Plenarprotokoll 17/113 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 113. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 8. Juni 2011 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Zum Ehec-Ausbruch in Deutschland - Aktueller Sachstand nach dem Bund-Länder-Gespräch Daniel Bahr, Bundesminister BMG Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Dr. Carola Reimann (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Kerstin Tack (SPD) Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Daniel Bahr, Bundesminister BMG Alois Gerig (CDU/CSU) Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Dr. Marlies Volkmer (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Jens Spahn (CDU/CSU) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Karin Binder (DIE LINKE) Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Mechthild Rawert (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Steffen-Claudio Lemme (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Dr. Marlies Volkmer (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Dr. Carola Reimann (SPD) Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 17/6040) Mündliche Frage 1 Hans-Joachim Hacker (SPD) Ermäßigter Mehrwertsteuersatz für Flusskreuzfahrten Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Hans-Joachim Hacker (SPD) Mündliche Frage 5 Ingrid Arndt-Brauer (SPD) Änderung des Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfrage Ingrid Arndt-Brauer (SPD) Mündliche Frage 6 Ingrid Arndt-Brauer (SPD) Auswirkungen der OECD-Standards für einen effektiven Informationsaustausch in Steuersachen auf die Verhandlungen der Bundesregierung mit der Schweizer Regierung über eine Erweiterung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Steu-erbereich Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfrage Ingrid Arndt-Brauer (SPD) Mündliche Fragen 9 und 10 Bernd Scheelen (SPD) Einhaltung des OECD-Standards im Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Mündliche Frage 26 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ereignisse in der Nacht zum 18. Mai 2011 in Taloqan im nordafghanischen Verantwortungsbereich der Bundeswehr Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 27 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sicherheitslage in Afghanistan angesichts steigender Opferzahlen Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 31 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zunahme der Antibiotikaresistenzen und konkrete Vorsorgemaßnahmen Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Zusatzfragen Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 66 Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorhaben der US-Regierung zur Modernisierung der in Deutschland und Europa stationierten substrategischen US-Atomwaffen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 67 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Abzug der in Deutschland verbliebenen US-Atomwaffen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Fragen 77 und 78 Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz bei einem unmittelbaren Wechsel ausscheidender Richter zu im gleichen Zuständigkeitsbereich tätigen Anwaltskanzleien; gesetzlicher Handlungsbedarf Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Haftung der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Bundesrepublik Deutschland für Fehler beim Börsengang der Deutschen Telekom im Jahre 2000 (Entscheidung des BGH vom 31. Mai 2011) Norbert Brackmann (CDU/CSU) Burkhard Lischka (SPD) Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) Ingo Egloff (SPD) Marco Buschmann (FDP) Johannes Kahrs (SPD) Alois Karl (CDU/CSU) Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 2 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Sonderkonditionen für gemeinnützige Vereine bei Vermietung, Verpachtung und Verkauf von Liegenschaften des Bundes Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 3 Mündliche Frage 3 Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Pläne hinsichtlich einer Schließung des Zollamtes auf Helgoland Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 4 Mündliche Frage 4 Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Folgen einer etwaigen Schließung des Zollamtes auf Helgoland Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 5 Mündliche Frage 7 Nicolette Kressl (SPD) Umsetzung des OECD-Standards durch die Schweiz in den vereinbarten Doppelbesteuerungsabkommen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 6 Mündliche Frage 8 Nicolette Kressl (SPD) Vereinbarkeit des Änderungsprotokolls zum Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland mit den OECD-Standards für einen effektiven Informationsaustausch in Steuersachen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 7 Mündliche Frage 11 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Befriedigung des Flächenbedarfs der Alteigentümer nach der Änderung des Flächenerwerbsänderungsgesetzes Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 8 Mündliche Frage 12 Klaus Hagemann (SPD) Vorgesehene Änderungen im Kreditvertrag und in der Gläubigervereinbarung in Bezug auf Griechenland Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 9 Mündliche Frage 13 Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung von einkommensunabhängigen Steueranreizen im Bereich der Gebäudesanierung Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 10 Mündliche Frage 14 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Betreuungsschlüssel und Betreuungsrelation in den Jobcentern zwischen Personal und Leistungsberechtigten im Bereich des SGB II Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 11 Mündliche Frage 15 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Umsetzung der nach § 44 c Abs. 4 SGB II zu berücksichtigenden Betreuungsrelationen in Jobcentern Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 12 Mündliche Frage 16 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Konkretisierungsbedarf beim Anspruch auf Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 13 Mündliche Frage 17 Klaus Ernst (DIE LINKE) Arbeitslosenzugänge nach erfolgreich beendeter dualer Ausbildung im Jahr 2010 Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 14 Mündliche Frage 18 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bewilligung von Arbeitslosengeld seit Einführung der "kurzen Anwartschaftszeit" Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 15 Mündliche Frage 19 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wirkung der gesetzlichen Regelung der "kurzen Anwartschaftszeit" hinsichtlich einer besseren Absicherung unsteter Erwerbslosenbiografien Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 16 Mündliche Frage 20 Elke Ferner (SPD) Aufgabenbeschreibung der Zusammenarbeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit der Agentur "re:publik" und Vergütung der Leistungen Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 17 Mündliche Frage 21 Elke Ferner (SPD) Interessenkollision bei der Agentur "re:publik" Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 18 Mündliche Frage 22 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Öffentliche Finanzierung der Bieneninstitute in den Jahren 2009 und 2010 Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 19 Mündliche Frage 23 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umgang mit Medienberichten über spanische Gurken als Hauptverursacher der Ehec-Infektion Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 20 Mündliche Fragen 24 und 25 Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Krisenmanagement zu Ehec Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 21 Mündliche Frage 28 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Von der NATO im Rahmen der Operation Unified Protector in Libyen durchgeführte Luftoperationen Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 22 Mündliche Frage 29 Caren Marks (SPD) Ausbaugeschwindigkeit bei der Einrichtung von Krippenplätzen Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 23 Mündliche Frage 30 Caren Marks (SPD) Initiativen für das "Europäische Jahr für aktives Altern und die Solidarität der Generationen" im Jahr 2012 Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 24 Mündliche Frage 32 Hans-Joachim Hacker (SPD) Nutzung der Umtragestellen für Sportboote an den Schleusen des Finowkanals Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 25 Mündliche Frage 33 Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusätzliche Maßnahmen für Investitionsanreize im Gebäudebereich Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 26 Mündliche Frage 34 Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Finanzierung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 27 Mündliche Frage 35 Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verschärfung der Energieeinsparverordnung für den Neubau und stufenweise Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 28 Mündliche Fragen 36 und 37 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Planungs- bzw. Umsetzungsstand der im Rahmen des Konjunkturpakets II geplanten Grünbrücken Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 29 Mündliche Frage 38 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen der Pläne der Bundesregierung für die sogenannte Energiewende auf die Zusagen zur internationalen Klimafinanzierung Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 30 Mündliche Frage 39 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des weltweiten Anstiegs der CO2-Emissionen auf die Politik der Bundesregierung Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 31 Mündliche Frage 40 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mittel für Forschung und Markteinführung erneuerbarer Energien Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 32 Mündliche Frage 41 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stellungnahme der Reaktor-Sicherheitskommission zum sogenannten Stresstest für Kernkraftwerke Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 33 Mündliche Frage 42 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erreichen des Basislevels des RSK-Stresstests beim Atomkraftwerk Biblis Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 34 Mündliche Frage 43 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zwischenzeitlich abgeschaltete Atomkraftwerke mit Betriebsgenehmigung zum Wiederanfahren ohne Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 35 Mündliche Frage 44 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Investitionen in Atomkraftwerke seit Inkrafttreten der elften Novelle zum Atomgesetz Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 36 Mündliche Fragen 45 und 46 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Forschungsfördermittel in den Bereichen Kernenergie und Kernfusion sowie Mittel für den Rückbau kerntechnischer Anlagen in den letzten zehn Jahren Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 37 Mündliche Frage 47 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Herkunft der bei eBay zur Versteigerung angebotenen Kugeln aus Grafit Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 38 Mündliche Frage 48 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Transmutationsforschung im Nuklearbereich im Forschungszentrum Jülich Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 39 Mündliche Frage 49 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Jährliche Ausgaben des Bundes für Bildung sowie für Forschung und Entwicklung seit 2002 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 40 Mündliche Frage 50 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ergebnisse der Onlineumfrage zum Deutschlandstipendium Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 41 Mündliche Frage 51 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufstockung der im Rahmen des Effizienzfonds zur Verfügung gestellten Mittel und Zeitplan für die Mittelausschüttung Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 42 Mündliche Frage 52 Willi Brase (SPD) Forschungsförderung in den Bereichen erneuerbare Energien und CCS in den letzten zehn Jahren Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 43 Mündliche Frage 53 Willi Brase (SPD) Vorlage des sechsten Energieforschungsprogramms und hierbei Rolle der Kernenergie Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 44 Mündliche Frage 54 Oliver Kaczmarek (SPD) Förderung des Bundes für Forschungsprojekte im Bereich Energienetze Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 45 Mündliche Frage 55 Oliver Kaczmarek (SPD) Zusätzlicher Energiebedarf in den Plänen zur Förderung der Elektromobilität für die Jahre 2020 und 2030 Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 46 Mündliche Frage 56 Ulla Burchardt (SPD) Ausgaben für Forschungsprojekte im Bereich Energiespeicher Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 47 Mündliche Frage 57 Ulla Burchardt (SPD) Förderung des Bundes für geistes- und sozialwissenschaftliche Projekte zum Thema Energie/Energiewende Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 48 Mündliche Fragen 58 und 59 Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Maßnahmen zur Senkung des Stromverbrauchs im Zuge des Atomausstiegs Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 49 Mündliche Fragen 60 und 61 René Röspel (SPD) Reform des Euratom-Vertrags nach dem deutschen Atomausstiegsbeschluss; möglicher Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 50 Mündliche Frage 62 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Fehlen des Aspekts "Barrierefreier Tourismus" in der Verordnung über die Berufsausbildung zum Tourismuskaufmann und zur Tourismuskauffrau Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 51 Mündliche Frage 63 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Berücksichtigung der Probleme von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen bei der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 52 Mündliche Frage 64 Garrelt Duin (SPD) Konsequenzen aus den Ergebnissen der Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes zur Entwicklung der Benzinpreise Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 53 Mündliche Frage 65 Garrelt Duin (SPD) Vergabe von Regierungsaufträgen für den Marineschiffbau und Hermesbürgschaften für den Export von Marineschiffen Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 54 Mündliche Fragen 68 und 69 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des veränderten Operationsplans der Atalanta-Mission beim Vorgehen gegen Piraten auf die Einsatzbefugnisse der Bundeswehr Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 55 Mündliche Fragen 70 und 71 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Förderung der Human Rights Support Unit im afghanischen Justizministerium sowie der Afghan Independent Human Rights Commission Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 56 Mündliche Frage 72 Klaus Hagemann (SPD) Finanzierung der Hilfszusagen für den demokratischen Aufbruch in Nordafrika; Sperrung von Finanzmitteln für aktuelle und frühere Regierungsmitglieder Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 57 Mündliche Frage 73 Andrej Hunko (DIE LINKE) Position der Bundesregierung zum Mandat für eine UN-Untersuchungskommission zum illegalen Organhandel während des Kosovokrieges Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 58 Mündliche Frage 74 Andrej Hunko (DIE LINKE) Rechtliche Grundlage und Mandat des Einsatzes deutscher Polizisten im Rahmen der Frontex-Operation Poseidon auf bulgarischem Territorium Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 59 Mündliche Frage 75 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Berechnung des beim Familiennachzug ausländerrechtlich nachzuweisenden Einkommens in den Ausländerbehörden und Auslandsvertretungen Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 60 Mündliche Frage 76 Kerstin Tack (SPD) Vorlage des Entwurfs für ein Gesetz zur sogenannten Button-Lösung Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ 113. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 8. Juni 2011 Beginn: 13.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle herzlich zu unserer 113. Sitzung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Fraktionen haben vereinbart, dass die Regierungsbefragung heute insgesamt 45 Minuten dauern soll. Ich gehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind. Wir haben das auch bei früherer Gelegenheit dann, wenn es sich bei großem Frage- und Informationsbedarf als notwendig oder jedenfalls als zweckmäßig erwiesen hat, flexibel gehandhabt. - Dann gehen wir einmal von dieser Größenordnung aus. Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Zum Ehec-Ausbruch in Deutschland - aktueller Sachstand nach dem Bund-Länder-Gespräch. Das Wort für die einleitenden, je fünfminütigen Berichte haben zunächst der Bundesminister für Gesundheit, Herr Daniel Bahr, und anschließend die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Frau Ilse Aigner. (Zahlreiche Abgeordnete melden sich zu Wort - Heiterkeit) - Frau Höhn, machen Sie doch einmal einen Zettel, in welcher Reihenfolge es jetzt spontan zu all diesen Wortmeldungen kam. Ich hatte es doch in der Nase, dass die Beschränkung auf 45 Minuten allenfalls als Richtwert taugt. Vielleicht ist es einfacher, wenn die Kollegen, die keine Frage haben, mir dies förmlich mitteilen. (Heiterkeit) Dann könnten wir der Reihe nach vorgehen, von rechts nach links und zurück. Ich verstehe die Wortmeldungen aller als Wortmeldungen zu einer noch nicht stattgefundenen Berichterstattung, sodass wir nun wie angekündigt verfahren können. Ich erteile zunächst dem Bundesminister für Gesundheit das Wort. - Bitte schön. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Vielen Dank, Herr Präsident. - Es ist interessant, dass schon Fragebedarf besteht, bevor wir etwas gesagt haben. Ich würde gerne, weil es sich um eine ernste Situation handelt, mit der Beschreibung der Lage beginnen. Wir sind in Deutschland derzeit mit einem der weltweit größten bislang beschriebenen Ausbrüche von Ehec-Infektionen und HUS konfrontiert. Der besondere Verlauf dieser Erkrankungen stellt sich so dar: Normalerweise sind in Deutschland einige Ehec-Infektionen und HUS festzustellen; aber derzeit haben wir es mit einem enormen Zuwachs in kürzester Zeit zu tun. Die betroffenen Gruppen sind anders als sonst in Deutschland nicht Kinder, sondern insbesondere erwachsene Frauen: Über 70 Prozent der Ehec- und HUS-Fälle treten bei Frauen über 20 Jahre auf; das Gleiche zeigt sich auch bei den leider zu verzeichnenden Todesfällen. In Deutschland gibt es aktuell 1 959 Ehec-Fälle und 689 Fälle von HUS, der besonders schweren Verlaufsform der Ehec-Erkrankung. Bis heute Morgen wurden 6 Ehec-Todesfälle und 18 HUS-Todesfälle gemeldet. Soeben hat das Land Niedersachsen in der Konferenz der Verbraucherschutz- und Gesundheitsminister einen weiteren Todesfall gemeldet, sodass wir aktuell von 25 Todesfällen ausgehen müssen. Die Zahl der schweren Verläufe ist ungewöhnlich. Wie gesagt, auch die betroffenen Altersgruppen - in erster Linie erwachsene Frauen - sind eher untypisch. Wir haben auch sonst in Deutschland mit Ehec-Erkrankungen zu rechnen, leider auch mit Todesfällen, aber bei weitem nicht in dem Ausmaß, in dem wir es jetzt erlebt haben. Auch wenn es derzeit für eine Entwarnung noch zu früh ist, so gibt der fortwährende Rückgang der Zahl der Ehec-Neuinfektionen und HUS-Ausbrüche doch Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Auch wenn wir weiterhin mit neu auftretenden Fällen rechnen müssen, übrigens in regional unterschiedlichem Maße, so spricht doch manches dafür, dass wir das Schlimmste nun hinter uns haben. Dieser Rückgang darf aber nicht mit einem Verzicht auf die Verzehrempfehlungen verbunden werden. Vielmehr müssen die Verzehrempfehlungen aufrechterhalten werden. Wir empfehlen weiterhin, auf den Verzehr von rohen Gurken, Tomaten, Blattsalat und Sprossen zu verzichten, solange ein Versiegen der Infektionsquelle nicht erkennbar ist. Zur Wahrheit über die Ehec-Erkrankungen weltweit gehört leider die Erkenntnis, dass in 70 bis 80 Prozent der Fälle von Ehec-Erkrankungen weltweit die Infektionsursache nie gefunden wird. Das macht den Umgang mit der Ehec-Erkrankung so schwierig. Als uns das Land Hamburg am 19. Mai über drei Ehec-Fälle und einen Verdachtsfall informiert und um Unterstützung durch die dem Bundesgesundheitsministerium nachgeordnete Behörde, das Robert-Koch-Institut, gebeten hat, haben wir sofort ein Team hingeschickt - in den Tagen danach wurde es durch weitere Teams verstärkt -, das sofort mit der Arbeit begonnen und Patienten und deren Angehörige befragt hat. Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts und auch der anderen Behörden der Länder und des Bundes nicht nur das Nötigste getan haben, sondern auch mit Hochdruck daran gearbeitet haben, die Infektionsquelle schnell zu finden. Durch die Erkenntnisse, die durch die Befragungen gewonnen wurden, ist es gelungen, die Infektionsquelle zügig einzugrenzen. Bereits eine Woche nach dem Ausbruch konnten wir die Empfehlung herausgegeben, dass die Bürgerinnen und Bürger auf den Verzehr von rohen Gurken, rohen Tomaten und Blattsalat besser verzichten sollten. Die Infektionsquelle wurde also deutlich eingegrenzt. Die Zusammenarbeit zwischen den Ländern und den Bundesbehörden verlief gut. Die Zuständigkeit liegt bei den Ländern, die sich frühzeitig gemeldet und die nötige Unterstützung der Bundesbehörden angefordert haben. Das verlief reibungslos. Ich will auf ein weiteres Thema zu sprechen kommen. Derzeit wird die Frage der Strukturen diskutiert; diese Regierungsbefragung wird sich sicherlich auch diesem Thema widmen. Ich möchte betonen, dass die Bewältigung der Ehec-Erkrankungen und des HU-Syndroms durch den unermüdlichen Einsatz und das Engagement des Pflegepersonals sowie der Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern gewährleistet wird. Durch einen erheblichen Arbeitseinsatz, teilweise unter Verzicht auf Vergütung von Überstunden, sorgen sie dafür, dass sich die Patientinnen und Patienten in Deutschland auf eine gute medizinische Versorgung verlassen können. Deswegen gilt mein großer Dank jenen, die diese Arbeit in den Krankenhäusern vor Ort leisten. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das zeigt im Übrigen auch, dass die Koordination und die Kooperation im Bereich der Krankenversorgung gut funktionieren, obwohl die Zuständigkeiten und Aufgaben unterschiedlich verteilt sind. Alle Krankenhäuser - die Zuständigkeit hierfür liegt bei den Ländern - erfüllen im Moment ihre Aufgabe, indem Krankenhäuser, die ausgelastet sind, von Krankenhäusern mit freien Kapazitäten unterstützt werden, und das über Ländergrenzen und über von verschiedenen Parteien geprägte Länderregierungen hinweg. Das zeigt, dass die Kooperation und die Koordination zwischen den Ländern und auch mit dem Bund gelingen. Seit dem Ausbruch der Krankheit werden wir täglich über den Sachstand informiert. Die Abstimmung und die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Bundesministerien von Frau Aigner und mir sind sowohl in der Spitze als auch auf der Fachebene sehr gut. Es erfolgen täglich Abstimmungen und ein Austausch, um uns ein Bild von der Lage zu machen und die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Die Versorgungslage ist also angespannt, aber wir können die Situation bewältigen, indem Kooperation und Koordination stattfinden und indem mit freien Kapazitäten dort ausgeholfen wird, wo eine Auslastung besteht. Ich habe am 3. Juni mit Kommissar Dalli ein ausführliches Telefonat geführt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, darf ich Sie auf die Zeit aufmerksam machen? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Entschuldigung, ich komme zu meinem letzten Punkt. Ich wollte nur noch den EU-Bezug darstellen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich bin bei dem Wort "ausführlich" zusammengezuckt. (Heiterkeit) Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Es ging um ein ausführliches Telefonat, aber meine Darstellung dieses ausführlichen Telefonats sollte nicht ausführlich werden. Meine Ausführungen kann ich kurz und knapp halten. Es gibt eine enge Abstimmung mit der Europäischen Union und der Europäischen Kommission. Informationen wurden auf europäischer Ebene sofort weitergeleitet. Experten auf europäischer Ebene wurden von Anfang an in den Erkenntnisgewinn und in die Arbeit eingebunden. Auch in diesem Bereich findet eine enge Abstimmung statt. Insofern: Die Lage ist angespannt. Wir können noch keine Entwarnung geben. Wir müssen leider auch weiterhin mit Neuinfektionen rechnen. Wir können weitere Todesfälle nicht ausschließen, aber die Bewertung der aus der letzten Zeit vorliegenden Zahlen gibt uns Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Ich bin mir sicher, dass wir diese Situation gemeinsam bewältigen werden. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank, Herr Minister. - Frau Ministerin Aigner, bitte. Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist die Situation im Moment noch schwierig. Das ist eine ernste Bedrohung. Wir sind erschüttert von dem Tod zahlreicher Menschen. Unsere Gedanken sind bei den Menschen, die in den Krankenhäusern behandelt werden. Wir senden ihnen gemeinsam die besten Genesungswünsche. Herr Kollege Bahr hat die momentane Fallsituation geschildert. Nach wie vor ist klar: Wir sorgen erstens für die Genesung der Erkrankten und ziehen zweitens zum Schutz der Verbraucher gemeinsam an einem Strang. Forschungsinstitute und Behörden tun alles, um die Quelle des Erregers ausfindig zu machen und anschließend zu verschließen. Das sind die Ansprüche, die die Verbraucherinnen und Verbraucher an uns haben. Das sind die Ansprüche, die international an uns gerichtet werden. Diese Ansprüche haben wir aber auch selbst an uns. Die Quelle des gefährlichen Keims können wir noch nicht genau benennen - auch das ist in der Tat richtig -, aber die zuständigen Behörden und Institute arbeiten mit Hochdruck daran. Es ist richtig, die Öffentlichkeit stets über neueste Erkenntnisse zu informieren. Es geht um Menschenleben. Es geht um die Gesundheit der Menschen. Hier können keine Informationen zurückgehalten werden. Institute und Behörden stimmen sich eng untereinander ab. Sie führen die Ergebnisse zusammen. Sie arbeiten professionell zusammen, und das praktisch rund um die Uhr. Das System funktioniert. Das Bundesgesundheitsministerium kümmert sich um die humanmedizinischen Fragen. Mein Haus kümmert sich um die Fragen der Lebensmittelsicherheit. Das ist eine klare Aufgabenteilung. Deshalb sprechen Kollege Bahr und ich, wie er schon gesagt hat, täglich miteinander und heute gemeinsam vor dem Deutschen Bundestag. Heute sind wir mit den Gesundheitsministern und den Verbraucherschutzministern der Länder zusammengekommen. Auch EU-Kommissar Dalli saß am Tisch. Wir konnten uns gemeinsam davon überzeugen, dass von diesem Treffen, übrigens über Parteigrenzen hinweg, ein klares Signal ausgeht: Bund und Länder ziehen gemeinsam an einem Strang, und zwar in die richtige Richtung. Es gibt kein Kompetenzgerangel. Es gibt auch keinen Streit. Die ganze Kraft dient dem Kampf gegen den Erreger. Auch Experten aus Europa sind eingebunden. Jeder weiß, was er zu tun hat. Später werden wir das Geschehen analysieren und sehen, wo wir vielleicht noch besser werden können. Aber jetzt sind wir alle mit unseren Kräften voll im Einsatz gegen Ehec. Alle wissen: Das verlangt unsere ganze Aufmerksamkeit - zum Wohl der Menschen. Am Sonntag hat der niedersächsische Landwirtschaftsminister mitgeteilt, dass Sprossenprodukte aus einem Gartenbaubetrieb im Kreis Uelzen in dringendem Verdacht stehen, Ehec-Keime verbreitet zu haben. Bei ersten Proben ist kein Erreger nachgewiesen worden. Auch wenn das unbefriedigend ist: Es gehört zur Ehrlichkeit dazu, darauf hinzuweisen - das hat der Kollege Bahr schon gesagt -, dass in 75 bis 80 Prozent der Fälle die Quelle nicht gefunden werden kann. Dennoch gibt es eine Indizienkette, die zu diesem Unternehmen führt. Die Lieferkette, die über die Nahrung zu den Patienten gelangt ist, konnte zurückverfolgt werden. Deshalb bleiben wir bei unserem Verzehrhinweis: Sprossen sollen vorerst nicht verzehrt werden. Der Betrieb wurde von den niedersächsischen Behörden gesperrt und seine Produkte unverzüglich vom Markt genommen. Jetzt ist es wichtig, dass die Kundenlisten dieses Betriebes zügig und sorgfältig ausgewertet und die Lieferketten komplett zurückverfolgt werden. Das ist in der Tat eine Spur. Wir - hier spreche ich für den Bund und die Länder - werden dieser Spur konsequent nachgehen. Andere Spuren werden wir darüber aber nicht aus dem Auge verlieren. Das Robert-Koch-Institut erhält genauso wie das Bundesinstitut für Risikobewertung den Verzehrhinweis in Bezug auf rohe Gurken, Tomaten und Salate insbesondere im Raum Norddeutschland aufrecht. Dieser Hinweis beruht auf Befragungen von Patienten. Er hat also eine ernstzunehmende Grundlage. Sie können mir glauben: Es fällt niemandem leicht, einen solchen Verzehrhinweis auszusprechen. Aber der vorsorgende Verbraucherschutz hat höchste Priorität. Die Gesundheit der Menschen ist das höchste schützenswerte Gut. Dies hat auch Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Ich weiß: Das trifft die Bauern mitten ins Mark. Vor allem trifft es sie unverschuldet. Es ist ganz klar: Dieses Problem hat längst auch eine europäische Dimension erreicht. Deshalb war ich gestern bei dem Sonderagrarministertreffen in Luxemburg. Dort haben wir europäische Lösungen diskutiert. Die Betriebe, die immer verantwortungsvoll gewirtschaftet und hochwertige Lebensmittel hergestellt haben, brauchen unsere Hilfe. Dafür haben wir uns starkgemacht. Ich bin Agrarkommissar Ciolos sehr dankbar, dass er auf unserer Seite steht. Meine Damen und Herren, das verheerende Auftreten dieses Erregers in Deutschland ist bisher einmalig. Die Angelegenheit ist mehr als ernst, und so behandeln wir als Bundesregierung sie auch. Wir gehen gründlich, besonnen und konsequent an die Sache heran. Es ist nicht die Zeit für eine Opposition, die reflexartig daherkommt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Ministerin, Sie müssen zum Schluss kommen. Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Ehec ist erst recht nicht das Feld für parteipolitische Spielwiesen. Abschließend möchte ich noch einmal sagen: Die Lage ist sehr ernst. Wir müssen uns gemeinsam darum kümmern. Bund, Länder und Europa sind sich einig und ziehen an einem Strang. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich habe gut 20 Wortmeldungen notiert und in eine hoffentlich überzeugende Reihenfolge gebracht. Angesichts der vielen Meldungen - Wortmeldungen und Nachfragewünsche - schlage ich vor, dass wir uns, wie bereits in der vergangenen Woche, bei Fragen und Antworten jeweils auf eine Minute konzentrieren sollten. Das gibt möglichst vielen die Gelegenheit, gegebenenfalls noch einmal nachzufragen. Es wäre deswegen auch sinnvoll, wenn die Fragesteller deutlich machten, von wem sie ihre jeweilige Frage beantwortet haben möchten. Die erste Wortmeldung kommt von der Kollegin Reimann von der SPD-Fraktion. Dr. Carola Reimann (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. - Wir hätten uns eine detaillierte Information im Gesundheitsausschuss gewünscht. Da das nicht möglich war, will ich mich auf eine etwas allgemeinere Frage beschränken, die sich an Herrn Minister Bahr richtet. In den letzten Wochen gab es unterschiedlichste Informationen von unterschiedlichsten Personen und Institutionen mit zum Teil widersprüchlichen Warnmeldungen. Das hat in der Bevölkerung natürlich zu einer sehr großen Verunsicherung geführt und die Kompetenzen, die in der Bundesregierung und in den nachgeordneten Institutionen vorhanden sind, nachhaltig beschädigt. Meine Frage lautet: Warum haben Sie nicht sofort für einen gleichgerichteten, parallelen Informationsfluss gesorgt und dafür, dass nur eine Stimme spricht? Teilen Sie meine Einschätzung, dass das Robert-Koch-Institut mit seiner hohen Expertise ähnlich wie das CDC in den USA mit weiteren Befugnissen ausgestattet werden muss? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Vielen Dank für die Frage. - Frau Kollegin Reimann, ich will nur darauf hinweisen, dass wir dem Gesundheitsausschuss sofort nach Ausbruch der Ehec-Epidemie angeboten haben, dass der zuständige Präsident des Robert-Koch-Instituts dort informiert. Ich habe Sie in Telefonaten auf dem Laufenden gehalten. Heute war es mir wegen einer länger als geplant dauernden Gesundheitsministerkonferenz leider nicht möglich, noch vor der Regierungsbefragung zu Ihnen in den Ausschuss zu kommen. Deswegen stelle ich mich jetzt hier Ihren Fragen. Den vielstimmigen Chor können Sie nicht der Bundesregierung vorwerfen. Zwischen Ilse Aigner und mir gibt es keinen Unterschied in den öffentlichen Äußerungen. Wir haben uns in den öffentlichen Äußerungen immer auf die amtlichen Erkenntnisse bezogen, nämlich die Erkenntnisse der mir zugeordneten Behörde, dem Robert-Koch-Institut, und der Frau Aigner unterstellten Behörde, dem Bundesinstitut für Risikobewertung. In den Beratungen mit den Länderministern vorhin haben wir festgestellt, dass sich auch die Länder in ihren Äußerungen und Empfehlungen immer hieran gehalten haben. Frau Kollegin Reimann, ich kann nicht in Mithaftung genommen werden für Äußerungen von Wissenschaftlern und selbsternannten Experten, die teilweise innerhalb von zwei Wochen ihre Meinungen geändert haben. Zu Beginn des Ausbruchs war ein Experte beispielsweise der Überzeugung, dass es sich bei dem Ganzen um Bioterrorismus handelt. Vor zwei Tagen war er dann der festen Überzeugung, von Anfang an sei klar gewesen, dass es die Sprossen sein müssten. Der vielstimmige Chor von Wissenschaftlern und selbsternannten Experten hat leider zur Verunsicherung beigetragen. Unsere Äußerungen waren immer klar abgestimmt und eindeutig. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. - Kollege Holzenkamp. Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Herr Präsident! Frau Ministerin Aigner, Herr Minister Bahr, ich möchte Ihnen beiden eine Frage stellen, die sowohl das RKI wie auch das BfR betrifft. Es geht um den Warnhinweis in Bezug auf Gurken, Tomaten und Salat. Gesundheitsschutz geht immer vor, auch vor wirtschaftlichen Interessen - es ist selbstverständlich, dass er immer an erster Stelle steht -, aber es gibt viele Hunderte oder sogar Tausende Negativergebnisse bei Tests an Gemüse. Sollte man die Warnungen nicht stärker auf den Umgang mit der Ware, auf Hygienehinweise usw. fokussieren? Letztendlich kann man sich nicht mit absoluter Sicherheit auf diese Gemüsesorten festlegen. Sollte man bei den Warnungen also nicht etwas differenzierter vorgehen? Eine zweite Frage. Frau Ministerin Aigner, können die Betroffenen, die 80 bis 100 Prozent ihrer Ware nicht vermarkten können, mit Hilfen aus Brüssel rechnen? (Signalton - Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die Eieruhr des Präsidenten!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ja, Sie haben das Prinzip begriffen. (Heiterkeit) Wir haben jetzt sozusagen eine subtile Form der nüchternen Information über die Dauer einer Minute. Frau Ministerin. Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Aber meine Redezeit beginnt erst jetzt? Präsident Dr. Norbert Lammert: Sie beginnt genau jetzt. Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Gut, vielen Dank. - Herr Kollege Holzenkamp, zur ersten Frage: Die Verzehrhinweise oder -warnungen werden auf der Basis der Befragung von Patienten gegeben. Bei diesen Befragungen ergab sich eine sehr deutliche Schnittmenge in Bezug auf den Verzehr dieser drei Gemüsesorten, und zwar im Raum Norddeutschland. Man konnte dadurch aber nicht feststellen, wie der Eintrag in die Lieferkette zwischen Produktion und Verbraucher gekommen ist. Es steht nur fest, dass diese drei Gemüsesorten besonders häufig genannt wurden. Deshalb wurde diese Verzehrwarnung vom Robert-Koch-Institut gemeinsam mit dem BfR ausgesprochen. Es ist in der Tat so - das ist das Bittere, das ich gerade versucht habe zum Ausdruck zu bringen -, dass es sehr viele Landwirte gibt, die Eins-a-Ware produzieren, dass aber nicht jeder Verbraucher direkt vor Ort beim Produzenten kauft. Deshalb mussten und müssen wir, solange nicht definitiv geklärt ist, wo der Eintrag in die Kette erfolgt, die Warnungen aufrechterhalten. (Signalton) - Es waren aber zwei Fragen, Herr Präsident. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das mag sein, aber jeder, der eine doppelte Frage stellt, weiß, dass für die Beantwortung nur eine Minute zur Verfügung steht. Kollege Holzenkamp meldet sich, falls er die zweite Frage wichtig genug findet, noch einmal und kommt dann auch noch einmal zu Wort. Die nächste Frage stellt die Kollegin Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe eine Frage an Frau Aigner. Am 25. Mai 2011 wurden die ersten Verzehrwarnungen ausgesprochen. Sie haben erst am 3. Juni 2011 eine Taskforce eingerichtet, also zwei Tage nach der Sondersitzung des Ausschusses, in der wir die Einrichtung eines Krisenzentrums gefordert haben. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Stimmt nicht!) Wer leitet diese Taskforce? Leiten Sie sie selber? Was sind zusätzliche Aufgaben dieser Taskforce? Werden täglich Telefonkonferenzen abgehalten, und warum werden bei Telefonkonferenzen die Landwirtschaftsministerien der Länder nicht einbezogen, sondern nur die Verbraucherschutzministerien, obwohl die Ursache für die Infektionen durchaus in einem landwirtschaftlichen Betrieb zu finden sein kann? Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Zum einen: Wir wurden am 21. Mai 2011 über die Häufung der Fälle informiert. Daraufhin wurde sofort ein Krisenstab in meinem Haus eingerichtet; dies geschah am 21. Mai 2011 und nicht erst irgendwann. Dieser Krisenstab in meinem Haus hat gut funktioniert. Es gab täglich Schalten zwischen dem Gesundheitsministerium, dem Robert-Koch-Institut, unseren nachgeordneten Behörden und den Ländern. Die Taskforce wurde eingesetzt, als eine größere Anzahl von Fällen vorlag. Sie wird jetzt die einzelnen Erkrankungscluster weiter identifizieren. Diese Arbeit wird durch die europäischen Kollegen, die EFSA, ergänzt. Dies war überhaupt erst ab einem bestimmten Stadium möglich. Mit Verlaub, dies alles hat nichts mit Ihrer Forderung zu tun, sondern war sowieso schon auf dem Weg. Zu Ihrer zweiten Frage. Ich habe die Landwirtschaftsminister gestern in einer Schalte informiert; dabei ging es auch um die Frage, die Herr Kollege Holzenkamp angesprochen hat. Für die Lebensmittelkontrolle und die Rückverfolgbarkeit sind eindeutig die Gesundheitsbehörden bzw. die Lebensmittelkontrollbehörden vor Ort zuständig. Von diesen Stellen werden die Landwirtschaftsminister täglich informiert. Aber ich telefoniere auch immer wieder gern mit Frau Höfken. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Frau Höhn, das haben Sie doch heute im Ausschuss schon gehört! Sie waren doch heute da! - Gegenruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ich war heute Morgen da! Sicher, Herr Goldmann! Aber reden Sie hier doch nicht immer dazwischen! Das hier ist nicht der Ausschuss!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Es findet im Augenblick weder eine Aktuelle Stunde noch eine Debatte statt, sondern wir führen eine Regierungsbefragung durch. Die Kollegin Bunge hat jetzt das Wort. Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. - Meine Frage richtet sich an den Gesundheitsminister. Herr Minister, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass die Betroffenen, also die Infizierten, bestmöglich versorgt werden. Sie haben auch deutlich gemacht, welch großes Engagement das Personal in den Krankenhäusern dabei an den Tag legt. Einer Information des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands zufolge wird die Regelung, dass zunächst die vereinbarten Budgets gelten und die Vergütung dann, wenn die Zahl der Fälle steigt, nur noch 35 Prozent beträgt, auch bei Ehec-Fällen angewendet. Ich frage mich: Wie passt dies mit dem Grundsatz, dass die Patienten ein Krankenhaus nach der besten Versorgung und nicht nach finanziellen Aspekten auswählen sollten, zusammen? Sehen Sie hier keinen Handlungsbedarf? Insgesamt haben Sie die Frage nach Handlungsbedarf bei den Regelungen und Änderungsbedarf bei den Strukturen ja verneint. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist doch gerade ein Ausnahmezustand!) Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Bunge, ich darf - - (Signalton - Heiterkeit) - Das war eine sehr kurze Minute. Danke, dass Sie mir noch etwas von Ihrer Minute Redezeit übrig gelassen haben. Zu meiner Antwort. Frau Kollegin Bunge, ich darf zunächst einmal darauf hinweisen, dass ich es sehr beachtlich finde, dass die Krankenhäuser derzeit nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheiden, sondern ihre Entscheidungen nach den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten ausrichten. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie der Abg. Mechthild Rawert [SPD] und Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]) Wir haben nicht zum ersten Mal mit einer solchen Epidemie zu tun. Wir haben auch nicht zum ersten Mal die Situation, dass die Krankenhäuser besonders gefordert sind, weil auf einmal sehr viele Fälle sehr kostenintensiv versorgt werden müssen. Deswegen gibt es bereits im bestehenden Gesetz entsprechende Regelungen. Es ist so, dass die Krankenhäuser für die zusätzlichen Fälle auch zusätzliche Vergütungen erhalten können. Der Verband der Universitätsklinika Deutschlands hat heute - das ist in den öffentlichen Medien nachzulesen - übrigens festgestellt, dass derzeit auch im Rahmen des Fallpauschalensystems, also des Vergütungssystems der Krankenhäuser, eine angemessene Finanzierung sichergestellt ist. Die Krankenhäuser, für die durch die Ehec-Fälle eine unzumutbare Härte entsteht, also die Krankenhäuser, die besonders belastet sind, haben Anspruch darauf, Vereinbarungen mit den Krankenkassen im Hinblick auf zusätzliche Vergütungen zu treffen. Das Bundesgesundheitsministerium wird genauestens beobachten, wie sich diese Regelung in der Praxis auswirkt. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich keinen Anlass dafür, das Gesetz kurzfristig zu ändern. Die bestehenden Regelungen bieten den notwendigen Spielraum, den die Krankenhäuser brauchen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Happach-Kasan. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Herr Präsident! Liebe Ministerin! Lieber Minister! In Ihren beiden Ministerien gibt es parallele Strukturen - sie sind damals zu rot-grünen Zeiten aufgebaut worden -: Auf der einen Seite gibt es das BfR, das für die Lebensmittelsicherheit zuständig ist, auf der anderen Seite das RKI, das für die Gesundheit zuständig ist. Ich stelle fest, dass Sie diese Strukturen ausgesprochen gut und im Sinne der Menschen leben. Ich habe zwei Fragen. Meine erste Frage richtet sich an Herrn Bahr. Wir haben den Medien entnommen, dass bei der Behandlung der Ehec- bzw. HUS-Fälle ein neues Medikament zur Anwendung kommt, das dafür eigentlich nicht zugelassen ist. Wie stellt sich die Situation dar? Wie erfolgreich ist die Behandlung mit diesem Medikament? Meine zweite Frage richtet sich an Frau Ministerin Aigner. Wir haben gehört, dass in Niedersachsen ein Betrieb ausfindig gemacht worden ist, der möglicherweise Auslöser der Ehec-Fälle ist. Im gesamten Bundesgebiet soll es etwa 30 Cluster geben, in denen diese Krankheit gehäuft auftritt. Wie viele dieser Cluster sind mit diesem Betrieb in Beziehung zu setzen? - Danke. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Happach-Kasan, in der Tat wird bei vielen - nicht bei allen - HUS- und Ehec-Fällen derzeit die Gabe von Eculizumab, eines Medikaments zur Antikörpertherapie, vorgenommen. Dieses Medikament ist nicht für die Behandlung von Ehec zugelassen; es handelt sich um einen sogenannten Off-Label-Use. Die bisherigen Erfahrungen zeigen allerdings, dass diese Therapie sehr erfolgversprechend ist. Ich habe mir am letzten Sonntag im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf selbst ein Bild davon machen können. Dort habe ich mit Patienten gesprochen, die diese Antikörpertherapie hinter sich haben und inzwischen wieder sehr hoffnungsvoll sind, das Krankenhaus bald verlassen zu können und gute Perspektiven zu haben. Leider ist damit zu rechnen, dass viele Erkrankte dialysepflichtig werden und noch länger bleiben. Wir haben jedoch erste Hoffnungsschimmer, was die besonderen Belastungen in Bezug auf die neurologischen Begleiterscheinungen angeht. Diese sind neu und traten zuvor bei Ehec nicht auf. Das ist ein sehr aggressiver Erreger. Wir haben festgestellt, dass es neurologische Erkrankungen bis hin zu epileptischen Anfällen gibt. Aber wir haben eine Hoffnung; und die ersten Erkenntnisse zeigen, dass das toxisch begründet ist. Das heißt, es ist nicht irreversibel, sondern nach der Gesundung wieder weg. Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Frau Kollegin Happach-Kasan, es sind in der Tat 30 Cluster, also Erkrankungsherde, identifiziert. Bis gestern Abend konnten sechs dieser Herde zurückverfolgt werden. Heute Mittag - das ist mein letzter Stand - waren es acht. Die Untersuchungen laufen auf Hochtouren. Genau diese Indizienkette bzw. die Rückverfolgbarkeit ist ein wirklich ernst zu nehmender Hinweis, dem wir auch nachgehen wollen. Die Warnung war auch deshalb richtig, weil sich die Indizienkette hier eher verfestigt. Auch wenn jetzt noch kein Beweis dafür erbracht wurde, ist das noch lange kein Beweis dagegen. Deshalb werden wir hier auch weiter vorangehen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kerstin Tack ist die nächste Fragestellerin. Kerstin Tack (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Frage geht an Frau Ministerin Aigner. Wir sind der Meinung, dass der Informationsfluss zwischen den Bundesbehörden durchaus bearbeitenswert ist. Das ist auf der Pressekonferenz, die gerade abgehalten worden ist, in Ansätzen auch schon von Herrn Dalli gesagt worden. Er sieht hier noch Verbesserungsmöglichkeiten, die man zu einem späteren Zeitpunkt bereden will. Ich möchte von Ihnen wissen, ob Sie angesichts dieser Herausforderung die Möglichkeit sehen, in Ihrem Hause - vergleichbar mit dem Tierseuchenbekämpfungszentrum - ein entsprechendes Seuchenbekämpfungszentrum für die Lebensmittelsicherheit einzurichten. Ist das aus Ihrer Sicht ein gangbarer Weg? Ich möchte Ihnen - weil ich heute Morgen im Ausschuss von der Bundesregierung keine Antwort bekommen habe; auch die Kollegin bekam eben von Herrn Bahr keine Antwort - gerne noch einmal die Frage stellen: Sehen Sie die Kompetenzen des Robert-Koch-Instituts als ausbaufähig an, und wenn ja, an welchen Stellen? Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Vielleicht war das ein Fehler bei der Übersetzung der Ausführungen von Kommissar Dalli. Er hat in keiner Weise kritisiert, dass die Zusammenarbeit zwischen den Behörden nicht funktioniert. Das kann ich so auch nicht bestätigen, sondern im Gegenteil: Er hat gesagt, dass wir Hand in Hand zusammenarbeiten. Noch einmal, damit es klar ist: Es gibt in meinem Haus ein Krisenzentrum. Das arbeitet Tag und Nacht. Und es gibt die nachgeordneten Behörden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung ist für eine unabhängige Einschätzung des Risikos zuständig. Weiter gibt es das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das alle Daten aus den Ländern sammelt, strukturiert und bündelt. Es setzt die Mosaiksteine zusammen. Diese werden auch dementsprechend - mit einer Stimme - nach Brüssel gemeldet. Anders herum werden die Meldungen, die zum Beispiel aus Brüssel kommen, von diesem Bundesamt gesammelt und an die Länder verteilt. Das ist eine ganz klare Aufgabenverteilung. Ich kann der Kollegin Frau Dr. Happach-Kasan nur zustimmen: Das ist die Struktur, die man damals unter der rot-grünen Regierung nach BSE geschaffen hat, um auch hier eine klare Aufgabenteilung zu haben. Es ist aber nicht so, dass diese Institutionen nicht gut zusammenarbeiten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Gerig stellt die nächste Frage. Alois Gerig (CDU/CSU): Ich habe eine Frage an die Frau Bundesministerin. Präsident Dr. Norbert Lammert: Einen Augenblick, Herr Kollege Gerig. Ich habe übersehen, dass es noch eine Frage an Herrn Bahr gab. Entschuldigung. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Das Problem von Zeitbudgets ist, dass man nicht mehrere Fragen im Rahmen einer Stellungnahme beantworten kann. Ich kann das gerne an das Robert-Koch-Institut, der mir nachgeordneten Behörde, weiterleiten. Es ist richtig, dass das Personal des RKI derzeit hoch belastet ist und unter Hochdruck arbeitet. Es ist aber auch richtig, dass das Robert-Koch-Institut in den letzten Jahren - übrigens auch unter meinen Vorgängern und Vorvorgängern - personell deutlich gestärkt wurde. Beispielsweise haben wir seit 2008 149 neue Stellen geschaffen, um das Robert-Koch-Institut zu stärken. Es geht nicht darum - das hat die Erfahrung deutlich gezeigt -, dass es beim Robert-Koch-Institut anderer Strukturen hinsichtlich der Durchgriffsmöglichkeiten bedarf. Hamburg, dessen Gesundheitsbehörde von Ihrer Parteikollegin, Frau Prüfer-Storcks, geleitet wird, hat frühzeitig die Unterstützung des RKI angefordert. Ich musste die Beteiligung nicht zwangsweise anordnen, sondern es gab den Wunsch nach Unterstützung. Man hat eng zusammengearbeitet, und die Teams des Robert-Koch-Instituts haben dort vor Ort großartige Arbeit geleistet. Deswegen sehe ich keinen Bedarf dafür, hier darüber zu diskutieren, ob zusätzliche Kompetenzen in Bezug auf die Durchgriffsmöglichkeiten für das Robert-Koch-Institut nötig sind. Vielmehr funktioniert die Zusammenarbeit - beispielsweise die zwischen Hamburg und dem Bund - sehr gut. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Gerig. Alois Gerig (CDU/CSU): Es folgt gleich eine Frage an Frau Ministerin Aigner. Zuvor möchte ich ganz kurz das Bedauern um Kranke und Tote mit Ihnen teilen. Ich danke all denjenigen, die derzeit Tag und Nacht an der Lösung der Krise beteiligt sind, und ich möchte sagen, dass gegenseitige Schuldzuweisungen in Anbetracht der Dramatik der Situation unseriös sind und die Verbraucher verunsichern. Meine Frage: Besteht die Möglichkeit, dass die Erregerquelle überhaupt nicht gefunden wird, und wann können wir dann mit einer Entwarnung oder einer differenzierten Entwarnung rechnen? Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Kollege Gerig, den Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebe ich gerne weiter - ich glaube, gemeinsam mit dem Kollegen Bahr. Das ist in der Tat eine Riesenleistung. Ja, es ist wie gesagt in der Tat so, dass in ungefähr drei von vier Fällen der Keim nie entdeckt wird und er nicht zurückverfolgt werden kann. Das hat auch etwas mit dem zeitlichen Ablauf zu tun. Unabhängig davon sagt das RKI sozusagen mit aller Vorsicht, dass die Zahlen tendenziell zurückgehen. Es ist definitiv noch keine generelle Entwarnung, aber zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer, den das RKI aussendet. Deshalb wird die entscheidende Frage sein, wie sich der Krankheitsverlauf in den nächsten Tagen entwickeln wird. Wir werden dann dementsprechend handeln. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Behm. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich richte meine Frage an die Bundesministerin, Frau Aigner: Ich würde gerne wissen, warum es zwischen Ihrem Hause und den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht von Anfang an eine adäquate Kommunikation gegeben hat, zum Beispiel durch eine Telefonhotline, die offensiv über die Medien beworben wird. Im Moment gibt es eine Telefonhotline. Zu der Telefonnummer muss man sich auf Ihrer Internetseite durchklicken. Sie steht nicht auf der zentralen Seite Ihres Bundesministeriums, und sie ist auch nur wochentags von 10 bis 17 Uhr erreichbar. Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Ich habe die Frage zwar schon im Ausschuss beantwortet, aber ich beantworte sie gerne noch einmal. Es gibt ein Bürgertelefon vom BMG, das schon immer eingerichtet war und dessen Nummer auch auffindbar ist. Vielleicht gehen wir das noch einmal gemeinsam durch. Es gibt bei uns ein zentrales Bürgerreferat, das man auch anrufen kann. Auch hier stehen wir zusammen. Es gibt täglich erneuerte Informationen auf der Homepage, und die Bundesregierung und auch die Länder haben von Anfang an - ich bitte noch einmal, das zur Kenntnis zu nehmen - mit einer Stimme gesprochen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben die Verbraucher aber anders gesehen!) - Doch, offensichtlich haben die Verbraucher das - natürlich zum Leidwesen der betroffenen Landwirte - auch verstanden. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, ganz sicher nicht!) Ich sage aber auch noch einmal: Ich finde es fast schon unerträglich, (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja!) dass alle möglichen selbsternannten Experten alle möglichen wahnsinnigen Theorien in die Welt setzen. Dadurch werden die Verbraucher mit Sicherheit am allermeisten verunsichert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollegin Tackmann. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Vielen Dank. - Frau Ministerin Aigner, ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, dass es letzten Endes eine Tatsache ist, dass es eine Verbindung zwischen der Rindergülle bzw. dem Rinderkot und den Infektionen gibt. Das ist zumindest das, was wir im Moment wissen. Nun ist die Frage zu beantworten, wie das zusammenkommt. Neben der Quellensuche ist es auch wichtig, das zurückzuverfolgen. Gibt es eine Risikobewertung in Bezug auf die Verwendung von Gülle in diesen relativ komplexen Liefer-, Handels- und Produktionsstrukturen? Bei der aviären Influenza haben wir ja ganz genau bewertet, wo die wichtigsten Risiken und die weniger wichtigen Risiken liegen. Gibt es diese Risikobewertung auch hier? Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Es gibt in diesem Fall keine Hinweise auf Probleme durch einen Gülleeintrag. Weder zum Beispiel in den Gewächshäusern - hier wird keine Gülle verwendet - noch in dem konkreten Fall in Bienenbüttel, über den wir gesprochen haben - hier gab es nur Wassereinsatz -, gibt es einen Hinweis auf Gülle. Das ist auch die Einschätzung des RKI und des BfR. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollegin Volkmer. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Meine Frage geht an Herrn Minister Bahr. Herr Bahr, es ist doch unstrittig so, dass Ehec eine übertragbare und auch eine gemeingefährliche Krankheit ist. Dafür hat der Bund die Regelungskompetenz. Warum hat der Bund davon nicht Gebrauch gemacht, sondern hat es hingenommen, dass 32 Landesministerien und 32 Länderbehörden hier tätig geworden sind und dass die Länder selbst entscheiden, wie und wann sie das Robert-Koch-Institut einschalten und sich dessen Kompetenzen bedienen? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Volkmer, die gesetzlichen Regelungen, die hier vom Deutschen Bundestag beschlossen worden sind, sind nun einmal so, dass die Zuständigkeit für den Infektionsschutz bei den Ländern liegt. Die Länder können zu ihrer Unterstützung das Bundesinstitut, nämlich das Robert-Koch-Institut, hinzuziehen. Ich finde, diese Diskussion ist müßig. Schauen wir uns einmal den praktischen Fall an. Hamburg hat, sobald es aus dem Krankenhaus von den drei Ehec-Fällen und einem Verdachtsfall erfahren hatte, sofort das Robert-Koch-Institut um Unterstützung gebeten. Ich will einmal vom Ende her denken und stelle dabei fest, dass die bestehenden Regelungen, die wir hier im Bundestag gemeinsam beschlossen haben, offensichtlich gut sind und Anwendung finden, sodass auch die Zusammenarbeit zwischen Robert-Koch-Institut und Ländern gut funktioniert. Deswegen habe ich keinen Anlass, diese Regelungen anzuzweifeln oder zu überlegen, ob sie geändert werden müssen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Jens Spahn. (Dr. Marlies Volkmer [SPD]: Meine Minute war noch nicht um!) - Ich setze Sie auf die Liste. Kollege Spahn. Jens Spahn (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe eine Frage an Bundesminister Bahr, gegebenenfalls ergänzt durch Bundesministerin Aigner. Vorausschicken möchte ich die Aussage, dass natürlich immer und überall Möglichkeiten zur Verbesserung bestehen. Aber wie ist der Umstand zu bewerten, dass momentan - Sie haben es dargestellt - Tausende von Pflegern und Ärzten damit beschäftigt sind, Patienten zu versorgen, und die entsprechenden Mitarbeiter in den Behörden Tag und Nacht fieberhaft nach der Infektionsquelle suchen, während gleichzeitig von verschiedener Stelle mit Wortklaubereien - wir haben es gerade wieder gehört: Wer hat zuerst eine Taskforce, eine Hotline oder anderes gefordert? - Diskussionen um die Kompetenz von Bund und Ländern beginnen und gefragt wird, was wer auf Bundesebene zu regeln hat? Ist nicht seinerzeit die Kompetenzzuordnung, wie wir sie im Moment bei den entsprechenden Behörden und Institutionen haben, mit gutem Grund vorgenommen worden? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege Spahn, ich gebe Ihnen recht, dass jetzt, auf dem Höhepunkt des Ausbruchs, der völlig falsche Zeitpunkt ist, eine Strukturdiskussion anzufangen. Vielmehr ist es unsere Aufgabe, dass man nach Abschluss alles mit Ruhe und Besonnenheit bewertet, analysiert und evaluiert und dann die nötigen Konsequenzen zieht. Genau das haben heute die Verbraucherschutz- und Gesundheitsminister der Länder und des Bundes gemeinsam vereinbart. Insofern sind wir auf einem sehr guten Weg. Es ist das übliche Verfahren, wie wir es auch in der Vergangenheit erlebt haben, dass die Maßnahmen erst bewertet und danach Konsequenzen gezogen werden. Ich glaube, dass die Menschen das sehr wohl auch so bewerten werden. Bei meinem Besuch im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf habe ich erlebt, dass sowohl die Ärzte als auch die Pfleger, die Angehörigen und die betroffenen Patienten über die Debatte, die hier teilweise von den Parteien in den Medien geführt wird, allenfalls schmunzeln können. Bei ihnen geht es um die konkrete Versorgung vor Ort. Die Angehörigen und die Patienten sind für den großen Einsatz der Ärzte und Pfleger, die sich um sie kümmern, sehr dankbar. Sie haben den Eindruck, dass das auf einem guten Weg ist. Es ist leider immer so, dass zwischen Regierung und Opposition Streit herrscht. Ich konzentriere mich auf das Regierungshandeln und bin mir übrigens mit den Regierungen auf Länderebene - in den Ministerien sitzen auch Politiker der Grünen, der SPD und der Linken - völlig einig, dass jetzt keine Zeit für einen Parteienstreit ist, sondern dass es darum geht, die Probleme der Menschen zu lösen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Birgitt Bender hat die nächste Frage. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Gesundheitsminister, apropos Probleme lösen: Wir haben in den letzten Tagen viel über Informationsflüsse und insbesondere über die Frage gesprochen, wann das RKI was erfährt. Deswegen meine Frage: Brauchen wir eine elektronische Datenbank nach amerikanischem Muster, wo vor Ort Krankheitsfälle eingetragen und zusammengeführt werden können? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Noch einmal: Zum jetzigen Zeitpunkt können wir nicht feststellen, dass die Meldung beim RKI zu spät ankam und der Wunsch nach Unterstützung zu spät ausgesprochen wurde. Vielmehr stellen wir fest, dass dies frühzeitig geschehen ist und frühzeitiges Agieren sichergestellt wurde. Wir haben eben auch darüber beraten, was man gegebenenfalls verbessern kann. Ich glaube, dass wir uns in der Evaluation die Meldewege und die Meldeverfahren genau anschauen sollten. Das kann man aber heute noch nicht bewerten. Nach Abschluss wird man sich ruhig und besonnen die bestehenden Register und Meldeverfahren anschauen und überlegen, was man hier vielleicht noch verbessern könnte. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Priesmeier. Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe eine Frage an Minister Bahr. Herr Kollege, wie ist Ihre Einschätzung zu dem Ablauf? Sie haben eben dargestellt, dass die Informationen rechtzeitig eingetroffen sind. Zumindest auf der Ebene der Risikobewertung benötigt man aber eine Vielzahl von Informationen. Ist es sichergestellt, dass diese Informationen jederzeit von der Ebene der lokalen Behörden, zum Beispiel von den Veterinärämtern, die für die Lebensmittelüberwachung zuständig sind, zeitadäquat beispielsweise beim BfR oder beim RKI eintreffen? Anders gefragt: Können Sie beginnend bei der unteren Ebene den üblichen Behördenablauf darstellen, bis die Informationen beim BfR ankommen? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Die Meldung aus Hamburg kam am 19. Mai. Das Robert-Koch-Institut hat sich sofort auf den Weg gemacht und bereits am 20. Mai mit den Befragungen und deren Auswertung begonnen. Es gab einen ständigen Austausch der Informationen mit dem BfR. Die Bewertung mit der Empfehlung wurde am Ende gemeinsam vorgenommen, nämlich sechs Tage nach der Information. Auch die Zusammenarbeit des Robert-Koch-Instituts mit den zuständigen Behörden vor Ort, beispielsweise in Hamburg unter der Führung Ihrer Parteigenossin, Frau Prüfer-Storcks, hat funktioniert. (Kerstin Tack [SPD]: Gott sei Dank! In Niedersachsen sieht das anders aus!) - Ich habe keinen Anlass, das infrage zu stellen. Sie können mit Ihrer Parteikollegin sprechen. Frau Prüfer-Storcks und ich sind beide der Meinung, dass die Zusammenarbeit zwischen Hamburg und Robert-Koch-Institut sehr gut funktioniert hat. Sie hat sich übrigens auch noch einmal für die Unterstützung des Robert-Koch-Instituts bedankt. Wenn Sie Zweifel haben, dann sollten Sie Ihre eigene Parteikollegin fragen. Sie hat mir etwas anderes gesagt, als Sie eben dazwischengerufen haben. Das Robert-Koch-Institut hat sofort einen Fragebogen entwickelt, der den Gesundheitsbehörden und Veterinärämtern vor Ort zur Verfügung gestellt wurde. Wir haben den Eindruck, dass daraus die Erkenntnisse gezogen wurden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegen Scharfenberg. (Zuruf von der CDU/CSU: Sie ist schon weg!) - Das erleichtert die Abwicklung. - Dann folgt die Kollegin Binder mit der nächsten Frage. Karin Binder (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich bitte Frau Ministerin Aigner um die Beantwortung meiner Frage nach dem Krisenmanagement, das jetzt gut funktioniert, wie Sie es beschreiben. Wäre es vor dem Hintergrund globalisierter Lebensmittelmärkte und internationaler Handelsströme, die wahrscheinlich nach sich ziehen werden, dass wir künftig eher häufiger mit solchen Problemen befasst werden als bisher, nicht zu überlegen, ein Krisenmanagement zu schaffen, das verstärkte Kompetenzen beim Bund vorsieht? Denn ich glaube, dass unsere Bundesländer mit der Bewältigung solcher Probleme, mit denen ich künftig häufiger rechne, schlichtweg überfordert sein werden. Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Frau Kollegin Binder, generell ist es nicht so gut, dass es nicht immer noch besser werden kann. Das haben wir auch gemeinsam gesagt. Aber wir diskutieren jetzt wirklich nicht darüber. Ich kann noch einmal sagen: Die Entnahme der Proben und die Rückverfolgung der Lebensmittelstränge müssen so oder so vor Ort erfolgen, egal ob das durch eine Bundes- und Länderbehörde erfolgt. Egal wer das macht: Entscheidend ist, dass die Daten schnellstmöglich zusammenfließen. Eine Frage vorhin war, wie die Daten gesammelt werden. Im BVL, dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, gibt es das sogenannte FIS-VL, ein System, in das jedes Land seine Ergebnisse eintragen kann und in dem die Länder gegenseitig darauf zurückgreifen können, damit ein Transport schnellstmöglich und transparent vonstattengeht. Das ist die entscheidende Frage. Ich kann Ihnen versichern: Wir haben heute, wie gesagt, über Parteigrenzen hinweg einhellig ganz klar festgestellt, dass dies funktioniert hat. Aber glauben Sie mir: Das ist ein schwerwiegender, sehr diffiziler Fall. Es ist ein Puzzlespiel, bei den Millionen von Lebensmitteln, die auf dem Markt sind, bei den Händlern und Zwischenhändlern die Lebensmittelstränge zurückzuverfolgen. Das ist eine Sisyphusarbeit und schon fast kriminaltechnische Ermittlungsarbeit. Präsident Dr. Norbert Lammert: Mechthild Rawert. Mechthild Rawert (SPD): Ich habe eine Frage an Herrn Bahr. Ich bedanke mich, dass Hamburg so sehr gelobt wird. Es stellt sich dann natürlich die Frage, warum andere Bundesländer nicht positiv erwähnt werden. (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!) Sie haben darauf hingewiesen, dass weltweit 70 bis 80 Prozent der Infektionsquellen nicht gefunden worden sind. Um welche Länder handelt es sich? Können daraus Rückschlüsse für den heutigen Fall gezogen werden? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Ich lobe jetzt ausdrücklich Schleswig-Holstein, Bremen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin, Sachsen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Saarland, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das hat 15 Sekunden gekostet. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Danke für den Hinweis. - Hamburg hat als erstes Bundesland die Fälle festgestellt und deshalb als erstes Bundesland die Meldung gemacht. Hamburg sollte nur ein Beispiel dafür sein, dass die Zusammenarbeit gut funktioniert. Das gilt auch für alle anderen Länder. Zu den 70 bis 80 Prozent der Ehec-Fälle weltweit, bei denen die Ursache nicht festgestellt werden konnte, habe ich keine Unterlagen, die angeben, auf welche Länder sich das verteilt. Ich kann Ihnen die Informationen gerne zur Verfügung stellen. Es zeigt aber - das ist auch logisch -, warum die Ursache der Ehec-Infektion so schwer zu finden ist. Es handelt sich in der Regel um Lebensmittel, die die Infektion verursachen. Wenn ein kontaminiertes Lebensmittel verzehrt worden ist oder verdorben ist, steht es nicht mehr zur Verfügung. Das macht es so schwer, die Ursache herauszufinden. Es handelt sich nämlich manchmal um sehr kurze Zeiträume. Deswegen sage ich: Zur Erkenntnis gehört - das zeigt auch die internationale Erfahrung -, dass wir die Ursache möglicherweise nicht eindeutig finden können. Präsident Dr. Norbert Lammert: Friedrich Ostendorff. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe eine Frage an Sie, Frau Ministerin, weil Sie den Anspruch formuliert haben, alle müssten an einem Strang ziehen. Ja, das ist richtig. Am 21. Mai erhielten Sie die Meldung über Ehec-Infektionen. Am 3. Juni richteten Sie die Taskforce ein. Sie haben geschildert, dass es ein permanentes Krisenzentrum gibt. Die Aufgabe der Taskforce - ich nehme an, dass Sie sie leiten; denn Sie haben die Frage von Frau Höhn nicht beantwortet - ist doch die Bund-Länder-Koordination. Wie konnte es dann am 5. Juni zu der Pressekonferenz von Minister Lindemann kommen, auf der er den Sprossenbetrieb in Bienenbüttel als die wahrscheinliche Quelle ausmachte? Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Kollege Ostendorff, ich leite die Taskforce natürlich nicht persönlich. Ich nehme auch nicht persönlich vor Ort Proben. Das ist nicht meine Aufgabe. Es gibt einen Koordinator, den Präsidenten Dr. Tschiersky-Schöneburg, der Leiter der Taskforce ist. Die Länder haben ihre eigenen Aufgaben, nämlich bei der Ermittlung der Lieferströme, beim Probennehmen usw. Wenn eine konkrete, sehr zwingende Indizienkette festgestellt wird, dann ist es eine Maßnahme des vorsorgenden Verbraucherschutzes, diese Erkenntnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Ich stelle die Gegenfrage: Stellen wir uns vor, es würde sich herausstellen, dass die Sprossen für die Infektion verantwortlich sind, und Minister Lindemann hätte am Sonntagabend nicht davor gewarnt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Was hätten Sie uns gesagt, wenn erneute Infektionen aufgetreten wären? Deshalb war es richtig, diese vorsorgende Verbraucherschutzmaßnahme zu treffen und die Warnung auszusprechen. Zeitgleich ist die Meldung beim europäischen Schnellwarnsystem eingestellt worden. Selbstverständlich bin auch ich persönlich unterrichtet worden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Wir sind jetzt eigentlich am Ende der vereinbarten Befragungszeit. Ich gehe davon aus, dass Sie alle damit einverstanden sind, dass ich die notierten Fragesteller noch zu Wort kommen lasse, zumal mir das mit Blick auf die absehbar notwendige Zeit für die Fragestunde auskömmlich erscheint. Steffen-Claudio Lemme wird die nächste Frage stellen. Dann habe ich noch die Kollegin Nicole Maisch, die Kollegin Volkmer, deren Frage zurückgestellt worden ist, den Kollegen Holzenkamp, dessen zweite Frage nicht beantwortet worden ist - vielleicht möchte er sie noch einmal stellen -, Frau Höhn, Carola Reimann und Birgit Bender notiert. Danach würden wir - mit Ihrem Einverständnis - die Regierungsbefragung abschließen. - Ich bedanke mich. Bitte schön, Herr Lemme. Steffen-Claudio Lemme (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Frage richtet sich an Herrn Minister Bahr, aber auch an Frau Ministerin Aigner. Obwohl die Ursache der Infektion nun nicht klar den Gurken, Tomaten und dem Salat zugeordnet werden konnte, sprechen Sie doch - soeben wieder - die Empfehlung aus, dieses Gemüse nicht zu verzehren. Selbst in der Bundestagskantine gibt es jeden Mittag Gurkensalat. Ich möchte gerne Ihre Position wissen, warum Sie an dem Verbot des Verzehrs von Gurken, Tomaten und Salat festhalten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Menüfolge der Bundestagskantine ist natürlich eher der Präsident zuständig. (Heiterkeit und Beifall) Aber ich bin auf die Auskunft der Regierung außerordentlich gespannt. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Aus Respekt vor dem Parlament, Herr Präsident, hätte ich ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Kantine des Deutschen Bundestages nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundesgesundheitsministeriums liegt. Wir wissen, dass viele gastronomische Betriebe reagiert haben und Salate, Tomaten und Gurken von ihren Karten genommen haben. Wir halten die Verzehrsempfehlung aufrecht, weil unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse uns das nahelegen. Ich teile nicht Ihre Auffassung, dass die Ursache bisher nicht gefunden worden ist und man deswegen auf eine Empfehlung verzichten kann. Das stimmt nicht. Die neuesten Erkenntnisse der laufenden Studien bestätigen und erhärten die Vermutung, dass die Infektionsquelle rohe Tomaten, rohe Gurken und rohe Blattsalate in Norddeutschland sind. Wir warnen daher vor einem Verzehr. Im Übrigen sagen wir, dass gekochte oder gebratene Tomaten natürlich verzehrt werden können, weil das Erhitzen von rohem Gemüse dazu führt, dass es keine Gefahr darstellt. Wir halten unsere Empfehlung aufrecht, weil uns die Erkenntnisse des Robert-Koch-Instituts in Zusammenarbeit mit dem BfR entsprechende Daten liefern. Es kann keine Entwarnung gegeben werden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Maisch. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön. - Meine Frage richtet sich an Frau Ministerin Aigner. Es geht noch einmal um das Thema Krisenstab. Wir haben im Ausschuss erfahren, dass der Krisenstab von Ihrem Haus geleitet wird. (Zuruf) - Nein. Sie hat die Frage nach der Taskforce beantwortet. Ich frage jetzt nach dem Krisenstab. - Nehmen Sie persönlich oder Ihr Staatssekretär an dessen Sitzungen teil, um die neuesten Entwicklungen an die Presse zu geben? Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Der Krisenstab tagt unter der Leitung des Abteilungsleiters Kühnle; seine Abteilung ist dafür zuständig. Es wird täglich berichtet - nicht nur einmal, sondern mehrfach -, natürlich in Zusammenarbeit mit den Staatssekretären und mit mir. Dabei werden die weiteren Schritte abgestimmt. Darauf aufbauend wird die Öffentlichkeit informiert. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollegin Volkmer. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident, dass ich diese Frage noch stellen darf. - Hamburg ist als lobenswertes Beispiel erwähnt worden. Mich interessiert, wann Niedersachsen das RKI um Hilfe gebeten hat. Ich möchte darüber hinaus wissen: Wäre es nicht sinnvoll gewesen, wenn die Sprossenwarnung nicht von Minister Lindemann, sondern vom Robert-Koch-Institut ausgesprochen worden wäre? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Das Land Hamburg hat sich am 19. Mai beim Robert-Koch-Institut gemeldet. Das Land Niedersachsen hat sich am 20. Mai beim Robert-Koch-Institut gemeldet. Das liegt daran, dass die Fälle in einer unterschiedlichen Zeitabfolge in den Bundesländern aufgetreten sind. Wir stellen heute fest: In allen Bundesländern mit entsprechenden Fällen gibt es einen Bezug zu Norddeutschland, etwa in Sachsen und in Bayern. Der Unterschied ist, dass diese Fälle dort wesentlich später aufgetreten sind. Ich kann heute nicht zu dem Schluss kommen - ich teile da völlig die Einschätzung von Frau Aigner -, dass Herr Lindemann einen Fehler gemacht hat, indem er an die Öffentlichkeit gegangen ist. Ich glaube in der Tat, Frau Aigner hat völlig recht, wenn sie fragt, was passiert wäre, wenn die Abfolge andersherum gewesen wäre. Den Erkenntnissen liegt eine Indizienabfolge, nicht eine epidemiologische Studie des Robert-Koch-Instituts zugrunde. Die Veröffentlichungen von Herrn Lindemann basieren auf den Indizien, die auf diesen Betrieb zurückführen; dort hat man entsprechende Erkenntnisse gewonnen. Das Robert-Koch-Institut hat von Anfang an auch nach den Sprossen gefragt. Wir haben also auch dort Erkenntnisse gewonnen. Aber die epidemiologischen Studien haben uns zum damaligen Zeitpunkt nicht den Hinweis gegeben, dass sich die Herkunft auf Sprossen eingrenzen lässt. Zunächst sah es vielmehr so aus, als ließe sich der Auslöser auf rohe Gurken, rohe Blattsalate und rohe Tomaten zurückführen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Holzenkamp. Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Frau Ministerin Aigner, ich komme zurück auf den zweiten Teil meiner Frage von vorhin. Auf wie viele Hilfen oder Entschädigungen können die Gemüsebauern hoffen? Ich frage das, weil das noch nicht geklärt wurde. Gibt es nicht die Möglichkeit, beispielsweise über ein politisch anerkanntes Prüfsiegel für die vielen negativen Ergebnisse, die auch bei den deutschen Gemüsebauern vorliegen, unterstützend tätig zu werden? Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Momentan ist angekündigt - schon gestern hat dies der EU-Kommissar Ciolos getan -, für alle betroffenen Landwirte 150 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Er hat aber auch angekündigt, dass er heute einen weiteren Vorschlag, auch was das Finanzielle betrifft, vorlegen wird. Dieser muss dann noch mit der Kommission abgestimmt werden und sich innerhalb des Finanzrahmens bewegen. Das sage ich auch ganz ausdrücklich. Aber das wird im Laufe dieser Woche noch klarer werden. Dann werden wir natürlich auch sofort informieren. Die zweite Frage bezog sich auf das Prüfsiegel. Erst einmal ist es gut, wenn sozusagen die Erzeuger testen. Es besteht aber nach wie vor das schon angesprochene Problem, dass wir im Moment eben nicht zu 100 Prozent sagen können, wo die Eintragungsquelle ist. Selbst wenn beim Erzeuger auf dem Hof alles qualitativ geprüft ist und es sich um hervorragende Qualität handelt, muss man die Kette dazwischen auch noch beachten: Großhändler, Zwischenhändler, Einzelhändler usw. Deshalb müssen wir momentan einfach noch mit Vorsicht arbeiten. Auch mir schmerzt da natürlich das Herz. Aber es geht um Menschenleben. Ich kann noch einmal versichern: Alle Behörden arbeiten wirklich mit Hochdruck rund um die Uhr an der Aufklärung der Ursache. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe eine Frage an die Ministerin Aigner. Es gibt ja schon eine seltsame Diskrepanz. In den Medien lesen wir auch die Kritik der ausländischen Kollegen. Sie sagen dazu, das seien alles nur Übersetzungsfehler, alles sei in Ordnung. - Gut, das nehmen wir jetzt mal hin. Sie sagen, Sie haben von vornherein einen Krisenstab eingerichtet, alles war in Ordnung. Jetzt möchte ich ganz konkret wissen: Ab wann hat dieser Krisenstab tägliche Telefonkonferenzen mit den Ländern abgehalten? Dann hätte ich gern gewusst, wer zusätzlich dabei war - Robert-Koch-Institut, BfR. Wer war sonst noch bei diesen täglichen Telefonkonferenzen dabei? Schließlich hätte ich auch gern gewusst, warum Sie, wenn Sie schon solch einen tollen Krisenstab von Anfang an hatten, überhaupt noch eine Taskforce eingerichtet haben? Welches sind wirklich ihre zusätzlichen Aufgaben? Warum war das überhaupt nötig, wenn vorher eigentlich schon alles geregelt war? Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Noch einmal: Die Kritik, die aufkommt, stammt teilweise auch von Ihnen. Insofern kann ich den Ball zurückspielen. Diese Diskussion ist eigentlich (Zuruf von der CDU/CSU: Nicht so wichtig!) etwas müßig. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber bei mir gibt es keine Übersetzungsprobleme!) - Ist in Ordnung. Ich wollte nur sagen, dass es auch in der Hand der verantwortungsvollen Abgeordneten liegt, solch eine Situation mit der nötigen Ernsthaftigkeit zu handhaben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Punkt zwei: Am 21. Mai - ich sage es noch mal - wurde der Krisenstab eingerichtet. Das ist ein Arbeitsstab, der unter Leitung des Abteilungsleiters arbeitet. Da finden im Wesentlichen Telefonschaltungen auf der Arbeitsebene statt. Ich kann Ihnen das im Zweifelsfall auch detailliert nachliefern. Dort wurde laufend telefoniert. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Da kann man auch bei der Telekom mal nachfragen!) Ich kann das alles nicht in einer Minute erklären. Die Taskforce arbeitet darüber hinausgehend wie ein Ermittlungsteam. Der Arbeitsstab ist eine Kooperation zwischen den Ländern, um abzustimmen: Was machen wir? Die Taskforce ist eine Art kriminologisches Ermittlungsteam. Sie geht noch einmal konkret alle Cluster durch, um sich dann noch einmal mit den Ländern abzustimmen. Das ist wirklich wie die Arbeit eines Ermittlungsteams. Da bestand leider erst ab einer gewissen Anzahl von Fällen die Möglichkeit, das intensiver einzusetzen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch einfach mal, ab wann tägliche Telefonkonferenzen stattgefunden haben! Ab dem 21., oder ab wann?) - Ab dem 21.! (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätte ich jetzt gern mal gewusst!) - Ab dem 21.! (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ab dem 21. haben tägliche Telefonkonferenzen mit den Ländern stattgefunden? Ist das richtig?) - Sehr geehrte Frau Höhn, wir werden Ihnen das nachliefern. Ich werde den Abteilungsleiter noch einmal fragen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Okay!) Meines Wissens ist der Krisenstab am 21. Mai eingesetzt worden. Ich weiß nicht, wann das erste Telefonat gewesen ist. Aber meines Wissens wurde auf Arbeitsebene täglich telefoniert. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Okay!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Carola Reimann. Dr. Carola Reimann (SPD): Ich habe eine Frage an Frau Ministerin Aigner. Frau Ministerin, nach jedem Lebensmittelskandal kommen wir neu zu der Erkenntnis, dass die Lebensmittelkontrollen der Länder zu langsam, zu unkoordiniert, zu schwach sind, und jetzt ja auch ohne Ergebnis. Wir haben da meiner Ansicht nach kein Erkenntnisproblem. In diesem Fall geht es ja nicht nur, wie in der Vergangenheit, um ekelhafte und unappetitliche Angelegenheiten, sondern um gesundheitsgefährdende. Sie haben gerade selbst gesagt: Es geht um Menschenleben. Da frage ich Sie: Wie kommt es, dass Sie daraus keine Konsequenzen ziehen? Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Frau Reimann, nicht jeder Fall ist gleich. Das muss man auch feststellen. Der diesjährige Fall von Dioxin ist nicht unbedingt mit dem jetzigen Fall zu vergleichen. Ich glaube, das wissen wir alle. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Das Zweite. Ich habe gesagt: Nichts ist so gut, dass es nicht noch verbessert werden kann. Ich sage nur: Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, darüber zu diskutieren. Wir werden wie bei jedem Fall - wie nach Dioxin, wie nach BSE - die Strukturen erneut überprüfen. Es gibt jedes Mal eine Krisennachbesprechung. Wir werden auch mit den Ländern noch einmal alle Strukturen durchgehen. Ich bitte aber um Verständnis: Ich habe jetzt nicht die Zeit dazu, mit den zuständigen Behörden darüber zu sprechen. Diese müssen jetzt den Fall aufklären. Dazu werden alle Kräfte gebündelt. Ich bitte dafür echt um Verständnis. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzte Frage: Kollegin Bender. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Gesundheitsminister, in Zusammenhang mit dem Sprossenverdacht, der am Wochenende geäußert wurde und von dem auch schon die Rede war, gab es Kritik am RKI hinsichtlich Zeitpunkt, Umfang und Koordination der Patientenbefragungen. Wie bewertet die Regierung diese Kritik und die Kommunikation der Ergebnisse generell? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Bender, ich kann diese Kritik zurückweisen. In den Fragen 19 und 20 des ersten Fragebogens, den das RKI ab dem 20. Mai verwendet hat, wurde nämlich explizit nach Sprossen gefragt. Sie müssen allerdings berücksichtigen, dass die Patienten und Angehörigen, wenn sie über ihre Essgewohnheiten und ihr Essverhalten in den zurückliegenden 14 Tagen befragt werden, sich nicht in einem solchen Zustand befinden wie wir uns hier gerade, sondern in einer sehr schwierigen Situation. Nach den Befragungen der ersten Studie und auch denen der darauffolgenden Studien lässt sich die Infektionsquelle auf rohe Tomaten, rohe Gurken und rohe Blattsalate eingrenzen. Es gibt bisher keine epidemiologischen Ergebnisse, dass alle Patienten auch Sprossen verzehrt haben. Nur ein kleinerer Teil der Patienten hat in den Befragungen angegeben, dass sie Sprossen verzehrt haben. Nur ungefähr ein Drittel der in den Studien befragten Patienten hat angegeben, dass sie selbst Sprossen verzehrt haben. Insofern sind wir auf den Sprossenverdacht nicht durch die epidemiologischen Befragungen bzw. Studien aufmerksam geworden, sondern durch einen Indizienbeweis, also die Rückverfolgung der Verdachtsketten. Es ist ja auch klar, dass nicht jedem jedes noch so kleine Detail der zusammengesetzten Mahlzeiten der letzten 14 Tage in Erinnerung ist. Deshalb haben wir ja auch Indizienbeweise angestellt und die Erkenntnisse daraus gezogen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. - Ich frage nun, ob es zu weiteren Themen der Kabinettssitzung noch Fragen gibt. - Ich gehe davon aus, dass das nicht der Fall ist. Gibt es weitere sonstige Fragen an die Regierung? - Das ist offenkundig auch nicht der Fall. Dann schließe ich die Regierungsbefragung, verbunden mit herzlichem Dank an alle Beteiligten, sowohl an die Fragesteller wie an die antwortenden Minister. Ich möchte gerne zwischendurch eine geschäftsleitende Bemerkung machen: Ich fühle mich durch den Verlauf auch der heutigen Regierungsbefragung sehr ermutigt, die Überlegungen zu einer Neujustierung der Abläufe unserer Fragestunde weiterzuverfolgen, die wir seit geraumer Zeit im Ältestenrat anstellen. Diese ist nicht nur nötig, sondern offenkundig auch möglich. Ich will in diesem Zusammenhang nur darauf hinweisen: Von den 78 Fragen, die zur mündlichen Beantwortung in der Fragestunde angemeldet wurden, sind jetzt noch 14 übrig geblieben. In der Regierungsbefragung hatten wir gerade immerhin 25 Fragen, die auch alle beantwortet wurden. Das heißt, es liegt inzwischen ein, wie ich finde, auch nachvollziehbares, viel stärkeres Gewicht auf der Regierungsbefragung als auf der Fragestunde. Das sollte, wie ich denke, in Zukunft auch Konsequenzen für die Aufteilung der Zeitmaße haben. Im Übrigen ist ja sowohl vonseiten der Parlamentarier wie der Regierung mit bemerkenswerter Präzision nachgewiesen worden, dass es die Möglichkeit gibt, in einer Minute einen Sachverhalt konkret nachzufragen und ihn mit etwas Bemühen auch in einer Minute zu beantworten. Noch einmal herzlichen Dank an alle Beteiligten! (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir greifen das noch einmal auf, um vielleicht auch für die Zukunft von vornherein andere Formate hier zu vereinbaren. Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde - Drucksache 17/6040 - Die Geschäftsbereiche werden in der ausgedruckten Reihenfolge aufgerufen. Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Hier steht der Kollege Koschyk als Parlamentarischer Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 1 des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt e. V., den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Flusskreuzfahrten zumindest so lange aufrechtzuerhalten, bis die Regierungskommission zur Reform der Mehrwertsteuer ihre Arbeit zum Abschluss gebracht hat? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Hacker, Sie wissen, dass die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Flusskreuzfahrten am 31. Dezember dieses Jahres enden wird. Die Bundesregierung hat eine Kommission eingesetzt, die sich mit den unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen befassen soll. Auch dieser Sachverhalt wird in der Kommission behandelt. Allein aufgrund der Einsetzung der Kommission an eine Verlängerung dieser Sonderregelung zu denken, würde einer ergebnisoffenen Behandlung dieses Themas in der Kommission zuwiderlaufen. Deshalb bleibt die Bundesregierung dabei, dass sie zunächst das Kommissionsergebnis abwarten und dann gegebenenfalls Auswirkungen auf das geltende Recht prüfen wird. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage? - Bitte schön. Hans-Joachim Hacker (SPD): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für die Personenbeförderung im Bereich der Wasserstraßen existiert seit 1984, und die Unternehmen haben sich darauf eingestellt. Die Bemühungen, eine Kommission zu etablieren und die Mehrwertsteuerproblematik in Gänze zu beleuchten, sind bisher zweimal gescheitert. Die Kommission hat die Arbeit im Grunde genommen noch nicht richtig aufgenommen. Ich stelle vor diesem Hintergrund, aber auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Grünbuch der Europäischen Kommission zur Zukunft der Mehrwertsteuer Absenkungen für die Personenbeförderung ausdrücklich zulässt, die Frage, ob Sie, wenn die Kommission nicht in Gang kommt, insbesondere für die Personenbeförderung im Bereich der Wasserstraßen eine Verlängerung der derzeitigen Regelung ins Auge fassen. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, das lässt sich heute noch nicht absehen. Zunächst einmal wird sich die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission unter anderem auch mit der von Ihnen aufgeworfenen Frage befassen. Im Lichte dessen, was die Kommission grundsätzlich, aber vielleicht auch in Bezug auf diesen konkreten Fall vorschlägt, wird man vonseiten der Bundesregierung prüfen, wie man mögliche Empfehlungen der Kommission diesen Sachverhalt betreffend umsetzt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage? Hans-Joachim Hacker (SPD): Eine Zusatzfrage noch, Herr Staatssekretär. Ihre Antwort stellt mich nicht richtig zufrieden, weil ich nicht sicher bin, ob die Kommission ihre Arbeit tatsächlich aufnehmen wird. Die Koalition und auch die Bundesregierung hatten in Verbindung mit der umstrittenen Absenkung der Mehrwertsteuer für den Hotelleriebereich argumentiert, dass man sich hier an vergleichbaren Situationen in den Nachbarländern orientiert. Was die ermäßigten Mehrwertsteuersätze bei der Personenbeförderung betrifft, gibt es gerade in den Nachbarländern sehr starke Differenzierungen. Im Falle einer Anhebung des Mehrwertsteuersatzes auf 19 Prozent würden die Sätze in den anderen Ländern deutlich niedriger als in Deutschland liegen. Würden Sie eine adäquate Regelung für die Personenbeförderung im Bereich der Wasserstraßen in Deutschland für gerechtfertigt halten, insbesondere unter dem Aspekt, dass Sie für den Hotelleriebereich eine Sonderregelung getroffen haben? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, ich bleibe dabei: Dieser Sachverhalt wird in der von der Regierung eingesetzten Kommission behandelt, und ich möchte dem Beratungsergebnis in keiner Weise vorgreifen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Frage 2 des Kollegen Swen Schulz und die Fragen 3 und 4 des Kollegen Jürgen Koppelin werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 5 der Kollegin Ingrid Arndt-Brauer: Warum hat das Bundeskabinett, obwohl die Schweizer Regierung bereits im Februar 2011 einräumen musste, dass die von ihr seit 2009 vereinbarten Doppelbesteuerungsabkommen dem OECD-Standard für einen effektiven Informationsaustausch in Steuersachen nicht vollständig entsprechen, noch am 4. Mai 2011 den Entwurf eines Vertragsgesetzes zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz beschlossen? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Arndt-Brauer, das am 27. Oktober 2010 unterzeichnete Revisionsprotokoll zum deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen enthält Formulierungen, die die Schweiz bis zum Abschluss dieses mit Deutschland getroffenen Abkommens nur in einem vergleichbaren Abkommen mit den USA, aber nicht in anderen vergleichbaren Abkommen verwandt hat. Die im Bericht des Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes gegenüber der Schweiz kritisierten einschränkenden Formulierungen sind in anderen Abkommen, die die Schweiz eingegangen ist, in der Tat enthalten. Sie sind aber nicht in der Revisionsklausel zum Doppelbesteuerungsabkommen enthalten, die wir mit der Schweiz im Oktober des vergangenen Jahres unterzeichnet und mit Vertragsgesetz vom 4. Mai dem Parlament zugeleitet haben. Ich will das an konkreten Formulierungen deutlich machen. So sind nur hinreichende Angaben zur Identifizierung des betroffenen Steuerpflichtigen erforderlich, die typischerweise lediglich den Namen und - soweit bekannt - die Anschrift enthalten sollen. Dies bedeutet, dass insbesondere im Fall von sogenannten Nummernkonten, auf die auch ohne Angabe des Namens des Inhabers zugegriffen werden kann, die Angabe einer Kontonummer ausreicht. Dieser Sachverhalt, über den wir mit der Schweiz verhandelt haben, entspricht der Aussage in Textziffer 58 des OECD-Kommentars zu Musterabkommen für Steuerinformationsabkommen. Ich will noch einmal deutlich machen: Die von dem OECD-Gremium geäußerte Kritik trifft auf Vereinbarungen zu, die die Schweiz mit anderen Ländern geschlossen hat. Diese Kritik trifft aber auf das Revisionsprotokoll, das Deutschland und die Schweiz unterzeichnet haben, nicht zu. Wir haben uns bei unseren Verhandlungen mit der Schweiz an den Formulierungen orientiert, die die Schweiz zuvor den USA bei einem vergleichbaren Abkommen zugestanden hat. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön, Ihre Nachfrage. Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Wenn Länder mit anderen Ländern jeweils unterschiedliche Abkommen abschließen, sollte man das Parlament darüber informieren. Welche Konsequenzen für die Zukunft ziehen Sie aus der Tatsache, dass die Festlegung bestimmter Sachverhalte zwar für uns, aber nicht für andere Länder ausreichend ist? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Konsequenzen muss die Schweiz ziehen, und sie werden auch von ihr gezogen. Die Kritik der OECD an Abkommen zum Informationsaustausch, die die Schweiz mit anderen Ländern getroffen hat und die sich bezüglich der Formulierungen von denen unterscheiden, die mit uns und den USA vereinbart worden sind, hat die Schweiz aufgegriffen. So hat der Schweizer Bundesrat mit Beschluss vom 13. Februar 2011 hinsichtlich der übrigen Abkommen eine entsprechende Änderung der Auslegung zugesichert und auch gegenüber dem Schweizer Parlament Anfang April auf die Sonderstellung der mit den USA und Deutschland vereinbarten Regelungen verwiesen. Wir gehen also davon aus, dass die Schweiz aufgrund der Kritik der OECD an Abkommen mit anderen Ländern, die den OECD-Standard nicht erfüllen, diese Abkommen OECD-konform auslegen wird. Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage? Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Nein. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dann rufe ich die Frage 6 der Kollegin Arndt-Brauer auf: Welche Auswirkungen werden die Feststellungen des Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes zur Umsetzung des OECD-Standards für einen effektiven Informationsaustausch in Steuersachen in der Schweiz auf die laufenden Verhandlungen der Bundesregierung mit der Schweizer Regierung über eine Erweiterung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Steuerbereich haben? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, ich muss mich wiederholen: Die Feststellungen des Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes zur Umsetzung des OECD-Standards für Transparenz und für einen effektiven Informationsaustausch in Steuersachen durch die Schweiz werden zu den noch nicht abgeschlossenen Auslegungsarbeiten der OECD zum Inhalt und zu Grenzen des OECD-Standards beitragen. Sie fragen danach, ob die Beanstandungen der OECD im Hinblick auf Schweizer Informationsaustauschabkommen Auswirkungen auf die laufenden Verhandlungen zwischen Deutschland und der Schweiz haben, die zum Ziel haben, zu einer dauerhaften Lösung des Problems von bisher unversteuerten Kapitalanlagen deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz zu kommen. Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die laufenden Verhandlungen sind von diesem Sachverhalt unberührt. Der Grund dafür liegt darin, dass die zu den Verhandlungsgegenständen gehörende Erweiterung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Steuerbereich der Flankierung der besonderen Verfahren dienen soll, die im Rahmen des von uns verfolgten Lösungsansatzes vorgesehen sind. Dies bedeutet konkret, dass gegebenenfalls von den Standardregelungen zur Umsetzung des OECD-Standards abweichende Regelungen erforderlich sein können. Das heißt, wir behalten uns in den laufenden Verhandlungen mit der Schweiz durchaus vor, auch noch über den OECD-Standard hinauszugehen. Ich bitte um Verständnis, dass wir zu dem Stand der laufenden Verhandlungen mit der Schweiz, bei denen Vertraulichkeit vereinbart worden ist, im Moment öffentlich nichts sagen können. Präsident Dr. Norbert Lammert: Haben Sie eine Zusatzfrage? Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Ja, ich habe eine Zusatzfrage. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte. Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Wie würden die Regierungen von Deutschland und der Schweiz reagieren, wenn beispielsweise, wie von der SPD-Bundestagsfraktion angekündigt, eine Anhörung stattfinden würde, bei der Rechtswissenschaftler zu dem Ergebnis kommen, dass die geplante Amnestie für Steuerstraftäter hinsichtlich ihrer Schwarzgeldanlagen in der Schweiz nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, gehen Sie davon aus, dass die Bundesregierung bei den Verhandlungen nur zu solchen Verhandlungsergebnissen kommen wird, die mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vereinbar sind. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Fragen 7 und 8 der Kollegin Nicolette Kressl werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Scheelen auf: Seit wann ist der Bundesregierung bekannt, dass das Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland vom 27. Oktober 2010 nicht dem OECD-Standard für einen effektiven Informationsaustausch in Steuersachen entspricht, und welche Konsequenzen hat die Bundesregierung daraus gezogen? Bitte. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Scheelen, es handelt sich um den gleichen Sachverhalt wie bei den Fragen der Kollegin Arndt-Brauer. Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten und Ihrer Zustimmung die Fragen 9 und 10 im Zusammenhang beantworten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dann rufe ich nun zusätzlich Frage 10 des Kollegen Schelen auf: In welcher Hinsicht bleibt das Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland vom 27. Oktober 2010 hinter dem OECD-Standard für einen effektiven Informationsaustausch in Steuersachen zurück? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich darf es wiederholen: Das am 27. Oktober unterzeichnete Revisionsprotokoll zum deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen setzt den OECD-Standard für Transparenz und einen effektiven Informationsaustausch in Steuersachen hinreichend um. Es weicht von den übrigen schweizerischen Abkommen zur Umsetzung des OECD-Standards wesentlich ab: Außer den Abkommen mit den USA, Deutschland, Japan und Spanien enthalten die neuen Schweizer Abkommen das zwingende Erfordernis der Angabe des Namens des betroffenen Steuerpflichtigen und des Inhabers der verlangten Information. Dieser Sachverhalt, der sich in anderen Abkommen, aber nicht in dem Abkommen mit uns findet, wurde vom Global Forum als zu restriktiv beanstandet. Der sogenannte Peer Review Report des Forums zur Schweiz bestätigt demgegenüber unter Textziffer 249 ausdrücklich die OECD-Konformität der von den USA und Deutschland verwendeten besonderen Formulierung hinsichtlich der Voraussetzung der Identifizierung des besonderen Steuerpflichtigen. Herr Kollege, ich will noch einmal deutlich machen, dass der Peer Review Report unser mit der Schweiz getroffenes Abkommen ausdrücklich als OECD-konform darstellt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Es gibt keine Zusatzfragen. Die Fragen 11 bis 13 werden schriftlich beantwortet. Damit haben wir diesen Geschäftsbereich abgeschlossen. Vielen Dank, Kollege Koschyk. Ebenso schriftlich beantwortet werden sämtliche Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales - das sind die Fragen 14 bis 21 - sowie aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; das sind die Fragen 22 bis 25. Somit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Hier steht der Kollege Thomas Kossendey für die Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Hans-Christian Ströbele auf: Welche Darstellung der Ereignisse in der Nacht zum 18. Mai 2011 in Taloqan/Provinz Tachar im nordafghanischen Verantwortungsbereich der Bundeswehr, in deren Verlauf von afghanischen Soldaten und einer US-Spezialeinheit bei einem gezielten Zugriff zwei Frauen sowie zwei Männer getötet wurden, hält die Bundesregierung nunmehr für richtig, nachdem nicht nur der dortige Polizeichef, Schah Dschehan Nuri, sondern auch der afghanische Präsident Hamid Karzai die Auffassung vertreten hat, es seien Zivilisten gewesen, die getötet wurden, und welche Darstellung gibt die Bundesregierung nunmehr von der nachfolgenden Demonstration in Taloqan, in deren Verlauf protestierende Demonstranten ein Lager der Bundeswehr angegriffen haben, woraufhin von Bundeswehrsoldaten auf Demonstranten geschossen und einige schwer verletzt sowie möglicherweise getötet wurden? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Ströbele, zunächst einmal darf ich Sie auf die ausführliche Beantwortung der entsprechenden Fragen in der letzten Fragestunde verweisen. Zum anderen sind zwei neue Sachverhalte eingetreten: Mittlerweile liegt dem Ministerium der sogenannte Feldjägerbericht vor; das sind sozusagen die Ergebnisse unserer eigenen Ermittlungen, die die Feldjäger vor Ort angestellt haben. Seit gestern Abend liegt uns der Bericht der ISAF-Kommission vor, die diesen Vorfall untersuchen sollte. Beide Berichte befinden sich im Augenblick im Stadium der Auswertung. Wir werden den Verteidigungsausschuss unverzüglich informieren, sobald unsere Bewertungen abgeschlossen sind. Präsident Dr. Norbert Lammert: Haben Sie eine Zusatzfrage? - Jawohl. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, ich bin kein Mitglied des Verteidigungsausschusses. Ich bekomme dann also überhaupt nichts vorgelegt. Ich habe ein paar konkrete Fragen gestellt; Sie müssen sie doch beantworten können. Zum Teil liest man dazu einiges in der Zeitung, insbesondere zu der Frage, was die Demonstrationen und Proteste ausgelöst hat. Der Auslöser der Demonstrationen und Proteste war offenbar die Tötung von zwei Frauen und zwei Männern. Können Sie bestätigen, dass es sich dabei um Personen gehandelt hat, denen vorgeworfen wurde - also "nur" vorgeworfen wurde -, dass Sie andere Personen mit schusssicherer Kleidung versorgt haben? Sie waren also so eine Art Schneider, die nichts anderes getan haben, als solche Kleidung herzustellen und weiterzugeben. Alle vier Personen sind bei einem versuchten Zugriff erschossen worden. Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Nach den Erkenntnissen, die der Bundesregierung in diesem Zusammenhang vorliegen, kann ich Ihnen sagen, dass eine der vier ums Leben gekommenen Personen ein gesuchter Terrorist war. Die drei anderen haben ihn, als er ergriffen werden sollte, mit Schusswaffen geschützt. Deswegen ist es zu den Todesfällen gekommen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch folgende Frage haben Sie nicht beantwortet: Was sagen Sie eigentlich dazu, dass sowohl der Präsident von Afghanistan, Herr Karzai, als auch der zuständige Polizeichef vor Ort sagen, dass es sich um Zivilisten gehandelt hat. Die beiden haben ihr absolutes Unverständnis und ihr Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass diese vier Personen getötet worden sind, obwohl es sich um Zivilisten gehandelt hat. Es hat offensichtlich die Falschen getroffen. Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Auf diesen Sachverhalt bin ich bereits in der letzten Fragestunde eingegangen. Das können Sie im Protokoll nachlesen. Zum einen ist uns in diesem Zusammenhang keine Äußerung von Herrn Karzai bekannt. Zum anderen hat Herr Karzai eine eigene Untersuchungskommission eingerichtet, die ihren Bericht noch nicht vorgelegt hat, weil sie ihre Untersuchungen noch nicht einmal abgeschlossen hat. Insofern ist es unwahrscheinlich, dass die Presse Herrn Karzai dermaßen falsch verstanden haben sollte. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 27 des Kollegen Ströbele auf: Welche Angaben macht die Bundesregierung nunmehr angesichts der immer mehr Opfer an verletzten und getöteten Menschen zur Entwicklung der Sicherheitslage in Afghanistan in den letzten Wochen - über Anzahl der Sicherheitsvorfälle, der Anschläge, der Spezialoperationen, der getöteten Zivilisten, der getöteten afghanischen und ISAF-Soldaten pro Woche -, und wie rechtfertigt die Bundesregierung nach dieser Entwicklung und angesichts der vier getöteten deutschen Soldaten innerhalb weniger Tage Äußerungen des Bundesministers der Verteidigung, die Strategie sei richtig, sowie von Bundeswehroffizieren, diese Linie sei unbeirrt fortzuführen gerade auch mit Operationen von Spezialeinheiten, bei denen angebliche Taliban-Anführer getötet werden? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Ströbele, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, von der Strategie, die im Bündnis von ISAF und den in Afghanistan vorhandenen Kräften in Übereinstimmung mit den Afghanen vereinbart worden ist, abzuweichen, weil diese Ereignisse keinen Einfluss auf die strategische Bewertung der Sicherheitslage haben, weder in Gesamtafghanistan noch in Nordafghanistan. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfragen? Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, Sie geben mir hoffentlich recht, dass sich die Situation im Verantwortungsbereich der Bundeswehr im Norden dramatisch zugespitzt hat. Wir haben eine erhebliche Zahl von Opfern unter den Soldaten der Bundeswehr zu verzeichnen. Darüber hinaus wurden Demonstranten, aber auch andere Afghanen in sehr großer, in für diesen Bereich bisher nicht gekannter Zahl getötet. Ist es angesichts einer solchen dramatischen Verschlechterung nicht angebracht, auf die Verbündeten einzuwirken, damit sie solche gezielten Tötungsaktionen - sei es durch Drohnen, sei es durch Spezialkommandos -, die nach allen Berichten immer wieder zu erheblicher Aufregung und zu Protesten unter der Bevölkerung führen, wenigstens im Verantwortungsbereich der Bundeswehr unterlassen? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Ströbele, ich gebe Ihnen recht, dass wir in Afghanistan in den letzten Wochen einen erheblichen Blutzoll gezahlt haben, nicht nur unter den deutschen Soldaten, sondern auch unter ISAF-Soldaten und in der Zivilbevölkerung. Aber Ursache dafür sind nicht die Aktivitäten der ISAF-Soldaten, sondern Ursache sind die terroristischen Aktivitäten derer, die ihre kämpferische Operation mittlerweile auf Sprengstoffanschläge umgestellt haben, die hinterhältig und gemein sind und nicht nur Soldatinnen und Soldaten treffen sollen. Vielmehr werden bewusst Ziele ins Auge gefasst, die die Zivilbevölkerung und die sich aufbauende afghanische Selbstverwaltung betreffen, um Unsicherheit und Sorgen in der Bevölkerung zu multiplizieren. Wenn Sie meiner eigenen Einschätzung nicht glauben, dann will ich gerne zitieren, was unser ehemaliger Kollege Nachtwei heute in der Oldenburger Nordwest-Zeitung über die Entwicklung im Norden Afghanistans sagt: Ich habe kaum gewagt, diese gute Entwicklung zu erwarten. Allerdings habe ich sie erhofft, weil seit dem vergangenen Jahr deutsche Kräfte einerseits sowie amerikanische und afghanische Kräfte andererseits konzertiert und beständig in den von Aufständischen kontrollierten Gebieten vorgegangen sind - und viele herausgedrängt haben. Jetzt wird es entscheidend sein, ob diese Teilerfolge auch halten, ob die afghanischen Kräfte verlässlich sind und ob dort die Menschen eine gute Regierung vor Ort erfahren. Ich glaube, diese Einschätzung kann man sich ohne Wenn und Aber zu eigen machen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Eine weitere Zusatzfrage. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, ich gebe Ihnen recht, wenn Sie sagen, dass die Anschläge, bei denen deutsche Soldaten ums Leben gekommen, schwer verletzt oder verletzt worden sind, hinterhältig, feige und gemein waren. Aber: Wie bezeichnen Sie Drohnenangriffe, bei denen aus heiterem Himmel - man nimmt vorher nicht wahr, dass da ein Flugzeug bzw. eine Drohne in der Nähe ist - Menschen gezielt, namentlich bestimmt, angegriffen und liquidiert werden, also umgebracht, getötet werden? Dabei kommt in der Regel eine große Anzahl Familienangehöriger, Nachbarn und anderer ums Leben. Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Diese Art und Weise der Kriegsführung, der Kampfführung, ist nicht Grundlage der Arbeit unserer deutschen Soldaten im Rahmen ihres ISAF-Einsatzes im Norden. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber Sie dulden sie!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Die Frage 28 der Kollegin Sevim Daðdelen wird schriftlich beantwortet. Damit schließen wir diesen Geschäftsbereich ab. Die Fragen 29 und 30 der Abgeordneten Caren Marks zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Ich rufe die Frage 31 des Kollegen Ostendorff auf: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass Antibiotikaresistenzen, unter anderem auch beim gefährlichen Ehec-Erreger, immer weiter zunehmen, und welche konkreten Vorsorgemaßnahmen sollen getroffen werden? Ich bitte die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach um Beantwortung der Frage. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Danke, Herr Präsident. - Herr Kollege Ostendorff, um den Ursachen der zunehmenden Antibiotikaresistenzentwicklung entgegenzuwirken und um eine gezieltere Herangehensweise auf lokaler, auf regionaler und nationaler Ebene zu unterstützen, hat das Bundesministerium für Gesundheit zusammen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung unter Beteiligung der Länder und weiterer Verantwortlicher im Gesundheitswesen die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie, kurz: DART, entwickelt. DART formuliert im humanmedizinischen Teil zehn Ziele zur Reduzierung der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen, die durch eine Vielzahl von Maßnahmen bis Ende 2013 erreicht werden sollen. Der Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze baut auf der DART auf und verstärkt zentrale Bereiche zur Verminderung der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen und zur Reduzierung von behandlungsassoziierten Infektionen in Deutschland. Das Gesetz soll Mitte 2011 in Kraft treten. Zudem wird mit der "AKTION Saubere Hände" ein Projekt zur Verbesserung der Prävention von nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen unterstützt. Mit den Maßnahmen im Rahmen von DART verfolgt das BMELV das Ziel, den Antibiotikaeinsatz zu minimieren, ohne die Tiergesundheit zu gefährden. Hierzu soll eine umfassende Risikoanalyse unter Berücksichtigung der Antibiotikaabgabemengen, den repräsentativ erhobenen Antibiotikaverbrauchsmengen und den auftretenden Resistenzen dienen. Zukünftige weitere Maßnahmen werden anhand dieser Risikoeinschätzung entwickelt. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Zusatzfrage. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schönen Dank, Herr Präsident, für die Möglichkeit zur Zusatzfrage. - Die Beantwortung der Frage durch Frau Flach führte uns sofort zur Antibiotikaabgabe bei der Haltung von Nutztieren. Wir beobachten seit Jahren, dass sich zum Beispiel bei der Hühnchenmast der Einsatz von Antibiotika in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt hat. Dafür gibt es auch Hinweise von amtlichen Veterinären. Sehen Sie darin nicht eine große Gefahr? Muss sich das Bundesgesundheitsministerium nicht sehr viel intensiver der Frage des Antibiotikaeinsatzes in der Nutztierhaltung widmen? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Ostendorff, selbstverständlich beobachtet das Gesundheitsministerium auch diese Entwicklung mit großem Interesse. Wir sind an dieser Stelle aber nicht direkt zuständig; das wäre vielmehr das Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerium. Trotzdem kann ich Ihnen zusichern, dass wir uns intensiv damit befassen. Ich möchte Ihnen auch gerne einen schriftlichen Bericht dazu geben, in dem wir die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ministerien auf diesem Gebiet darstellen. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine weitere Nachfrage des Kollegen Ostendorff. Dann hat der Kollege Volker Beck noch eine Frage. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Flach, Sie tragen die gesamte Verantwortung und können sich nicht darauf zurückziehen - das nur als Hinweis -, dass Sie für das Bundesgesundheitsministerium sprechen. Ich habe zwar nach der Auffassung des Gesundheitsministeriums gefragt, aber hier ist die Haltung der Bundesregierung gefragt. Zur Antibiotikaresistenz: Wie beurteilt das Bundesgesundheitsministerium jetzt den Einsatz von Antibiotika angesichts der Ehec-Epidemie, die in Deutschland mit dem akuten Ausbruch ein großes Ausmaß angenommen hat? Von Medizinern hören wir immer wieder, dass der Einsatz von Antibiotika in diesem Bereich äußerst schwierig ist, weil es mögliche Vorbelastungen gibt, die eine Behandlung nicht wirksam erscheinen lassen. Haben Sie sich mit dieser Frage schon beschäftigt? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Selbstverständlich haben wir uns auch mit dieser Frage beschäftigt. Es wurde von Anfang an gerade auch vom RKI immer wieder darauf hingewiesen, dass der Einsatz von Antibiotika in diesem Zusammenhang nicht zu einem Erfolg, wahrscheinlich sogar zu einem schlechten Ergebnis führen würde. Aus diesem Grunde haben wir das selbstverständlich im Blick gehabt. Das spielt auch in den weiteren Beratungen eine Rolle. Vizepräsident Eduard Oswald: Der Kollege Volker Beck hat eine weitere Frage. Bitte, Kollege Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Als Geschäftsführer habe ich oft das Vergnügen, den Fragestunden beizuwohnen. Darum möchte ich Sie, Frau Flach, fragen, ob Sie sich dafür einsetzen könnten, dass in Zukunft bei interdisziplinären Fragestellungen - ein Beispiel ist die des Kollegen Ostendorff, die gesundheits- sowie verbraucher- und landwirtschaftspolitische Aspekte beinhaltet - entweder das andere Ministerium ebenfalls anwesend ist oder Sie sich kollegial so vorbereiten lassen, dass Sie die Fragen hier beantworten können. Gerade bei solch einem aktuellen Thema wie Ehec ist es etwas unverständlich - auch wenn die Regierungsbefragung zu dem Thema vorangegangen ist -, dass wir uns sagen lassen müssen: Hier ist ein anderes Ressort zuständig. - Sie antworten für die gesamte Bundesregierung. Die Bundesregierung entscheidet, welche Frage sie welchem Ressort zuweist. Das steht nicht im Ermessen des Parlaments, sondern das entscheiden Sie. Deshalb müssten Sie diese Fragen vollständig beantworten können. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Lieber Herr Beck, ich nehme diesen Ratschlag gerne mit nach Hause und werde mich auch gerne mit den Kollegen vom BMELV darüber unterhalten. Ich versichere Ihnen, dass wir Ihnen, wie zugesagt, einen schriftlichen Bericht zu diesem Thema vorlegen, der zwischen den beiden Ministerien abgestimmt ist. Vizepräsident Eduard Oswald: Der Kollege Volker Beck hat gemeint, Sie sollen den Ratschlag auch ins Ministerium und nicht nur nach Hause mitnehmen. Insofern ist das wohl auch die Meinung insgesamt. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Das ist ein besonders guter Ratschlag, Herr Präsident. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich sehe, dass es keine weiteren Nachfragen hierzu gibt. Die Fragen 32 bis 37 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, die Fragen 38 bis 44 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, die Fragen 45 bis 50 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und die Fragen 51 bis 65 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie werden sämtlich schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Hier steht zur Beantwortung Frau Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verfügung. Ich rufe die Frage 66 der Kollegin Agnes Malczak auf: Welche Position vertritt die Bundesregierung hinsichtlich der Pläne der US-Regierung, die in Deutschland und Europa stationierten substrategischen US-Atomwaffen im Rahmen eines umfassenden Life Extension Program zu modernisieren, und wie reagiert sie auf dieses Vorhaben? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Malczak, das von den USA beabsichtigte Lebensdauerverlängerungsprogramm - oder Life Extension Program, wie es eigentlich heißt - dient dazu, die Sicherheit und Zuverlässigkeit der von diesem Programm erfassten Nuklearwaffen auch weiterhin auf höchstem Niveau sicherzustellen und damit die Glaubwürdigkeit der nuklearen Abschreckung zu gewährleisten. Dies ist eine nationale Entscheidung der USA und unabhängig von der Frage der Ausgestaltung der nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO zu sehen. Die USA haben in ihrer Nuclear Posture Review explizit darauf verwiesen, dass ein LEP, also ein Lebensdauerverlängerungsprogramm, zukünftigen Entscheidungen innerhalb der NATO zur nuklearen Abschreckung und nuklearen Teilhabe nicht vorgreift. Vizepräsident Eduard Oswald: Zusatzfrage? - Bitte schön, Frau Kollegin. Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Frau Staatsministerin, also hat sich die Bundesregierung gegenüber der amerikanischen Regierung zu dieser Frage nicht positioniert? Dies ist also eine rein nationale Entscheidung der USA, und die Bundesregierung hat dazu nicht Stellung genommen, obwohl im Koalitionsvertrag der Abzug dieser Waffen als Ziel genannt ist? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Es ist, wie ich schon sagte, eine nationale Entscheidung der USA. Ich will noch einmal daran erinnern, dass die Bundesregierung bei ihrem Ziel, so wie es im Koalitionsvertrag steht, bleibt, sich im Bündnis und gegenüber den amerikanischen Verbündeten für den Abzug der in Deutschland verbliebenen Atomwaffen einzusetzen. Davon wird sie nicht abrücken. Deswegen bitte ich Sie, das nicht im Zusammenhang zu sehen. Die Bundesregierung unterstützt auch die Forderung nach einer Einbeziehung aller taktischen Nuklearwaffen in den weiteren Abrüstungsprozess zwischen den USA und Russland. Die Bundesregierung stimmt alle Maßnahmen im Kontext der nuklearen Teilhabe in der Nuklearen Planungsgruppe der NATO und den entsprechenden Bündnisgremien mit den Bündnispartnern ab. Vizepräsident Eduard Oswald: Zusatzfrage? - Bitte. Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Frau Staatsministerin, ich habe noch eine Zusatzfrage. Sie haben die Forderung nach dem Abzug dieser Waffen jetzt durchaus bekräftigt. Mich würde interessieren, inwiefern die Bundesregierung der Auffassung ist, dass das mit den neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien im Einklang steht, in denen ganz klar die nukleare Abschreckung bekräftigt wird. Ich habe mich gefragt, wie das mit dem Ziel, das im Koalitionsvertrag geäußert wird, mit dem entsprechenden Antrag, der von einer breiten Mehrheit des Parlaments getragen wurde, und mit den vielfachen Ankündigungen des Bundesaußenministers Westerwelle zusammenpasst. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich kann nur noch einmal bekräftigen, dass das neue Strategische Konzept der NATO - auch dank des Engagements der Bundesregierung - klare Aussagen zur Abrüstung und zur Rüstungskontrolle sowie ein Bekenntnis zum Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt enthält. Ich denke, dies ist ein Erfolg und stellt natürlich eine wichtige Grundlage dar, auf die man sich berufen kann. Aber es ist noch nicht das Ende der Diskussion; das sehen auch wir. Eine glaubwürdige nukleare Abschreckung einerseits sowie Abrüstung und Rüstungskontrolle andererseits sind an sich kein Gegensatz, sondern feste Bestandteile eines umfassenden politischen Ansatzes, der im neuen Strategischen Konzept der NATO bestätigt wurde. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Ich rufe die Frage 67 der Frau Kollegin Tabea Rößner auf: Bleibt die Bundesregierung bei ihrer erklärten Absicht, sich gegenüber den amerikanischen Verbündeten für den Abzug der in Deutschland verbliebenen Atomwaffen einzusetzen, und, wenn ja, wie wird sie diese Absicht weiterverfolgen angesichts der Pläne der US-amerikanischen Regierung, die am Standort Büchel positionierten Atomwaffen zu modernisieren? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Präsident! Liebe Kollegin Rößner, Ihre Frage ist ähnlich gelagert wie die vorhergehende Frage der Abgeordneten Malczak. Ich sagte schon, dass wir an dem Ziel festhalten, uns im Bündnis gegenüber den amerikanischen Verbündeten für den Abzug der in Deutschland verbliebenen Atomwaffen einzusetzen. Bei Fragen nach der Anzahl, dem Umgang mit und den vermuteten Lagerorten von Nuklearwaffen ist die Bundesregierung an die im Bündnis gemeinsam festgelegte Geheimhaltungsregelung gebunden. Daher können in Übereinstimmung mit der Praxis aller bisherigen Bundesregierungen Aussagen und Behauptungen hierzu weder bestätigt noch dementiert werden. Die USA beabsichtigen - das sagte ich bereits -, ihre Nuklearwaffen einem Lebensdauerverlängerungsprogramm zu unterziehen, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit der von diesem Programm erfassten Nuklearwaffen auch weiterhin auf höchstem Niveau sicherzustellen und damit die Glaubwürdigkeit der nuklearen Abschreckung zu gewährleisten. Dieses Programm - auch das wiederhole ich - ist eine nationale Entscheidung und unabhängig von der Frage der Ausgestaltung der nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre Zusatzfrage, Frau Kollegin. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Frau Staatsministerin, mich würde interessieren, was die Bundesregierung bisher unternommen hat, um das Ziel, das Sie heute noch einmal bekräftigt haben, nämlich den Abzug der Atomwaffen, zu erreichen. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Der Bundesaußenminister Guido Westerwelle ist bei all seinen Gesprächen, auch im Bündnis, in der NATO, bestrebt, dieses Ziel umzusetzen. Ich sagte schon, dass auch dank des Engagements der gesamten Bundesregierung das neue Strategische Konzept der NATO klare Aussagen zur Abrüstung und Rüstungskontrolle, aber auch ein Bekenntnis zu einer nuklearwaffenfreien Welt enthält. Die Bundesregierung wird sich gemäß dem Koalitionsvertrag weiterhin für die Umsetzung dieser Aussagen einsetzen. Ich sage noch einmal: Glaubwürdige nukleare Abschreckung einerseits schließt Rüstungskontrolle andererseits nicht aus. Das sind keine Gegensätze. Gehen Sie davon aus, dass wir an der Erreichung dieses Ziels weiterarbeiten. Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatsministerin, ist ein nationales Modernisierungsprogramm bezüglich der Trägermittel vorgesehen? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich sage Ihnen noch einmal: Das ist eine nationale Entscheidung. Das ist nicht eine Entscheidung, die wir getroffen haben. Vielleicht wissen auch Sie, dass das Modernisierungsprogramm im Hinblick auf die in den 70er- und 80er-Jahren gebauten Nuklearwaffen aus Sicht der USA notwendig zu sein scheint, um die Einsatzfähigkeit dieser Waffen zu verlängern. Dies ist im Rahmen der Verabschiedung der US Nuclear Posture Review und des Verfahrens zur Ratifizierung des START-Vertrages seitens der US-Administration erfolgt und dem Kongress zugesagt worden. Dies ist keine Aufgabe, der vorrangig wir uns widmen. Unser Ziel ist es, weiterhin an der Abrüstung zu arbeiten. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Staatsministerin Cornelia Pieper. Die Fragen 68 und 69 der Kollegin Katja Keul, die Fragen 70 und 71 des Kollegen Tom Koenigs, die Frage 72 des Kollegen Klaus Hagemann und die Frage 73 des Kollegen Andrej Hunko werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Frage 74 des Kollegen Andrej Hunko und die Frage 75 der Kollegin Sevim Daðdelen werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Die Frage 76 der Kollegin Kerstin Tack wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 77 unseres Kollegen Jerzy Montag: Sieht die Bundesregierung bei einem unmittelbaren Wechsel von ausscheidenden Richterinnen und Richtern bei Gericht hin zu im gleichen Zuständigkeitsbereich tätigen Anwaltskanzleien, was laut Medienberichten häufiger auftritt (vergleiche den Spiegel vom 30. Mai 2011: "Bundesgerichtshof - Wertvolle Verstärkung"), ein Problem für die Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz? Ich bitte Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Max Stadler, um Beantwortung. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Präsident! Herr Kollege Montag, die Rechtsprechung wird in der Bundesrepublik Deutschland bekanntlich in voller richterlicher Unabhängigkeit ausgeübt. Dies garantiert Art. 97 des Grundgesetzes. Damit ist die Unabhängigkeit der Richter als zentrale Voraussetzung einer rechtsstaatlichen Rechtsprechung garantiert. Ein Richter, der aus dem richterlichen Dienst ausgeschieden und als Anwalt oder in beratender Funktion in einer Kanzlei tätig ist, übt jedoch gerade keine rechtsprechende Gewalt mehr aus. Insofern ist durch eine solche Konstellation die richterliche Unabhängigkeit unmittelbar nicht betroffen. Zudem schützt die zitierte Vorschrift des Art. 97 Grundgesetz davor, dass aus dem staatlichen Bereich, insbesondere von den anderen Staatsgewalten, auf einen Richter eingewirkt wird. Darum geht es hier nicht. Jedoch, Herr Kollege Montag: Interessenkollisionen, wie Sie sie ansprechen, können die Besorgnis der Befangenheit im Einzelfall begründen bei noch aktiven Richtern. Dies können die Verfahrensbeteiligten nach den einschlägigen prozessualen Vorschriften geltend machen. Zudem beugen weitere Regelungen - dazu gehören auch diejenigen zu Dienstverletzungen im Beamtenrecht - solchen eventuellen Interessenkollisionen vor. Herr Präsident, ich bitte darum, bei dieser Gelegenheit auch die zweite Frage des Kollegen Montag beantworten zu dürfen, weil sich die Nachfragen dann auf den gesamten Komplex beziehen können. Vizepräsident Eduard Oswald: Wenn der Kollege Montag dem zustimmt - ich sehe seinem Gesichtsausdruck an, dass dies der Fall ist -, rufe ich auch die Frage 78 des Kollegen Jerzy Montag auf: Erwägt die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, entsprechende Vorschriften im Deutschen Richtergesetz, Beamtenstatusgesetz oder ähnlichen Gesetzen klarer fassen zu lassen, um entsprechende Vorfälle künftig zu vermeiden? Bitte schön. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Hierzu ist zu sagen, dass das geltende Recht bereits Regelungen bereithält, die in einer unserer Meinung nach ausgewogenen Weise das Spannungsverhältnis lösen, nämlich das Spannungsverhältnis zwischen dem auch grundgesetzlich verankerten Recht eines ausgeschiedenen Richters auf eine nachfolgende Berufstätigkeit auf der einen Seite und dem Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Justiz und des öffentlichen Dienstes auf der anderen Seite. Hierfür gibt es verschiedene Regelungen. Beispielsweise § 105 Bundesbeamtengesetz und § 41 Beamtenstatusgesetz, die über Verweisungen entsprechend auch für Richterinnen und Richter gelten, begründen eine Anzeigepflicht für Ruhestandsbeamte mit Versorgungsbezügen. Danach müssen diese beim Ausscheiden mit der Regelaltersgrenze innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren - ansonsten innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren - jede Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes anzeigen, die mit der dienstlichen Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Beendigung des Beamtenverhältnisses in Zusammenhang steht und durch die dienstliche Interessen beeinträchtigt werden können. Ist zu besorgen, dass dienstliche Interessen beeinträchtigt werden, dann ist die Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung zu untersagen. Ich komme zum letzten Punkt der etwas umfangreichen Antwort: Auch das anwaltliche Berufsrecht enthält für den Fall einer anschließenden anwaltlichen Tätigkeit Vorkehrungen in Form von Tätigkeitsverboten. Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO darf ein Rechtsanwalt nicht tätig sein, wenn er in derselben Rechtssache als Richter bereits tätig geworden ist. Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Montag, jetzt haben Sie natürlich auch die entsprechende Menge an Zusatzfragen. Bitte schön. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. Davon bin ich selbstverständlich ausgegangen, weswegen ich der Zusammenlegung der beiden Fragen nonverbal zugestimmt habe. - Herr Staatssekretär, ich danke für Ihre umfangreiche Antwort, die eine kleine Vorlesung des geltenden Rechts war, das mir - davon können Sie selbstverständlich ausgehen - bekannt ist. Mir geht es um etwas anderes. Es geht mir um die politische bzw. rechtspolitische Situation, vor der wir aktuell stehen. Im letzten Spiegel hat sie der Präsident des Bundesgerichtshofs, Herr Tolksdorf, selbst als ein Problem dargestellt. Er hat gesagt: ... bereits der Anschein von mangelnder Neutralität schadet dem Ansehen des Gerichts und damit der Akzeptanz seiner Rechtsprechung ... In diesem Artikel, Herr Kollege Stadler, sind drei Fälle genannt worden. Ich kenne diese Richter überhaupt nicht. Diesen Richtern werfe ich auch subjektiv und persönlich gar nichts vor. Mir geht es nur um den bösen Schein und um die Akzeptanz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Das ist ein wirklich hohes Gut. In dieser Situation ist es so, dass ein Vorsitzender Richter eines Senats, der sich über Jahre hinweg mit Versicherungsfragen beschäftigt hat, direkt nach seiner Pensionierung in eine internationale Anwaltskanzlei gewechselt ist, die auf der Seite der Versicherungsgesellschaften seit Jahren in seinem Senat aufgetreten ist, und nun als Mitglied dieser Kanzlei für diese Mandanten Gutachten erstellt und Prozessvertretungen macht. Noch schlimmer: Der zweite Richter war Vorsitzender eines Senats für Aktienrecht und ist einen Tag nach seinem Ausscheiden aus dem Richterdienst in eine international tätige Anwaltskanzlei eingetreten, die seit Jahren vor dem Bundesgerichtshof - vor seinem Senat - Fälle verhandelt hat. Mich interessiert dieser konkrete Fall, nicht die allgemeine Rechtslage. Deswegen habe ich an die Bundesregierung die Frage: Warum ist es aufgrund geltenden Rechts nicht möglich, solche Fälle zu unterbinden? Wenn es nicht möglich ist: Was gedenkt die Bundesregierung anzustoßen, damit sich diese Fälle so nicht wiederholen können? Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Montag, wir sprechen über ein Problem, das nicht völlig neu ist, auch wenn es jetzt aktuelle Fälle gibt, über die der Spiegel gerade berichtet hat. Vielmehr geht es im Kern um die Frage: Soll es zulässig sein, dass jemand, der eine berufliche Tätigkeit im öffentlichen Dienst - in diesem Fall im Richteramt - ausgeübt hat, nach dem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst in einem verwandten Bereich anderweitig beruflich tätig wird? - Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit die Regelung getroffen, dass dies im Grundsatz zulässig ist. Ich habe aber beschrieben - das ist Ihnen natürlich bekannt -, dass es dafür auch Grenzen gibt. Diese brauche ich nicht ein zweites Mal zu zitieren. Ich glaube, hierbei muss man auch noch verschiedene Sachverhalte unterscheiden. Wenn ein Richter noch im aktiven Dienst tätig ist und beispielsweise schon vorvertragliche Beziehungen zu einer Anwaltskanzlei hat - ich weiß nicht, ob das in den konkreten Fällen so war -, dann ist dies ein Fall, für den das Prozessrecht die Möglichkeit bietet, dass der Richter dies den Prozessparteien anzeigt. Sie haben recht: Schon der Anschein einer Befangenheit muss vermieden werden. Das ist die eine Konstellation. Die andere Frage lautet: Soll es zulässig oder verboten sein, nach dem Ausscheiden aus dem Dienst eine berufliche Tätigkeit auszuüben? Auch hierzu hat der Gesetzgeber schon immer Überlegungen angestellt; denn das theoretische Problem ist ja alt, nur die praktischen Fälle sind jetzt neu. Der Gesetzgeber hat sich eben nicht dazu entschlossen, eine solche Tätigkeit generell zu verbieten, sondern er hat Regelungen vorgesehen, die ich bereits zitiert haben. Wenn man an ein generelles Verbot oder an ein zeitlich limitiertes Verbot denken würde, was ja auch in der Diskussion ist, dann müsste man sich gleichzeitig auch Fragen hinsichtlich Art. 12 Grundgesetz - Berufsfreiheit - stellen, auf den sich jemand durchaus stützen kann, der eine solche Tätigkeit ausüben will. Das ist also nicht einfach mit einem Federstrich zu lösen, sondern ich sage: Die Lösung, die der Gesetzgeber gefunden hat, ist eine differenzierte, und wir als Bundesregierung meinen, dass diese ausreicht. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Frage. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke. - Herr Staatssekretär Stadler, ich habe den Eindruck, dass Sie mir und dem Problem, das wir tatsächlich haben, ausweichen. Sie wissen ganz genau - wahrscheinlich sogar besser als ich -, dass die Stimmung am Bundesgerichtshof seit Monaten in einem hohen Maße vergiftet ist. Seit vielen Jahren hat es am Bundesgerichtshof keine so schlimme emotionale Situation wie zurzeit gegeben. Die vom Spiegel berichteten drei Fälle sind beileibe nicht alle. Es geht nicht darum, dass Beamte oder Richter nach dem Ausscheiden aus ihrem Dienst keinen Beruf ausüben dürfen. Das sollen sie natürlich dürfen, und das ist auch vernünftig und ihr verfassungsmäßiges Recht, aber das Grundrecht, das Sie zitiert haben, wird durch gesetzliche Bestimmungen ausgeformt und gestaltet. Wir haben hier ein hohes Gut zu verteidigen, nämlich die Akzeptanz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Deswegen frage ich Sie noch einmal konkret. ´ Es gibt folgende Fälle - hierbei geht es nicht um alte, sondern um neue, konkrete Fälle, die sich wiederholen können -: Vor bestimmten Senatsvorsitzenden, die viele Jahre in ihrem Senat die Rechtsprechung in einem bestimmten Rechtsgebiet gestaltet haben, haben Anwaltskanzleien seit Jahren um die Rechtsprechung dieses Senates gerungen - das alles geschieht ja im Bereich Zivilrecht; es ist ein enger Closed Shop von 50 Personen -, und einige Tage oder einige Wochen nach Ende ihrer Dienstzeit sind diese Senatsvorsitzenden in die entsprechenden Anwaltskanzleien gewechselt. Dadurch wird doch der böse Schein erweckt, dass der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung nicht unabhängig und objektiv, sondern mit den Interessen der vor ihm auftretenden Parteien verwoben ist. Deswegen frage ich noch einmal: Gedenkt die Bundesregierung irgendetwas zu unternehmen, um in Zukunft den sich aus diesen Fallkonstellationen - nicht aus der Berufstätigkeit allgemein - ergebenden bösen Schein, ein Gericht, das höchste deutsche Gericht, sei nicht mehr unabhängig, zu vermeiden? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Noch einmal, Herr Kollege Montag: Ich widerspreche Ihnen gar nicht, dass dies ein Gebiet ist, dass von allen Akteuren wirklich Fingerspitzengefühl erfordert. Das will ich ganz deutlich im Namen der Bundesregierung sagen. Die aktuelle Debatte, die aufgrund der Berichterstattung eingesetzt hat, mag dazu beitragen, dass alle Akteure stärker für das Thema sensibilisiert werden. Trotzdem muss man zurückweisen, dass die Unabhängigkeit des Gerichtes nicht gegeben sei. Ich habe nicht ohne Grund darauf verwiesen, dass Fallkonstellationen sehr unterschiedlich gelagert sein können. Man kann doch nicht daraus, dass sich jemand, der vorher mit einer Anwaltskanzlei in keinerlei Beziehung gestanden hat - ich habe die Konstellation genannt, dass kein Vorvertrag oder keine Abrede besteht, dort in absehbarer Zeit einzutreten -, nach Ausscheiden aus dem richterlichen Dienst dafür entscheidet, sein berufliches Wissen in anwaltlicher Tätigkeit weiterhin zu nutzen, den Rückschluss ziehen, dass die richterliche Tätigkeit nicht neutral und unabhängig ausgeübt worden sei. Nun wird, um auch jeglichen bösen Anschein zu vermeiden - das ist das Anliegen Ihrer Fragestellung -, diskutiert, dass man hier eine Art Karenzzeit von einem Jahr oder zwei Jahren vorsieht. Diese Lösung hätte zweifellos den Vorteil, dass sie einfach handhabbar wäre, während das geltende Recht auf die Situation in Einzelfällen abstellt. Aber noch einmal: Wir sind ganz am Anfang einer Diskussion. Wir müssen in diese Diskussion auch einbeziehen, dass es eben ein Grundrecht aus Art. 12 des Grundgesetzes gibt und dass wir nach dem Apothekenurteil des Bundesverfassungsgerichts in einer Stufenfolge prüfen müssen, welche Einschränkungen zulässig sind und welche nicht. Man kann nicht am Anfang einer Diskussion sagen: Es ist völlig unproblematisch und zulässig, hier eine Lösung in Form einer Karenzzeit von einem Jahr oder zwei Jahren zu finden. Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön, Herr Kollege Jerzy Montag, Ihre dritte Nachfrage. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank für Ihre Antwort. - Immerhin habe ich der etwas verklausulierten Wortwahl entnommen, dass die Idee einer objektiven Karenzzeit von einem Jahr oder zwei Jahren als eine Möglichkeit dazu, wie wir das geltende Recht für das vorliegende Problem schärfen könnten, nicht aus der Welt ist. Sie haben gesagt: Es liegen keine Vorverträge oder keine Verhandlungen aus der aktiven Zeit vor. - Ich sage Ihnen: Diese vorvertraglichen Verhandlungen - das ist alles bekannt und nicht neu - werden beim gemeinsamen Tennis- und Golfspiel in Karlsruhe angebahnt. Aber ganz konkret: Der Präsident des Bundesgerichtshofs zeigt sich wegen der aktuellen Situation an seinem Gericht besorgt. Ich zitiere noch einmal Professor Tolksdorf: ... bereits der Anschein von mangelnder Neutralität schadet dem Ansehen des Gerichts und damit der Akzeptanz seiner Rechtsprechung ... Das hat er nicht allgemein gesagt, sondern das hat er auf die aktuellen Vorfälle der letzten Wochen bezogen. Stimmen Sie diesen Aussagen des Präsidenten zu oder nicht? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Montag, zum einen habe ich mich nicht auf konkrete Fälle bezogen, deren Einzelheiten ich gar nicht kenne. Vielmehr habe ich Beispiele für Fallgruppen genannt, die man berücksichtigen muss, wenn man sich der Frage nähert, ob die geltenden Gesetze ausreichen oder ob es Änderungsbedarf gibt. Zum anderen haben Sie offenbar mehr Kenntnisse darüber, was auf Tennisplätzen alles besprochen wird, als ich. Das will ich jetzt nicht kommentieren; ich will nur sagen: Selbstverständlich enthält auch das Deutsche Richtergesetz eine einschlägige Vorschrift, die ich gerne zitieren möchte - neuerdings darf man im Plenum des Bundestags auch das iPad als technisches Hilfsmittel benutzen -: Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes ... so zu verhalten, daß das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Daraus kann man ersehen, dass das Problem, dass es nicht nur um tatsächliche Abhängigkeiten geht, sondern auch der Anschein von Unabhängigkeitsverlusten zu vermeiden ist, dem Gesetzgeber schon immer bewusst war und dass er dafür Regelungen getroffen hat. Ich habe nur auf eines aufmerksam gemacht: Wenn man nun anhand aktueller Fälle meint, Präzisierungen in den langjährig geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu brauchen, wie Sie es in Ihrer Frage genannt haben, dann ergeben sich neue Probleme, nämlich beispielsweise Abgrenzungsfragen. Sollte einem Richter, der später in einer Anwaltskanzlei tätig ist, beispielsweise für die Dauer von einem oder zwei Jahren jegliche Tätigkeit dort untersagt werden oder nur eine spezielle? Soll also jemand, der, wie Sie es geschildert haben, im Zivilrecht tätig war, künftig nicht als Strafverteidiger tätig sein dürfen? Das macht deutlich, dass die Fragen nicht so leicht zu beantworten sind, dass es in einer Fragestunde im Deutschen Bundestag schon abschließende Antworten geben könnte. Ich darf unsere Grundposition wiederholen: Wir meinen, dass die geltenden Bestimmungen durchaus geeignet sind, die Probleme zu bewältigen. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben jetzt Ihre vierte Nachfrage. Bitte schön. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie wird sehr kurz sein, Herr Staatssekretär Stadler, weil sie sich auf meine dritte, nicht beantwortete Nachfrage bezieht. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat die Situation an seinem Gericht, die sich durch einige aktuelle Fälle ergeben hat, und die geltende Rechtslage mit den Worten beklagt, bereits der Anschein von mangelnder Neutralität schade dem Ansehen des Gerichts und damit der Akzeptanz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Stimmen Sie dieser Aussage zu, oder halten Sie sie für falsch? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Montag, ich habe hier nicht Bewertungen des Präsidenten des Bundesgerichtshofs zu kommentieren. Ich darf vielmehr meinerseits aus seinen Äußerungen zitieren. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat auch gesagt, er habe keine Zweifel an der persönlichen Integrität der betreffenden Richter. Damit zitiere ich aus demselben Artikel im Spiegel wie Sie. Ich wiederhole, dass die ganze Debatte dazu führen möge, dass sich alle Beteiligten der sensiblen Thematik mit dem gebotenen Fingerspitzengefühl nähern. Das ist das Erste, was man erwarten kann. Davon zu unterscheiden ist die Frage - über die wir uns schon längere Zeit austauschen -, ob es Bedarf gibt, Gesetze zu ändern. Das muss sehr sorgfältig geprüft werden, weil man dann zu neuen Abgrenzungsproblemen kommt, auch zu grundrechtlichen Problemen im Zusammenhang mit Art. 12 des Grundgesetzes, und weil schon ein Regelwerk besteht, das sich über die Jahre durchaus bewährt hat. Vizepräsident Eduard Oswald: Wir haben jetzt eine weitere Nachfrage unseres Kollegen Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, dass zumindest der eine Fall, der vom Kollegen Montag geschildert wurde, dass jemand einen Tag nach Beendigung des Richteramtes eine Tätigkeit in einer einschlägigen Anwaltskanzlei aufnimmt, zumindest darauf hindeutet - wenn sie sich nicht am ersten freien Tag morgens zum Tennisspielen getroffen haben -, dass in der Zeit, als der Richter noch im Amt war, er gleichzeitig Vertragsverhandlungen mit seinem zukünftigen Arbeitgeber geführt haben muss, und dass das eine Deutung zumindest als möglich erscheinen lässt, dass in dieser Zeit eine Verpflichtung des Richters zwar noch nicht vertraglicher Art, aber doch künftig gegenüber der Kanzlei bestand und damit der Anschein erweckt werden kann, dass hier die Unabhängigkeit infrage gestellt wird? Wenn dieser Fall nach der gängigen Rechtslage möglich ist, meinen Sie nicht, dass dann zumindest klar ist, dass wir an der Rechtslage etwas ändern müssen? Was zu ändern ist, können wir in den Fachgremien diskutieren. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Beck, der Vorgang, den Sie zitieren, ist im Spiegel ganz bewusst im Konjunktiv dargestellt. Der Spiegel formuliert in solchen Artikeln immer ganz bewusst und unterscheidet zwischen dem, was man als Tatsachen kennt, und dem, was nur eine Möglichkeit ist. Darauf darf ich doch hinweisen. Da ich dazu keine intimeren Kenntnisse als hier dargestellt habe, versage ich es mir, aus Möglichkeiten Schlussfolgerungen zu ziehen. Der entscheidende Punkt ist aber ein anderer: Wollen wir, wie es dem geltenden Recht entspricht, weiterhin zulassen, dass jemand auch nach seiner aktiven Zeit im öffentlichen Dienst in einem anderen Beruf, der mit dem früheren durchaus verwandt ist, tätig ist, oder soll dies nicht zugelassen werden, weil Interessenkonflikte bestehen oder ein Verlust des Vertrauens in den öffentlichen Dienst - in dem Fall in ein Gericht - entstehen kann? Wenn man der Meinung ist, dass hier ein Problem besteht, muss man die weitere Frage erörtern, wann die Quantität in Qualität umschlägt. Sie haben in Ihrer Frage den Vorgang erwähnt, dass am Tag nach dem Ausscheiden der Betroffene für eine Anwaltskanzlei tätig geworden sein soll. Wie wäre es, wenn es eine Woche, einen Monat oder zwei Monate später - bei einem anderen Vorgang war es nach eineinhalb Jahren - geschieht? Wo zieht man da die Grenze? Ich will bei Ihnen dafür für Verständnis werben, dass diese Fragen nicht so einfach zu beantworten sind, wie Sie es jetzt mit Ihrer Wortwahl, dass doch alles klar sei, insinuiert haben. Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Volker Beck, Sie haben eine weitere Nachfrage. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gibt bezüglich der Karenzzeit unterschiedliche Modelle. Es gibt das Modell, das ein Totalverbot vorsieht, und es gibt das Karenzmodell der Europäischen Kommission für ausscheidende Kommissionsmitglieder, das einen Genehmigungsvorbehalt durch ein Gremium vorsieht. Man kann die Modelle unterschiedlich bewerten. Zumindest gegen die Regelung, die den Genehmigungsvorbehalt vorsieht, kann man wahrscheinlich verfassungsrechtliche Bedenken nicht vorbringen. Ich möchte etwas richtigstellen. Vielleicht bin ich der deutschen Grammatik nicht so mächtig, aber ich meine, einen Indikativ zu erkennen. Ich darf zitieren: Der Vorsitzende Richter am Zweiten Zivilsenat ging am 30. September vorigen Jahres in den Ruhestand. Nur einen Tag später begann er als Berater bei der Wirtschaftskanzlei Gleiss Lutz. Weitere 24 Stunden später hatte er seinen ersten Auftrag. Am 5. Oktober lieferte Goette die vom Fresenius-Konzern bestellte Expertise ab. Nach meinen grammatikalischen Kenntnissen handelt es sich um indikativische Formulierungen im Imperfekt. Vielleicht hat die Bundesregierung weitergehende grammatikalische Kenntnisse. Vizepräsident Eduard Oswald: Ohne die Duden-Redaktion heranziehen zu müssen - bitte schön. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Beck, meine Äußerung bezog sich auf eine weitere Formulierung im Spiegel, die ich Ihnen wörtlich vortragen darf: Hätte er schon in jenen Tagen - gemeint ist, als er noch im richterlichen Dienst war - einen Vertrag verhandelt oder unterschrieben, wäre - - (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er freilich nicht gemacht! Das hat er am Morgen nach Beendigung des Richteramtes gemacht!) - Ich bin jetzt mit der Beantwortung dran, Herr Kollege Beck. Ich habe Ihnen aufmerksam zugehört, als Sie die Stellen zitierten, und in der Tat lauter Indikative vorgefunden. - Aber die entscheidende Frage ist doch: Ist die Konstellation eine solche, dass hier ein Vertrauensverlust zu besorgen ist? Ein solcher wird vom Spiegel für den Fall unterstellt, dass schon im Vorhinein ein Vertrag verhandelt worden wäre. Dies ist - das habe ich zum Ausdruck gebracht - im Spiegel ganz bewusst in den Konjunktiv gesetzt worden, weil vermutlich eine tatsächliche Kenntnis darüber auch beim Spiegel nicht vorhanden ist. Der entscheidende Punkt - da sind wir uns doch alle einig - ist: Mit welchem Modell sichert man das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität der Rechtsprechung? Ich sage noch einmal: Ich habe nicht den geringsten Zweifel an der Unabhängigkeit unserer Gerichte und an der Unabhängigkeit des Bundesgerichtshofs. Es gibt ja jetzt auch schon ein Modell, mit dem das Vertrauen in die Integrität gesichert werden soll; ich habe es vorhin zitiert. Da sich die Diskussion darauf jetzt zuspitzt, darf ich das noch einmal erwähnen: Tätigkeiten nach Beendigung des Dienstverhältnisses als Beamter oder Richter, die mit der früheren Tätigkeit im Zusammenhang stehen und durch die dienstliche Interessen beeinträchtigt werden können, können nach der geltenden Rechtslage untersagt werden. Bei diesem Ansatz hat sich ja der Gesetzgeber - dazu gab es ja keinen parteipolitischen Streit; das ist eine lange bestehende Regelung - etwas gedacht, nämlich dass man der Thematik damit angemessen begegnet. Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass andere Modelle diskutiert werden. Ich habe mir aber erlaubt, nicht einfach pauschal zu sagen: "Darin liegt das Heil"; vielmehr habe ich auf Probleme aufmerksam gemacht, die bei anderen Lösungen entstehen würden, Probleme, die wir jetzt so nicht haben. Mit dieser differenzierten Betrachtungsweise gehen wir in die weitere Debatte. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Max Stadler, für die Beantwortung der Fragen. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle anderen Fragen, auch die zu anderen Geschäftsbereichen, werden schriftlich beantwortet. Damit ist die Fragestunde beendet. Wir unterbrechen jetzt unsere Beratungen bis 15.45 Uhr. Dann rufen wir den Zusatzpunkt Aktuelle Stunde auf. (Unterbrechung von 15.16 bis 15.46 Uhr) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Wir kommen zu Zusatzpunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Haftung der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Bundesrepublik Deutschland für Fehler beim Börsengang der Deutschen Telekom im Jahre 2000 (Entscheidung des BGH vom 31. Mai 2011) Erster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Norbert Brackmann. Bitte schön, Kollege Norbert Brackmann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Norbert Brackmann (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor neun Tagen hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau rund 120 Millionen Euro Schadensersatz an die Telekom leisten muss für einen Vorgang, der eine ganze Reihe von Jahren zurückliegt. Vor elf Jahren hat Rot-Grün, seinerzeit in der Regierungsverantwortung, den Versuch unternommen, zu privatisieren, indem die dritte Tranche von Telekom-Aktien auf den Markt gebracht wurde. Dabei hat man sich, wie wir heute feststellen dürfen bzw. wie das Gericht festgestellt hat, offenbar nicht besonders klug verhalten; denn wir sollten uns ja bemühen, mit Umsicht, mit Weitsicht und mit Wissen vorzugehen. Mit Umsicht wurde eindeutig nicht vorgegangen; denn schon ganz kurze Zeit nachdem die Aktie für etwas über 66 Euro an den Markt gegangen ist, hatte sie nur noch einen Wert von 10 Euro, gab es also einen Verlust von über 80 Prozent, und das, obwohl man diese Aktie als Volksaktie unters Volk gebracht hat und so ein ganz bestimmtes Publikum ansprechen wollte. Heute kann man sagen: Den Schaden haben die kleinen Leute getragen, die seinerzeit auf die Empfehlung vertraut haben, ihr Geld einmal in Aktien anzulegen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es war auch nicht weitsichtig; denn jetzt, elf Jahre später, bescheinigt der Bundesgerichtshof, dass in dem Prospekt, der seinerzeit ausgelegt wurde und der Grundlage für den Verkauf dieses Aktienpakets war, die Immobilien in den USA ganz offenbar deutlich überbewertet waren. Dies wird heute als Fehler gerügt, und deswegen wird die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die diese Aktien im Auftrag des Bundes an den Markt gebracht hat, zum Schadenersatz verurteilt. Damit werden heute all diejenigen, die die Leistungserbringer unserer Gesellschaft sind, ein weiteres Mal bestraft; denn unabhängig von der Frage, die noch gerichtlich geklärt werden muss, ob die Kreditanstalt für Wiederaufbau diese rund 120 Millionen Euro nun aus den eigenen Töpfen zahlen muss oder ob direkt der Bund in Regress genommen wird, fehlen der Kreditanstalt für Wiederaufbau auf jeden Fall rund 120 Millionen Euro für ihr segensreiches Wirken. Hierbei geht es ja um Bereiche, die wir im Deutschen Bundestag immer wieder diskutieren: von Stadtumbau über Wohngebäudesanierung bis hin zu Wärmedämmung und Ähnlichem. Damit entsteht der Bundesrepublik Deutschland nun ein Schaden durch rot-grünes Fehlverhalten im Jahr 2000. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es geht auch noch um ein Drittes, meine sehr verehrten Damen und Herren: Nicht nur mit Umsicht und Weitsicht, sondern auch mit Wissen sollen wir versuchen, Politik zu gestalten. Wissen können wir angesichts dieser Entwicklung Hans Eichel und der damaligen rot-grünen Regierung beim besten Willen nicht bescheinigen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Denn wenn wir Wissen bescheinigen würden, dann könnte angesichts der Bewertung durch den Bundesgerichtshof, gemäß dem ja falsche Zahlen genannt wurden, die Folgerung nur sein, dass es sich um vorsätzlichen Betrug handelte. Das wollen wir der damaligen Bundesregierung heute nicht unterstellen. (Johannes Kahrs [SPD]: Das wäre auch schlimm!) - Das wäre in der Tat auch schlimm, Kollege Kahrs. Aus den genannten Gründen hat es weder Weitsicht noch Umsicht noch Wissen bei diesem Vorgehen gegeben. Alle, die heute bereit sind, daraus eine Lehre zu ziehen, können wir nur einladen, sich an der Grunddiskussion zu beteiligen, die wir in der CDU in der Tradition von Ludwig Erhard schon immer geführt haben, nämlich zu überlegen, wie wir es schaffen - das wollen und wünschen wir uns nämlich -, dass diejenigen Menschen, die kraft eigener Leistung in der Lage sind, den einen oder anderen Euro auf die hohe Kante zu legen bzw. für die eigene Altersversorgung einzusetzen, Geld in Unternehmen und Zukunft investieren bzw., wie es in Ihrer Diktion heißt, sich am Produktivkapital beteiligen. Dafür bedarf es aber des Vertrauens. Wer, wenn nicht die Bundesregierung, der Bundestag und die öffentliche Hand, ist dazu aufgerufen, für dieses Vertrauen zu werben, statt es so aufs Spiel zu setzen, wie Sie es getan haben? Es bleibt heute nur festzuhalten, dass Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, seinerzeit einen Riesenfehler gemacht haben. Heute können wir Sie nur aufrufen, es uns nachzumachen und bei allem Handeln daran zu denken, dass Umsicht, Weitsicht und Wissen benötigt werden, wenn wir für die Menschen in unserem Land etwas Positives bewirken wollen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Johannes Kahrs [SPD]: Haben wir bei der Atomkraft gemerkt!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Norbert Brackmann. - Jetzt für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Burkhard Lischka. Bitte schön, Kollege Burkhard Lischka. (Beifall bei der SPD - Johannes Kahrs [SPD]: Auf sie mit Gebrüll!) Burkhard Lischka (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, Ihnen müssen jetzt wirklich die politischen Themen ausgegangen sein, wenn Sie heute Nachmittag den Versuch unternehmen wollen, mit uns eine aktienrechtliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu diskutieren, die sich mit so spannenden Themen wie "Prospekthaftung" und "Einlagenrückgewähr" beschäftigt. Das sind ja zwei Begriffe, die ohnehin schon die meisten Juristen gar nicht kennen. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Ihre Juristen vielleicht nicht!) Da reibt man sich wirklich verwundert die Augen: Anstatt die wirklich drängenden Probleme dieses Landes zu besprechen, greifen Sie Vorgänge auf, die elf Jahre zurückliegen, und debattieren über ein Gerichtsverfahren, das noch nicht einmal abgeschlossen ist. Der Bundesgerichtshof hat den Fall ja wieder an die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Köln, zurückverwiesen. Das heißt, das Verfahren läuft noch. Kurzum: Diese Aktuelle Stunde ist überflüssig wie ein Kropf. Weil Ihnen die politischen Inhalte und Ideen fehlen, reden wir heute über eine aktienrechtliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs. (Beifall bei der SPD) Weil das natürlich nach außen hin überhaupt nicht vermittelbar wäre, fangen Sie gleichzeitig an, die Backen aufzublasen, Herr Kollege Brackmann, und erzählen hier, schuld an allem sei Rot-Grün, weil die diesen Telekom-Börsengang nur gemacht hätten, um Geld für den Bundeshaushalt freizuschaufeln. (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: War es nicht so?) Das ist, wie ich finde, schon ein ganz interessantes Argument, und zwar unter zwei Gesichtspunkten: Erstens. Es war die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Helmut Kohl, die angefangen hat, die Telekom zu privatisieren und die übrigens auch die erste Tranche von über 713 Millionen Aktien auf dem Kapitalmarkt platziert hat. Insofern hat Rot-Grün allenfalls das fortgesetzt, was die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Helmut Kohl begonnen hat. (Beifall bei der SPD - Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das hat der Kollege vergessen zu erwähnen! - Norbert Brackmann [CDU/CSU]: Offenbar sind Sie ja lernfähig! - Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Erinnern Sie sich noch an die Überschrift für Rot-Grün: "Handwerklich schlecht"?) Zweitens. Es ist der FDP-Kollege Florian Toncar, der in diesen Tagen in den Medien fordert, zur Sanierung des aktuellen Haushalts und zur Finanzierung Ihrer Kehrtwende in der Energiepolitik auch noch die restlichen Telekom-Aktien zu verkaufen. Also hören Sie auf, so zu tun, als sei das alles nur eine rot-grüne Idee gewesen und Sie hätten mit dem Börsengang der Telekom gar nichts zu tun. Das ist schlicht und einfach unwahr. Dann erzählen Sie, Herr Kollege Brackmann, jetzt kämen Schadensersatzforderungen auf die Steuerzahler zu. Sie haben eben davon gesprochen, ein Schaden von 120 Millionen Euro müsse beglichen werden, und zwar durch die KfW, durch den Bund und damit auch durch den Steuerzahler. Auch das ist nicht richtig, Herr Kollege Brackmann. Wenn Sie sich einmal mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs beschäftigen, dann werden Sie feststellen, dass er zur Höhe des Schadens überhaupt nichts gesagt hat, sondern dass er gerade aus diesem Grund die Angelegenheit an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen hat. Der Bundesgerichtshof hat im Übrigen auch offengelassen, ob hier überhaupt eine Haftung des Bundes vorliegt. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass Sie in Ihrer derzeitigen Situation nach jedem Strohhalm greifen. Aber wenn Sie schon meinen, die Menschen in dem laufenden Gerichtsverfahren verunsichern zu müssen, dann schauen Sie sich doch bitte wenigstens einmal die Entscheidung oder zumindest die Pressemitteilung zu der Entscheidung an. Das ist das Mindeste, was wir verlangen, wenn Sie eine solche Aktuelle Stunde auf die Tagesordnung setzen. Das Ganze wird noch putziger dadurch, dass der Kollege Koppelin in einer Pressemitteilung gesagt hat, er habe das alles schon im Jahr 2000 gewusst; (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Da hat er auch alle anderen Sachen schon gewusst!) er habe darauf hingewiesen, dass der Verkaufsprospekt fehlerhaft und das Ganze juristisch wackelig sei. Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege Koppelin; da sind Sie juristisch schlauer als die Vorinstanz des Bundesgerichtshofes, das OLG Köln, das die Klage noch komplett abgewiesen hatte. Wenn Sie sich mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes beschäftigen, dann werden Sie feststellen, dass er überhaupt keine Feststellung dazu getroffen hat, ob dieser Verkaufsprospekt tatsächlich fehlerhaft war. Es gibt nicht einmal ein US-amerikanisches Gericht, das die Fehlerhaftigkeit des Verkaufsprospektes festgestellt hätte; denn die Sache wurde durch einen Vergleich beendet. Streuen Sie hier keine Gerüchte, und blasen Sie die Dinge nicht auf! Warten Sie erst einmal das Ende des Gerichtsverfahrens ab! Die Zeit könnten Sie nutzen, um politische Themen zu finden, über die es sich wirklich zu debattieren lohnt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Burkhard Lischka. - Jetzt für die Fraktion der FDP unser Kollege Dr. Jürgen Koppelin. Bitte schön, Kollege Dr. Koppelin. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist das Thema aktuell. Wir haben uns nicht nur heute im Haushaltsausschuss damit beschäftigt, sondern wir werden uns auch zukünftig damit beschäftigen müssen; (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) denn es geht um die Frage: Wer zahlt am Ende den Betrag? Es kann ja durchaus sein, dass die KfW sich beim Bund schadlos hält. Das wird allerdings noch in einem weiteren Verfahren zu klären sein. (Zuruf des Abg. Burkhard Lischka [SPD]) - Ich habe Ihnen in Ruhe zugehört. Vielleicht noch etwas zur Historie, weil Sie damals nicht dabei waren. Für diejenigen, die sich mit der Materie nicht so gut auskennen: Am 31. Mai dieses Jahres hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau Aufwendungen der Telekom ersetzen muss, die dieser nach dem dritten Börsengang durch den Abschluss eines Vergleiches in den USA entstanden sind. Ob auch der Bund der Telekom gegenüber zum Ersatz von Aufwendungen verpflichtet ist, wird in einem weiteren Verfahren zu klären sein. Das ist so entschieden worden. Es geht darum, dass die Telekom von KfW und Bund gefordert hat, ihr Aufwendungen in Höhe von immerhin 112 Millionen Euro zu ersetzen. 95 Millionen Euro sind laut Entscheidung des Bundesgerichtshofs sofort von der KfW an die Telekom zu überweisen. Was mit dem Rest ist, wird noch geklärt. Dabei geht es vor allem um die Anwaltskosten; die Telekom macht circa 17 Millionen Euro Anwaltskosten geltend. Dieses Urteil ist nach einer Sammelklage von Aktionären in den USA entstanden. Die Aktionäre hatten beim dritten Börsengang der Telekom Aktien gekauft und in kürzester Zeit eine erhebliche Menge Geld verloren. Es ist nicht so, lieber Herr Kollege, dass der dritte Börsengang eine Fortsetzung der beiden Börsengänge war, die unter der Regierung Kohl stattgefunden haben; denn damals war der Börsenprospekt richtig, während er bei Ihnen falsch war. Das ist der gewaltige Unterschied. Bei den ersten beiden Börsengängen sind die Aktionäre und die Kleinsparer nicht betrogen worden; bei Ihnen sind sie zumindest hinters Licht geführt worden. Die damalige rot-grüne Koalition hat im Jahr 2000 entschieden, einen dritten Börsengang der Telekom durchzuführen. SPD und Grüne wollten dadurch für den Bundeshaushalt circa 15 Milliarden Euro einwerben. Die Zeit schrieb: Die Telekom geht an die Börse, "und ich geh' mit", versprach Manfred Krug im Werbefernsehen, irgendwo zwischen Spots für Waschmittel und Tütensuppen. Der Schauspieler gab der Privatisierung des Staatskonzerns ein Gesicht und buhlte um das Geld der Massen. Diese Massen waren Hausfrauen, Rentner, Angestellte, Arbeiter und Kleinanleger. Was Manfred Krug nicht wissen konnte: Beim letzten von Rot-Grün veranlassten Aktienverkauf im Jahr 2000 wurden Kleinanleger massenhaft getäuscht, sie wurden um ihr Vermögen, um ihr Erspartes gebracht. Es ist hier schon gesagt worden: Der Ausgabekurs betrug etwas über 66 Euro, später lag der Kurs nur noch bei 10 Euro. Das lag unter anderem daran, dass der Börsenprospekt mit falschen Angaben gespickt war, veranlasst durch die damalige Bundesregierung. Die damaligen Oppositionsparteien CDU/CSU und FDP haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass der Börsenprospekt nicht korrekt ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das will ich Ihnen an einem Beispiel deutlich machen. Wir haben damals im Haushaltsausschuss mit dem damaligen Staatssekretär Overhaus über diesen Prospekt heftig diskutiert. Worum ging es? Es ging unter anderem um den Immobilienbesitz der Telekom. Dieser ist nach dem Börsengang locker vom Hocker sozusagen weggeschätzt worden. Denn kaum war der Prospekt veröffentlicht und kaum waren die Aktien verkauft, musste die damalige Bundesregierung eingestehen, dass die Angaben im Prospekt nicht richtig waren und die Angaben 10 Milliarden Euro nach unten korrigiert werden mussten. Als wir nochmals nachfassten, sagte der damalige Staatssekretär im Haushaltsausschuss - das ist alles nachzulesen -, im Übrigen seien wegen der niedrigeren Immobilienpreise auch die Immobilienwerte insgesamt gefallen, woran die Regierung aber keine Schuld habe. So haben Sie die Leute hinters Licht geführt. Ein Unterschied von 10 Milliarden Euro ist doch gewaltig. Hinzu kommen ein paar andere Dinge. Keiner wusste damals - auch wir nicht - vom Deal der rot-grünen Koalition mit den Gewerkschaften. Angesichts der Kritik an Griechenland in diesen Tagen muss man sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Ein Jahr nach dem dritten Börsengang der Telekom schieden bei der Telekom über 10 000 Mitarbeiter aus, 98 Prozent aus gesundheitlichen Gründen. Davon waren wiederum 25 Prozent jünger als 40 Jahre. Das war Ihr Deal mit den Gewerkschaften; dies stand nicht im Börsenprospekt. Wir haben danach gefragt. Sie können das in den Unterlagen des Haushaltsausschusses nachlesen. Ein weiteres Beispiel: Sie haben damals auch bei der IKB Geld verbrannt, wofür der Steuerzahler dann haften musste. Im Jahre 2007 entschuldigte sich der Schauspieler Manfred Krug öffentlich dafür, dass er den Kauf von Telekom-Aktien empfohlen habe. Weder Sozialdemokraten noch Grüne haben sich heute entschuldigt. Sie haben viele Menschen - ich will nicht sagen, absichtlich - geschädigt. Diese Aktuelle Stunde heute wäre eine gute Gelegenheit, sich bei den damaligen Käufern der T-Aktie, die Sie so hinters Licht geführt haben, zu entschuldigen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Jürgen Koppelin. - Jetzt hat für die Fraktion Die Linke unser Kollege Dr. Dietmar Bartsch das Wort. Bitte schön, Kollege Dr. Dietmar Bartsch. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befassen uns heute auf Verlangen von CDU/CSU und FDP in dieser Aktuellen Stunde mit den negativen Auswirkungen der Privatisierung der Telekom. Das ist, wenn ich es freundlich ausdrücke, eine Irreführung der Öffentlichkeit. Denn Sie, Herr Brackmann, tun so, als ob Schwarz-Gelb gegen die Privatisierung der Telekom gewesen wäre. Das ist aber schlicht nicht wahr. Sie waren es, die diesen Prozess begonnen haben. Schwarz-Gelb hätte die Privatisierung der Telekom genauso fortgeführt und wäre in der Zukunft um keinen Deut von diesem Kurs abgewichen. Wenn es nach dem Willen der jetzigen Regierungskoalition gegangen wäre, wäre noch mehr privatisiert worden. Wir können von einem Segen der Finanzmarktkrise insoweit reden, als Sie ansonsten die Bahn privatisiert hätten. Ihr Kurs ist das eigentliche Problem. Sie wollen möglichst alles privatisieren. Die jetzt zu beobachtenden negativen Folgen sind nur die Spitze des Eisbergs. (Beifall bei der LINKEN) Eine Klarstellung: Viele Kleinaktionäre haben Geld verloren. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zahlen die Zeche ein weiteres Mal. Egal wie die Prozesse ausgehen und unabhängig davon, ob der Bund oder die KfW betroffen sind, es gibt auf jeden Fall einen Vermögensabfluss; das hat Herr Kampeter vorhin im Ausschuss gesagt. Das muss von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bezahlt werden. Das ist die Wahrheit. Wir müssen darauf hinweisen, dass die kleinen Leute letztendlich zweimal betrogen werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Da klatscht man normalerweise nicht! Das ist traurig!) Es gab damals eine Fraktion, die den Kurs der Privatisierung - die Privatisierung war doch das Grundübel - deutlich kritisiert hat, nämlich die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben den damaligen haushalts- und finanzpolitischen Kurs von Hans Eichel kritisiert. Er sprach sich nämlich für Privatisierungen aus und sagte: Wir machen möglichst schnell Geld. - Das ist ein Riesenproblem. Ich will ein anderes Problem nennen, das zeigt, dass die heutige Bundesregierung unglaubwürdig ist. Sie oktroyiert heute Ländern wie Griechenland und Portugal Privatisierungen auf; sie sollen zum Beispiel ihre Telekommunikationsunternehmen privatisieren. Sie können doch die schlechten Erfahrungen nicht auch noch in Europa weitergeben. Man muss der Bundeskanzlerin einmal sagen, dass dieser Kurs gar nichts mit Zukunftschancen und Freiheit zu tun hat; in diesem Sinne hat sie wirklich überhaupt keinen Freiheitspreis verdient. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]) Ich will auf ein grundsätzliches Problem aufmerksam machen. Die falsche Politik der Privatisierung führt zu einem großen Moralproblem in unserer Bevölkerung. Auf der einen Seite haben wir Herrn Ackermann, der eine Eigenkapitalrendite von über 20 Prozent vorgibt, auf der anderen Seite den kleinen Sparer, der jetzt bei der Sparkasse, meinetwegen auch bei der Deutschen Bank, 0,9 Prozent Zinsen erhält. Bei der Telekom-Aktie haben wir die Erwartung einer Rendite von 8 Prozent geweckt, sodass selbst die Oma auf einmal Dollarzeichen in den Augen hatte. Es liegt doch in unserer Verantwortung, dies befördert zu haben; wir leisten einen Beitrag dazu, dass bei der Moral einiges ins Arge kommt. Sehr viele haben mit der Telekom-Aktie Geld verloren. Damit haben wir ein Stück weit unser Gemeinwesen beschädigt. Ich bin mir im Übrigen ziemlich sicher, dass sich die KfW das Geld vom Bund zurückholen wird. Der Kleinaktionär kann sich überhaupt nichts zurückholen; das ist doch die Realität. Er wird zum zweiten Mal zur Kasse gebeten. Ja, die damals Verantwortlichen sind zu kritisieren; damit bin ich ohne Wenn und Aber einverstanden. Wir haben die damalige Finanzpolitik kritisiert; aber sie ist bei Schwarz-Rot und auch bei Schwarz-Gelb nicht anders geworden. Der Kurs ist doch derselbe geblieben. Es geht zuallererst um Privatisierung. Herr Koppelin, ich wundere mich schon, dass die FDP jetzt sagt: Die Privatisierung war falsch. (Marco Buschmann [FDP]: Das sagt ja keiner!) Herzlich willkommen im Klub! Sehr gut! Wir müssen mit der Privatisierung aufhören und über ihre Gefahren sprechen. (Beifall bei der LINKEN - Heinz-Peter Haustein [FDP]: Ihr wollt alles verstaatlichen! Ihr wollt VEB!) Die Gefahren der Privatisierung werden hier sichtbar. Es ist klar und eindeutig: Die eigentliche Lehre ist, dass wir mit dem Privatisierungswahn aufhören müssen. Öffentliche Daseinsvorsorge gehört in staatliche Hand und unter demokratische Kontrolle; das ist der richtige Ansatz. Dann können solche Dinge nicht passieren. Das politische Vorgehen der damaligen Regierung - das ist korrekt - war weder von Weitsicht noch von Umsicht gekennzeichnet. Das ist wohl wahr; das müssen wir kritisieren. Vor allem müssen wir aber die eigentliche Ursache des Problems mit aller Konsequenz bekämpfen. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Dietmar Bartsch. - Jetzt spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege Dr. Thomas Gambke. Bitte schön, Herr Kollege Dr. Gambke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir reden heute in der Aktuellen Stunde über einen Vorgang, der genau elf Jahre zurückliegt. Ich persönlich finde es schon bemerkenswert, dass wir angesichts aktueller Probleme wie Ehec, Atomausstieg und Schuldenkrise über eine solche Sache in einer Aktuellen Stunde reden. Die FDP hat als Regierungspartei nach meiner Ansicht wenig zu diesen Themen zu sagen. Wenn sie etwas dazu sagt, dann richtet sich das oft gegen eigene Koalitionsentscheidungen. Reden wir also über das Jahr 2000. Ich will kurz zu dem Vorgang Stellung nehmen. Wir müssen dabei zwei Dinge unterscheiden. Auf der einen Seite geht es um die möglichen Fehler im Verkaufsprospekt, auf der anderen Seite um die Haftung, also die Haftungsansprüche der KfW gegenüber der Telekom und möglicherweise gegenüber dem Bund. Mein Eindruck ist: Der damalige Börsengang wurde schon sehr sorgfältig geplant, anders als Sie es uns jetzt glauben machen wollen. Ich habe ein bisschen in der Vergangenheit nachgeforscht. So schrieb das Handelsblatt am 5. Juni 2000: Seit allerdings klar ist, dass Eichel den Telekom-Börsengang nicht zum großen Kassemachen nutzen wird, hat sich auch die T-Aktie wieder von ihren Tiefs erholt. Wir wissen, dass das nur vorübergehend der Fall war. Die Emission war damals aber dreifach überzeichnet. Da kann man eigentlich nicht von großer Hast und Eile reden. Die Emission wurde von Goldman Sachs, der Deutschen Bank und der Dresdner Kleinwort begleitet. Wir können also davon ausgehen, dass sich die Telekom damit das nötige Know-how hinzugeholt hat. Es ist schon interessant, dass die FDP die zügige Privatisierung eines ehemaligen Staatskonzerns kritisiert. Ich habe nach wie vor den Eindruck, dass Sie diesen Vorgang hervorgeholt haben, weil Sie aktuell keine Erfolge vorweisen können. Deshalb müssen wir über das Jahr 2000 sprechen. Ich sage klar: Wenn damals Fehler gemacht worden sind, dann müssen wir das akzeptieren. Es gehört zu den Regeln der Marktwirtschaft und des Rechtsstaats, dass Unternehmen, auch mehrheitlich staatliche, für ihre Fehler haften und Verantwortung übernehmen müssen. Das halte ich für richtig. Das ist gut so. Halten wir also fest: Die Emission war damals von Fachleuten durchgeführt worden und war nach marktwirtschaftlichen Kriterien ein Erfolg. Für die Fehler beim Börsengang trägt die Bundesregierung keine unmittelbare Verantwortung. Es geht allein um die Verantwortung für die Übertragung der Prospektverantwortung von der KfW auf die Telekom. Dies ist nun höchstrichterlich beanstandet worden. Auf den Bund als Haupteigentümer kommt möglicherweise eine Kostenbeteiligung zu. Aber was die Privatisierung insgesamt anbelangt, muss man feststellen: Im Saldo war sie ein großer Erfolg für den Bund. Wir müssen uns heute aber darauf konzentrieren, die in den letzten Jahren völlig unregulierten Finanzmärkte endlich unter Kontrolle zu bringen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) In diesem Punkt erwarte ich von Ihnen endlich konstruktive, umsetzbare und die europäische Zusammenarbeit fördernde Vorschläge. Meine Damen und Herren von der Regierung, wenn Sie Vergangenheitsbewältigung betreiben wollen, dann ist das Ihre Sache. Aber die Menschen in Deutschland und in Europa erwarten von Ihnen, von uns, von diesem Haus, dass wir endlich eine Antwort auf die Finanzkrise, auf die Euro-Schwäche und auf die Situation in Griechenland finden. Das sind die aktuellen Themen. Hierfür müssen wir endlich Antworten finden. Auf Ihre Antworten warten wir immer noch. Danke sehr. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Gambke. - Jetzt spricht für die Fraktion der CDU/CSU unsere Kollegin Stefanie Vogelsang. Bitte schön, Frau Kollegin Vogelsang. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gambke, das, was Sie zum Schluss gesagt haben, möchte ich zum Mittelpunkt meiner Ausführungen machen. Mir geht es nicht um eine komplizierte aktienrechtliche oder juristische Bewertung, sondern darum, das Ganze politisch einzuordnen. Seitdem ich Mitglied dieses Hauses bin, spielt in jeder Sitzungswoche das Thema Vertrauen eine große Rolle. Schon in der vorangegangenen Wahlperiode hat das Thema Vertrauen eine sehr große Rolle gespielt, als es um die Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise und die richtigen Entscheidungen ging. Wir diskutieren über ESM, ESFS oder ESFM. Wir diskutieren über Rettungsschirme und über Rettungsmechanismen. Wir wägen ab, wann wir welche Beschlüsse und Positionen wie öffentlich machen, und zwar alles vor dem Hintergrund, wie wir das Vertrauen der Märkte am besten stärken können. Aber nicht nur bei der Stabilität des Euro, sondern auch bei vielen anderen Entscheidungen, die wir treffen, spielt das Vertrauen eine entscheidende Rolle. Akzeptieren Bürgerinnen und Bürger Entscheidungen der Politik, oder fehlt ihnen zunehmend Vertrauen? Vertrauen ist zu einem zentralen Bestandteil der politischen, aber auch der volkswirtschaftlichen Betrachtungsweise geworden. Vertrauen ist ein wesentlicher Indikator für Akzeptanz und damit auch für das Gelingen von Entscheidungen. Zu Vertrauen gehört - ich glaube, darin besteht im gesamten Haus Einigkeit - Transparenz, und zwar eine größtmögliche Transparenz. Transparenz fehlt aber dort, wo falsche Angaben gemacht werden, wo Überprüfung und Kontrolle fehlen, und dann nimmt das Vertrauen Schaden. Die Ereignisse der letzten Monate zeigen es: Grundlage für das fehlende Vertrauen waren die falschen Zahlen, die Griechenland geliefert hat. Trotz unserer Warnungen wurde Griechenland in die Euro-Zone aufgenommen. Grundlage für das fehlende Vertrauen in die Privatisierung der Telekom waren die falschen Zahlen, die die Telekom in ihrem Prospekt genannt hat, obwohl wir auch damals davor gewarnt haben. Mit unrichtigen Zahlen für die Grundstücksbewertung hat die Telekom in ihrem Prospekt aufgewartet. Als sie diesen Fehler nach Wochen beheben wollte, musste sie den Wert ihrer Aktien um 10 Milliarden Dollar mindern. Dann stellte sich auch noch heraus, dass die Grundstückspreise gefallen waren. Daher gab es einen weiteren neuen Prospekt. Ich glaube, dass solches schlechte handwerkliche Handeln Misstrauen hinsichtlich der Solidität von Entscheidungen weckt und wir ganz besonders aufpassen müssen. Sie haben vorhin gesagt, dass die Privatisierung der Telekom ein voller Erfolg für den Bund war. Im Ergebnis wird das von den Menschen draußen aber als reine Abzocke der kleinen Aktienanleger und -anlegerinnen wahrgenommen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir in diesem Haus, Opposition wie Regierungsfraktionen, das Thema Vertrauen sehr ernst nehmen. Wir sollten uns auch in einer solchen Aktuellen Stunde ruhig noch einmal auf die Fehler, die gemacht worden sind, besinnen. Dabei geht es um handwerkliche Fehler. Es wurden falsche Zahlen angegeben. Niemand unterstellt eine Absicht. Das war einfach handwerklicher Mist, der zu einem Vertrauensverlust geführt hat. Wir erleben das in den unterschiedlichsten Bereichen. Ich glaube, dass wir gemeinsam dafür Sorge zu tragen haben, dass die Zahlen, die wir herausgeben, und die Erklärungen, die wir den Bürgerinnen und Bürgern geben, von Solidität gekennzeichnet sind und damit Akzeptanz finden, sodass das politische Vorhaben am Ende auch gelingen kann. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Vogelsang. - Jetzt spricht für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Ingo Egloff. Bitte schön, Kollege Egloff. (Beifall bei der SPD) Ingo Egloff (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Angesichts der von der Koalition in dieser Aktuellen Stunde behandelten Thematik fragen wir uns, ob der Koalition die Themen ausgegangen sind oder ob ihre Performance so schlecht ist, dass sie sich mit diesem Thema, das schon elf Jahre zurückliegt, befassen muss. Das ist fürwahr eine überzeugende Antwort auf die uns zurzeit beschäftigenden Probleme! Das zeigt nur, dass Sie keine haben. (Beifall bei der SPD) In Wahrheit bauen Sie hier nur einen Popanz auf - nichts anderes versuchen Sie -; denn wenn man sich die Sache einmal genauer anschaut, stellt man fest, dass der Sachverhalt, über den der BGH jetzt entschieden hat, seit 2005 bekannt ist. Seit 2005 ist bekannt, dass die Telekom bei einer in Amerika anhängigen Sammelklage einen Vergleich geschlossen hat. Die Telekom hat anscheinend eingestanden, dass bei der Aktienemission ein Fehler passiert ist, oder sie hat den Vergleich abgeschlossen - Juristen wissen, dass man das manchmal macht -, um dem weiteren Verfahren zu entgehen und die Sache abzukürzen. Diese Tatsache steht jedenfalls seit 2005 fest. Was hat sich geändert? An der Grundtatsache hat sich überhaupt nichts geändert. Sie hätten darüber schon 2005 diskutieren können, Herr Koppelin, wenn Sie schon damals so schlau gewesen wären. (Beifall bei der SPD) Geändert hat sich, dass das höchste deutsche Gericht in diesen Sachen, der Bundesgerichtshof, eine in der Rechtsprechung und Literatur höchst umstrittene Frage des Aktienrechts geklärt hat. Das ist der eigentliche Sachverhalt, der hier zugrunde liegt. Es geht um die Frage, wann der Aktionär - das war in diesem Fall die KfW - eine nach § 57 Aktiengesetz verbotene Einlagenrückgewähr erhalten hat. Wenn Sie die Entscheidung der Vorinstanz, des OLG Köln, gelesen hätten, dann wüssten Sie, Herr Kollege Koppelin, worin der Streit in der Sache bestand: Stellt der Verkauf der Aktien eines Aktionärs, bei dem der Erlös allein dem Aktionär zugute kommt und bei dem das Unternehmen die Prospekthaftung übernimmt, schon einen verbotenen Vermögensvorteil dar, der zur Rückgewähr nach § 57 in Verbindung mit § 62 Aktiengesetz verpflichtet, oder scheidet ein Verstoß gegen § 57 Aktiengesetz in diesen Fällen schon dann aus, wenn die Gesellschaft selbst ein konkretes Interesse an der Umplatzierung der Aktien hat? Darüber, welches Interesse die Telekom an der Platzierung ihrer Aktien auf einem dritten Aktienmarkt, nämlich in den USA, hatte, ist in diesem Urteil sehr viel ausgeführt worden. Das OLG Köln hat gesagt: Hier liegt kein Fall des § 57 AktG vor. - Der Bundesgerichtshof sieht das anscheinend anders. Das ist der ganze Sachverhalt. Warum der Bundesgerichtshof das anders sieht, wissen wir noch gar nicht; denn bisher kennen wir nur die Presseerklärung. Sie haben diese Aktuelle Stunde aufgrund einer Presseerklärung beantragt, weil Sie meinen, Sie könnten noch einmal austeilen und die ehemalige rot-grüne Bundesregierung vorführen. Das fällt aber auf Sie selber zurück, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD) Vielleicht lassen Sie sich von den in Ihrer Fraktion zahlreich vertretenen Anwälten einmal erklären, wie das Ganze rechtlich zu beurteilen ist. Wo liegt also der Skandal, der hier aufgedeckt werden soll? Darin vielleicht, dass ein ehemaliges Bundesunternehmen zu dumm war, eine Aktienemission auf dem US-Markt zu platzieren? Das kann man angesichts der vorliegenden Tatsachen zugestehen. Sie wollen aber doch wohl nicht behaupten, dass Hans Eichel den Text dieses Prospektes persönlich verfasst hat. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) Wir stellen also fest: Am Ende bleibt - wie man auch der Presseerklärung entnehmen kann -, dass der Kollege Koppelin der Nation mitteilen will, er habe schon immer gewusst, dass da etwas nicht stimmt. Darauf aber hätte die Nation auch verzichten können. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege Ingo Egloff, herzlichen Dank. - Es war Ihre erste Rede. (Johannes Kahrs [SPD]: Gute Rede!) Dazu gratulieren wir Ihnen sehr herzlich. (Beifall) Sie sind für den Kollegen Olaf Scholz nachgerückt. Alles Gute hier im Hause! Der nächste Redner ist unser Kollege Marco Buschmann für die Fraktion der FDP. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Marco Buschmann (FDP): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bartsch, niemand hat etwas gegen Privatisierung, wenn sie auf anständige Art und Weise erfolgt. Gegenstand der Aktuellen Stunde ist aber, dass sie unanständig erfolgt ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Warum das unanständig ist, Herr Egloff, kann ich Ihnen ganz leicht erklären. Dazu muss man kein Aktienrechtler sein. Stellen Sie sich einmal folgenden Fall vor: Ein unseriöser Gebrauchtwagenhändler verkauft ein Auto und sichert dem Käufer zu, die Bremsanlage sei in Ordnung. Tatsächlich taugt sie aber nicht einmal mehr, um über den nächsten TÜV zu kommen. (Zuruf von der SPD: Das ist das Guido-Mobil!) Das merkt der Käufer schließlich bei der Hauptuntersuchung. Er geht zurück zum Gebrauchtwagenhändler und sagt: Ich hätte gerne das Geld für die Ertüchtigung der Bremsanlage. - Wissen Sie, was dann der Verkäufer - übertragen auf den Telekom-Fall - antwortet? (Zuruf von der SPD: FDP pur!) Er sagt: Dann verkauf doch einfach die Rücksitze von deinem Auto. Von dem Erlös kannst du dann ja die Kosten für die Bremsanlage decken. - Jeder in diesem Hohen Hause würde sagen: Das ist nicht nur absurd, sondern vor allem unanständig. (Beifall bei der FDP) Genauso ist der dritte Börsengang der Deutschen Telekom AG verlaufen. Es gab einen Verkaufsprospekt - der hat bereits eine Rolle gespielt -, der zumindest so zweifelhaft war, dass man sich auf einen Vergleich eingelassen hat. Einen Vergleich schließt man aber nicht leichtfertig. Man würde nämlich Untreue begehen, wenn man leichtfertig Vergleiche schließt, die dem Gesellschaftsvermögen schaden. So entstanden Vergleichskosten in Höhe von 100 Millionen Euro. Diese Kosten sollte nun nicht der Verkäufer der Telekom-Aktien tragen - damit verhält es sich genauso wie mit dem Beispiel vom Gebrauchtwagenhändler -, sondern letztlich die getäuschten Käufer selber. Warum? Die Kosten sollten das Gesellschaftsvermögen der Telekom belasten. Dadurch finanzieren die Käufer der Telekom-Aktien im Grunde selbst ihren eigenen Schadensersatz. Denn nach dem Börsengang gehörte den Leuten, die die Telekom entschädigen sollte, durch die Aktien mittlerweile ein Stück Telekom. Diese Aktien verlieren dadurch an Wert, dass die Gesellschaft, an der die Aktionäre beteiligt sind, das Unrecht kompensieren soll, das den Aktionären widerfahren ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb handelt es sich hier um Politik nach Art eines unseriösen Gebrauchtwagenhändlers. Genauso sollte es laufen nach dem listigen Plan der rot-grünen Regierung, an deren Kabinettstisch damals die heute noch sehr prominenten Herren Trittin und Steinmeier saßen. Dazu wurde eine Vereinbarung abgeschlossen zwischen der Telekom und ihrem Eigentümer, die vorsah, dass letztendlich die Telekom das Haftungsrisiko aus dem Verkaufsprospekt tragen sollte. Für den Verkaufsprospekt muss natürlich der Verkäufer die Verantwortung tragen, genauso wie beim Gebrauchtwagenverkauf der Händler für Zusicherungen über den Gebrauchtwagen die Verantwortung tragen muss. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 31. Mai 2011 festgestellt, dass sich der Verkäufer einen solchen schlanken Fuß nicht machen darf. Er verstößt nämlich durch die Überwälzung des Haftungsrisikos gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr, weil er keine angemessene Gegenleistung - zum Beispiel in Form einer Risikoprämie - erbracht hat. Das ist unanständig. Es ist - genauso wie bei dem Beispiel vom Gebrauchtwagenkauf - unanständig, die Kosten für die Kompensation auf die geschädigten Aktionäre überzuwälzen. Das kann man eindeutig festhalten. Ich schließe mich der Aufforderung meines Kollegen Koppelin an. Es wäre Zeit, sich einmal dafür zu entschuldigen. Der erste und der zweite Börsengang sind anders verlaufen; jedenfalls gibt es dazu keine Gerichtsurteile. Deshalb, Herr Kollege Bartsch, ist dies keine Aktuelle Stunde gegen Privatisierung, sondern es ist eine Aktuelle Stunde gegen unanständige Börsengänge. Parteien, die eine solche Regierungspolitik und einen solchen unanständigen Börsengang mitgetragen haben, haben jegliche Legitimation verloren, sich beim Thema Anlegerschutz hier jemals wieder zu Wort zu melden. (Widerspruch bei der SPD) Wir werden Sie gelegentlich daran erinnern. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Marco Buschmann. - Jetzt für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Johannes Kahrs. Bitte schön, Kollege Johannes Kahrs. (Beifall bei der SPD) Johannes Kahrs (SPD): Guten Tag, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir heute erleben, ist peinlich; das merkt ja jeder. Kollege Koppelin, den ich eigentlich sehr schätze - er ist ein guter Haushälter -, begibt sich auf ein Terrain, von dem er nicht viel versteht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das Ergebnis haben wir heute erlebt. Wir haben das Problem, dass wir über etwas, das im Jahre 2000 stattgefunden hat, diskutieren. Wir reden über ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts; das ist hier schon mehrfach gesagt worden. (Marco Buschmann [FDP]: Bundesgerichtshof! - Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär: Kollege Kahrs versteht vom Gerichtswesen überhaupt nichts! - Heiterkeit und Beifall bei der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Zwischenrufe von der Regierungsbank werden ignoriert. (Beifall des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Johannes Kahrs (SPD): Das Problem beim Kollegen Kampeter ist, dass er sich selten ignorieren lässt. Aber davon abgesehen, er ist dabei zumindest lustig. Das kann man von vielen anderen nicht behaupten. Uns liegt kein Urteil vor, sondern lediglich eine Presseerklärung. Die Urteilsbegründung steht noch aus. Das heißt, Sie spekulieren lustig in der Landschaft herum. Es ist schon gesagt worden, dass man, wenn man privatisiert, es erstens vernünftig machen muss und dass man zweitens darauf achten muss - der Rechnungshof würde uns etwas erzählen, wenn wir es nicht so machen würden -, dass man dem Eigentümer keinen Schaden zufügt. Natürlich will man die Aktien an der Börse entsprechend platzieren. Es ist damals auch von allen Seiten gelobt worden, dass der Börsengang vernünftig verlaufen ist. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Nicht von allen!) - Ich gebe zu: nicht von der Linken. Aber das ist in Ordnung; Sie sind ja selten für etwas. Die FDP, die normalerweise dem Motto "Privat vor Staat" folgt, sagt auf einmal: So kann es nicht gehen. (Marco Buschmann [FDP]: Anstand vor Unanstand!) - Mit Anstand hat Ihre Politik in der letzten Zeit sowieso relativ wenig zu tun gehabt, Herr Kollege. Das muss man einfach einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir reden hier heute nicht über die Aussetzung der Wehrpflicht. Wir reden auch nicht über die Energiewende. Sie haben beim Thema Energiewende übrigens endlich das entdeckt, was wir 2002 schon beschlossen haben, setzen es aber in einer Art und Weise um, die fast die Gefahr aufkommen lässt, dass wir in Richtung Deindustrialisierung wandern. Selbst die SPD muss Sie warnend darauf aufmerksam machen, alles Notwendige dafür zu tun, die Grundstoffindustrien in Deutschland zu halten. Man wundert sich natürlich, warum gerade die FDP, die der Privatisierung jeden Tag das Wort redet, auf einmal diese Aktuelle Stunde beantragt hat. Im Handelsblatt vom 7. Juni 2011 habe ich gelesen, dass Herr Toncar - er ist Mitglied im Haushaltsausschuss - fordert, man möge im Rahmen eines neuen Sparpakets Telekom-Aktien verkaufen, um die Kosten für die Energiewende zu decken. Der Hauptvorwurf von Herrn Koppelin ist, dass man damals ordentlich Kasse machen wollte. Kollege Toncar fordert aber nun den Verkauf von Aktien. Das machen Sie alles in einem Aufwasch. Vor diesem Hintergrund verstehe ich erst recht nicht, warum Sie diese Aktuelle Stunde beantragt haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Kollegen sowohl von der SPD als auch von den Grünen und selbst von den Linken - man wundert sich - (Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) haben mehrfach hervorragend ausgeführt, wie es damals gewesen ist. Sie haben hier genau erklärt bekommen, wie der Börsengang funktioniert hat. Sie betreiben puren Populismus, frei von jeder Sachlichkeit - ein entsprechendes Gerichtsurteil mit Begründung liegt auch nicht vor -, und dies machen Sie nicht einmal gut. Sie sind die Partei, die ständig für Privatisierung ist und die uns allen damit auf den Senkel geht. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD) Im Haushaltsausschuss diskutieren wir derzeit über die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Selbst die Kollegen von der CDU/CSU können nur noch gequält lächeln, wenn die FDP wieder Vorschläge zur Privatisierung macht. Ihre Vorschläge sind weder glaubwürdig noch gut gemacht noch überzeugend; das ist das Problem der FDP. (Beifall bei der SPD) Ich glaube, das wird der Bürger entsprechend honorieren. So viel Dreistigkeit darf am Ende nicht belohnt werden. Wir alle wissen doch, wes Geistes Kind die FDP ist. Wir haben gesehen, dass Sie mit einem großen Versprechen in den Bundestagswahlkampf gestartet sind. Der Bundesfinanzminister erklärt Ihnen alle drei Tage, dass das so nicht geht. Die Bundeskanzlerin lässt Ihren neuen Parteivorsitzenden jede Sekunde abwatschen, weil sie sich im Kabinett nicht durchsetzen will und er selber keine Ahnung hat. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Sie sollten jetzt mal bei der Sache bleiben!) Was in Ihrer Koalition geschieht, kann einen nur wundern. Bei Ihnen ist "Land unter". Sachlich kommt überhaupt nichts herüber. Sie machen überstürzt all das rückgängig, was Sie im letzten Dreivierteljahr beschlossen haben. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Na! Das müssen Sie aber zurücknehmen!) - Herr Kollege, in diesem Fall nehme ich Sie aus. Ich höre zwar, was Ihre Bundeskanzlerin sagt; aber der Herbst der Entscheidungen ist inzwischen voll in Rücknahme begriffen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ähnlich wie mit der Agenda 2010 bei der SPD!) Von Ihrem Sparpaket ist nicht mehr viel übrig. Bei all den Pleiten, Pech und Pannen, die wir erleben, diskutieren wir über den Verkauf von Telekom-Aktien vor elf Jahren, ohne dass ein endgültiges Gerichtsurteil vorliegt. Dann kommt die FDP und kritisiert die Privatisierung. Das möge verstehen, wer will. Ich halte das für ein bisschen peinlich. Kollege Koppelin, lassen Sie uns künftig über Dinge reden, von denen auch Sie etwas verstehen. Das ist viel unterhaltsamer. Vielen Dank und frohes Schaffen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Lachen bei der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Johannes Kahrs. - Jetzt für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Alois Karl. Bitte schön, Kollege Alois Karl. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Alois Karl (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Aktuellen Stunde wird sehr viel am Thema vorbeigeredet. (Lachen bei der SPD) Herr Kahrs, ich muss Ihnen wirklich sagen, dass Sie es gerade auf die Spitze getrieben haben. Es geht doch nicht um die Frage: "Privatisierung: ja oder nein?", auch wenn Sie versuchen, diese Fragestellung dem Thema dieser Aktuellen Stunde unterzuschieben. Es geht darum, dass vor elf Jahren in der Tat Fehler gemacht worden sind, die im Urteil des Bundesgerichtshofes vor wenigen Tagen evident geworden sind. (Johannes Kahrs [SPD]: Ein Urteil, das übrigens immer noch nicht vorliegt!) Es geht auch nicht darum, ob man für oder gegen Privatisierung ist. Es geht darum, ob man dabei korrekt verfährt, ob man dieses Thema richtig angeht (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) und ob man bei den Bürgern Vertrauen schafft oder ob man dieses Vertrauen missbraucht, so wie es seinerzeit der Fall war. Die Entscheidungsgründe des Urteils sind noch nicht bekannt - da haben Sie recht -, allerdings sein Rubrum. Es ist natürlich bedrohlich, wenn wir sehen, dass 120 Millionen Euro im Feuer stehen und ein Schaden entstanden ist, weil die seinerzeit amtierende Regierung daran beteiligt war, dass geschönte Verkaufsprospekte veröffentlicht wurden. Es geht hier nicht um Peanuts. 120 Millionen Euro sind - das wissen gerade die Mitglieder des Haushaltsausschusses, die sich mit solch hohen Summen befassen müssen - ein gewaltiger Betrag. Es geht auch nicht allein um das Aktienrecht, wie Sie, Herr Kollege Egloff, ausgeführt haben; natürlich kenne ich, ebenso wie der Bundesgerichtshof, § 57 des Aktiengesetzes. Nein, es geht um mehr als nur um eine juristische Dimension. Hier geht es in der Tat um eine politische Dimension. Die Ereignisse liegen elf Jahre zurück. In wenigen Tagen feiert der dritte Börsengang der Deutschen Telekom seinen elften Geburtstag. Die Regierung hat seinerzeit - man kann sagen: auf Teufel komm raus - versucht, ein gutes Geschäft zu machen. Hans Eichel wurde als "Hans im Glück" bezeichnet, weil er Aktien im Wert von 12 Milliarden Euro verkauft hat. Das war übrigens nur deshalb möglich, weil die Regierung von Helmut Kohl beschlossen hat, aus der Behördenpost eine Aktiengesellschaft zu machen. Unserem Parteifreund Wolfgang Bötsch, der sein eigenes Ministerium wegrationalisiert hat, ist zu verdanken, dass die Deutsche Telekom in private Hände gekommen ist. Geerntet hat Hans Eichel, aber gesät hat er nicht. "Schwein gehabt!", könnte man jetzt sagen. Er hat viel Geld verdient, indem er Kleinaktionären zwar nicht das Blaue, aber sozusagen das Magentafarbene vom Himmel versprochen hat. Die Leute haben bis zu 85 Prozent ihres Geldes verloren, etwa 11 Milliarden Euro. Man könnte mit den Achseln zucken und sagen: Pech gehabt! Dieses Risiko besteht nun einmal, wenn man Geld in Aktien anlegt. - Aber so einfach liegen die Dinge nicht. Es ist außerordentlich peinlich, dass gerade der Staat - seinerzeit vertreten durch die rot-grüne Bundesregierung - 200 Millionen Aktien durch die staatseigene Bank, die KfW, verkauft hat und dass den Leuten in geschönten Verkaufsprospekten in der Tat auch Unrichtiges gesagt wurde. Daher müssen wir in den USA aufgrund dieses Vergleichs - das ist angesprochen worden - 112 Millionen Euro bezahlen. Für mich wiegt der moralische Schaden viel mehr als der finanzielle Schaden. Es geht für mich nicht um die juristische Dimension, sondern in der Tat um die moralische Dimension. Wir erkennen problemlos, dass es eben nicht Kredithaie waren, sondern Mitglieder unserer Bundesregierung, die damals gehandelt haben. Hans Eichel ist genannt worden. Um jeden Preis sollte höchste Rendite erreicht werden. Aus diesem Grunde waren viele Mittel recht. Der Börsengang mit der Volksaktie Telekom - das ist angesprochen worden - wurde mit dem Börsengang der VW-Aktie verglichen. Seinerzeit wurden die Telekom-Aktien fast wie Bundesschatzbriefe gehandelt. Am Schluss stand ein finanzielles Fiasko; die erkennbaren Risiken sind nicht benannt worden, sondern wurden eben verschwiegen. Ich halte der damaligen Bundesregierung die zutage getretene Gier vor. Sie braucht heute nicht mit Fingern auf andere, auf die Banker der Welt, zu deuten. Ihre Mitglieder haben, glaube ich, das moralische Recht verloren, Wächter über Sitte und Anstand in Bezug auf das Finanzgebaren zu sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der Steuerzahler und auch jene, die damals schon viel Geld verloren haben, werden dieses Fiasko von 120 Millionen Euro wieder ausgleichen müssen. Nicht Hans Eichel oder Ron Sommer werden das bezahlen, sondern wir, die Steuerzahler. Ich rüge insbesondere, Herr Kahrs und Kollegen, nicht nur die Leichtfertigkeit, mit der Sie heute an die Sache herangegangen sind, sondern ich rüge auch die Handlungsweise der damaligen rot-grünen Bundesregierung und die dabei zutage getretene Gier. Das ist etwas, was wir zutiefst verabscheuen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Alois Karl. - Der nächste Redner kommt ebenfalls aus der Fraktion der CDU/CSU. Es ist unser Kollege Klaus-Peter Willsch. Bitte schön, Kollege Willsch. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Kollegen Alois Karl dankbar für die Schlusssätze, die er gefunden hat; denn das ist genau der Punkt, über den wir hier zu reden haben. Das hat eben auch etwas, das über den Tag des Gerichtsurteils hinausweist. Ich will aber gerade zum Thema Privatisierung eine Vorbemerkung machen. Wir haben sehr viele junge Besucher dort oben. Die können sich gar nicht mehr vorstellen, wie das früher war. Als ich vor 30 Jahren mein erstes Telefon bestellt habe, bekam ich einen Apparat mit Wählscheibe in so einem Eierschalenweiß angeboten. Ich wollte eine längere Leitung haben. Dafür musste ich jeden Monat 50 Pfennig Miete bezahlen. Auch für die Farben Rot oder Grün musste ich jeden Monat 50 Pfennig extra an Miete bezahlen. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Schwarz gab es umsonst!) Das war damals Telefonie in Deutschland. Dass das privatisiert und fitgemacht worden ist, hat zu einer Leistungsexplosion und geringeren Kosten geführt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das hat noch Schwarz-Gelb gemacht. Damals hatten wir eine Situation, die sich heute keiner mehr vorstellen kann. Wir sind froh, dass wir diesen Weg gegangen sind. Er war für unsere Volkswirtschaft richtig. Es war natürlich auch richtig, das nicht alles auf einmal auf den Markt zu werfen, sondern zu sagen: Wir machen dies Schritt für Schritt. - Da knüpfe ich an das an, was der Kollege Alois Karl gesagt hat. Ich war damals im Finanzausschuss dabei, als all diese Transaktionen besprochen wurden. Man hat bei Roten und Grünen förmlich die Dollarzeichen in den Augen gesehen. Man war jetzt völlig unverhofft an der Macht und wollte das große Casinospiel mitspielen. Am Anfang hatten sie Glück. Da gab es 100 Milliarden DM - 51 Milliarden Euro - UMTS-Erlöse. Die wurden als Erstes durchgebracht. Dann wurde viel versprochen. Man wollte das irgendwie wechseln. Man guckte: Was kann hier noch versilbert werden? Da sind die Postpensionsforderungen an Russland verkauft worden. Da musste dann Telekom ran. Es gab - eines nach dem anderen - bei der KfW Parkgeschäfte. Das ist dann in dem einen Fall irgendwann eben an die Wand gefahren worden. Was lernen wir daraus? Auch der Staat und seine politischen Akteure sind nicht frei davon, in solchen Situationen gierig zu sein. Man kann vielleicht noch einen Schritt weitergehen und sagen: Das Parlament hat einen besonderen Auftrag. Es muss aufpassen, weil Regierungen dazu neigen, Verschuldungsspielräume und finanzielle Spielräume hemmungslos auszunutzen, diese bis an den rechtlichen Rand auszudehnen oder darüber hinauszugehen. Wir haben es gerade wieder in Nordrhein-Westfalen erlebt, wo die neue rot-grüne Regierung - unter Duldung der Kommunisten - ihren ersten Haushalt vorgelegt hat. Dieser erste Haushalt wurde vom Gericht als verfassungswidrig qualifiziert. Das alles liegt genau auf der gleichen Linie. (Johannes Kahrs [SPD]: Das ist doch Unsinn, Kollege Willsch, das wissen Sie doch!) Es neigen in der Politik sehr viele dazu, mehr zu versprechen, als sie halten können, und dann werden alle Möglichkeiten mobilisiert, um das zu realisieren. (Johannes Kahrs [SPD]: Wie wäre es mit der Sachebene, Herr Kollege?) Wir haben in der Großen Koalition den richtigen Schluss daraus gezogen, und wir haben in Hessen gerade eine Volksabstimmung über dieses Thema durchgeführt. Dort haben wir uns per Volksabstimmung unmittelbar von den Bürgern sozusagen den Auftrag für die Landespolitik in Hessen geholt, eine Schuldenbremse einzuführen. Wir dürfen zukünftig nicht mehr mehr ausgeben, als wir haben und tragen können. Das ist der richtige Weg. Das haben wir ja auch gemeinsam und miteinander ins Grundgesetz geschrieben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Johannes Kahrs [SPD]: Deswegen haben wir die Schuldenbremse ja gemeinsam beschlossen! Jetzt müsst ihr euch auch daran halten!) Was braucht man dazu noch? Man muss diese nationale Schuldenbremse natürlich gegen äußere Einflüsse absichern. Dafür haben wir in den Wachstums- und Stabilitätspakt hineingeschrieben, dass es kein Bail-out geben darf. (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Das hat jetzt direkt mit der Telekom zu tun!) Wer hat das als Erster gebrochen? Das war die Regierung Schröder, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Leider wahr!) die einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass ein Teil der Stabilitätskultur in Europa schweren Schaden genommen hat. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: So, jetzt die Kurve wieder kriegen!) Wir arbeiten inzwischen intensiv daran und versuchen, das wieder zu beheben; denn es ist natürlich eine Bedrohung der nationalen Schuldengrenze, wenn Defizite anderer Staaten plötzlich mit nationalen Steuermitteln ausgeglichen werden sollen. Lassen Sie uns insofern eine Lehre daraus ziehen: Lassen Sie uns ordentlich und sorgsam mit unseren Mitteln wirtschaften, lassen Sie uns als Parlament sorgsam darauf achten, dass die Regierungen hinsichtlich ihres Ausgabeverhaltens in ihren Grenzen gehalten werden, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schwarz-Gelb kann damit ja einmal anfangen!) und lassen Sie uns damit einen Beitrag dazu leisten, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit den Einsparungen bei der Bundeswehr? Kommen die jetzt?) dass wir endlich dazu kommen, eine nachhaltige Finanz- und Haushaltspolitik zu machen, mit der nur so viel verwirtschaftet wird, wie wieder nachwächst - so machen wir das beim Wald seit über hundert Jahren -, und durch die nachkommenden Generationen keine unschulterbaren Lasten aufgebürdet werden, wodurch ihnen jeglicher Spielraum für die Zukunft genommen wird. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Klaus-Peter Willsch. Sie waren der letzte Redner in der Aktuellen Stunde. Sie ist damit auch beendet. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 9. Juni 2011, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 16.42 Uhr) Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Barchmann, Heinz-Joachim SPD 08.06.2011 Bernschneider, Florian FDP 08.06.2011 Daðdelen, Sevim DIE LINKE 08.06.2011 Dr. Danckert, Peter SPD 08.06.2011 Gleicke, Iris SPD 08.06.2011 Gruß, Miriam FDP 08.06.2011 Gunkel, Wolfgang SPD 08.06.2011 Herzog, Gustav SPD 08.06.2011 Höger, Inge DIE LINKE 08.06.2011 Keul, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 08.06.2011 Klein-Schmeink, Maria BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 08.06.2011 Kressl, Nicolette SPD 08.06.2011 Dr. Lauterbach, Karl SPD 08.06.2011 Dr. Lotter, Erwin FDP 08.06.2011 Dr. de Maizière, Thomas CDU/CSU 08.06.2011 Möller, Kornelia DIE LINKE 08.06.2011 Nink, Manfred SPD 08.06.2011 Reichenbach, Gerold SPD 08.06.2011 Dr. Ruck, Christian CDU/CSU 08.06.2011 Werner, Katrin DIE LINKE 08.06.2011 Widmann-Mauz, Annette CDU/CSU 08.06.2011 Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 2): Räumt der Bund bei Vermietung, Verpachtung und Verkauf von Liegenschaften gemeinnützigen Vereinen Sonderkonditionen ein, und, falls nicht, plant die Bundesregierung eine entsprechende Förderung? Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bundesanstalt) ist kraft Gesetzes verpflichtet, nicht betriebsnotwendige Immobilien aus ihrem Bestand unter Beachtung der haushaltsrechtlichen Bestimmungen wirtschaftlich zu verwerten. Sowohl die Vermietung/Verpachtung als auch der Verkauf von Immobilien des Bundes erfolgen daher zum "vollen Wert" im Sinn der Bundeshaushaltsordnung. Der volle Wert ist im Falle des Verkaufs einer Immobilie der Verkehrswert, der im Baugesetzbuch als Marktwert definiert ist. Die Bundesanstalt ermittelt den Marktwert regelmäßig im Rahmen eines offenen, in ausgewählten Printmedien und im Internet bekannt gemachten Bieterverfahrens oder durch gutachterliche Wertermittlung auf der Grundlage der Wertermittlungsbestimmungen des Bundes. Im Falle der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken wird der Mietzins als örtliche Vergleichsmiete anhand von lokalen Mietspiegeln oder durch Mietwertgutachten ermittelt. Sowohl Verkehrswert als auch Mietzins werden anhand objektiver und für Dritte nachvollziehbarer Kriterien ermittelt. Sie orientieren sich nicht an der Person des Miet- oder Kaufinteressenten. Sonderkonditionen für gemeinnützige Vereine sind nach geltendem Haushaltsrecht nicht vorgesehen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) (Drucksache 17/6040, Frage 3): Gibt es Überlegungen oder Pläne, das Zollamt auf Helgoland zu schließen? Es gibt keine Pläne, das Zollamt Helgoland aufzuheben. Zwar hat das Prüfungsamt des Bundes Frankfurt am Main im Ergebnis seiner im Jahr 2009 durchgeführten Prüfung der Aufgaben und der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Zollamtes Helgoland in der Prüfungsmitteilung vom 12. Januar 2010 empfohlen, die Zollstelle aufzuheben. Das Bundesministerium der Finanzen hat diese Forderung jedoch vor dem Hintergrund der bestehenden Aufgabensituation zurückgewiesen. Das Zollamt Helgoland nimmt derzeit mit der Post- und Reisendenabfertigung sowohl originäre Zollaufgaben und mit der Erhebung der Gemeindeeinfuhrsteuer und der Durchführung grenzpolizeilicher Kontrollen auch übertragene Aufgaben wahr. In welchem Umfang die Aufgaben auch künftig wahrgenommen werden, wird noch geprüft und mit den betroffenen Stellen erörtert. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) (Drucksache 17/6040, Frage 4): Welche Folgen hätte eine Schließung des Zollamtes Helgoland für die Gemeinde Helgoland, für Urlaubsgäste sowie für den Warenverkehr zwischen dem Festland und Helgoland? Die Schließung des Zollamtes Helgoland hätte zur Folge, dass die Gemeinde Helgoland die Gemeindeeinfuhrsteuer selbst erhebt, Reisende einschließlich ihrer Waren nicht mehr auf Helgoland, sondern dezentral an den jeweiligen Anlegestellen der Fähren bzw. bei Ankunft der Flugzeuge auf dem Festland kontrolliert und Postsendungen, die von der Insel Helgoland versandt werden, auf dem Festland in den zollrechtlich freien Verkehr abgefertigt würden. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Nicolette Kressl (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 7): Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes, dass die Schweiz - entgegen ihrer Zusage im Frühjahr 2009 - den OECD-Standard für einen effektiven Informationsaustausch in Steuersachen in ihren seither vereinbarten Doppelbesteuerungsabkommen nicht vollständig umgesetzt hat (vergleiche Financial Times Deutschland vom 31. Mai 2011)? Die Bundesregierung sieht sich durch die im Rahmen des "Peer Review"-Prozesses zur Schweiz getroffenen Festellungen des Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes in ihrer während der Verhandlungen zum Abschluss des Revisionsprotokolls vom 27. Oktober 2010 vertretenen Position zur Auslegung des OECD-Standards bestätigt. Aufgrund der im Rahmen der Verhandlungen erreichten wesentlichen Abweichungen des Textes des Revisionsprotokolls von den seinerzeit von der Schweiz geforderten schweizerischen Standardformulierungen zum Erfordernis der Nennung der Namen des betroffenen Steuerpflichtigen und des Inhabers der verlangten Information besteht aus Sicht der Bundesregierung kein weiterer Handlungsbedarf. Soweit der Bericht des Global Forums hinsichtlich der vereinbarten Angabe des Namens des "mutmaßlichen" Inhabers der Information noch Klärungsbedarf hinsichtlich der Auslegung durch die Schweiz anmerkt, ist der hierzu erforderliche Prozess bereits durch einen entsprechenden Beschluss des Schweizer Bundesrats eingeleitet worden. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Nicolette Kressl (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 8): Wie ist die Bundesregierung zu der Auffassung gelangt, dass das Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland, das der Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, am 27. Oktober 2010 unterzeichnete, dem OECD-Standard für einen effektiven Informationsaustausch in Steuersachen entspricht? Der Prozess der Auslegung des OECD-Standards hinsichtlich der Konkretisierung der Anforderungen an ein Auskunftsersuchen zur Abgrenzung von unzulässigen "fishing expeditions", das heißt anlasslosen Ermittlungen "ins Blaue", war zum Zeitpunkt der Verhandlungen noch nicht abgeschlossen und ist auch jetzt noch Gegenstand laufender Arbeiten der OECD. Daher besteht eine Bandbreite möglicher Auslegungen, die im Verhandlungswege konkretisiert werden kann. Im Zusammenhang mit der zusätzlich im Revisionsprotokoll vom 27. Oktober 2010 vereinbarten Auslegungsregel, wonach ein wirksamer Informationsaustausch nicht behindert werden soll, ergibt sich aus dem Begriff "mutmaßlicher Inhaber", dass der ersuchende Staat den Inhaber der Information nach bestem Wissen zu bezeichnen hat und dass auch bei einer unzutreffenden Benennung des Informationsinhabers Auskunft zu erteilen ist. Dies ist eine für Zwecke der praktischen Durchführung hinreichende Abwägung der Interessen von ersuchendem und ersuchtem Staat. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/6040, Frage 11): Welche aktuellen Kenntnisse hat die Bundesregierung zum Flächenbedarf aus der Änderung des Flächenerwerbsänderungsgesetzes für Alteigentümerinnen und Alteigentümer, und wie wird sie sicherstellen, dass zur Befriedigung dieses Flächenbedarfs nicht auf bereits privatisierte oder zur Übertragung an die Länder vorgesehene Flächen zurückgegriffen werden muss? Die Bundesregierung geht nach bisherigem Kenntnisstand von schätzungsweise etwa 36 000 ha zusätzlichem Flächenbedarf in Folge des 2. Flächenerwerbsänderungsgesetzes (2. FIErwÄndG) aus. Der BVVG lagen per 31. Mai 2011 insgesamt 981 Kauf-Anträge von nach § 3 Absatz 5 Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) berechtigten Alteigentümern vor. Eine Vielzahl dieser Anträge ist unvollständig und lässt bisher keine Rückschlüsse auf den daraus resultierenden Flächenbedarf zu. Eine belastbare Aussage zum aktuellen Flächenbedarf aus der Änderung des FIErwÄndG ist daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Die BVVG (Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH) geht aber davon aus, dass die in Durchsetzung des 2. FIErwÄndG benötigten landwirtschaftlichen Flächen zur Befriedigung der Ansprüche der Alteigentümer ausreichend vorhanden sein werden, sodass ein Rückgriff auf bereits privatisierte Flächen gegenstandslos ist. Die zur Übertragung auf die Länder oder andere Empfänger vorgesehenen Flächen im Rahmen des Nationalen Naturerbes, NNE, sind im Wesentlichen identifiziert. Für Flächen, deren Übertragung noch nicht vollzogen ist, gilt, dass der Anspruch der Alteigentümer nach § 3 Absatz 5 AusglLeistG Vorrang hat. Sollten NNE-Flächen von Alteigentümern zu Recht beansprucht werden, werden sich die BVVG und das Bundesamt für Naturschutz unter Einbeziehung des jeweiligen Bundeslandes über eine entsprechende andere Fläche für das NNE verständigen. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 12): Welche Änderungen im Kreditvertrag und in der Gläubigervereinbarung sind - unter Angabe der finanziellen Auswirkungen für die KfW Bankengruppe und gegebenenfalls den Bundeshaushalt - als Ergebnis des Sondergipfels der Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone vom 11. März 2011 in Bezug auf Griechenland - anknüpfend an meine schriftliche Frage 19 auf Bundestagsdrucksache 17/5322 - nunmehr vorgesehen, und in welchem Umfang haben KfW Bankengruppe und gegebenenfalls der Bundeshaushalt bislang finanziell zum Beispiel über Zinsgewinne durch günstigere eigene Refinanzierungskosten aus dem Kreditvertrag mit Griechenland profitiert? Der geänderte Kreditvertrag sieht eine Verringerung des Zinssatzes der Darlehen für Griechenland um 100 Basispunkte und eine Verlängerung der durchschnittlichen Laufzeit der Darlehen auf 7,5 Jahre vor. Eine Änderung der Gläubigervereinbarung ist nicht vorgesehen. Für die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, hat die Änderung des Darlehensvertrages keine direkten finanziellen Auswirkungen, da der Bund gemäß Garantievertrag sämtliche Kosten übernimmt, die der KfW aufgrund einer Zuweisung des Bundes entstanden sind. Gemäß Garantievertrag behält die KfW ihre Refinanzierungskosten aus den Zinszahlungen, die sie von Griechenland erhält, ein und leitet nur den Restbetrag an den Bund weiter. Der Bund und die KfW haben sich darauf verständigt, wie der Nachteilsausgleich für die KfW erfolgen soll. Nach dem In-Kraft-Treten des geänderten Darlehensvertrages werden die Kosten für den Bund auf der Basis der dann geltenden Marktkonditionen ermittelt. Die Bundesregierung wird die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt gegenüber dem Parlament erläutern, sobald diese feststehen. Zu Ihrer Frage nach den bisherigen Einnahmen aus der Griechenland-Hilfe teile ich Ihnen Folgendes mit. Gemäß Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz vom 7. Mai 2010 sind bisher insgesamt 8,4 Milliarden Euro an Griechenland ausgezahlt worden. Für das Jahr 2010 und das erste Quartal sind 183 Millionen Euro von Griechenland an Zinsen gezahlt worden, die sich wie folgt aufteilen: Art der Einnahmen Betrag Zinszahlung Griechenland 183,0 Millionen Euro Abzüglich Refinanzie rungs-, Liquiditäts-, Zins sicherungskosten der KfW 47,0 Millionen Euro Auszahlung an den Bund 136,0 Millionen Euro Darüber hinaus hat die KfW als Darlehensgeberin gemäß Darlehensvertrag eine Bearbeitungsgebühr für die ausgezahlten Darlehen in Höhe von 0,5 Prozent (42 Millionen Euro) einbehalten. Insgesamt sind somit 225 Millionen Euro an den Bund und die KfW geflossen. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Bettina Herlitzius (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Frage 13): Wie beabsichtigt die Bundesregierung bei der Einführung von Steueranreizen im Bereich Gebäudesanierung eine einkommensunabhängige Ausgestaltung zu gewährleisten, und an welche Voraussetzungen soll diese steuerliche Förderung geknüpft werden? Das Bundeskabinett hat am 6. Juni 2011 den Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden beschlossen. Die Förderung bezieht sich - wie die vergleichbaren Förderprogramme durch die Bankengruppe der KfW - auf Wohngebäude. Gefördert werden Gebäude, bei denen mit der Herstellung vor 1995 begonnen wurde. Es werden nicht pauschal einzelne Maßnahmen begünstigt, sondern eine Förderung kommt nur dann infrage, wenn sich durch die Baumaßnahmen insbesondere der Energiebedarf des Gebäudes insoweit erheblich verringert, als dass nach der Sanierung lediglich ein Primärenergiebedarf in Höhe von 85 Prozent eines vergleichbaren Neubaus benötigt wird. Dies ist durch die Bescheinigung eines Sachverständigen nachzuweisen. Die Aufwendungen für die Maßnahmen können im Falle einer Einkunftserzielung über zehn Jahre in der jeweiligen Einkunftsart steuerlich geltend gemacht werden. Steuerpflichtige, die das Objekt selbst nutzen, können die Aufwendungen als Sonderausgaben in gleicher Weise geltend machen. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/6040, Frage 14): Gelten für die nach § 44 c Abs. 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, SGB II, zu berücksichtigenden Betreuungsrelationen für die Jobcenter bundesweit einheitliche Kriterien, wie der Betreuungsschlüssel errechnet wird bzw. welche Art von Beschäftigten der Jobcenter - Vermittler, Teamleiter, im Eingangsbereich Tätige, Büro der Geschäftsführung usw. - mit welcher Gewichtung zur Ermittlung der Relation zwischen eingesetztem Personal und Leistungsberechtigten berücksichtigt wird, und wie stellen sich diese gegebenenfalls dar? Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat mit der Bundesagentur für Arbeit abgestimmt, wie die Betreuungsrelationen in den gemeinsamen Einrichtungen errechnet werden sollen. Dabei werden bei den unter 25-jährigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten alle die Vermittlungsfachkräfte und Assistenzkräfte, die für die Vermittlung der unter 25-jährigen eingesetzt werden, berücksichtigt und die Teamleiter in diesem Bereich zur Hälfte. Gleiches gilt für die Gruppe der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die 25 Jahre und älter sind. Die Mitarbeiter des Kundenportals werden entsprechend dem Anteil der Mitarbeiter in den folgenden Gruppen bei der Berechnung der Betreuungsrelationen berücksichtigt: Vermittlung der unter 25-jährigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, Vermittlung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten über 25 Jahre sowie Leistungsgewährung. Dies gilt für alle gemeinsamen Einrichtungen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/6040, Frage 15): Wie stellt sich derzeit die Betreuungsrelation im SGB-II-Bereich dar, bezogen auf die Gruppe der unter 25-Jährigen, der über 25-Jährigen und die Leistungsgewährung, und wie schätzt die Bundesregierung die Umsetzung der seit Anfang des Jahres nach § 44 c Abs. 4 SGB II zu berücksichtigenden Betreuungsrelationen in den Jobcentern ein? Im April 2011 belief sich die Betreuungsrelation im Bundesdurchschnitt bei den unter 25-jährigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten auf 1 zu 86 und bei den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Alter von 25 Jahren und älter auf 1 zu 158; im Bereich der Leistungsgewährung belief sie sich auf 1 zu 117 Bedarfsgemeinschaften. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Berechnung aktuelle Personalzahlen, aber aus statistischen Gründen die Leistungsberechtigten- und Bedarfsgemeinschaftszahlen im Durchschnitt des Jahres 2010 zugrunde gelegt wurden. Da aktuell weniger Leistungsberechtigte und Bedarfsgemeinschaften zu betreuen sind, sind die Betreuungsrelationen vor Ort tatsächlich noch besser. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Betreuungsrelationen wie gesetzlich vorgeschrieben bei der Personalbedarfsermittlung vor Ort berücksichtigt werden. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE ) (Drucksache 17/6040, Frage 16): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II grundsätzlich anspruchsberechtigt auf Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket ist und somit ein durch das Jobcenter Leipzig abgelehnter Antrag einer unter 25-jährigen Bürgerin einer berufsbildenden Schule - Berufsbildungswerk Leipzig - mit der Begründung, es handele sich bei einem gemeinsam mit der polnischen Partnerschule durchgeführten Besuch der KZ-Gedenkstätten Auschwitz und Birkenau nicht um eine Klassenfahrt, welche aus pädagogisch erzieherischen Gründen durchgeführt werde, nicht rechtmäßig ist, und sieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang beim Bildungs- und Teilhabepaket Konkretisierungsbedarf? Bedarfe für Bildung werden bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung beziehen (§ 28 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Ob im Einzelfall die Voraussetzungen für die Förderung einer mehrtägigen Klassenfahrt vorliegen, ist von dem jeweils zuständigen kommunalen Träger zu beurteilen; die Aufsicht wird insoweit von den Ländern ausgeübt. Die Bundesregierung kann hierzu weder Stellung nehmen noch sieht sie Konkretisierungsbedarf. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) (Drucksache 17/6040, Frage 17): Wie hoch waren die Arbeitslosenzugänge nach erfolgreich beendeter dualer Ausbildung in Deutschland im Jahr 2010 - bitte differenzieren nach Bundesländern, Ost/West, Geschlecht -, und welche rechnerische Quote ergibt sich für die Arbeitslosenmeldung nach erfolgreich abgeschlossener dualer Berufsausbildung im Jahr 2010? In den Jahren 2009 und 2010 gab es jeweils rund 162 000 Zugänge in Arbeitslosigkeit nach erfolgreich abgeschlossener Berufsausbildung. Angaben des Statistischen Bundesamtes zu Abschlussprüfungen in der Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz liegen bis zum Jahr 2009 vor. Für das Jahr 2010 können daher hierzu noch keine Angaben gemacht werden. Nach den vorliegenden Zahlen bestanden im Jahr 2009 rund 469 000 Absolventen die Abschlussprüfung. Eine Quote kann aus diesen Daten aus mehreren Gründen nicht sinnvoll ermittelt werden: Zum einen ist Arbeitslosigkeit beim Übergang von Ausbildung in Beschäftigung in hohem Umfang kurzfristige Sucharbeitslosigkeit. Die jungen Menschen können daher ihre Arbeitslosigkeit vergleichsweise schnell beenden. So meldeten sich im Jahr 2010 rund 61 Prozent der jüngeren Arbeitslosen (im Alter von 15 bis unter 25 Jahren) innerhalb von drei Monaten wieder aus der Arbeitslosigkeit ab. Dies bestätigen auch die Analysen der Vorversion des Datenreports des Bundesinstituts für Berufsbildung zum Berufsbildungsbericht 2011, die auf Basis des Mikrozensus errechnet wurden. Sie zeigen, dass die Erwerbslosigkeit unter den Absolventen und Absolventinnen mit zunehmendem zeitlichen Abstand zum erfolgreichen Abschluss abnimmt. Dabei ist zu beachten, dass im Mikrozensus die Erwerbslosigkeit nach dem ILO-Konzept erfasst wird und damit nicht unmittelbar mit dem Begriff der Arbeitslosigkeit, der Grundlage für die nationale Statistik der Bundesagentur für Arbeit ist, vergleichbar ist. Neben ihrer fehlenden Aussagekraft wäre eine solche Quote zum anderen auch methodisch nicht haltbar, denn es handelt sich bei den genannten Zahlen um Daten aus unterschiedlichen Statistiken mit unterschiedlichen Erfassungslogiken. So werden die Arbeitslosenzugänge nach dem Wohnortprinzip, die bestandenen Prüfungen aber nach dem Kammerbezirk bzw. dem Standort des Ausbildungsbetriebs erhoben. Bei einem Vergleich insbesondere anhand regionaler Kriterien käme es somit unweigerlich zu weiteren Verzerrungen. Die gewünschten Differenzierungen zu erfolgreichen Abschlüssen und zu Zugängen in Arbeitslosigkeit nach Abschluss anhand von Geschlecht, Bundesländern sowie West- und Ostdeutschland sind den beigefügten Tabellen zu entnehmen, wobei diese Daten keine Zahlen der zugelassenen kommunalen Träger enthalten. Nach Bundesländern aufgeschlüsselt ergibt sich für 2009 folgendes Bild: Zugang in Arbeits losigkeit nach abgeschlossener Berufsausbildung 2009 (in Klammern zum Vergleich 2010) Teilnahme an Abschlussprüfungen mit bestandener Prüfung 2009 1 1a 2 Schleswig-Holstein 5.702 (5.744) 16.041 Hamburg 2.969 (3.301) 10.642 Niedersachsen 15.074 (15.873) 45.088 Bremen 1.272 (1.298) 4.784 Nordrhein-Westfalen 32.137 (33.452) 96.135 Hessen 10.646 (10.482) 32.108 Rheinland-Pfalz 8.192 (8.213) 22.639 Baden-Württemberg 17.425 (18.136) 63.999 Bayern 21.202 (21.224) 78.130 Saarland 2.090 (2.020) 5.839 Berlin 6.845 (6.962) 15.544 Brandenburg 7.336 (6.824) 13.786 Mecklenburg-Vorpommern 6.042 (5.706) 11.860 Sachsen 11.478 (10.308) 24.343 Sachsen-Anhalt 6.894 (6.916) 14.040 Thüringen 6.622 (5.747) 13.873 Aufgeschlüsselt nach West- und Ostdeutschland und nach Geschlecht ergibt sich folgendes Bild: Zugang in Arbeits losigkeit nach abgeschlossener Berufsausbildung 2009 (in Klammern zum Vergleich 2010) Teilnahme an Abschlussprüfungen mit bestandener Prüfung 2009 1 1a 2 Deutschland gesamt 161.926 (162.206) 468.851 Männlich 93.627 (92.878) 270.587 Weiblich 68.299 (69.328) 198.264 Westdeutschland 116.709 (119.743) 375.405 Ostdeutschland 45.217 (42.463) 93.446 Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Frage 18): Wie hat sich seit Einführung der "kurzen Anwartschaftszeit" zum 1. August 2009 die Anzahl der gestellten und bewilligten Anträge auf Arbeitslosengeld nach § 123 Abs. 2 SGB III branchenspezifisch entwickelt, und welche Ausgaben sind auf Basis dieser Regelung durch die Bundesagentur für Arbeit bisher getätigt worden? Die Sonderregelung zur Anwartschaftszeit für überwiegend kurz befristet Beschäftigte in § 123 Abs. 2 SGB III wurde zum 1. August 2009 eingeführt. Die Regelung ist auf drei Jahre befristet und wird im Rahmen der Wirkungsforschung nach § 282 SGB III evaluiert. Darüber hinaus hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages die Bundesregierung gebeten, die Neuregelung zur verbesserten sozialen Sicherung überwiegend kurz befristet Beschäftigter in der Arbeitslosenversicherung durch ein ständiges Monitoring zu begleiten und ihm jährlich über die Inanspruchnahme sowie die durch diese Neuregelung eintretenden Entwicklungen Bericht zu erstatten. Der erste Berichtszeitraum für den Bericht gegenüber dem Haushaltsausschuss umfasst Leistungsanträge und -bewilligungen, die vom Inkrafttreten der Neuregelung bis zum 31. März 2010 beschieden wurden. Diesen Bericht hat Ihnen das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits im vergangenen Jahr zugesandt. Die für den zweiten Bericht von der Bundesagentur für Arbeit erhobenen Daten liegen der Bundesregierung noch nicht vor. Die Bundesregierung wird die im zweiten Erhebungszeitraum festgestellten Daten im Rahmen des zweiten Berichts gegenüber dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages darstellen und bewerten. Die im Folgenden aufgeführten Fallzahlen beruhen auf dem ersten Erhebungszeitraum vom 1. August 2009 bis zum 31. März 2010. Es wurden insgesamt 883 Anträge auf Arbeitslosengeld nach der Sonderregelung des § 123 Abs. 2 SGB III gestellt. Die Verteilung auf Berufsgruppen stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar, wobei nur Gruppen mit mindestens 25 Antragstellern berücksichtigt wurden: Berufsgruppe Anträge Bewilligungen Kunst/Kultur i. w. S. 429 84 Lagerhelfer/Warenabfüller 64 6 Verkäufer 40 18 Sekretärinnen/Bürofachkräfte 40 6 Kellner/Fachgehilfen 28 17 Erntehelfer 26 3 Die aufgrund der Sonderregelung anfallenden Ausgaben werden nicht gesondert erfasst. Für den ersten Erhebungszeitraum schätzt die Bundesagentur für Arbeit die Ausgaben auf höchstens 1,57 Millionen Euro für Arbeitslosengeld (pro Person durchschnittlich 1 115 Euro pro Monat) und Sozialversicherungsbeiträge. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6040, Frage 19): Wie viele Monate betrug die Anspruchsdauer bei den jeweils bewilligten Anträgen auf Arbeitslosengeld nach § 123 Abs. 2 SGB III, und wie bewertet die Bundesregierung den Erfolg der gesetzlichen Regelung der "kurzen Anwartschaftszeit" vor dem Hintergrund der bisherigen Entwicklung der gestellten und bewilligten Anträge und der mit der gesetzlichen Regelung verbundenen Zielsetzung, unstete Erwerbsbiografien besser abzusichern? Auch die Angaben zur Anspruchsdauer beruhen auf dem ersten Erhebungszeitraum vom 1. August 2009 bis zum 31. März 2010. Die bewilligte Anspruchsdauer betrug in 104 Fällen drei Monate, in 64 Fällen vier Monate und in 52 Fällen fünf Monate. Ob und inwieweit das bewilligte Arbeitslosengeld tatsächlich über die gesamte bewilligte Anspruchsdauer in Anspruch genommen wurde, ist nicht erfasst. Wegen der Kürze des Erhebungszeitraumes und der schwierigen Wirtschaftslage lassen die bisher vorliegenden Daten noch keine seriösen Bewertungen der gesetzlichen Neuregelung zu. Insoweit bleibt die gesetzlich vorgesehene Evaluation abzuwarten. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Elke Ferner (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 20): Wie lautet die genaue Aufgabenbeschreibung für die Zusammenarbeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit der Agentur "re:publik", und in welcher Höhe werden die zu erbringenden Leistungen vergütet? Zwischen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Agentur "re:publik" bestand und besteht kein Vertragsverhältnis. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Elke Ferner (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 21): Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung im Hinblick darauf, dass die Gesellschafterin von "re:publik", Dominique Döttling, auch als Botschafterin für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft tätig ist, und sieht sie beispielsweise in der Tatsache, dass diese zeitgleich mit einer Pressekonferenz der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, eine Aktion vor dem Gebäude des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Berlin durchgeführt hat, Anlass zu der Vermutung, dass bei der Agentur "re:publik" eine Interessenkollision gegeben ist? Es bestand zu keiner Zeit ein Vertragsverhältnis zwischen dem BMAS und der Agentur "re:publik". Somit besteht kein Anlass, eine Interessenkollision zu vermuten. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/6040, Frage 22): Welchen Anteil hatten Bundes-, Landes- und Drittmittel bei der Finanzierung der Arbeit der Bieneninstitute in den Jahren 2009 und 2010? Die sieben klassischen Bieneninstitute in Celle, Hohen Neuendorf, Kirchheim bei Marburg, Mayen, Stuttgart-Hohenheim, Münster und Veichtshöchsheim werden überwiegend durch die Länder getragen. Nach Auskunft der Arbeitsgemeinschaft der Bieneninstitute wirbt nahezu jedes Institut zusätzliche Drittmittel ein, unter anderem auch über die Bundesinstitutionen BLE und BVL. Die betreffenden Landesministerien wurden aufgrund der mündlichen Frage der Abgeordneten um Informationen zur Finanzierung der Arbeit der Bieneninstitute in den Jahren 2009 und 2010 angefragt. Sobald Antworten vorliegen wird Frau Abgeordnete Dr. Tackmann eine schriftliche Antwort erhalten. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Frage 23): Weshalb hat die Bundesregierung Medienberichte, die die spanischen Gurken als Hauptverursacher der Ehec-Infektion identifiziert hatten, nicht revidiert bzw. nicht mit dem Verweis auf fehlende Abschlussergebnisse vorerst infrage gestellt? Die Bundesregierung hatte insbesondere mit Blick auf die Schwere des Ehec-Infektionsgeschehens keinerlei Veranlassung, die Öffentlichkeitsarbeit der zuständigen Hamburger Behörden mit der Bekanntgabe der Herkunft der mutmaßlichen Quelle des Geschehens zu relativieren, infrage zu stellen oder gar zu revidieren. Auch aus heutiger Sicht wäre eine solche Handlungsweise unverantwortlich gewesen. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Fragen der Abgeordneten Nicole Maisch (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Fragen 24 und 25): Weshalb gibt es keine zentrale Stelle in der Bundesregierung, an der alle Informationen zu Ehec zusammenfließen und die die Informationen proaktiv an die Länder, die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Lebensmittelbranche weitergibt, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um das koordinierte Krisenmanagement zu verbessern? Warum gibt es bis heute - Stand: 1. Juni 2011 - vonseiten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, BMELV, bzw. des Bundesministeriums für Gesundheit, BMG, keine adäquate Kommunikation über Ehec mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern, zum Beispiel in Form einer Telefonhotline, die aktiv angeboten und beworben wird oder zumindest auf den zentralen Internetseiten des BMELV und des BMG abrufbar ist? Zu Frage 24: Für die Bundesregierung hat der Kampf gegen Ehec absolute Priorität. Daher wurde im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, BMELV, ein Krisenstab eingerichtet, in dem zentral alle Erkenntnisse zum Ehec-Geschehen zusammenfließen. In dieses zentrale Krisenmanagement sind neben den Fachbehörden des BMELV selbstverständlich auch das Bundesministerium für Gesundheit, BMG, das Robert- Koch-Institut sowie die Länderministerien und Länderfachbehörden eng einbezogen. Die Öffentlichkeit wird zentral über die Internetseiten des BMELV und des BMG über den Sachstand zum Ehec-Geschehen informiert. Auf der Internetseite des BMELV finden sich zudem Internetlinks zu Veröffentlichungen weiterer an der Aufklärung beteiligter Einrichtungen, wie dem Robert-Koch-Institut, dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und dem Bundesinstitut für Risikobewertung. Ebenfalls zentral über den BMELV-Internetauftritt sind die Veröffentlichungen der zuständigen Länderbehörden zugänglich. Die Informationen der Bundesbehörden werden regelmäßig aktualisiert. Zu Frage 25: Das BMELV hat seit Beginn des Ehec-Geschehens in Abstimmung mit dem BMG auf seiner Internetseite die Hotline des BMG beworben. Unter der dort angegebenen Telefonnummer (030 346 465 100) ist die BMG-Hotline grundsätzlich montags bis donnerstags von 8 bis 18 Uhr und freitags von 8 bis 12 Uhr zu erreichen. Anfragen von Bürgern und Bürgerinnen an das BMG werden von diesem Bürgertelefon auf der Basis ständig aktualisierter Fachinformationen beantwortet. Bürgerfragen, die das BMELV betreffen, werden vom Bürgerreferat des BMELV beantwortet. Die Telefonnummer wird ebenfalls auf der Internetseite des BMELV beworben (030 185 29 3377). Darüber hinaus halten auch die Oberbehörden im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit, das Robert-Koch-Institut und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, abgestimmte, umfassende und aktuelle Informationen über die Infektion bereit. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Kossendey auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/6040, Frage 28): Wie viele Luftoperationen gegen welche Ziele hat die NATO seit dem 31. März 2011 im Rahmen der Operation Unified Protector bis heute in Libyen durchgeführt? Mit Stand 5. Juni 2011 hat die NATO seit 31. März 2011 9 917 Luftoperationen geflogen, dabei 3 752 sogenannte Strike Sorties zur Identifizierung und Bekämpfung von Zielen, bei denen nicht in jedem Fall Munition zum Einsatz gebracht wurde. Die Einsätze konzentrierten sich dabei auf Flugabwehrstellungen der libyschen Streitkräfte, militärische Radarstellungen, militärisches Offensivpotenzial, militärische Logistik und Führungseinrichtungen. Die tagesgenauen Daten und jeweils bekämpfte Ziele werden sehr transparent auf der NATO-Homepage - http://www.nato.int - dargestellt und sind öffentlich zugänglich. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 29): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der kritischen Bilanz des "Zweiten Zwischenberichts zur Evaluation des Kinderförderungsgesetzes" sowie der Zwischenevaluierung des Investitionsprogramms "Kinderbetreuungsfinanzierung 2008-2013" vom 18. Mai 2011, wonach der Bedarf an Betreuungsplätzen für unter Dreijährige die anvisierte Marke von durchschnittlich bundesweit 35 Prozent übersteigen wird und die Ausbaugeschwindigkeit bei der Einrichtung von Krippenplätzen gesteigert werden muss, und beabsichtigt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang, einen weiteren Krippengipfel von Bund, Ländern und Kommunen zu initiieren? Der "Zweite Zwischenbericht zur Evaluierung des Kinderförderungsgesetzes" zeigt, dass die Betreuungsquote in allen Bundesländern weiter gestiegen ist. Insgesamt liegt sie in Ostdeutschland mit rund 48 Prozent fast dreimal so hoch wie in Westdeutschland mit etwa 17 Prozent. Erstmalig ist der prozentuale Zuwachs an Betreuungsplätzen im Vergleich zum Vorjahr in Westdeutschland höher als in Ostdeutschland. Der Bericht zeigt, dass auch heute ein Bedarf nach Betreuungsplätzen in der Größenordnung von rund 750 000 Plätzen besteht. Einerseits ist zwar der prozentuale Bedarf gestiegen, andererseits führen die demografischen Veränderungen dazu, dass die Planungszahlen von 2007 ihre Gültigkeit behalten haben. Auch die Jugendämter planen jetzt im Schnitt mit einer vergleichbaren Zielmarke von 38 Prozent an Betreuungsplätzen für unter dreijährige Kinder, was rund 750 000 Plätzen entspricht. Diese Zahlen machen deutlich, dass wir mit unserem Ausbauvorhaben, bis 2013 750 000 Plätze für unter Dreijährige zu schaffen, auf dem richtigen Weg sind. Tatsache ist: Um ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot für unter Dreijährige zu erreichen, muss die Ausbaudynamik - insbesondere in Westdeutschland - bis zum Jahr 2013 noch weiter zunehmen. Grundlage des Ausbaus sind ausreichende finanzielle Rahmenbedingungen. Neben den kommunalen Investitionen müssen die weiteren finanziellen Anstrengungen von Ländern erfolgen. Die Zwischenevaluation des Investitionsprogramms "Kinderbetreuungsfinanzierung 2008-2013" zeigt, dass beim Ausbau durch verschiedene Länder im Rahmen der Finanzierungshöchstgrenzen derzeit erst die Bundesmittel aufgebraucht werden. Es sind daher verlässliche Anschlussfinanzierungen durch die Länder erforderlich, um den Ausbau weiter voranzubringen. Die Bundesregierung steht zu ihren Zusagen für den Ausbau der Kindertagesbetreuung. Die notwendigen Abstimmungsgespräche zwischen Bund, Ländern und Kommunen werden weiterhin stattfinden. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 30): Welche Initiativen plant die Bundesregierung für das "Europäische Jahr für aktives Altern und die Solidarität der Generationen" 2012, bzw. welche Themenschwerpunkte hält die Bundesregierung für dieses Europäische Jahr für sinnvoll? Der "Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zum Europäischen Jahr des aktiven Alterns und der Solidarität zwischen den Generationen 2012" wird in seiner endgültigen Fassung voraussichtlich Ende Juni 2011 verabschiedet. Die Festlegung konkreter Initiativen im Rahmen des Europäischen Jahres 2012 wird unmittelbar nach der endgültigen Beschlussfassung erfolgen. Bereits jetzt steht fest, dass vonseiten der Mitgliedstaaten nationale Koordinierungsstellen zu benennen sind. Diesen obliegt unter anderem die Aufgabe, die nationalen Prioritäten für das Europäische Jahr festzulegen. Für Deutschland wird dies das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sein. Das Ministerium wird die maßgeblichen gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen konsultieren und eng mit ihnen zusammenarbeiten. In diesem Prozess fällt dann auch die Entscheidung über die Vergabe der Fördermittel. Erst dann sind Aussagen zu konkreten Maßnahmen möglich, die zum Europäischen Jahr 2012 geplant und unterstützt werden. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 32): Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Umtragestellen für Sportboote an den Schleusen der touristisch stark genutzten Bundeswasserstraße Finowkanal wegen ihrer Höhe nur eingeschränkt und mit Risiken nutzbar sind, und welche Änderungen sind angesichts dieser Tatsache vorgesehen? Detailinformationen über den Anlagenzustand an Bundeswasserstraßen werden in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bei den dafür zuständigen Wasser- und Schifffahrtsämtern vorgehalten. Die Sicherheit und Ordnung der Anlagen am Finowkanal wird durch das Wasser- und Schifffahrtsamt Eberswalde gewährleistet. Bei Maßnahmen an Anlagen für den Wassersport an Bundeswasserstraßen wird zukünftig die zusammen mit den Nutzerverbänden erarbeitete "Richtlinie für die Gestaltung von Wassersportanlagen an Bundeswasserstraßen" zugrunde gelegt. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Bettina Herlitzius (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Frage 33): Welche zusätzlichen Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die nach Angaben der Deutschen Energie-Agentur GmbH benötigten Investitionsanreize im Gebäudebereich in Höhe von 5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen? Die Bundesregierung hat die Einschätzung der Deutschen Energie-Agentur GmbH, dena, zur Kenntnis genommen. Mit dem Kabinettsbeschluss vom 6. Juni 2011 zur Umsetzung der Energiewende setzt die Bundesregierung in erheblichem Umfang finanzielle Anreize zur Beschleunigung der Investitionen in die energetische Gebäudesanierung. Für die Jahre 2012 bis 2014 stehen zur Finanzierung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms jährlich 1,5 Milliarden Euro Programmmittel über den Energie- und Klimafonds zur Verfügung. Darüber hinaus werden ab 2012 zusätzliche steuerliche Anreize zur Förderung der energetischen Gebäudesanierung geschaffen. Die Förderung wird vor allem Selbstnutzer und private Kleinvermieter unterstützen. Zudem wird die Bundesregierung prüfen, die Förderung im Wärmebereich ab 2015 auf eine marktbasierte und haushaltsunabhängige Lösung umzustellen. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Daniela Wagner (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Frage 34): Zu welchen Teilen will die Bundesregierung das CO2-Gebäudesanierungsprogramm der KfW Bankengruppe 2012 aus dem Einzelplan für das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bzw. dem Energie- und Klimafonds finanzieren, und besteht die Absicht, aus den Mitteln des Energie- und Klimafonds künftig auch die Finanzierung von Investitionszuschüssen zu ermöglichen? Ab 2012 ist vorgesehen, neue Programmscheiben des CO2-Gebäudesanierungsprogramms ausschließlich aus dem Sondervermögen Energie- und Klimafonds, EKF, zu finanzieren. Um den erforderlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele zu leisten, hat das Bundeskabinett am 6. Juni 2011 beschlossen, bis 2014 jährlich Programmmittel in Höhe von 1,5 Milliarden Euro für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm in den EKF einzustellen. Aus den Mitteln des CO2-Gebäudesanierungs-programms werden auch zukünftig zinsverbilligte Kredite und Zuschüsse gewährt. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Daniela Wagner (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Frage 35): In welcher Form plant die Bundesregierung eine Verschärfung der Energieeinsparverordnung für den Neubau, wie bereits in Meseberg - Integriertes Energie- und Klimaschutzprogramm - angekündigt, und ist geplant, die Anforderung der EU-Gebäuderichtlinie stufenweise zu erfüllen und so bis 2020 einen "Nahe-Nullenergie-Standard" für den Neubau umzusetzen? Die Bundesregierung hat am Montag im Rahmen der Beschlüsse zur Energiewende Eckpunkte zur Weiterentwicklung des Energiesparrechts für Gebäude beschlossen. Danach ist beabsichtigt, die Anforderungen an Neubauten mit der Energieeinsparverordnung 2012 schrittweise bis 2020 an den europaweiten Standard heranzuführen, soweit dies im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Belastungen der Eigentümer und der Mieter wirtschaftlich vertretbar ist. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Fragen 36 und 37): In welchem Planungsstand bzw. Umsetzungsstand befinden sich die im Rahmen des Konjunkturpakets II geplanten Grünbrücken - bitte einzeln auflisten -, und welche Gründe führen bei den jeweiligen Projekten gegebenenfalls zu Verzögerungen? Welche konkreten Grünbrücken, die nicht mit den Mitteln des Konjunkturpakets II finanziert werden können, sind für welche Zeiträume bzw. Haushaltspläne vorgesehen? Das BMVBS führt derzeit eine Abfrage bei den Ländern zu den Wiedervernetzungsmaßnahmen durch, die im Rahmen des Konjunkturpakets II geplant wurden; eine abschließende Auswertung liegt noch nicht vor. Von den 18 Maßnahmen, denen das BMVBS zugestimmt hatte, können nach bisherigem Kenntnisstand vier Maßnahmen unter anderem aufgrund der Bewirtschaftungsvorgaben zum Konjunkturpaket II nicht aus dem Investitions- und Tilgungsfonds finanziert werden. Alle 14 Maßnahmen, die aus dem Investitions- und Tilgungsfonds finanziert werden, befinden sich derzeit im Bau und werden voraussichtlich Ende des Jahres fertiggestellt sein. Die vier Maßnahmen, die nicht aus dem Investitions- und Tilgungsfonds finanziert werden konnten, befinden sich in unterschiedlichen Planungsstadien; der Baubeginn ist allerdings noch offen. Einzelheiten können der beiliegenden Liste entnommen werden. Land Straße Abschnitt Grünbrücke Planungsstand Baukosten Maßnahmen, die aus dem Investitions- und Tilgungsfonds finanziert werden BW A7 AS Aalen/Oberko chenAS Heidenheim Grünbrücke NW Hei denheim-Großkuchen Derzeit in Bau, Fertig stellung vsl. Ende 2011 rund 3,4 Millionen Euro BY A7 AS Bad Brückenau/ WildfleckenAS Bad Kissingen/Oberthulba Grünbrücke im Neu wirtshauser Forst Derzeit in Bau, Fertig stellung vsl. Ende 2011 rund 4,9 Millionen Euro BY A93 AS Rehau SüdAS Schönwald Grünbrücke im Re hauer Forst Derzeit in Bau, Fertig stellung vsl. Ende 2011 rund 4,0 Millionen Euro BB A9 AS NiemegkAS Klein Marzehns Grünbrücke bei Nie megk Derzeit in Bau, Fertig stellung vsl. Ende 2011 rund 5,8 Millionen Euro BB A 12 AS BliesenAS Müll rose Grünbrücke bei Bliesen (Mark) (Kersdorf) Derzeit in Bau, Fertig stellung vsl. Ende 2011 rund 6,9 Millionen Euro BB A13 AS TeupitzAS Ba ruth/Mark Grünbrücke bei Teu pitz-Tornow Derzeit in Bau, Fertig stellung vsl. Ende 2011 rund 7,1 Millionen Euro HE A7 AS Hünfeld/ SchlitzAS Fulda-Nord Grünbrücke Michelsrombacher Forst Derzeit in Bau, Fertig stellung vsl. Ende 2011 rund 4,8 Millionen Euro NW Al AS Nettersheim AS Blankenheim Grünbrücke am Hein zenberg (Mürel) bei Nettersheim-Engelgau Derzeit in Bau, Fertig stellung vsl. Ende 2011 rund 3,8 Millionen Euro NW A3 AS Königsforst AS Rösrath Grünbrücke Königs forst in Köln-Eil Derzeit in Bau, Fertig stellung vsl. Ende 2011 rund 4,5 Millionen Euro NW A31 AS Lembeck AS Schermbeck Grünbrücke am Wolfs berg im Forst Gewerkschaft Augus tus Derzeit in Bau, Fertig stellung vsl. Ende 2011 rund 3,3 Millionen Euro NW B64 zwischen Altenbeken-Buke und Bad Driburg Grünbrücke Egge Derzeit in Bau, Fertig stellung vsl. Ende 2011 rund 3,2 Millionen Euro RP Al AS HasbornAS Wittlich Grünbrücke bei Greimerath Derzeit in Bau, Fertig stellung vsl. Ende 2011 rund 2,5 Millionen Euro RP A6 AS Enkenbach-Alsen bornAS Wattenheim Grünbrücke Wattenhei mer Wald (bei Carls berg/Pfalz) Derzeit in Bau, Fertig stellung vsl. Ende 2011 rund 2,9 Millionen Euro SH A24 AS HornbekLgr. SH/ MV Wildbrücke Gudow-Segrahn (ist aber eine Grünbrücke) Derzeit in Bau, Fertig stellung vsl. Ende 2011 rund 5,0 Millionen Euro Maßnahmen, die nicht aus dem Investitions- und Tilgungsfonds finanziert werden BB A9 AS Beelitz-Heilstät tenAS Beelitz Grünbrücke bei Beelitz In Planung Baubeginn offen rund 7,0 Millionen Euro BB All AS Warnitz AS Pfingstberg Grünbrücke Melzower Forst bei Oberucker see-Warnitz In Planung Baubeginn offen rund 4,5 Millionen Euro MV A19 AS Röbel/Müntz AS Wittstock Grünbrücke Wredenha gen In Planung Baubeginn offen rund 4,2 Millionen Euro NI B27 zwischen Waake und Göttingen-Roringen Grünbrücke "Roringer Berg" In Planung Baubeginn offen rund 2,2 Millionen Euro Anlage 29 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann Ott (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6040, Frage 38): Welche Auswirkungen auf die deutschen Zusagen zur internationalen Klimafinanzierung ergeben sich aus den bisherigen Plänen der Bundesregierung für die sogenannte Energiewende? Es ergeben sich keine Auswirkungen. Die Bundesregierung wird ihre Zusagen einhalten. Das Sondervermögen "Energie- und Klimafonds" wird in Zukunft, wie bereits im Gesetz vom letzten Jahr vorgesehen, eine nicht unwesentliche Rolle bei der Finanzierung auf Deutschland zukommender Verpflichtungen im Bereich des internationalen Klima- und Umweltschutzes spielen. Die Details werden jeweils jährlich im vom Deutschen Bundestag zu beschließenden Wirtschaftsplan festgelegt. Anlage 30 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann Ott (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6040, Frage 39): Welche Auswirkungen haben die laut Internationaler Energie-Agentur, IEA, stark angestiegenen weltweiten CO2-Emissionen auf die Politik der Bundesregierung, und welche aktuellen Werte dazu sind der Bundesregierung für Deutschland bekannt? Der von der Internationalen Energie Agentur, IEA, gemeldete Anstieg der weltweiten CO2-Emissionen im Jahr 2010 gegenüber den Vorjahreswerten ist besorgniserregend. Die Bundesregierung sieht sich dadurch in ihrer Auffassung bestätigt, dass die Anstrengungen hinsichtlich der Reduzierung der Treibhausgasemissionen keinesfalls verringert werden dürfen. Die für 2020 und die folgenden Jahrzehnte bis 2050 beschlossenen anspruchsvollen Klimaschutzziele für Deutschland werden unverändert weiterverfolgt. Nach vorläufigen Schätzungen des Umweltbundesamtes sind zwar auch in Deutschland die Treibhausgasemissionen im Jahr 2010 gegenüber 2009 um 4,3 Prozent gestiegen. Jedoch liegen diese 2010 unterhalb des Niveaus von 2008 und 23,1 Prozent unterhalb des Niveaus von 1990. Zum Vergleich: Im Rahmen des Kyoto-Protokolls hat sich Deutschland verpflichtet, seine Emissionen im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 um 21 Prozent zu senken. Diese Verpflichtung wird Deutschland einhalten oder sogar übererfüllen. Anlage 31 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Frage 40): Beabsichtigt die Bundesregierung, die Mittel für die Forschung und Markteinführung erneuerbarer Energien über den Energie- und Klimafonds aufzustocken oder abzusenken? Die Bundesregierung beabsichtigt, die Mittel für Forschung und Entwicklung sowie Markteinführung erneuerbarer Energien aus dem Bundeshaushalt durch Mittel aus dem Energie- und Klimafonds aufzustocken. Für das Jahr 2011 stehen nach dem Wirtschaftsplan für den Energie- und Klimafonds 2011 hierfür jeweils 40 Millionen Euro zur Verfügung. Der Wirtschaftsplan für das Jahr 2012 wird in Kürze innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Anlage 32 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Frage 41): Bei welchen Atomkraftwerken sind aus Sicht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, seit der am 17. Mai 2011 veröffentlichten "ersten" Stellungnahme (vergleiche dort Seite 5 oder vergleiche "in diesem ersten Schritt", Seite 7) der Reaktor-Sicherheitskommission, RSK, zum sogenannten Stresstest der der Anordnung nach § 19 des Atomgesetzes zur dreimonatigen Betriebseinstellung zugrunde liegende Gefahrenverdacht und alle "begründeten Unsicherheiten" (Bundestagsdrucksache 17/5268, Nr. 85) vollständig ausgeräumt, und wie bewertet das BMU in diesem Zusammenhang den Umstand, dass viele Aspekte aufgrund der Zeitknappheit von der RSK nicht vollständig bzw. zu Ende geprüft werden konnten oder ungeprüft als erfüllt angenommen wurden (insbesondere bei den sogenannten Basislevels)? Die aufsichtlichen Anordnungen der zuständigen Behörden nach § 19 Abs. 3 des Atomgesetzes nehmen darauf Bezug, dass insbesondere für die sieben ältesten deutschen Anlagen - denen auch bereits im Rahmen einer Differenzierung der Laufzeitverlängerung eine geringere zusätzliche Elektrizitätsmenge zugewiesen wurde - nach den Ereignissen in Japan zu überprüfen ist, inwieweit bisher nicht berücksichtigte Szenarien nunmehr eine neue Bewertung erfordern. Unter Berücksichtigung der Stellungnahmen von der Reaktor-Sicherheitskommission, RSK, und der Ethik-Kommission hat die Bundesregierung am 6. Juni 2011 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Atomgesetzes beschlossen. Danach soll die Berechtigung zum Leistungsbetrieb für die sieben genannten Kernkraftwerke sowie für das KKW Krümmel mit Inkrafttreten des Gesetzes erlöschen. Anlage 33 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Frage 42): Bis wann werden das BMU und die Landesatomaufsichtsbehörden nach aktueller Planung dazu Stellung nehmen, inwiefern seit der am 17. Mai 2011 veröffentlichten "ersten" Stellungnahme der RSK zum sogenannten Atomkraftwerkestresstest der der Anordnung nach § 19 des Atomgesetzes zur dreimonatigen Betriebseinstellung zugrunde liegende Gefahrenverdacht und alle "begründeten Unsicherheiten" (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/5268, Nr. 85) vollständig ausgeräumt sind oder nicht, und in welchen Bereichen hätte das Atomkraftwerk Biblis aus Sicht des BMU das Basislevel des RSK-Stresstests nicht erreicht, wenn berücksichtigt worden wäre, dass in Biblis die automatische Auslösung des 100-K/h-Abfahrens nicht realisiert ist, die schon länger Stand der Technik ist (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/5808, Nr. 34; bitte mit Angabe, seit wann sie Stand der Technik ist)? Die zuständigen Aufsichts- und Genehmigungsbehörden und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - BMU - werden die Stellungnahme der Reaktor-Sicherheitskommission - RSK - auswerten. Das sekundärseitige Abfahren mit 100 K/h wird im Kernkraftwerk Biblis von Hand ausgelöst. Das dadurch eventuell verzögerte Abfahren um maximal 30 Minuten wirkt sich zwar nachteilig auf die Reserven des Flutbehälterinventars aus, entspricht aber den Anforderungen des bestehenden kerntechnischen Regelwerks. Anlage 34 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Frage 43): Bei welchen der acht Atomkraftwerke, die nach den Plänen der Bundesregierung in diesem Jahr abgeschaltet werden sollen, erlaubt die jeweilige Betriebsgenehmigung ein Wiederanfahren ohne vorherige Beantragung bei den oder Genehmigung durch die Aufsichtsbehörden? Die Zustimmungsvorbehalte für das Wiederanfahren der deutschen Kernkraftwerke sind in den jeweiligen Betriebsgenehmigungen unterschiedlich geregelt. Für die acht Anlagen ist festgelegt, dass vor einem Wiederanfahren nach einem Brennelementewechsel eine ausdrückliche Zustimmung der jeweiligen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde zum Anfahren der Anlage erfolgen oder zumindest, dass der Betreiber vor dem Wiederanfahren Nachweise vorlegen muss - so beim Kernkraftwerk Biblis B. Bei den Kernkraftwerken Philippsburg 1 und Neckarwestheim I besteht ein solcher Wiederanfahrvorbehalt auch nach einem längeren Anlagenstillstand ohne Brennelementewechsel. Anlage 35 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Frage 44): Welche Investitionen in die Atomkraftwerke haben die Betreiber seit Inkrafttreten der elften Atomgesetznovelle getätigt? Über getätigte Investitionen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, da der Betrieb eines Atomkraftwerkes der laufenden Aufsicht durch die zuständige Behörde des Landes unterliegt. Hinsichtlich der Umsetzung der Bund-Länder-Nachrüstungsliste, die im Zuge der 11. Atomgesetznovelle vereinbart wurde, finden mit den zuständigen Landesbehörden Beratungen statt. Daraus ist dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bekannt, dass die insoweit erforderlichen Investitionen bisher noch in Planung waren. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Fragen der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) (Drucksache 17/6040, Fragen 45 und 46): In welcher Höhe hat die Bundesregierung in den letzten zehn Jahren die Forschung im Bereich Kernenergie gefördert, und wie viele Mittel hat die Bundesregierung in den letzten zehn Jahren für den Rückbau kerntechnischer Anlagen aufgewendet (bitte um Aufschlüsselung nach Jahren)? Wie viele Mittel hat die Bundesregierung in den letzten zehn Jahren für die Forschung im Bereich Kernfusion aufgewendet, und wie viele Bundesmittel sind über die europäische Ebene - Forschungsrahmenprogramm/Euratom - in die Forschung im Bereich Kernfusion geflossen (bitte um Aufschlüsselung nach Jahren)? Zu Frage 45: Seit 1998 wird von der Bundesregierung keine Forschung im Bereich Kernenergie gefördert. Es gab lediglich Förderung in den Bereichen nukleare Sicherheits- und Endlagerforschung sowie Forschung zum Rückbau kerntechnischer Anlagen. Die Bundesregierung hat in den Jahren 2001 bis 2010 für den Rückbau kerntechnischer Forschungsanlagen Zahlungen in folgender Höhe geleistet: (in Tsd. Euro) 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Rückbau BMBF 98.221 87.338 70.402 96.815 126.459 182.141 187.660 201.639 138.253 134.427 Rückbau BMF 128.620 127.435 124.754 117.852 119.198 109.958 116.205 107.410 102.609 89.105 Summe 226.841 214.773 195.156 214.667 245.657 292.099 303.865 309.049 240.862 223.532 Summe 20012010 Rückbau BMBF 1.323.355 Rückbau BMF 1.143.146 Gesamt 2.466.501 Zu Frage 46: National: Die national für die Kernfusion aufgewendeten Mittel in den letzten zehn Jahren betragen für die einzelnen Jahre (in Tausend Euro): 2001 110.855 2002 88.637 2003 115.298 2004 115.865 2005 115.040 2006 114.408 2007 121.515 2008 125.583 2009 142.654 2010 131.031 Euratom: Euratom wird ausschließlich aus dem EU-Haushalt - Rubrik 1 a, Titel 08 - aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen finanziert. Der Anteil der Bundesrepublik am EU-Haushalt beträgt insgesamt rund 20 Pro-zent. Anlage 37 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6040, Frage 47): Aus welchen Quellen stammen nach Erkenntnissen der Bundesregierung Kugeln aus Grafit, die optisch mit den in der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor Jülich bzw. im Thorium-Hochtemperaturreaktor Hamm-Uentrop verwendeten Brennelementekugeln identisch sind und zum Beispiel mit der Aussage "Es handelt sich um eine Originalkugel, wie sie in den Kugelhaufenreaktor (Atomkraftwerk) Hamm-Uentrop eingefüllt wurden ... Nicht radioaktiv, weil nicht im jetzt demontierten Kraftwerk eingefüllt!" im Internet regelmäßig beim Portal eBay versteigert werden, und wie kann die Bundesregierung ausschließen, dass derartige Kugeln weder radioaktiv noch sonst wie gefährlich sind? Nach Angaben der AVR GmbH (Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor Jülich) und des Forschungszentrums Jülich wurde seinerzeit vom Hersteller der Brennelemente (HOBEG Hochtemperaturreaktor-Brennelement GmbH in Hanau) eine große Anzahl von Grafitkugeln als Demonstrationsmaterial gefertigt (mehrere zehntausend Stück), um damit insbesondere das Fließ- und Schüttverhalten der Kugeln in nicht radioaktiven Versuchseinrichtungen im praktischen Versuch zu überprüfen. Nachdem die Kugeln, die äußerlich den Brennelementekugeln entsprechen, aber keinerlei spaltbares Material enthalten und nur aus Grafit bestehen, nicht mehr für weitere Versuche benötigt wurden, wurden sie als Anschauungsmaterial an interessierte Personen abgegeben oder als nicht radioaktiver Abfall entsorgt. Die Bundesregierung hat weiterhin die zuständigen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen um Stellungnahme gebeten. Wegen der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit liegt diese Stellungnahme noch nicht vor. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Frage 48): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung als Mehrheitsgesellschafterin darüber, dass das Forschungszentrum Jülich, zum Beispiel im Rahmen der Neufestschreibung der projektorientierten Förderung des Energiebereichs für die nächsten fünf Jahre, Transmutationsforschung im Nuklearbereich betreiben will, und welche konkreten Förderanträge plant das Forschungszentrum Jülich, gegebenenfalls in Kooperation mit anderen Forschungseinrichtungen/Universitäten, nach Erkenntnissen der Bundesregierung diesbezüglich in nächster Zeit zu stellen? Im Rahmen der Programmorientierten Förderung der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren führt das Forschungszentrum Jülich, FZJ, im Forschungsbereich "Energie", Programmanteil "Nukleare Sicherheitsforschung", Grundlagenforschung zur Partitionierung und Transmutation von langlebigen Radionukliden sowie zur Abschätzung des Potenzials dieser Technologie durch. Dabei konzentriert es sich auf Prozesse zur Trennung der Radionuklide. Nach Erkenntnissen der Bundesregierung gibt es derzeit im FZJ keine konkreten, antragsreifen neuen Vorhaben in der Transmutationsforschung. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 49): Wie hoch waren bzw. sind die Ausgaben des Bundes für Bildung einerseits und für Forschung und Entwicklung andererseits jährlich von 2002 bis heute? Die Ausgaben des Bundes für Bildung (Grundmittel) haben sich seit 2002 wie folgt entwickelt: Jahr 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 vorl. Ist 2009 vorl. Ist 2009 Soll 2010 Soll Milliarden Euro 3,599 3,720 3,842 4,290 4,640 7,185 5,141 5,627 5,174 5,608 Quelle: Bildungsfinanzbericht 2010, Ausgaben für Bildung (Tabellenteil im Internet), Tabelle 1.7. Der einmalige Effekt im Jahr 2007 ergibt sich durch die Zuführung von 2,15 Milliarden Euro zum Sondervermögen "Kinderbetreuungsausbau". Für 2009 sind sowohl Soll als auch vorläufiges Ist angegeben - hier wurde im Vergleich zur ursprünglichen Planung deutlich mehr für Bildung aufgewendet, insbesondere aufgrund der - bis Ende 2009 möglichen - Inanspruchnahme von Mitteln aus dem Programm "Initiative Zukunft Bildung und Betreuung" ("Ganztagsschulprogramm"). Dies ist auch der Grund dafür, dass es im Soll 2010 im Vergleich zum vorläufigen Ist 2009 keine Steigerung mehr gegeben hat. Die Angabe für 2011 wird im Dezember im Rahmen des Bildungsfinanzberichts vorliegen. Die Ausgaben des Bundes für Forschung und Entwicklung haben sich seit 2002 wie folgt entwickelt: Jahr 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Ist 2009 Ist 2010 Soll 2011 Soll Milliarden Euro 9,119 9,081 8,868 9,035 9,306 10,147 10,933 11,929 12,671 12,850 Quelle: BMBF Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Frage 50): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen der Onlineumfrage unter Hochschulen, Firmen und Stiftungen der Universität Hildesheim, welche besagen, dass sich Hochschulen und Unternehmen schwertun, das neue Deutschlandstipendium zu akzeptieren? Von den 157 Hochschulen, die sich an der Umfrage beteiligt hatten, planen 90 Prozent, am Deutschlandstipendium teilzunehmen, weil sie darin laut Studie "einen signifikanten Vorteil für die Unterstützung hochbegabter Studenten und die mögliche Verbesserung der Studienbedingungen sehen". Eine mangelnde Akzeptanz vermag die Bundesregierung daraus nicht abzuleiten. Zur Unterstützung der Hochschulen bei der Umsetzung des Stipendienprogramms hat das BMBF eine Fülle von Maßnahmen ergriffen: So erhalten die Hochschulen sieben Prozent der maximal einwerbbaren privaten Stipendienmittel als Pauschale zur Deckung der Akquisekosten und zum Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur. Weiterhin hat das BMBF kostenlose Schulungen für Hochschulfundraiserinnen und -fundraiser angeboten, um diese auf ihre neue Aufgabe vorzubereiten. Eine vom BMBF geförderte Servicestelle beim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft informiert potenzielle private Mittelgeber über das Deutschlandstipendium und stellt den Kontakt zu den Hochschulen her. Zudem hat das BMBF eine Informationskampagne gestartet, um das Programm in der Öffentlichkeit und insbesondere bei potenziellen Mittelgebern bekannt zu machen. Alle diese Maßnahmen haben sich bewährt und werden weiter fortgesetzt. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Frage 51): Will die Bundesregierung die im Rahmen des Effizienzfonds - Förderung der rationellen und sparsamen Energieverwendung - zur Verfügung gestellten Mittel in Höhe von 90 Millionen Euro für die kommenden Jahre aufstocken, und wann ist mit einer Mittelausschüttung des Energieeffizienzfonds zu rechnen? Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung zum Wirtschaftsplan 2012 für den Energie- und Klimafonds - EKF - und damit der Ausstattung der einzelnen Ausgabetitel wie dem Effizienzfonds ist noch nicht abgeschlossen. Die Mittelausschüttung hat für einzelne Maßnahmen bereits begonnen und wird im weiteren Verlauf des Jahres fortschreiten. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 52): Wie viele Mittel hat die Bundesregierung in den letzten zehn Jahren für die Forschung im Bereich erneuerbare Energien aufgewendet - bitte um Aufschlüsselung nach Jahren -, und wie viele Mittel wurden in den letzten zehn Jahren für die Forschung im Bereich Carbon Capture and Storage aufgewendet? Im Rahmen ihres Energieforschungsprogramms hat die Bundesregierung in den Jahren 2001 bis 2010 folgende Projektfördermittel für Forschung und Entwicklung erneuerbarer Energien zur Verfügung gestellt: Haus-haltsjahr Mittel für F&E im Bereich erneuerbare Energien im Rahmen des Energieforschungsprogramms in Millionen Euro 2001 55 2003 66 2004 73 2005 54 2006 128 2007 121 2008 127 2009 153 2010 194 Summe 1.169 Die Bundesregierung hat in den letzten zehn Jahren Forschungsprojekte im Bereich CCS mit insgesamt rund 86,13 Millionen Euro gefördert. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 53): Für wann plant die Bundesregierung die Vorlage des sechsten Energieforschungsprogramms, und welche Rolle soll die Kernenergie im Rahmen des neuen Energieforschungsprogramms spielen? Die Bundesregierung hat in ihrem Energiekonzept angekündigt, im Jahr 2011 ein neues Energieforschungsprogramm vorzulegen. Das 6. Energieforschungspro-gramm soll nach den Planungen der Bundesregierung zeitnah nach Ablauf des Moratoriums in der Energiepolitik und vor der Sommerpause vorgelegt werden. Die Bundesregierung plant im Rahmen ihres 6. Energieforschungsprogramms die Forschungs- und wissenschaftliche Nachwuchsförderung im Bereich der nuklearen Sicherheits- und Endlagerforschung sowie der nuklearen Entsorgungs- und Strahlenforschung fortzusetzen, um den Erhalt und den Ausbau der wissenschaftlichen Kompetenz auf diesen Gebieten zu sichern. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 54): In welcher Höhe hat die Bundesregierung in den letzten vier Jahren Forschungsprojekte im Bereich Energienetze gefördert, und plant die Bundesregierung, die Haushaltsmittel für dieses Forschungsfeld aufzustocken? Im Rahmen ihres Energieforschungsprogramms hat die Bundesregierung in den Jahren 2006 bis 2010 Forschungsprojekte im Bereich der elektrischen Netze mit 36,1 Millionen Euro gefördert (einschließlich Mittel aus dem Konjunkturpaket II). Die Bundesregierung plant, die Forschungsmittel in diesem Bereich aufzustocken und eine ressortübergreifende Förderinitiative auf den Weg zu bringen. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 55): Von welchem zusätzlichen Energiebedarf geht die Bundesregierung im Rahmen der Pläne zur Förderung der Elektromobilität für die Jahre 2020 - Ziel: 1 Million Elektrofahrzeuge - und 2030 - Ziel: 6 Millionen Elektrofahrzeuge - aus? Die Bundesregierung hat das Ziel gesetzt, dass bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen fahren. Die Bundesregierung geht davon aus, dass dies zu einem zusätzlichen Strombedarf von deutlich unter einem Prozent führt (bei durchschnittlicher Fahrleistung von etwa 10 000 Kilometer pro Fahrzeug und Jahr entspräche dies einem jährlichen Mehrbedarf an Elektrizität von rund 2 TWh). Diese Herausforderung ist also gut beherrschbar. Für die Jahre nach 2020 erhöht sich der Strombedarf entsprechend, wenn der Bestand an Elektrofahrzeugen weiterwächst. Im Bericht der Nationalen Plattform Elektromobilität vom 16. Mai 2011 heißt es: "Bis 2020 und auch darüber hinaus führt das Laden von Elektroautos nicht zu Überlastungen in den Verteilnetzen." Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Ulla Burchardt (SPD) (Drucksache 17/ 6040, Frage 56): Wie viel Prozent der für Forschungsprojekte im Bereich Energiespeicher zur Verfügung gestellten Mittel sind in den letzten vier Jahren abgeflossen, und wie verteilen sich diese Mittel auf die Bereiche thermische, stoffliche und elektrische Speicherung? Im Rahmen ihres Energieforschungsprogramms hat die Bundesregierung in den Jahren 2007 bis 2010 Forschungsprojekte im Bereich der Energiespeicherung mit 71,3 Millionen Euro gefördert. Damit sind nahezu 100 Prozent der für den Bereich Energiespeicher vorgesehenen Fördermittel verwendet worden. Eine Aufschlüsselung der Mittel nach Art der Energiespeicher ist nicht möglich. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Ulla Burchardt (SPD) (Drucksache 17/ 6040, Frage 57): In welcher Höhe hat die Bundesregierung in den letzten vier Jahren geistes- und sozialwissenschaftliche Projekte zum Thema Energie/Energiewende gefördert - bitte um Aufschlüsselung nach Jahren -, und plant die Bundesregierung, dieses Forschungsfeld zukünftig verstärkt zu fördern? Die Bundesregierung fördert im Rahmen ihres Energieforschungsprogramms Energiesystemanalysen mit sozialwissenschaftlichen Komponenten sowie geistes- und sozialwissenschaftliche Projekte zum Thema Energie/ Energiewende auch außerhalb des Energieforschungsprogramms (Förderprogramme: "Sozialökologische Forschung" und "Wirtschaftswissenschaften für Nachhaltigkeit"). Der gesamte Förderumfang der letzten vier Jahre zu diesem Thema ist folgender Tabelle zu entnehmen: Die Bundesregierung beabsichtigt, die Förderung auf diesem Gebiet künftig zu verstärken. HH-Jahr 2007 2008 2009 2010 20072010 Förderung in Millionen Euro 2,7 4,4 6,2 4,3 17,6 Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Fragen der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Fragen 58 und 59): Mit welchen konkreten Maßnahmen neben dem Top-Runner-Ansatz will die Bundesregierung im Zuge des Atomausstiegs den Stromverbrauch bis 2020 um 10 Prozent senken? Welche absoluten Primär-/Endenergieeinsparungen will Deutschland für 2020 vorschlagen, und welchen Beitrag leisten diese zum 20-Prozent-Ziel der EU? Zu Frage 58: Die Bundesregierung setzt auf Anreize, Vernunft und Eigenverantwortung von Wirtschaft und Bürgern. Hierzu beabsichtigen wir unter anderem - die Förderung von energieeffizienten Querschnittstechnologien bei KMU, - den Aufbau intelligenter Stromnetze und die Einführung variabler Tarife zur Ermöglichung von nachfrageseitigem Lastmanagement, - den Ausbau von Beratungsprogrammen einschließlich der Förderung der Einführung von Energiemanagementsystemen für Unternehmen, - Energie-Checks für private Haushalte. Zu Frage 59: Der von der Europäischen Kommission im März 2011 vorgelegte Energieeffizienzplan sieht Vorschläge für Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz in den Bereichen Gebäude, öffentlicher Sektor, Industrie und Verbraucher vor. Die Bundesregierung begrüßt, dass sich die KOM im vorgelegten Energieeffizienzplan zum indikativen Ziel einer Effizienzverbesserung von 20 Prozent bis 2020 bekennt. Der Energieeffizienzplan wird nun seitens der Europäischen Kommission durch Vorschläge für konkrete, anspruchsvolle und verbindliche Maßnahmen unterlegt werden. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Fragen des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/6040, Fragen 60 und 61): Wird sich die Bundesregierung nach dem Beschluss über den Ausstieg aus der Atomkraft für eine inhaltliche Neuausrichtung des Euratom-Vertrages einsetzen, und, wenn ja, welchen inhaltlichen Schwerpunkt sollte der reformierte Vertrag aus Sicht der Bundesregierung haben? Ist es nach Ansicht der Bundesregierung rechtlich für Deutschland möglich, aus dem Euratom-Vertrag auszusteigen, und, wenn nein, warum nicht? Zu Frage 60: Im Kern setzt der Euratom-Vertrag (EAGV) den Rahmen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor ionisierenden Strahlen sowie für den Bezug und die Überwachung von Kernmaterial innerhalb der EU. Eine Änderung des EAGV ist nur im Konsens aller EU-Mitgliedstaaten möglich. Die Vorschriften haben sich, ungeachtet der Entscheidung jedes einzelnen Mitgliedstaates für oder gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie, bewährt. Sie sind unter anderem aus nicht verbreitungspolitischen Gründen und unter Aspekten des Strahlenschutzes unabdingbar. Sie bilden auch den Rahmen für eine Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf EU-Ebene auf den Gebieten der nuklearen Sicherheit und der Entsorgung, wie etwa bei den jüngst beschlossenen EU-weiten Risiko- und Sicherheitsbewertungen für Kernkraftwerke. Zu Frage 61: Ein einseitiger Austritt Deutschlands aus der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) ist unionsrechtlich nicht vorgesehen. Zwar verweist Art. 106 a Abs. 1 EAGV auf Art. 50 EUV, der die Möglichkeit eines Austritts aus der EU vorsieht. Art. 106 a Abs. 1 EAGV ermöglicht jedoch keinen selektiven Austritt aus der EAG. Ein Austritt aus der EAG kann vielmehr nur im Paket mit einem Austritt aus der EU erfolgen. Art. 106 a EAGV macht deutlich, dass die EAG an die EU gekoppelt ist. Eine EU-Mitgliedschaft ohne EAG-Mitgliedschaft ist unionsrechtlich ebenso wenig vorgesehen wie eine EAG-Mitgliedschaft durch nicht der EU angehörende Drittstaaten. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/6040, Frage 62): Warum spielt der Aspekt "Barrierefreier Tourismus" in der Verordnung über die Berufsausbildung zum Tourismuskaufmann und zur Tourismuskauffrau vom 19. Mai 2011 (siehe BGBl. I Seite 953) keine Rolle, und in welcher Weise hat die Bundesregierung entsprechend Art. 4 Abs. 3 der UN-Behindertenrechtskonvention den Bundesbehindertenbeauftragten sowie Menschen mit Behinderungen und deren Verbände in die Erarbeitung dieser Verordnung aktiv einbezogen? Wie jede Ausbildungsordnung wurde auch die Ausbildungsordnung "Tourismuskaufmann (Kaufmann für Privat- und Geschäftsreisen)/Tourismuskauffrau (Kauffrau für Privat- und Geschäftsreisen)" im Konsens mit den Sozialpartnern, Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, erarbeitet. Parallel und in enger Abstimmung mit den Ländern wurde der Rahmenlehrplan für den Berufsschulunterricht entwickelt. Spezielle Zielgruppen werden in Ausbildungsordnungen grundsätzlich deshalb nicht gesondert genannt, da eine besondere Hervorhebung zum einen diskriminierend verstanden werden und eine andere Personengruppe sich zurückgestellt fühlen könnte. Zum anderen werden Ausbildungsordnungen bewusst in vielerlei Hinsicht "offen" formuliert, um besonderen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder technischen Entwicklungen in der Praxis unmittelbar entsprechen zu können, ohne dass gleichzeitig auch die Ausbildungsordnung zwingend geändert werden muss. Der Aspekt "Barrierefreier Tourismus" wird im Rahmen der Ausbildungsordnung insbesondere im Zusammenhang mit kundenorientierter Kommunikation, Kundenberatung sowie bei Inhalten zur Gestaltung von Produkten und Leistungen berücksichtigt. Eine Diskriminierung behinderter Menschen oder ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 der UN-Behindertenrechtskonvention wird nicht gesehen. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/6040, Frage 63): Inwieweit wurden bei der anstehenden Novellierung des Telekommunikationsgesetzes die Probleme von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen diskutiert und berücksichtigt, und in welcher Weise hat die Bundesregierung entsprechend Art. 4 Abs. 3 der UN-Behindertenrechtskonvention den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen sowie Menschen mit Behinderungen und deren Verbände in dieses Gesetzgebungsverfahren aktiv einbezogen? In dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen sind entsprechend den europäischen Vorgaben mehrere Regelungen enthalten, mit denen den besonderen Belangen behinderter Menschen Rechnung getragen wird. Die erweiterten Bestimmungen des Zielkatalogs in § 2 des Gesetzentwurfes geben vor, dass bei allen behördlichen Maßnahmen und Entscheidungen, die Belange behinderter Menschen zu berücksichtigen sind. Die Unternehmern sind zudem verpflichtet, behinderten Menschen einen gleichwertigen Zugang zu öffentlichen Telekommunikationsdiensten zu ermöglichen (§ 45 TKG-Entwurf). Gleiches gilt für die Auswahl an Unternehmen und Diensten. Die Bundesnetzagentur erhält die Befugnis, den Anbietern von öffentlichen Telekommunikationsdienstleistungen erforderlichenfalls entsprechende Verpflichtungen aufzuerlegen. Hierzu gehört auch die Verpflichtung, rechtzeitig Informationen für die Endnutzer über die Gleichwertigkeit des Zugangs und die Auswahlmöglichkeiten zu veröffentlichen (§ 45 o Abs. 2 TKG-E). Im Rahmen der öffentlichen Kommentierung des Referentenentwurfes wurde allen Verbänden und Interessenten Gelegenheit gegeben, die vorgesehenen Bestimmungen zu kommentieren und Vorschläge einzureichen. Der Behindertenbeauftragte war ebenfalls in die Ressortabstimmung mit eingebunden. Die in dem Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen ergänzen den bereits seit einigen Jahren auf der Grundlage des § 45 TKG angebotenen, besonderen Vermittlungsdienst für gehörlose und hörgeschädigte Endnutzer. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 64): Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus den Ergebnissen der Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes zur Entwicklung der Benzinpreise ziehen, und wird sie insbesondere, wie entsprechenden Presseberichten zu entnehmen war, gesetzliche Maßnahmen zur Einschränkung der Marktmacht der Konzerne ergreifen? Das Bundeskartellamt hat am 26. Mai 2011 nach umfassender Analyse der Wettbewerbsverhältnisse auf den Tankstellenmärkten in Deutschland die Ergebnisse seiner Sektoruntersuchung Kraftstoffe veröffentlicht. Das Bundeskartellamt zeigt auf, wie im Einzelnen die Mechanismen der Preissetzung auf diesen Märkten funktionieren. Es sieht seinen bisherigen Befund eines marktbeherrschenden Oligopols der Unternehmen BP (Aral), ConocoPhillips (Jet), ExxonMobil (Esso), Shell und Total auf regionalen Tankstellenmärkten bestätigt und kann mit den vorhandenen kartellrechtlichen Instrumenten gegen missbräuchliches Verhalten vorgehen. Die Bundesregierung unterstützt das Bundeskartellamt bei den vorgesehenen Maßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Konzentration der Märkte und den Verfahren gegen die festgestellten Rechtsverstöße. So hat das Bundeskartellamt angekündigt, weitere Maßnahmen zum Schutz der kleinen und mittleren Mineralölunternehmen einzuleiten, da nach den Ergebnissen der Sektoruntersuchung in Einzelfällen freie Tankstellen durch die Preisgestaltung der großen Mineralölunternehmen wirtschaftlich verdrängt werden. Die Bundesregierung wird den Bericht des Bundeskartellamtes wie auch gesetzgeberische Handlungsmöglichkeiten genau analysieren. Im Vordergrund steht dabei die Stärkung wettbewerblicher Strukturen auf den Tankstellenmärkten. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache 17/ 6040, Frage 65): Wird die Bundesregierung im laufenden Jahr erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland weder Regierungsaufträge für den Marineschiffbau vergeben noch Hermesbürgschaften für den Export von Marineschiffen bereitstellen, wie von Banken, Reedereien und Gewerkschaften anlässlich der Maritimen Konferenz in Wilhelmshaven in der letzten Woche kritisiert wurde? Neben den laufenden Projekten sind in diesem Jahr keine Aufträge für den Bau von Schiffen für die Deutsche Marine vorgesehen. Die Exportkreditgarantien des Bundes, Hermesbürgschaften, stehen auch für den Export von Marineschiffen zur Verfügung, sofern diese Exporte förderungswürdig und risikomäßig vertretbar sind. Im Jahr 2011 wurden bereits Deckungen für den Export von Marineschiffen übernommen. Anlage 54 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen der Abgeordneten Katja Keul (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Fragen 68 und 69): Inwiefern ändern sich im Rahmen der Atalanta-Mission durch den veränderten Operationsplan und das sogenannte aktivere Vorgehen gegen Piraten (Brief des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt Dr. Wolf-Ruthart Born vom 18. Mai 2011) auch die Einsatzregeln - RoE - der Soldatinnen und Soldaten, und welche Auswirkungen hat dies insbesondere auf die von der Bundeswehr im Rahmen des Atalanta-Mandats vorgehaltenen Kräfte und Fähigkeiten für Geiselbefreiungsoperationen? Welche militärischen Maßnahmen sind vorgesehen, um die Formulierungen im Schreiben des Staatssekretärs Dr. Wolf-Ruthart Born vom 18. Mai 2011 "Immobilisieren von Mutterschiffen" und "Neutralisierung der Piraterieausrüstung" innerhalb des neuen Operationsplans in konkrete Aktionen umzusetzen, und welche in demselben Schreiben genannten "Reizstoffe zur Auftragsdurchsetzung" werden in Erwägung gezogen? Zu Frage 68: Am 13. Mai 2011 billigte das Politische und Sicherheitspolitische Komitee - PSK - der EU den überarbeiteten Operationsplan - OPLAN - ATALANTA sowie die erweiterten Einsatzregeln - Rules of Engagement, RoE. Der Force Commander - FCdr - setzte diese Regeln am 16. Mai 2011 in Kraft. Die angepassten Einsatzregeln sind im OPLAN abgebildet und schließen den verstärkten Einsatz von "Vessel Protection Detachments" - VPD -, das gezielte Vorgehen gegen Mutterschiffe, den Einsatz von Reizstoffen sowie die Wiederinbesitznahme und Geiselbefreiung ein. Die Einsatzregeln decken somit grundsätzlich eine Geiselbefreiung auf entführten Schiffen ab. Unverändert ist es das Verständnis der Bundesregierung, dass derartige Geisellagen grundsätzlich polizeiliche Lagen sind, die das gesamte Spektrum polizeilicher Einsatzbewältigung durch Spezialeinheiten erfordern. Die Bundeswehr verfügt über Kernfähigkeiten zur Durchführung von Geiselbefreiungen auf See. Aufgrund des dazu notwendigen, umfassenden materiellen Fähigkeitsbedarfs geht die Bundeswehr jedoch weiterhin davon aus, dass eine Befreiungsoperation bei Geisellagen auf maritimen Plattformen zur See im Rahmen der Operation ATALANTA grundsätzlich einen multinationalen Kräfteansatz erfordert. Zu Frage 69: Informationen zur konkreten Umsetzung der erweiterten Handlungsoptionen bei ATALANTA sind von der EU als "vertraulich" eingestuft und können nicht offengelegt werden, ohne den Erfolg der Operation zu gefährden. Hinsichtlich der "Reizstoffe zur Auftragsdurchsetzung" können durch deutsche Kräfte nur die innerhalb der Bundeswehr freigegebenen Reizstoffe eingesetzt werden. Anlage 55 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6040, Fragen 70 und 71): Inwieweit wird die Human Rights Support Unit im afghanischen Justizministerium gezielt von Deutschland oder der internationalen Gemeinschaft gefördert? In welchem finanziellen Ausmaß fördert die Bundesregierung die Afghanistan Independent Human Rights Commission, AIHRC, und inwieweit unterstützt die Bundesregierung die AIHRC aktiv darin, die jeweiligen Vergaberichtlinien und -vorgaben der betreffenden deutschen Bundesministerien, Ämter oder Durchführungsorganisationen zu erfüllen, damit die AIHRC ihrer gesellschaftlichen Bedeutung entsprechend auch durch Mittel der Bundesregierung gefördert wird? Zu Frage 70: Das Auswärtige Amt hat die Human Rights Support Unit im afghanischen Justizministerium im Jahr 2009 mit einem Betrag in Höhe von 200 000 US-Dollar - umgerechnet 136 000 Euro - im Rahmen des Vorhabens Justice and Human Rights in Afghanistan Project gefördert. Projektpartner dieser Förderung war das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen - UNDP -. Neben Deutschland gehören die Europäische Kommission, Kanada, Dänemark, Schweiz, Norwegen und das Vereinigte Königreich zu den Gebern. Zu Frage 71: Das Auswärtige Amt hat die Afghanische Unabhängige Menschenrechtskommission - AIHRC - im Jahr 2010 mit einem Betrag in Höhe von 33 500 Euro gefördert. Gegenstand des Projekts war das Thema Erforschung und Beobachtung der Menschenschleusung. Im Jahr 2011 fördert das Auswärtige Amt erneut ein Projekt der AIHRC in Höhe von 110 000 Euro. Das Projekt dient der Förderung und dem Schutz von Frauenrechten. Die AIHRC ist ferner bereits seit 2005 Partner des zivilen Friedensdienstes - ZFD -, der vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - BMZ - finanziert wird. Der ZFD entsendet internationale Experten an die AIHRC in Kabul und in Mazar-i-Sharif. Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben sechs Experten als Berater in den Bereichen zivile Konfliktbearbeitung, case reporting, Mediation, Völkerrecht, Polizeiausbildung, Advocacy, sowie Menschen- und Frauenrechtsförderung gearbeitet. Außerdem fördert der ZFD einheimische Fachkräfte. Der ZFD unterstützt die Vorhaben der Menschenrechtskommission inhaltlich sowie materiell. Zuletzt hat der ZFD die Einrichtung einer Fachbibliothek im Bereich Völkerrecht ermöglicht. Die Bundesregierung begrüßt Projektanträge der AIHRC und unterstützt die Organisation bei Bedarf in allen Phasen der Durchführung, sowohl von Berlin aus als auch durch die Deutsche Botschaft in Kabul. Durch die Verwendung von Muster-Zuwendungsverträgen wird sichergestellt, dass die einschlägigen deutschen Bestimmungen berücksichtigt werden. Anlage 56 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 72): In welchem Umfang hat die Bundesregierung insbesondere im Hinblick auf den "arabischen Frühling" aktuell den Zugang für aktuelle bzw. frühere Regierungsmitglieder zu "ihrem" Vermögen - jeweils nach Ländern - und Mitteln der bilateralen Zusammenarbeit - zum Beispiel aufgrund von Menschenrechtsverletzungen - gesperrt, und wie sollen die Hilfszusagen beim jüngsten G-8-Gipfel in Deauville für den demokratischen Aufbruch in Nordafrika bis 2013 - unter Angabe der Instrumente und der deutschen Beteiligung - finanziert werden? 1. Finanzsanktionen und Einfrieren von Mitteln zur bilateralen Zusammenarbeit Zur Unterstützung des demokratischen Aufbruchs in Nordafrika hat die EU Finanzsanktionen gegen (ehemalige) Mitglieder der Regierungen Ägyptens, Libyens, Tunesiens und Syriens beschlossen. Deutschland hat sich von Anfang an dezidiert für schnelles Handeln und die Verhängung von Finanzsanktionen im EU-Rahmen eingesetzt. Ägypten: Die EU beschloss am 22. März 2011, das Vermögen des ehemaligem Staatspräsidenten Mubarak und von engen Unterstützern einzufrieren. Die ägyptische Regierung hat zudem an die Bundesregierung - wie an andere EU-Mitgliedstaaten - bilateral eine Reihe von Rechtshilfeersuchen gerichtet, die entsprechend bearbeitet werden. Bislang konnten in Deutschland jedoch noch keine Mubarak-Konten oder Konten anderer Gelisteter identifiziert werden. Libyen: Die EU beschloss am 28. Februar 2011 erste Sanktionen in Form von Reisesperren und Finanzsanktionen. Aktuell sind in Deutschland Vermögen im Umfang von circa 7,35 Milliarden Euro eingefroren. Der Großteil dieser Gelder besteht aus den Vermögen staatlicher Einrichtungen. Der Anteil von gesperrten Geldern der Gaddafi-Familie liegt unter 2 Millionen Euro. Syrien: Der Rat der Europäischen Union beschloss am 10. und 23. Mai 2011 Finanzsanktionen gegenüber insgesamt 23 Personen, darunter Staatspräsident Assad. Neben Finanzsanktionen hat sich Deutschland dezidiert auch für das Einfrieren von EU-Hilfsprogrammen, außer Projekten zur Förderung der Zivilgesellschaft, eingesetzt. Darüber hinaus hat Deutschland die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit suspendiert, soweit Ministerien als Partner auf syrischer Seite fungieren. Die Abfrage bei den deutschen Kreditinstituten zu den in Deutschland eingefrorenen Geldern läuft noch; bislang wurden noch keine Vermögen gefunden. Tunesien: Deutschland war der erste Staat, der Finanzsanktionen gegen das Ben-Al-i-Regime gefordert hat. Die EU beschloss auf deutsches Drängen am 31. Januar 2011 Finanzsanktionen, die am 5. Februar 2011 in Kraft traten. Der Umfang in Deutschland gesperrter Konten beträgt knapp 13 500 Euro. 2. Umsetzung und Finanzierung der Hilfszusagen In ihrer gesonderten Erklärung zum "arabischen Frühling" bieten die G 8 den Reformländern der N(ord) A(frika)N(ah)O(st)-Region die sogenannte Deauville-Partnerschaft an. Ziel ist die Unterstützung beim Aufbau demokratischer Strukturen sowie der Umbau und die Entwicklung der Wirtschaft, unter anderem durch Reformen bei der Ausbildung, die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen und Handelserleichterungen. Deutschland setzte sich hierbei insbesondere für Maßnahmen in den Bereichen beruflicher Bildung und Marktöffnung ein. Die Partnerschaft soll allen Staaten der NANO-Region offenstehen. Die G 8 rufen im Rahmen der Partnerschaft weiterhin zu einer angemessenen geografischen Mandatserweiterung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung - EBWE - auf. Da dies ein zeitintensiver Prozess sein wird, soll bis zu dessen Abschluss die Einrichtung einer Übergangsfazilität den schnellen Start der EBWE-Unterstützung sicherstellen. Der Kreditplafond der Europäischen Investitionsbank - EIB - wird zudem um 1 Milliarde Euro auf 3,5 Milliarden Euro angehoben, die EBWE soll ihr Mandat auf den Mittelmeerraum ausdehnen; bislang ist sie nur in mittel- und osteuropäischen Staaten tätig. Was eine konkrete finanzielle Unterstützung anbetrifft, so sind die multilateralen Entwicklungsbanken, deren Beiträge im Wesentlichen durch die G 8 gespeist werden, bereit, bis zu 20 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen. Ägypten hat bereits Kredite in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar bei der Afrikanischen Entwicklungsbank und 2 Milliarden US-Dollar bei der Weltbank beantragt. Diese 20 Milliarden US-Dollar umfassen nach Aussage des G-8-Vorsitzes, des franzöischen Staatspräsidenten Sarkozy, nicht die seitens des Internationalen Währungsfonds derzeit geprüfte Unterstützung in Form eines zwölfmonatigen Bereitschaftskreditprogramms. Deutschland ist in beiden Institutionen einer der größten Kapitalgeber. Die G-8-Mitglieder stellen darüber hinaus bilateral einen "substanziellen Beitrag" in Aussicht. Wichtig ist hierbei: Die finanzielle Unterstützung der Reformbemühungen erfolgt zielgerichtet und politisch konditioniert. Die Bundesregierung - Auswärtiges Amt und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - wird 2011 40 bis 50 Millionen Euro zur Unterstützung des demokratischen Wandels in Tunesien und Ägypten und gegebenenfalls anderen Ländern der Region aus bestehenden Haushaltsmitteln mobilisieren. Für 2012 und 2013 sollen dafür - die Zustimmung des Deutschen Bundestages vorausgesetzt - zusätzliche Mittel in Höhe von jeweils 50 Millionen Euro in den Haushalt des Auswärtigen Amtes eingestellt werden. Für Ägypten und Tunesien hat die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung zum G-8-Gipfel im Deutschen Bundestag eine zusätzliche Schuldenumwandlung in Höhe von 300 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren angekündigt. Die Einzelheiten der Umsetzung werden innerhalb der Bundesregierung derzeit abgestimmt. Im EU-Rahmen haben die Europäische Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst in zwei Mitteilungen vom März 2011 zur Südlichen Nachbarschaft und Mai 2011 zur Nachbarschaftspolitik Vorschläge zur Umsetzung der Hilfe für die demokratischen Bewegungen in Nordafrika unterbreitet. So sollen künftig finanzielle Zuwendungen der EU stärker an Fortschritte bei demokratischen Reformen in den Partnerstaaten geknüpft werden. Gleichzeitig wird vorgeschlagen, die Mittel für die Europäische Nachbarschaftspolitik um 1,2 Milliarden Euro bis 2013 zu erhöhen. Ferner werden reformbereiten Partnerstaaten Vergünstigungen in den Bereichen Mobilität und Marktzugang in Aussicht gestellt. Auch die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft soll intensiviert werden. Diese Empfehlungen werden augenblicklich im Europäischen Rat beraten. Für 2011 hat die Europäische Nachbarschaftspolitik für die Stärkung der Zivilgesellschaft in der Region bereits 19 Millionen Euro zugesagt - Europäisches Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument, ENPI und Instrument für Stabilität der Europäischen Union, IfS). Anlage 57 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/6040, Frage 73): Wieso hat sich die Bundesregierung im UN-Sicherheitsrat gegen ein Mandat für eine UN-Untersuchungskommission zum illegalen Organhandel während des Kosovo-Krieges ausgesprochen und stattdessen auf einem Mandat für EULEX beharrt, obwohl EULEX kein Mandat für die zwingend erforderlichen Ermittlungen in Albanien außerhalb des Kosovo hat und Zweifel an der Effektivität seines Zeugenschutzprogrammes bestehen bleiben, und wieso setzt sich die Bundesregierung gerade als ehemalige Konflikt- und Kriegspartei im NATO-Angriffskrieg gegen eine unabhängige Untersuchung durch die Vereinten Nationen und für eine Untersuchung durch eine maßgeblich von den militärischen Siegern des Konfliktes geschaffene Institution ein? Die Bundesregierung vertritt im Einklang mit der EU und anderen Partnern die Auffassung, dass die Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union im Kosovo - EULEX - sowohl rechtlich als auch personell und organisatorisch befähigt ist, Ermittlungen, die im Zusammenhang mit den in dem Bericht des Berichterstatters Dick Marty erhobenen Vorwürfen stehen, durchzuführen. Die Bundesregierung hat keinen Zweifel daran, dass die Mission dafür gut aufgestellt ist. EULEX hat Vorermittlungen zu den im Bericht von Dick Marty erhobenen Vorwürfen eingeleitet, die notwendigen Maßnahmen zur Stärkung des Zeugenschutzes ergriffen und eine Stärkung der betroffenen Strukturen eingeleitet; eine Task Force befindet sich im Aufbau. Rechtsgrundlage für die Ermittlungen sind die am 4. Februar 2008 von der EU verabschiedete Gemeinsame Aktion, die Bezug nimmt auf die Sicherheitsratsresolution der Vereinten Nationen 1244 von 1999, das kosovarische Gesetz Law on the Jurisdiction, Case Selection and Case Allocation of EULEX Judges and Prosecutors in Kosovo vom 13. März 2008 sowie das kosovarische Gesetz Law on the Special Prosecution Office of the Republic of Kosovo vom 13. März 2008. EULEX hat bereits im Zuge von Ermittlungen Rechtshilfeersuchen an ausländische Regierungen gestellt, wie es im internationalen Rechtsverkehr üblich ist. Die Regierung von Albanien hat EULEX zudem ihre volle Unterstützung für die Ermittlungen zugesichert. EULEX agiert in der Republik Kosovo statusneutral und ist bei ihren unabhängigen Ermittlungen allein rechtsstaatlichen Prinzipien verpflichtet. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/6040, Frage 74): Auf welcher rechtlichen Grundlage bzw. mit welchem Mandat sind deutsche Polizisten im Rahmen der Frontex-Operation Poseidon auf bulgarischem Territorium eingesetzt (vergleiche www.thebulgariannews.com/view_news.php?id= 128635), und welche weiteren Operationen führt Frontex momentan durch? Derzeit sind keine Beamten der Bundespolizei im Rahmen der Frontex Joint Operation "Poseidon Land" in Bulgarien eingesetzt. Gegenwärtig ist ein Bundespolizist an der Frontex "Focal Point Land Border" Maßnahme am bulgarisch- türkischen Grenzübergang Kapitän Andreevo beteiligt. Darüber hinaus ist jeweils ein weiterer Beamter der Bundespolizei am Flughafen Sofia im Zuge der Frontex "Focal Point Air Border" Maßnahme bis 15. Juni 2011 sowie der Joint Operation "Hubble" bis 7. Juni 201 leingesetzt. Der Einsatz von Beamten der Bundespolizei in Frontex-Operationen erfolgt auf Basis der Verordnung (EG) 2007/2004 des Rates vom 26. Oktober 2004 in Verbindung mit § 29 des Bundesbeamtengesetzes (Zuweisung zu den bulgarischen Behörden). Die Ausübung polizeilicher Tätigkeiten richtet sich nach nationalen bulgarischem Recht sowie dem Schengener Grenzkodex. Frontex führt gegenwärtig folgende Operationen durch: EU Landaußengrenzen: JO Focal Point Land Border (1. März bis 31. Dezember 2011) JO Neptune (25. Mai bis 27. September 2011) JO Jupiter (20. April bis 25. Oktober 2011) JO Poseidon Land EU Luftaußengrenzen: JO Focal Point Air Border (15. März bis 31. Dezember 2011) JO Hubble (Phasell 11. Mai bis 7. Juni 2011) EU Seeaußengrenzen: JO EPN Indalo (1. Mai bis 31. Oktober 2011) JO EPN Aeneas (1. April bis 30. September 2011) JO EPN Hera (permanente Operation) JO EPN Hermes (20. Februar bis 31. März 2011, verlängert bis 31. August 2011) JO Poseidon Sea (permanente Operation) Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/6040, Frage 75): Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die verbindliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Berechnung und Berücksichtigung des beim Familiennachzug ausländerrechtlich nachzuweisenden Einkommens - sogenanntes Chakroun-Urteil: keine negative Berücksichtigung zum Beispiel von aufstockenden staatlichen Hilfsleistungen, keine pauschale Ablehnung nach festen Einkommensgrenzen ohne individualisierte Begründung, Berücksichtigung des Ziels der Richtlinie, das heißt einer Erleichterung des Familiennachzugs - in der Praxis der Ausländerbehörden und von den Auslandsvertretungen berücksichtigt wird, und welche Anstrengungen unternimmt die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, damit es, wie von ihr in der Vergangenheit für erforderlich gehalten (Bundestagsdrucksache 16/14088, Seite 17), zu entsprechenden klarstellenden Gesetzesänderungen kommt, die die Bundesregierung derzeit noch ablehnt (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/5732, Antwort zu Frage 19)? Die Bundesregierung vertraut darauf, dass - wie in solchen Fällen üblich und in der Praxis erprobt - die Behörden, denen die Anwendung des Aufenthaltsrechts obliegt, die höchstrichterliche Rechtsprechung in ihrer Anwendungspraxis berücksichtigen. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration hat ihre integrationspolitischen Bedenken hinsichtlich der Fragen der Lebensunterhaltssicherung im 7. (Seite 147 ff.) und 8. (Sei-te 287 ff.) Lagebericht dargelegt. Sie setzt sich dafür ein, dass bei der geplanten Überarbeitung der VerwaltungsVorschrift zum Aufenthaltsgesetz die Grundsätze des Chakroun-Urteils angemessen berücksichtigt werden. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Tack (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 76): Wann wird die Bundesregierung, wie mehrfach angekündigt, den Entwurf für ein Gesetz zur sogenannten Button-Lösung beschließen und in das parlamentarische Verfahren einbringen?Die Bundesregierung beabsichtigt, noch in diesem Sommer ein Gesetz gegen Kosten- und Abo-Fallen im Internet zu beschließen und den gesetzgebenden Körperschaften zuzuleiten. Weil Kosten- und Abo-Fallen nicht zuletzt ein grenzüberschreitendes Problem darstellen, setzt sich die Bundesregierung intensiv für eine europäische Regelung in der Verbraucherrechte-Richtlinie ein, die derzeit in Brüssel verhandelt wird. Diese Verhandlungen haben sich in den letzten Monaten deutlich beschleunigt. Nach aktuellem Stand erscheint eine Verabschiedung der Richtlinie in den nächsten Wochen erreichbar. Im Augenblick ist es daher sinnvoll, das innerstaatliche Gesetzgebungsverfahren erst fortzusetzen, wenn der Regelungsinhalt der Verbraucherrechte-Richtlinie endgültig feststeht. Dies eröffnet die Möglichkeit, den europäischen Vorgaben von vornherein weitgehend Rechnung zu tragen. Das gewährleistet Kontinuität im deutschen Verbraucherrecht. Für die Wirtschaft wird doppelter Anpassungsaufwand vermieden. Sollten sich die Verhandlungen zur Verbraucherrechte-Richtlinie doch verzögern, beabsichtigt die Bundesregierung, das Gesetz gegen Kosten- und Abo-Fallen unabhängig davon auf den Weg bringen. IV Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 113. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 8. Juni 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 113. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 8. Juni 2011 III Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 12944 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 113. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 8. Juni 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 113. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 8. Juni 2011 12943