wissen, wie sie sich hierzulande zurechtfinden können. Das müssen wir aus Verantwortung für diese Menschen tun. Mir ist es sehr wichtig, dass wir die Fehler aus den Zeiten der Gastarbeiter nicht wiederholen. Bei der Debatte um Zuwanderung reden wir ausschließlich über notwendige Fachkräfte für unsere Wirtschaft. Wir müssen aber wissen, dass zu uns Menschen mit ihren sozialen Bedürfnissen kommen und nicht nur Arbeitskräfte. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist die Grundvoraussetzung für eine gelungene Integrationspolitik heute und in der Zukunft. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Johannes Vogel von der FDP-Fraktion hat seine Rede zu Protokoll gegeben.1 Ich gebe das Wort Jutta Krellmann für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Jutta Krellmann (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist Freitag, der 13. Das ist ein eher schlechter Tag für die Menschen, die seit dem 1. Mai ohne Hürden aus Estland, Lettland, Litauen, Polen usw. zu uns kommen können. Denn seit dem 1. Mai 2011 gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die Bundesregierung hat es aber verschlafen, rechtzeitig zu diesem Termin entsprechende Regelungen zu treffen. Worum geht es? Seit dem 1. Mai können Beschäftigte aus diesen Ländern ohne bürokratische Hürden in Deutschland arbeiten, und das finden wir absolut gut und richtig. (Beifall bei der LINKEN) Dahinter verbirgt sich genau das, was wir alle immer begrüßt haben, nämlich die europäische Idee. Als jemand, der gerne international denkt, finde ich das einfach toll. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir finden es aber nicht gut und auch nicht richtig, dass es keine gesetzliche Regelung gibt, die diese Menschen vor Ausbeutung schützt. Stattdessen kann diese Situation genutzt werden, um Löhne zu drücken. Schon heute schwärmen Arbeitgeber aus und suchen Menschen, die zu Dumpinglöhnen in Deutschland arbeiten. Ich will Ihnen ein Beispiel aus der Praxis berichten: Eine Polin, die als Pflegerin in einer deutschen Familie arbeitet, hat einen Arbeitsvertrag, in dem steht, dass sie sieben Tage pro Woche, acht Stunden am Tag arbeiten und darüber hinaus sechs Stunden in Bereitschaft stehen muss. Immerhin hat sie acht Stunden Nachtruhe - das ist auch in Ordnung so - und zwei Stunden Freizeit. Dafür zahlt die deutsche Familie 1 400 Euro im Monat an eine Agentur. Diese behält 600 Euro davon ein. Die Polin, die in Deutschland in der Familie arbeitet, bekommt 800 Euro brutto. Mit der Einstellung einer Haushaltshilfe wird an dieser Stelle der Branchenmindestlohn umgangen. Es ist klasse, dass es Branchenmindestlöhne gibt. Es ist auch klasse, dass es einen Branchenmindestlohn in der Pflege gibt; aber man muss wissen, dass dieser Branchenmindestlohn nicht gilt, wenn eine Person gleichzeitig als Haushaltshilfe beschäftigt wird. Das ist eine Möglichkeit zur Umgehung des Branchenmindestlohnes, die auf dem Tisch liegt und die man einfach nur anwenden muss. Was tut die Bundesregierung? Nichts! (Beifall bei der LINKEN und der SPD) Man muss sich fragen: Wie ist so etwas möglich? Das ist möglich, weil Arbeitgeber die Tatsache ausnutzen, dass viele dieser Beschäftigten schlecht deutsch sprechen und ihre Rechte als Arbeitnehmer schlecht oder gar nicht kennen. Das ist auch deshalb möglich, weil es keinen flächendeckenden Mindestlohn gibt, der genau diese Fälle verhindern würde. Wir als Linke sagen: Wir brauchen ein Netzwerk von Beratungsstellen für die osteuropäischen Kolleginnen und Kollegen, die zu uns kommen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es gibt bisher nur eine solche Beratungsstelle, die Arbeitnehmer berät. Es handelt sich um eine Beratungsstelle hier in Berlin. Sie wurde initiiert von Senator Harald Wolf von den Linken. Umgesetzt wurde die Idee vom DGB, wo die Beratungsstelle auch angesiedelt ist. Die EURES-Beratungsstellen sind kein wirklicher Ersatz. Sie vermittelt zwar Arbeitskräfte in andere Länder, beraten die Arbeitnehmer aber nicht bezüglich ihrer Rechte, kontrollieren keine Arbeitsverträge und helfen den Betroffenen nicht bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche, wenn sie zum Beispiel von einem Arbeitgeber in dem Land, in dem sie arbeiten, kein Geld bekommen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin, Herr Röhlinger würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Bitte schön. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE], an den Abg. Dr. Peter Röhlinger [FDP] gewandt: Endlich reden Sie einmal!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Dr. Peter Röhlinger (FDP): Herzlichen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit geben, nachzufragen, ob Sie das sogenannte Paderborner Modell kennen. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir kennen es nicht!) Wenn nein, dann würde ich es Ihnen gerne erläutern. Frau Stüber kann bestätigen - sie hört gerade nicht zu -, dass wir vor etwa zehn Tagen in Warschau waren und uns bei der Caritas, dem Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche, diesbezüglich erkundigt haben. Das Paderborner Modell basiert auf einer Vereinbarung zwischen der Caritas in Polen und der Caritas in der Bundesrepublik Deutschland, nach der man sich bei Beratungsbedarf in Fällen wie dem, den Sie geschildert haben, an die Caritas wenden kann. Es wird Einfluss auf die vertraglichen Regelungen genommen. Dabei geht es speziell um Frauen, die in der Hauswirtschaft oder im Pflegedienst arbeiten. Die Caritas nimmt deswegen Einfluss, weil sie dafür sorgen will, dass die Arbeitgeberleistungen entsprechend erbracht und Dumpinglöhne verhindert werden. Sie haben mit Recht gefragt, ob es Beratungsstellen gibt. Diese Information haben wir aus Warschau mitgebracht. Vielleicht hilft Ihnen das ein bisschen weiter. Danke schön. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Vielen Dank für die Information. - Ich finde es toll, dass sich die Caritas um diese Menschen kümmert und in ihrem Bereich Arbeitnehmer berät. Ich finde, das ist ein toller Schritt. Die Kirche nimmt an dieser Stelle wenigstens ihre Verantwortung wahr. Daher kann ich nur sagen: tolle Sache! Ich würde mich freuen, wenn Sie mir weitere Unterlagen zu dem Paderborner Modell zur Verfügung stellen könnten - Paderborn liegt bei mir fast um die Ecke -, damit ich mir das einmal anschauen kann. (Dr. Peter Röhlinger [FDP]: Über Internet!) Ich gehe aber davon aus, dass diese Beratung kein Ersatz für die Beratung in Fragen der Geltendmachung von Rechten ist, die nur eine Gewerkschaft leisten kann. Dies kann eine Kirche meines Wissens nicht leisten, weil das eine rechtliche Beratung ist. Die Hilfe, die Sie beschrieben haben, ist aber gut. (Beifall bei der LINKEN) Die Fälle, die diese Beratungsstelle - wie gesagt, es gibt sie schon; sie ist beim DGB angesiedelt - bearbeiten muss, sind haarsträubend. Wir haben uns einmal mit den Mitarbeitern zusammengesetzt, und sie haben uns von ihrer Arbeit erzählt. Ich sage Ihnen: Wenn Sie die Gelegenheit haben, mit den Mitarbeitern dieser Beratungsstelle zu reden, nutzen Sie sie. Das heißt in der Konsequenz: Wir brauchen solche Arbeitnehmerberatungsstellen nicht nur in Berlin, sondern von Stralsund bis Oberammergau. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Mittlerweile sind überall in Deutschland Menschen aus anderen Ländern tätig. Außerdem - das möchte ich noch einmal sagen, weil es mir am Herzen liegt; wenn es sein muss, singe ich Ihnen das gerne vor - brauchen wir einen flächendeckenden Mindestlohn. Die Branchenmindestlöhne bilden nur einen Flickenteppich, der von einem flächendeckenden Mindestlohn untersetzt und umspannt werden muss. Das ist in 20 anderen europäischen Ländern möglich, aber nicht in Deutschland. Das empfinde ich als absolut negativ. Hier in Deutschland bewegt sich hinsichtlich der Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns nichts. Die Einführung eines Mindestlohns wäre aber ein Zeichen ökonomischer und politischer Vernunft. Mindestlohn plus Beratungsstellen würden dazu führen, dass man für die Menschen, die in Zukunft bei uns erfreulicherweise arbeiten, endlich etwas tut. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Brigitte Pothmer hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde, die Briten haben es richtig gemacht. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Die haben eine Königin!) Sie haben die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen Beitrittsländer ab dem ersten Tag ermöglicht. Die Briten haben in jeder Hinsicht davon profitiert; (Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) denn sie haben im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit sowohl die einheimischen wie auch die zugewanderten Beschäftigten von Anfang an vor Lohndumping geschützt. Sie haben auch die Unternehmen vor unfairen Wettbewerbsbedingungen geschützt. Das hat sich für die Briten in jeder Hinsicht ausgezahlt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Herr Schiewerling, Sie haben gerade in Ihrer Rede noch einmal die Chancen betont und gesagt, wie gut es sei, dass wir die Arbeitnehmerfreizügigkeit haben. (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Ja!) Aber Sie von der CDU/CSU-Fraktion waren immer dabei, wenn es darum ging, den deutschen Arbeitsmarkt abzuschotten. Noch vor zwei Jahren haben Sie mit beschlossen, die Frist für die Übergangsbestimmungen bis zum letzten Tag auszuschöpfen. Damit haben Sie ein Signal an die Beitrittsländer gesendet. Sie haben den Leuten im Grunde die Tür vor der Nase zugeschlagen. (Thomas Dörflinger [CDU/CSU]: Wer hat denn 2004 regiert?) Das wirkt noch heute nach. Sie haben an die Polen und an die Menschen in den anderen Ländern das Signal gesendet, dass sie hier nicht willkommen sind. Das wird sich jetzt auswirken. Wir sind auf die Zuwanderung angewiesen. Jetzt müssen Sie den Arbeitsmarkt öffnen; Sie kommen nicht mehr darum herum. Sie haben mittlerweile auch gemerkt, dass das Thema Fachkräftemangel kein Horrorszenario ist, das von Schwarzmalern inszeniert wird. Jetzt sagt die Bundesarbeitsministerin: Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist eine große Chance. Ich glaube allerdings, dass Sie die Chancen, die die Arbeitsministerin jetzt beschwört und die Sie, Herr Schiewerling, hier benannt haben, bereits leichtfertig vertan haben. Den Wettbewerb um die klügsten Köpfe und um die geschicktesten Hände haben Sie bereits verloren. Denn diejenigen, die ausreisewillig sind und die woanders arbeiten wollen, haben in anderen europäischen Ländern und auch in anderen Ländern der Welt längst einen Arbeitsplatz gefunden. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Ich finde, es ist geradezu niedlich, dass die Bundesagentur für Arbeit jetzt in Stettin eine Niederlassung eröffnet hat. Jeden Dienstag, den Gott werden lässt, berichtet die Bundesagentur für Arbeit in Stettin über das Leben in Deutschland. Das hat mittlerweile zu 61 Anfragen geführt. Ich glaube, daraus wird zunächst einmal keine Massenbewegung. Ich möchte ein paar Worte an die FDP richten. Ich weiß, Sie waren von Anfang an immer dafür, den Arbeitsmarkt - auch über die EU-Grenzen hinaus - zu öffnen. Sie waren immer für die Freizügigkeit. Daran hat es bei Ihnen nie gehapert. Bei Ihnen hapert es aber an der Bereitschaft, Sicherheit zu geben. Immer da, wo Freizügigkeit und Sicherheit miteinander verbunden werden sollen, blockieren Sie bis zum heutigen Tag. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mein Eindruck ist, dass sich der mitfühlende Liberalismus von Herrn Rösler nur auf die eigenen Leute beschränkt, also auf Herrn Brüderle und Frau Homburger. Das, was außerhalb Ihrer Partei geschieht, interessiert Sie doch nur einen feuchten Kehricht. Die Wahrheit ist doch - die meisten von Ihnen wissen das -, dass ein offener Arbeitsmarkt auch soziale Leitplanken braucht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist eine Überzeugung, die sich nicht nur bei einem Teil dieses Hauses breit durchgesetzt hat. Auch in Ihrer Fraktion, in der CDU/CSU-Fraktion, hat sich diese Auffassung doch weitgehend durchgesetzt - bei Ihnen, Herr Schiewerling, doch schon lange. Ich weiß, es gibt noch die ideologisch Verbohrten bei der FDP und auch ein paar Hardcorevertreter bei der CDU, aber die kundigen Thebaner, wie zum Beispiel Herr Weiß oder Herr Zimmermann, (Zuruf von der CDU/CSU: Sie meinen Herrn Zimmer!) werben doch quasi jede Woche für einen gesetzlichen Mindestlohn. Herr Zimmer hat in der vergangenen Woche sogar ein flammendes Plädoyer für den Mindestlohn im Handelsblatt veröffentlicht. Ich finde, das sollte in den Koalitionsfraktionen Pflichtlektüre werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Schauen Sie doch einmal auf die Internetseite des BMAS. Da finden Sie unter dem Thema "Arbeitnehmerfreizügigkeit" ganz fett gedruckt: "Mindestlöhne garantieren fairen Wettbewerb". Bravo, kann ich dazu nur sagen. Schade nur, dass sich diese Erkenntnis nicht über diese Internetseite weiterverbreitet. (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Alles nur Papier!) Wirklich alle Argumente - Herr Juratovic hat darauf hingewiesen - sprechen für den Mindestlohn. Die Berkeley-Studie hat noch einmal deutlich bewiesen, dass es keine negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat, Mindestlöhne einzuführen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Das IAB sieht bei einem klug eingeführten Mindestlohn sogar positive Arbeitsplatzeffekte, und im Prognos-Gutachten wird festgestellt, dass es zu Milliardenmehreinnahmen für die öffentlichen Haushalte kommen würde, wenn der Mindestlohn eingeführt werden würde. Sie sagen jetzt, dass wir in der Leiharbeit Mindestlöhne haben. 3,6 Millionen Menschen seien über Mindestlöhne geschützt. Erstens haben wir Sie, Herr Schiewerling, in dieser Frage nun wirklich zum Jagen tragen müssen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Oh!) Zweitens bedeutet gerade der Mindestlohn in der Leiharbeit noch lange nicht gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Dafür hätten Sie sich zum Equal Pay durchringen müssen. Herr Schiewerling, Sie müssen den Beschäftigten, die nicht durch Mindestlöhne geschützt werden, einmal erklären, warum das für sie nicht gelten soll, was Sie für die anderen doch als richtig und gut bezeichnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Wir brauchen für alle Beschäftigten in allen Branchen Mindestlöhne. Wir müssen alle vor Lohndrückerei schützen. Das geht nur mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Ich komme noch zu einem ganz anderen Thema. Es ist wirklich interessant, wie diese Bundesregierung mit den rechtlichen Voraussetzungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit umgeht. Sie vom Arbeits- und Sozialministerium wissen genau: Um die Freizügigkeit rechtlich abzusichern, müssten Sie eigentlich das Aufenthaltsgesetz, das SGB III und das Freizügigkeitsgesetz ändern. Es liegt uns kein einziger Gesetzentwurf zu dieser Thematik vor. (Josip Juratovic [SPD]: So ist es!) Was machen Sie? Sie geben der Bundesagentur für Arbeit eine klammheimliche Anweisung. In dieser Anweisung steht, dass festgeschriebenes Recht jetzt nicht mehr gelten soll. Damit riskieren Sie ein Vertragsverletzungsverfahren. Warum sind Sie in dieser Frage eigentlich so verschämt? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Warum sind Sie nicht bereit, europäisches Recht in nationales Recht umzusetzen? Warum sorgen Sie nicht dafür, dass diejenigen, die zu uns kommen, einen rechtlich sicheren Rahmen vorfinden? Wir werden Ihnen in den nächsten Wochen einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Dann werden wir sehen, wie Sie als Parlamentarier und Gesetzgeber zu Ihrer Aufgabe stehen. Ich bin gespannt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Abschließend will ich zwei Aspekte, die eng zusammengehören, betonen: die Arbeitnehmerfreizügigkeit und den Fachkräftemangel. Ja, es ist richtig: Experten des IAB gehen davon aus, dass wir mit ungefähr 140 000 zusätzlichen Arbeitnehmern pro Jahr, die zu uns kommen, rechnen können. Das ist eine sehr positive Prognose. Ich sage Ihnen: Selbst wenn es zu diesen 140 000 Zuwanderungen pro Jahr kommt, dann wird dies, was den Fachkräftemangel angeht, nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Ihre Bundesregierung, Herr Schiewerling, hat übrigens andere Zahlen als die, die Sie gerade vorgetragen haben. Ihre Bundesregierung geht davon aus, dass in 15 Jahren 6,5 Millionen Fachkräfte in Deutschland fehlen werden. Das ist eine gigantische Lücke. Eine solche Lücke kann man nur schließen, wenn man eine breit angelegte, aufeinander abgestimmte kluge Strategie hat. Aber in dieser Frage streitet die Koalition bereits seit über einem Jahr ohne jedes Ergebnis. In Ihrer Bundesregierung sind acht Ministerien mit dieser Frage betraut. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja!) Acht Ministerien, acht Meinungen, null Ergebnis! Ich sage Ihnen: Was Sie da aufführen, ist wirklich eine Posse. Das Problem ist: Der Fachkräftemangel fängt bei dieser Bundesregierung an. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat Dr. Ralf Brauksiepe für die Bundesregierung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem 1. Mai dieses Jahres gilt die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die der Europäischen Union im Jahre 2004 beigetreten sind. Ich erkläre für die Bundesregierung ganz deutlich: Wir begrüßen die europäische Normalität, die damit eintritt. (Beifall des Abg. Max Straubinger [CDU/ CSU]) Die uneingeschränkte Freizügigkeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist ein ganz wesentliches Element eines gemeinsamen Europas. Das begrüßen wir. (Beifall bei der CDU/CSU) Es lässt sich gleichzeitig feststellen, dass sich die Übergangszeit von sieben Jahren bis zum Inkrafttreten der Arbeitnehmerfreizügigkeit bewährt hat. Zum einen ist die Situation heute eine völlig andere als beim Beitritt der neuen Mitgliedstaaten oder bei der letzten Verlängerung vor zwei Jahren. Die neuen Mitgliedstaaten haben wirtschaftlich enorm aufgeholt, und das Lohngefälle ist nicht mehr so groß wie kurz nach ihrem Beitritt. Zum anderen konnte der deutsche Arbeitsmarkt während der Übergangszeit schrittweise an die volle Freizügigkeit herangeführt werden. Das heißt, wir haben diese Zeit, die sieben Jahre, gebraucht, und wir haben sie genutzt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Eva Högl [SPD]: Wie denn?) In den persönlichen Anmerkungen, die Sie, Herr Kollege Juratovic, gemacht haben, hat mich ein bisschen erschreckt, dass Ihnen zum Thema Freizügigkeit nicht zuletzt Begriffe wie "Ausbeutung" und "Missbrauch" eingefallen sind; das waren ganz wesentliche Begriffe in Ihrer Rede. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Arbeitnehmerfreizügigkeit darf in diesem Land nicht zur Lohndrückerei missbraucht werden. Das ist die ganz klare Position der Bundesregierung. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich rate dringend dazu, auch die Chancen zu sehen. Ich bedaure sehr - die Bundesregierung ist darüber bestürzt -, dass sich Ihre Äußerungen in die Reihe der Äußerungen anderer Mitglieder Ihrer Partei einfügen, nicht zuletzt Ihres Parteivorsitzenden. Herr Gabriel hat am 14. April dieses Jahres ausweislich des Protokolls in einer Plenardebatte erklärt: Dann - am 1. Mai - wird der Arbeitsmarkt für die osteuropäischen Arbeitskräfte geöffnet. In Bezug auf die osteuropäischen Arbeitskräfte hat er dann weiter gesagt: Sie dringen richtig in den ersten Arbeitsmarkt ein. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Ich halte das für eine skandalöse Aussage. Qualifizierte Fachkräfte, die wir hier brauchen und die ihre selbstverständlichen Freiheitsrechte wahrnehmen, sind uns willkommen. Sie sind keine Eindringlinge in diesem Land. Hüten Sie sich vor solchen Ausdrücken! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nachdem wir uns intensiv mit allen Daten und Fakten beschäftigt haben, erwartet die Bundesregierung aus guten Gründen keinen Ansturm von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus den neuen Mitgliedstaaten. Wir haben nicht erst jetzt alle Hürden abgebaut. Für hochqualifizierte Menschen aus unseren Nachbarstaaten war der Zugang zu unserem Arbeitsmarkt schon vorher frei. Jetzt sind sozusagen die letzten Hürden beim Zugang zu unserem Arbeitsmarkt beseitigt worden. Wir rechnen damit, dass in den ersten Jahren circa 100 000 Menschen zusätzlich auf unseren Arbeitsmarkt kommen. Wenn man berücksichtigt, dass in den Staaten, die jetzt die Arbeitnehmerfreizügigkeit genießen können, rund 73 Millionen Menschen leben, dann ist es nur etwa 1 Promille dieser Menschen, die pro Jahr zu uns kommen werden. Das ist auch nachvollziehbar. Denn die wenigsten verlassen einfach so ihre Heimat, um in einem anderen Land arbeiten zu können. Wir haben auch nicht zu kommentieren, welche Entscheidungen die Menschen treffen. Es ist nicht in erster Linie ein arbeitsmarktpolitisches Thema, sondern ein Freiheitsthema. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Dass sich die Menschen, 50 Jahre nachdem wenige Meter von hier entfernt die Berliner Mauer errichtet worden ist, in Europa frei bewegen können, ist die entscheidende Botschaft der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Entscheidend ist nicht, Fachkräfteprobleme zu lösen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) In der Tat kann der schon jetzt in einigen Regionen bestehende Fachkräftemangel nicht durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit für acht mittel- und osteuropäische Länder gelöst werden. Das war auch nie die Absicht dieser Regelungen. Wenn wir für unser Land werben wollen, sollten wir kein Zerrbild des deutschen Sozialstaats zeichnen. Wenn man das, was teilweise von der Opposition behauptet wird, ernst nehmen würde, dann müsste man Fachkräften dringend abraten, in dieses Land zu kommen. Deutschland ist ein wirtschaftlich starkes und sozial solides Land mit einem gut ausgebauten Sozialsystem, in dem es sich zu leben und zu arbeiten lohnt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Im Gegensatz zu dem, was die Opposition sagt, hat die Bundesregierung ihre Hausaufgaben in Vorbereitung auf den 1. Mai dieses Jahres gemacht. Es ist legitim, dass auch diejenigen, die in der rot-grünen Koalition sieben Jahre Zeit hatten, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, dies aber nicht getan haben, jetzt gebetsmühlenartig ihr Credo von einem gesetzlichen Mindestlohn wiederholen. (Zuruf von der SPD: Vielleicht hat sich die Lage geändert!) Das ist legitim, hat aber nichts mit den Problemen zu tun, die sich um den 1. Mai dieses Jahres herum ergeben. In all den sensiblen Branchen, von denen wir wissen, dass Probleme drohen können - im Baubereich, im Gebäudereinigerbereich und im Pflegebereich - hat die christlich-liberale Koalition dafür gesorgt, dass im letzten Jahr der Mindestlohn wirksam wurde. Das wurde in der Pflegebranche von den Beteiligten vereinbart. Ab 1. Juni gilt in der sensiblen Branche des Wach- und Sicherheitsgewerbes ein für alle geltender tariflicher Mindestlohn. In der Zeitarbeitsbranche, in der es, wie wir wissen, Problemdruck geben kann, haben wir es geschafft, rechtzeitig vor dem 1. Mai gesetzliche Regelungen hinzubekommen. Es gibt keinen seriösen Grund, anzunehmen, dass jetzt Millionen von Friseuren kommen, um in dieser Branche Lohndruck auszuüben. In sensiblen Branchen, von denen wir wissen, dass es Probleme geben kann, hat die Bundesregierung gehandelt. Wir haben im Hinblick auf den 1. Mai unsere Hausaufgaben gemacht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben dies genau in der Tradition der sozialen Marktwirtschaft getan, in der die Tarifvertragsparteien für die Lohnfindung zuständig sind. Wir haben sie ermutigt, zu Regelungen zu kommen. Sie sind auch zu Regelungen gekommen, und wir haben mit entsprechenden Mindestlohnverordnungen dafür gesorgt, dass Lohnuntergrenzen gelten und Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht zu Lohndrückerei missbraucht werden kann. Wir werden das auch in Zukunft mit der gebotenen Sorgfalt kontrollieren. Denn das ist in der Tat wichtig. Es geht nicht nur darum, Regelungen auf dem Papier zu haben; man muss auch dafür sorgen, dass sie eingehalten werden. Einen Gesetzentwurf, der die entsprechenden Kontrollen regelt, hat die christlich-liberale Koalition gestern im Deutschen Bundestag auf den Weg gebracht. Wir werden ihn jetzt beraten und, so denke ich, auch verabschieden. Wir wissen, dass wir darauf achten müssen, dass es nicht zum Missbrauch kommt. Niemand sollte heute so tun, als wüsste er in einer Situation, in der mehr Menschen als je zuvor aus mehr Ländern als je zuvor an ein und demselben Tag die Arbeitnehmerfreizügigkeit gewährt wird, genau, was passiert. Im Jahr 50 nach dem Mauerbau ist diese Freiheit für die Menschen in Europa ein gewaltiges, großartiges Ergebnis; das steht im Mittelpunkt. Die Chancen überwiegen die Risiken. Die Bundesregierung hat ihre Hausaufgaben gemacht. Die christlich-liberale Koalition wird die Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial und gerecht gestalten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Eva Högl hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Eva Högl (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich stimme meinem Vorredner, dem Herrn Staatssekretär, ausdrücklich in einem Punkt zu, aber nur in diesem einen: (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Na Gott sei Dank!) Der 1. Mai war ein guter Tag für Europa. Das kann nicht oft genug gesagt werden. Deswegen sage ich zu Beginn meiner Rede: Europa rückt näher zusammen. Auch für die acht Mitgliedstaaten, die 2004 beigetreten sind, gilt endlich die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Es gibt auch keine Beschränkungen mehr bei der Dienstleistungsfreiheit. Das ist ein großer Erfolg für Europa, aber auch für uns; denn bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit handelt es sich nicht - ich sage das ganz bewusst - um eine europäische Kleinigkeit, sondern um eine Grundfreiheit, um ein fundamentales Recht, auf das Europa gegründet ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich will keine Vergangenheitsbewältigung betreiben, aber ich habe aus diesem Grund immer zu denjenigen gehört, die es von Anfang an falsch gefunden haben, bestimmten Personen diese Grundfreiheiten vorzuenthalten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich freue mich, dass sich nun endlich auch die Menschen aus diesen acht Mitgliedstaaten in Europa frei bewegen können, dass sie entscheiden können, wo sie leben und arbeiten. Das macht Europa aus. Wir wissen, dass wir hier im Haus für Europa werben müssen. Wir müssen versuchen, den Menschen deutlich zu machen, warum Europa der richtige Weg für ein wirtschaftlich erfolgreiches Land wie Deutschland ist. Das ist eine wichtige Aufgabe unserer Europapolitik. Wir zeigen damit auch, dass sich Europa nicht nur um wirtschaftliche Belange kümmert. Ich will das überhaupt nicht kleinreden. In den Bereichen Wirtschaft und Finanzen stehen wir vor schwierigen Herausforderungen. Wir stehen aber auch vor der Aufgabe, jeden Tag deutlich zu machen, dass sich Europa um die Themen kümmert, die die Menschen bewegen: Habe ich einen sicheren Arbeitsplatz? Habe ich ausreichend soziale Sicherheit? Wie geht es mit meiner Ausbildung weiter? Wie wird mir geholfen, wenn ich von Armut bedroht bin? Das sind Themen, um die sich Europa kümmern muss. Das machen wir im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit deutlich. (Beifall bei der SPD) Auch wenn das nicht ganz zum Thema passt, möchte ich Folgendes erwähnen: Ich bin sehr in Sorge, wenn ich sehe, wie jetzt über die Freiheit des Personenverkehrs und das Schengen-Regime diskutiert wird. Einzelne Mitgliedstaaten versuchen aus nationalem Interesse, diese Errungenschaft wieder rückgängig zu machen und den Personenverkehr einzuschränken. Ich bitte alle, gemeinsam dagegen zu kämpfen und sich weiter dafür einzusetzen, dass sich alle Menschen in Europa frei bewegen können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Staatssekretär, ich stimme Ihnen ausdrücklich nicht zu - das wird Sie sicherlich nicht überraschen -, wenn Sie sagen, dass die Bundesregierung ihre Hausaufgaben gemacht hat und gut vorbereitet ist. Die Bundesregierung ist alles andere als gut vorbereitet. Wenn Sie sagen, dass die sieben Jahre Übergangszeit sich bewährt haben und von der Bundesregierung genutzt wurden, dann frage ich: Wie wurden sie denn genutzt? (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Eine gute Frage, auf die wir gerne eine Antwort geben!) Ich stelle fest, dass die Bundesregierung überhaupt nicht vorbereitet ist. Obwohl die Notwendigkeit bestand, wurde die Arbeitnehmerfreizügigkeit politisch nicht gestaltet. Die sieben Jahre wurden nicht genutzt, um uns auf den 1. Mai gut vorzubereiten. Es ist schon gesagt worden - ich wiederhole es, weil es nicht oft genug gesagt werden kann -: Wir müssen allen Menschen in unserem Land faire Arbeitsbedingungen, gerechte Löhne und soziale Sicherheit garantieren. Herr Brauksiepe, es ist kein Zerrbild des deutschen Arbeitsmarktes, wenn wir darauf verweisen, dass es Menschen in unserem Land gibt, die von den Löhnen, die sie bekommen, weder sich selbst noch ihre Familien ernähren können. Heute ist wieder zu lesen, dass es in unserem Land fast 1,4 Millionen sogenannte Aufstocker gibt. Viele Menschen in unserem Land können also von ihren Löhnen nicht leben. Das ist kein Zerrbild, sondern macht deutlich, dass Handlungsbedarf auf dem deutschen Arbeitsmarkt besteht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist ebenfalls schon gesagt worden - ich möchte das noch einmal hervorheben -: Andere Mitgliedstaaten in Europa haben uns vorgemacht, wie man es machen kann. Die Mitgliedstaaten nämlich, die von Anfang an ihre Arbeitsmärkte geöffnet haben, die die Grundfreiheiten von Anfang an nach dem Beitritt der neuen Mitgliedstaaten verwirklicht haben, haben gezeigt, dass man vorher, bevor der Beitritt erfolgt, bevor die Grundfreiheiten Wirklichkeit werden, politisch gestalten muss. Im Übrigen zeigen alle Statistiken: Für diese Mitgliedstaaten war es eine gute und richtige Entscheidung, den Arbeitsmarkt zu öffnen. Alle Mitgliedstaaten, die das getan haben - Sie haben es schon erwähnt -, haben davon profitiert. Aber sie alle haben einen Mindestlohn - sie haben alle einen Mindestlohn! - und haben damit deutlich gemacht, dass sie klar Nein sagen zu Lohn- und Sozialdumping. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Gitta Connemann [CDU/CSU]: Wie hoch ist denn der Mindestlohn?) Das war eine wichtige Voraussetzung vor der Verwirklichung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon viel dazu gesagt worden, dass der Mindestlohn ein wesentlicher Bestandteil sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit für alle Menschen in unserem Land ist. Ich möchte aber noch einmal darauf verweisen, dass auch die wirtschaftliche Vernunft einen Mindestlohn gebietet. Es ist nicht nur sozial gerecht, sondern auch ökonomisch genau der richtige Weg, einen Mindestlohn einzuführen. Wir haben erst vor kurzem eine Studie auf den Tisch bekommen - ich empfehle die Lektüre; das lohnt sich wirklich -, die klar und sehr gut nachvollziehbar darlegt, dass ein Mindestlohn von etwa 8,50 Euro - das ist untersucht worden - rund 5 Millionen Menschen in unserem Land ein zusätzliches Haushaltseinkommen von insgesamt 14,5 Milliarden Euro ermöglichen würde. Das ist für die Familien sehr wichtig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Gleichzeitig - auch darauf achten wir in diesem Haus ja immer - würde der Bundeshaushalt entlastet werden. Die Schätzung sagt, dass dies 7 Milliarden Euro ausmachen würde. Auch das sollten wir nicht ignorieren, sondern in unsere politischen Entscheidungen einbeziehen. Zu beachten sind auch die damit verbundenen Steuern und Sozialbeiträge in Höhe von 2,7 Milliarden Euro. Das sind ökonomische Rahmenbedingungen, die ganz klar für einen Mindestlohn sprechen. Wenn Sie nicht die soziale Gerechtigkeit überzeugt, dann doch bitte die ökonomische Vernunft. Ich war etwas erstaunt, festzustellen, dass auf der Homepage des Arbeitsministeriums der Mindestlohn gelobt wird, und kann nur hoffen, dass die Homepage jetzt nicht korrigiert wird, sondern dass das weiterhin dort zu lesen sein wird. Ich verstehe eines nicht, Frau Ministerin, Herr Staatssekretär, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen: Wenn Sie für einen Mindestlohn in einzelnen Branchen werben und das hier sogar positiv darstellen, warum wollen Sie das den anderen Menschen in anderen Branchen - das verstehe ich überhaupt nicht - vorenthalten? Das versteht in unserem Land, glaube ich, niemand. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte noch eine Bemerkung zum Fachkräftemangel machen. Beim Thema Fachkräftemangel kann ich nur feststellen: Die Bundesregierung hat dieses Problem verschlafen. Wir stehen jetzt vor der Frage: Wie können wir etwas gegen den Fachkräftemangel tun? Natürlich sind wir uns einig, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit und der potenzielle Zuzug aus den acht Mitgliedstaaten unseren Fachkräftemangel nicht beseitigen. Aber wir müssen ebenfalls zur Kenntnis nehmen: Auch in diesen acht Mitgliedstaaten hat sich die politische Lage verändert. Noch kurz nach dem Beitritt haben die acht Mitgliedstaaten immer vorgetragen, dass sie sehr enttäuscht sind, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht verwirklicht wurde. Wenn Sie aber jetzt Gespräche mit Vertretern dieser Mitgliedstaaten führen, stellen Sie fest, dass alle in Sorge sind, weil auch in diesen Staaten ein Fachkräftemangel droht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es ist überhaupt nicht klar, ob gut ausgebildete Kräfte aus diesen Ländern zu uns kommen; denn diese Länder haben ein großes Interesse daran, ihre eigenen Fachkräfte zu behalten. (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Ja!) Einen Gesichtspunkt möchte ich in diesem Zusammenhang noch erwähnen: Deutschland ist nicht mehr so attraktiv, wie es das einmal war; denn die Löhne sind im europäischen Vergleich so niedrig - auch das ist schon erwähnt worden -, dass es gar nicht unbedingt ausgemacht ist, dass sich gut qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland aufmachen, um hier zu arbeiten. Beim Thema Fachkräftemangel gibt es einen weiteren Punkt, bei dem wir viel engagierter vorgehen müssen. Das ist ein Auftrag an uns hier im Haus. Ich meine die Anerkennung von Berufsqualifikationen. (Josip Juratovic [SPD]: Sehr gut!) Meine Damen und Herren, gerade im Pflegebereich sehen wir, dass viele examinierte Pflegekräfte aus dem Ausland, die gut ausgebildet sind, bei uns nicht als examinierte Pflegekräfte arbeiten können, sondern als Pflegehelferinnen oder Haushaltshilfen - das wurde schon erwähnt - quasipflegerische Tätigkeiten ausführen, wofür sie überhaupt nicht angemessen bezahlt werden. Es ist also festzustellen, dass sie auf unserem Arbeitsmarkt keinen Arbeitsplatz entsprechend ihrer Qualifikation finden. Es ist dringender Handlungsbedarf gegeben, was die Anerkennung von Qualifikationen angeht, wenn wir für qualifizierte Arbeitskräfte attraktiv sein wollen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Ich möchte noch einen Punkt aufgreifen, den Sie genannt haben, nämlich den Hinweis darauf, dass es in diesem Zusammenhang kein Gesetz gibt, sondern nur eine Anweisung an die Bundesagentur für Arbeit. Da setzt sich fort, was wir bei der Bundesregierung in der Europapolitik kontinuierlich erleben. Ich persönlich halte es für einen Riesenskandal, dass wir als Parlament an wichtigen politischen Entscheidungen systematisch nicht beteiligt werden. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen: Die Arbeitnehmerfreizügigkeit muss durch gesetzliche Änderungen umgesetzt werden. Uns droht einerseits ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, und andererseits findet eine Missachtung dieses Hauses statt. Deswegen fordere ich die Bundesregierung auf: Legen Sie uns die entsprechenden Gesetzentwürfe vor! Beteiligen Sie das Parlament! Ich kann Sie alle nur auffordern: Stimmen Sie dem Antrag der SPD zu! Es sind viele gute Vorschläge gemacht worden, wie wir die Arbeitnehmerfreizügigkeit politisch gestalten und wie wir sie zu einem gemeinsamen Erfolg für die Menschen in Deutschland und in ganz Europa machen können. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Max Straubinger hat jetzt das Wort für die CDU/ CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Max Straubinger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Högl, wenn wir Ihrem Antrag zustimmten, hätten wir wahrscheinlich sofort mit dem Europäischen Gerichtshof zu tun; Ihr Antrag ist nämlich grob europarechtswidrig. Sie schreiben folgenden Passus unter II.: Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung dazu auf, 1. im Bereich der Arbeitsbedingungen und der Entlohnung dafür zu sorgen, dass ... c) Scheinselbstständigkeit verhindert wird. Die Abgrenzung zwischen Selbstständigen und abhängig Beschäftigten muss im Zielland der Entsendung nach dessen Maßstäben überprüft werden können und nicht, wie bisher, nur nach den Bedingungen des Herkunftslandes. Diese Forderung ist grob europarechtswidrig. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ja!) Das ist mit ein Grund, diesen Antrag abzulehnen. Letztendlich wurden die vorliegenden Anträge im Hinblick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem 1. Mai dieses Jahres gestellt. Der Parlamentarische Staatssekretär Ralf Brauksiepe hat die Arbeitnehmerfreizügigkeit bereits für die Bundesregierung begrüßt, genauso Karl Schiewerling und ich für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Was macht die Opposition in diesem Haus? Die Opposition schürt Ängste. (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Quatsch mit Soße!) - Natürlich. Der Kollege Parlamentarische Staatssekretär Brauksiepe hat bereits darauf hingewiesen, dass man auch mit Worten mitten in der Gesellschaft Ängste schüren kann. Der SPD-Vorsitzende hat in diesem Parlament von "Eindringen" gesprochen, als es darum ging, dass sich Fachkräfte aus Osteuropa auf dem deutschen Arbeitsmarkt niederlassen. Die Linken sollten ganz ruhig sein; (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Warum sollen wir ruhig sein? Verbieten Sie uns den Mund?) schließlich hat der Kollege Gysi von der "Invasion osteuropäischer Arbeitnehmer" auf dem deutschen Arbeitsmarkt gesprochen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Unsinn!) Ich bin der Meinung, das ist im Zusammenhang mit der Freizügigkeit mitten in Europa eine ungehörige Wortwahl. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das zeigt sehr deutlich, wes Geistes Kind Sie sind und dass Linke und Rechte für unser demokratisches Staatswesen letztendlich gleichermaßen gefährlich sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Natürlich muss vorbereitet sein, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit von den Menschen mitgetragen wird. Die Kollegin Pothmer hat kritisiert, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit letztendlich viel zu spät in Gang gesetzt worden ist (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!) und dass Deutschland aufgrund der europäischen Verträge alle Möglichkeiten für eine späte Einführung ausgeschöpft hat. Ich stelle mir einmal vor, die Arbeitnehmerfreizügigkeit hätte unter Rot-Grün - mit 5 Millionen Arbeitslosen in unserem Land - in Gang gesetzt werden müssen. Ich bin überzeugt: Dann wäre die Akzeptanz der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Bevölkerung sehr niedrig gewesen. Schon in der Regierungszeit von Rot-Grün wäre es möglich gewesen, die Arbeitnehmerfreizügigkeit herzustellen. Das hat man aber ob der in der damaligen Regierungszeit abgelieferten wirtschaftlichen Daten - die Menschen wurden ihrer Zukunftschancen beraubt - zu Recht nicht getan. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die Union ist der Garant dafür, dass das Projekt Europa gelingt und dass wir offene Grenzen haben. Helmut Kohl hat das mit zustande gebracht. Die CDU/ CSU stand dabei an der Spitze. Ich sage ausdrücklich: Ich bin dem Kollegen Ralf Brauksiepe dafür dankbar, dass er darauf hingewiesen hat, dass wir jetzt, 50 Jahre nach dem unsäglichen Mauerbau, für den die SED mit verantwortlich war - damals wurden unüberwindbare Grenzen gezogen -, in der Lage sind, Arbeitnehmerfreizügigkeit zu gewähren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Linke ist verblendet. Sie zeichnet Bilder, die in keiner Weise der Realität entsprechen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das haben wir von Ihnen gelernt! - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das hat Strauß auch getan!) Ihre wirtschaftspolitische Sprecherin, Frau Sahra Wagenknecht, träumt genauso wie die Parteivorsitzende von der Wiederinstallierung des Kommunismus. Für sie ist der Kapitalismus die Wurzel allen Übels. Sie behaupten, durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit komme es zu Lohndumping. Angeblich werden soziale Standards geschliffen. Die Linke spricht sich auf ihrer Homepage für einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 10 Euro aus, (Zurufe von der LINKEN: Ja! - Genau!) weil das angeblich der europäischen Normalität entspricht. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ich möchte Ihnen die Weltfremdheit Ihrer Haltung aufzeigen. Als einziges Land hat Luxemburg einen Mindestlohn von über 10 Euro, nämlich 10,16 Euro. In Frankreich beträgt der Mindestlohn 9 Euro, in den Niederlanden 8,74 Euro, in Großbritannien, das heute so großartig von Frau Kollegin Pothmer gelobt worden ist, weil dort die Freizügigkeit früher eingeführt worden ist, 6,91 Euro, in Slowenien - mit dem höchsten Mindestlohn unter den acht Beitrittsländern - 4,32 Euro und in Spanien 3,89 Euro. Diese Liste kann man fortsetzen. In Polen beträgt der Mindestlohn 1,85 Euro, in der Slowakei ebenfalls und in Estland 1,73 Euro. Diese Zahlen zeigen sehr deutlich, dass die Linken mit der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn nur Nebelkerzen werfen wollen. Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn wird nicht einmal von den Gewerkschaften akzeptiert, zumindest nicht in der Realität, - Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege. Max Straubinger (CDU/CSU): - wenn er auch in den politischen Forderungen auftaucht. (Widerspruch bei der LINKEN) Ich verweise auf die tariflichen Vereinbarungen für die Wach- und Sicherheitsdienste in Deutschland. Für diese wurden unterschiedliche Mindestlöhne in den einzelnen Bundesländern vereinbart. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, Frau Leidig würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Dann brauchen Sie Ihre Rede noch nicht zu beenden. Max Straubinger (CDU/CSU): Ach so. - Ja, bitte. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Straubinger, so kann man sich vertun, politisch und auch am Rednerpult!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Sabine Leidig (DIE LINKE): Herr Straubinger, ich frage Sie, ob Sie die Europäische Sozialcharta kennen und ob Sie wissen, dass in dieser als gerechter Mindestlohn ein Lohn von 60 Prozent des nationalen Durchschnittslohns festgelegt ist, was bedeuten würde, dass in der Bundesrepublik Deutschland ein Mindestlohn von 12,50 Euro dem Gerechtigkeitsempfinden der Europäischen Sozialcharta entsprechen würde. (Beifall bei der LINKEN) Max Straubinger (CDU/CSU): Frau Kollegin, ich bin Ihnen dankbar für Ihre Frage. Löhne bilden sich nicht nach dem Gerechtigkeitsempfinden, sondern aufgrund der Leistungsfähigkeit und darüber hinaus aufgrund der Wettbewerbsbedingungen. (Dr. Eva Högl [SPD]: Das ist aber zynisch! - Zuruf von der LINKEN: Wovon träumen Sie? - Weitere Zurufe von der LINKEN) Was nützt ein hoher Mindestlohn, wenn dadurch Arbeitsplätze bei uns verloren gehen? (Beifall bei der CDU/CSU) Das wäre die Konsequenz Ihrer Politik. Wenn Sie die Menschen lieber arbeitslos machen wollen, dann müssen Sie für einen hohen Mindestlohn eintreten. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So ist es!) Es geht darum, zwischen den Tarifparteien vernünftige Löhne zu vereinbaren, die möglichst hoch sind, sich aber letztendlich an der Produktivität orientieren müssen. Sie hängen nicht vom Wunschdenken ab. Deutschland ist mit seinem System gut gefahren. Vor allem die Menschen in Ostdeutschland können froh sein, dass sie von der Planwirtschaft in die soziale Marktwirtschaft gekommen sind - Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Straubinger. Max Straubinger (CDU/CSU): - und damit an den Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft teilhaben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Straubinger, es gibt noch eine zweite Zwischenfrage von Frau Enkelmann. Möchten Sie diese noch beantworten? Dann können Sie noch einen Moment am Pult bleiben. Max Straubinger (CDU/CSU): Das kann ich der Frau Enkelmann nicht verwehren. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön, Frau Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Straubinger, ganz herzlichen Dank. - Meine Frage ist: Halten Sie es für gerecht, dass immer mehr Menschen - die aktuellen Zahlen sind heute veröffentlicht worden - auf ergänzende Sozialleistungen und Hartz IV angewiesen sind, obwohl sie arbeiten, das heißt, einen Lohn bekommen, von dem sie sich und ihre Familien nicht ernähren können? Halten Sie das für gerecht? Max Straubinger (CDU/CSU): Es geht hier nicht um die Frage der Gerechtigkeit (Zurufe von der SPD und der LINKEN) - nein -, sondern es geht um die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaates. Frau Kollegin Enkelmann, wenn Sie die Meldung richtig gelesen hätten, (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: 1,4 Millionen!) dann hätten Sie feststellen können, dass nur deshalb so oft aufstockende Leistungen notwendig sind, weil es sich hier häufig um Halbtagsbeschäftigungen bzw. um geringfügige Beschäftigungsverhältnisse handelt. Es gehört auch zur Wahrheit, das zu sagen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ausdruck unseres Sozialstaates ist letztendlich: Wer möglicherweise aufgrund seiner familiären Situation gar nicht die Möglichkeit hat, eine Vollzeitbeschäftigung aufzunehmen, wird durch den Sozialstaat entsprechend unterstützt. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das sind Leiharbeiter!) Das ist gelebte Solidarität der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, der Steuerzahler in unserem Land mit den Menschen, die aufgrund ihrer persönlichen Situation oder anderer möglicher Umstände in unserer Gesellschaft keinen ausreichenden Lohn erwirtschaften können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Informieren Sie sich noch einmal, was wirklich ist! - Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das Schlimme ist, dass Sie das alles auch noch selber glauben!) Ich bedanke mich - auch bei der Präsidentin für ihre Geduld. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat Sabine Zimmermann das Wort für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Straubinger, mir sträuben sich die Haare, wenn ich höre, was Sie unter sozialer Gerechtigkeit verstehen. Das muss ich Ihnen hier einmal so deutlich sagen. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Gitta Connemann [CDU/CSU]: Bei den Berliner Stadtwerken sträuben sich mir auch die Haare!) Ich will Ihren Blick noch ein bisschen aufhellen: Sie haben gesagt, unter Rot-Grün hatten wir früher 5 Millio-nen Arbeitslose. Das ist korrekt. Wissen Sie aber, was wir jetzt haben? Wir haben jetzt eine reale Arbeitslosigkeit von 4,5 Millionen Arbeitslosen und 1,4 Millionen Aufstocker. Ist das gerecht? Aus meiner Sicht nicht, lieber Kollege Straubinger. (Beifall bei der LINKEN - Gitta Connemann [CDU/CSU]: Berliner Stadtwerke!) Lieber Herr Brauksiepe, ich glaube, dass Sie die Opposition nicht ganz verstanden haben. (Dr. Eva Högl [SPD]: Ja, das stimmt!) Wir wollen den europäischen Arbeitsmarkt - Herr Brauksiepe, vielleicht können Sie mir einmal einen Moment zuhören -, (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Hallo, Herr Brauksiepe!) aber wir wollen auch soziale Standards für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa. Ich denke, das ist sozial gerecht und daran arbeiten wir auch gemeinsam - nur mit Ihnen wahrscheinlich nicht. (Beifall bei der LINKEN - Manfred Grund [CDU/CSU]: Dafür ist der Herr Brauksiepe auch zuständig!) "Europa wird sozial sein, oder es wird nicht sein." (Dr. Eva Högl [SPD]: Genau!) Dieses Zitat des ehemaligen französischen Staatspräsidenten Mitterrand mag zwar wirklich schon einige Jahre alt sein, doch an Aktualität hat es nichts eingebüßt. Soziale Sicherheit und einheitliche Mindeststandards für alle Bürgerinnen und Bürger der EU sind der entscheidende Schlüssel dafür, ob dieses europäische Projekt auf Dauer Erfolg haben wird. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) Hier muss die Bundesregierung endlich ihre Verantwortung wahrnehmen und darf nicht länger so tun, als ginge sie das einfach gar nichts an, wie das gerade der Herr Brauksiepe und die Frau von der Leyen mit ihrer Unterhaltung zum Ausdruck bringen. Es ist beschämend, dass Deutschland nahezu das einzige Land in Europa ist, das keinen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn oder eine vergleichbare Regelung hat. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Am besten: weltweit!) In keinem anderen Land ist der Niedriglohnsektor in den letzten Jahren derart stark angewachsen. Ich sage: Deutschland ist zum Motor der Niedriglohnbeschäftigung in Europa geworden und wird diesen Spitzenplatz auch nach der Herstellung der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem 1. Mai 2011 locker verteidigen und sogar noch weiter ausbauen, und das ist ein Skandal. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) Meine Damen und Herren der Bundesregierung, dafür haben Sie alle Voraussetzungen geschaffen. Das ist Ihr Verdienst, und das ist aus unserer Sicht beschämend. (Beifall bei der LINKEN) Um gegen den Wettbewerb nach unten bei den Löhnen gewappnet zu sein, gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder eine gesetzliche Lohnuntergrenze oder eine hohe Tarifbindung. Deutschland hat beides nicht. Die bisherigen Bundesregierungen und auch unsere jetzige haben verbissen gegen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes gekämpft. In diesem Abwehrkampf wandelten sich sogar - dafür steht auch Herr Straubinger - bisherige Gewerkschaftsverächter zu blühenden Verfechtern der Tarifautonomie. Ich bin aus dem Staunen gar nicht mehr herausgekommen, meine Damen und Herren - beim besten Willen nicht. Manchmal hatte man ja den Eindruck, die Sozialpartner seien so stark wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Leider ist die Realität eine andere; denn die Sozialpartner sind zunehmend nicht mehr in der Lage, eine flächendeckende Tarifbindung herzustellen. - Herr Schiewerling, Sie schauen mich so an. Ich denke, dass Sie sich auch bei Gewerkschaften sachkundig gemacht haben. (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Ich bin fassungslos!) Die eingeführten und von der Bundesregierung gefeierten Branchenmindestlöhne erfassen doch nur einen kleinen Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland. Das ist die Realität, meine Damen und Herren. So erfreulich auch die Branchenmindestlöhne aus Ihrer Sicht sind - dem eigentlichen Problem wirken sie überhaupt nicht entgegen. In diesem Zusammenhang muss man der Bundesregierung zu einem wahren Meisterstück gratulieren. Nachdem man sich jahrelang gegen einen Mindestlohn in der Leiharbeit ausgesprochen hat, wurden nun aus den einstigen Gegnern sogar richtige Befürworter. Was war passiert? Man hatte festgestellt, dass sich auf den Tarifvorbehalt im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, nach dem von der gleichen Bezahlung abgewichen werden kann - übrigens ein Verdienst der SPD-geführten Schröder-Regierung -, ab dem 1. Mai 2011 auch Leiharbeitsunternehmen aus den neuen osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten berufen können und sie ihre Leiharbeitskräfte zu noch niedrigeren Tariflöhnen als die hiesigen in Deutschland einsetzen können. Plötzlich waren sich Arbeitgeberverbände und Bundesregierung schnell einig, dass die Leiharbeit einen Mindestlohn brauche - zum Schutz vor Lohndumping. Worum es aber wirklich ging, war nicht, den Leiharbeitskräften zu helfen, sondern die heimische Leiharbeitsindustrie vor der unliebsamen ausländischen Konkurrenz zu schützen. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!) Ein echtes Novum: ein Mindestlohn zum Schutz der Arbeitgeber. Oder sollten wir eher von einem Mindestlohn zum Schutz der Gewinne sprechen? So kann es nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Damit haben Sie dafür gesorgt, dass das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit", Equal Pay, zu Grabe getragen wird. Das ist die Wahrheit. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Sie wissen doch wirklich nicht, was Sie reden! Wenn Sie von Wahrheit sprechen, dann wird mir ganz anders, Frau Zimmermann!) Sehr geehrte Damen und Herren von der Bundesregierung, fangen Sie endlich an, sich einzusetzen für ein modernes und soziales Europa, das von fairer Mobilität, Solidarität zwischen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unterschiedlicher Länder und von sozialer Sicherheit als einigendem Band durchzogen wird, anstatt von Unterbietungswettbewerb, Unsicherheit und Armut dominiert zu sein. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat der Kollege Dr. Johann Wadephul für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der 1. Mai 2011 war ein sonniger Tag. Leider fiel er, was viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedauert haben, auf einen Sonntag. Dennoch fanden die Maikundgebungen der Gewerkschaften statt. Zu diesen Kundgebungen kamen aber bedauerlicherweise relativ wenige Menschen. (Zurufe von der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt überhaupt nicht!) Ebenso wenige Menschen - auch da hatten Sie mehr erwartet - kamen am 1. oder möglicherweise am 2. Mai nach Deutschland - quasi als die Flut, die hier bei uns eindringt - um die Worte des Kollegen Gabriel noch einmal zu wiederholen -, und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland die Arbeitsplätze wegnimmt. Ich muss feststellen: Hier ist, insbesondere von der linken Seite des Hauses, ein Popanz aufgebaut worden, der der Europaidee wirklich geschadet hat. Ich bedanke mich bei den Kollegen Dr. Högl und Juratovic, die sich heute als gute Europäer gezeigt haben und hier ein Stück weit den Fehltritt ihres Parteivorsitzenden ausgebügelt haben. (Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für Deutschland und für Europa ist der 1. Mai mit der Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit ein gutes Datum gewesen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir freuen uns darüber, dass die Menschen aus den europäischen Nachbarstaaten jetzt die Möglichkeit haben, auch bei uns zu arbeiten. Wenn nun der eine oder andere Blick zurückgeworfen wird und insbesondere rot-grüne Abgeordnete hier erklären, da seien Chancen verabsäumt und Hausaufgaben nicht gemacht worden, kann man sich eigentlich nur fragen: Haben Sie denn in dieser Zeit gar keine Verantwortung getragen? (Dr. Eva Högl [SPD]: Jetzt haben Sie sie!) Frau Pothmer, ich fange einmal bei den Grünen an. 2004 wurde die Angelegenheit erstmalig vereinbart. 2004 traten diese acht Staaten der EU bei. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir waren immer dafür!) Wenn Sie jetzt der Auffassung sind, dass wir alles falsch gemacht haben und die Briten alles richtig, dann frage ich Sie: Warum haben die Grünen denn 2004 nicht dafür gesorgt, dass es die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu diesem Zeitpunkt für alle gibt? Seien Sie doch selbstkritisch! Kritisieren Sie sich selber! Machen Sie uns doch keine Vorwürfe! Wir konnten doch 2004 nichts dafür. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) Frau Högl, Ihre Wertschätzung für Bundesarbeitsministerin von der Leyen, Staatssekretär Brauksiepe und Staatssekretär Fuchtel sowie die neue Führung des Hauses in allen Ehren - in der Tat wird das Haus jetzt besser geführt als zuvor -, aber zu behaupten, dass seit 2009 alle Hausaufgaben verabsäumt worden wären, zeugt ein wenig von Geschichtsvergessenheit. Damit stellen Sie auch das Licht von Olaf Scholz - das muss man mit allem Respekt hier betonen - etwas unter den Scheffel. Das hat Olaf Scholz nicht verdient. Er hat nämlich einen großen Anteil an der Entwicklung. Die entsprechenden Regelungen sind ja zweimal verlängert worden: 2006 und 2009 ist, wenn Sie so wollen, die Ausnahmegenehmigung, den deutschen Arbeitsmarkt abzuschotten, verlängert worden, während andere EU-Mitgliedstaaten sich schon damals für Freizügigkeit entschieden haben. Zumindest einmal ging das auf die Initiative von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz zurück. Das sollte dann doch bitte auch auf seinem Konto, vielleicht auch auf dem Konto der SPD, vermerkt werden. Das sollten Sie uns bitte schön nicht vorwerfen. Da sind wir - (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie waren doch auch dafür! Ihr wolltet es doch auch!) das wollen Sie, Frau Pothmer, wahrscheinlich gerade sagen - genauso wie zuvor die Grünen von Olaf Scholz dominiert worden und konnten uns nicht durchsetzen. So war das. Insofern sollte das an der Stelle auch festgehalten werden. (Beifall bei der CDU/CSU - Heiterkeit bei der SPD und der FDP - Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) Wir stellen ja nun gemeinsam fest, dass wir heute vor ganz anderen Schwierigkeiten stehen, als wir noch vor 10 bis 15 Jahren dachten. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!) Es ist ja gar nicht so, dass unsere größte Sorge wäre, dass nun zu viele kämen und uns Arbeitsplätze wegnähmen; denn diejenigen, die kommen wollten, sind schon gekommen. Das wissen wir alle. (Dr. Eva Högl [SPD]: Genau!) Man konnte sich als Selbstständiger schon hier niederlassen. Wer das nicht wollte oder woanders mehr verdienen konnte - da haben Sie ja recht, Frau Pothmer -, ist zum Beispiel nach Großbritannien gegangen, darunter befanden sich viele gut Qualifizierte. (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Und von da jetzt wieder zurück nach Polen! - Dr. Eva Högl [SPD]: Sehr richtig!) Von diesen sind - Herr Kollege Schiewerling, völlig richtig - viele auch wieder zurück nach Polen gegangen. Jetzt wird prognostiziert, dass vielleicht 130 000 Menschen aus allen Mitgliedstaaten zu uns kommen. Übrigens: Wir reden zumeist nur über Polen. Polen hat mittlerweile aber eine negative Wanderungsbilanz gegenüber Deutschland. Mittlerweile sind Rumänien und Bulgarien die Staaten, aus denen am ehesten die Menschen zu uns kommen. Glauben Sie denn im Ernst, dass wir die Fachkräfte, die wir dringend hier in Deutschland brauchen, bekommen, wenn wir einen Mindestlohn einführen? (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! - Josip Juratovic [SPD]: Nein, aber Equal Pay!) Wollen Sie uns ernsthaft weismachen, dass es hier einen kausalen Zusammenhang geben könnte? Das ist doch Unsinn. Herr Juratovic, Sie haben doch selber angezweifelt, dass polnische Arbeitnehmer bei einem Lohn von 7 Euro hierher kommen, und gefragt, ob wir das glauben. Nein, das glaube ich nicht. Die kommen nicht für 7 Euro hierher. Wir werden ihnen mehr zahlen müssen. Deswegen ist die Verknüpfung mit dem Mindestlohn, die Sie in Ihrem Antrag vornehmen, so unsinnig. Sie sagen ja, wir müssten nur einen Mindestlohn einführen, und dann wäre unser Fachkräfteproblem gelöst. Also, das wird nichts werden. (Zuruf des Abg. Josip Juratovic [SPD]) Allein aus diesem Grund ist dieser Antrag nicht nur, wie Herr Straubinger zu Recht gesagt hat, europarechtswidrig, sondern er ist auch fachlich völlig unsinnig. Deswegen werden wir ihn gleich ablehnen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Eva Högl [SPD]: Schade!) Wir sollten uns jetzt der Zukunft zuwenden. Wir sollten uns in der Tat bemühen, Fachkräfte zu ermuntern, zu uns nach Deutschland zu kommen. Sie alle wissen, dass es hier derzeit ein Jobwunder gibt. Das Beschäftigungswunder in Deutschland wird von aller Welt bewundert. Das, was unser Wachstum mittlerweile bremst, ist der Mangel an Fachkräften. All das, was wir bisher unter Bundeskanzlerin Angela Merkel erreicht haben, wollen wir fortsetzen. (Dr. Eva Högl [SPD]: Dazu haben wir auch etwas beigetragen!) Deswegen kann ich nur sagen: Wir brauchen eine Willkommenskultur. Wir brauchen Arbeitsmigration von Fachkräften. Wir brauchen Menschen, die hier arbeiten wollen, um unser Sozialprodukt zu verbessern. Wir brauchen allerdings keine Menschen, die in die soziale Hängematte hineinwollen. Aber all diejenigen, die anpacken wollen, sind in Deutschland herzlich willkommen. (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: So ist das!) In diesem Sinne sollten wir die Debatte weiterführen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Gitta Connemann hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Gitta Connemann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Gestern vor vier Wochen haben wir an dieser Stelle über dasselbe Thema gesprochen, ein wichtiges Thema. Wir erlebten damals fast schäumende Auftritte der Kollegen Gabriel und Ernst, passend zu den Maikundgebungen, aber offensichtlich auch nur zu den Maikundgebungen. Denn wer ist heute, bei demselben Thema, nicht da? Die Kollegen Gabriel und Ernst, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und die FDP-Fraktion!) ganz im Gegensatz übrigens zu unserer Ministerin. Ich möchte Frau Ministerin von der Leyen dafür danken, dass sie heute durch ihre Anwesenheit in der Debatte unter Beweis stellt, wie wichtig uns als christlich-liberale Koalition dieses Thema ist. Herzlichen Dank an Ihre Person! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Seit dem 1. Mai ist europäische Normalität eingekehrt. Denn Europa ist mehr als die Freiheit, in anderen Ländern Urlaub machen zu dürfen. Europa muss auch das Recht umfassen, in jedem Land arbeiten zu dürfen. Die Kommentare der Kollegen von der Opposition klangen im Vorfeld und auch in der heutigen Debatte allerdings so, als stünde eine neue Völkerwanderung bevor. (Zuruf der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Nach dem Szenario, das Herr Kollege Gabriel an die Wand malte - Frau Kollegin Pothmer, Sie waren dabei -, sah es sogar so aus, als ob ganz Osteuropa über uns herfallen würde. Ich finde, dass der Kollege Staatssekretär Brauksiepe zutreffend darauf hingewiesen hat. Denn mit einem Satz wie "Sie dringen richtig in den ersten Arbeitsmarkt ein" hat man denjenigen, die zu uns kommen wollen, die Gastfreundschaft verwehrt. Ich sage sehr deutlich: Diese Panikmache schürt Ängste. Der Herr Kollege hat darauf hingewiesen, was solche Ängste bewirken können. Aber ich sage auch an die Adresse des Kollegen Gabriel: Wer zündelt, darf sich nicht wundern, wenn es irgendwann brennt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Heute, knapp zwei Wochen nach dem 1. Mai, würde ich Herrn Gabriel gern fragen: Was ist seitdem tatsächlich passiert? Ich persönlich kann keinen Massenansturm erkennen. Es ist wahrscheinlich auch nicht damit zu rechnen. So hat das Arbeitsministerium in Warschau uns aktuell erklärt, dass vermutlich mit 300 000 Migranten in den nächsten drei Jahren zu rechnen sei. Das löst auf der polnischen Seite übrigens Befürchtungen aus; denn sie hat Angst, ihre besten Köpfe zu verlieren. Das ist die Kehrseite der Medaille. In Tschechien ist das Interesse an einer Auswanderung nach Deutschland gering. Die meisten Tschechen, die in Deutschland arbeiten wollen, tun dies bereits. So wird der tschechische Arbeitsminister Jaromír Drábek in meiner Heimatzeitung, der Nordwest-Zeitung, zitiert. Meine Damen und Herren von der Opposition, Hand aufs Herz: Es geht Ihnen eigentlich auch gar nicht um Zahlen oder Fakten. Ihnen geht es offenkundig einmal mehr um eine neue Überschrift für alte Anträge. Denn der Inhalt Ihrer Anträge, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken und auch von der SPD, ist immer wieder derselbe: die Wunschliste der Sozialleistungen rauf und runter, diesmal unter dem Vorwand vermeintlicher Billigleistungen aus Osteuropa. (Josip Juratovic [SPD]: Gerechter Lohn! - Dr. Eva Högl [SPD]: Soziale Hängematte!) Für die Union sage ich an dieser Stelle in aller Deutlichkeit: Auf dem Arbeitsmarkt gibt es für uns keinen Unterschied - aus der christlichen Lehre heraus darf es auch keinen geben - zwischen deutschen und anderen EU-Bürgern. Für Menschen aus Osteuropa müssen hier dieselben Vorgaben gelten wie für uns, gleiche Rechte, gleiche Pflichten, gleicher Lohn. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb haben wir dort vorgesorgt, wo ein Missbrauch drohen könnte. (Dr. Eva Högl [SPD]: Das haben Sie durchgesetzt? Da haben wir was verpasst!) Bei der Zeitarbeit gibt es seit dem 1. Mai, auch dank des beherzten Eintretens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, eine Lohnuntergrenze. Einem möglichen Verdrängungswettbewerb haben wir damit einen Riegel vorgeschoben. (Josip Juratovic [SPD]: Immer wieder mit fremden Federn schmücken!) Für jeden Zeitarbeitnehmer, gleich welcher Herkunft, gilt der gleiche Lohn. (Dr. Eva Högl [SPD]: Warum nicht überall?) Bei der Festsetzung haben wir übrigens nicht auf den Staat gesetzt, sondern auf die Tarifpartner. Denn wir wissen, dass Branchen - das ist auch das Hauptargument gegen einen gesetzlichen Mindestlohn - sich ebenso unterscheiden wie Regionen. Automobilbau und Landwirtschaft sind nicht miteinander zu vergleichen, München und Ostfriesland ebenso wenig. Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn für jeden Betrieb in Deutschland würde diesen Unterschieden nicht gerecht und würde zum Verlust von Arbeitsplätzen und auch zu einer Bedrohung von Volkswirtschaften führen. Aktuelle Beispiele liefern uns Irland und Portugal. Beide Länder - das ist bekannt - mussten Anträge auf Gewährung eines Notkredits stellen. (Dr. Eva Högl [SPD]: Aber nicht wegen des Mindestlohns!) Portugals Wachstum war nur noch auf Pump finanziert; denn die Wirtschaft legte dort seit 2001 um nur 1 Prozent zu, die Löhne aber um 38 Prozent. Das kann nicht funktionieren. Ebenso war es in Irland. Deshalb hat die irische Regierung nämlich eine Kürzung des Mindestlohnes beschlossen. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein solcher Unsinn, den Sie erzählen! - Dr. Eva Högl [SPD]: Nein, sie hat ihn heraufgesetzt! Die Ministerin hat gestern gesagt, sie haben ihn heraufgesetzt!) Begründet wurde dieser Schritt mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu verbessern. Vielleicht hätten Sie das zur Kenntnis nehmen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Eva Högl [SPD]: Das ist ein Fehler, Frau Kollegin! Sie sind schlecht informiert!) Schauen wir stattdessen auf Deutschland: Wir stehen heute besser da als je zuvor. Deutschland ist wieder die Lokomotive. Mit der Wirtschaft boomt der Arbeitsmarkt. Gerhard Schröder versprach die Halbierung der Arbeitslosigkeit - er scheiterte. Mit uns sind wir dagegen jetzt auf dem Weg zur Vollbeschäftigung - und das trotz der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Daran haben ganz viele mitgewirkt, das ist keine Frage. (Dr. Eva Högl [SPD]: Ja, wir auch!) Vorneweg waren es die Arbeitnehmer und die Betriebe, aber auch die Politik war beteiligt: durch kluge Entscheidungen wie zum Beispiel die Einführung des Kurzarbeitergeldes, aber eben auch durch die Tatsache, dass wir falschen Verlockungen widerstanden haben und widerstehen, zum Beispiel der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Sie haben ein ganzes Sammelsurium an Forderungen aufgestellt. Weil wir als christlich-liberale Koalition das ernst nehmen, haben wir eine Anhörung durchgeführt. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn viele derjenigen aus der Opposition, die heute zu diesem Thema geredet haben, bei dieser Anhörung auch dabei gewesen wären. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Waren wir! - Josip Juratovic [SPD]: Wir waren da!) Dann hätten Sie ein Urteil der Sachverständigen gehört, das an Deutlichkeit nicht zu überbieten war. Die überwältigende Mehrheit der Sachverständigen teilte Ihnen zu Ihren Forderungen mit, sie seien entweder rechtlich unhaltbar oder aber überflüssig bzw. bereits erfüllt. Ein Beispiel: die Forderung nach Aufnahme aller Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Die Sachverständigen sagen, diese Generalisierung ist mit der europäischen Entsenderichtlinie nicht vereinbar; denn in manchen Branchen fehlt es schlichtweg an einer Entsendeproblematik, zum Beispiel im produzierenden Gewerbe. (Dr. Eva Högl [SPD]: Das stimmt nicht! Das ist falsch! Das haben ganz viele Mitgliedstaaten gemacht!) - Liebe Frau Dr. Högl, lesen Sie einfach das Protokoll der Anhörung. (Dr. Eva Högl [SPD]: Vielleicht lesen Sie das Protokoll!) - Ich war sogar da, anders als Sie. (Dr. Eva Högl [SPD]: Dann lesen Sie einmal den Gesetzestext! Lesen bildet!) Diejenigen, die wollen, können heute schon einen Antrag auf Aufnahme in die Branche stellen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Connemann. Gitta Connemann (CDU/CSU): Sie fordern weiter die Aufnahme von Tariftreueregelungen ins Vergaberecht des Bundes und der Länder. Das ist ein klarer Verstoß gegen Europarecht. Das hat der EuGH in der Sache Rüffert entschieden. (Dr. Eva Högl [SPD]: In Thüringen haben sie es gerade gemacht, mit Ihrer Stimme!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin! Gitta Connemann (CDU/CSU): Zu Ihrer Forderung nach einem flächendeckenden Beratungsangebot sagen die Deutsche Rentenversicherung wie auch die Bundesagentur für Arbeit: Das haben wir längst. Wenn wir auf Sie gewartet hätten, meine Damen und Herren von der Opposition, dann wären die Menschen, die seit dem 1. Mai zu uns kommen, tatsächlich arm dran. Gott sei Dank regieren wir. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Eva Högl [SPD]: Nicht mehr lange!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel "Faire Mobilität und soziale Sicherung - Voraussetzungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai 2011 schaffen". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/5425, den Antrag auf Drucksache 17/4530 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch CDU/CSU und FDP angenommen. Dagegen haben die Oppositionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke gestimmt. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 25 b. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial gestalten": Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/5424, diesen Antrag auf Drucksache 17/5177 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung von CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Dagegen hat die Fraktion Die Linke gestimmt; die Fraktion der SPD hat sich enthalten. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 27 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Agnes Alpers, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Arbeitsmarktpolitik neu ausrichten und nachhaltig finanzieren - Drucksache 17/5526 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss Es ist vorgesehen, hierzu eine halbe Stunde zu debattieren. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Sabine Zimmermann für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Connemann, Sie haben gestern die Frage gestellt - vielleicht können Sie mir kurz zuhören -, warum bei der BSR Hunderte Tagelöhner zum Einsatz kommen. Ja, ich muss Ihnen sagen: Es gibt wieder Tagelöhner in Deutschland. Ich will Ihnen ein bisschen Nachhilfe geben: Genau das sind die Auswirkungen Ihrer miserablen Hartz-IV-Gesetzgebung; nach dem Wegfall der Zumutbarkeitsregelungen müssen die Leute jede Arbeit annehmen, weil sonst eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeldbezug droht. Das ist furchtbar. (Beifall bei der LINKEN - Gitta Connemann [CDU/CSU]: Das ist Ihr Senator, liebe Kollegin! Das sind die Linken in Berlin! Sie sollten sich schämen!) - Das ist Bundesgesetzgebung; das will ich Ihnen nur einmal sagen. - Wir sagen deswegen immer wieder: Hartz IV ist menschenunwürdig und muss weg. (Beifall bei der LINKEN) Ich komme jetzt zum Thema. Die Bundesregierung will die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen reformieren. Nun wollen wir uns einmal kurz vorstellen, es würde darum gehen, den Erwerbslosen neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu eröffnen, ihren Interessen und Bedürfnissen gerecht zu werden oder ihnen sogar gute Arbeit zu geben. Ja, das wäre ein Vorhaben, wo Sie die Linke an Ihrer Seite hätten. (Beifall bei der LINKEN) Diese Regierung und ihre Arbeitsministerin wollen aber etwas ganz anderes: Sie wollen zuallererst Geld sparen. Da machen wir von der Linken nicht mit. (Beifall bei der LINKEN) Natürlich werden Sie das abstreiten; das ist uns bekannt. Ich will Ihnen aber ein paar Beispiele dafür nennen, wie Sie schon jetzt auf dem Rücken der Erwerbslosen sparen; Sie können es nicht leugnen, denn die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sprechen eine deutliche Sprache. Die Zahl der Teilnehmer an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung und der öffentlich geförderten Beschäftigung sind gegenüber dem Vorjahreszeitraum um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Dieser Einbruch ist nicht mit der zurückgehenden Arbeitslosigkeit zu rechtfertigen. Sie sagen: Wir haben weniger Arbeitslose, also brauchen wir weniger Maßnahmen und weniger Geld dafür. - Die Arbeitslosigkeit ist im Vergleich zum April letzten Jahres nur um 9 Prozent zurückgegangen; damit ist ein Rückgang der Teilnehmerzahlen um 50 Prozent nicht zu rechtfertigen. Meine Damen und Herren, so darf es mit der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland doch nicht weitergehen. Deshalb sagen wir, dass wir eine Neuausrichtung brauchen, und haben heute diesen Antrag vorgelegt. (Beifall bei der LINKEN) Zum einen wollen wir die im vergangenen Jahr beschlossenen Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik zurücknehmen. Neue Belastungen der Bundesagentur für Arbeit sind auszuschließen. Sie plündern doch die Rücklagen der Bundesagentur für Arbeit. Dadurch können Maßnahmen für Erwerbslose nicht durchgeführt werden. Das ist unsozial. Wir wollen die Arbeitsmarktpolitik zum anderen qualitativ neu ausrichten, besser gesagt: sie zu ihrem eigentlichen Zweck zurückführen. Ich will Sie daran erinnern, was Sie einmal in das Gesetz hineingeschrieben haben: Die Leistungen der Arbeitsförderung sollen ... die individuelle Beschäftigungsfähigkeit durch Erhalt und Ausbau von Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten fördern, ... unterwertiger Beschäftigung entgegenwirken. Davon ist heute gar keine Rede mehr. Das ist verantwortungslos. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Katja Mast [SPD]) Wir wollen, dass sich die Fördermaßnahmen stärker am individuellen, tatsächlichen Bedarf der Betroffenen ausrichten. Die Erwerbslosen müssen rechtliche Ansprüche auf Maßnahmen haben; Sie wollen diese Ansprüche abschaffen. Wir brauchen neue Rahmenbedingungen für gute öffentlich geförderte Beschäftigung, um Langzeiterwerbslosen eine Perspektive zu geben; (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sie schränken diese ein. Wir wollen mehr Aus- und Weiterbildung von Erwerbslosen und Beschäftigten. Sie jammern über Fachkräftemangel. Abschließend komme ich zu einem Punkt, der von der Regierung bisher noch gar nicht angesprochen wurde. Niemand darf gezwungen werden, niedrigentlohnte, nicht qualifikationsgerechte oder prekäre Beschäftigung anzunehmen, so wie das bei den angesprochenen Tagelöhnern der Fall ist, liebe Frau Connemann. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb ist die Zumutbarkeit bei der Aufnahme von Arbeit neu zu regeln; denn durch den Wegfall der Zumutbarkeitsregelungen in den letzten Jahren ist eine Rutschpartie der Löhne nach unten in Gang gesetzt worden, und das ist unerträglich. Arbeiten zu jedem Preis - das will die Linke nicht. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat der Kollege Dr. Matthias Zimmer für die Fraktion der CDU/CSU. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mit großem Vergnügen zur Kenntnis genommen, Frau Pothmer, dass Sie mich eben zitiert haben, allerdings unter dem Namen Zimmermann. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann man korrigieren!) Angesichts der Vorrednerin lege ich großen Wert darauf, festzuhalten, dass es keine inhaltlichen Berührungspunkte gibt und dass der Name ein anderer ist. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Da fehlt Ihnen das letzte Stück!) - Aber manchmal ist es sinnvoll, wenn man sich auf das Notwendige beschränkt, verehrte Frau Kollegin. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber mit dem Inhalt des Zitats sind Sie einverstanden, Herr Zimmer?) In den letzten Wochen ist eine interessante Zahl aufgetaucht. Sie zeigt den Anstieg der Arbeitslosigkeit von 2007 bis 2010 im europäischen Vergleich. Wenn man sich die Zahlen genauer anschaut, dann zeigt sich deutlich, dass alle europäischen Staaten, bis auf zwei, einen erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen haben. Ich will Ihnen einige Zahlen nennen, weil ich das ausgesprochen interessant finde: Dänemark hatte einen Anstieg um 97 Prozent zu verzeichnen, (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber von welchem Niveau?) das Vereinigte Königreich einen Anstieg um 47 Prozent und Irland, als Spitzenreiter, sogar einen Anstieg um 236 Prozent. Die beiden einzigen Ausnahmen sind Deutschland und Österreich mit einem Minus von 11 Prozent für Österreich und 23 Prozent für die Bundesrepublik. Das ist sicherlich auch der Lohnzurückhaltung geschuldet, die es in den letzten Jahren in den beiden Ländern gegeben hat. Aber ich habe auch den Eindruck, dass das etwas damit zu tun hat, dass in der Bundesrepublik gerade in den letzten Jahren eine gute Wirtschaftspolitik und eine gute Arbeitsmarktpolitik gemacht worden sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Katja Mast [SPD]: Dann lassen Sie doch alles, wie es ist!) Den Kolleginnen und Kollegen der Linken sage ich in aller Deutlichkeit: Aus meiner Sicht besteht überhaupt kein Grund, eine neue oder eine andere Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie machen doch gar keine Arbeitsmarktpolitik!) Was wir gemacht haben, hat sich bewährt. (Katja Mast [SPD]: Sie machen arbeitsmarktpolitisch eine Rolle rückwärts!) Es gibt keinerlei Grund, Frau Kollegin Mast, ein völlig anderes Paradigma in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik einzuführen. (Katja Mast [SPD]: Doch!) - Nein, das Ausland bescheinigt uns sogar das deutsche Wunder. Der Kollege Wadephul hat eben darauf hingewiesen: the German Wonder. Wenn man den Antrag der Linken liest, dann bekommt man bisweilen den Eindruck: Auch wenn von uns einige auf dem Wasser laufen könnten, würden Sie sich lediglich zurücklehnen und sagen: Die können halt nicht schwimmen. - So geht es nicht! (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) Der Antrag der Linken enthält eine ganze Reihe von altbekannten Forderungen. Ich habe nichts gegen Recycling, (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wenn sie schon umgesetzt wären, wäre es kein Recycling!) aber wenn abgelehnte Forderungen immer wieder recycelt werden, muss man sich überlegen, ob das mit nachhaltiger ökologischer Wirtschaft vereinbar ist. Ich habe da meine Zweifel. Sie spielen auf die arbeitsmarktpolitischen Instrumente an, die im vorliegenden Referentenentwurf aufgeführt sind. Die Beratungen im Bundestag werden noch vor der Sommerpause in Angriff genommen. Wir nutzen die Zeit, um uns mit den Beteiligten und den Trägern mit diesem Referentenentwurf auseinanderzusetzen. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die finden ihn alle grauenhaft! - Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den können Sie nur in den Papierkorb schmeißen!) Ich glaube schon, dass die Grundprinzipien, die im Referentenentwurf genannt worden sind, ausgesprochen sinnvoll sind. Wir wollen mit den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten dafür sorgen, dass Menschen in Arbeit kommen. Das ist die oberste Leitlinie. Das ist nach wie vor richtig. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht dieser Referentenentwurf!) Wir wollen mehr Kompetenzen vor Ort. Dazu gehört nach meinem Dafürhalten auch, dass bei öffentlich geförderter Beschäftigung nicht, wie es jetzt bei der Bürgerarbeit und beim Bundesverwaltungsamt der Fall ist, intern entschieden wird, sondern dass bei öffentlich geförderter Beschäftigung möglichst viele Kompetenzen vor Ort gebündelt werden, die dann entscheiden, wann eine öffentlich geförderte Beschäftigung sinnvoll, wettbewerbsneutral und möglich ist. Wir wollen höhere Flexibilität und höhere Qualität. Dazu gehört nach meinem Dafürhalten eine bessere Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen vor Ort, um den Instrumentenkasten effektiv einsetzen zu können. Wir wollen eine größere Individualität in der Betreuung Langzeitarbeitsloser. Dazu gehört nach meiner Auffassung auch, die freie Förderung nach § 16 e SGB II auszubauen. Das Aufstockungs- und Umgehungsverbot ist bereits aus dem Gesetzentwurf herausgenommen. Wir wollen eine größere Transparenz. Dazu gehört meines Erachtens, dass man sich darüber Gedanken macht, wie die schwerer integrierbare Klientel besser erreicht wird. Wenn dafür mehr Mittel bereitgestellt werden können und über die freie Förderung mehr Transparenz erreicht werden kann, dann wäre das ein gutes Ergebnis. Meine Damen und Herren, wir wollen die Zeit bis Ende Juni nutzen, um uns zu informieren und uns zu positionieren. Der Referentenentwurf, den die Linke angesprochen hat, ist dafür eine gute Ausgangsbasis. Wir müssen nicht, wie die Linken das wollen, das Rad neu erfinden. Wir müssen aber sehr wohl die eine oder andere Auswuchtung, die in dem Instrumentenkasten zu beobachten ist, beseitigen. Zu gegebener Zeit, Ende Juni, werden wir dieses Thema im Deutschen Bundestag neu beraten. Bei Ihrem Antrag hat man den Eindruck, dass sich alter Wein in neuen Schläuchen befindet. Nichts Neues auf dieser Erde, alles nur recycelt. Sie sind die Copy-und-Paste-Master des Deutschen Bundestages. Das finde ich sehr schade. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Katja Mast hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Katja Mast (SPD): Liebe Kollegin Zimmermann! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Herr Zimmer, wenn es sich mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit so toll verhält, dann verstehe ich nicht ganz, warum Sie an dem existierenden Instrumentenkasten etwas verändern müssen; denn dann waren diese Instrumente doch erfolgreich. Ich sage Ihnen: Das, was Ihr Ministerium auf den Tisch legt, verschlechtert die aktuelle Situation der Menschen und verbessert sie nicht. Deshalb mein Appell an Sie: Lassen Sie es wenigstens wie es ist - obwohl man grundsätzlich noch einiges machen könnte -, dann hätten wir für die Menschen und deren Beschäftigungsfähigkeit etwas erreicht. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Ich will kurz etwas zum Antrag der Linken sagen. Dabei nehme ich ausdrücklich die Rede der Kollegin Zimmermann aus, weil sie nämlich im Gegensatz zum Antrag arbeitsmarktpolitische Ziele formuliert hat. Wenn ein Antrag aber mit dem Satz beginnt: "Die arbeitsmarktpolitischen Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre", dann zeigt das schon, dass dieser Antrag in der Vergangenheit verharrt, keine Ziele für die Zukunft formuliert und keine Schritte hin zu diesen Zielen definiert. (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Die muss man kennen, um zur Zukunft zu kommen!) Das aber ist notwendig, um gute Arbeitsmarktpolitik zu machen, Frau Kollegin Zimmermann. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin, möchten Sie eine Frage der Kollegin Zimmermann zulassen? Katja Mast (SPD): Die Kollegin Zimmermann kann gerne am Ende eine Kurzintervention machen. - Ich will zu dem kommen, was das Bundesarbeitsministerium im Referentenentwurf diskutiert. Unsere sozialdemokratischen Ziele in der Arbeitsmarktpolitik sind: ein klares Bekenntnis zur Strategie der Vollbeschäftigung, ein klares Bekenntnis zur Strategie, den Fachkräftebedarf der Zukunft zu sichern, und ebenso ein klares Bekenntnis zu der Strategie, in Deutschland lebenslanges Lernen auch in der Arbeitsmarktpolitik abzubilden. Unter diesen Aspekten schaue ich mir diesen Referentenentwurf an. Lassen Sie uns jetzt einmal genau hinschauen. Menschen, die ganz am Rande stehen, Langzeitarbeitslose, die länger als zwei Jahre arbeitsuchend sind, werden heute von Ihnen zum Zuschauer degradiert. Die Aussage des Referentenentwurfs zu ihnen lautet quasi: Bleib zu Hause sitzen, du hast keine Chance, in dieser Gesellschaft eine Beschäftigung zu finden. - Ich halte es für fatal, was Sie da machen. Ihr Gesetzentwurf sieht über die Änderung hinsichtlich der arbeitsmarktpolitischen Instrumente die Verschlechterung der Situation von langzeitarbeitslosen Menschen vor. (Beifall bei der SPD) Sie verschlechtern die Situation der Menschen, die unsere Unterstützung brauchen. Wann, wenn nicht jetzt, in dieser wirtschaftlich guten Lage, können wir uns diesen Menschen noch stärker zuwenden? Ich verstehe nicht, warum Sie in Ihrem Gesetzentwurf daran festhalten, zusätzliche im öffentlichen Interesse liegende Beschäftigung zu definieren und ein Kriterium hinzufügen. Sie wissen ganz genau, dass der Beschäftigungszuschuss von Ihrer Regierung um 70 Prozent reduziert worden ist und Sie die Möglichkeiten, in Arbeitsgelegenheiten zu arbeiten - an diesen Möglichkeiten wird viel Kritik geübt -, reduziert haben. Sie wissen, dass Sie stattdessen ein Murksprojekt machen: die Bürgerarbeit. Das ist wieder ein Projekt. Ihr Ministerium hat dieses Instrument eingeführt, und Sie stellen sich jetzt hier hin und sagen, dass Sie die Anzahl der Instrumente verringern wollen? Schaffen Sie die Bürgerarbeit ab, und stärken Sie den Beschäftigungszuschuss. Dann haben wir dauerhafte Beschäftigung für Menschen, die in dieser Republik am Rand stehen. (Beifall bei der SPD) Ich sage das mit sehr viel Herzblut, weil die Einführung des Beschäftigungszuschusses in der bundesdeutschen Arbeitsmarktpolitik eine große Wende darstellte. Die Kollegen der Union und der SPD haben ihn in der Großen Koalition gemeinsam auf den Weg gebracht. Damit wurde zum allerersten Mal anerkannt: Ja, es gibt Menschen, die selbst nach einer ein- oder zweijährigen Qualifizierungsmaßnahme keine dauerhafte Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt finden. Man hat gesagt: Für diese Menschen brauchen wir eine besondere Antwort. Das sind ungefähr 500 000 Menschen, manche sprechen von 200 000 Menschen in Deutschland. Dank des Beschäftigungszuschusses können diese Menschen marktnah beschäftigt werden. Das heißt, ihre Arbeit hat einen Sinn. Sie sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt, werden nach Tarif bezahlt oder erhalten ortsübliche Löhne, und sie haben endlich wieder einen Arbeitsvertrag in der Hand und können sagen: Ja, ich bin dabei. Ich betone diese Punkte, weil ich jedes Jahr für ein, zwei Tage mit Langzeitarbeitslosen, die sich in einer Maßnahme befinden, zusammenarbeite und mit ihnen darüber spreche. Ich werde nie die Frau vergessen, die Folgendes zu mir gesagt hat - sie hatte eine Arbeitsgelegenheit, die vier Wochen später ausgelaufen ist; dann hätte sie eigentlich wieder zu Hause gesessen -: Frau Mast, ich will arbeiten. Was können Sie machen, damit ich nach den sechs Monaten einen Arbeitsvertrag bekomme? - Für Menschen wie diese Frau haben wir den Beschäftigungszuschuss geschaffen. Mein Appell an diese Regierung lautet - deshalb habe ich vorhin gesagt: Lassen Sie es wenigstens so, wie es ist! -: Kümmern Sie sich auch um die Menschen, die am Rand stehen und arbeiten wollen. Diese Menschen frönen nicht der spätrömischen Dekadenz. Diese Menschen möchten durch Beschäftigung teilhaben an dieser Gesellschaft. Sie möchten ein Recht auf Arbeit. Das muss Ihr politisches Ziel sein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union. (Beifall bei der SPD) Ich will einen anderen Punkt herausgreifen, an dem Sie laut Ihrem Referentenentwurf Teilhabechancen reduzieren. Ich finde, es sollte keinerlei Maßnahmen für Jugendliche geben, die nicht auf die Ausbildung angerechnet werden können. Mit mir findet das auch die SPD richtig. Das haben wir in der Zeit unserer Regierungsverantwortung nicht geschafft. Aber Sie schaffen jetzt Instrumente ab, die schwachen Jugendlichen die Möglichkeit gegeben haben, in Ausbildung zu kommen. Sie wollen die Einstiegsqualifizierungen in berufsvorbereitende Maßnahmen überführen. Damit schaffen Sie das effizienteste Instrument, wenn es darum geht, Jugendliche in Arbeit zu bringen, ab. Das ist ein fataler, ein grober Fehler. Der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag und viele andere fordern Sie auf: Tun Sie das nicht! Behalten Sie bei den Einstiegsqualifikationen wenigstens das derzeitige Niveau bei. - Was wird dort gemacht? Jugendliche werden betriebsnah qualifiziert und auf die Ausbildung vorbereitet. Die Übergangsquote in Ausbildung beträgt 60 Prozent. Nennen Sie mir einmal eine Maßnahme, die erfolgreicher ist, wenn es darum geht, lernschwache Jugendliche in Ausbildung zu bringen. Aber Ihre Regierung sagt: Das ist uns egal. Wir schaffen das einfach ab, damit wir hinterher ein Instrument weniger haben. Ich sage Ihnen: Das ist der falsche Weg. Halten Sie fest an dem Ziel der Vollbeschäftigung. Halten Sie fest an der Strategie des lebenslangen Lernens, (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gab es doch noch gar nicht!) und halten Sie fest an dem Recht auf Beschäftigung für jeden, der bei uns, in der Bundesrepublik Deutschland, arbeitsfähig ist und Arbeit haben will. Dann wären wir einen Schritt weiter. Dann hätten Sie politische Visionen, dann wäre Ihre Politik inspirierend, und dann müssten wir uns im Deutschen Bundestag nicht über das Klein-Klein unterhalten. Dann hätten wir echte Teilhabe in dieser Gesellschaft organisiert. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich gebe das Wort zu einer Kurzintervention der Kollegin Zimmermann. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Danke, Frau Präsidentin. - Liebe Kollegin Mast, ich schätze Sie sehr. Wir nehmen in der letzten Zeit oft gemeinsam an Podiumsdiskussionen teil, auf denen wir unsere Meinungen austauschen. Ich denke, Sie sollten zur Kenntnis nehmen, welcher Wandel am Arbeitsmarkt seit der Einführung von Hartz IV in Deutschland stattgefunden hat: weg von tariflich entlohnter Vollzeitbeschäftigung hin zu prekärer Beschäftigung. Das ist dramatisch. Ich will nur einige Zahlen nennen: Es gibt in Deutschland 1,4 Millionen Aufstocker und 7,5 Millionen Beschäftigte im Niedriglohnbereich. 2,5 Millionen Kinder leben in Armutsverhältnissen. Angesichts dieser Zahlen kann man keine Jubellieder singen und sagen, alles sei toll. Ich möchte Ihnen etwas mit auf den Weg geben. Wir sind in Berlin zusammen in der Regierungsverantwortung. Gerade der Beschäftigungszuschuss und der damit verbundene ÖBS, der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor, sind wesentliche Instrumente, um vielen Menschen in Berlin eine Chance zu geben. Deshalb würde ich Sie bitten, die SPD in Berlin ein bisschen auf Linie zu bringen, sodass wir den ÖBS gemeinsam im Sinne der arbeitslosen Menschen hier in Berlin voranbringen können. Danke. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Zur Antwort Frau Mast. Katja Mast (SPD): Geschätzte Kollegin Zimmermann, es ist richtig, wir nehmen in letzter Zeit oft zusammen an Podiumsdiskussionen über die Frage, wie wir die Teilhabe für Menschen in Deutschland organisieren können, und über die Arbeitsmarktpolitik teil. Ich schaue mir die Situation in Berlin gerne noch einmal mit Ihnen an; dann geben wir dem gemeinsam einen Drive. Es geht darum, dass die Menschen durch Beschäftigung an der Gesellschaft teilhaben. Sie wissen - das ist der eigentliche Skandal -, dass das zuständige Ministerium beim Beschäftigungszuschuss durch billige Haushaltstricks, letztendlich durch keinen eigenen Haushaltstitel für den Beschäftigungszuschuss, dazu animiert, vor Ort andere Wege zu gehen. (Beifall der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/ CSU]) - Ja, ja, bevor Sie applaudieren, warten Sie lieber ab. Das, was ich jetzt sage, wird Ihnen nicht gefallen. - Vor Ort werden den Langzeitarbeitslosen weniger Möglichkeiten der dauerhaften Beschäftigung angeboten. Stattdessen werden sie in das Projekt Bürgerarbeit gedrängt, wo die Arbeit teilweise untertariflich bezahlt wird. Sie stellen dort maximal 3 000 Plätze zur Verfügung, und 70 Prozent des Beschäftigungszuschusses werden nicht kompensiert. Da auch Sie, lieber Kollege Schiewerling, mit mir an vielen Podiumsdiskussionen teilnehmen, wissen Sie um diese Problematik; denn jeder Beschäftigungsträger trägt es uns so vor. Jubeln Sie daher nicht zu früh, sondern sorgen sie für dauerhafte öffentlich geförderte Beschäftigungsmöglichkeiten. Vielen Dank. (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Ich dachte, Sie wollten Frau Zimmermann antworten!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Sebastian Blumenthal hat seine Rede zu Protokoll gegeben.2 - Ich gebe das Wort Brigitte Pothmer für Bündnis 90/Die Grünen. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, Herr Zimmer, Sie haben recht: Die Zahl der Arbeitslosen ist zurückgegangen. Das haben wir ausschließlich dem Konjunkturaufschwung zu verdanken. Es ist eine völlige Fehleinschätzung, davon auszugehen, dass die konjunkturelle Entwicklung das Problem der Arbeitslosigkeit löst. Sie wird es nicht. Wir haben es mit einem tief gespaltenen Arbeitsmarkt zu tun. Wir haben auf der einen Seite Fachkräftemangel. Die qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden von der Konjunktur aufgesogen. Auf der anderen Seite haben wir eine hohe Arbeitslosenquote und eine sehr verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit. In keinem anderen Land der OECD sind die Menschen so lange arbeitslos wie in Deutschland. Auch für diese Menschen kann der Konjunkturaufschwung eine wirkliche Chance sein; aber das geschieht nicht von allein. Deswegen, Herr Zimmer, ist jetzt die Stunde der Arbeitsmarktpolitik. Jetzt muss die Arbeitsmarktpolitik zeigen, was sie kann. Sie machen in dieser Situation das Gegenteil. Sie kürzen im Bereich des Eingliederungstitels bis zum Anschlag. Diese Sparwelle ist jetzt bei den Arbeitslosen angekommen; ein paar Zahlen hat Frau Zimmermann genannt. Ich möchte Ihnen die Bilanz aufzeigen. Allein für 2011 - in einer Situation, in der wir nichts mehr brauchen als Fachkräfte - gibt es ein Drittel weniger Mittel für Qualifizierungen und Weiterbildungen. Die Förderung für Selbstständige wurde fast halbiert. Selbstständigkeit aus Arbeitslosigkeit ist sozusagen das Erfolgsinstrument überhaupt. Für das Programm JobPerspektive gibt es zwei Drittel weniger Mittel. Die Arbeitslosigkeit ist - da hat doch Frau Zimmermann recht - wirklich nicht annähernd in dieser Größenordnung zurückgegangen. Deswegen müssten Sie auch zugeben, dass die Kürzungen vollkommen unverhältnismäßig sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Ich will noch ein paar Sätze zur Instrumentenreform sagen. Das, was uns als Referentenentwurf vorliegt, hat nichts, aber auch gar nichts mit dem zu tun, was Sie, Herr Zimmer, hier als Ansprüche an eine Instrumentenreform formuliert haben. Diesen Gesetzentwurf können Sie wirklich nur in die Tonne treten; denn er ist nichts anderes als die Kapitulation vor der Langzeitarbeitslosigkeit. Sie hängen die Leute, die Schwierigkeiten haben, die nicht einfach zu vermitteln sind, mit diesem Gesetzentwurf endgültig ab. Mit dieser Mahnung stehe ich nicht allein. Die Wohlfahrtsverbände haben das auf mehreren Podiumsdiskussionen, in mehreren Konzeptpapieren bzw. Stellungnahmen deutlich gemacht. Auch die Kommunen sehen das genauso. Herr Zimmer, Ihre eigenen Leute schreiben Briefe voller Verzweiflung. Ich will stellvertretend hier nur einen zitieren. Professorin Dr. Daniela Birkenfeld, CDU-Stadträtin und Sozialdezernentin in Frankfurt am Main, schreibt: Die vorliegende Instrumentenreform - oder der Entwurf - dient dem Ziel der Mitteleinsparung, nicht der nachhaltigen Integration (arbeitsmarktferner) langzeitarbeitsloser Frauen und Männer. ... Aus sozialpolitischem Interesse muss die vorgelegte Reform abgelehnt werden, sofern die Abkopplung der SGB II-Hilfeempfänger nicht richtig und ausdrücklich gewollt wird. - Da hat Frau Birkenfeld ausdrücklich recht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Damit steht sie nicht allein. Ich kann aus Zeitgründen weitere Zitate leider nicht mehr vortragen. Lassen Sie mich nur eines sagen: Wir werden in den nächsten Monaten intensiv über die Instrumentenreform diskutieren. Der auf dem Tisch liegende Entwurf stellt die Weichen in die vollkommen falsche Richtung. Er ist schlecht für die Arbeitslosen, aber auch für die Volkswirtschaft, weil er keinen Beitrag leistet, dem Fachkräftemangel, der jetzt schon den Aufschwung abbremst, entgegenzuwirken. Und er ist schlecht für das gesellschaftliche Klima. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ulrich Lange hat jetzt für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Ulrich Lange (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Wirtschaft boomt, die Arbeitslosigkeit geht substanziell zurück, und wir, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, führen eine Diskussion über einen Antrag - nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich es so direkt sage - aus der kommunistischen Mottenkiste. (Widerspruch bei der LINKEN) - Sie müssen heute nur Ihre eigenen Überschriften lesen: "Die LPGs waren doch gut", "Oskar Lafontaine spricht auf Trotzkisten-Kongress". Bei all dem wissen wir doch, wo es am Ende mit dieser Arbeitsmarktpolitik hingehen soll. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Frau Kollegin Mast, Sie haben recht: Das ist der Vergangenheit zugewandt. (Katja Mast [SPD]: Das, was Sie vorlegen, auch!) Stellen wir doch einfach die nüchternen Fakten fest, auch wenn Sie die nicht wahrhaben wollen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Copy and paste!) Wir haben mit 5 Millionen Arbeitslosen angefangen, jetzt sind es ungefähr 3 Millionen. Diese Marke werden wir dieses Jahr deutlich unterschreiten. Genau in einer solchen Situation ist es richtig, die arbeitsmarktpolitischen Instrumente anzupacken. Wann denn, wenn nicht in dieser Situation, soll eine solche Anpassung erfolgen? Es ist auch richtig, dass wir die Effizienz und Effektivität der Maßnahmen überprüfen und natürlich auch die eine oder andere Maßnahme hinterfragen. Das gehört nämlich dazu. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich glaube, dass der Referentenentwurf, über den wir in den nächsten Wochen ausführlich diskutieren werden, viele gute Ansätze beinhaltet. Ich glaube, dass unsere Ministerin und ihr Haus sehr konstruktive Vorschläge gemacht haben. (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Was Sie nicht alles glauben!) Ich möchte als Stichworte nur die Neustrukturierung der Leistungen für junge Menschen und die Zusammenfassung von Eingliederungszuschüssen nennen. Es geht darum, Maßnahmen gezielt durchzuführen und gezielt zu stärken und zu erweitern, statt nach dem Gießkannenprinzip vorzugehen. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie eigentlich auch noch über den Antrag? Das kann doch nicht wahr sein!) Meine Damen und Herren von der Linken, wenn ich Ihren Antrag richtig verstanden habe, fordern Sie, die Maßnahmen am individuellen Bedarf der Betroffenen auszurichten. (Sabine Zimmermann [DIE LINKE]: Ja! Das steht aber auch schon so im Gesetz!) - Jetzt passen Sie einmal auf. (Sabine Zimmermann [DIE LINKE]: Das ist schon Gesetz!) - Ja, ja. Ich kann Gesetze lesen. Nur, ich sage Ihnen auch ganz klar, Frau Kollegin Zimmermann: Es geht nicht nach dem Motto "Ich hätte gerne dieses oder jenes", sondern am Ende geht es darum, eine Maßnahme, eine Weiterbildung, eine Qualifikation für einen Arbeitslosen zu finden, die eine Vermittlung in den Arbeitsmarkt ermöglicht. Das ist kein Wunschkonzert. Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ausdrücklich betonen: Sie lehnen die Vermittlung in die Zeitarbeit ab; (Zuruf von der LINKEN: Ja! Wir brauchen vernünftige Qualifizierung!) das habe ich eben, wie ich glaube, richtig verstanden. (Zuruf von der LINKEN: Ja!) Dabei übersehen Sie, und zwar in einer Konsequenz, die nicht nachvollziehbar ist, die Chance der Zeitarbeit. Sie übersehen auch - wenn Sie in letzter Zeit die Entwicklungen in der Zeitarbeit verfolgt haben, wissen Sie das -, dass es in der Zeitarbeit schon erste Probleme gibt, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu finden, die dort arbeiten können und wollen. Warum? Weil die Wirtschaft boomt und es auf dem Markt gute, reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu Tarifbedingungen gibt. Das ist vernünftige Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik. So bringen wir unser Land voran, aber nicht mit Ihren Anträgen. (Beifall bei der CDU/CSU) Unser Thema wird es sein, den Bedarf an Fachkräften zu sichern. Unser Thema wird es sein, dafür zu sorgen, dass wir nicht in die gleiche Situation wie einige unserer europäischen Nachbarländer kommen, die, weil sie Ihre Rezepte - öffentliche Beschäftigung, Verkürzung der Arbeitszeit und Nichtanpassung der Lebensarbeitszeit - angewandt haben, in eine Lage gekommen sind, die volkswirtschaftlich und gesamtstaatlich nicht gehalten werden kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, "Marx ist Muss" habe ich heute in der Zeitung gelesen. Ich glaube, soziale Marktwirtschaft ist Muss. Dazu gehört die Reform der Instrumente. Hier sind wir mit dem Referentenentwurf auf einem guten, richtigen Weg. Wir werden dafür sorgen, dass diese Instrumente die Menschen, die sie in Anspruch nehmen, in Arbeit bringen. Ich bin mir sicher, dann werden wir dem Ziel der Vollbeschäftigung einen Schritt näherkommen. Herzlichen Dank und schönes Wochenende. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: So weit sind wir noch nicht, Herr Lange. Wir arbeiten hier bis zum Ende durch. Die Aussprache ist geschlossen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/5526 an die Ausschüsse vorgeschlagen, die Sie in der Tagesordnung finden. - Damit sind Sie einverstanden. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 28 a bis c auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Maria Anna Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt aus der Reichsversicherungsordnung in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch überführen und zeitgemäß ausgestalten - Drucksache 17/5098 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit (f) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Aus-schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Cornelia Möhring, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Versorgung durch Hebammen und Entbindungspfleger sicherstellen - Drucksachen 17/2128, 17/4290 - Berichterstattung: Abgeordnete Mechthild Rawert c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Aus-schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Fritz Kuhn, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN Erhebung von Daten zu der Versorgung mit Hebammenhilfe sowie zur Arbeits- und Einkommenssituation von Hebammen und Entbindungspflegern sicherstellen - Drucksachen 17/1587, 17/4349 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Martina Bunge Vorgesehen ist es, eine halbe Stunde zu debattieren. - Damit sind Sie offensichtlich einverstanden. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der Kollegin Birgitt Bender für das Bündnis 90/Die Grünen. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Tausende von Hebammen gingen dieses und letztes Jahr zum Internationalen Hebammentag auf die Straße. Aber die Hoffnung, dass diese Aktionen und das große mediale Echo darauf alsbald zu Reaktionen in der Politik führen würden, wurde herb enttäuscht. Es herrscht massiver Zeitdruck. Etliche Hebammen geben die Geburtshilfe wegen geringer Einkommen und steigender Haftpflichtprämien auf. Die diesjährigen Aktionen waren sehr kreativ. Die Situation ist aber weiter ernst. Ich wage die Behauptung: Wären es Ärztedemos gewesen, dann hätte die Koalition schon längst reagiert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) In Schleswig-Holstein hat ein Viertel der freiberuflichen Hebammen die Geburtshilfe eingestellt. Es soll Leute geben, die bezweifeln, dass das dramatisch ist; es gebe ohnehin zu viele Hebammen. Das Fatale ist, dass wir nicht belegen können, dass auf diese Weise Lücken in der Versorgung entstehen, weil dazu keine Daten verfügbar sind. Wenn wir über den behaupteten Ärztemangel reden, dann können alle anhand der Zahlen sehen, wo welche Ärzte sitzen und wo es gegebenenfalls Lücken in der Versorgung gibt. Solche Daten haben wir für die Hebammen nicht. Die Bundesregierung weigert sich, eine Aufschlüsselung der Ausgaben der gesetzlichen Kassen für die Hebammenhilfe gesetzlich zu verankern. Warum haben Sie Angst vor Transparenz, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition? Weil es Sie zum Handeln auffordern würde? Ist das der Grund? Wir haben uns daran gewöhnt, dass in der Gesundheitspolitik einiges recht lange dauert. Mich hat es allerdings erstaunt, festzustellen, dass die letzte Bundestagsdebatte, in der ausführlich über die Situation der Geburtshilfe gesprochen wurde, im Jahr 1984 stattfand. Meine Damen und Herren, wir können nicht wieder 27 Jahre warten, bis auf diesem Felde etwas passiert. Der Handlungsbedarf besteht heute. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Er besteht für diejenigen, die sich für schwangere Frauen engagieren, nämlich die Hebammen, für die die Situation mit einem großen persönlichen Leidensdruck verbunden ist, und selbstverständlich für die betroffenen Frauen, die gegebenenfalls nicht mehr auf diese Hilfe zurückgreifen können. Sie haben unseren Antrag abgelehnt, eine Studie zur Situation der Hebammen und zum Bedarf der Schwangeren zu erstellen. Dann hat der Exminister eine Ministudie versprochen. Dieses Gutachten ist bis heute nicht in Auftrag gegeben worden. Nachdem der Gesundheitsminister mit einer der kürzeren Amtszeiten aller Gesundheitsminister entschwunden ist, bleibt festzustellen: Es warten Hausaufgaben auf den neuen Minister. Dazu gehört auch, § 134 a SGB V zu ändern, weil darin die wirtschaftliche Situation der Hebammen als Grundlage für die Honorarbemessung nicht hinreichend berücksichtigt wird. Das BMG steckt offenbar im Zustand des Dauerprüfens. Hoffentlich ändert sich das jetzt endlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es gibt auch weitere Baustellen. Beispielsweise ist eine zeitgemäße Ausgestaltung der Hebammenhilfe und die Verankerung im SGB V überfällig. Die Regierung hat inzwischen auf eine Kleine Anfrage von uns immerhin geantwortet, dass sie das auch aus rechtssystematischer Sicht für erwägenswert hält. Ich sage Ihnen: Kommen Sie mit dem Prüfen zum Ende und tun Sie etwas! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Diese Regierung redet auch gerne über Gesundheitsförderung und Prävention. Aber wenn es um die Förderung der Mutter-Kind-Bindung oder das Stillen geht, verweist sie auf die Länder. Was aber sagen die Länder, wenn man sie danach fragt? Sie verweisen auf die Fortbildungsangebote für Hebammen in diesem Bereich. Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz. Nehmen Sie die Realität wahr, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition! Es handelt sich interessanterweise um einen Bereich, in dem sowohl die Leistungserbringerinnen, also die Hebammen, als auch die Kassen den Handlungsbedarf ansprechen und sehr ähnliche Vorschläge machen, die sie im Versorgungsgesetz verankert haben wollen. Es geht beim Versorgungsgesetz nicht nur um die Ärzteschaft. Sie müssen auch die anderen Gesundheitsberufe im Blick haben. Gerade bei der Geburtshilfe und der Hebammenhilfe ist es dringend. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Stefanie Vogelsang hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Frau Bender, ich habe Sie in den anderthalb Jahren, in denen wir im Gesundheitsausschuss zusammenarbeiten, als Kollegin eigentlich schätzen gelernt. Vor allen Dingen habe ich schätzen gelernt, dass Sie sich immer darum bemühen, erst einmal Fakten zu sammeln, und nicht einzelne Gruppen gegeneinander ausspielen. Aber Ihr Ansatz in dieser Diskussion, Hebammen gegen Ärzte auszuspielen, stammt aus dem vorvorletzten Jahrhundert. Das sollte nicht unser gemeinsamer Weg sein. Werdende Mütter und Säuglinge brauchen gute Hebammen und auch gute Ärzte für den Fall der Fälle. Es geht nicht um ein Gegeneinander, sondern um ein Miteinander. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der Anlass für unsere Diskussion über den letzten Tagesordnungspunkt vor dem Wochenende ist eigentlich sehr schön. Wir kümmern uns um die Situation von Hebammen, werdenden Müttern, Gebärenden und denjenigen, die sich nach der Geburt um die Kinder kümmern und die Säuglinge versorgen. Wir haben uns vor gut einem Jahr, im April 2010, im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages mit einer Mehrfachpetition befasst, die von 70 unterschiedlichen Petenten eingereicht wurde. Diese Petition hat online ungefähr 110 000 Unterschriften und auf postalischem Weg 190 000 Unterschriften bekommen. Aufgrund dieser Petition haben sich alle Fraktionen in diesem Haus mit der Situation der Hebammen sehr intensiv auseinandergesetzt. Im Mai haben wir erstmalig über einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen beraten, der sich genau mit diesem Thema befasste. Wir waren uns darin einig, dass wir zuerst schauen müssen, was es alles gibt - die Finanzierungs- und Versorgungsstrukturen vom Bund und von der gesetzlichen Krankenversicherung, die unterschiedlichen Modellprojekte von Ländern und Kommunen -, um dann die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und dort zielgerichtet fördern und verändern zu können, wo wir es im Hinblick auf die Zukunft unserer Kinder für richtig und gerecht halten. Die Mitglieder des Petitionsausschusses haben die Hebammenvertreter zu einer öffentlichen Anhörung eingeladen und haben sich mit den Argumenten intensiv auseinandergesetzt. Die Bundesregierung hat die Vertreterinnen und Vertreter der Hebammenverbände eingeladen und hat intensive Gespräche mit ihnen geführt. Wenn ich mich richtig erinnere, hat sich unser damaliger Gesundheitsminister Rösler sogar persönlich um diese Problematik gekümmert. Die Bundesregierung hat in der Ausschussberatung über Ihren Antrag deutlich gemacht, dass sie der Pflicht zur Datenerhebung in der Bundesrepublik Deutschland nachkommt, dass die Ausschreibungen zusammen mit den Hebammenverbänden erarbeitet wurden und dass es nach Ablauf der Angebotsfrist - sie ist in dieser Woche abgelaufen; die Angebote der Institutionen sind eingegangen - zu einer schnellen Vergabe kommt. Die Bundesregierung hat auch zugesagt, darüber nachzudenken, ob es noch zeitgemäß und richtig ist, dass die Hebammenversorgung, also das Recht der Frauen und Mütter auf die Begleitung von Hebammen vor, während und nach der Geburt, auf der Reichsversicherungsordnung von 1938 fußt, oder ob es nicht richtig und sinnvoll ist, das im SGB V zu regeln. Aber prüfen und untersuchen muss man auch, ob es eine qualitative Verbesserung bedeutet, wenn man das tut. Es ist sinnvoll, dass die Bundesregierung diesen Auftrag sehr ernst nimmt und dass wir sie dabei intensiv begleiten. Deswegen teile ich ausdrücklich die Beschlussempfehlung des Ausschusses zu dem Antrag der Grünen und zu dem Antrag der Linken. Umso mehr bin ich verwundert, dass die Grünen in ihrem neuen Antrag, über den wir heute erstmalig beraten, Frau Bender, die Schlussfolgerungen aus der von ihnen geforderten Datenerhebung, die vorgenommen wird, um am Ende passgenau und zielgerichtet fördern zu können, vorwegnehmen und dass Sie es für richtig erachten, schon jetzt bestimmte Positionen einzunehmen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Möchten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Klein-Schmeink zulassen, Frau Kollegin? Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Ja. - Entschuldigung, das habe ich nicht gesehen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Maria Anna Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Vogelsang, ich möchte Sie gern fragen: Wann können wir denn damit rechnen, dass es von Ihrer Seite tatsächlich zu Taten kommt, dass sowohl die Daten erhoben werden, aber insbesondere auch die anstehende Haftpflichtproblematik angegangen wird? Wir werden ja nicht die Zeit haben, um lange auf Forschungsgutachten zu warten und dann in fünf Jahren eine Lösung vorlegen zu können; vielmehr haben die schwangeren Frauen jetzt den Anspruch und den Bedarf. Was wollen Sie da tun? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): So umfangreich ist der Auftrag ja nicht, und ich denke, dass die Schlussfolgerungen aus den erhobenen Daten von der Bundesregierung zum frühestmöglichen Zeitpunkt gezogen werden und dass das dann hier von uns beraten werden kann. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätten Sie schon längst angehen können!) Aber wir müssen das auch trennen, Frau Kollegin. Wir haben auf der einen Seite den Beschluss zum Kinderschutzgesetz vom März dieses Jahres. Da hat die Bundesregierung beschlossen, innerhalb von drei Jahren jeweils 30 Millionen Euro auszugeben, um bei der Vernetzung von Hebammen im Bereich der frühen Hilfen für Säuglinge voranzukommen und den Bundeszuschuss zu zahlen. Wir müssen uns also ganz genau anschauen: Über welche Problematik reden wir? Vor der Geburt steht die werdende Mutter und danach vor allen Dingen der Säugling im Mittelpunkt, aber auch die Mutter, die gerade geboren hat. Für die Zeit während der Geburt - das betrifft jetzt die Haftpflichtversicherungen - haben wir die enorm gestiegenen Prämien der Versicherungen. In der Bundesrepublik Deutschland entscheiden sich mittlerweile 98,8 Prozent der Frauen dafür, unter Beteiligung und Fürsorge einer Hebamme im geschützten Bereich eines Kreißsaales ihr Kind zur Welt zu bringen, in dem für den Fall der Fälle, wenn während der Geburt mit dem Säugling etwas passiert, ein Kinderarzt da ist. Demgegenüber entscheiden sich 1,2 Prozent der Mütter dafür, (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um die Wahlfreiheit!) in Geburtshäusern oder zu Hause ihr Kind zur Welt zu bringen. Ich habe Briefe von Kollegen aus Ihrer Fraktion zur Kenntnis genommen, die an Geburtsmediziner geschrieben haben, Ziel unserer Politik müsste es doch sein, die Zahl der Hausgeburten auf 50 Prozent heraufzusetzen. Ich muss ganz klar sagen, dass das nicht mein Ziel und nicht Ziel der Politik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Darum geht es doch gar nicht!) sondern dass wir es im Interesse der Frauen als einen enormen Fortschritt in der Bundesrepublik Deutschland ansehen, dass man in der Regel (Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist nicht die Antwort, Frau Kollegin!) - die Antwort auf Ihre Frage habe ich Ihnen gegeben - im geschützten Raum des Kreißsaals unter Beteiligung auch von einem Mediziner für den Fall der Fälle und mit der Betreuung einer Hebamme sein Kind zur Welt bringt. (Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber wann legen Sie denn eine Lösung vor?) - Auf diese Frage, Frau Kollegin, habe ich Ihnen geantwortet. Wir legen die Lösung zu dem Zeitpunkt vor, an dem wir, genauso wie Sie das ja auch für richtig halten, über die Erkenntnisse und die Datenlage verfügen, sodass wir im Rahmen unseres Systems nicht fehlallokiert, da oder da oder da, etwas machen, sondern eine vernünftige Position einnehmen können. An dieser Strategie werden Sie durch diese Anträge nichts ändern. Ich hatte das Gefühl, mit diesem neuerlichen Antrag wollten Sie deutlich machen, dass Sie etwas tun, oder Sie haben Angst, dass Ihnen die Felle davonschwimmen (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen euch Dampf machen!) oder dass die Bundesregierung einen Personenkreis zu sehr betreut. Das finde ich relativ schwierig. Bleiben Sie bei Ihrem ursprünglichen Ansatz! Lassen Sie uns abwarten, bis die Daten vorliegen, und lassen Sie uns dann genau prüfen, was sich verändern muss! Die Bundesregierung prüft, wir begleiten das, und am Ende steht sowohl für die werdenden Mütter als auch für die Gebärenden und erst recht für die Säuglinge, die zur Welt gekommen sind, eine gute Lösung, die weiterhin das sichert, was wir in der Bundesrepublik Deutschland haben und weiterhin haben wollen, nämlich eine flächendeckende Versorgung und eine flächendeckende Wahlfreiheit für die Mütter, in welcher Art und Weise sie ihr Kind gebären wollen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie mal was tun!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Vogelsang. - Jetzt für die Fraktion der Sozialdemokraten Frau Kollegin Mechthild Rawert. Bitte schön, Frau Kollegin Rawert. (Beifall bei der SPD) Mechthild Rawert (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Interessierte! Die Tätigkeit einer Hebamme gehört zu den ältesten Tätigkeitsfeldern; der Beruf der Hebamme ist einer der ältesten. Er steht am Anfang eines jeden Lebens. Kein Wunder also, dass wir hier über dieses Thema durchaus emotional reden. Es ist wichtig, dieses Thema in den Mittelpunkt gesundheitspolitischer Diskussionen zu stellen; denn wir haben zu beklagen, dass weltweit über 350 000 Frauen bei der Geburt ihres Kindes sterben. Damit verbunden ist die Sorge, dass solche Todesfälle in Deutschland zunehmen. Ich will einige der Fragestellungen aufgreifen, die in der Diskussion gerade schon behandelt worden sind. Es geht um dreierlei: Erstens. Es geht um das Recht des Kindes auf den bestmöglichen Start in das Leben. Hierzu gehört eine gute Geburt. Es muss gewährleistet sein, dass das Recht des Kindes auf eine gute Versorgung umgesetzt wird. Zweitens. Es geht um das Recht der Schwangeren, der Wöchnerin, der Mutter. Hierbei geht es ebenfalls um die bestmögliche gesundheitliche Versorgung. Aus diesem Grunde bin ich froh, dass wir das System der Familienhebammen weiterentwickelt haben. Ich lade alle herzlich dazu ein, dieses Modell in Berlin weiter zu prüfen, weiter zu begleiten. Wir werden es Ende dieses Monats in mehreren Bezirken umsetzen. Drittens. Es geht auch um die berufliche Situation der Hebammen bzw. der Entbindungspfleger. Es handelt sich um einen qualifizierten Gesundheitsberuf, der in die Versorgungslandschaft eingepasst werden muss. Jetzt möchte ich noch auf einige weitere Punkte eingehen. Es ist richtig, dass das Versorgungsgesetz der Bundesregierung arztzentriert ist, dass dieses Versorgungsgesetz die Vielfalt der Gesundheitsberufe und infolgedessen auch ihre Rechte und ihre Neuordnungsstrukturen außer Acht lässt. Darunter fallen neben Krankenschwestern, Pflegern und Teilnehmern neuer Modellprogramme die Hebammen. Gegen die Diskreditierung dieser häufig vorkommenden Gesundheitsberufe - oftmals Frauenberufe - müssen wir stark angehen. Hebammen verstehen sich als Anwältinnen für Frauengesundheit. Auch das ist ein Feld, das noch viel stärker berücksichtigt werden muss, gerade in der Diskussion über eine flächendeckende Versorgung. Es ist richtig, wenn festgestellt wird, dass mittlerweile in einigen Gegenden Krankenhäuser über keine Geburtsabteilung mehr verfügen. Wenn freiberuflich tätige Hebammen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation in diesen Gegenden nicht arbeiten, stellt sich die Frage: Wer trägt die Verantwortung für eine flächendeckende Versorgung? Ich sage Ihnen: Wir müssen das bei der Versorgungsstruktur noch viel stärker berücksichtigen. In dem Antrag der Grünen wird gefordert, die Regelungen der Reichsversicherungsordnung in das SGB V zu überführen. Ja, auch ich bin der Meinung: Hier besteht noch Modernisierungsbedarf. Es ist nötig, tatsächlich für mehr rechtliche Umsetzung zu sorgen. Neben den Regelungen zu Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft sind Dienstordnungs- und Besoldungsbestimmungen für Angestellte und Beamte aus der Reichsversicherungsordnung noch nicht auf das SGB V übertragen. Nichtsdestotrotz möchte ich, dass wir im Gesundheitsausschuss eine intensive Debatte über viele Fragestellungen führen, die den Gesundheitsberuf Hebamme in den Mittelpunkt stellen. Ich befürworte deswegen, dass dazu eine Anhörung durchgeführt wird. Sie bietet den Raum, um über diese Aspekte zu diskutieren. Die Frage ist, inwieweit diese Gesundheitsberufe neu zu definieren sind. Auch die freiberuflichen Hebammen stellen sich die Frage, ob sie in Zukunft selbstständig zum Beispiel Medikamente verschreiben können. Es stellt sich die Frage nach den Ausbildungsstrukturen, auch beim Beruf der Hebammen, und die Frage nach der Vernetzung in einem präventiven Gesundheitssystem. Ich möchte mich in meinen letzten Ausführungen dem Thema Berufshaftpflichtversicherung zuwenden. Berufliche Tätigkeiten sollen sinnstiftend sein. Aber machen wir uns nichts vor: Wir alle leben von dem Geld, das wir durch unsere berufliche Tätigkeit verdienen. Das Durchschnittsgehalt von Hebammen liegt bei 14 500 Euro im Jahr und der Durchschnittsstundenlohn bei 7,50 Euro, die Berufshaftpflichtprämie aber beträgt 3 700 Euro. Das ist eine Diskrepanz, die die Angehörigen dieses Berufes nicht aushalten können. Des Weiteren haben wir in einer Arbeitsgruppe festgestellt, dass das Thema der Berufshaftpflichtversicherung - das betrifft den gesamten Bereich der Gynäkologie - ein zunehmend wichtigeres Thema in der Gesundheitswirtschaft werden wird. Die SPD hat sich in einer Anfrage danach erkundigt, was die Bundesregierung in Sachen Berufshaftpflichtversicherung unternehmen will. Die Antwort, Frau Staatssekretärin, war unbefriedigend. Sie haben keineswegs Bezug darauf genommen, dass es notwendig ist, im Versorgungssystem neue Versicherungsstrukturen einzuführen. Sie haben keineswegs Bezug darauf genommen, dass es notwendig ist, eine bessere Versicherung im Bereich der Geburt einzuführen; denn niemand von uns will Patientenrechte einschränken, wenn es tatsächlich zu einem Schadensfall kommt. Ich habe vorhin gehört, dass Versicherungen in Zukunft bei Eintritt eines Geburtsschadens möglicherweise Leistungen in Höhe von bis zu 5 Millionen Euro erbringen werden. Das ist eine Summe, die weder kleine Krankenhäuser noch freiberufliche Hebammen im jetzigen System der Berufshaftpflichtversicherung abdecken können. Dieser Widerspruch, nämlich dass man sich eine Berufshaftpflichtversicherung nicht mehr leisten kann, Patientinnen und Patienten aber selbstverständlich mit einer ausreichenden lebenslangen Finanzierung bei einem Schadensfall rechnen können müssen, ist nicht gelöst. Das zu tun, steht in Ihrer Verantwortung. Ich bitte Sie, sich dem System der Versicherung intensiver zuzuwenden. Am 10. Mai lief die Ausschreibungsfrist für die Hebammenstudie ab. Ich bitte darum, zumindest einen Teil der Fragen und Anmerkungen, die wir Ihnen haben zukommen lassen, in dieser Studie aufzugreifen, damit sie wegweisende Grundlagen für die Zukunft eines Gesundheitsberufes bieten kann, der wichtig für Mutter und Kind ist. Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Rawert. Als Nächster steht der Kollege Lars Lindemann für die FDP-Fraktion auf meiner Rednerliste. Er hat seine Rede zu Protokoll gegeben.3 - Wir sind damit einverstanden. Als nächste Rednerin spricht für die Fraktion Die Linke Frau Kollegin Dr. Martina Bunge. Bitte schön, Frau Kollegin Dr. Bunge. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche haben wieder Hunderte freiberufliche Hebammen demonstriert. Ihre Existenz ist bedroht. Unser Antrag will Sicherheit schaffen. Wir stellen diesen Antrag heute zur Diskussion und zur Abstimmung, weil wir meinen, dass Politik endlich etwas tun muss und auch tun kann. Wir dürfen uns nicht nur mit diesem Thema auseinandersetzen und uns kümmern, wie Sie, Frau Kollegin Vogelsang, es dem ausgeschiedenen Minister bescheinigt haben. Es geht darum, dass endlich Taten folgen. (Beifall bei der LINKEN) Bei unserem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, geht es auch nicht darum, dass wir allein das finanzielle Wohl der Hebammen im Auge haben. Mit dieser Begründung haben Sie unseren Antrag im Ausschuss abgelehnt. Ich kann nur sagen: Schade. Titel und Inhalt belegen, dass es uns darum geht, die Versorgung durch Hebammen und Entbindungspfleger sicherzustellen. Um wen geht es denn? Es geht um die Mütter und um die Kinder. (Mechthild Rawert [SPD]: Da sind wir einer Meinung!) - Es ist ja schön, dass wir hier einer Meinung sind. Leider haben Sie aber keinen Antrag vorgelegt. Einfach abzulehnen und nichts selber zu tun, heißt letztlich, nichts zu tun. (Beifall bei der LINKEN) Es geht uns gerade darum, auch die finanzielle Situation vor allem der Hebammen zu verbessern, die freie Geburtshilfe leisten. Die Gründe sind benannt. Mütter, die ihr Kind zu Hause oder im Geburtshaus gebären wollen, sind auf diese Hebammen angewiesen. Vielleicht ergeben sich die geringen Zahlen auch daraus, dass Geburtshäuser schließen und immer mehr freiberufliche Hebammen aufgeben oder nur noch betreuend tätig sind und sich den Luxus der Geburtenbegleitung nicht mehr leisten können. Das alles geschieht natürlich auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass jedes Jahr rund 3 700 Euro für die Haftpflichtversicherung aufgewendet werden müssen. Vizepräsident Eduard Oswald: Es gibt jetzt den Wunsch nach einer Zwischenfrage, Frau Kollegin. Möchten Sie die Zwischenfrage der Frau Kollegin Vogelsang ermöglichen? Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Gerne. Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön, Frau Kollegin. Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Frau Kollegin Bunge, ich denke einmal und hoffe auch sogar sehr, dass Sie das nicht so gemeint haben, wie Sie das gesagt haben. Wir sind doch vielleicht wenigstens in dem Punkt einer Meinung, dass nicht nur die Frauen, die sich dafür entscheiden, ihr Kind in einem Geburtshaus oder zu Hause zur Welt zu bringen, ein Anrecht auf die Betreuung durch eine Hebamme haben, sondern dass das selbstverständlich auch für die anderen Frauen gilt - das sind fast 99 Prozent aller Frauen -, die ihr Kind in dem geschützten Raum eines Kreißsaals zur Welt bringen. Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Natürlich, da haben Sie recht, (Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Gut!) aber die Hebammen, die auch Geburtshilfe leisten, ziehen sich zurück. Damit ist die Wahlfreiheit nicht mehr gewährleistet. (Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Ist das keine Geburtshilfe im Kreißsaal?) Ich weiß, was es bedeutet, in einem Krankenhaus zu gebären; ich will das nicht unterschätzen. Wenn man aber keine Möglichkeit hat, sich anders zu entscheiden, dann ist das problematisch. Wenn in der Nähe niemand ist: Wo soll man hinfahren? (Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Aber im Kreißsaal haben Sie auch eine Hebamme!) Selbst die Hebammen empfehlen dann: Gehen Sie lieber in das Krankenhaus; ich kann die Sicherheit nicht gewährleisten. - Diese Situation hat absolut nichts mit Wahlfreiheit zu tun. (Beifall bei der LINKEN - Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Aber, Frau Kollegin, dort machen es auch Hebammen!) - Ja, dort machen es auch Hebammen; da haben Sie recht. (Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Ja, Gott sei Dank!) Uns geht es deshalb darum, dass die schlechte Finanzierung verbessert wird. Die Koalitionsfraktionen haben unseren Antrag im Ausschuss mit der Begründung abgelehnt, er habe sich überholt. Ich finde, das ist eine zynische Begründung. Sie haben das damit begründet, dass die Hebammenverbände inzwischen mit den Krankenkassen verhandelt und sich geeinigt haben. Ich frage Sie: Protestieren die Hebammen seit Juli 2010, als die "Einigung" erfolgte, ohne Grund? Kriegen sie nicht genug Geld? Kriegen sie den Hals nicht voll? Wenn Sie das meinen, dann sagen Sie das hier. Wir denken, die finanzielle Situation hat sich nicht ausreichend gebessert, und das ist nicht hinnehmbar. (Beifall bei der LINKEN) Das liegt aber vor allem auch daran, dass die Honorare der Hebammen in der Startphase dieser Verhandlungen mit den Krankenkassen nicht angemessen aufgestockt wurden. Das ist ein Versäumnis der letzten Bundesregierung. (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! Die Große Koalition hat das ausgesetzt!) Ich denke, deshalb ist auch die SPD hier in der Pflicht und in der Verantwortung - genauso wie auch die neue Bundesregierung. Wir müssen uns das doch einmal vorstellen: Die kleinen Hebammenverbände - das meine ich jetzt nicht despektierlich - verhandeln mit den großen Krankenkassen. Das ist doch kein Verhandeln auf Augenhöhe. So kommt es auch, dass von dem Grundsatz der Beitragsstabilität - von dem ja abgewichen werden kann, wenn die Sicherheit der Versorgung nicht mehr gewährleistet ist - in den Verhandlungen nicht abgewichen wird, weil die Kassen am längeren Hebel sitzen und sagen, dass die Versorgung doch noch funktioniert. Sie warten wahrscheinlich, bis die Auswirkungen spürbar sind. Dazu sagen wir: Dann ist die Versorgung ganz zusammengebrochen. Das können wir nicht hinnehmen. So etwas hat nichts mit freier Wahl zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Darum kümmern wir uns. Deshalb appellieren wir an Sie: Unser Antrag ist umfassend. Stimmen Sie ihm zu! Wenn Sie ihn heute ablehnen - aus welchen Gründen auch immer; vielleicht gar, weil heute Freitag der 13. ist -, wäre das sehr bedauerlich. Ich sage: Tun Sie etwas. Es muss endlich etwas getan werden. Das Versorgungsgesetz wäre eine gute Chance. Öffnen Sie es endlich auch für die Heilberufe. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Bunge. - Als letzter Redner der Woche erhält jetzt Kollege Erwin Rüddel für die Fraktion der CDU/CSU das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Erwin Rüddel (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich zu Beginn auf zwei Punkte hinweisen. Ich denke, dass darüber hier im Haus auch Einigkeit herrscht. Erstens. Wir brauchen die Hebammen - dabei will ich bewusst nicht differenzieren, welche Art von Hebammen - heute und zukünftig in unserem Gesundheitssystem. Zweitens. Wir brauchen für die Hebammen eine leistungsgerechte Entlohnung. Vor allem im ländlichen Raum, wenn die Wege zum nächsten Krankenhaus mit Entbindungsstation weit sind, sind die freiberuflichen Hebammen unentbehrlich. Ihre Arbeit ist und bleibt eine unverzichtbare Hilfe für junge Eltern und deren Nachwuchs. Hier - wie auch anderswo auf dem Feld der Gesundheitspolitik - dürfen wir uns nicht durch eine insgesamt gute Versorgungssituation in den Städten den Blick verstellen lassen auf die teilweise erheblichen Probleme, die wir in den ländlichen Regionen haben. Dieses Problem gehen wir aber mit unserem Versorgungsgesetz sehr konsequent an. (Mechthild Rawert [SPD]: Darin steht nichts zu den Gesundheitsberufen!) Meine Damen und Herren, im Sinne einer vernünftigen Familien- und Gesundheitspolitik kann es nicht angehen, dass die freiberuflichen Hebammen durch erhöhte Versicherungskosten in ihrer Existenz gefährdet werden. Viele freiberufliche Geburtshelferinnen klagen darüber, dass ihnen nach Abzug von Steuern, Gebühren und Benzinkosten kaum genug zum Leben bleibt. Etliche von ihnen haben inzwischen ihre Tätigkeit aufgegeben, gerade auf dem Feld der Geburtshilfe. Unabhängige Experten bestätigen zunehmende Engpässe in der Versorgung mit freiberuflichen Geburtshelferinnen. Meine Fraktion hat sich deshalb dafür starkgemacht, im Bundeshaushalt für die Hebammen zusätzliche Mittel im Bereich der Vor- und Nachsorge bereitzustellen. Das Bundeskabinett hat bekanntlich am 16. März 2011 den Entwurf für ein neues Kinderschutzgesetz verabschiedet. Dabei geht es darum, den Schutz von Kindern in Deutschland umfassend und wirksam zu verbessern. Zu dem Maßnahmenpaket, das darauf abzielt, die Rechte von Kindern und Jugendlichen noch besser als bisher zu sichern, gehört mit Blick auf die frühkindliche Betreuung auch der verstärkte Einsatz von Familienhebammen. Im Rahmen dieser von Frau Bundesministerin Schröder eingebrachten Initiative werden ab 2012 jährlich 30 Millionen Euro zusätzlich für den Einsatz von Familienhebammen zur Verfügung gestellt. Das bedeutet: Innerhalb der nächsten vier Jahre kann in Deutschland die Arbeit der Familienhebammen zusätzlich mit insgesamt 120 Millionen Euro unterstützt werden. Dabei geht es nicht zuletzt um niederschwellige und frühe Hilfsangebote, die sich auch und gerade an Familien in belasteten Lebenslagen richten, und zwar sowohl während der Schwangerschaft als auch nach der Geburt. Auf diese Weise können Hebammen und Familienhebammen die Verluste, die sie entweder durch die hohen Versicherungsprämien oder durch ihren gänzlichen Verzicht auf die Geburtshilfe erleiden, wenigstens teilweise ausgleichen und haben eine deutlich bessere Zukunftsperspektive. Meine Damen und Herren, unabhängig davon sollten wir auch über andere kreative Lösungen nachdenken. Es spricht zum Beispiel manches dafür, die Finanzierung der Hebammen aus einer Hand zu organisieren, damit es nicht zwei Kategorien von Hebammen gibt. Das würde Einkommen für die Hebammen sichern und könnte zudem mit Blick auf die Familienhilfe einen Übergang zu den "Frühen Hilfen" schaffen. (Mechthild Rawert [SPD]: Aus welchem Haus soll das kommen: Familie oder Gesundheit?) - Ich habe gesagt: Aus verschiedenen Töpfen wird eine Hilfe finanziert. (Mechthild Rawert [SPD]: Dann wird das nichts!) Meine Fraktion wird das sehr sorgfältig prüfen (Manfred Zöllmer [SPD]: Wie lange werden Sie denn prüfen?) und dabei auch, liebe Frau Bender, Gedanken des Antrages der Grünen mit einbeziehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Denn - ich sage es hier noch einmal -: Wir sind für alle kreativen Lösungen offen, die jungen Familien zugutekommen. Schließlich will ich noch auf das Fachgespräch hinweisen, das im Februar mit den drei Hebammenverbänden im Bundesgesundheitsministerium stattgefunden hat. (Mechthild Rawert [SPD]: Herr Rösler war nicht da!) Es ging dabei um die Berechnung der Honorare, ganz konkret um ein Gutachten zur Vergütungs- und Versorgungssituation in der Hebammenhilfe. Die Hebammenverbände haben anschließend noch ergänzend Stellung zu aus ihrer Sicht ganz besonders wichtigen Punkten bezogen. Dies ist auch in den Gutachtenauftrag eingeflossen. Insofern ist der Antrag der Linken zeitlich und inhaltlich deutlich überholt; (Lachen bei der LINKEN) denn wir können davon ausgehen, dass in den nächsten Monaten mit dieser Studie eine verlässliche Datengrundlage geschaffen wird. Sie wird ausweisen, ob und inwieweit die von den Krankenkassen gezahlten Honorare für die Hebammen angemessen sind. Ich möchte aber unterstreichen: Es geht bei dieser Studie nicht nur um die finanzielle Situation der freiberuflichen Hebammen und deren berechtigte Anliegen. Es geht auch um die Qualität der Leistungen und um den Bedarf an Hebammenhilfe. Alle drei Faktoren stehen für uns gleichwertig nebeneinander. Das Ergebnis der Studie bleibt abzuwarten. Wir dürfen aber wohl davon ausgehen, dass dadurch die Verhandlungsposition der Hebammen gegenüber der GKV deutlich gestärkt wird. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Erwin Rüddel. Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell - es geht um den Tagesordnungs-punkt 28 a - wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/5098 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Dann ist die Überweisung so beschlossen. Tagesordnungspunkt 28 b. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Versorgung durch Hebammen und Entbindungspfleger sicherstellen". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/4290, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/2128 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der Sozialdemokraten. Gegenprobe! - Fraktion Die Linke. Enthaltungen? - Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist somit angenommen. Tagesordnungspunkt 28 c. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Erhebung von Daten zu der Versorgung mit Hebammenhilfe sowie zur Arbeits- und Einkommenssituation von Hebammen und Entbindungspflegern sicherstellen". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/4349, den Antrag der Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1587 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! - Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen. Enthaltungen? - Sozialdemokraten und Fraktion Die Linke. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine gute Nachricht: Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 25. Mai, 13 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen ein schönes, arbeitsreiches Wochenende in den Wahlkreisen, damit die Arbeit des Deutschen Bundestages dort verkündet wird. Herzlichen Dank. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 13.30 Uhr) Berichtigung 108. Sitzung, Seite 12408 (D), der erste Absatz ist wie folgt zu lesen: "Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal muss ich meinem Ärger über Verfahren der Bundesregierung Luft machen. Die Reform der Arbeitnehmerüberlassung wurde über ein Jahr lang lautstark angekündigt. Dann legte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vor, ohne Lohnuntergrenze. Diese folgte im Laufe des Verfahrens über einen Änderungsantrag. Heute, im dritten Anlauf, kommt nun ein Gesetzentwurf zur Kontrolle. Mittlerweile haben wir die Arbeitnehmerfreizügigkeit, aber noch keine allgemeinverbindlich erklärte Lohnuntergrenze. Es wurde viel Zeit vertrödelt. Ich kann das gesamte Verfahren nur als miserabel bezeichnen." Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Ackermann, Jens FDP 13.05.2011 Ahrendt, Christian FDP 13.05.2011 Aschenberg-Dugnus, Christine FDP 13.05.2011 Bahr (Münster), Daniel FDP 13.05.2011 Bernschneider, Florian FDP 13.05.2011 Blumenthal, Sebastian FDP 13.05.2011 Bögel, Claudia FDP 13.05.2011 Bonde, Alexander BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.05.2011 Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 13.05.2011 Bracht-Bendt, Nicole FDP 13.05.2011 Brandner, Klaus SPD 13.05.2011 Breil, Klaus FDP 13.05.2011 Brüderle, Rainer FDP 13.05.2011 Brunkhorst, Angelika FDP 13.05.2011 Burgbacher, Ernst FDP 13.05.2011 Buschmann, Marco FDP 13.05.2011 Canel, Sylvia FDP 13.05.2011 Daðdelen, Sevim DIE LINKE 13.05.2011 Dr. Danckert, Peter SPD 13.05.2011 Daub, Helga FDP 13.05.2011 Dr. Djir-Sarai, Bijan FDP 13.05.2011 Döring, Patrick FDP 13.05.2011 Dyckmans, Mechthild FDP 13.05.2011 Erdel, Rainer FDP 13.05.2011 van Essen, Jörg FDP 13.05.2011 Flach, Ulrike FDP 13.05.2011 Fricke, Otto FDP 13.05.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 13.05.2011 Dr. Friedrich, Hans-Peter CDU/CSU 13.05.2011 Dr. Geisen, Edmund FDP 13.05.2011 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 13.05.2011 Goldmann, Hans-Michael FDP 13.05.2011 Golombeck, Heinz FDP 13.05.2011 Gruß, Miriam FDP 13.05.2011 Günther (Plauen), Joachim FDP 13.05.2011 Dr. Happach-Kasan, Christel FDP 13.05.2011 Hardt, Jürgen CDU/CSU 13.05.2011 Haustein, Heinz-Peter FDP 13.05.2011 Heil, Hubertus SPD 13.05.2011 Dr. Hendricks, Barbara SPD 13.05.2011 Hermann, Winfried BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.05.2011 Höferlin, Manuel FDP 13.05.2011 Dr. Höll, Barbara DIE LINKE 13.05.2011 Hoff, Elke FDP 13.05.2011 Dr. Hofreiter, Anton BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.05.2011 Homburger, Birgit FDP 13.05.2011 Dr. Hoyer, Werner FDP 13.05.2011 Kamp, Heiner FDP 13.05.2011 Kauch, Michael FDP 13.05.2011 Keul, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.05.2011 Klimke, Jürgen CDU/CSU 13.05.2011 Dr. Knopek, Lutz FDP 13.05.2011 Kober, Pascal FDP 13.05.2011 Körber, Sebastian FDP 13.05.2011 Dr. Kolb, Heinrich L. FDP 13.05.2011 Kopp, Gudrun FDP 13.05.2011 Dr. h.c. Koppelin, Jürgen FDP 13.05.2011 Korte, Jan DIE LINKE 13.05.2011 Kramme, Anette SPD 13.05.2011 Krischer, Oliver BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.05.2011 Kurth (Kyffhäuser), Patrick FDP 13.05.2011 Lanfermann, Heinz FDP 13.05.2011 Laurischk, Sibylle FDP 13.05.2011 Leibrecht, Harald FDP 13.05.2011 Leutert, Michael DIE LINKE 13.05.2011 Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine FDP 13.05.2011 Liebich, Stefan DIE LINKE 13.05.2011 Lindemann, Lars Friedrich FDP 13.05.2011 Lindner, Christian FDP 13.05.2011 Dr. Lindner (Berlin), Martin FDP 13.05.2011 Link (Heilbronn), Michael FDP 13.05.2011 Dr. Lotter, Erwin FDP 13.05.2011 Ludwig, Daniela CDU/CSU 13.05.2011 Luksic, Oliver FDP 13.05.2011 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 13.05.2011 Meierhofer, Horst FDP 13.05.2011 Meinhardt, Patrick FDP 13.05.2011 Dr. Miersch, Matthias SPD 13.05.2011 Möller, Kornelia DIE LINKE 13.05.2011 Mücke, Jan FDP 13.05.2011 Müller (Aachen), Petra FDP 13.05.2011 Müller-Sönksen, Burkhardt FDP 13.05.2011 Dr. Neumann (Lausitz), Martin FDP 13.05.2011 Niebel, Dirk FDP 13.05.2011 Pau, Petra DIE LINKE 13.05.2011 Pieper, Cornelia FDP 13.05.2011 Piltz, Gisela FDP 13.05.2011 Ploetz, Yvonne DIE LINKE 13.05.2011 Dr. Ratjen-Damerau, Christiane FDP 13.05.2011 Dr. Reinemund, Birgit FDP 13.05.2011 Roth, Michael SPD 13.05.2011 Dr. Ruppert, Stefan FDP 13.05.2011 Sänger, Björn FDP 13.05.2011 Schäffler, Frank FDP 13.05.2011 Dr. Scheuer, Andreas CDU/CSU 13.05.2011 Schlecht, Michael DIE LINKE 13.05.2011 Schnurr, Christoph FDP 13.05.2011 Schulz, Jimmy FDP 13.05.2011 Schuster, Marina FDP 13.05.2011 Dr. Schweickert, Erik FDP 13.05.2011 Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 13.05.2011 Skudelny, Judith FDP 13.05.2011 Dr. Solms, Hermann Otto FDP 13.05.2011 Spatz, Joachim FDP 13.05.2011 Steinbrück, Peer SPD 13.05.2011 Dr. Stinner, Rainer FDP 13.05.2011 Dr. h.c. Thierse, Wolfgang SPD 13.05.2011 Thomae, Stephan FDP 13.05.2011 Toncar, Florian FDP 13.05.2011 Dr. Uhl, Hans-Peter CDU/CSU 13.05.2011 Vogel (Lüdenscheid), Johannes FDP 13.05.2011 Vogler, Kathrin DIE LINKE 13.05.2011 Dr. Volk, Daniel FDP 13.05.2011 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 13.05.2011 Werner, Katrin DIE LINKE 13.05.2011 Dr. Westerwelle, Guido FDP 13.05.2011 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 13.05.2011 Dr. Winterstein, Claudia FDP 13.05.2011 Dr. Wissing, Volker FDP 13.05.2011 Wolff (Rems-Murr), Hartfried FDP 13.05.2011 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (108. Sitzung, Tagesordnungspunkt 14) Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Sollte der Gesetzentwurf der Bundesregierung heute eine Mehrheit im Bundestag finden, wäre dies ein deutlicher Rückschlag für die Kontrolle deutscher Rüstungsexporte. In Zukunft soll die deutsche Rüstungsindustrie nach dem Willen der Bundesregierung ihre Produkte noch unkontrollierter als bisher innerhalb der EU verkaufen dürfen. Es ist mehr als betrüblich, wie die Bundesregierung rüstungsindustrielle Interessen bedient, und es ist ärgerlich, dass die SPD hier mitzieht. Vor Ostern hatte die SPD noch in einem Antrag vollmundig gefordert, "die rüstungspolitischen Grundsätze nicht durch die Hintertür einer europäischen Harmonisierung zu verwässern". Jetzt, wo der Gesetzentwurf, der genau dazu führen wird, auf dem Tisch liegt, war die SPD nicht einmal bereit, eine Anhörung durchzuführen. Aber verwunderlich ist dieses Verhalten leider nicht. Schließlich war es der Wunschkandidat von Ex-Kanzler Schröder, Günter Verheugen, der als EU-Industriekommissar maßgeblich die Weichen für die EU-Richtlinie gestellt hat, auf deren Grundlage jetzt der Gesetzentwurf vorbereitet wurde. Seit mehr als zehn Jahren bemühen sich die großen europäischen Rüstungskonzerne um die Schaffung eines Binnenmarktes für ihre Güter. Mit dabei ist auch immer die deutsche Rüstungsindustrie, die nach einer Harmonisierung der Exportbestimmungen ruft, aber den Abbau von Exportschranken meint. Man wolle endlich nicht mehr benachteiligt sein, heißt es da. Allein, woran diese Benachteiligung festgemacht wird, bleibt ein Rätsel. Deutschland zählt seit Jahren zu den fünf weltweit größten Rüstungsexporteuren. Allein 2009 wurden wieder Exporte von Rüstungsgütern im Wert von mehr als 7 Milliarden Euro genehmigt. Hinzu kommen noch die vielen Geschäfte, die über Tochterfirmen oder Partner im Ausland abgewickelt werden: Heckler und Koch produziert seine Kleinwaffen in Spanien und bald auch in Saudi-Arabien. Rheinmetall hat eine Technologiepartnerschaft in Algerien im Visier. U-Boote deutschen Typs werden in Griechenland und Südkorea gebaut. Nein, schlecht geht es der Rüstungsindustrie hierzulande nicht, und in Zukunft soll diese Art von Geschäften noch erleichtert werden. Dabei gäbe es genügend Anlass, schon die derzeitige Rüstungsexportpolitik zu kritisieren. In den letzten Monaten haben wir in den Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens hautnah miterleben können, wie Polizei und Streitkräfte, die mit Waffentechnik "Made in Germany" ausgestattet waren, gegen die eigene Bevölkerung vorgegangen sind und noch vorgehen. Innerhalb von fünf Jahren wurden sage und schreibe Rüstungsexporte im Wert von knapp 1 Milliarde Euro in diese Regionen genehmigt. Ethisch und moralisch wäre es eigentlich unsere Pflicht, alles dafür zu tun, dass in Zukunft so etwas nicht passieren kann. Doch weit gefehlt: Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie in dem vorliegenden Gesetzentwurf will die Bundesregierung nun die Weichen dafür stellen, dass Rüstungsexporte noch weniger kontrolliert werden können. Mit dem Gesetz sollen sogenannte Allgemeine Genehmigungen für bestimmte Rüstungsgüter eingeführt werden. Das heißt, Rüstungsfirmen brauchen sich nur einmal zu registrieren, um dann in der Folgezeit ohne weitere Genehmigungsverfahren diese Rüstungsgüter in andere EU-Staaten ausführen zu können. Die Einzelgenehmigung soll in Zukunft die Ausnahme werden, die Vereinbarkeit von Rüstungsexporten mit den jeweiligen nationalen Vorschriften würde dann nur noch ausnahmsweise individuell geprüft. Die Rüstungsindustrie wird mit größerer Eigenverantwortung selber Buch führen über die getätigten Exporte und an wen sie geliefert haben. Da darf man gespannt sein. Wie das eigentlich für die Genehmigung von Rüstungsexporten zuständige Bundesamt für Ausfuhrkontrolle dann diese Informationen erhält, steht auf einem anderen Blatt. In welche Waffensysteme diese Rüstungsgüter dann eingebaut werden und in welche Staaten diese dann weiterexportiert werden, interessiert nicht weiter. Das ist fahrlässig, das ist gefährlich, das unterläuft den Sinn des Verhaltenskodex für Rüstungsexporte der Europäischen Union. Quasi im Vorbeigehen wird noch eine andere Hürde eingerissen: Deutsche Kriegswaffen, die eigentlich nur in Ausnahmefällen und nach sorgfältiger Prüfung exportiert werden dürfen, können in Zukunft pauschal im Rahmen einer allgemeinen Ausfuhrgenehmigung ausgeführt werden! Die Vorgaben des Grundgesetzes und des Kriegswaffenkontrollgesetzes werden zugunsten der Rüstungsindustrie einfach aufgegeben. Der Gesetzentwurf zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Binnenmarktes basiert auf einer entsprechenden EU-Richtlinie, die Ende 2009 beschlossen wurde. In der EU-Richtlinie werden noch andere übergeordnete Grundsätze für den Umgang mit Rüstungsexporten bestimmt, die damit auch für Deutschland Geltungskraft erlangen: Statt der bisher klaren Regelung, dass vor einem Weiterexport gelieferter Rüstungsgüter in andere Staaten eine Genehmigung des Lieferlandes einzuholen ist, soll nun der Empfänger nur noch "davon absehen", die Ausfuhrbeschränkungen des Lieferlandes zu ignorieren. Außerdem soll der eigenständige Warencharakter der Rüstungsgüter mit dem Einbau in ein Waffensystem erlöschen - und damit würde auch jede weitere Genehmigungspflicht erlöschen. Wie soll unter diesen Umständen dann bitte der Endverbleib verlässlich überprüft werden? Hier wird die gefährliche Fiktion aufrechterhalten, dass Rüstungsexporte innerhalb der EU harmlos sind. Es wird ausgeblendet, dass die EU weltweit der mit Abstand größte Rüstungsexporteur ist: 2009 wurden von den EU-Staaten Rüstungsexporte im Wert von mehr als 30 Milliarden Euro an Drittstaaten genehmigt! Wie man es dreht und wendet: Das Gesetz erschwert die Transparenz und Erfassung von Rüstungsexporten. Richtig, schon heute werden nicht alle Rüstungsexporte erfasst, aber das ist keine Rechtfertigung dafür, die Erfassung noch weiter zu erschweren. Die Lieferanten von Rüstungskomponenten werden in Zukunft ein leichteres Geschäft haben. Versagen die deutschen Behörden die Genehmigung des Exports in einen Drittstaat, wird der Export einfach über einen anderen EU-Staat abgewickelt. Ich weiß, "Rüstungskomponenten" klingt erst einmal trivial, aber gepanzerte Fahrzeuge können die meisten Staaten selber bauen, Stabilisierungstechnik für die Geschütztürme der Kampfpanzer dagegen wenige. Gleiches gilt für die Elektronik. Hier kommen dann die deutschen Rüstungsfirmen ins Spiel. Schon heute übertrifft der Wert der Komponentenexporte aus Deutschland den der Waffenexporte. Das ist nicht trival! Das kann der Bundestag nicht wollen. Rüstungsexporte sind immer mit enormen Gefahren für die Sicherheit ganzer Regionen und der Menschen dort verbunden - und dies dank der Langlebigkeit der Waffen über mehrere Generationen. Rüstungsexporte ermöglichen Kriege und heizen Konflikte an. Den Interessen und den Forderungen der Rüstungsindustrie nach einem freien Markt einen höheren Stellenwert einzuräumen, ist mehr als zynisch und skrupellos. Die Linke wird deswegen mit Nein stimmen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: - Beschlussempfehlung und Bericht: Faire Mobilität und soziale Sicherung - Voraussetzungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai 2011 schaffen - Beschlussempfehlung und Bericht: Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial gestalten (Tagesordnungspunkt 25 a und b) Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): Seit fast zwei Wochen genießen unsere mittel- und osteuropäischen Nachbarn nun endlich eine entscheidende Freiheit, die Freiheit, dort in der Europäischen Union zu arbeiten, wo sie es selbst wollen - auch bei uns. Es ist kein Ruhmesblatt für die gesamte deutsche Politik gewesen, dass wir zusammen mit Österreich die Einzigen gewesen sind, die sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um dies hinauszuzögern. Jetzt können endlich alle Menschen aus den am 1. Januar 2004 beigetretenen EU-Mitgliedstaaten auch in Deutschland nach einer Stelle suchen, wenn sie es denn wollen. Ich möchte das noch einmal festhalten, weil es mir persönlich wichtig ist: Alle diejenigen, die Ängste geschürt und nebulös vor einer Gefahr aus dem Osten gewarnt haben, sollten sich schämen. Das war unanständig! Gut, dass damit jetzt Schluss ist. Freizügigkeit ist eine der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union, wir sollten sie achten und uns darüber freuen, dass wir sie haben. Wir als FDP tun das vorbehaltlos. Die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit ist eine Chance und kein Grund, um Panik zu verbreiten. Wir sollten sie als solche sehen und nicht Gefahren herbeifabulieren. Es dürfen jetzt mehr Menschen selbst entscheiden, wo und wie sie ihr Leben verbringen wollen, und wir als Politiker sollten den Menschen diesbezüglich vertrauen, anstatt unnötige Hürden aufzubauen. Als Europapartei begrüßt die FDP die Einigung des Kontinents, und wir begrüßen auch die fleißigen polnischen, tschechischen und lettischen Menschen oder woher aus der Europäischen Union sie auch kommen wollen, um hier zu arbeiten. Weil das ein so wichtiges Thema ist, zitiere ich noch einmal das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, also das IAB, das in seiner Stellungnahme für die Anhörung wirklich eindeutig gewesen ist. Das IAB sagt klipp und klar: "Mit gravierenden negativen Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Gesamtwirtschaft ist demnach nicht zu rechnen." Das wusste auch jeder, der sich vorher ernsthaft mit dem Thema beschäftigt hatte. Angesichts dessen sind Ihre Panikanträge, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von der Linken, nichts weiter als ein unrühmlicher Versuch, auf einer Angstwelle mitzuschwimmen, die Sie teilweise selbst zu verantworten haben. Wenn wir zum Beispiel nach Großbritannien schauen, wo die Freizügigkeit bereits seit 2004 gilt, kann man überhaupt nicht von Arbeitsmarktproblemen reden. Und kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit dem Mindestlohnargument, denn für unseren nördlichen Nachbarn, für Dänemark, gilt genau dasselbe und einen gesetzlichen Mindestlohn haben die nicht. Soziale Verwerfungen? Fehlanzeige! Apropos Anhörung: Die Sachverständigen waren ja ausgesprochen klar in ihren Aussagen. Leider hat die Opposition offensichtlich nicht zugehört. Sie hätten etwas lernen können über die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Das IAB geht insgesamt von einem positiven Effekt für unsere Wirtschaft aus. Die Geschichte der echten Arbeitsmigration zeigt uns, dass Zuwanderer aus den neuen Mitgliedstaaten vor allem jung, gut ausgebildet und hoch motiviert sein dürften. Genau solche Menschen brauchen wir in Deutschland, gerade wegen des Fachkräftemangels. Hierbei rechnet das IAB mit einer Nettozuwanderung zwischen 100 000 und 140 000 jährlich. Das lindert den Fachkräftemangel ein bisschen, beseitigt ihn aber keinesfalls. Vor allem wird diese Zahl aber nicht unseren Arbeitsmarkt beschädigen. Abgesehen davon sind wesentliche Teile Ihrer Anträge inzwischen vollkommen überholt. Bei der Zeitarbeit hat die Bundesregierung kühlen Kopf bewiesen und vorgesorgt. Ihre Hauruckmethoden hätten allen geschadet und keinem genützt. Dass Sie allen Ernstes die Arbeitnehmerfreizügigkeit zum Anlass genommen haben, um Ihrem üblichen Zerstörungswahn gegenüber der Zeitarbeitsbranche freien Lauf zu lassen, ist wirklich unangemessen. In dieser Branche ist heute fast 1 Million Menschen beschäftigt. Die Zeitarbeit hat wie keine andere Branche Menschen eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt eröffnet. Die konjunkturelle Entwicklung wird sich im Übrigen jetzt wieder abflachen. Ich vermute, dass sich die Beschäftigtenzahlen in der Branche stabilisieren werden. Schon jetzt hören wir ja davon, dass es die Zeitarbeit schwer hat, neue Mitarbeiter zu finden. Kurzum, hier tritt genau das ein, was wir immer vorausgesagt hatten. Und das, was Sie immer vorausgesagt hatten, tritt genau nicht ein. Ich bin der festen Überzeugung, dass Zeitarbeit nicht zur Abwicklung von Stammbelegschaften führen darf - das tut sie aber auch nicht. Beim Thema Equal Pay wird ja schon dort an einer Lösung gearbeitet, wo dies auch gemacht werden soll, nämlich in der Branche selbst. Auch da bin ich optimistisch, dass wir bald einen guten Kompromiss sehen werden. Ich halte dies für eine vernünftige und liberale Lösung. Wir waren auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit gut vorbereitet. Wirklich witzlos ist dann schließlich Ihre Verknüpfung der Arbeitnehmerfreizügigkeit mit der Mindestlohnfrage. Das ist einfach ein völlig herbeikonstruierter Zusammenhang. Wir haben ein gut funktionierendes Tarifsystem. Das zeigt sich ja auch gerade dort, wo besonders niedrige Löhne gezahlt werden und auch keine höheren zu erwirtschaften sind, beispielsweise bei den Gebäudereinigern. Aber das wissen Sie ja besser als ich. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ihre neueste Auftragsstudie zum Thema war ja wieder einmal eine Offenbarung. Eine neue Runde im fröhlichen Mindestlohndreisatz. Beschäftigungseffekte lieber einmal ausgespart, wer will sich da schon Gedanken zu machen. Ich sage Ihnen: Das ist Arbeitsmarktpolitik aus der linken Mottenkiste - kommen Sie lieber mal in der Gegenwart an. Bei uns sieht man jetzt, was im Endeffekt rauskommen kann: neue Chancen, weniger Bürokratie und vernünftige Maßnahmen für den Arbeitsmarkt, da wo sie notwendig sind. Aber: Bis zum Jahr 2025 werden uns 5 bis 6 Millionen Erwerbstätige fehlen. Schon heute suchen Firmen händeringend nach Fachkräften, vor allem in mathematischen, technischen sowie naturwissenschaftlichen Berufen. Ich sage Ihnen: Ein fehlender Ingenieur im Betrieb gefährdet weitere Arbeitsplätze. Deswegen müssen wir alle inländischen Potenziale ausschöpfen und bei der Steuerung der Zuwanderung besser werden. Wir brauchen mehr Zuwanderung, sonst kommen wir einfach in Teufels Küche. Nur wenn wir gleichzeitig im Inland wie im Ausland nach qualifizierten Fachkräften suchen, werden wir die entsprechende Lücke schließen können. Zum Schluss möchte ich noch mal auf die Chancen der Freizügigkeit zurückkommen. Durch die Europäische Union profitiert Deutschland immens. Wir können aber nicht auf der einen Seite Nutznießer sein wollen und uns auf der anderen Seite abschotten. Genau diesen Geist atmen aber Ihre Anträge, das hat für mich auch die Diskussion im Ausschuss gezeigt. Deswegen bleibt es auch dabei. Wir lehnen Ihre Anträge ab. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Arbeitsmarktpolitik neu ausrichten und nachhaltig finanzieren (Tagesordnungspunkt 27) Sebastian Blumenthal (FDP): Auch in diesem Antrag hat die Fraktion Die Linke einen Großteil ihrer - bereits mehrfach anderweitig beantragten - arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Forderungen zusammengefasst. So stehen im Mittelpunkt des vorliegenden Antrags folgende Forderungen: "Eine Vermittlung in Arbeit darf nur erfolgen, wenn sie den Standards guter Arbeit entspricht. Innerhalb der Arbeitslosenversicherung ist eine Arbeit zumutbar, wenn die Qualifikation geschützt und die vorherige Lohnhöhe berücksichtigt werden. Generell nicht zumutbar ist eine Arbeit, die untertariflich bzw. unterhalb eines einzuführenden allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von 10 Euro brutto die Stunde entlohnt wird. ... Die Vermittlung in prekäre Arbeitsverhältnisse wie Minijobs, unfreiwillige Teilzeitarbeit und Leiharbeit ist nicht zumutbar." "Die Vergabepraxis der BA hat sich zu ändern. Aufträge sind nur an Unternehmen und Träger zu vergeben, die selbst Qualitätsstandards guter Arbeit einhalten." "Die Anbieter öffentlich geförderter Beschäftigung bedürfen eines verlässlichen Rechts- und Finanzierungsrahmens. ... Darauf aufbauend müssen der öffentliche Dienst und öffentliche Dienstleistungen mit dauerhaften und tariflich entlohnten Arbeitsplätzen ausgeweitet werden." Im Rahmen des föderalistischen Systems der Bundesrepublik Deutschland haben unsere Bundesländer einen hohen Autonomiegrad, der es ihnen ermöglicht, bei derartigen Forderungen eigenständig anzusetzen. Insofern lohnt sich an dieser Stelle ein Blick auf das Bundesland Berlin, damit wir uns ein Bild machen können, in welcher Form die Linke ihre arbeitsmarktpolitischen Instrumente in die Tat umsetzt. Die Bilanz der Regierungsbeteiligung der Linken im Land Berlin stellt sich bislang folgendermaßen dar: Im öffentlichen Dienst sind seit 2001 circa 35 000 Stellen abgebaut worden. In den Bezirken wurde die Anzahl der Stellen - nach Angaben der Senatsverwaltung für Finanzen - von über 48 000 auf knapp 24 000 Stellen halbiert. Eine Ausweitung des öffentlichen Dienstes ist hier an keiner Stelle festzustellen. Von dauerhaften und tariflich entlohnten Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst kann vor dem Hintergrund der Regierungsbeteiligung der Linken in Berlin auch keine Rede sein: Die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst wurden im Zuge des Anwendungstarifvertrags im Jahr 2003 um 8 bis 12 Prozent bis August 2011 abgesenkt und von den bundesweiten Lohnsteigerungen völlig abgekoppelt. Die Angleichung an das bundesweite Lohnniveau soll erst im Jahr 2017 erfolgen! Öffentliche Aufgaben werden in Berlin an freie Träger überführt, die von Verdi-Kreisen "als Leiharbeitsfirmen des öffentlichen Dienstes" bezeichnet werden. Auch hier ist für mich nicht ersichtlich, inwieweit - wie von der Linken im vorliegenden Antrag gefordert - die Standards "guter Arbeit" gewährleistet werden. Gleiches gilt für den Öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, ÖBS: Der Stellenabbau im öffentlichen Dienst wurde durch die Schaffung von 7 000 Stellen im ÖBS flankiert. Die Linke weist auch in ihrem Berliner Wahlprogramm darauf hin, dass die ÖBS-Beschäftigten ein Mindestbruttomonatsgehalt von 1 300 Euro erhalten - also netto um die 1 000 Euro. Nach Auffassung der Linken - sofern man dem vorliegenden Antrag folgt - handelt es sich somit um Tätigkeiten im Niedriglohnbereich und deutlich unter dem geforderten Stundenlohn von 10 Euro. Mit dem geforderten Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde nimmt die Linke es vor Ort in Berlin im Rahmen ihrer Regierungstätigkeit auch nicht so genau. Laut Vergabegesetz werden in Berlin öffentliche Aufträge schon an Firmen vergeben, die mindestens 7,50 Euro Stundenlohn zahlen - und laut Berliner Wahlprogramm begnügt sich die Linke mit einer Anhebung auf 8,50 Euro. Die negativen Auswirkungen eines gesetzlichen Mindestlohns für die Wirtschaft und der damit verbundenen Arbeitsplätze blendet der Antrag der Linken erneut völlig aus. Vor diesem Hintergrund werden wir von der FDP-Fraktion die weitere Beratung dieses Antrags mit großem Interesse verfolgen. Verehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Sinne wünsche ich Ihnen noch ein schönes Wochenende. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: - Antrag: Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt aus der Reichsversicherungsordnung in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch überführen und zeitgemäß ausgestalten - Beschlussempfehlung und Bericht: Versorgung durch Hebammen und Entbindungspfleger sicherstellen - Beschlussempfehlung und Bericht: Erhebung von Daten zu der Versorgung mit Hebammenhilfe sowie zur Arbeits- und Einkommenssituation von Hebammen und Entbindungspflegern sicherstellen (Tagesordnungspunkt 28 a bis c) Lars Lindemann (FDP): Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen behauptet, dass vielen Schwangeren ihre gesetzlichen Ansprüche auf Unterstützung durch Hebammen in der Schwangerschaft, im Wochenbett und in der Stillzeit nicht bekannt sind. Deshalb fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung auf, die Regelungen zu den Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt aus der Reichsversicherungsordnung in das SBG V zu überführen und zeitgemäß auszugestalten. Die FDP-Fraktion hat sich schon immer für die Interessen der Hebammen und das Wohl von Mutter und Kind eingesetzt. Für eine Versorgung der schwangeren und jungen Mütter vor und nach der Geburt nach medizinischen Erfordernissen sind die Leistungen von Hebammen und Entbindungspflegern von besonderer Bedeutung. Der Anspruch auf Hebammenhilfe wird in § 134 a SGB V und der Hebammen-Vergütungsverordnung als Anlage zu diesen Verträgen konkretisiert. Eine weitere Konkretisierung der Ansprüche findet sich in den sogenannten Mutterschafts-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Es ist nicht ersichtlich, dass der Umstand, dass sich die Regelungen zur Schwangerschaft und Geburt in der Reichsversicherungsordnung befinden, auf die Leistungsinanspruchnahme bei Schwangerschaft und Mutterschaft Auswirkungen hat, da die Ausgaben der GKV von rund 76 Millionen Euro im Jahr 1991 für die Hebammenhilfe auf rund 427 Millionen Euro im Jahr 2009 gestiegen sind. Gleichwohl prüft die Bundesregierung bereits im Hinblick auf die bestehenden Gesetzgebungsverfahren, inwieweit die Regelungen zu den Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft von der Reichsversicherungsordnung ins SGB V überführt werden sollten. Das Ergebnis dieser Prüfung ist abzuwarten. Daher ist dieser Antrag abzulehnen. Die Fraktion Die Linke beanstandet in ihrem Antrag, dass die flächendeckende Versorgung durch freiberufliche Hebammen und Entbindungspfleger nicht mehr gewährleistet ist, da aufgrund der geringen Vergütung und der gestiegenen Haftpflichtversicherungsprämien viele Hebammen und Entbindungspfleger ihren Beruf aufgeben würden. Hebammen leisten durch die medizinische Versorgung und umfassende Begleitung Schwangerer und junger Mütter rund um die Geburt einen wesentlichen und unverzichtbaren Beitrag für die Frauengesundheit. Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Hebammenhilfe hat daher eine wichtige Bedeutung und erfordert eine angemessene Vergütung. Jedoch haben bereits Anfang Juli 2010 die Hebammenverbände und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, GKV-Spitzenverband, vor der Schiedsstelle über die Berücksichtigung der zum 1. Juli 2010 gestiegenen Prämien für die Berufshaftpflichtversicherung verhandelt und sich schließlich auf eine Anhebung der Vergütung für klinische und außerklinische Geburten geeinigt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert die Bundesregierung auf, Daten zur Versorgung mit Hebammenhilfe und zur Einkommenssituation zu erheben. Dieses Anliegen ist berechtigt. Deshalb begrüßen wir auch die Entscheidung des Bundesministeriums für Gesundheit, in enger Abstimmung mit den Hebammenverbänden eine Studie in Auftrag zu geben, die die nötige Datengrundlage schafft. Die Anträge sind somit nicht mehr aktuell und daher abzulehnen. Anlage 6 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 882. Sitzung am 15. April 2011 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: - Erstes Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung - Erstes Gesetz zur Änderung des BVL-Gesetzes - Gesetz zur Auflösung und Abwicklung der Anstalt Absatzförderungsfond der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft und der Anstalt Absatzförderungsfonds der deutschen Forst- und Holzwirtschaft - Gesetz über die vorläufige Durchführung unmittelbar geltender Vorschriften der Europäischen Union über die Zulassung oder Genehmigung des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln - Gesetz zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes - Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) - Gesetz zur Beschleunigung der Zahlung von Entschädigungsleistungen bei der Anrechnung des Lastenausgleichs und zur Änderung des Aufbauhilfefondsgesetzes (ZEALG) - Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften - Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 und zur Neuordnung bestehender Aus- und Durchführungsbestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrensrechts - Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften 2011 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 - WehrRÄndG 2011) - Drittes Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze - Gesetz zu dem Abkommen vom 1. Juli 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen - Gesetz zu dem Abkommen vom 20. August 2009 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Wehrpflicht der Doppelstaater/Doppelbürger - Gesetz zur Vereinbarung vom 16. April 2009 über die Änderungen des Übereinkommens vom 5. September 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung des Königreichs Dänemark und der Regierung der Republik Polen über das Multinationale Korps Nordost Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen und einzelnen, global agierenden, internationalen Organisationen und Institutionen im Rahmen des VN-Systems in den Jahren 2008 und 2009 - Drucksachen 17/2726, 17/2971 Nr. 1.15 - Ausschuss für Wirtschaft und Technologie - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung 2010 zur Anwendung des Standardkosten-Modells und zum Stand des Bürokratieabbaus - Drucksachen 17/4242, 17/4499 Nr. 1.6 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Stand und Bewertung der Exportförderung erneuerbarer Energien sowie Evaluierung der Gesamtkonzeption, Einzelinstrumente und Erfolge der Exportinitiative Erneuerbare Energien 2007 bis 2009 - Drucksachen 17/4395, 17/4742 Nr. 1.2 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/4927 Nr. A.3 Ratsdokument 2129 Drucksache 17/4927 Nr. A.4 Ratsdokument 2130 Drucksache 17/4927 Nr. A.7 Ratsdokument 5746/11 Drucksache 17/5123 Nr. A.1 Ratsdokument 2137 Drucksache 17/5123 Nr. A.2 Ratsdokument 2141 Drucksache 17/5302 Nr. A.1 EuB-BReg 142/2011 Drucksache 17/5302 Nr. A.2 EuB-BReg 143/2011 Drucksache 17/5302 Nr. A.3 EuB-BReg 144/2011 Drucksache 17/5302 Nr. A.4 EuB-BReg 145/2011 Drucksache 17/5302 Nr. A.5 EuB-BReg 146/2011 Drucksache 17/5302 Nr. A.6 EuB-BReg 147/2011 Drucksache 17/5302 Nr. A.7 Ratsdokument 7083/11 Finanzausschuss Drucksache 17/5123 Nr. A.4 Ratsdokument 6295/11 Haushaltsausschuss Drucksache 17/4509 Nr. A.12 Ratsdokument 17330/10 Drucksache 17/4509 Nr. A.13 Ratsdokument 17361/10 Drucksache 17/4768 Nr. A.9 Ratsdokument 18066/10 Drucksache 17/5123 Nr. A.5 Ratsdokument 6158/11 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 17/5123 Nr. A.6 EuB-BReg 141/2011 Drucksache 17/5123 Nr. A.8 Ratsdokument 2139 Drucksache 17/5123 Nr. A.9 Ratsdokument 5992/11 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 17/4509 Nr. A.26 Ratsdokument 17066/1/10 REV 1 Drucksache 17/4509 Nr. A.27 Ratsdokument 2088 Drucksache 17/4598 Nr. A.18 Ratsdokument 18111/10 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 17/2071 Nr. A.32 Ratsdokument 9582/10 Drucksache 17/5123 Nr. A.19 Ratsdokument 6618/11 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 17/178 Nr. A.32 Ratsdokument 15317/09 Drucksache 17/3791 Nr. A.13 Ratsdokument 2077 Drucksache 17/4338 Nr. A.17 Ratsdokument 16169/10 Drucksache 17/4509 Nr. A.29 Ratsdokument 14768/10 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 17/2994 Nr. A.55 Ratsdokument 11130/10 Drucksache 17/4927 Nr. A.34 Ratsdokument 5242/11 Drucksache 17/4927 Nr. A.35 Ratsdokument 5976/11 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 17/4509 Nr. A.35 Ratsdokument 17354/10 Drucksache 17/4509 Nr. A.36 Ratsdokument 17356/10 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 17/4927 Nr. A.37 EuB-BReg 136/2011 1Anlage 3 2Anlage 4 3Anlage 5 ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 12480 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 109. Sitzung, Berlin, Freitag, den 13. Mai 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 109. Sitzung, Berlin, Freitag, den 13. Mai 2011 12481 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 12489 12550 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 109. Sitzung, Berlin, Freitag, den 13. Mai 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 109. Sitzung, Berlin, Freitag, den 13. Mai 2011 12551