Plenarprotokoll 17/115 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 115. Sitzung Berlin, Freitag, den 10. Juni 2011 I n h a l t : Absetzung des Zusatztagesordnungspunktes 19 Zusatztagesordnungspunkt 17: Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen: Stabilität der Euro-Zone sichern - Reformkurs in Griechenland vorantreiben Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) Rainer Brüderle (FDP) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) Volker Kauder (CDU/CSU) Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) Norbert Barthle (CDU/CSU) Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Michael Stübgen (CDU/CSU) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) Zusatztagesordnungspunkt 18: Wahl eines Mitglieds des Vertrauensgremiums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (Drucksache 17/6132) Wahl Ergebnis Tagesordnungspunkt 29: a) Antrag der Abgeordneten Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, Ingrid Nestle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Energieeffizienz und Klimaschutz im Gebäudebereich (Drucksache 17/5778) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Groß, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Angekündigte Mittelkürzung beim CO2-Gebäudesanierungsprogramm zurücknehmen - zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn, Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: CO2-Gebäudesanierungsprogramm fortführen - Mit energetischer Sanierung Konjunktur ankurbeln, Arbeitsplätze sichern und Klima schützen - zu dem Antrag der Abgeordneten Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Heizkostenkomponente beim Wohngeld erhalten - zu dem Antrag der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Stephan Kühn, Daniela Wagner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Lebensqualität und Investitionssicherheit in unseren Städten durch Rettung der Städtebauförderung sichern (Drucksachen 17/2346, 17/2395, 17/2923, 17/2396, 17/4835) Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Peter Götz (CDU/CSU) Florian Pronold (SPD) Sebastian Körber (FDP) Roland Claus (DIE LINKE) Kai Wegner (CDU/CSU) Sören Bartol (SPD) Patrick Döring (FDP) Florian Pronold (SPD) Stefan Liebich (DIE LINKE) Patrick Döring (FDP) Ingrid Remmers (DIE LINKE) Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) Michael Groß (SPD) Karl Holmeier (CDU/CSU) Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 30: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Deutschland und Polen - Verantwortung aus der Geschichte, Zukunft und Europa (Drucksache 17/6145) Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) Dietmar Nietan (SPD) Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Stefan Liebich (DIE LINKE) Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Thomas Silberhorn (CDU/CSU) Klaus Brähmig (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 31: a) Antrag der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kooperativen Föderalismus für Bildung stärken (Drucksache 17/5911) b) Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bildungsverantwortung gemeinsam wahrnehmen (Drucksache 17/6094) c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Ulla Burchardt, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bildungszusammenarbeit von Bund und Ländern verlässlich weiterentwickeln - zu dem Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Katja Dörner, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bildungsberichte nutzen - Bildungssystem gerechter und besser machen (Drucksachen 17/4187, 17/4436, 17/6091) d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bei Aussetzung der Wehrpflicht Hochschulpakt aufstocken (Drucksachen 17/4018, 17/5256) Dagmar Ziegler (SPD) Dr. Ludwig Spaenle, Staatsminister (Bayern) Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Monika Grütters (CDU/CSU) Swen Schulz (Spandau) (SPD) Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts (Drucksache 17/6052) Tagesordnungspunkt 33: Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Schutzschirm für Stromkunden - Bezahlbare Energiepreise gewährleisten (Drucksache 17/5760) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl eines Mitglieds des Vertrauensgremiums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung teilgenommen haben (Zusatztagesordnungspunkt 18) Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen: Stabilität der Euro-Zone sichern - Reformkurs in Griechenland vorantreiben (Zusatztagesordnungspunkt 17) Alexander Funk (CDU/CSU) Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus-Peter Willsch, Manfred Kolbe, Alexander Funk, Dr. Peter Gauweiler, Veronika Bellmann und Christian Hirte (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen: Stabilität der Euro-Zone sichern - Reformkurs in Griechenland vorantreiben (Zusatztagesordnungspunkt 17) Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frank Schäffler, Jens Ackermann, Nicole Bracht-Bendt und Sylvia Canel (alle FDP) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen: Stabilität der Euro-Zone sichern - Reformkurs in Griechenland vorantreiben (Zusatztagesordnungspunkt 17) Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts (Tagesordnungspunkt 32) Michael Brand (CDU/CSU) Gerd Bollmann (SPD) Horst Meierhofer (FDP) Ralph Lenkert (DIE LINKE) Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Schutzschirm für Stromkunden - Bezahlbare Energiepreise gewährleisten (Tagesordnungspunkt 33) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) Andrea Wicklein (SPD) Dr. Erik Schweickert (FDP) Caren Lay (DIE LINKE) Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 8 Amtliche Mitteilungen 115. Sitzung Berlin, Freitag, den 10. Juni 2011 Beginn: 8.31 Uhr Hier Text einfügen!!! Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich Sie darauf hinweisen, dass die für heute ursprünglich verlangte Aktuelle Stunde zum Umgang mit dem Ehec-Erreger nicht stattfindet. Der entsprechende Antrag ist zurückgezogen. Ich rufe nun unseren Zusatzpunkt 17 auf: Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen Stabilität der Euro-Zone sichern - Reformkurs in Griechenland vorantreiben Hierzu liegen mehrere Entschließungsanträge vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat der Bundesminister der Finanzen, der Kollege Dr. Wolfgang Schäuble. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Lage in Griechenland und damit auch in Europa insgesamt ist ernst. Im Frühjahr vergangenen Jahres standen wir vor der Situation, dass die Schuldenkrise in Griechenland die Finanzstabilität der Euro-Zone als Ganzes zu gefährden drohte. Damals haben wir in sehr kurzer Zeit mit Griechenland ein Sanierungspaket verabredet, welches die Voraussetzung für Kredite bis zu 110 Milliarden Euro ist, um den Finanzierungsbedarf Griechenlands bis 2012 zu decken. Wegen der Ansteckungsgefahr, die von der Vernetzung der modernen Finanzmärkte ausgeht, die wir bei der Finanzkrise nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers erlebt hatten, mussten wir im Euro-Raum Neuland betreten. Wir haben unmittelbar danach mit dem EFSF ein vorläufiges Instrument geschaffen, eine Finanz-Stabilitäts-Fazilität für Notlagen. Dieses vorläufige Instrument wollen wir ab 2013 durch einen Europäischen Stabilisierungsmechanismus ablösen. Die Auszahlung der Kredite an Griechenland in vierteljährlichen Tranchen ist an die Einhaltung der im Sanierungspaket verabredeten Maßnahmen geknüpft. Diese muss jeweils durch gemeinsame Berichte der Europäischen Zentralbank, des Internationalen Währungsfonds und der EU-Kommission bestätigt werden. Nun hat die im Mai turnusmäßig fällig gewordene und vorgenommene Überprüfung als Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Tranche von 12 Milliarden Euro Anfang Juli ergeben, dass Griechenland im vergangenen Jahr zwar erhebliche Fortschritte erzielt hat. Im vorläufigen Bericht der Überprüfungskommission kritisiert man aber - ich zitiere - einen in den letzten Monaten nachlassenden Elan. Im Ergebnis wird festgestellt, dass ohne zusätzliche Maßnahmen eine Auszahlung der nächsten Rate nicht möglich sein wird. Bei dem Entwurf des Programms vor einem Jahr sind die Experten von EZB, IWF und EU-Kommission davon ausgegangen, dass sich Griechenland im Jahre 2012 wieder Geld auf den Kapitalmärkten beschaffen kann. Im vorgestern vorgelegten vorläufigen Bericht wird festgestellt, dass dies unwahrscheinlich ist. Damit gibt es im aktuellen Anpassungsprogramm eine Finanzierungslücke. Deren Schließung ist eine Voraussetzung für die Beteiligung des IWF an der Auszahlung. Diese wiederum ist Voraussetzung für die Auszahlung der Tranche insgesamt. Ohne Auszahlung dieser nächsten Tranche besteht die akute Gefahr der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands mit schwerwiegenden Folgen für die Stabilität der gesamten Euro-Zone, aber auch mit hohen Risiken für die globale wirtschaftliche Entwicklung. Ich werde in diesen Tagen immer wieder gefragt, ob man diese Risiken nicht genauer beziffern und einen Milliarden-Euro-Betrag angeben könne. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das kann man nicht. Schließlich geht es um mehr als das unmittelbare Engagement privater Gläubiger in Griechenland. Im Falle einer ungeordneten Insolvenz ist mit Zweit- und Drittrundeneffekten zu rechnen. Das ist die sogenannte Ansteckungsgefahr aufgrund der Vernetzung der Finanzmärkte, der modernen Finanzprodukte und der Volatilität der Finanzmärkte, die insgesamt sehr schwer zu kalkulieren ist. In den letzten Jahren haben wir das lernen müssen und die Folgen für den Wohlstand sowie die Sicherheit der Arbeitsplätze erlebt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das müssen wir im Interesse der Stabilität des Euro und Europas zu verhindern wissen. Daher bitte ich um Ihre grundsätzliche Zustimmung, dass wir mit einem Anpassungsprogramm die griechische Finanzierungslücke so schließen können, dass die Auszahlung der Julitranche möglich wird. In der öffentlichen Debatte wird gerne übersehen, dass die Konsolidierungsanstrengungen, die Griechenland leisten muss, außergewöhnlich sind. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wohl wahr!) Von 2009 auf 2010 hat Griechenland sein Defizit immerhin - auch wenn das nicht ausreicht - um 5 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts zurückgeführt. Auf Deutschland bezogen entspräche das einem Konsolidierungsvolumen von 125 Milliarden Euro. Angesichts unserer Debatten zur Haushaltskonsolidierung mag sich jeder vorstellen, was das für Griechenland bedeutet. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gestern hat die griechische Regierung unter dramatischen Umständen zusätzliche Einsparungen beschlossen. Das ist überhaupt keine Frage. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Hat das auch Frau Merkel vernommen?) Dieses Anpassungsprogramm ist mit harten Einschnitten für die griechische Bevölkerung verbunden. Dass dies mit zum Teil sehr heftigen innenpolitischen Debatten einhergehen muss, ist selbstverständlicher Ausdruck einer lebendigen Demokratie. Dafür muss man Verständnis haben. Das muss man respektieren. Auf der anderen Seite muss man aber sagen: Wer dauerhaft zu hohe Defizite aufhäuft, kommt irgendwann um strukturelle Anpassungen nicht herum. (Zuruf der Abg. Elke Ferner [SPD]) Wenn wir jetzt über zusätzliche Maßnahmen sprechen müssen, um die Finanzierungslücke zu schließen, dann bedeutet das für Griechenland, zusätzliche konsequente und glaubwürdige Reformanstrengungen zu unternehmen. Das ist für weitere Hilfeleistungen eine unerlässliche Voraussetzung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deswegen liegt - man muss es sagen - die letzte Entscheidung bei den Griechen selbst. Mit dem Beitritt zum Euro sind für alle große wirtschaftliche Verbesserungen verbunden gewesen, auch für die Griechen. Mit der Mitgliedschaft in der gemeinsamen Währungsunion sind große Chancen für die Zukunft verbunden. Aber ein stabiler Euro setzt eine solide, nachhaltige Finanzpolitik aller Partner voraus, und eine gemeinsame Währung setzt alle Volkswirtschaften unter einen sehr viel strengeren Wettbewerbsdruck, dem man sich in einer gemeinsamen Währung nicht entziehen kann. Wer die Vorzüge einer stabilen gemeinsamen Währung will, der muss sich dem stellen. Viele Stimmen bezweifeln, dass Griechenland seine Schulden jemals vollständig zurückzahlen kann. Zentrale Voraussetzung dafür ist neben einer soliden Haushaltspolitik, dass Griechenland mittelfristig ein ausreichendes Wirtschaftswachstum erreichen kann. Dazu sind weitere strukturelle Reformen nötig. Das legt der Bericht dar. Griechenland hat sich verpflichtet, vor der Auszahlung der nächsten Tranche gesetzgeberisch weitere notwendige Reformen zu beschließen. Darüber hinaus kann eine Rückführung des zu hohen Staatsanteils in Griechenland durch Privatisierung Wachstumsimpulse auslösen. Gleichzeitig kann durch Privatisierungserlöse die Gesamtverschuldung Griechenlands zurückgeführt werden. Der griechische Ministerpräsident hat im März beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone Privatisierungserlöse in Höhe von 50 Milliarden Euro als realisierbar genannt. Der Bericht der Überprüfungskommission legt dar, wie solche jährlichen Privatisierungserlöse in Raten von 5 Milliarden Euro 2011, weiteren 10 Milliarden Euro 2012, 7 Milliarden Euro 2013 usw. - das ist in dem Bericht genau aufgeführt - realistisch, aber ehrgeizig erreichbar sein können. Gleichzeitig müssen dazu - auch das ist so verabredet - die privatisierungsfähigen Assets in einer Agentur zusammengeführt werden. In dem Bericht werden alle diese Assets aufgeführt. Jeder kann sie überprüfen. In dieser Agentur wirken europäische Institutionen mit. Wir haben für die Agentur unsere Unterstützung durch Beratung durch erfahrene Mitarbeiter angeboten. Der Bericht legt auch dar, dass das reale Wachstum in Griechenland im vergangenen Jahr stärker als erwartet zurückgegangen ist und dass auch in diesem Jahr - wir wollen das alles nicht beschönigen, und der Bericht beschönigt es auch nicht - mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Griechenland gerechnet werden muss, der sich allerdings im Jahresverlauf abschwächt. (Zuruf des Abg. Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]) - Ja, Herr Gysi, es ist so. Es ist nicht einfach. Wir haben es in Deutschland auch erlebt: Wenn man zu lange Schulden macht, dann kommt man um die Sanierung nicht herum. Das ist schmerzlich. Wenn man helfen will, dann muss man sich zunächst einmal der Realität stellen. Es führt kein Weg daran vorbei. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ab 2012 ist eine allmähliche und sich dann auch steigernde Erholung zu erwarten. Nach allen Erfahrungen insbesondere des Internationalen Währungsfonds ist mit einem Konsolidierungsprogramm notwendigerweise ein zeitweiser Rückgang der bruttowirtschaftlichen Entwicklung in einem Sanierungsland verbunden. Das ist unvermeidlich. Aber zusammen mit Wachstumsimpulsen kann es zielführend sein. In der Tat sind auch in Griechenland bereits erste Anzeichen für eine Wachstumserholung zu sehen. Im Übrigen ist gerade dann, wenn es Zweifel an der Rückzahlungsfähigkeit Griechenlands geben sollte und wir also mit einem neuen Anpassungsprogramm Zeit gewinnen müssen, eine Beteiligung des Privatsektors an der Lösung der Probleme umso dringlicher und unvermeidbar. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Zeit, die wir für Griechenland gewinnen müssen und in der Griechenland unsere Hilfe für die notwendige Anpassung braucht - das geht nicht über Nacht -, darf nicht zulasten einer Rückführung des privaten Engagements zulasten der Gemeinschaft der Steuerzahler führen. Deshalb müssen wir auf der Beteiligung des Privatsektors bestehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Wir haben im Übrigen schon im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass künftig bei einem dauerhaften Mechanismus zur Lösung von Schuldenkrisen in Euro-Ländern eine Beteiligung der privaten Gläubiger im Insolvenzfall unverzichtbar ist. Ich habe für die Phase des Zeitgewinns für eine faire Risikoverteilung in Griechenland zwischen Steuerzahlern und privaten Gläubigern den Tausch griechischer Anleihen vorgeschlagen, der zu einer Verlängerung der Laufzeit um sieben Jahre und der Beibehaltung der eingeräumten Zinskonditionen führen würde. Griechenland gewinnt damit die nötige Zeit, grundlegende Reformen durchzuführen und Marktvertrauen zurückzugewinnen. Ein solches Verfahren minimiert das Risiko negativer Kapitalmarktreaktionen, stellt eine faire Lastenteilung zwischen Steuerzahlern und privaten Gläubigern sicher, und es sendet im Übrigen auch im Sinne der Vorbeugung ein deutliches Signal an alle, dass eigene Verluste nicht umstandslos auf die Steuerzahler abgewälzt werden können. Das ist die Moral-Hazard-Problematik. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]) Wir nehmen skeptische Stimmen und Warnungen aus der Europäischen Zentralbank zur Privatsektorbeteiligung ernst. Es gehört zu den originären Aufgaben der Europäischen Zentralbank, mögliche Rückwirkungen auf die Liquiditätsversorgung des Euro-Raums zu bewerten. Wir haben mit gutem Grund und ganz bewusst auf der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank bestanden, die sich bewährt hat. Um eine gute Lösung für die Beteiligung des Privatsektors zu finden, die auch von der Europäischen Zentralbank mitgetragen werden kann und mitgetragen werden muss, haben wir in der Euro-Gruppe verabredet, gemeinsam mit dem IWF, der EZB und der Kommission eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die den schmalen Grat zwischen nennenswerter Beteiligung des Privatsektors und Vermeidung negativer Finanzmarktreaktionen ausloten wird. Wir werden - ich sagte es - mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus für die Zukunft ein klares und ex ante bekanntes Regelwerk für den Umgang mit Staatsschuldenkrisen schaffen. Grundprinzip ist, dass es nur in Notsituationen und unter strengen Bedingungen zum Einsatz kommt. Auch hier besteht die Bundesregierung auf einer Verankerung der Beteiligung des Privatsektors. Mit der Einführung von Collective Action Clauses für alle ab 2013 zu begebenden Anleihen von Euro-Zonen-Staaten wissen alle Gläubiger, dass im Insolvenzfall auch Mehrheitsentscheidungen möglich sein werden. Damit werden sie auf die notwendigen Konsequenzen hingewiesen. Für die Bundesregierung ist ein Zurückfallen in Bezug auf die Formulierung des Vertrags zum Europäischen Stabilitätsmechanismus hinter die Vereinbarungen der Staats- und Regierungschefs vom März nicht verhandelbar. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben in Bezug auf die Verbesserung der Prävention von Staatsschuldenkrisen in der Europäischen Union in den vergangenen Monaten Erhebliches geleistet. Wir haben aus der Krise gelernt, und wir haben ein umfassendes Maßnahmenpaket beschlossen. So erfolgt eine Schärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts durch einen Quasiautomatismus bei Sanktionen für Defizitsünder. Mit dem neuen gesamtwirtschaftlichen Überwachungsverfahren beobachten wir nicht nur isoliert die Haushaltsentwicklung, sondern richten vor allem unser stärkeres Augenmerk auf wirtschaftliche Ungleichgewichte insgesamt. Wir verbessern mit dem Euro-Plus-Pakt, für den die Bundeskanzlerin die Initiative ergriffen und den sie durchgesetzt hat, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit aller teilnehmenden Staaten, insbesondere in der Euro-Zone. Das ist eine notwendige Voraussetzung für mehr Stabilität und wirtschaftliche Kohärenz in der Euro-Zone. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben die Kapitalausstattung der Banken verbessert und arbeiten weiter daran, ihre Widerstandsfähigkeit gegen allfällige Krisen zu stärken, mit Basel III, mit den Regelungen im europäischen Bereich, mit dem Bankenstresstest und mit einer verbesserten europäischen Bankenaufsicht. Wir haben auch national mit dem Bankenrestrukturierungsgesetz Vorsorge getroffen, damit wir für allfällige Krisen in der Zukunft besser gerüstet sind, um Ansteckungsgefahren möglichst eindämmen zu können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir jenseits aller technischen Details doch eine sehr grundsätzliche Bemerkung. Niemand sollte sich über die Ernsthaftigkeit dessen, was zur Entscheidung ansteht, und über die Bedenken, die mit jeder Entscheidung verbunden sind, irgendeine Illusion machen. Aber wir müssen uns und unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern gelegentlich vor Augen führen, dass es gute wirtschaftliche und politische Gründe für die wirtschaftliche und politische Einigung Europas gab. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Diese im Grunde im Vorhinein nicht für möglich gehaltene wirtschaftliche Entwicklung wäre ohne die wirtschaftliche Einigung Europas nicht vorstellbar, und ohne die gemeinsame Währung hätten wir im letzten Jahrzehnt nicht solche Fortschritte gemacht. Ohne die gemeinsame Währung hätten wir auch nicht annähernd diese unglaubliche Herausforderung durch den wirtschaftlichen Einbruch nach der Finanz- und Bankenkrise überstanden. Es gehen über 60 Prozent aller Exporte Deutschlands - wir sind mehr als jedes andere Land auf den Export angewiesen - in andere europäische Länder. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr wahr!) Mehr als 60 Prozent! Stabile Wechselkurse durch eine gemeinsame europäische Währung sind vor allem im Interesse und zum Vorteil des wirtschaftlich erfolgreichsten Landes in dieser Währungsunion. Wir haben den größten Vorteil. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wir den größten Vorteil haben, haben wir auch eine große Verantwortung für Europa, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!) und wir haben eine große Verantwortung auch für die Welt. Die Verflechtung der Finanzmärkte unterliegt nicht nur den Einflüssen von außen; vielmehr gilt auch umgekehrt: Auch wir haben eine große Verantwortung für alle Teile der Welt. Die Welt hat ein großes Interesse an einem stabilen Euro, an einer stabilen Reservewährung, auch angesichts der Probleme in anderen Teilen der Welt. Wir haben unserer Verantwortung durch Europa, in Europa für diese eine Welt gerecht zu werden. Es jährt sich vieles in diesen Monaten: die Entscheidung für Berlin; im August sind es 50 Jahre, dass die Mauer in Berlin gebaut wurde; vor ein paar Monaten haben wir 20 Jahre deutsche Einheit in Frieden und Freiheit gefeiert. Ohne Europa wäre das alles nicht geworden. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir nicht verlässliche Partner in Europa und in der Welt gehabt hätten, hätten wir diese zweite deutsche Chance, wie es Fritz Stern in der letzten Rede zum 17. Juni in der alten Bundesrepublik gesagt hat, nicht bekommen. Wir hätten sie nicht bekommen, wenn wir nicht verlässliche Partner gehabt hätten und wenn wir nicht ein verlässlicher Partner geworden wären. (Peer Steinbrück [SPD]: Sehr richtig!) Das ist Geschichte. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, man darf aus der Geschichte lernen, um alte Fehler nicht ein zweites Mal zu machen. (Zuruf von der SPD) - Zeigen Sie nicht auf mich. Es war ein Sozialdemokrat, der gesagt hat: Wer mit dem Finger auf andere zeigt, muss immer sehen, dass drei Finger derselben Hand auf einen selber zurückzeigen. Ich glaube, diese Debatte ist zu ernst, als dass wir uns zu schnell gegenseitig Verantwortung zuweisen sollten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich finde, dass wir an diesem Morgen, wo wir Entscheidungen zu treffen haben, die nachzuvollziehen vielen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus guten Gründen furchtbar schwerfällt - das müssen wir doch wissen -, nicht mit Schuldzuweisungen arbeiten sollten, sondern wir sollten uns besser unserer gemeinsamen Verantwortung stellen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Reden Sie mal mit Frau Merkel! - Thomas Oppermann [SPD]: Das war jetzt aber für die Bundeskanzlerin! - Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Die falsche Blickrichtung!) Ich habe gerade gesagt: Das ist Geschichte. Wenn sich auch Geschichte nicht wiederholt, kann man doch aus ihr lernen. So will ich gleich eine Bemerkung hinzufügen. Es wird oft gefragt: Was heißt das denn für die Jungen? Meine Antwort auf die Frage, was dies alles für die Jungen heißt, ist für mich jedenfalls klar: Ohne ein gelingendes Europa, das sich seiner Verantwortung stellt in dieser Welt voller aufregender Veränderungen, voller großer Herausforderungen, aber auch voller faszinierender Chancen, sind unsere Chancen in dieser Welt gering. Ein gelingendes Europa ist die beste Vorsorge, die wir für eine gute Zukunft leisten können. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Liebe Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind die stärkste Wirtschaft in Europa, und wir liegen - das ist das deutsche Schicksal - mitten in Europa. Daraus wächst unsere Verantwortung. Wir haben eine Führungsverantwortung für Europa. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Wir haben eine Verantwortung für Stabilität und Nachhaltigkeit. (Joachim Poß [SPD]: Aber Sie gucken zu oft in die falsche Richtung!) - Ich gucke auf uns alle. Man muss solche Anforderungen immer an sich selbst stellen. Wir können unserer Verantwortung nur gerecht werden, indem wir überzeugende Antworten finden. Unsere Bevölkerung, die Bevölkerung in allen europäischen Ländern zweifelt zunehmend daran, ob dieser Weg so zukunftsführend sein kann, und wir haben dafür überzeugende Antworten zu geben. Wir können die nicht allein gegen alle anderen finden. Wir haben unsere Verantwortung zur Führung, aber es geht nur im Miteinander mit den anderen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Wohl war!) Wir müssen dieser Verantwortung gerecht werden, wir müssen Europa zusammen führen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unsere Verantwortung. Die Bundesregierung ist dazu bereit, und wir bitten das Hohe Haus um Unterstützung. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Beifall bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Frank-Walter Steinmeier für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von den Regierungsfraktionen! Sie haben zu Recht geklatscht bei den wohltuenden Mahnungen Ihres Finanzministers, unseres Finanzministers, Herrn Schäuble. Ich hoffe, Sie lassen sich bei Ihren Entscheidungen von diesen Mahnungen leiten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Das ist etwas ungewöhnlich: Wir hören innerhalb von zwei Tagen zwei Regierungserklärungen zu ganz unterschiedlichen Themen, (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Ohne Herrn Gabriel!) und doch sind Ähnlichkeiten unübersehbar. Gestern hat die Bundeskanzlerin ihre Kehrtwende in der Energiepolitik mit Fukushima erklärt oder - kurz - mit neuen Einsichten durch neue Realitäten. Ich habe mich gestern Abend gefragt: Was muss eigentlich in Europa passieren, damit diese Regierung erkennt, dass in Europa mehr auf dem Spiel steht - das haben Sie gerade auch den Ausführungen von Herrn Schäuble entnehmen können - als ein Kredit für Griechenland? (Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Ja, er hat für die Regierung gesprochen!) Wir haben in Europa eine veritable Krise, vielleicht die größte Krise seit der Gründung der Europäischen Union. Bis auf Herrn Schäuble - den nehme ich ausdrücklich aus - macht der Rest der Regierung Dienst nach Vorschrift und viele weniger als das. Das ist die Lage. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der FDP) Sie vermissen das doch selbst, ich höre das doch auch aus Ihren Reihen. Wo ist denn unsere Führungsrolle in Europa geblieben? Wer erzählt den Menschen draußen auf den Marktplätzen - nicht hier im Bundestag -, in den Hallen, in denen wir auftreten, dass uns dieses Europa 60 Jahre Frieden garantiert hat, (Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Helmut Kohl!) dass wir einen guten Teil unseres Wohlstandes diesem Europa verdanken? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Helmut Kohl, ja! - Zurufe von der CDU/CSU) Wer erzählt den Menschen eigentlich - auch das klang bei Herrn Schäuble eben ein bisschen an -, (Christian Ahrendt [FDP]: Ist Herr Gabriel jetzt in seinem Wahlkreis?) dass diese sich so rasch verändernde Welt gerade dabei ist, die Nachkriegsordnung, aufgrund derer vielen europäischen Staaten Sitze in den internationalen Organisationen eingeräumt worden sind, hinter sich zu lassen, wir aber in der Welt überhaupt nur über dieses Europa sprachfähig sind? Das ist doch die Situation. (Beifall bei der SPD) Ich bin froh, Herr Schäuble, dass Sie in Ihrer Rede daran erinnert haben, dass ohne dieses vereinte Europa auch die deutsche Einheit sehr viel schwieriger, vielleicht sogar unerreichbar gewesen wäre. Deshalb komme ich für mich zu dem Ergebnis - Sie mögen es anders sehen -: Europa war nicht immer populär (Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Bei der SPD!) und ist das wohl zurzeit auch nicht. Aber wenn wir den Eigenwert der europäischen Einigung nicht benennen, meine Damen und Herren, oder an ihn nicht einmal erinnern, dann führt das dazu, dass Entscheidungen im alltäglichen europäischen Krisenmanagement von unseren Bürgerinnen und Bürgern eben nur als Maßnahmen einer seelenlosen Technokratie angesehen werden. Dafür bringen sie keine Opfer; darauf setzen sie keine Hoffnung für die Zukunft. "Europa ist unsere Zukunft, eine andere haben wir nicht", hat Hans-Dietrich Genscher vor einigen Wochen geschrieben. (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn das so ist - ich zitiere ihn mit einiger Absicht -, dann braucht dieses Europa jetzt mehr denn je Menschen, die mit Mut und Leidenschaft für Europa eintreten. Genau von diesen Menschen sehe ich aber in Ihren Reihen nicht genügend, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) - Jetzt schütteln viele von Ihnen mit dem Kopf; aber es reicht doch, die Zeitungen der letzten zwei Wochen zu lesen. In den entsprechenden Meldungen wird die ganze Grummelei und Nörgelei aus den Koalitionsfraktionen abgebildet. Daraus geht hervor, dass nicht nach vorne gedacht wird und keiner einschreitet, (Zuruf der Abg. Elke Ferner [SPD]) wenn der eine oder andere mal eben so schlankweg den Rausschmiss einiger notleidender Staaten aus der Europäischen Währungsunion fordert. Niemand stellt richtig, wenn mit offensichtlichen Falschmeldungen über faule Südeuropäer der Stammtisch bedient wird - (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) stattdessen Herrenreiterpose mit stolz geschwellter Brust über unsere so starke Ökonomie. Als hätte diese Regierung auch nur einen Schlag dafür getan, dass wir die Stärke auf diesem Gebiet wiedergewonnen haben! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Peter Altmaier [CDU/CSU]: Sie haben noch keiner Rettungsmaßnahme zugestimmt!) Frau Merkel, wir waren gemeinsam auf vielen europäischen Gipfeln. Ich hatte nie Anlass, an Ihrer europäischen Einstellung zu zweifeln. Aber vielleicht verstehen Sie, dass derjenige, der in Brüssel Reden über europäische Solidarität hält und dann scheinbar unbeobachtet im Sauerland das eine oder andere Ressentiment bedient, eben den Verdacht weckt, dass ihm Europa keine Herzenssache ist. Genau das spüren die Menschen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deshalb sage ich ohne Schaum vor dem Mund (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) und durchaus zur Erinnerung an uns alle: Dieses Reden mit gespaltener Zunge über Europa, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zurufe von der CDU/CSU: Genau!) das müssen wir einstellen, das müssen Sie einstellen. Wenn wir das nämlich beibehalten und pflegen, wenn wir in Brüssel anders reden als zu Hause in den Wahlkreisen, (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Das ist Unsinn!) kommt mehr ins Rutschen, als wir jetzt schon sehen. Wie sollen denn die Menschen an Europa glauben, meine Damen und Herren, wenn wir ihnen auch noch die falschen Gründe dafür liefern, es nicht zu tun? Wie soll das denn gehen? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Gestern in der Regierungserklärung haben Sie hier Ihre Irrtümer aus dem "Herbst der Entscheidungen" eingesammelt. In der heutigen Debatte reden wir über die Folgen, die aus anderthalb Jahren Unentschiedenheit entstanden sind. (Elke Ferner [SPD]: Genau!) Seit anderthalb Jahren sagen Sie im Grunde genommen den Menschen nicht, was ist. Nur die Gründe dafür wechseln: Mal sind es Landtagswahlen, mal die knappe Mehrheitslage in den Koalitionsfraktionen. Sie führen jedenfalls immer ausreichend Gründe an, um entweder Probleme kleinzureden, große Lösungen zu vermeiden, Zeit zu gewinnen oder was auch immer. Das ist nicht Verantwortung, und das ist nicht Politik. Das Ergebnis dieser Politikverweigerung spricht für sich. Bisher wurden Sie noch nach jeder Ihrer Ankündigungen nach drei Monaten von der Entwicklung auf den Finanzmärkten eingeholt und von der Wirklichkeit überholt. Was haben Sie in den letzten anderthalb Jahren in diesem Parlament nicht alles angekündigt! Am Anfang der Debatte hieß es: Kein Cent für Griechenland. Das war falsch und natürlich nicht aufrechtzuerhalten. Die nächste Position war: Griechenland ist ein Einzelfall. Auch das war nie aufrechtzuerhalten. Als der Rettungsschirm da war, haben Sie gesagt: Er wird garantiert nicht in Anspruch genommen. Was war das Ergebnis? - Später hieß es: Der Schirm wird genutzt, aber nur temporär. Aber es kommt, wie es kommen musste: Natürlich werden wir ihn für eine dauerhafte Nutzung ausgestalten. Diese Art und Weise, von der Hand in den Mund, nützt weder Ihnen noch Europa; aber vor allen Dingen überzeugen wir dadurch nicht unsere Bürgerinnen und Bürger von dem, was notwendig ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) In den folgenden Reden werden wir wieder hören, dass das kein Unfall war, sondern eine kluge Strategie. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Ich sage Ihnen nur: Mit jedem dieser kleinen Schritte, bei denen uns nach drei Monaten die Realität eingeholt hat, sind wir den Finanzmärkten nachgelaufen. Wir haben nach meiner Überzeugung nicht Geld gespart, wie Sie gleich sagen werden, sondern wir haben die teureren Lösungen mit organisiert; denn die Erfahrung zeigt: Auch Lösungen auf der europäischen Ebene, die wir zunächst drei Monate lang verhindert haben, haben wir später mitgetragen. Das wird auch nicht durch wohlklingende Titel verdeckt, die wir uns für deutsche Papiere einfallen lassen: Pakt für dieses und jenes. Nein, es ist eindeutig: Wir sind nach knapp zwei Jahren aus der Rolle der Führung in der europäischen Willensbildung an den Rand geraten. Die Kleinen sind irritiert über unser Land; glauben Sie es mir. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ja, wegen der SPD!) Die Großen treffen Vereinbarungen an uns vorbei, und wir sind vom Gestalter zum Nörgler geworden. Das ist nicht unsere Rolle, und das will ich auch nicht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Erst enthalten und dann große Töne spucken!) Wer das alles immer noch nicht glaubt, der werfe einmal einen Blick auf das europäische Personaltableau. Ich finde, das wirft ein Schlaglicht auf unsere Lage. Deutschland ist der bevölkerungsreichste Mitgliedstaat mit der stärksten Volkswirtschaft in Europa. Aber in den Spitzenpositionen sind wir kaum noch präsent. (Christian Ahrendt [FDP]: Was hat das denn mit Griechenland zu tun?) Den sicher geglaubten Posten des EZB-Präsidenten haben Sie aus der Hand gegeben. Das ist nicht die Schuld Griechenlands, der Kommission oder irgendwelcher bösen Mächte, sondern liegt in der Verantwortung dieser Regierung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Schon mal was von der Unabhängigkeit der EZB gehört? - Christian Ahrendt [FDP]: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen! Vielen Dank!) Wahr ist, Herr Schäuble: Nichts ist einfach in Europa, erst recht nicht Lösungen für Griechenland. Wir stehen in europäischer Verantwortung; das haben Sie betont. Die heutigen Generationen in Griechenland, vermute ich, ahnen sehr genau, dass sie die Fehler der Vergangenheit nicht innerhalb von Monaten korrigieren können, und setzen auch deshalb Hoffnung auf Europa. Ich glaube, sie ahnen auch, dass die Hauptverantwortung für diese Fehler in Griechenland selbst liegt. Aber wir sollten auch wissen: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten haben wir in Griechenland eine Regierung, die mit Vernunft und mit dem Mut der Verzweiflung nicht allein um Ministersessel kämpft, sondern um die Zukunft ihres Landes und dessen Überleben. Das ist die Chance, die dieses Land hat. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Peter Altmaier [CDU/CSU]) Herr Schäuble, es gibt keine Garantie, dass das gelingt. Aber Vernunft und Mut werden auch von uns verlangt, von dieser Regierung, von Europa insgesamt. Da kommt man nicht mit einem ängstlichen Blick auf die Vertreter der schlichten Lösungen durch. Da nimmt das Drama seinen Lauf. Das ist jetzt vorauszusehen. Ich sage noch einmal: Nichts ist einfach. Aber, Herr Schäuble, setzen Sie bitte - das ist auch meine Bitte an die gesamte Regierung - nicht auf diejenigen, die sich in ihrem Wahlkreis einen weißen Fuß machen. Setzen Sie auf diejenigen, die in der Lage sind, europäische Verantwortung zu tragen. Darum geht es. (Beifall bei der SPD - Gisela Piltz [FDP]: Damit können Sie ja nicht die SPD meinen!) Auch das haben Sie angedeutet: Wir brauchen jetzt eine überzeugende europäische Gesamtlösung für die Staatsschuldenkrise. Ohne eine Gesamtlösung werden wir, werden Sie in den Folgejahren immer Rettungsschirm über Rettungsschirm spannen und das Misstrauen der Märkte gleichwohl nicht ausräumen. Peer Steinbrück und ich haben uns bemüht, in Reden hier vor dem Deutschen Bundestag Elemente einer solchen Gesamtlösung vorzustellen. (Zurufe von der CDU/CSU) Umschuldung, Schuldenschnitt, europäische Anleihen, limitierte Euro-Bonds haben wir hier genannt - auch von diesem Pult aus. (Zuruf des Abg. Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]) Sie haben das verlacht, Sie haben das verspottet. Ich prophezeie Ihnen: Am Ende werden Sie genau da ankommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die ganze Wahrheit ist ja: Das, was wir gegenwärtig erleben, ist auch eine Staatsschuldenkrise. Es ist keine Krise des Euro, aber es ist vor allen Dingen nicht eine Krise allein der Schuldnerstaaten. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe dafür, warum die in die Krise geraten sind. Deshalb geht die Krise eigentlich weiter, während wir das miteinander diskutieren. Es ist eben auch eine Krise der europäischen Institutionen, die von der Struktur her nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind. Mit anderen Worten: Wir haben eine gemeinsame Währung geschaffen. Das war ein wichtiger Schritt, ein großer Schritt, ein richtiger Schritt. Aber wir sehen doch gerade in diesen Tagen, dass eine europäische Währung mehr braucht, damit sie funktionieren kann. Wir brauchen eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa. Wir brauchen eine strengere Aufsicht für die Banken und Finanzmärkte. Wir brauchen eine Harmonisierung der Steuern. Wir brauchen eine Mindestbesteuerung bei Körperschaft und Unternehmen. Nach meiner Überzeugung brauchen wir auch differenzierte Mindestlöhne in Europa. Das muss zusammenwachsen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE] - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wer hat denn den Maastricht-Vertrag ausgehebelt? Schröder und Eichel!) Wir müssen in all diesen Fragen Neuland beschreiten. Jawohl, Herr Schäuble, es gibt keine Blaupause, auf die wir in diesen Zeiten zurückgreifen können. Argentinische Lösungen, wie sie von manchen auf klugen Seiten der Wirtschaftszeitungen vorgeschlagen werden, stehen nicht zur Verfügung. Herr Schäuble, ich will ausdrücklich anerkennen, dass Sie sich persönlich immer wieder bemüht haben, solche Lösungen zu finden. Deshalb sage ich Ihnen auch zu, dass wir, die Sozialdemokraten, uns bei sinnvollen und erfolgversprechenden Entscheidungen nicht der Verantwortung entziehen werden. (Beifall bei der SPD - Zuruf von der FDP: So wie Sie sich enthalten haben?) - Ich glaube, Sie werden das brauchen. Seien Sie nicht ganz so hochnäsig. (Beifall bei der SPD - Otto Fricke [FDP]: Sie hoffen das!) Das setzt auch einen etwas anderen Umgang zwischen Regierung und Opposition voraus. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP) Das verlangt, dass wir wirklich mit Offenheit über die Dinge sprechen, dass Handlungsoptionen, die Sie erwägen, nicht versteckt werden. Ich sage Ihnen - es ist schlicht und einfach, Herr Schäuble, Sie wissen das -: Verantwortung geht nur mit Transparenz. Wir entziehen uns dieser Verantwortung nicht, aber wir wollen wissen, was an europäischen Lösungen ansteht. (Beifall bei der SPD - Zuruf der Abg. Gisela Piltz [FDP]) Und ein Letztes: Wir werden das nur gewinnen, wenn wir auf diesem Weg die Bürgerinnen und Bürger in unserem eigenen Land mitnehmen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber mit solchen Reden nicht, wie Sie sie heute gehalten haben! - Beifall bei der CDU/CSU - Gegenruf des Abg. Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Sie haben es gerade nötig!) - Herr Kauder, ganz ernsthaft, Sie machen sich die Dinge zu einfach! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU/CSU) Ich stehe jetzt zum dritten Mal hier in der europäischen Debatte. Immer sagen Sie: "Diese Instrumente wollen wir nicht." Drei Monate später erfährt man, dass Sie sie doch wieder übernehmen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!) Ich komme deshalb gerne zu einem letzten Element. Wenn wir die Bürgerinnen und Bürger auf diesem schwierigen europäischen Weg mitnehmen wollen, dann müssen wir in der Politik - nicht nur die Regierung - gewährleisten, dass nicht der falsche Eindruck entsteht, dass nur einer die Last der ganzen Krise trägt. Im Augenblick macht sich doch der Eindruck breit, dass ganz viele an den unterschiedlichen Krisen verdienen, aber dafür nur ganz wenige die Kosten tragen. Deshalb meine herzliche Bitte - auch wenn Sie das in der Vergangenheit immer als überflüssig betrachtet haben -: Wenn nicht der falsche Eindruck entstehen soll, dass die Übernahme der Kosten der Krise nicht ausbalanciert wird und diejenigen, die an ihr verdienen, nicht beteiligt werden, dann geben Sie endlich den Weg frei und setzen Sie sich mit aller Kraft dafür ein, dass die Finanzmarkttransaktionsteuer in Europa kommt. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie werden diese Ressource brauchen, wenn wir notleidenden Ländern wieder auf die Beine helfen wollen. Allein mit Sparen funktioniert das nicht; das sehen wir gerade leider auch in Griechenland. Herzlichen Dank. (Lebhafter Beifall bei der SPD - Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Erik Schweickert [FDP]: Was macht denn die SPD?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Rainer Brüderle für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Rainer Brüderle (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Steinmeier, Sie haben die sachlichen Darlegungen von Herrn Schäuble zu Recht als wohltuend bezeichnet. Er hat die Situation sehr nüchtern und korrekt dargestellt (Zuruf von der SPD: Wie haben Sie das mit dem "nüchtern" gemeint?) und die Wege und Risiken klar aufgezeigt. Die FDP-Fraktion wird in hoher Geschlossenheit den gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen in diesem Haus unterstützen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Zuruf von der SPD: Ah, das erwähnen Sie!) Es ist deutsche Staatsräson, dass sich unser Land nie wieder säkularisieren darf. (Zurufe von Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Säkularisieren?) - Entschuldigung, Herr Heil, wir führen hier eine seriöse Diskussion. (Zuruf von der SPD: Ja, eben!) Sie blöken nur dazwischen; das bringt nichts. (Beifall bei der FDP - Michael Roth [Heringen] [SPD]: Sie haben aber "säkularisieren" gesagt! - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Erklären Sie doch einmal, was Sie mit "säkularisieren" meinen!) Zweitens. Wir brauchen die europäische Perspektive aus guten Gründen; denn zwei Drittel des weltweiten Wirtschaftswachstums werden in anderen Ländern, nicht mehr in Europa erzielt. Es ist kein europäisches Zeitalter mehr, in dem Europa die Weltentwicklung determiniert. Wir brauchen einen stabilen Euro. Herr Steinmeier, Sie haben das in zwei Sätzen abgehandelt, um dann sofort in Polemik, Besserwisserei und Beschimpfung zu verfallen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das müssen wir uns nicht gefallen lassen. (Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Alle wichtigen europäischen Verträge wurden von den Mehrheiten von CDU/CSU und FDP auf den Weg gebracht und beschlossen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das war noch eine FDP!) Ich habe noch klar vor Augen, wie Herr Gabriel bei der Entscheidung zur Griechenland-Hilfe - ja oder nein? - hier eine Art Sirtaki aufgeführt hat. Innerhalb einer Woche wechselte er zwischen Ja, Nein und Enthaltung; am Schluss gab es eine kraftvolle Enthaltung. Das ist Ihr staatspolitischer Beitrag zu den Veränderungen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Es ist ein Unterschied, ob man seinen Worten Taten folgen lässt oder sich, wenn es darauf ankommt, vom Acker macht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie einmal etwas zu Griechenland!) Ihr Bundeskanzler Schröder hat den Euro als kränkelnde Frühgeburt bezeichnet. Das war Ihr Bundeskanzler! (Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Herr Steinmeier, Sie haben Herrn Schröder jahrelang die Feder geführt. Sie wissen das ganz genau. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich könnte reihenweise Zitate von Herrn Schröder anbringen, in denen er begründet, weshalb er den Stabilitätspakt aufgeweicht hat. (Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Sehr wahr!) Ja, wir haben eine besondere Situation. Wir haben eine Wirtschafts- und Währungsunion und keine politische Union. Das unterscheidet uns von den Vereinigten Staaten. Der Stabilitätspakt wurde geschlossen, um Leitplanken einzuziehen, die die finanzpolitische Stabilität gewährleisten, welche für eine stabile Währung notwendig ist. Das ist die deutsche Mitgift für die europäische Entwicklung: eine stabile Währung. Eine soziale Marktwirtschaft kann nämlich nur funktionieren, wenn die Preise die Knappheitsrelation richtig widerspiegeln. In der Marktwirtschaft wird über Preise gesteuert, nicht über planwirtschaftliche Ansätze. Wenn die Preise die Knappheit nicht richtig widerspiegeln, steuern wir falsch. (Zurufe von der SPD: Hui! Holla!) - Einer muss es Ihnen ja erklären. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das Zweite ist das Soziale. Eine der größten sozialen Schweinereien ist die Inflation, die Geldentwertung, weil sie die Kleinen, die mit dem Sparbuch und dem kleinen Vermögen trifft, diejenigen, die nicht ausweichen können. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Thomas Oppermann [SPD]: Eben!) Deshalb kämpfen wir für Geldwertstabilität, für den stabilen Euro und für die Einhaltung der Stabilitätskriterien. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sie haben nicht gekämpft für die Stabilität des Euro. Sie haben aus Beliebigkeit heraus und kurzatmig Regelungen getroffen, weil Sie nicht die Kraft hatten, den Haushalt in Ordnung zu bringen. Deshalb haben Sie die eigene Messlatte gerissen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD) Wir machen das anders. (Lachen bei der SPD) Wir denken in klaren Linien. (Thomas Oppermann [SPD]: Eine Büttenrede!) In Ihrer Zeit, in der Zeit von Rot-Grün, war Deutschland der kranke Mann Europas. Heute erleben wir ein neues deutsches Wirtschaftswunder - dank einer anderen Politik in Deutschland. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sie haben den Stabilitätspakt aufgeweicht und kaputt gemacht, sodass er nicht richtig funktionieren kann. (Lachen bei der SPD) Das ist die Ursache unserer Misere. Die Leitplanken wurden von Ihnen durchlöchert und halten nicht mehr. Sie haben sie durch Ihre Politik teilweise zerstört. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Alles Quatsch!) Deswegen müssen wir jetzt - wir sind dabei - eine Art Stabilitätspakt II schaffen. (Thomas Oppermann [SPD]: Steuersenkungen!) Kernstück wird der ESM sein. Das Entscheidende ist, dass wir den Rahmen setzen. Kernproblem Griechenlands ist, dass dieses Land nicht hinreichend wettbewerbsfähig ist. Ich will Ihnen einmal vorlesen, was der damalige Außenminister der Grünen erklärt hat, als es so weit war. In Athen hat er wörtlich gesagt: Wir sind besonders froh über die wirtschaftlichen Erfolge Griechenlands und die Anstrengungen, die unternommen werden, sowie über die Fähigkeit Griechenlands, dem Euro beizutreten. Ich wiederhole: "die Fähigkeit Griechenlands, dem Euro beizutreten". Das Land war damals nicht dazu in der Lage. Die Unterlagen waren nicht stimmig. Sie haben das schöngeredet und zum falschen Zeitpunkt Entscheidungen getroffen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ja, wir bauen eine neue Stabilitätskultur in Europa auf. Das ist das Elementare. Im Gencode der Deutschen ist fest verankert, (Zurufe von der SPD: Oh!) was es bedeutet - das hat jede deutsche Familie zweimal erlebt -, wenn eine Währung nicht stabil und solide ist. Wir haben in Deutschland zwei Währungsreformen erlebt. Deshalb sind wir sensibel für die richtigen Strukturen und eine Stabilitätskultur. Das ist elementar für eine erfolgreiche Entwicklung dieses Kontinents. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir haben den Menschen versprochen, dass der Euro genauso stabil sein wird, wie es die Deutsche Mark war, und dass die Europäische Zentralbank genauso unabhängig sein wird, wie es die Deutsche Bundesbank war und ist. Das müssen wir sicherstellen. (Michael Groschek [SPD]: Wo denn?) Wenn wir jetzt nicht helfen, besteht die Gefahr, dass Griechenland nicht zu einer finanziellen Stabilität zurückkehrt und seine Wettbewerbsschwäche nicht überwinden kann. Das Kernproblem Griechenlands liegt darin, dass es nicht in der Lage ist, sich das zu erarbeiten, was es meinte sich auf der Ausgabenseite über lange Jahre erlauben zu können. Hier muss eine Balance gefunden werden. Darauf müssen wir hinarbeiten. Wir müssen Griechenland eine faire Chance geben, das umzusetzen, was an Veränderungen notwendig ist. Diese Veränderungen müssen nachhaltig sein. Der Bericht der Troika lässt diesbezüglich erkennen - Herr Schäuble hat es sehr korrekt wiedergegeben -: Die Ziele sind nicht voll erreicht. Für uns ist es deshalb von elementarer Bedeutung, dass der IWF - quasi als Sicherheitsgurt der weiteren europäischen Entwicklung - beteiligt bleibt. Für die Freien Demokraten sind vier Punkte ganz zentral: Erstens. Die Beteiligung privater Gläubiger, und zwar aus zwei Gründen: Politisch ist wichtig, dass nicht der Steuerzahler - hier wie in anderen Ländern - einseitig für alles aufkommt. Das ist auch eine Frage der Konsequenz des Verhaltens. Daneben gibt es eine ökonomische Komponente. Wenn Anleger das Gefühl haben, dass - ganz gleich, was sie unternehmen - die Rechnung am Schluss vom Staat und damit vom Steuerzahler beglichen wird, dann befinden wir uns in der europäischen Finanzwirtschaft wieder auf einem falschen Weg. Deshalb ist die Beteiligung privater Gläubiger unverzichtbar. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Zweitens. Der IWF muss beteiligt sein, weil er ein Stück unabhängige Expertise einbringt. Drittens. Die Privatisierung in Griechenland muss zügig und nachvollziehbar vorangetrieben werden. Letztlich liegt die Entscheidung, wie es weitergeht, bei Griechenland. Das Land ist ein souveräner Staat und kein Protektorat. Wenn aber ein Staat Unterstützung und Hilfestellung haben will, hat er als derjenige, der Solidarität empfängt, die Verpflichtung, die Ursachen seiner Probleme aktiv zu beseitigen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Deshalb muss in Griechenland eine umfassende Privatisierung schnell und überzeugend eingeleitet werden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Deutschland kann helfen, wenn das gewünscht wird. Im deutschen Einigungsprozess haben wir viel Erfahrung gewonnen. Es gibt eine Vielzahl internationaler Expertisen. Griechenland wäre gut beraten, davon Gebrauch zu machen. Letztlich liegt die Entscheidung aber bei Griechenland. Wichtig ist: Es muss etwas geschehen. Hier liegt einer der Schwachpunkte des Berichtes. Der IWF lässt diesbezüglich bei seiner Bewertung ein Stirnrunzeln erkennen. (Zuruf des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]) - Sie sollten ihn einmal lesen, Herr Heil, das macht Sie vielleicht schlauer. Viertens. Die angemessene Beteiligung des Parlaments ist für uns unverzichtbar. Es ist das Königsrecht des Parlaments, Haushaltsentscheidungen zu treffen. Deshalb müssen bei solch gravierenden Entscheidungen auch die Rechte des deutschen Parlaments, des Deutschen Bundestages, gewahrt sein. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das ist unverzichtbar. Wir sind sehr wohl in der Lage, unsere Entscheidungen als frei gewählte, unabhängige Abgeordnete richtig und nach bestem Wissen und Gewissen zu treffen. Meine Damen und Herren, es muss gelingen, mit dem Stabilitätspakt II die Rahmenbedingungen zu setzen, damit der Euro und Europa funktionieren. Es kann auch einen anderen Weg geben. Herr Trichet hat in seiner Rede bei der Karlspreisverleihung einen anderen Weg aufgezeigt: Man könne ein europäisches Finanzministerium schaffen, quasi eine supranationale Institution, eine Art Bundesstaat. Das halte ich nicht für realistisch. In Europa gibt es zu viele unterschiedliche Kulturen und dementsprechende Entwicklungen. Ich glaube, dass der eingeschlagene Weg - dabei wahren wir die nationale Zuständigkeit für die Entscheidung - der richtige ist. Aber er fordert zwingend einen wirksamen Stabilitätspakt II mit klaren Regeln, damit man sieht, dass wir Ernst machen. Wir haben die paradoxe Situation, dass der Euro außen sehr gut ankommt. Er ist stark gegenüber dem Dollar. Er ist stark gegenüber dem Yen. Das Problem besteht intern. Es ist keine Währungskrise, sondern eine Schuldenkrise, weil einige Mitgliedsländer es nicht geschafft haben - dies lag wohl auch an der Segnung eines niedrigen Zinses dank des Euros -, maßzuhalten, über die Stränge geschlagen haben und mit den öffentlichen Haushalten nicht vernünftig umgegangen sind. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!) Sie haben sich durch die niedrige Verzinsung durch die gemeinsame Währung zur finanzpolitischen Unsolidität verführen lassen. Deshalb müssen sie auf den Pfad der Solidität ihres Haushaltsgebarens zurückfinden; denn nur so wird ein Ganzes daraus. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Steinmeier, ich würde Sie herzlich bitten - ich weiß nicht, wann Sie Ihren Kanzlerkandidaten aufstellen -, (Zurufe von der SPD: Oh! - Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das Problem haben Sie ja nicht! - Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist für Sie kein Thema mehr!) das zu lassen, nicht eine Rede für Ihre Fraktion zu halten, sondern für die Menschen draußen im Land. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zuruf von der SPD: So wie Guido!) Sie haben den Anspruch, dass wir in Fragen von elementarer nationaler und europäischer Bedeutung über den Tellerrand der Parteipolitik und Polemik hinausblicken - dafür wirbt übrigens Wolfgang Schäuble -; (Zuruf von der SPD: Das sagt der Richtige!) dann sollten Sie dies auch tun (Thomas Oppermann [SPD]: Und was macht die Kanzlerin? - Michael Roth [Heringen] [SPD]: Fragen Sie mal die Kanzlerin!) und nicht nur mit zwei Sätzen ein Lippenbekenntnis zu dem ablegen, was Wolfgang Schäuble überzeugend dargelegt hat, (Zuruf von der SPD: Prost!) um anschließend in Bierzeltstimmung und Parteitagsrede zurückzufallen. Das ist der Lage nicht angemessen. (Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU/ CSU) - Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie sollten wirklich einmal in sich gehen. Große Sprüche zu machen und dann, wenn es - wie bei Griechenland - darauf ankommt, weder Ja noch Nein zu sagen, sondern sich kraftvoll zu enthalten, sich vor der Entscheidung zu drücken, ist ein Kneifen vor staatspolitischer Verantwortung. Werden Sie endlich staatspolitisch verantwortlich! (Anhaltender Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Lachen bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Gregor Gysi ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ist in dem Glas Wasser? - Weiterer Zuruf von der SPD: Jetzt ja! - Heiterkeit) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Brüderle, ich sage besser nichts zu Ihrer Wortwahl, (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) aber Ihre Leidenschaft war wirklich beachtlich; das muss ich sagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wie Sie am Schluss die Fäuste bewegt haben, das passt auf jeden linken Parteitag. Zur Steigerung müsste ich jetzt den Schuh benutzen. (Heiterkeit - Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN - Rainer Brüderle [FDP]: Bei euch nur gegen Gebühr!) Die Probleme, die Sie gerade mit Europa haben, werden Sie dadurch nicht los. Das muss man in aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben ja recht, Herr Schäuble: Die Europäische Union ist ungeheuer wichtig, und zwar zunächst aus einem politischen Grund. Alle Jahrhunderte bis einschließlich des 20. Jahrhunderts waren geprägt durch Kriege zwischen den heutigen Mitgliedsländern der Europäischen Union. Die Europäische Union hat die Chance, das für die Zukunft auszuschließen. Allein das wäre ein so großer Gewinn, dass man dafür vieles in Kauf nehmen müsste. Der zweite Grund ist - auch das stimmt -, dass es wirtschaftlich mit den alten Nationalstaaten in Europa überhaupt nicht mehr laufen kann. Nun lassen Sie mich noch etwas zum Euro sagen. Sie haben hier den früheren Kanzler bezüglich der Anfangsschwäche zitiert. Es war Bundeskanzler Kohl, der gesagt hat: Erst die politische Union und dann die Währungsunion. Frankreich hat nicht mitgemacht. Daraufhin hat er gesagt: Na gut, dann machen wir es eben ohne politische Union. - Dafür bezahlen wir noch heute. Das Entscheidende ist doch, dass es die notwendigen Angleichungen bei Steuern, bei Sozialleistungen, bei ökologischen Standards, bei rechtlichen Standards nicht gegeben hat. Eine Binnenwährung krankt daran, wenn man diesbezüglich keine Binnenstruktur hat. Das ist das Erste. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Zweite. Was Sie sagen, wirkt altruistisch, als ob es Ihnen immer nur darum ginge, wie viel Geld man für Griechenland ausgibt. Seien Sie von der Regierung doch einmal ehrlich und sagen Sie: Es geht letztlich um Deutschland, und zwar aus folgendem Grund: Den Euro brauchen wir dringender als Griechenland. Wir sind doch die Exportnation. Wir sind Vizeweltmeister beim Export, gleich hinter China. Stellen Sie sich einmal vor, Griechenland, Spanien, Portugal und Irland hätten eigene Währungen. Dann würden sie sie abwerten, bis wir so gut wie nichts mehr dort verkaufen könnten. Also: Wenn Sie den Euro retten, retten Sie die deutsche Exportwirtschaft. Sagen Sie das doch einmal in dieser Klarheit, damit die Bürgerinnen und Bürger Bescheid wissen! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Situation in Griechenland kann man nicht beleuchten, ohne die Situation nach der Finanzkrise zur Kenntnis zu nehmen. Nach wie vor haben wir unregulierte Finanzmärkte. Es ist doch diesbezüglich nichts passiert. (Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Was? Das stimmt doch gar nicht!) Die öffentlichen Schulden von Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland belaufen sich auf 2 Billionen Euro; auch das ist übrigens Ausdruck der Finanzkrise. 2 Billionen Euro, das ist eine unvorstellbare Summe. Der Anteil, den die Banken in der Finanzkrise daran verschuldet haben, beträgt 300 Milliarden Euro. Das Problem ist nur: Nicht die Banken müssen das zurückzahlen, sondern die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland haben das zu bezahlen. Das ist das grob Ungerechte, das wir immer wieder kritisieren werden. (Beifall bei der LINKEN) Das betrifft nicht nur die heutigen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, sondern, weil die Schulden und Zinsen bleiben, auch die Jugend, die kommende Generation. Hier haben wir doch ein Problem geschaffen, das uns noch Jahrzehnte beschäftigen wird. Wie gesagt, es wird munter weitergezockt. Sie haben auf den Finanzmärkten nichts reguliert. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Der Tagesspiegel hat gestern berichtet, dass vermögende Anleger über 108 Milliarden Euro neu in Zertifikaten angelegt haben. Jetzt will ich einmal übersetzen, was das bedeutet: Das sind Wettscheine. Worauf wettet man da? Man wettet darauf, ob Lebensmittel und Rohstoffe teurer oder billiger werden, ob Währungen an Wert verlieren oder im Wert steigen. Zertifikate sind, wie gesagt, Wettscheine. Da liegen jetzt also 108 Milliarden Euro von deutschen Vermögenden. Ich sage Ihnen: Die ganze Geldbewegung, die hier stattfindet, hängt immer davon ab: Habe ich einen richtigen Tipp abgegeben, oder habe ich einen falschen Tipp abgegeben? Das ist überhaupt nicht mehr zu vertreten. Diese Wettmaschinerie muss aufhören. (Beifall bei der LINKEN) Denn dieses Wetten - ich will auch das ganz klar sagen - leistet keinen Beitrag zum Allgemeinwohl, und damit ist es grundgesetzwidrig. Es verstößt gegen Art. 14 unseres Grundgesetzes. (Beifall bei der LINKEN) Wenn wir diese Wettmaschinerie schlössen, dann müssten die Menschen ihr Geld anders anlegen, es zum Beispiel in die Energiewende oder wenigstens in die reale Wirtschaft investieren. Sie würden also eher zum Allgemeinwohl beitragen, als es gegenwärtig der Fall ist. Vergessen Sie nicht: Jetzt, nach der Krise, gibt es 700 000 Zertifikate, doppelt so viele wie vorher. Die Spekulation hat also nicht abgenommen. Sie hat zugenommen. Das ist nicht hinnehmbar. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Der britischen Regierung - Herr Schäuble, das könnten auch Sie einmal zur Kenntnis nehmen - liegt übrigens ein Bericht vor, wonach sich die Banken vollständig von spekulativen Geschäften trennen müssten, damit die Bürgerinnen und Bürger bei einer erneuten Krise nicht wieder die Wettspielverluste, die aus dieser Zockerei resultieren, bezahlen müssen, wie es gegenwärtig der Fall ist. Warum diskutieren wir darüber nicht in Deutschland? Vielleicht müsste man den Banken die Zockerei, diese Art von Wetten, endlich verbieten und sagen: Das gehört dort nicht hin. (Beifall bei der LINKEN) Die britische Regierung diskutiert darüber, die deutsche nicht. Ich glaube, die Antwort auf die Frage, warum wir das alles nicht machen, ist ziemlich einfach. Das liegt daran, dass Sie abhängig sind von den Banken. Die Deutsche Bank ist einfach zu mächtig. Nicht Sie bestimmen, was die Deutsche Bank macht, sondern die Deutsche Bank bestimmt, was Sie machen. (Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Genau!) - Ja, Frau Merkel. "Genau!", sagen Sie. So ist es. Nicht Sie bestimmen, was Herr Ackermann macht, sondern Herr Ackermann bestimmt, was Sie machen. Ich möchte das gerne wieder umdrehen. Das hat wenig mit Ihnen, sondern mehr mit der Struktur zu tun. Sie werden nämlich gewählt, Herr Ackermann nicht. Das ist der Unterschied. (Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Der wird auch gewählt, aber von einem anderen Gremium!) Es gibt ja den Internationalen Währungsfonds. Er hat in einer Studie festgestellt, dass die privaten Großbanken nach der Krise mächtiger sind, als sie es vor der Krise waren. Jetzt nenne ich Ihnen ein Beispiel: Die Deutsche Bank hat ein Bilanzvolumen von 2 000 Milliarden Euro. Das entspricht der Höhe der gesamten öffentlichen Schulden Deutschlands. Das ist die Bilanzsumme der Deutschen Bank! Damit kann sie jede Regierung erpressen. Wenn sie nur in der Wirtschaft tätig wäre, reichte ein Bilanzvolumen von 250 Milliarden Euro aus. Die Regierung kann aber erst erpresst werden, wenn man ein solches Bilanzvolumen hat. Deshalb ist die Deutsche Bank zu mächtig, sage ich Ihnen. Nun ist die Frage: Trauen Sie sich da heran, Herr Kauder? Sie trauen sich nicht heran. Wissen Sie, was der große Vorteil der Linken in Bezug auf die Deutsche Bank ist? Wir wollten, könnten und trauten uns an die Deutsche Bank heran. Das wird auch höchste Zeit. (Beifall bei der LINKEN - Manfred Grund [CDU/CSU]: Damit haben Sie viel Erfahrung!) Das schlagen nicht nur wir vor, sondern das schlägt inzwischen auch der Internationale Währungsfonds vor. Er sagt: Die Banken sind zu mächtig; sie müssen zerlegt werden. - Wenn das also nicht nur von den Linken, sondern selbst von solchen Einrichtungen kommt, lohnt es sich vielleicht auch in der Union und in der FDP, einmal darüber nachzudenken. Die Unterlassungssünden der Politik haben viel mit der griechischen Krise zu tun. Absehbar war, dass die Strategie in Bezug auf Griechenland schiefgehen muss. Die Einzigen, die davor gewarnt und dies gesagt haben, waren wir. Das ist leider so. Warum war das absehbar? Wir haben gesagt: Mit einer Mehrwertsteuererhöhung, mit der Senkung von Löhnen, Gehältern und Renten, mit Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst, mit dem Verkauf des öffentlichen Eigentums und mit dem Abbau von Investitionen kann man eine Gesellschaft nicht retten. Man zerstört sie dadurch. Das heißt, die Krise ist tiefer geworden. (Beifall bei der LINKEN) Die Folgen sind Arbeitslosigkeit, geringere Steuereinnahmen, ein Anwachsen des Schuldenberges - eben eine Vertiefung der Krise. Ein ernsthafter Versuch zur Rettung Griechenlands verlangt einen Marshallplan, ein Wachstumsprogramm für die griechische Wirtschaft für Investitionen in die Infrastruktur, in die Modernisierung der Landwirtschaft usw. Frau Merkel, Ihnen und Herrn Sarkozy ging es aber nicht um die Rettung Griechenlands, sondern erneut um die Rettung des Bankensystems. Sie haben dem Treiben zugesehen und erlebt, wie die Zinsen für griechische Anleihen immer weiter in die Höhe getrieben wurden, weil die Ratingagenturen entschieden, dass die Anleihen zu riskant sind. Ich bitte Sie: Für zehnjährige Anleihen muss Griechenland inzwischen Zinsen von 25 Prozent zahlen. Es gibt überhaupt kein Land, das solche Wucherzinsen verkraftet - natürlich auch Griechenland nicht. Auf diese Art und Weise kommen wir aus dem Teufelskreis also nicht heraus. Sie denken jetzt über ein weiteres Kreditpaket nach - wiederum in Höhe von 100 Milliarden Euro -, nachdem schon das erste nicht funktioniert hat. Ich sage Ihnen: Das funktioniert wieder nicht, weil Ihre Logik ist, dass die dort jetzt noch brutaler sparen müssen, das heißt, noch mehr öffentliches Eigentum verkaufen, noch geringere Löhne zahlen und noch mehr Leute entlassen müssen. Sie stürzen das Land in eine immer tiefere Krise. So kommt eine Rettung nicht zustande. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage Ihnen noch etwas: Wenn die Griechen unter Druck öffentliches Eigentum verkaufen, dann erzielen sie natürlich nur Spottpreise. Alle wissen ja, dass sie jetzt verkaufen müssen. Die Gebote sind deshalb natürlich entsprechend gering. Das ist also nicht einmal kaufmännisch klug - ganz im Gegenteil. Nun gibt es eine Diskussion über die Umschuldung. Die finde ich spannend. Es wird gesagt: Auch die privaten Gläubiger müssen jetzt ein bisschen auf Forderungen verzichten. Nicht gesagt wird, was in der Realität passiert ist. Wenn Frau Merkel und Herr Schäuble erklären, dass auch die Privaten jetzt einmal ein bisschen auf Geld verzichten müssen, klingt das ja fast sozialistisch und etwas revolutionär. Wenn man sich das dann genauer ansieht, stellt man Folgendes fest: Die Banken haben einen Großteil ihrer Forderungen an Griechenland längst verkauft, und zwar zu einem großen Teil an die Europäische Zentralbank. Ich nenne Ihnen jetzt bloß einmal die Zahlen, damit Sie es wissen: Die französischen Banken hatten Forderungen von 27 Milliarden Euro, jetzt sind es nur noch 15 Milliarden Euro. Die deutschen Banken hatten Forderungen von 23 Milliarden Euro, jetzt sind es nur noch 15,6 Milliarden Euro. Die deutschen Versicherungen hatten Forderungen von 5,8 Milliarden Euro, jetzt sind es nur noch 2,8 Milliarden Euro. Die Europäische Zentralbank, die uns allen gehört, der ganzen Europäischen Union, den Staaten, also den Bürgerinnen und Bürgern, hat jetzt Forderungen gegen Griechenland in Höhe von 50 Milliarden Euro. Wenn wir jetzt eine Umschuldung machen, dann heißt das: Die Bürgerinnen und Bürger Europas bezahlen das Ganze. Den Banken kann das jetzt schon egal sein. Sie haben ja schon alles an die Europäische Zentralbank verscherbelt. Diese Wahrheit müssen Sie unbedingt hinzufügen. Die Europäische Zentralbank ist inzwischen die größte Gläubigerin von Griechenland. So geht das nach unserer Auffassung also ganz bestimmt nicht. Die falsche Politik, den Sozialabbau, die Privatisierung und all das, begrüßen leider nicht nur die Union und die FDP, sondern auch die SPD und die Grünen. Wir fordern als Einzige eine gänzlich andere Politik. Wir wollen Griechenland-Kredite über eine europäische Bank für öffentliche Anleihen - mit niedrigen Zinsen und ohne den Weg über private Geschäftsbanken, die nur eine Abzocke durch Wucherzinsen organisieren. Das wäre ein völlig anderer Weg und würde Griechenland endlich wirklich helfen. (Beifall bei der LINKEN) Dann kann man auch eine geordnete Umschuldung einleiten. Ich muss nun auf ein früheres Mitglied des Bundestages zurückkommen, den Abgeordneten Oskar Lafontaine. Der hat hier nämlich während der Krise einen Vorschlag unterbreitet. Er hat gesagt: Wir müssen einen öffentlichen Euro-Fonds mit niedrigen und bezahlbaren Zinsen für die Länder Europas einrichten. Daraufhin hat der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück von der SPD geantwortet: Das ist zu teuer, es kostet die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler möglicherweise 3 Milliarden Euro. Hätten Sie doch bloß auf Oskar Lafontaine gehört! Wie viel Geld hätten wir gespart! Räumen Sie das doch mal ein! (Beifall bei der LINKEN) Oskar Lafontaine versteht schon mehr von Finanz- und Wirtschaftspolitik als ich - aber der Abstand geht noch -; (Zuruf von der SPD: Die einen sagen so, die anderen so!) er versteht aber vor allem wirklich deutlich mehr davon als die vorvorige, die vorige und die jetzige Bundesregierung. (Beifall bei der LINKEN) Neben den genannten anderen Krediten brauchen wir ein Investitionsprogramm für Griechenland, sodass die Wirtschaft wieder belebt wird, damit dann auch die Quellen fließen und man ein Land sanieren kann. Was müssen wir für die Finanzierung tun? Herr Steinmeier hat das mit einer Forderung angedeutet, die völlig richtig ist: Wir brauchen dringend eine Finanztransaktionsteuer. Sonst ist das Ganze nicht oder nur höchst ungerecht bezahlbar. Zweitens müssen wir endlich einmal die Vermögenden europaweit in Anspruch nehmen. Sie können die Ungerechtigkeit nicht fortsetzen. Auf der einen Seite nimmt die Armut zu, auf der anderen Seite das Vermögen. So kann es nicht bleiben. (Beifall bei der LINKEN) Letztlich brauchen wir steigende Löhne, Renten und Sozialleistungen in Deutschland, um die Ungleichgewichte im Verhältnis zu anderen Staaten zu überwinden. Wir brauchen das wegen der sozialen Gerechtigkeit, um neue Schuldenkrisen zu verhindern, um unsere eigene Binnenwirtschaft endlich zu stärken und um die unendliche Geschichte der Rettungspakete zu beenden. Ihren falschen, teuren und unsozialen Vorschlägen können wir nicht zustimmen. Unser Nein liegt sowohl im Interesse der griechischen als auch unserer eigenen Bevölkerung. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke. - Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege Volker Kauder. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Volker Kauder (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Dieser heutige Plenartag hat großartig angefangen: mit einer Rede von Wolfgang Schäuble, die über die Dimension der aktuellen ökonomischen Fragen hinausgegangen ist, die die politische Bedeutung von Europa beleuchtet und deutlich gemacht hat, dass Europa unsere Zukunft ist und dass wir Deutsche dieses Europa dringend brauchen. Das war die Aussage von Wolfgang Schäuble. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Und dann kommt (Zuruf von der SPD: Brüderle!) ein Oppositionsführer, Frank-Walter Steinmeier, und hält hier eine Rede, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) die der Schwierigkeit der Situation und den Sorgen der Bürgerinnen und Bürger in keiner Weise gerecht geworden ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Die hat Ihnen nicht gepasst! Das ist alles! - Thomas Oppermann [SPD]: Das war genau auf den Punkt!) Ich habe selten von jemandem, der sich aufbläst und sagt, dass er etwas für Europa tun will, eine solche Rede gehört, die das glatte Gegenteil von dem bewirkt, was er machen will. Das ist das entscheidende Thema. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wenn man dann einen Blick auf die Geschichte wirft, wird man den Verdacht nicht los, dass da von etwas abgelenkt werden soll. Herr Steinmeier, das nehme ich Ihnen ab: Europa ist das Projekt unserer Generation, der Nachkriegsgeneration, gewesen. Wir haben gesagt: Nie wieder Krieg, nie wieder Krieg in Europa und von Europa ausgehend! Das war der starke Impetus. Wir haben gesagt: Wir wollen dieses gemeinsame Europa. Wir haben die Schlagbäume auf der Kehler Europabrücke hochgenommen, weil wir wollten, dass es keine Grenzen mehr gibt. Aber immer dann, wenn es ernst geworden ist, hat die SPD nicht gewusst, ob sie wirklich für Europa sein soll. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Das ist gelogen!) In Ihrer Rede habe ich so etwas wie das kollektive schlechte Gewissen für das, was Sie mit zu verantworten haben, gespürt, Herr Steinmeier. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Elke Ferner [SPD]: Das ist lächerlich!) Als es um die Westorientierung nach dem Zweiten Weltkrieg ging, war die SPD dagegen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Als es um die Ostpolitik ging, war die CDU dagegen!) Als es um den Euro ging, wurde die Formulierung "kränkelnde Frühgeburt" gewählt, wahrscheinlich auch noch in Ihrem engsten Umfeld. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Michael Groschek [SPD]: Rainer Barzel!) Als es darum ging, Europa in eine neue Zeit zusammenzuführen, (Zuruf von der SPD: Gauweiler!) war Oskar Lafontaine gegen die deutsche Einheit. Das war ein Projekt von Europa. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Immer dann, wenn es ernst wurde, waren Sie nicht die Europapartei. Deswegen war die Rede, die Sie heute gehalten haben, nicht in Ordnung, Herr Steinmeier. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Haben Sie schon einmal von Willy Brandt gehört? Geschichtsfälschung!) Ich hätte mir gewünscht, dass Sie heute gesagt hätten: Trotz der einen oder anderen Frage stimmen wir dem Paket zu. (Dietmar Nietan [SPD]: Haben Sie Angst, dass Sie keine Mehrheit haben?) Ich weiß noch ganz genau, dass Sie, als wir in der Opposition waren (Zurufe von der SPD: Da sind Sie bald wieder!) und Sie an der Regierung, für die eine oder andere außenpolitische Entscheidung unsere Stimme gebraucht haben, weil Sie die Mehrheit in Ihren eigenen Reihen nicht hatten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wir sind über unseren parteipolitischen Schatten gesprungen. Wenn es um das ganze Land ging, wurden wir auch in der Opposition unserer Verantwortung gerecht. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Für den Irakkrieg, Herr Kauder!) Das vermisse ich bei Ihnen, Herr Steinmeier. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wolfgang Schäuble und die Bundesregierung haben in diesen Tagen eine schwierige Aufgabe zu bewältigen. Wir, die Koalitionsfraktionen, begleiten die Regierung dabei. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was für eine Drohung! - Joachim Poß [SPD]: Sie begleiten das jeden Tag bis Mitternacht!) Es geht darum, auf der einen Seite alles zu tun, um den Euro zu stabilisieren, auf der anderen Seite Fehlentwicklungen, die in Europa stattgefunden haben, abzubremsen und nicht fortzuführen. Was Sie wollen, nämlich eine unkonditionierte Transferunion, wird dieses Europa weiter auf den Weg nach unten und nicht zur Konsolidierung führen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Wer will das denn?) Ich höre aus den Reihen der Opposition, dass Sie dem Antrag nicht zustimmen können, weil er zu stark konditioniert sei. Herr Steinmeier, man kann nicht kritisieren, dass ausschließlich der Steuerzahler die Risiken trägt, und sich gleichzeitig dagegen verwahren und wehren - auch wenn das in Europa im Augenblick schwer durchzusetzen ist -, dass der private Sektor beteiligt werden soll. (Joachim Poß [SPD]: Das wollen wir doch!) Da Sie nicht mitmachen, habe ich den Verdacht, dass Sie genau diesen Punkt nicht wollen, weil das so eine starke Konditionierung ist. Damit sind Sie meilenweit von dem entfernt, was notwendig ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Thomas Oppermann [SPD]: Wir haben einen besseren Antrag! - Joachim Poß [SPD]: Reden sie mal über Ihren Antrag!) Wir haben hier im Deutschen Bundestag miteinander die Schuldenbremse eingeführt, weil wir gewusst haben, dass wir nur durch ein Bremsen - keine weiteren neuen Schulden! - auf den richtigen Weg kommen. Wenn wir eine unkonditionierte Hilfe in Europa auf den Weg bringen, entspricht dies nicht dem Geist der Schuldenbremse, die wir miteinander vereinbart haben. (Thomas Oppermann [SPD]: Das will doch keiner! Lesen Sie unseren Antrag!) Ich bitte Sie deswegen, sich zu überlegen, ob der vorgeschlagene Weg nicht doch richtig ist. Sie sagen: Wir müssen in Europa auch auf die anderen hören. - Das tun wir. Aber Sie sagen: Eine Beteiligung durch die Transaktionsteuer muss auf jeden Fall stattfinden. Sie wissen ganz genau, dass auch wir das wollen, dass wir aber dafür in Europa bis heute keine Mehrheit gefunden haben. (Thomas Oppermann [SPD]: Weil Sie nichts dafür getan haben!) Das ist doch die Wahrheit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Man kann hier doch nicht sagen: "Ihr dürft keine singuläre Position vertreten", und uns dann nicht unterstützen, wenn wir Positionen vertreten, (Zuruf von der SPD: Schreien Sie doch nicht so!) für die wir erst noch Mehrheiten finden müssen. Das ist nicht in Ordnung, Herr Steinmeier. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Herr Wissing hat gestern noch gesagt, dass er dagegen ist! Er hat sich gegen die Steuer ausgesprochen hier im Deutschen Bundestag!) Wir wollen und wir werden Europa voranbringen. Wir helfen und stützen in Europa. Dass dies möglich ist, dass wir in Europa überhaupt so etwas tun können, hängt damit zusammen, dass wir in Deutschland nach schwierigen Jahren wieder auf einem guten wirtschaftlichen Kurs sind. In der Zeit der Großen Koalition haben wir die Krisen gelöst, die Finanzkrise und die Wirtschaftskrise. Jetzt sind wir dabei, Europa nach vorne zu bringen. Aber in Zeiten von Rot-Grün wäre gar nichts gegangen. Da haben Sie das Land in eine ganz schwierige Situation geführt: 5 Millionen Arbeitslose, kein Wachstum mehr. Mit dieser Situation hätten Sie in Europa nie helfen können, Herr Steinmeier. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Er kann sich nur noch mit Lügen über die Runden retten!) Deswegen ist es gut, wenn wir auch darauf schauen, dass wir Deutschland weiter auf Erfolgskurs halten. Dies heißt: Konsolidierung, Stabilisierung, Reformen, das Notwendige tun. Dieser Erfolgskurs muss zum Maßstab in Europa werden. Wir müssen dafür sorgen, dass auch andere in diese Situation kommen, und zwar durch Wettbewerbsfähigkeit. Griechenland ist nicht geholfen, wenn ihm nur Geld gegeben wird, aber nicht dafür gesorgt wird, dass neue Strukturen aufgebaut werden, mit denen dieses Land in eine bessere Zukunft gebracht werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Ihr Vorschlag führt nicht dazu, sondern das, was wir in den Koalitionsfraktionen vorbereitet haben, ist genau der richtige Weg. (Elke Ferner [SPD]: Das sieht Ihre Partei aber ganz anders, Herr Kauder!) Es muss den Menschen klar gesagt werden: Jawohl, dieses Europa ist in einer schwierigen Situation. Wir müssen alle zusammen helfen. - Aber die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land dürfen nicht, wie Sie es gemacht haben, Herr Steinmeier, als Stammtischparolen niedergemacht werden. (Widerspruch bei der SPD) Die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger müssen ernst genommen werden. Nur dann können wir sie mitnehmen. Das geht nicht mit Bierzeltrhetorik, was Sie gerade gemacht haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wolfgang Schäuble hat es ausgeführt und in einem Brief an seine Kolleginnen und Kollegen geschrieben: Wir sind in einer schwierigen Situation. Ich glaube, dass in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands die heutige politische Situation vielleicht sogar eine der schwierigsten Phasen überhaupt ist. In einer solchen Situation wird auch in Fraktionen diskutiert und gerungen, was der richtige Weg ist, zumal auch klar ist, dass selbst die Experten - wir haben eine ganze Reihe von ihnen angehört - uns nicht definitiv sagen können: Was passiert, wenn? Sie können nicht sagen: Wenn ein Haircut gemacht wird, dann geht alles gut. Vielmehr erklären sie: Es sind immer Risiken vorhanden. Wir sind hier aber nicht im Schullabor vom Kosmos-Experimentierkasten, sondern wir tragen dafür Verantwortung, dass die Dinge funktionieren. Deswegen wird in unserer Fraktion darüber diskutiert. Ich habe Verständnis dafür, dass sich Kolleginnen und Kollegen die Frage stellen: Führt dies auf den richtigen Weg? Ist das alles richtig? Aber ich bin dankbar dafür, dass wir am Schluss zu breiten Mehrheiten kommen, die von dem Vertrauen in diejenigen getragen sind, die in Brüssel verhandeln. Das gehört mit dazu. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dies bitte ich heute als einen zentralen Punkt zu sehen. Wir diskutieren, wir ringen um Meinungen, aber dann müssen wir uns auch gegenseitig vertrauen, dass wir das Richtige tun. Deswegen glaube ich schon, dass die Koalitionsfraktionen das tun, was notwendig ist: die Menschen davon überzeugen, dass wir den privaten Sektor beteiligen, dass die Risiken gerecht verteilt sind und dass wir Europa auf den richtigen Weg bringen. Herr Steinmeier, Sie von der SPD haben damals - aus welchen Gründen auch immer - Griechenland im Grunde genommen einen Bärendienst erwiesen, als Sie dieses Land in die Euro-Zone aufgenommen haben, obwohl es nicht dazu in der Lage war. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Sie waren dafür und dabei!) Aus manchem, was Sie heute formulieren, spricht das schlechte Gewissen darüber, was Sie damals falsch gemacht haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Sie haben gar keinen Grund, anderen vorzuwerfen, Fehler gemacht zu haben. Die entscheidenden Fehler haben Sie selbst gemacht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Sie haben keinen Beitrag dazu geleistet, dass dieses Land, das eigentlich nicht eurozonenfähig war, auf den richtigen Weg kommt. (Joachim Poß [SPD]: Europa hat das entschieden!) Mit dem Aufweichen des Stabilitätspakts haben Sie dann das entscheidende falsche Signal gestellt, sodass der Zug auf das falsche Gleis kam. Das war das glatte Gegenteil dessen, was notwendig war. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Jetzt muss und wird diese Regierungskoalition den Zug wieder auf das richtige Gleis bringen. Ich kann nur feststellen: Sie wären auch in Verantwortung vor der Geschichte gut beraten, wenn Sie dabei wären. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner in unserer Debatte ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege Fritz Kuhn. Bitte schön, Kollege Kuhn. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme die Lautstärke von Herrn Brüderle - das war ja fast schon eine Wutrede - (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wutbürger Brüderle!) und von Herrn Kauder einmal als Indikator einer massiven Verunsicherung innerhalb dieser Regierungskoalition in der Frage, wie es in Europa weitergehen soll. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Was Sie heute mit dem Antrag und den namentlichen Abstimmungen veranstalten, zeigt doch nur, dass Sie Angst haben, dass der Laden bei der schwierigen Frage, wie es mit Europa und mit Griechenland weitergeht, nicht zusammenhält. Dies hat systematische Gründe. Wir haben nämlich eine Kanzlerin, die beim Thema Europa nicht führt. Sie sagt weder der eigenen Fraktion noch der Bevölkerung, warum die deutsche Zukunft, wie wir meinen, in Europa liegt, und zwar kulturell, politisch, wirtschaftlich und in vielen anderen Punkten. Frau Merkel operiert vielmehr nach der Methode, die Jürgen Habermas "demoskopiegeleiteten Opportunismus" genannt hat. Einerseits bedient man den Stammtisch - jawohl, Herr Kauder, den Stammtisch - mit den Parolen von den faulen Griechen. Andererseits schaut man, dass man im Plenum oder in Brüssel schon irgendwie Mehrheiten für das nächste Rettungspaket bekommt. Ich sage Ihnen für meine Fraktion klipp und klar: Wer glaubt, die europäische Integration mit Stammtischparolen voranzubringen, der irrt sich; denn er schadet Europa. Die Kanzlerin schadet in dieser Hinsicht der europäischen Einigung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der CDU/CSU: So ein Unfug!) Der Kontrast zwischen der Art, wie Helmut Kohl im Mai dieses Jahres bei der American Academy geredet hat oder wie Herr Schäuble jetzt gesprochen hat, und der Art, wie Bundeskanzlerin Merkel über Europa redet, (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie hat doch heute gar nicht geredet!) könnte wirklich nicht größer sein. Der Unterschied ist, dass Frau Merkel keine europäische Vision in unsere Bevölkerung hinein vermitteln kann. Es geht immer um Regierungstechnik und Klein-Klein in Brüssel, aber nicht um die großen Züge. Ich sage noch einmal: Es ist für Deutschland politisch wie ökonomisch die teuerste Lösung, die man sich nur ausdenken kann, jetzt die Griechen herauszuschmeißen. Frau Merkel, was nützt denn da die antigriechische Rhetorik? (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Was reden Sie eigentlich?) Glauben Sie, dass die Griechen leichter auf die Beine kommen, wenn sie jetzt von Deutschland hören, sie arbeiteten zu kurz und seien zu faul? Gerade in der schwierigen Situation, in der die griechische Regierung die Sparmaßnahmen und die Privatisierung durchsetzen muss, wird aus Deutschland, kräftig befeuert von Frau Merkel im Sauerland, darauf hingewiesen, dass mit den Griechen alles nicht stimmt. Ich finde, Herr Schäuble hat recht: Die bisherigen Sparanstrengungen beginnen zu fruchten und zu greifen. Sie sind nicht einfacher, sondern schwieriger geworden. Klar ist, dass wir aus deutscher Sicht klugerweise und vernünftigerweise den Griechen weiter helfen müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es ist viel falsch gemacht worden: von den Griechen selber, von Europa, den Banken, Spekulanten und vielen anderen mehr. Ein Grundfehler der Rettung Griechenlands vor einem Jahr war - darüber müssen wir reden, Herr Schäuble -, weniger auf die Ökonomie zu achten als auf den Haushalt. Wir sind dabei, die Griechen in eine tiefe Rezession zu treiben, wenn wir die Rettungspakete nicht wirtschaftspolitisch flankieren. (Zuruf von der SPD: Genau!) Wenn die griechische Ökonomie nicht auf die Beine kommt, dann nützt es nichts, die griechische Finanzwirtschaft und den griechischen Haushalt vom Markt zu nehmen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD) Ökonomie beginnt mit Investitionen. Deswegen gilt derselbe alte Grundsatz, der auch für unsere Haushaltskonsolidierung gilt: "Du musst sparen und investieren", umso mehr für die Rettung Griechenlands. Ich will noch einen Punkt ansprechen, der mir nicht gefällt. Die Banken in Deutschland, Herr Schäuble, haben sich nicht an ihr Versprechen gehalten, sich nicht aus Griechenland zu verabschieden. Sie haben es Ihnen vor einem Jahr versprochen, aber sie haben es nicht getan. Darüber muss öffentlich geredet werden. Ein weiterer Punkt, den ich nennen möchte, ist die Methode der Umschuldung, die Sie gewählt haben. Meine Fraktion ist der Meinung, dass eine Umschuldung notwendig ist. Für den ESM und alle zukünftigen Rettungsschirme muss allen Gläubigern klar sein: Ihr tragt auch ein Risiko, für das ihr haften müsst, und ihr könnt etwas verlieren. Es kann nicht länger sein, dass die Gewinne privatisiert und die Verluste vom Staat übernommen werden. Das können wir niemandem klarmachen. Das ist auch moralisch nicht zu akzeptieren. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD) Wir sind also für Umschuldung. Ich will aber darauf hinweisen: Was Herr Schäuble vorgeschlagen hat, ist keine echte Befreiung der griechischen Ökonomie von einem Teil ihrer Schuld. Es ist vielmehr eine Umstrukturierung; denn es geht um eine zeitliche Streckung. Wir haben vorgeschlagen, in das Verfahren das Element einer Teilentschuldung mit aufzunehmen und dies auf europäischer Ebene abzusichern. Für diejenigen, die freiwillig daran teilnehmen, übernehmen die europäischen Rettungsschirme dann eine Garantie für die verbleibende Restschuld. Dieser Vorschlag ist auch in unserem Antrag enthalten. Ich finde, dass Ihr Antrag, Herr Kauder, sozusagen ein Ritt auf der Rasierklinge ist. Ich will etwas zu der Konditionierung sagen. Es kann zwar gut sein, dass wir ein weiteres Rettungspaket für die Griechen - und zwar sowohl die nächste Tranche als auch neue Finanzhilfen - brauchen, auch wenn der Schäuble-Vorschlag in Brüssel nicht durchkommt. Ihr wollt jetzt aber die Konditionierung beschließen. Die CDU/CSU- und die FDP-Fraktion müssen wissen: Sie beschließen damit für den Fall eines Scheiterns des Schäuble-Vorschlags oder seiner Modifikation, dass Sie die nächste Tranche und die nächste Finanzhilfe nicht verabschieden wollen. Das nenne ich einen Ritt auf der Rasierklinge, weil das Scheitern der Rettung Griechenlands für Deutschland in der Summe einen viel größeren ökonomischen Schaden darstellen würde. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD) Deswegen sage ich den Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion: Ich hoffe, euch ist bewusst, was ihr mit dieser strengen Konditionierung beschließen wollt. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Diese Logik stimmt nicht! Das ist eine falsche Logik!) Denn ihr könnt nicht in sechs Wochen kommen und sagen: Wir haben das nicht so genau verstanden, was man uns aufgeschrieben hat. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Fritz Kuhn. - Jetzt für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Carsten Schneider. Bitte schön, Kollege Carsten Schneider. (Beifall bei der SPD) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen heute eine sehr ernste Debatte zum Thema Euro-Stabilität. Ich hätte nach der Rede des Bundesfinanzministers und der, wie ich finde, sehr ausgewogenen und verantwortungsvollen Antwort des Fraktionsvorsitzenden der SPD (Beifall bei der SPD) erwartet, dass die beiden Fraktionsvorsitzenden der Koalitionsfraktionen nicht in Beschimpfungen und tiefste Bierzeltrhetorik verfallen, (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Geben Sie doch zu, dass Sie enttäuscht sind!) sondern versuchen, um Zustimmung zu werben. Herr Kauder, ich habe kein einziges Zeichen des Werbens um Zustimmung zu dieser wichtigen Maßnahme erkennen können. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie haben doch schon die Ablehnung beschlossen! Heucheln Sie doch hier nicht rum!) - Nein. Sehr geehrter Herr Kauder, Sie scheinen die Anträge der Oppositionsfraktionen nicht einmal mehr zu lesen. So viel Arroganz habe ich selten erlebt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie haben es doch schon beschlossen!) Wir haben uns mit unserem Antrag ganz klar positioniert. Wir sind für eine Hilfe für Griechenland, allerdings bei einer klaren und strikten Gläubigerbeteiligung. Ich komme darauf zurück. Das liefern Sie nämlich nicht. Das ist nur Rhetorik, was Sie in Ihrem Antrag schreiben. Es geht um die Frage - das ist ein weiterer entscheidender Punkt, auf den Herr Kollege Kuhn eben eingegangen ist -, wie Griechenland aus der Krise wieder herauskommt. Reine Sparprogramme und Programme, die den Ausverkauf des griechischen Staates vorsehen, werden nicht reichen, um dieses Land wieder auf einen Wachstumskurs zu bringen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie hatten viele Fraktionssitzungen in dieser Woche. Es waren ja Ihre Kollegen, die permanent, auf niedrigstem Niveau, gegen die Rettung des Euro und damit auch gegen die Stabilität des Euro-Systems klagen: Sie klagen vor dem Verfassungsgericht, sie klagen in der Öffentlichkeit, und sie verdummen die Öffentlichkeit. Hier wurden rein innenpolitische Reden gehalten, aber keine, die der Verantwortung letztendlich gerecht geworden sind. (Beifall bei der SPD) Herr Minister Schäuble, Sie haben heute zu Griechenland geredet und davon gesprochen, dass vielleicht noch irgendetwas kommt. Ich habe aber keine einzige Zahl gehört, die beziffert, wie viel denn noch kommt. Die Auskunft darüber sind Sie nicht nur uns, dem Bundestag, sondern auch der Öffentlichkeit schuldig geblieben. Wir müssen im Haushaltsausschuss in der nächsten Woche entscheiden. Sind es nun 90 Milliarden Euro zusätzlich, sind es 80 Milliarden Euro, oder sind es 110 Milliarden Euro? Nichts haben Sie gesagt. Sie bleiben die Antworten schuldig. Ihre Strategie des vergangenen Jahres bestand in Tricksen und Täuschen; nur so haben Sie die Zustimmung der Koalitionsfraktionen bekommen. Damit erhalten Sie aber nicht die Zustimmung der Bevölkerung, im Gegenteil. Sie bedienen Ressentiments. Ihr Verhalten führt dazu, dass letztendlich niemandem mehr klar ist: Um wie viel geht es hier eigentlich? Ich will nun zu Griechenland kommen und Bilanz ziehen. Sie haben sich Zeit gekauft, und zwar ein Jahr. Öffentliche Gelder in Höhe von 60 Milliarden Euro - Geld der europäischen Steuerzahler, nicht nur der deutschen - sind zu Privaten transferiert worden, die ihre Anleihen nun nicht mehr halten. Was mit der Europäischen Zentralbank geschehen ist, stellt den größten Sündenfall überhaupt dar. Das haben Sie, Herr Brüderle, zu verantworten. Als Sie Bundeswirtschaftsminister waren, haben Sie zugelassen, dass die Europäische Zentralbank ihre Unabhängigkeit verloren hat, (Rainer Brüderle [FDP]: Ich?) weil sie mittlerweile Staatsanleihen aufkauft. Das ist ein Unding. Dazu habe ich von Ihnen kein Wort gehört, als Sie Bundeswirtschaftsminister waren. (Rainer Brüderle [FDP]: Sie haben nicht zugehört!) Der Bundesbankpräsident hat seinen Hut genommen. Das alles geht an Ihnen spurlos vorbei, und Sie behaupten glatt das Gegenteil. Das ist der Erfolg Ihrer Koalition gewesen. Die EZB hat nicht mehr im Entferntesten die Unabhängigkeit und die Glaubwürdigkeit, die die Bundesbank einmal hatte. Sie ist letztendlich zur Bad Bank Europas geworden. Das haben Sie mitzuverantworten. Dazu höre ich kein kritisches Wort von Ihnen. Ich komme auf die Gläubigerbeteiligung zurück. Schulden Griechenlands bei den privaten Gläubigern in Höhe von 60 Milliarden Euro wurden von der öffentlichen Hand übernommen. 50 Milliarden Euro Schulden übernahm die Europäische Zentralbank. Somit sind mittlerweile private Kredite an Griechenland in Höhe von 110 Milliarden Euro von der öffentlichen Hand ausgelöst worden. Sie reden viel von Gläubigerbeteiligung, aber Sie tun das Gegenteil. Sie haben sich ein Jahr lang Zeit erkauft, aber nichts ist passiert. Im Gegenteil: Diejenigen, die Gläubiger Griechenlands waren und eine Verantwortung für Griechenland hatten, machen sich vom Acker, und der Steuerzahler bezahlt. Das ist die Konsequenz Ihrer Politik. Diese Politik können Sie auch nicht mit wohlfeilen Anträgen verbergen. (Beifall bei der SPD) Für griechische Anleihen betrug der Risikoaufschlag 2010, als wir hier das Rettungspaket beschlossen haben, zeitweise knapp 11 Prozent. Wissen Sie, wie hoch er heute ist? 23 Prozent. Ist das ein Erfolg? Ist das eine Verbesserung der Situation? Nein. Unter dem Strich sind die Rettungsmaßnahmen gescheitert, weil sie einseitig rein fiskalisch gedacht wurden - ohne jeden ökonomischen Sachverstand. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie führen einzig und allein dazu, dass die Wirtschaft Griechenlands abgewürgt wird. Sie sind auf diesem Auge blind. Deswegen sagen wir Sozialdemokraten: Sie gehen in die falsche Richtung. Sie werden wieder mehr Geld verlangen, und es wird wieder keine Perspektive für dieses Land geben. Das kann man weder den Menschen in Deutschland noch denen in Griechenland vermitteln, und man kann so auch nicht um ihre Zustimmung werben. Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, dass der dauerhafte Rettungsmechanismus, um den es am 24./25. Juni 2011 gehen wird, ein Irrweg ist. Früher haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, gesagt: Es gibt gar kein Geld. - Dann floss im Mai 2010 auf einmal Bargeld. Im Juni behaupteten Sie, es solle nur ein kurzfristiger Rettungsmechanismus sein. Jetzt soll es einen dauerhaften Rettungsmechanismus geben. All diese Fehler wollen Sie jetzt natürlich nicht mehr hören. Diese Fehler haben dazu geführt, dass an den Märkten und in der Bevölkerung kein Vertrauen mehr entsteht. Der geplante Rettungsmechanismus hat einen Kernfehler: dass wieder nur Kredite gegeben werden sollen. Wenn man eine konsequente, dauerhaft tragfähige Antwort geben will, die Europa von der Macht der Ratingagenturen unabhängig macht, dann muss man das Instrumentarium so erweitern, wie es Ihnen der Chef des Euro-Rettungsfonds, Herr Regling, aufgeschrieben hat. Es muss zusätzlich die Möglichkeit von Garantien geben. Das gäbe uns die Möglichkeit einer sanften Entschuldung, die nicht zu einem Zahlungsausfall führt und die Gläubiger beteiligt. Vor allen Dingen würde so ein Kernproblem gelöst: dass diese 500 Milliarden Euro, die ab 2013 zur Verfügung stehen sollen, mit Sicherheit nicht reichen werden. Es gibt nämlich schon eine Vorbelastung von 200 Milliarden Euro aus den bisherigen Krediten. Daher stehen eigentlich nur 300 Milliarden Euro zur Verfügung. Das mag für die Öffentlichkeit nach viel klingen, ist aber mit Blick auf den gesamten europäischen Bereich nicht wirklich ein überzeugendes Argument, mit dem man sagen könnte: Damit sichern wir die Unabhängigkeit der Euro-Zone. Ich prophezeie: Sie werden wieder vor den Deutschen Bundestag treten - wie Sie es auch im Falle des kurzfristigen Rettungsmechanismus tun mussten - und sagen: Wir brauchen zusätzliches Geld, nicht nur für Griechenland, sondern auch für den Übergangsfonds. - Auch dazu habe ich heute nichts gehört. Es wurden weder Öffentlichkeit noch Transparenz hergestellt. Es gab nur wohlfeile Reden und Populismus. So gewinnen Sie nicht die Zustimmung der Opposition und nicht die Zustimmung der Bevölkerung. Da sind Sie auf dem falschen Weg. (Beifall bei der SPD) Kommen Sie uns und unseren Vorlagen - wir haben im nächsten Halbjahr Zeit, zu entscheiden - entgegen; wir reichen Ihnen die Hand. Aber dafür müssen Sie erstens wissen, was Sie wollen, und zweitens bereit sein, nicht nur zulasten der einfachen Leute, der Steuerzahler zu handeln, sondern über eine Finanztransaktionsteuer letztendlich auch die Finanzindustrie zu beteiligen. Das wäre Ausdruck eines sozialen Europa, das dann diese Bezeichnung wirklich verdient hätte. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Carsten Schneider. - Jetzt für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Norbert Barthle. Bitte schön, Kollege Norbert Barthle. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Norbert Barthle (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Schneider, dass Sie Ihre Ablehnung unseres heutigen Entschließungsantrags damit begründen, dass wir zu wenig um Sie geworben hätten, ist ein vorgeschobenes Argument: Bereits gestern im Haushaltsausschuss haben Sie eine Rede gehalten, die klar zum Ausdruck gebracht hat, dass Sie sich wieder einmal vom Acker machen, und da lag unser Entschließungsantrag noch gar nicht vor. Ihr Argument ist also vorgeschoben, und deshalb sind Sie nicht glaubwürdig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich darf auf die Rede von Herrn Steinmeier zu sprechen kommen. Er hat hier gestern schon eine Rede gehalten, bei der es mir Schuhe und Socken ausgezogen hat. Heute hat er eine Rede gehalten, bei der es mir nichts mehr auszieht. Da kann ich nur noch sagen: Mein Gott, Walter. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, ich glaube, uns allen ist bewusst: Wir befinden uns in einer äußerst schwierigen Situation. Darauf hat der Bundesfinanzminister heute in großer Eindringlichkeit, in großer Klarheit und auch in staatsmännischer Weitsicht aufmerksam gemacht, als er die Zusammenhänge dargestellt hat. Warum befinden wir uns in einer so schwierigen Situation? Es ist gerade ein Jahr her, da mussten wir Griechenland helfen. Wir mussten ohne Vorbild, ohne Muster ein Aufbauprogramm für Griechenland entwickeln. Das Hilfsprogramm umfasste bilateral vergebene Kredite und war eingebunden in ein europäisches Konzept. Kurz darauf mussten wir den Euro stabilisieren, um gegen Spekulationen gewappnet zu sein. Wir haben EFSM und EFSF geschaffen und hatten damit ein Instrumentarium in der Hand. Kurz darauf mussten Portugal und Irland sozusagen gerettet werden. Wenn man sich nun einen Augenblick zurücklehnt, dann muss man doch feststellen: Von außen betrachtet war das bisher erfolgreich. Es ging uns darum, Europa und die Europäische Währungsunion beieinanderzuhalten. Es ging uns darum, den Euro stabil zu halten. Es ging uns darum, Schaden vom deutschen Steuerzahler abzuwenden. Diese Ziele sind bisher erreicht worden. Jeder, der das Gegenteil behauptet, nimmt die Realitäten nicht wahr. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es gibt einen Bericht der Troika, in dem steht, dass das Anpassungsprogramm nicht so gewirkt hat wie erhofft. Die Schuldentragfähigkeit Griechenlands ist nicht gegeben, zumindest nicht für die nächsten zwölf Monate. Deshalb ist neue Hilfe nötig. Nun kann man sich in einer solchen Situation aussuchen, was man tut. Man kann sich zurücklehnen und sagen: Das ist nicht unser Problem. - Oder man kann sich dazu entscheiden, erneut Hilfeleistungen zu geben, damit diese Situation bereinigt werden kann. Nun wissen wir alle, dass die Entscheidung zu Griechenland nicht nur Griechenland allein betrifft, sondern weit über Griechenland hinausreicht, dass sie das europäische Fundament betrifft und Einfluss darauf hat, wie unser politisches Zusammenwirken in Europa in der Zukunft gestaltet wird. Deshalb war es gut und richtig, dass wir in Sondersitzungen in unseren Fraktionen bis tief in die Nacht, in Sondersitzungen des Haushaltsausschusses, mit ernsthaften Debatten in einer großen Tiefe und in einer großen Detailgenauigkeit intensiv gerungen haben, diese Debatten geführt haben, um uns zu versichern, wie wir uns entscheiden. Es ging um Risikoabwägungen. Kein Weg, den man einschlägt, ist ohne Risiko. Das ist uns allen bewusst. Daher ging es darum, das Risiko abzuwägen und den Weg einzuschlagen, der die geringsten Risiken birgt. Wie hat die Kanzlerin in der Fraktionssitzung so richtig gesagt? Ginge es - in Anführungszeichen - nur um Griechenland, dann könnten wir uns tatsächlich zurücklehnen. Aber es geht um weit mehr: Es geht um unsere Währung, es geht um unsere Banken, unser Finanzsystem, es geht um unsere wirtschaftliche Zukunft. Darauf hat der Finanzminister ausdrücklich hingewiesen. Uns ist das alles auch klar geworden. Ich kann deshalb nicht verstehen, weshalb sich die Opposition in dieser Situation wiederum mit vorgeschobenen Argumenten vom Acker macht. Vielleicht handelt es sich dabei um politische Erwägungen; das könnte ja durchaus sein. Denn eines will ich an dieser Stelle auch feststellen: Die Debatte über diesen kleinen Entschließungsantrag - er umfasst ja nur knapp drei Seiten; er ist ein kleines Papierchen - hat weitreichende Folgen, Folgen, die weit über den heutigen Tag hinausreichen. Das hat Konsequenzen für alle weiteren politischen Entscheidungen in Europa. Durch dieses Problem ist die Koalition aus CDU/CSU und FDP mehr zusammengeschweißt worden als durch irgendein anderes Projekt in dieser Legislaturperiode. (Zurufe von der SPD: Oh, oh!) Daher bin ich unserer Fraktionsführung sehr dankbar dafür, dass wir dieses Thema in dieser Ausführlichkeit und Ernsthaftigkeit debattieren konnten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Das Ergebnis dieser Debatten ist ein Entschließungsantrag, in dem einige Bedingungen festgelegt werden, mit denen wir unsere Bundesregierung in die weiteren Verhandlungen schicken. Diese Bedingungen, Herr Kollege Kuhn, umfassen die Punkte, von denen wir als deutsches Parlament der Meinung sind, dass sie in den Verhandlungen berücksichtigt werden sollen. Daraus die Konsequenz zu ziehen, dass jeder Punkt eingehalten werden muss, ist logisch nicht zulässig. Vielmehr geht unsere Bundesregierung mit diesen Punkten in die Verhandlungen. Sie wissen ganz genau, dass wir da nicht allein sind. Vielmehr gibt es da noch andere, die mit verhandeln. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können Sie nicht zustimmen!) Diese Punkte enthalten unsere Vorstellungen über den weiteren Weg in Europa. An dieser Stelle möchte ich aus meiner Sicht auf folgenden entscheidenden Punkt hinweisen: Egal welche Verhandlungsergebnisse erzielt werden, eines bleibt unberührt: Wenn es um finanzielle Auswirkungen geht, wenn es um das Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages geht - das ist das Königsrecht dieses Hauses -, dann ist die Zustimmung des Deutschen Bundestages erforderlich. An dieser Stelle, meine Damen und Herren, will ich ein herzliches Dankeschön unserem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert sagen, der sich immer wieder mit großer Verve für die Rechte des Parlaments einsetzt. Herzlichen Dank, lieber Norbert Lammert, dafür! Das spiegelt sich auch in diesem Antrag wider. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Wenn man sich diese Punkte anschaut, sieht man: Es geht letztlich darum, dass wir Griechenland dort unterstützen, wo Hilfe gewünscht wird; es geht darum, ein Programm zu entwickeln, mit dem die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands gestärkt werden kann; es geht darum, Privatisierungen voranzutreiben, damit Griechenland wieder liquide wird; es geht darum, ein Konzept zu entwickeln, mit dem sich Griechenland selbst helfen kann. Darum geht es uns. Wir wollen, dass dabei private Gläubiger beteiligt werden. Hier geht es um Fairness, hier geht es um einen fairen Ausgleich zwischen öffentlichem Sektor und privatem Kapital. An dieser Stelle müssen wir noch Widerstände brechen. Wir, die Obleute des Haushaltsausschusses, waren erst vor kurzem bei unseren Kollegen in Frankreich, die - das ist dabei klar geworden - bei all dem noch sehr zögerlich sind. Ich habe aber großes Vertrauen in unseren Finanzminister, ich habe großes Vertrauen in unsere Bundeskanzlerin, dass sie bei den anstehenden Verhandlungen mit großem Nachdruck darauf hinweisen, welche Wünsche und Vorstellungen das deutsche Parlament hat. Ich vertraue unserer Regierung, dass sie mit den entsprechenden Ergebnissen zurückkommt, und hoffe, dass das, was in dieser ernsthaften Debatte zum Ausdruck gebracht worden ist, am Ende auch gelingt, nämlich die Sicherung Europas, die Sicherung eines friedfertigen, großen Wirtschaftsraumes, der sich imstande sieht, in den globalen Herausforderungen - darum geht es ja letztendlich - unsere Interessen zu wahren. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Norbert Barthle. - Jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege Dr. Gerhard Schick. Bitte, Kollege Dr. Gerhard Schick. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Barthle hat den Vorwurf geäußert, dass wir dem Antrag der Koalitionsfraktionen nicht zustimmen wollten und uns deswegen irgendetwas ausdenken müssten. In Wahrheit verhält es sich anders: Ihr Entschließungsantrag dient dazu, Ihren Laden zusammenzuhalten. Wir dagegen haben die besseren Vorschläge. Diese haben wir in unserem Antrag vorgestellt. Somit möchte ich über die Inhalte reden, um die es geht, und nicht über die Streitereien früherer Jahre. Ich will auch begründen, warum der von uns vorgeschlagene Weg besser ist. Sie vernachlässigen einen Aspekt völlig, nämlich: Diese Krise ist nach wie vor auch eine Bankenkrise. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Welche Angst treibt denn alle um? Warum hat denn die EZB Bedenken, wie Herr Schäuble zu Recht gesagt hat, gegenüber einer Umschuldung? All das hat damit zu tun, dass der Bankensektor in Europa und gerade auch der deutsche Bankensektor nach wie vor nicht stabil ist. Auch den deutschen Banken fehlt es noch an Kapital. Diese Schwäche muss korrigiert werden. Bei vielen Regulierungsbemühungen in Europa, bei denen es darum ging, die Banken auf eine stabile Grundlage zu stellen, hat die Bundesregierung gebremst. Das ist die inhaltliche Lücke in Ihrem Antrag. Vor diesem Hintergrund schlagen wir vor, einen europäischen Bankenstabilisierungsfonds zu schaffen und damit eine Struktur, die es uns ermöglicht, aus dieser Verquickung von Staatsschuldenkrise und Bankenkrise herauszukommen. So kann verhindert werden, dass Risiken der Banken zu neuen Problemen in den Staaten führen, und umgekehrt. In diesem Punkt klafft in Ihren Vorschlägen eine klare Lücke. Deswegen ist unser Ansatz besser. Ein europäischer Bankenstabilisierungsfonds ist nötig. Sie lehnen das aber bisher ab. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie drängen hier einmal mehr auf große Eile bei den Privatisierungen. Haben Sie denn nichts gelernt aus den Folgen, die entsprechender Druck in den letzten Jahren verursachte? Warum stehen wir heute an einem Punkt, wo man sagen muss: "Das Programm hat nicht richtig funktioniert, und es muss nachgesteuert werden"? Weil Sie in kurzer Zeit Erfolge erzielen wollten und überhaupt nicht auf die ökonomischen Bedingungen geachtet haben. Es ist richtig, dass eine Privatisierungsstrategie aufgestellt werden muss. Sie stellen hier aber Bedingungen, die eher zu einer Verschärfung der Schwierigkeiten führen, als dass sie das Problem wirklich lösen. Ich möchte jetzt nicht so weit in die Geschichte zurückblicken, wie Sie, Herr Brüderle, es gemacht haben, sondern Sie nur bitten, den Blick auf die letzten eineinhalb Jahre zu werfen. Heute haben Sie gesagt, Gläubigerbeteiligung ist unverzichtbar, und der Bundesfinanzminister will mit den Banken über eine freiwillige Umschuldung verhandeln. Ja, Moment! In dieser Situation befanden wir uns schon im Februar 2010. Schon damals gab es den Vorschlag, mit den Banken zu verhandeln. Die Bundesregierung hat diesen Vorschlag damals abgelehnt. Eineinhalb Jahre vertane Zeit, weil diese Bundesregierung immer erst zu spät merkt, was eigentlich ansteht! Das macht es für Bürgerinnen und Bürger teurer. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das gilt auch für einen zweiten Punkt. Der Bundesfinanzminister hat den Europäischen Währungsfonds, der jetzt auf dem Weg ist, schon vor über einem Jahr vorgeschlagen. Aber hatte er damals, im März 2010, die Unterstützung der Bundeskanzlerin? Nein, er hatte sie nicht. Wieder müssen wir sagen: ein Jahr vertane Zeit für Europa. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jetzt sollen bei einer Umschuldung die öffentlichen Gläubiger massiv beteiligt werden. Wir haben schon vor einem Jahr gefordert, dass die öffentlichen Gläubiger Vorrang erhalten gegenüber privaten. Sie merken wieder einmal ein Jahr zu spät, dass man den Steuerzahler in dieser Situation schützen und für ihn sorgen muss. Die Verzögerung macht die Rettungsmaßnahmen, die Ihre Regierung in Europa mit verantwortet, teurer, als es nötig gewesen wäre. Auch da müssen wir sagen: ein Jahr vertan durch Ihre Politik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]) Was ist die Konsequenz daraus? Die Konsequenz ist, dass deutsche Banken und Versicherungen sich in diesem Jahr mit über 8 Milliarden Euro dem Risiko entziehen konnten und gleichzeitig die öffentliche Hand mit etwa 6 Milliarden Euro am Risiko beteiligt worden ist. Aufgrund dieses Austauschs bei der Risikobeteiligung kann man nachweisen, dass durch Ihre Politik des zu späten Reagierens die Rettung teurer wird. Sie haben heute, Herr Schäuble, zu der Frage der Kosten, die man ehrlich beantworten muss, kein Wort verloren. Ich glaube aber, dass das wichtig wäre. Gerade wenn man, wie unsere Fraktion, immer ganz bewusst proeuropäisch dafür sorgt, dass wir in Europa gemeinsam aus der Krise herauskommen, ist es notwendig, nicht nur die große Vision eines gemeinsamen Europas zu verkünden, sondern den Menschen auch konkret und ehrlich zu sagen: Die Wege, die wir jetzt beschreiten, werden Kosten mit sich bringen; aber es lohnt sich, diese Kosten zu tragen. Wir werden dafür sorgen - da ist Ihre Regierung besonders schwach -, dass die Verteilung dieser Kosten in Deutschland fair erfolgt, damit starke Schultern die Lasten dieser Krise tragen. Mit einer unsolidarischen Politik, wie sie Schwarz-Gelb macht, wird man das Vertrauen der Menschen in eine gemeinsame europäische Lösung für diese Krise nicht gewinnen können. Aber genau das wäre notwendig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Gerhard Schick. - Jetzt für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Michael Stübgen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Michael Stübgen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegt seit zwei Tagen der "Mission Report" der Troika, bestehend aus EZB, Europäischer Kommission und Internationalem Währungsfonds, zu Griechenland vor. Schon die Dauer der Mission in Athen und die Zeit, die die Beteiligten benötigt haben, um den Bericht zu schreiben und sich darauf zu einigen, zeigt, dass wir diesmal in einer sehr komplizierten und schwierigen Situation sind. Ich will nur kurz ein paar zusammenfassende Anmerkungen zu diesem Report machen. Zum einen wird Griechenland bescheinigt, dass es bei der Beseitigung makroökonomischer und fiskalischer Ungleichgewichte Fortschritte gemacht hat. Es ist wichtig, das festzustellen, wenn wir das Fazit richtig einschätzen wollen. Aber es ist auch deutlich geworden, dass die Rezession in Griechenland tiefer und langwieriger ist, als wir das bei der Erarbeitung des Programms vor einem Jahr gedacht haben. Der Report endet mit einem nüchternen Satz: Das Anpassungsprogramm ist jetzt unterfinanziert; die nächste Auszahlung Ende dieses Monats kann nur erfolgen, wenn dieses Problem gelöst ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, welche Lösungsmöglichkeiten haben wir jetzt? Wenn wir uns die Restrukturierungsaktionen für Staatsschulden in den letzten 20 Jahren weltweit anschauen, können wir feststellen, dass es in den überwiegenden Fällen so war, dass die zunächst zusammengestellten Restrukturierungsprogramme nicht ausgereicht haben und angepasst werden mussten. Aber in den meisten Fällen waren diese angepassten Programme die Grundlage dafür, dass eine Verbesserung der Situation, eine Gesundung der Staatsfinanzen herbeigeführt werden und die Länder wieder anfangen konnten, selbstständig zu handeln und die Krise zu überwinden. Wir haben es im Fall Griechenland also nicht mit einem außergewöhnlichen Fall zu tun, und der Fall ist nicht hoffnungslos. Deswegen ist es richtig, dass wir jetzt weiter versuchen, Griechenland zu helfen. Ich will aber nicht verkennen und das deutlich sagen, dass ein Satz in dem Bericht sehr besorgniserregend ist. Die Troika kommt nämlich zu dem Schluss, dass die Reform in Griechenland nach einem kraftvollen Start im Sommer 2010 in den letzten Quartalen zum Stillstand gekommen ist. Dies muss sich zwingend ändern; denn eines ist klar: Der Schlüssel für die Behebung der griechischen Krise liegt in Athen, liegt in Griechenland. Griechenland muss weiter an der Reform arbeiten, um Fortschritte zu erzielen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Kein Programm der Welt kann Griechenland gegen seinen Willen aus der Krise herausholen. Wir haben jetzt ein detailliertes Programm vorliegen, das die Troika mit Griechenland ausgearbeitet hat. Die Regierung in Athen hat es gestern verabschiedet, und das griechische Parlament möchte es noch in diesem Monat beraten und verabschieden. Wir können in Zukunft also konkret sehen, wie es in Griechenland vorangeht. Aber was müssen wir nun tun? Wir haben in den letzten Tagen einen Antrag der Koalitionsfraktionen vorbereitet, in dem wir, was die Handlungsnotwendigkeiten angeht, einen kombinierten Ansatz beschreiben. Zunächst ist es notwendig, das Problem der Unterfinanzierung des bestehenden Programms zu beheben. Positiv ist, dass wir einen längeren Zeitraum zur Verfügung haben, um die Details festzulegen; denn das bestehende Programm reicht, wenn die Tranchen weiter gezahlt werden, zur Finanzierung der nächsten Monate. Erst für das nächste Jahr würde das bestehende Programm nicht mehr ausreichen. Wir haben also im Unterschied zu den Beratungen und Beschlüssen zum Griechenlandpaket und zum Euro-Rettungsschirm im letzten Jahr ausreichend Zeit, die Programme detailliert auszuarbeiten. Durch den europäischen Rettungsschirm haben wir die entsprechenden Instrumente, und wir unterstützen die Bundesregierung darin, das FSF und den EFSM beim weiteren Vorgehen in Bezug auf Griechenland heranzuziehen. Eines halte ich für besonders entscheidend: Wir machen den ersten konkreten Ansatz - diskutiert haben wir in diesem Haus im letzten Jahr schon viel darüber -, einen der entscheidenden Webfehler der bisherigen Hilfsprogramme zu beseitigen. Die bisherigen Hilfsprogramme führen nämlich dazu - das können wir heute besser einschätzen als vor einem Jahr -, dass sich die privaten Gläubiger sukzessive auf Anleihen mit guten Renditen und 100-prozentiger Rückzahlung zurückziehen und die gestiegenen Risiken der neuen Anleihen ausschließlich beim Steuerzahler liegen. Dieses wachsende Missverhältnis wird von den Menschen zu Recht immer weniger akzeptiert. Warum haben wir keine Gläubigerbeteiligung in den bisherigen Programmen? Das hat leider seine guten Gründe. Wir bewegen uns hier auf einem extrem schmalen Grat, weil die bisherigen europäischen Staatsanleihen überwiegend keine Umschuldungsklauseln enthalten. Bei einer stärkeren Gläubigerbeteiligung besteht die Gefahr einer ungeordneten Insolvenz. Sie ist leider sehr hoch einzuschätzen; deshalb gibt es auch Widerstände. Bei einer ungeordneten Insolvenz, zum Beispiel bei einem ungeordneten Staatsbankrott Griechenlands, ist die Gefahr sehr hoch, dass durch die Zweit- und Drittrundeneffekte eine Infektionskette ähnlich wie damals bei der Pleite von Lehman Brothers entsteht. Deshalb müssen wir versuchen, diese Gefahr zu bannen. Ich glaube aber, dass der Ansatz, den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in seinem Brief an die europäischen Finanzminister beschrieben hat, nämlich der sukzessive Einstieg in eine Gläubigerbeteiligung über einen Anleihenumtausch oder ein Reprofiling - wie immer man das nennen will -, ein Weg sein kann, auf diesem schmalen Grat doch zu einer klaren Gläubigerbeteiligung zu kommen. Es ist die Pflicht der europäischen Institutionen, diesen Ansatz in den nächsten Monaten mit einem detaillierten Programm erfolgreich anzuwenden. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich einen weiteren Punkt anmerken. Ich freue mich, dass wir mit unserem Antrag dazu kommen, einen Webfehler bei der nationalen Umsetzung des Rettungsprogramms im Rahmen des EFSF zu beheben. Wir sagen nämlich, dass in Zukunft der Bundestag als Ganzes bei der Verabschiedung notwendiger Hilfsprogramme - Aktivierung großer Bürgschaften für hilfebedürftige Länder - seine Zustimmung geben muss. Ich glaube, das ist ein wichtiger Ansatz, auch mit Blick auf die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht am 5. Juli öffentlich über die Klagen gegen die Hilfsprogramme beraten wird. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Michael Stübgen. - Jetzt spricht als letzter Redner in dieser Debatte unser Kollege Bartholomäus Kalb für die Fraktion der CDU/CSU. Wir schenken ihm die notwendige Aufmerksamkeit. Bitte schön, Kollege Bartholomäus Kalb. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage der Stabilität unserer gemeinsamen Währung, des Euro, ist für unsere Volkswirtschaften, vor allem aber für die Menschen in Europa und in unserem Land von allergrößter Bedeutung. Unkontrollierte Entwicklungen und eine Instabilität würden nicht nur die Euro-Zone betreffen und erschüttern, sondern auch erhebliche Konsequenzen für die Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union insgesamt nach sich ziehen. Herr Bundesfinanzminister Schäuble hat dazu eingangs eine ganze Menge gesagt. Ein stabiler Euro, ein einiges Europa und eine starke Europäische Union bilden im Zeichen der rasant voranschreitenden Globalisierung, der sich verschiebenden und neu herausbildenden wirtschaftlichen Schwerpunkte weltweit und des Wachstums der Weltbevölkerung einerseits bei gleichzeitig rückläufiger Bevölkerungszahl in Europa andererseits die unverzichtbare Grundlage für die dauerhafte Sicherung von Wohlstand, Stabilität und Sicherheit in Deutschland und Europa. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die Stabilität des Euro liegt also zuvorderst im Interesse der Menschen in unserem Lande, im Interesse Deutschlands. Nun weiß ich, dass die Bürger die Maßnahmen, die wir bisher ergriffen haben und noch ergreifen müssen, zum Teil sehr kritisch sehen; populär sind diese Maßnahmen jedenfalls nicht. Es ist deshalb wichtig, dass wir die entsprechenden Beratungen und die Debatten über die erforderlichen Maßnahmen mit großer Ernsthaftigkeit führen. Es geht jetzt bei aller Diskussion und allem Ringen um den richtigen Weg und die richtigen Entscheidungen nicht um kurzfristigen Beifall, sondern um die Wahrnehmung unserer Verantwortung; das ist nicht immer populär. Wir mussten auch in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl zunächst umstrittener und unpopulärer Maßnahmen zur Bewältigung der weltweiten Finanz-, Wirtschafts- und Bankenkrise ergreifen. Niemand konnte seinerzeit mit letzter Sicherheit sagen, ob diese Maßnahmen wirklich richtig sein würden und die gewünschte Wirkung eintreten würde. Heute können wir feststellen, dass wir in Deutschland nicht zuletzt wegen der ergriffenen Maßnahmen schneller und besser aus der Wirtschafts- und Finanzkrise herausgekommen sind, als wir das je zu hoffen gewagt hätten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die Wirtschaft läuft gut. Mehr Menschen als je zuvor haben einen gesicherten Arbeitsplatz. Die gestiegenen Staatseinnahmen helfen uns, bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte gut voranzukommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben vor gut einem Jahr schwierige und weitreichende Entscheidungen zur Stabilisierung des Euro und zur Hilfe für gefährdete Länder getroffen. Niemand wird bestreiten, dass wir es im Mai letzten Jahres mit einer sehr ernsten Situation für unsere Währung zu tun hatten. Ich halte die seinerzeit ergriffenen Maßnahmen auch aus heutiger Sicht für richtig. Ich will mir nicht vorstellen, wie die Situation wäre, wenn es vor einem Jahr zu einem Crash gekommen wäre. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir einen wirtschaftlichen Aufschwung, wie wir ihn jetzt verzeichnen können, so nicht bekommen hätten. Daraus ergibt sich: Ein stabiler Euro ist zuallererst im Interesse der deutschen Wirtschaft und der Menschen in Deutschland. Wenn wir mit den Menschen im Lande reden, stellen wir fest, dass sie zwar oft unterschiedlicher Meinung sind über die Maßnahmen, die zur Euro-Stabilisierung notwendig sind. Aber sie erwarten unabhängig davon von uns zuallererst, dass wir für geordnete Finanzen sorgen und die Stabilität der Währung sicherstellen, nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!) Wenn wir in Krisen geratenen Ländern wie jetzt Griechenland helfen wollen und sollen, müssen diese Länder selber große Anstrengungen unternehmen, auch wenn diese Anstrengungen schmerzhaft sind. Unsere Hilfen können nur unter strengen Bedingungen und Auflagen und bei Aussicht auf Erfolg gewährt werden. Finanzminister Dr. Schäuble hat gestern im Haushaltsausschuss zutreffend gesagt - ich zitiere -: Die Mitgliedschaft in einer Währungsgemeinschaft stellt sehr hohe Anforderungen an jedes einzelne Mitglied. Entscheidend für Griechenland und den Erfolg unserer Bemühungen wird auch sein, dass es gelingt, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Griechenlands erheblich zu verbessern. Bei einem Leistungsbilanzdefizit von rund 24 Milliarden Euro ergibt sich das von selbst. Auch die Europäische Union ist deshalb aufgefordert, ihre Leistungen aus den verschiedenen Fonds an Griechenland daraufhin zu überprüfen, ob sie wirklich geeignet sind, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands zu verbessern. Mit Programmen, die zwar schön sind, erhebliche Mitnahmeeffekte nach sich ziehen, aber keine vernünftige Wirkung erzielen, ist niemandem gedient. Die Stabilität des Euro zu sichern, ist eine außerordentlich wichtige und schwierige Aufgabe. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, eine gesamteuropäische Aufgabe. Wir sind bereit, mitzuhelfen, dass diese Aufgabe erfolgreich gemeistert werden kann. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Wir haben zu danken, Kollege Bartholomäus Kalb. Ich schließe die Aussprache. Uns liegt eine Reihe von Erklärungen nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor.1 Wir kommen nun zur Abstimmung über die Entschließungsanträge, zunächst zum Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Druck-sache 17/6163. Wer stimmt dafür? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! - Das sind die Oppositionsfraktionen. (Zuruf des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) - Gegenstimmen von der Koalition? (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vier!) - Vier? Schauen wir einmal. - Eins, zwei, drei, vier Gegenstimmen. Da viele nicht sitzen, ist das von hier oben schwer zu sehen. Jetzt ist das festgehalten. Enthaltungen? - Eine. Der Entschließungsantrag ist angenommen. Wir kommen nun zu dem gemeinsamen Entschließungsantrag der Fraktionen SPD, Die Linke und Bünd-nis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/6162. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Das sind die antragstellenden Fraktionen. Gegenprobe! - Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? - Keine. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Wir stimmen nun über weitere Entschließungsanträge einzelner Fraktionen ab. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/6161. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Das ist die Fraktion der Sozialdemokraten. Gegenprobe! - Koalitionsfraktionen, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? - Linksfraktion. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/6159. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenprobe! - Das sind die Koalitionsfraktionen, die Sozialdemokraten und die Linksfraktion. Enthaltungen? - Keine. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/6160. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Das ist die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen. Gegenprobe! - Das sind die Koalitionsfraktionen und die sozialdemokratische Fraktion. Enthaltungen? - Die Linksfraktion. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Ich rufe den Zusatzpunkt 18 auf: Wahl eines Mitglieds des Vertrauensgremiums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung - Drucksache 17/6132 - Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schlägt auf Drucksache 17/6132 Frau Priska Hinz vor. Bevor wir zur Wahl kommen, bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Wahlverfahren. Laut Gesetz ist gewählt, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereint, das heißt, wer mindestens 311 Stimmen erhält. Die Wahl erfolgt mit Stimmkarte und Wahlausweis. Den Wahlausweis können Sie, soweit noch nicht geschehen, Ihrem Stimmkartenfach in der Lobby entnehmen. Bitte achten Sie unbedingt darauf, dass der Wahlausweis auch wirklich Ihren Namen trägt. Die Stimmkarten wurden im Saal verteilt. Sollten Sie noch keine Stimmkarte haben, besteht jetzt noch die Möglichkeit, sie von den Plenarassistentinnen und Plenarassistenten zu erhalten. Gültig sind nur Stimmkarten mit dem Kreuz bei Ja, Nein oder "Enthalte mich". Ungültig sind demzufolge Stimmkarten, die kein Kreuz oder mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten. Die Wahl findet offen statt. Sie können Ihre Stimmkarte also an Ihrem Platz ankreuzen. Bevor Sie die Stimmkarte in eine der Wahlurnen werfen, übergeben Sie den Schriftführern an der Wahlurne Ihren Wahlausweis. Der Nachweis der Teilnahme an der Wahl kann nur durch Abgabe des Wahlausweises erbracht werden. Jetzt bitte ich die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Wahl. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Wahl und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Wahl wird Ihnen später bekannt gegeben.2 Ich wäre dankbar, wenn Sie sich wieder auf Ihre Plätze begeben würden. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a und b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, Ingrid Nestle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Energieeffizienz und Klimaschutz im Gebäudebereich - Drucksache 17/5778 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Groß, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Angekündigte Mittelkürzung beim CO2-Gebäudesanierungsprogramm zurücknehmen - zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn, Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN CO2-Gebäudesanierungsprogramm fortführen - Mit energetischer Sanierung Konjunktur ankurbeln, Arbeitsplätze sichern und Klima schützen - zu dem Antrag der Abgeordneten Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Heizkostenkomponente beim Wohngeld erhalten - zu dem Antrag der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Stephan Kühn, Daniela Wagner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Lebensqualität und Investitionssicherheit in unseren Städten durch Rettung der Städtebauförderung sichern - Drucksachen 17/2346, 17/2395, 17/2923, 17/2396, 17/4835 - Berichterstattung: Abgeordnete Peter Götz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Gero Storjohann Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin in unserer Debatte ist die Kollegin Daniela Wagner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Frau Kollegin Daniela Wagner. Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundeskanzlerin hat es hier gestern in der Atomdebatte wiederholt gesagt: Dem Gebäudebereich kommt bei der Energiewende eine zentrale Rolle zu. Hier werden, vor allem im Altbestand, 40 Prozent der Energie in Deutschland verbraucht. Insofern kann ich der Bundesregierung für ihr Vorhaben, die Energieeffizienz im Gebäudesektor zu steigern, unsere Unterstützung zusichern. Die Ankündigung der Bundesregierung, die Haushaltsmittel für die energetische Gebäudesanierung wieder auf 1,5 Milliarden Euro zu erhöhen, ist sehr begrüßenswert. Das stellt einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es scheint, als habe sich die Einsicht durchgesetzt, dass die Kürzungen der Haushaltsmittel des Bundes für die CO2-Gebäudesanierungsprogramme von 2 Milliarden Euro in 2009 auf null Euro in 2012 klima- und wirtschaftspolitisch nicht der richtige Weg waren. Ebenfalls ist es zu begrüßen, dass die energetischen Anforderungen an Bestandsgebäude nachgeführt werden sollen und dass in der Novelle zum Bundesbaugesetzbuch die Möglichkeit vorgesehen werden soll, dass energetische Sanierungsquartiere ausgewiesen werden. Denn einerseits sind hohe Standards bei Bestandsbauten ohne entsprechende Förderung kontraproduktiv, andererseits ist Förderung ohne die Vorgabe von ambitionierten Standards für Bestandsgebäude Verbrennung von Steuergeldern. Wir wollen beides: Wir wollen fördern und fordern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wichtig ist dabei die richtige Mischung. Der Instrumentenmix in der Förderkulisse muss stimmen, wenn wir Immobilienwirtschaft, private Hausbesitzer und Mieter bei der Energiewende mitnehmen wollen. Sie sind die entscheidenden Akteure für mehr Energieeffizienz und erneuerbare Energien im Gebäudesektor. Ohne sie geht gar nichts. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In unserem Antrag, der Ihnen vorliegt, kombinieren wir hohe energetische Standards und realistische Übergangsfristen mit der Verlässlichkeit der Förderung. Wir wollen für den Gebäudebestand ab 2020 stufenweise einen Energieverbrauch von höchstens 60 Kilowattstunden pro Quadratmeter einführen. Klar ist aber auch, dass wir die Immobilienwirtschaft und private Hauseigentümer mit Effizienzstandards nicht überfordern sollten. Daher plädieren wir für Übergangsfristen von zehn Jahren für die Durchsetzung von Energiestandards im Gebäudebestand. Ab 2019 wollen wir für den Neubaubereich einen Energieverbrauch von 15 Kilowattstunden und Quadratmeter einführen. Unser Ziel ist es, im Gebäudebereich bis 2050 den Energieverbrauch auf null zu senken und CO2-Neutralität zu sichern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir schlagen in unserem Antrag vor, die Mittel für Gebäudesanierungsprogramme im Bundeshaushalt auf jährlich 2 Milliarden Euro zu erhöhen, und das dauerhaft. Das ist auch ganz besonders wichtig für die soziale Abfederung der Energieeffizienzmaßnahmen. Die KfW-Mittel können nicht auf die Mieter umgelegt werden, sodass das Volumen der Modernisierungsumlage gesenkt wird und Mieterhaushalte entlastet werden. Mit einem Energiesparfonds mit einem Volumen von 3 Milliarden Euro, wovon ein Drittel auf Stromeffizienz und zwei Drittel auf Wärmeeffizienz entfallen sollen, wollen wir vor allen Dingen einkommensschwache Haushalte beim Energiesparen unterstützen. Den Energiesparfonds wollen wir durch den Abbau umweltschädlicher Subventionen und ökologisch unsinniger Steuerausnahmen gegenfinanzieren. Die im Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden angekündigten Abschreibungsmöglichkeiten im Wert von nochmals 1,5 Milliarden Euro sind zum Erreichen bestimmter Hausbesitzer vermutlich notwendig und insofern auch nicht falsch. Aber: Leider hat dieses Instrument zur Förderung der energetischen Sanierung den Nachteil, dass trotzdem das volle Investitionsvolumen über die Modernisierungsumlage auf die Miete umgelegt werden kann. Anders als bei der KfW-Förderung hat der Mieter also nichts davon. Deshalb, meine Damen und Herren insbesondere von der Regierungskoalition: Das Mindeste bei der Einführung von zusätzlichen Abschreibungsmöglichkeiten ist eine Beteiligung der Mieter an der Einsparung und eine Befristung, damit es zu einem Windhundeffekt kommt und die Leute schnell anfangen, zu sanieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir Grüne plädieren vorrangig für mehr KfW-Mittel, um die Auswirkungen auf die Mieterschaft zu verringern. (Sebastian Körber [FDP]: Die kann man doch trotzdem umlegen!) Wir wollen auch mehr direkte Zuschüsse, vor allen Dingen für Einzelmaßnahmen, damit auch ältere Eigentümer, die keine Darlehen mehr aufnehmen wollen, mit der Sanierung ihrer Bestandsgebäude beginnen können. Eines muss schon heute deutlich gesagt werden: Die Energiewende wird auch im Gebäudebereich massive Veränderungs- und Umwandlungsprozesse zur Folge haben. Dies bedarf der sozialen Abfederung. Uns Grünen ist vollkommen klar, das wir Eigentümern, Mietern und auch Vermietern viel abverlangen. Doch angesichts der Schrecken der Atomenergie und der schweren Folgen des Klimawandels ist dieser Weg nun wirklich alternativlos, um ausnahmsweise einen Lieblingsbegriff der Kanzlerin zu bemühen. Es ist unsere Aufgabe, die Konfliktfelder eindeutig zu identifizieren und Lösungswege zu finden. Wir müssen Klimaschutz, Atomausstieg und die soziale Frage zusammendenken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deswegen wollen wir auch das Mietrecht an die neuen Gegebenheiten anpassen. Wir wollen die Modernisierungsumlage verändern, sie auf den altersgerechten Umbau und die energetische Sanierung konzentrieren und auf 9 Prozent absenken; denn im Moment ist es ja so: Dort, wo sie auch erhoben werden soll, zum Beispiel in strukturschwachen Gebieten, wird sie überhaupt nicht mehr durchgesetzt; das heißt, dem Hauseigentümer nützt sie nichts. In Ballungsräumen führt sie dazu, dass Mieterinnen und Mieter buchstäblich aus ihren Häusern heraussaniert werden. Das wollen wir nicht. Wir wollen die Dynamik in der Mietpreisspirale eindeutig dämpfen und die finanziellen Mittel in die Zukunftsfelder lenken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Wirtschaftlichkeitsgebot, von dem Sie zu Recht immer reden und das wir auch anerkennen, gilt natürlich auch für Mieterinnen und Mieter. (Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Richtig! Genau!) Eigentümer, Staat sowie Mieterinnen und Mieter müssen ihren Beitrag leisten, damit wir diese Herkulesaufgabe gemeinsam stemmen können. (Peter Götz [CDU/CSU]: So, wie Stuttgart 21! Wird jetzt weitergebaut!) Herr Ramsauer hat diese Woche im Handelsblatt gesagt, er habe kein geringeres Ziel vorgegeben, als Deutschland zum Weltmeister im Energiesparen zu machen. Das sind weitreichende Ankündigungen und ambitionierte Ziele. Leider fehlte in den zurückliegenden Etatberatungen jegliche Spur davon. Das Ministerium hat sich die Haushaltsmittel für die KfW-Förderprogramme im Gegenteil sogar komplett zusammenstreichen lassen. Auch Ihre jetzige Finanzierung über das Sondervermögen "Energie- und Klimafonds" ist aus unserer Sicht weiterhin unklar und wackelig. Vor allen Dingen - das stört uns ganz besonders - wird dem Haushaltsgesetzgeber, nämlich dem Parlament, die haushaltspolitische direkte Entscheidung dafür mehr oder weniger entzogen. Wir möchten aber, dass die Förderkulisse und die Förderbedingungen verbindlich, klar, transparent und für die privaten Investoren und Eigentümer gut anwendbar sind. Wir wollen, dass jeder versteht, um was es geht - sowohl hier im Parlament als auch in der Bürgerschaft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie es mich abschließend so zusammenfassen: Sie wirken bei Ihrer Energiewende einigermaßen getrieben. Sie wirken wie Getriebene, aber dieses Mal sind Sie wenigstens von der richtigen Seite getrieben, und darüber sind wir wirklich sehr froh. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Stimmen Sie unserem Antrag also bitte zu. Dann sind Sie nicht mehr auf der Seite der Getriebenen, sondern dann gehören Sie selber zu den Treibenden und zu den Gestaltenden im Klimaschutz, bei der Gebäudesanierung, bei der Energiewende und vor allen Dingen für eine atomfreie Zukunft. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Peter Götz von der CDU/ CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Peter Götz (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In wenigen Tagen wird die Städtebauförderung 40 Jahre alt. Das ist ein Grund zum Feiern. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na?) Die Städtebauförderung hat in Deutschland maßgeblich zur positiven Entwicklung unserer Städte und Gemeinden beigetragen und gehört zur Erfolgsgeschichte unseres Landes. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Warum streichen Sie dann die ganzen Mittel?) Deshalb ist es richtig und konsequent, dass wir die Mittel für die gemeinsam von Bund, Ländern und Kommunen zu finanzierenden Städtebauförderprogramme nicht kürzen, sondern verstetigen und fortsetzen. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Sie streichen sie doch!) Mit dem zusätzlichen Programm "Energetische Stadtsanierung" wollen wir innerstädtische Quartiere auch unter energetischen Gesichtspunkten stärker in den Fokus nehmen. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Finanzierung!) Wir werden darüber hinaus die bestehenden Städtebauförderprogramme zusammen mit den Ländern und Kommunen erfolgreich weiterentwickeln. Lassen Sie mich zum zweiten Teil dieses Tagesordnungspunktes kommen. Die Bundeskanzlerin machte gestern eindrucksvoll deutlich, wie wichtig in Zukunft neben der Erzeugung von Energie die Energieeinsparung und die Steigerung der Energieeffizienz sind. Wenn wir die Laufzeiten der Atomkraftwerke weiter verkürzen und gleichzeitig klimapolitische Ziele erreichen wollen, dann brauchen wir dazu den Gebäudebereich. Es wurde bereits gesagt: 40 Prozent der in Deutschland verbrauchten Endenergie entfallen auf das Heizen von Räumen und das Aufheizen von Wasser, und zwar überwiegend in privaten Haushalten. Dort müssen wir ansetzen. Dieses große Potenzial zu erschließen, ist eine Herkulesaufgabe, an der sich die gesamte Gesellschaft beteiligen muss. Im Gegensatz zur Opposition, also auch zu den Grünen, setzen wir dabei nicht auf Zwang, sondern auf Anreize und Verbraucherinformationen. Viele Gebäude wurden in einer Zeit gebaut, in der Energie noch preiswert war. Entsprechend schlecht ist aus energetischer Sicht der bauliche und auch der heizungstechnische Zustand. In Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler wollen und müssen wir pro eingesetztem Euro Steuergeld eine maximale Einsparung an Treibhausgasemissionen erreichen. Liebe Frau Kollegin Wagner, wir fangen damit nicht bei null an. Die CDU/CSU-geführte Bundesregierung hat in den letzten fünf Jahren im Rahmen des CO2-Gebäudesanierungsprogramms über 7 Milliarden Euro Fördermittel zur Verfügung gestellt. In diesem Jahr stehen 936 Millionen Euro bereit. Damit finanziert die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau sehr erfolgreich zinsgünstige Kredite und Investitionszuschüsse für energetische Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden und anderen Gebäuden der kommunalen und sozialen Infrastruktur, aber auch für energieeffiziente Wohnungsneubauten. Noch einmal zur Erinnerung einige wenige Zahlen: Von 2006 bis Ende 2010 hat die KfW rund 900 000 Kredite und Zuschüsse mit einem Volumen von über 36 Milliarden Euro bewilligt und damit Investitionen von über 75 Milliarden Euro angestoßen. So konnten bis heute bereits mehr als 2,4 Millionen Wohnungen saniert oder besonders energieeffizient neu errichtet werden. Der Ausstoß des Treibhausgases CO2 verringert sich dadurch jährlich um sage und schreibe rund 4,7 Millionen Tonnen. Zugleich wurden mit diesem Programm pro Jahr bis zu 340 000 Arbeitsplätze - überwiegend im heimischen Handwerk - gesichert und neu geschaffen. Das sind Zahlen, die sich, wie ich finde, sehen lassen können. Die Verbesserung der Energieeffizienz war schon immer ein zentrales Anliegen der CDU/CSU-geführten Bundesregierung. Ab dem kommenden Jahr werden wir die Mittel im CO2-Gebäudesanierungsprogramm auf jährlich 1,5 Milliarden Euro erhöhen. Darin enthalten sind 150 Millionen Euro für direkte Zuschüsse an Menschen, die wegen ihres Alters oder ihres Einkommens von den Banken keinen Sanierungskredit mehr bekommen oder sich einfach auch nicht mehr neu verschulden wollen. Mit dem Sanierungszuschuss wollen wir diesem Personenkreis anbieten, das Ersparte für eine energetisch verbesserte Wohnung einzusetzen - auch, um sich im Alter von den hohen Energiekosten der Wohnung zu entlasten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ein Weiteres möchten wir angehen: Durch steuerliche Anreize wollen wir weitere Eigentümergruppen für die Sanierung ihrer Gebäude gewinnen. So können in Zukunft Kosten für die energetische Sanierung von Gebäuden, die vor 1995 gebaut wurden, innerhalb von zehn Jahren mit jährlich 10 Prozent steuerlich abgeschrieben werden. Dies gilt übrigens für vermietete ebenso wie für selbstgenutzte Wohnungen. Es ist besser, die Menschen investieren ihr Erspartes in die energetische Sanierung ihres Ein-, Zwei- oder Dreifamilienhauses als in Spekulationsgeschäfte in Ostasien. (Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Oder in griechische Staatsanleihen!) Bei der steuerlichen Förderung sollten wir uns am Maßnahmenkatalog der KfW orientieren. Wir sollten - da stimme ich Ihnen zu - dieses Gesetz auch zeitlich befristen. Aber wir sollten auch vermeiden, dass durch ein zu spätes Inkrafttreten des Gesetzes Attentismus und damit ein Stau entsteht, der dazu führt, dass zu Beginn des neuen bzw. nächsten Jahres möglicherweise die Preise ansteigen und Engpässe produziert werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, durch die steuerlichen Anreize verleihen wir der energetischen Sanierung von Gebäuden zusätzlich Schwung. Wichtig ist uns bei den verschiedenen ehrgeizigen Maßnahmen, dass es gelingt, die Menschen von den Vorteilen und der Richtigkeit dieser Vorgehensweise zu überzeugen. Dies gilt für die Mieter, aber genauso für die Vermieter. Auch wir, Frau Wagner, wollen fördern und fordern. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Aber wir dürfen dabei weder die Eigentümer noch die Mieter überfordern und auch nicht überfördern. Auch das gehört zur Vollständigkeit dazu. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Lassen Sie mich abschließend zusammenfassen: Erstens. Aus Klimaschutzgründen muss der Ausstieg aus der Atomenergie zusammen mit einem konsequenten Einstieg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien und in die energetische Sanierung des Gebäudebestandes erfolgen. Sie haben zwar seinerzeit den Ausstieg beschlossen, aber vergessen, den Einstieg mitzubeschließen. (Lachen bei Abgeordneten der SPD - Florian Pronold [SPD]: Sie dürfen nicht Ihrer eigenen Propaganda glauben!) Zweitens. Die milliardenschwere energetische Sanierung der Wohnungsbestände wird ohne staatliche Leistung nicht stattfinden. Deshalb ist es zwingend notwendig, dafür öffentliche Mittel in die Hand zu nehmen. Drittens. Das Energiekonzept muss - auch in diesem Punkt unterscheiden wir uns ein wenig - an den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit gebunden werden. Mit dem, was wir den Menschen und den Wohnungsunternehmen anbieten, reduzieren wir den Energiebedarf, senken wir auf Dauer die Energiekosten für Mieter, Vermieter und Eigenheimbesitzer gleichermaßen und stabilisieren wir durch die energetische Sanierung der Wohngebäude auch die Immobilienwerte und sichern Arbeitsplätze im heimischen Handwerk. Neben den erwarteten positiven gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen durch zusätzliche Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen und für die sozialen Sicherungssysteme leisten wir so einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Ich lade Sie alle ein, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich Ihnen das Ergebnis der Wahl eines Mitglieds des Vertrauensgremiums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung bekannt: abgegebene Stimmen 564, gültige Stimmen ebenfalls 564. Mit Ja haben gestimmt 508, mit Nein 24, Enthaltungen 32. Die Abgeordnete Priska Hinz hat 508 Stimmen erhalten. Die erforderliche Mehrheit von mindestens 311 Stimmen wurde übertroffen. Damit ist sie gewählt.3 (Beifall) Das Wort hat nun der Kollege Florian Pronold von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Florian Pronold (SPD): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Warum führen wir die Debatte heute eigentlich? (Patrick Döring [FDP]: Das fragt man sich!) Wenn man sich die Anträge durchliest, dann stellt man fest, dass die Antwort relativ einfach ist: Die schwarz-gelbe Koalition war auf dem Holzweg, was die energetische Sanierung von Gebäuden angeht. Wer hat denn die KfW-Mittel halbiert? Wer hat denn in zwei Bundeshaushalten nacheinander die Axt an die energetische Gebäudesanierung angelegt? Das waren Sie! (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Wer hat damit eines der erfolgreichsten Mittelstandsförderprogramme heruntergefahren? Das waren Sie! Sie haben das in jeder Haushaltsberatung immer wieder verteidigt. (Patrick Döring [FDP]: Sie haben doch die Mittel in den Jahren vorher rausgepulvert!) Der Grund, warum wir die Anträge, die heute zur Debatte stehen, behandeln müssen, ist: (Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Herr Pronold taucht im Ausschuss nur auf, wenn große Reden gesprochen werden! Darum weiß er gar nicht, was wirklich geschehen ist!) Diese Kürzungen müssen zurückgenommen werden. Was erleben wir heute? Sie versuchen vom Holzweg auf den Pfad der Tugend zurückzukehren. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Besser spät als nie!) Das ist schön. Schon in der Bibel steht: Über einen reuigen Sünder gibt es mehr Freude als über 99 Gerechte. Wir freuen uns, weil es der richtige Weg ist, auf die energetische Gebäudesanierung zu setzen und damit tatsächlich etwas für den Klimaschutz zu tun. Wir alle in diesem Haus wissen, dass dort die höchsten Einsparpotenziale im Bereich der Energie liegen und wir dort am meisten gegen den Klimawandel tun können. (Beifall bei der SPD) Für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist es besonders wichtig, dass die Kosten, die dort entstehen, fair verteilt werden. Es darf nicht passieren, dass die Mieterinnen und Mieter die Belastungen einseitig tragen müssen. Was Sie planen, läuft darauf hinaus, dass die Mieterinnen und Mieter die Dummen dieser Entwicklung sind. (Patrick Döring [FDP]: Quatsch! Das sagt nicht einmal der Mieterbund!) - Natürlich. Bereits das geltende Recht sieht vor, dass 11 Prozent der Sanierungskosten jedes Jahr auf die Miete draufgeschlagen werden können. (Patrick Döring [FDP]: Nicht jedes Jahr! Einmalig!) - Ja, einmalig. Danach setzt sich das jedes Jahr fort, und zwar unendlich lange. (Patrick Döring [FDP]: Einmalig, nicht jedes Jahr 11 Prozent!) - Ja, aber nicht bis alles bezahlt ist, sondern unendlich lange. Diese Erhöhung bleibt dann. Das ist geltendes Recht. (Patrick Döring [FDP]: Daran ändert sich nichts!) - Ich rede jetzt über das geltende Recht. Die Bundeskanzlerin hat im Herbst gesagt: Das reicht noch nicht, das müssen wir eventuell noch erhöhen. Darüber hinaus haben Sie Gesetzgebungsvorschläge in der Pipeline, die darauf hinauslaufen, die Rechte der Mieterinnen und Mieter bei der energetischen Sanierung zu verschlechtern, (Sören Bartol [SPD]: So ist es!) weil Sie nämlich eine Zwangsduldung auferlegen, ohne Abwehrrechte. Es gibt schon heute Fälle, dass Gebäude über ein Jahr oder über anderthalb Jahre saniert werden, was mit enormen Belastungen für die Mieterinnen und Mieter verbunden ist, wogegen sich diese nicht wehren können. (Patrick Döring [FDP]: Deshalb befristen wir es auf drei Monate!) Die einzige Möglichkeit ist die Minderung der Miete. (Patrick Döring [FDP]: Das ist blanke Erfindung!) - Ich kann Ihnen die Beispiele nennen. (Patrick Döring [FDP]: Wir planen das alles nicht, Herr Pronold! Sie wehren sich gegen etwas, was nicht geplant ist!) - Dann lesen Sie einmal, was Sie selber sagen und was in den Berichten darüber steht. (Patrick Döring [FDP]: Sie sollten lesen, was wir beantragt haben! - Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Denn sie wissen nicht, was sie tun!) Dann werden wir ja sehen. Sagen Sie doch ganz klar: Es wird keine Änderung am Mietrecht geben. (Patrick Döring [FDP]: Das sagen wir sicher nicht! - Gegenrufe von der SPD: Ah!) Gehen Sie doch nach meiner Rede nach vorne und sagen Sie: Wir werden keine Verschlechterungen für die Mieterinnen und Mieter vornehmen. Dafür werden wir Sorge tragen. - Das tun Sie nicht, das haben Sie gerade selber gesagt. (Patrick Döring [FDP]: Es wäre schlecht, wenn wir das nicht täten!) Damit wird doch deutlich, wes Geistes Kind Sie sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was wir brauchen, ist ein Mietspiegel mit einem Vergleich der Mieten mit Bezug auf den energetischen Zustand der Gebäude. Das wäre zum Beispiel eine gute Sache. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht im Antrag!) Bei der Beantwortung der Frage, wer mit welchen Anteilen beteiligt wird, brauchen wir eine Regelung, die die Einsparungen, die sich möglicherweise bei den Nebenkosten ergeben, mit einbezieht. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht im Antrag! Stimmt ihr zu?) - Darüber kann man doch reden. Ich widerspreche damit gar nicht dem, was in dem Antrag der Grünen steht. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) Sie dürfen auch etwas Richtiges aufschreiben. Ich habe damit kein Problem. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir freuen uns über jede Zustimmung!) Der zentrale Punkt für die SPD ist, dass die energetische Sanierung auf dem Niveau stattfindet, wie es in unserer Regierungszeit und unter unserer Führung des zuständigen Ministeriums der Fall war. (Pascal Kober [FDP]: Warum haben Sie es dann auf drei Jahre befristet?) Ein anderer Punkt ist, dass die Mieterinnen und Mieter vernünftig beteiligt werden, aber das Mietrecht nicht zulasten der Mieterinnen und Mieter ausgestaltet wird, so wie es in Ihren Plänen zu lesen ist, und es nicht zu einseitigen Begünstigungen kommt. Ich meine damit die Sonder-AfA, die Sie gerade angesprochen haben, werter Kollege. Anscheinend versuchen Sie, Ihr Steuersenkungsversprechen, das Sie vor der Wahl gemacht haben, unter dem Deckmantel der energetischen Gebäudesanierung ein bisschen zu erfüllen, nachdem Sie dieses Ziel vorher so gründlich verfehlt haben. Das ist erst einmal nicht schlimm. Man muss aber einmal genau hinschauen: Welche Wirkung hat das? Eine Sonder-AfA kann - das haben wir bei den denkmalgeschützten Gebäuden gesehen - durchaus eine positive Wirkung haben. Was passiert aber noch? Sie sprechen von 1,5 Milliarden Euro und tun so, als würde diese Summe jedes Jahr zur Verfügung gestellt. (Peter Götz [CDU/CSU]: Das habe ich nicht gesagt! Richtig zuhören!) - Ich beziehe mich auf das, was öffentlich herüberkommt. - Tatsächlich verteilen sich diese 1,5 Milliarden Euro auf fünf Jahre. Das Ganze wächst entsprechend noch einmal auf. (Patrick Döring [FDP]: Nein!) - Klar wächst das in der Folgezeit auf. (Pascal Kober [FDP]: Das können Sie sich von einem Haushälter erklären lassen!) - Ich habe mich lange genug mit Finanzen beschäftigt, um zu wissen, wie das funktioniert. (Lachen von der FDP) - Stellen Sie doch eine Zwischenfrage, wenn Sie das nicht glauben. Dann erkläre ich Ihnen das gründlich. Was passiert, ist Folgendes: Erstens. Die Einkommensteuer verteilt sich je zur Hälfte auf die Kommunen und die Länder. Aufgrund Ihrer Regelung fehlen Gelder, zum Beispiel für die Sanierung des kommunalen Wohnungsbestandes. Dies führt nicht dazu, dass es insgesamt mehr wird. (Peter Götz [CDU/CSU]: Er verwechselt das!) - Nein, ich verwechsele das nicht. Das Aufkommen aus der Einkommensteuer verteilt sich hälftig auf die Länder und die Kommunen. Wenn Sie das Geld dort wegnehmen, dann fehlt es. Dann müssen Sie eine Antwort darauf geben, woher dann das Geld kommen soll. Zweitens. Die Sache mit der AfA ist, dass sie zusätzlich zu den KfW-Mitteln in Anspruch genommen werden kann. (Widerspruch bei der FDP) - Doch, natürlich zusätzlich. (Patrick Döring [FDP]: Nein, das ist nicht geplant!) Das steht aber nicht im Text. Dann erklären Sie es nachher. Da bin ich schon gespannt. Schließen Sie es aus. (Patrick Döring [FDP]: Sie müssen es einfach lesen!) Schließen Sie auch aus, dass zum Beispiel, wie die Kollegin es angesprochen hat, die vorhandene Steuerersparnis trotzdem auf die Mieter übertragen werden kann, so wie es bei den KfW-Mitteln der Fall ist? Das wäre nämlich fair. (Sebastian Körber [FDP]: Quatsch! Schwachsinn!) Wenn die Steuerersparnis von den Kosten abgezogen würde, die man auf die Mieterinnen und Mieter umlegen kann, würden auch Mieterinnen und Mieter davon profitieren. Diese Forderung ist richtig. Machen Sie das; sagen Sie das. Dann sind wir schnell beieinander. (Beifall bei der SPD) Sehr geehrte Damen und Herren, wir freuen uns, dass Sie versuchen, vom Holzweg auf den Pfad der Tugend zurückzukommen. Damit Sie aber nicht die schwarz-gelben Teufelchen bleiben, sondern grüne Klimaengel werden, (Zurufe von der FDP: Oh!) müssen Sie noch ein bisschen nachbessern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Sebastian Körber von der FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sebastian Körber (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Pronold, ich leiste jetzt einfach einmal ein wenig Aufklärungsarbeit. (Sören Bartol [SPD]: Da sind wir gespannt!) Das eine oder andere davon können Sie ja für Ihre Arbeit zu Hause im Wahlkreis mit nach Bayern nehmen. Dort können Sie das Ganze vielleicht ein bisschen richtigstellen. Ohne die Energieeinsparpotenziale im Gebäudebestand zu mobilisieren und sowohl bei Neubauten als auch im Gebäudebestand etwas dafür zu tun, ist eine Energiewende nicht möglich. Darin stimmen wir Ihnen wohl alle in diesem Saal zu, Frau Kollegin Wagner. Wir brauchen einen möglichst geringen Energiebedarf; denn sonst wird es mit der Energiewende nichts werden. Ich denke, dass wir uns darüber einig sind. An dieser Stelle danke ich insbesondere der Bundeskanzlerin, die das gestern zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Regierungserklärung gemacht hat. Sie hat es auf den Punkt gebracht und den entscheidenden Aspekt aufgegriffen. Wir brauchen definitiv eine Gebäudesanierungsoffensive - da sind wir uns einig, denke ich -, (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir uns einig!) um insbesondere unsere stillen Reserven im Gebäudebestand zu aktivieren - im Neubau und im Bestand, und zwar in den Quartieren, in den Städten und in den Gemeinden insgesamt. Unser gemeinsames Ziel ist es, eine Reduzierung des Primärenergiebedarfs herbeizuführen. Ich denke, dass wir auch insoweit d'accord sind, als der Primärenergiebedarf bis 2050 um mindestens 80 Prozent reduziert werden muss. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) Ich begrüße in diesem Zusammenhang auch die Empfehlung im Abschlussbericht der Ethik-Kommission der Bundesregierung - dadurch ist das Ganze auf eine breite gesellschaftliche Basis gestellt worden - für eine neue Etappe in der Gebäudesanierung zur Erreichung unserer Klimaschutzziele. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Im Gegensatz zur Opposition - jetzt sollten Sie aufmerken, Herr Kollege Pronold - sind wir allerdings der Auffassung, dass es gerade auch um das eigenverantwortliche und freiwillige Engagement gehen muss. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Hier müssen wir insbesondere mit finanziellen Mitteln Anreize setzen. Das ist das Fördern - im Unterschied zum Fordern. Letzteres sind die Aspekte, die Sie in erster Linie darstellen. Darauf darf ich jetzt noch ein wenig eingehen. Meiner Auffassung nach und aus Sicht der Freien Demokratischen Partei sind das Fordern und das Fördern nämlich nicht ausgewogen. Anders formuliert: Die Opposition will mit ihren Anträgen die Menschen zwangsbeglücken. (Florian Pronold [SPD]: Dann lesen Sie sie einmal!) Wir als Koalition wollen den Menschen Freiheit und Anreize geben; Herr Kollege Götz hat das sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. (Florian Pronold [SPD]: Fragen Sie einmal im Wahlkreis nach, falls Sie Zeit dazu haben!) - Hören Sie jetzt besser zu, Herr Kollege Pronold. Die Anträge der Grünen enthalten auch einige Grausamkeiten. So gibt es eine Überforderung der Eigentümer, sowohl der Selbstnutzer als auch der Vermieter, egal ob privat oder Wohnungsbaugesellschaft. Sie überfordern aber auch die Mieter. Sie überfordern die öffentlichen Haushalte. Wenn man auch einmal zwischen den Zeilen liest, stellt man fest, dass es um Eingriffe geht, die ich nicht mittragen kann. Das Ganze kommt nämlich enteignungsgleichen Eingriffen in das Privateigentum an Wohnungen und Gebäuden gleich. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht! - Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das weisen wir zurück, Herr Kollege!) - Das können Sie ja später noch darstellen. Es ist aber leider Fakt. Ich würde mir auch wünschen, dass es nicht der Fall wäre. Im Übrigen wollen Sie ja auch, dass wir unsere EU-Ziele 2021 sogar übererfüllen. Das ist noch einmal ein ganz anderer Punkt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, letztlich sind das alles nur Schaufensteranträge. Sie können das alles doch umsetzen. Ich nenne nur Nordrhein-Westfalen (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist auf dem Weg!) und Baden-Württemberg. Dort haben Sie mit aufgeblasenen Backen im Wahlkampf erklärt, Sie wollten etwas für die Energieeffizienz von Gebäuden tun. In Ihrem Koalitionsvertrag steht auch einiges dazu. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir machen auch einiges!) Es ist allerdings nicht mit Finanzmitteln hinterlegt. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!) Ich freue mich schon besonders auf die Situation, wenn wir dann alle zusammen am Bahnhof Stuttgart 21 stehen und gucken, wie energieeffizient dieser gebaut wird. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir hoffen ja, dass er nicht gebaut wird!) Es ist ja heute auch schon so beschlossen worden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Sören Bartol [SPD]: Das war rhetorisch brillant!) Jürgen Trittin und Renate Künast saßen schon 2005 auf der Regierungsbank. Hier kommt auch ein bisschen die Scheinheiligkeit Ihrer Anträge zum Ausdruck. Sie saßen damals auf der Regierungsbank. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sitzen jetzt darauf! Vergessen Sie das nicht! Sie können ganz viel machen!) Gerade im Kontext der Energiewende hätten Sie schon damals etwas für die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden tun können, liebe Frau Kollegin Herlitzius. Sie haben es aber nicht getan. Sie haben nichts für den Ausbau der Netze und die Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden getan. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht richtig! Wer hat denn KfW-Programme eingeführt? Sie haben damals nicht zugestimmt!) Sie hätten die Sicherheitsstandards von Atomkraftwerken verbessern können. Das haben Sie nicht gemacht. Sie haben auch die Speicherkapazitäten nicht ausgebaut. Dabei kommt zum Ausdruck, wie scheinheilig Ihre Energiepolitik ist. Das zeigt auch Ihr Schaufensterantrag zur Energiepolitik. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn es ein KfW-Sonderprogramm für energiepolitische Scheinheiligkeit geben würde, dann hätten Sie bestimmt den Höchstfördersatz bekommen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU - Frank Schwabe [SPD]: Sagen Sie doch mal, was Sie machen! - Sören Bartol [SPD]: Ich würde dem Redenschreiber das Gehalt kürzen wegen Leistungsschwäche!) Unsere Position ist ein glasklarer Gegenentwurf zu diesen Forderungen nach Zwangssanierungsmaßnahmen mittels eines verschärften Ordnungsrechts. Die FDP-Fraktion lehnt eine drastische Verschärfung der Energieeinsparverordnung für bestehende Gebäude ab. Man muss immer berücksichtigen, was das bedeutet, Herr Pronold, und zwar für die Mieter wie auch für die Vermieter. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon mal was von der EU gehört?) Eine energetische Gebäudesanierung eines durchschnittlichen Einfamilienhauses kann schnell 50 000 Euro oder mehr kosten. Das Geld muss man erst einmal haben. Auch den geplanten Prüfauftrag durch die Hintertür - auch das bedeutet konkrete Nachrüstungsverpflichtungen bei Bestandsgebäuden - im Rahmen der Energieeinsparungsverordnungsnovelle 2012 sehen wir als FDP-Parlamentarier mehr als kritisch. Das möchte ich an dieser Stelle deutlich machen. Wir gestalten jetzt auch, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen. Denn diese Koalition hat die Mittel für das KfW-Gebäudesanierungsprogramm, das Sie richtigerweise unter SPD-Regentschaft aufgelegt - darin gehen wir völlig d'accord -, (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!) aber auf drei Jahre befristet haben, (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was machen Sie! Unbefristet? - Florian Pronold [SPD]: Sie kürzen es dafür auf null!) erstmalig verstetigt. Es war Ihnen anscheinend von Anfang an nicht ganz geheuer, so sehr Sie jetzt auch so tun, als ob es Ihnen wichtig wäre. Wir haben die Mittel für das Programm jetzt verstetigt. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch von Haushalt zu Haushalt!) Ich denke, das ist ein entscheidender Bereich. Die energetische Sanierung von Gebäuden spart in erheblichem Maße CO2, verringert unsere Abhängigkeit von Gas und Öl und sichert Hunderttausende Arbeitsplätze im mittelständischen Handwerk. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) Allein 2010 wurden bundesweit mit 1,3 Milliarden Haushaltsmitteln 21,3 Milliarden Euro an Investitionen angestoßen. Das ist ein Hebelfaktor von 1 : 16. Ich denke, das sucht seinesgleichen. Genau deshalb bekennen wir uns klar zu der erstmaligen Verstetigung dieser Mittel, Herr Pronold. Davon profitieren übrigens alle: die Hausbesitzer, weil der Wert des Gebäudes steigt; die Mieter, weil Nebenkosten reduziert werden; die Umwelt, weil es gut für das Klima ist. Darin gehe ich mit Ihnen völlig d'accord. Die kommenden Generationen - ein Aspekt, der vielleicht gar nicht deutlich zum Ausdruck kommt - profitieren durch Nachhaltigkeit. Auch der Arbeitsmarkt profitiert davon. Die Koalition stellt auch die Weichen für energetische Sanierungsmaßnahmen, was steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten angeht. Künftig wird es möglich sein, die Sanierungskosten über zehn Jahre auf das zu versteuernde Einkommen anrechnen zu lassen. Damit machen wir deutlich, dass gerade Menschen, die derzeit keinen besonderen Anreiz haben - es gibt schließlich keinen Zwang zur energetischen Sanierung -, vor allem ältere Hauseigentümer, von den Maßnahmen profitieren können. Wir wollen die Bürger mitnehmen. Wir setzen auf Anreize anstelle von Zwangsmaßnahmen. Die FDP schiebt mit Sicherheit jeglichem Versuch, in diesem Land eine Ökodiktatur einzuführen, einen Riegel vor. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Roland Claus von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben über mehrere Anträge zur energetischen Gebäudesanierung und zur Städtebauförderung zu entscheiden, die uns die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Fraktion vorgelegt haben. Meine Fraktion findet durchweg alle Anträge gut (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wunderbar!) und hat in den Ausschüssen zugestimmt. Wir haben auch in den Haushaltsberatungen regelmäßig Vorschläge zur Verbesserung dieser Förderprogramme gemacht. Die Koalition will die Anträge ablehnen. Das halten wir für einen Fehler. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Kanzlerin hat gestern gewaltig für eine Energiewende geworben. Es ist gewissermaßen eine Doppelwende: eine Energiewende in der Gesellschaft wie auch in der CDU/CSU. Wenden kann sie also gut. Heute hätte die Koalition die Chance, Wort und Tat in Übereinstimmung zu bringen, (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) getreu dem Motto "Wir haben verstanden". Man könnte auch in Anlehnung an die Lieferfraktion, die meint, jeden Tag bekunden zu müssen: "Wir liefern jetzt", sagen: Sie hätten die Chance, hier zu liefern. (Beifall bei der LINKEN) Fakt ist: Sie haben weder verstanden noch liefern Sie. Man muss sich einmal Folgendes überlegen: So viele gut funktionierende Förderprogramme hat nun einmal eine Bundesregierung nicht. Sie haben zu Recht beschrieben, dass es sich hierbei um exzellente Programme handelt. Was muss denn eine Regierung treiben, die sich die besten Instrumente der Förderung selbst aus der Hand schlägt? Das ist doch einfach absurd. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dafür hagelt es auch Kritik aus den Kommunen, von Handwerkern, von Verbänden, von Initiativen, sogar von Landesministern der Union und der FDP. Auch Sie kennen doch die Briefe. Das Neue an der Kritik ist - das finde ich bemerkenswert -, dass nicht nur beklagt wird, dass Geld für Vorhaben fehlt. Die Kritikerinnen und Kritiker sagen inzwischen: Diese Regierung zerstört das Gemeinwohl und den sozialen Frieden. - Es muss Sie doch bewegen, wenn Sie Briefe von Bürgermeistern bekommen, die der CSU angehören, und Briefe von Bürgermeistern, die der Linken angehören, die gleichermaßen Ihre schlechte Politik kritisieren. (Beifall bei der LINKEN) Diese Regierung ist offenkundig nicht in der Lage, ihre Politik aus der Sicht der Betroffenen zu denken. Das merkt man am Atomausstieg. Sie haben gleich mit den Energieriesen verabredet, dass diese die Offshoreanlagen, also die Windräder auf hoher See, betreiben. Damit geht die Abzocke der Verbraucherinnen und Verbraucher weiter. Die Linke steht für das Konzept des sozialökologischen Wandels; das sage ich sehr bewusst. Seitdem die Grünen die reichsten Wähler haben, ist bei ihnen das Soziale etwas unter die Räder gekommen. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Florian Pronold [SPD]: Das stimmt nicht! Das war schon vorher bei den Grünen so!) Zum sozialökologischen Wandel gehört für uns mehr Politik für regionale Energie- und Stoffkreisläufe. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir haben keine Porschefahrer!) Dazu gehören auch eigenständige Stadtwerke, die nicht Eon oder Vattenfall gehören. Schließlich wollen wir mehr Macht und Geld für zivilgesellschaftliches Engagement und für Kommunen, (Florian Pronold [SPD]: Wie hoch ist der CO2-Ausstoß eines Porsche?) also für die politische Ebene, auf der sich Bürgerinnen und Bürger noch begegnen und bei Bedarf auch in die Augen sehen können. Diesen Ansatz vertreten auch SPD und Bündnis 90/ Die Grünen in ihren Anträgen. Deshalb stimmen wir ihnen zu. Beide Fraktionen sind bekanntlich nicht frei von Sünden, (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist frei von Sünden?) aber diese Anträge sind als erste Schritte auf dem Weg zur Besserung sehr geeignet. (Beifall bei der LINKEN) Ein Wort möchte ich zu Minister Ramsauer verlieren, der im Ausschuss auf Anfrage der Linksfraktion Deng Xiaoping zitiert hat. Das verlangt Erwiderung. Der alte Deng muss diese Bundesregierung vorausgeahnt haben, als er 1984 sagte: Wir werden möglicherweise auch in Zukunft Fehler machen, wir sollten aber erstens große Fehler vermeiden und zweitens Missstände abstellen, sobald sie entdeckt werden. - Herr Minister Ramsauer, wenn Sie schon ein solcher Fan von Deng Xiaoping sind, dann halten Sie sich an seine Weisheit! Korrigieren Sie Ihre Fehler, und zwar jetzt und heute, und stimmen Sie den Anträgen zu! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich erteile jetzt dem Kollegen Kai Wegner von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Kai Wegner (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Claus, wenn ich mir Ihr Zitat durch den Kopf gehen lasse (Roland Claus [DIE LINKE]: Das wäre gut!) und daran denke, wie viel Arbeit der von Ihnen mitgetragene rot-rote Senat in Berlin hätte, um Missstände abzubauen und Fehler einzugestehen, dann muss ich Ihnen sagen: Sie hätten bis zum 18. September jede Menge zu tun, lieber Herr Claus. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir beraten heute über Oppositionsanträge, die allesamt das Ziel haben, Energie einzusparen und das Klima zu schützen. Das freut mich; denn damit unterstützen Sie voll und ganz den Kurs dieser Bundesregierung. (Florian Pronold [SPD]: Aber der Unterschied ist, als wir sie eingebracht haben, war der Kurs noch ein anderer!) Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm ist und bleibt elementarer Bestandteil nachhaltiger Energiepolitik der Bundesregierung. Die notwendigen baulichen Investitionen fördern wir, lieber Herr Pronold, mit unterschiedlichsten Programmen. In den vergangenen vier Jahren wurden pro Jahr 1,5 Milliarden Euro für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm zur Verfügung gestellt. (Florian Pronold [SPD]: Haben Sie die Ansätze nicht halbiert? War das ein grünes Männchen vom Mars, oder waren Sie das? Lügen werden nicht dadurch wahrer, dass man sie wiederholt!) Das bedeutet konkret: In der Bilanz des Jahres 2010 liegen wir bei den Gesamtausgaben bei weit über 7 Milliarden Euro. Seit 2006 konnten wir mithilfe des CO2-Gebäudesanierungsprogramms Investitionen in Höhe von 74 Milliarden Euro anschieben. Davon wurden 2,4 Millionen Wohnungen energieeffizient saniert und neu gebaut. Damit konnte ein CO2-Ausstoß von rund 4,6 Millionen Tonnen vermieden werden, und es konnten auch rund 320 000 Arbeitsplätze geschaffen werden. All diese Zahlen belegen: Dieses Programm ist richtig und wichtig. Die Zahlen, die ich Ihnen vorgetragen habe, sind beeindruckend, und sie verdeutlichen die Hebelwirkung dieses Programms. Denn 1 Euro Förderung löst circa 9 Euro private Investitionen aus, und diese gehen etwa zu 90 Prozent in die lokale Wertschöpfung, in den deutschen Mittelstand, in das Handwerk. (Florian Pronold [SPD]: Warum haben Sie dann die letzten zwei Jahre gekürzt?) Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir das Handwerk, dass wir die deutsche Bauwirtschaft, dass wir kleine und mittelständische Unternehmen auch mit diesem Programm unterstützen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich begrüße ausdrücklich, dass die Bundesregierung dieses Programm fortsetzen wird. Ich begrüße, dass die Bundesregierung die Mittel für dieses Programm auf 1,5 Milliarden Euro erhöht. (Florian Pronold [SPD]: Warum haben Sie dann gekürzt?) Das ist gut für den Klimaschutz, das ist gut für nachhaltige Politik, und, wie ich gerade schon sagte, es ist gut für die wirtschaftliche Entwicklung. Ja, ich begrüße zusätzliche Maßnahmen. Ich begrüße, dass wir jetzt steuerliche Anreize setzen, um noch mehr Hauseigentümer dafür zu gewinnen, sich für energetische Sanierung zu entscheiden. Ja, ich begrüße auch Möglichkeiten der steuerlichen Abschreibung. Ich will zusätzlich sagen: Mit Erfolg wird ein steuerlicher Bonus für Handwerksleistungen gewährt. Ich finde, der erfolgreiche steuerliche Bonus für Handwerksleistungen sollte noch stärker für die Energiesanierung nutzbar gemacht werden. Besonders beachtlich erscheint mir in diesem Zusammenhang der Fahrplan der Bundesregierung zur energetischen Sanierung von Bundesbauten. Hier werden wir als Bund unserer Vorbildfunktion gerecht. (Florian Pronold [SPD]: Vielleicht können Sie den Ausstoß an heißer Luft im Deutschen Bundestag reduzieren!) Ich bitte die Bundesregierung darauf zu achten, hierbei unsere kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe nicht aus dem Blick zu verlieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Florian Pronold [SPD]: Wer hat denn den Blick verloren? Sie! Sie haben beim KfW-Programm gekürzt! Ausschreibungen in diesem Bereich müssen in kleinen Losen erfolgen, damit auch die lokale Wirtschaft, kleine und mittelständische Unternehmen, davon profitieren können. Das sind einige wichtige Beispiele für das, was wir mit dem Energiekonzept insgesamt auf den Weg gebracht haben, und für das, was wir noch umsetzen wollen. Das heißt konkret: Wir sind zum Großteil längst bei dem angekommen, was Sie heute in Ihren Anträgen fordern. Lieber Herr Pronold - Sie schreien immer dazwischen -, ich will Ihnen zurufen: Wir sind in vielen Bereichen viel weiter, als es in Ihren heute hier vorliegenden Anträgen formuliert ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt leider nicht! - Florian Pronold [SPD]: Sind Sie schon über die Ökodiktatur hinaus? - Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, wir haben schon die Ökodiktatur!) Lassen Sie mich auch etwas zur Städtebauförderung sagen. Gerade als Abgeordneter aus Berlin will ich nicht verhehlen, dass ich die Einsparungen im Rahmen der Haushaltskonsolidierung bedauere. Ich kenne und schätze die Arbeit der Akteure vor Ort in diesem Bereich. In meinem Wahlkreis in Berlin-Spandau gibt es viele Projekte, in denen hervorragende Arbeit geleistet wird - für die Stadtteile, für die Kieze, für die Menschen in diesen Bereichen. (Sören Bartol [SPD]: Die gefährden Sie!) Es bleibt dabei: Die Städtebauförderung ist wichtig im Sinne der Nachhaltigkeit. Ja, wir müssen die Programme evaluieren. Ja, wir brauchen noch mehr Effizienz bei diesen Programmen. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst mal mehr Geld!) Ich sage aber auch, dass wir auch im kommenden Jahr die Städtebauförderung mindestens auf diesjährigem Niveau fortführen sollten und fortführen müssen. Meine Damen und Herren, wir haben in der Tat in dem Bereich Energieeffizienz/Gebäudesanierung viel erreicht. (Florian Pronold [SPD]: Haben Sie auch Mieter in Ihrem Wahlkreis?) Wir haben in diesem Bereich aber auch noch wahnsinnig viel vor. Mit Sicherheit werden wir bei den parlamentarischen Beratungen über den Haushalt noch die eine oder andere Gelegenheit haben, darüber zu sprechen und uns auszutauschen. Ich lade Sie alle ein, (Florian Pronold [SPD]: Nach Spandau!) an der Lösung der klimapolitischen Herausforderungen teilzuhaben. Gestalten Sie die Zukunft unseres Landes mit! Sie sehen: Wir handeln, wir reden nicht. Das unterscheidet Regierung und Opposition. Lassen Sie uns den Weg erfolgreich weitergehen. Herzlichen Dank und ein schönes Wochenende. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Sören Bartol. (Beifall bei der SPD) Sören Bartol (SPD): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Minister Ramsauer hat uns am Mittwoch im Ausschuss erklärt, dass die Energiewende der Bundesregierung gar keine Wende ist, sondern die konsequente Fortsetzung der Politik der Bundesregierung. Die Brücke der Brückentechnologie Atomkraft wird einfach nur verkürzt, haben wir im Ausschuss gelernt. - Aha! (Beifall bei der FDP - Patrick Döring [FDP]: So ist es!) Als Bauminister muss er sich ja mit dem Brückenbau auskennen. Ich hoffe nur, dass das Fundament Ihrer hastigen Energiewende, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wirklich trägt. Minister Ramsauer hat sich dann auch noch - das war der Höhepunkt - als Leser der Wolke von Gudrun Pausewang geoutet, der schon immer vor den Gefahren der Atomkraft gewarnt hat. (Heiterkeit der Abg. Ute Vogt [SPD]) Da frage ich mich: Wo war Herr Ramsauer, als das Kabinett die Laufzeitverlängerungen für die Atomkraftwerke beschlossen hat? (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Bayern!) Wo war der Minister, als im Haushalt 2011 die Mittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm zusammengekürzt wurden? (Florian Pronold [SPD]: Das hat er selber vorgeschlagen!) Gestern noch Wiedereinstieg in die Atomkraft, heute Ausstieg. Gestern Ausstieg aus der energetischen Sanierung, heute Wiedereinstieg. Mal hü, mal hott. Die Regierung hat damit Investoren verunsichert und entscheidende Monate auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung verloren. Keine Frage, ich freue mich, dass Sie doch noch zu der besseren Einsicht gekommen sind, dass der rot-grüne Atomausstiegsbeschluss und die Förderung erneuerbarer Energien richtig sind. Ich freue mich auch, dass Sie das CO2-Gebäudesanierungsprogramm wiederbeleben. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, die energetische Sanierung von Gebäuden machte auch schon vor Fukushima Sinn. Energetische Sanierung ist sinnvoll, weil Gebäude ganz wesentlich zum Energiesparen beitragen können. Energetische Sanierung ist sinnvoll, weil sie Arbeitsplätze schafft. So unstrittig diese Erkenntnis in der Fachwelt, in der Wirtschaft und bei den Menschen ist: Schwarz-Gelb hat sie bisher doch ignoriert. (Zuruf von der FDP: Ach so! Deshalb haben wir so wenig Arbeitslosigkeit!) Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, haben im Haushalt für dieses Jahr die Mittel für die energetische Gebäudesanierung drastisch zusammengestrichen. Von 2 Milliarden Euro Förderung im Jahr 2009 ist doch nur noch ein Viertel übrig geblieben. (Patrick Döring [FDP]: Trotzdem hat Förderung im energetischen Bereich stattgefunden!) Auf Druck von Opposition und Öffentlichkeit haben Sie 500 Millionen Euro draufgelegt. Die stehen jedoch auf äußerst wackligen Beinen. (Patrick Döring [FDP]: Richtiger Quatsch!) Sie sollten aus Ihrem Energie- und Klimafonds kommen, der sich aus den Einnahmen aus der Brennelementesteuer speist. Das war auch ohne Ausstieg aus der Atomkraft ein gewagtes Konstrukt, und jetzt ist es doch völlig obsolet. (Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie nicht geschafft!) Sechs Monate und leider einen Super-GAU später haben Sie uns 1,5 Milliarden Euro für die Jahre bis 2014 für das KfW-Programm zugesagt. Zusammen mit der steuerlichen Förderung wollen Sie so eine Sanierungsquote von 2 Prozent erreichen. Das ist immerhin ein Etappenziel. Aber ich habe meine Zweifel, ob Sie dies mit Ihren Vorschlägen erreichen. Dafür sehe ich zwei Gründe: Erstens ist wiederum Ihr Energie- und Klimafonds das Füllhorn, aus dem das Geld für die zinsgünstigen KfW-Kredite kommen soll, wie übrigens auch für die Elektromobilität und vieles mehr. Zweitens habe ich auch Zweifel, ob Sie mit dieser Regelung zur steuerlichen Absetzbarkeit die Breite der Hauseigentümer wirklich erreichen, die in Einfamilien- und Zweifamilienhäusern wohnen. Die Anforderungen an die energetische Sanierung müssen so gesetzt sein, dass es sich auch einkommensschwächere Eigentümer leisten können, in Dämmung, effizientere Heizungen und Warmwasserbereitung zu investieren. (Zuruf von der FDP: Dafür gibt es zinsverbilligte Darlehen!) Ich habe insgesamt Zweifel, ob die Eile der Gesetzgebung der Sache dient. Ein weiterer Teil Ihres Energiewendepakets, das jetzt schnell, schnell durch das Parlament soll, ist die vorgezogene Änderung des Baugesetzbuches. In Ihrem Entwurf steht viel Sinnvolles, wie zum Beispiel die Klimaschutzklausel. Im allgemeinen Zuspruch darf aber nicht untergehen, wie unzulänglich Ihre Politik für die Städte ist. Ich will zwei Punkte nennen: erstens die Kürzung der Städtebauförderung und zweitens die Mietrechtsnovelle. Erstens. Mit der Kürzung der Städtebauförderung ziehen Sie sich aus der Verantwortung für die Entwicklung der Städte und Gemeinden zurück. Wenn Sie klimagerechte Stadtentwicklung als Ziel des Stadtumbaus ins Baugesetzbuch aufnehmen, ist das gut. Das ist überhaupt keine Frage. Aber der Stadtumbau braucht dann auch die notwendige finanzielle Substanz. Nehmen Sie die Kürzung der Städtebauförderung zurück, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen! Jetzt ist doch der richtige Zeitpunkt dafür. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Stocken Sie die Städtebauförderung endlich wieder auf mindestens 610 Millionen Euro auf! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der zweite Punkt. Mit der geplanten Mietrechtsnovelle, lieber Kollege Döring, belasten Sie einseitig die Mieter mit den Kosten des Klimaschutzes. (Beifall bei der SPD und der LINKEN - Widerspruch des Abg. Patrick Döring [FDP]) - Natürlich, Herr Döring. Das Recht, die Miete zu mindern, soll doch in Zukunft bei energetischer Sanierung drei Monate lang nicht gelten. Ist das richtig? (Patrick Döring [FDP]: Zum Wohl des Klimas!) - Das ist richtig. Gut. - Sie bürden damit den Mietern diese Kosten gleich zweimal auf: Sie dürfen die Miete nicht mindern, obwohl ihre Wohnung nur eingeschränkt bewohnbar ist, (Petra Müller [Aachen] [FDP]: Warum eingeschränkt bewohnbar, wenn außen saniert wird?) und sie müssen auch noch die Kosten der Modernisierung über Mieterhöhungen tragen. Die Folgen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind absehbar: Einkommensschwache Haushalte werden zum Wegzug gezwungen, und die soziale Spaltung in den Städten wird weiter zunehmen. Das müssen Sie endlich einmal verstehen. Lassen Sie doch einmal die Finger vom Mietrecht! Es ist richtig, Investitionshemmnisse für energetische Sanierung abzubauen (Patrick Döring [FDP]: Aha!) - das ist der richtige Weg -, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, nicht einseitig zulasten der Mieter. (Beifall bei der SPD und der LINKEN - Patrick Döring [FDP]: Tut doch keiner!) - Natürlich. Was wir brauchen, ist eine aktive Stadtentwicklungspolitik des Bundes, die Ökonomie, Ökologie und Soziales in Einklang bringt. Wir brauchen eine aktive Stadtentwicklungspolitik, die die Städte dabei unterstützt, die Herausforderungen des Klimawandels ebenso zu bewältigen wie die des sozialen Zusammenhalts. Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, nutzen Sie die Chance, nicht nur Ihren Fehler in der Energiepolitik wiedergutzumachen und zu dem zurückzukehren, was wir bereits vor zehn Jahren eingeleitet haben, sondern machen Sie das Gleiche auch in der Stadtentwicklungspolitik. Wenn Sie das schaffen, dann bekommen Sie bestimmt auch Applaus von unserer Seite. (Zuruf von der FDP: Wollen wir ja gar nicht!) Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Patrick Döring von der FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Patrick Döring (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie so oft in Debatten zur Baupolitik wird hier von der Opposition - ich nehme Frau Wagner ausdrücklich aus - überwiegend etwas behauptet, was weder geplant ist noch in irgendeinem Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehen ist. (Sören Bartol [SPD]: Aha!) Wenn wir, wie der Kollege Bartol zu Recht dargestellt hat, derzeit in der Ausgestaltung des Mietrechts die größten Hemmnisse für die Umsetzung energetischer Sanierungen sehen, und zwar insbesondere in den Fällen, wo wir es mit Eigentümergemeinschaften in Mehrfamilienhäusern zu tun haben, dann dürften doch alle Beteiligten anerkennen und konzedieren, dass Politik auf dieses Hemmnis eine Antwort geben muss. Die Antwort lautet: Wir wollen der Verzögerung oder Verhinderung von Sanierungen und damit der Demotivierung von sanierungswilligen Eigentümern dadurch abhelfen, dass wir eine Pflicht für die Mieter einführen, solche Sanierungen drei Monate ohne Mietminderungsmöglichkeit zu dulden. (Sören Bartol [SPD]: Es gibt doch keine reine energetische Sanierung!) Da zugleich durch diese Maßnahmen am Ende die Nebenkosten stark sinken werden - und das kommt ausschließlich dem Mieter zugute -, ist das eine vertretbare Lösung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Lassen Sie uns noch einmal über die Mär sprechen, die über das KfW-Programm verbreitet wird. Sie haben ein KfW-Programm auf den Weg gebracht, das befristet mit Mitteln ausgestattet war. Sie haben entschieden - wir haben Sie dabei unterstützt -, dass im Jahr der Krise zusätzliche Mittel, die eigentlich für Folgejahre vorgesehen waren, zur Verfügung gestellt werden, um die Baukonjunktur zu stützen. Das war richtig. (Sören Bartol [SPD]: Wer hat das denn auf null gemacht?) Man muss sich dann aber, wenn die Krise vorbei ist und sich das Wirtschaftswachstum auf einem historisch hohen Niveau bewegt, auch eingestehen, dass man nur noch die verbleibenden Mittel verausgaben kann. Trotzdem ist übrigens die Sanierungsquote nicht zurückgegangen, und trotzdem ist die Baukonjunktur weiter im Aufwind. Deshalb war es richtig, so zu handeln, wie die Regierung gehandelt hat. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Florian Pronold [SPD]: Und warum jetzt wieder hoch?) Jetzt stehen wir vor der Herausforderung, zusätzliche Anreize für eine schnellere Umsetzung energetischer Sanierungsmaßnahmen zu schaffen. Die zusätzlichen Maßnahmen stehen auf zwei Säulen. Die eine ist das Aufwachsen des Gebäudesanierungsprogramms über KfW-Mittel für diejenigen, bei denen eine Einkommensteuerentlastung wenig Wirkung haben würde, also zum einen bei den kommunalen Wohnungseigentümern und zum anderen bei denjenigen Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern, die wenig oder gar keine Einkommensteuer zahlen. Das sind überwiegend Rentnerinnen und Rentner, aber eben auch Geringverdiener; sie bekommen ihre Förderung über die KfW-Programme. Da wir hier alle im Hause wissen, dass der Deutsche nichts schöner findet, als Steuern zu sparen, wollen wir darüber hinaus diejenigen, die diese Sanierungsaufgabe aus eigenen Mitteln, ohne Banken in Anspruch zu nehmen, schultern, mit einer 10-prozentigen Sonderabschreibung entlasten. Das ist der richtige Weg; den geht diese Koalition. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Florian Pronold [SPD]: Also nur aus Eigenmitteln? Jetzt passiert Folgendes, geschätzter Herr Kollege Pronold - Sie sind ja Finanzpolitiker -: Wenn in jedem Jahr ein Investitionsvolumen von etwa 1,5 Milliarden Euro einkommensteuerlich geltend gemacht wird - davon gehen wir aus -, dann wird bei einer Einkommensteuerschuldminderung von 10 Prozent eine Kassenwirkung von 150 Millionen Euro entfaltet. Die 10 Prozent werden unterschiedlich kassenwirksam; es wächst von Jahr zu Jahr auf, weil das Volumen insgesamt größer wird. Das ist der richtige Weg, um die privaten Haus- und Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer bei den Sanierungskosten wirksam zu entlasten. Das ist der Weg, den wir vorschlagen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Abg. Florian Pronold [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Ich bin den Oppositionsparteien insofern dankbar, dass wir heute diese Debatte führen, als wir - auch ich ganz persönlich - dadurch noch einmal die Gelegenheit haben, deutlich zu machen, dass wir große Anhänger der erfolgreichen Städtebauförderprogramme der Bundesrepublik Deutschland sind. (Sören Bartol [SPD]: Das hat man ja gesehen!) - Auch ich ganz persönlich, lieber geschätzter Kollege Bartol. - Trotzdem ist es klug, darüber nachzudenken, diese Städtebauförderprogramme immer wieder den neuen Herausforderungen der Städte und Gemeinden anzupassen und sie fortzuentwickeln. (Sören Bartol [SPD]: Aber doch nicht runterstreichen!) Nichts anderes haben wir getan. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Döring, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Patrick Döring (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. Aber wir führen heute keine steuerpolitische Debatte. - Es gibt jedoch mehr als eine reine Mittelausstattung. Es gibt vernünftige Programme, in deren Rahmen wir das tun können. Der Kollege Wegner hat dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass es insbesondere in Berlin bei den Städtebauförderprogrammen zu erheblichen Zweckentfremdungen kommt. Das wollen wir vermeiden, um die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht zu überfordern. Deshalb haben wir dort nachgeschärft. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Eine abschließende Bemerkung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dies ist eine baupolitische Debatte. Deshalb muss sie über den Punkt der Wohn- und Immobilienwirtschaft weit hinausgehen. Ich glaube, es ist ein gutes Signal für Deutschland, dass die baden-württembergische grün-rote Landesregierung heute entschieden hat, Stuttgart 21 weiterzubauen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Hier zeigt sich: Baurecht ist nicht von Wahlterminen abhängig, und das ist gut für Deutschland. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Döring, wollen Sie noch eine Zwischenfrage zulassen? Patrick Döring (FDP): Danke, nein. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wollen Sie nicht. - Dann erteile ich dem Kollegen Florian Pronold das Wort zu einer Kurzintervention. Florian Pronold (SPD): Herr Döring, ich frage nach, damit wir das auch im Protokoll stehen haben; denn ich glaube, das ist eine spannende Frage, die Sie aufgeworfen haben. Sie haben hier am Rednerpult gesagt, dass diejenigen die 10-mal-10-Förderung bekommen, die aus Eigenmitteln sanieren. Das bedeutet, im Falle einer Kreditfinanzierung gibt es diese 10-mal-10-Förderung nicht. (Patrick Döring [FDP]: Das ist nicht so! Aber ich stelle das klar!) - Gut; das ist nämlich wichtig. Denn wenn die Förderung nur bei einer Sanierung aus Eigenmitteln erfolgt, finden Sie überhaupt niemanden, der noch saniert. (Patrick Döring [FDP]: Volkshochschule!) Das müssen Sie hier schon richtig darstellen. Eine entscheidende Frage, die Sie nicht beantwortet haben, ist: Erfolgt die Förderung parallel zu den KfW-Mitteln? Bisher ist das so, zum Beispiel bei der Sonder-AfA. (Patrick Döring [FDP]: Auch das beantworte ich!) Wenn ich eine denkmalgeschützte Immobilie mithilfe eines KfW-Kredits saniere, kann ich trotzdem zehnmal 10 Prozent abschreiben. Wollen Sie das auch im Falle der energetischen Sanierung, oder wollen Sie das nicht? Das müssten Sie klar beantworten. Die zweite Frage ist, ob Sie den Steuervorteil auch den Mieterinnen und Mietern zugutekommen lassen, wie wir das auch bei der KfW-Förderung machen. Da darf nämlich dieser Anteil nicht auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden. Sorgen Sie dafür, dass die Mieterinnen und Mieter auch von dem Steuervorteil profitieren; dann werden wir uns gerne auf diese Regelung einlassen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Es kommt noch eine zweite Kurzintervention des Kollegen Stefan Liebich. - Bitte schön. Erst die zweite Kurzintervention, Herr Döring kann dann beide zusammen beantworten. Stefan Liebich (DIE LINKE): Herr Döring, Sie haben eben wie der Kollege Wegner auf die Politik des Landes Berlin Bezug genommen. Ich möchte nicht, dass hier Legenden im Raum stehen bleiben. Deshalb möchte ich Sie darüber informieren, dass das Land Berlin im Bundesrat auf Vorschlag des Wirtschaftssenators Harald Wolf den Antrag gestellt hat, die Kürzungen bei der Städtebauförderung zurückzunehmen, dass der Bundesrat dem zugestimmt hat und dass das Problem nicht das Land Berlin ist, sondern die Mehrheit hier im Deutschen Bundestag. (Beifall bei der LINKEN - Sören Bartol [SPD]: Ihr seid das Problem!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Jetzt Kollege Döring zur Erwiderung. Patrick Döring (FDP): Geschätzter Kollege Liebich, es wird in den Auseinandersetzungen zwischen Bundestag und Bundesrat immer wieder Punkte geben, bei denen sich der eine oder andere Partner finanziell über- oder unterfordert fühlt. (Sören Bartol [SPD]: Habt ihr jetzt gekürzt, ja oder nein?) Aber ich sage auch ganz deutlich: Die Bundesländer haben mindestens genauso starke Konsolidierungsanstrengungen zu leisten wie der Bund. Man kann darüber streiten, ob es nun richtig oder falsch war, an dieser Stelle einen Teil der Bundesausgaben zu reduzieren, um die Schuldenbremse zu erreichen. Aber ich nehme auch zur Kenntnis, dass die Länder und die Kommunen offenbar so sehr an den Programmen nicht hängen, denn sie hätten den sinkenden Bundesanteil aus eigenen Mitteln jederzeit ausgleichen können. (Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nun zum Kollegen Pronold. Herr Kollege Pronold, Sie wollen das offenbar bewusst missverstehen, aber dann will ich es auch bewusst zurückspielen. Natürlich ist es völlig unerheblich, aus welchen Mitteln derjenige, der die Sonderabschreibung in Anspruch nehmen will, seine Sanierung vorgenommen hat. Aber die Erfahrung zeigt, dass insbesondere diejenigen Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer, die eben nicht mithilfe von darlehensfinanzierten Maßnahmen Zinsverbilligungen bei der KfW anstreben, besondere Anreize durch die steuerliche Förderung bekommen. Aber es wird auch andere Fälle geben. Deshalb ist die steuerliche Förderung völlig unabhängig von der Geldquelle, aus der die Sanierung bezahlt wird. Darüber hinaus werden wir selbstverständlich ausschließen, dass es bei den knappen Haushaltsmitteln, die wir haben, zu der Möglichkeit kommt, KfW-Mittel und eine steuerliche Vergünstigung in Anspruch zu nehmen. Wir wollen keine Überförderung. Dass wir diese Überförderung nicht wollen, hat auch der Kollege Götz erwähnt. Das werden wir glasklar im Gesetzentwurf niederlegen. Wir werden dort auch niederlegen, dass wir diese Sonderabschreibung nicht für Anlagen ermöglichen, die zu EEG-Stromeinspeisevergütungen führen - Stichwort Dach-PV -, weil auch hier eine Doppelförderung vorläge, die wir in jedem Fall vermeiden wollen. Was die Umlageidee angeht, bleibe ich ganz hart im Steuerrecht. Der einkommensteuerliche Vorteil ist die Sache des Steuerpflichtigen. Wie der dann mit seiner veränderten Renditeberechnung seine Miete kalkuliert, ist ihm überlassen, solange wir eine soziale Marktwirtschaft haben. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat nun die Kollegin Ingrid Remmers von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Ingrid Remmers (DIE LINKE): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit Wochen diskutieren wir den Ausstieg aus der Atomenergie. Auch wenn die Linke die bisherigen Vorschläge eher als Herauskriechen denn als Aussteigen bezeichnet, haben wir hier immerhin Konsens. Nach Fukushima und langen Diskussionen über unsere künftige Energieversorgung sind wir uns also in einigen Punkten weitestgehend einig. Wir wollen keine unkalkulierbaren Risiken durch Atomkraft, wir wollen saubere, erneuerbare Energien. Auf dem Weg dorthin müssen wir Energie sparen. Insofern ist auch die energetische Sanierung des Wohnraums an sich Konsens. Während wir aber einerseits keine unkalkulierbaren Risiken durch Atomkraft wollen, ist die Bundesregierung mehr als bereit, in der Sanierungsfrage den Mieterinnen und Mietern unkalkulierbare Kostenerhöhungen aufzubürden. Das lehnt die Linke ab. (Beifall bei der LINKEN) Tatsache ist, dass die Hausbesitzer einen Anreiz brauchen, eine ökologische Sanierung ihrer Gebäude anzugehen und damit auf lange Sicht zum Wohle aller Energie zu sparen. Die Bundesregierung ist aber eben nicht bereit, sich an den Kosten ausreichend zu beteiligen. Sie versucht stattdessen, über die Beschneidung von Mieterrechten - wir haben es hier schon gehört - durch die geplante flankierende Mietrechtsänderung die Kosten für die energetische Sanierung ausschließlich auf die Mieterinnen und Mieter abzuwälzen. Dazu sagen wir als Linke: Die Sanierung weiter Teile des Wohnraumbestandes der Bundesrepublik Deutschland ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deren erhebliche Kosten können eben nicht einseitig getragen werden. Für das Jahr 2012 - wir haben es eingangs vom Kollegen Götz gehört - stellt die Regierung 1,5 Milliarden Euro für zinsvergünstigte Kredite der KfW bereit. Das, Herr Kollege, ist besser als nichts, aber bei weitem nicht ausreichend. Die Deutsche Energie-Agentur rechnet mit einem Bedarf von mindestens 2 Milliarden, wahrscheinlich eher 5 Milliarden Euro pro Jahr, um die jährliche Sanierungsrate von 1 auf 2 Prozent steigern zu können. Diese Rate ist nötig, um sowohl die Klimaziele als auch den kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien tatsächlich erreichen zu können. Das bedeutet aber, dass die Förderprogramme - entgegen dem, was Kollege Döring hier gerade gesagt hat - finanziell erheblich ausgeweitet werden müssen. Da sind die in Aussicht gestellten zusätzlichen Mittel in Höhe von 500 Millionen Euro tatsächlich nur eine Beruhigungspille. Kommen wir zum Mietrecht. Das geplante neue Mietrecht sieht wie auch das bestehende Mietrecht vor, dass der Vermieter - auch das haben wir hier heute schon gehört - zur Refinanzierung seiner Investition 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen kann; das ist nicht neu. Es soll aber neu geregelt werden, dass der Mieter im Vorfeld - anders als hier behauptet - der Modernisierung keine Einspruchsmöglichkeit hat; der entsprechende § 554 BGB soll gestrichen werden. (Patrick Döring [FDP]: Ja!) Erst nach bereits erfolgter Modernisierung hat der Mieter die Möglichkeit, im Mieterhöhungsverfahren über die Mieterhöhung zu verhandeln. Da frage ich mich: Wer hat denn da die besseren Karten in der Hand? (Patrick Döring [FDP]: Immer der Mieter, weil wir überwiegend entspannte Märkte haben!) Die Hemmnisse, Kollege Döring, bei der Sanierung, die Sie gerade angesprochen haben, wollen Sie in Wahrheit nur abbauen, um den Großteil der Kosten auf die Mieterinnen und Mieter umzulegen. Sagen Sie wenigstens die Wahrheit! (Florian Pronold [SPD]: Das ist eine unmögliche Forderung an den Kollegen Döring!) Abgesehen davon sollen die Nachweiskriterien noch moderater gestaltet werden als bislang. Die 11-prozentige Mieterhöhung bedeutet für den Vermieter, dass sich seine Investition nach rund neun Jahren amortisiert hat. (Patrick Döring [FDP]: Sofern er sie finanzieren kann!) Der Wertzuwachs seiner Immobilie wurde dann allein vom Mieter finanziert, während die nun abgeschriebenen Bauteile je nach Nutzungsdauer weitere 5 bis 75 Jahre genutzt werden können. Das ist schön für den Vermieter; aber für den Mieter bedeutet die 11-prozentige Umlage - wir haben es berechnet - eine reale Nettomietsteigerung um mehr als 50 Prozent. (Zuruf von der FDP: Haben Sie die Nebenkosten eingerechnet?) - Dazu komme ich noch. - Damit erreicht die Bundesregierung zunächst einmal, dass ein großer Teil der Mieterinnen und Mieter eine energetische Sanierung ablehnen wird, obwohl sie ein wichtiges Ziel unserer Politik sein sollte. Damit erreicht sie außerdem, dass viele Mieterinnen und Mieter zum Umzug gezwungen werden, da die Miete - auch vor dem Hintergrund stagnierender Realeinkommen in den letzten zehn Jahren - für viele Menschen unerschwinglich wird. Da reicht - bei aller sonstigen Zustimmung - die von den Grünen vorgeschlagene Reduzierung der Umlage auf 9 Prozent leider nicht aus. Wir fordern in unserem eigenen Mietsrechtsantrag, die Umlage der Modernisierungskosten auf 5 Prozent der jährlichen Kaltmiete zu begrenzen. Die daraus resultierende Mietsteigerung bedeutet für den Mieter, auch unter Berücksichtigung der zu erwartenden Energiekosteneinsparung, eine Erhöhung der Gesamtkosten, aber eine leistbare. Für den Vermieter hätte das die Konsequenz, dass sich seine Investition statt nach neun erst nach 20 Jahren amortisiert hat, was aber bei der relativ langen Haltbarkeit von Wohnraum durchaus vertretbar ist. Aber auch in diesem Fall - bei einer Umlage von 5 Prozent - hat der Mieter die Wertsteigerung der Immobilie allein bezahlt; dem Vermieter bleibt die Restnutzungsdauer. Es ist gar nicht einzusehen, warum eine Laufzeit von 20 Jahren hier nicht vertretbar sein soll, während sie bei den KfW-Krediten für Eigenheime längst gängige Praxis ist. Als Linke sagen wir: Was Vermieter und Mieter nicht alleine stemmen können, muss der Staat - nicht etwa als soziale Wohltat, sondern in seinem eigenen Interesse - finanziell abfangen. Maßnahmen der energetischen Sanierung und die Schaffung barrierefreien Wohnraums müssen für den Vermieter durch einen Rechtsanspruch auf öffentliche Förderung erleichtert werden. Mein Kollege Roland Claus hat es eben schon ausgeführt: Es müssen die haushalterischen Voraussetzungen für einen auskömmlichen finanziellen Rahmen der Förderprogramme geschaffen werden. Ziele sind die Verdopplung der Quote der Sanierungen der Wohnungsbestände gegenüber dem Bestand von 2009 und die Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 80 Prozent bis 2050. Wir fordern außerdem, dass Maßnahmen der energetischen Sanierung nur dann duldungspflichtig sind, wenn durch die Maßnahmen für die Mieterinnen und Mieter selbst keine unzumutbaren Härten entstehen, die Energieeinsparung mindestens den aktuellen Vorgaben der Energieeinsparverordnung entspricht, die Bundesregierung im Rahmen der öffentlichen Förderung eine kostenlose Mieter- und Energieberatung gewährleistet und angesichts der sozusagen gesetzlich beschlossenen Mieterhöhung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit eine ersatzlose Räumung der Wohnung nach Kündigung nicht zulässig ist. Dies sind die Mindeststandards, die erfüllt sein müssen, um bei der Bevölkerung die nötige Akzeptanz für die energetische Sanierung von Wohnraum zu erreichen. (Beifall bei der LINKEN) Abschließend sage ich: Wenn ich mir die Gewinne der drei großen Energieunternehmen ansehe, die - das haben wir eben auch schon gehört - sich jetzt weigern, in den Energie- und Klimafonds einzuzahlen, habe ich eine vage Idee, wie der Bund das Geld für die energetische Sanierung beschaffen könnte. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Volkmar Vogel von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es hier noch einmal deutlich zu machen: Die Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz, die wir derzeit anstreben, sind nichts anderes als die konsequente Umsetzung unseres Energiekonzeptes vom Oktober 2010. Die Anträge der Opposition, über die wir heute reden, sind alle später eingegangen. So viel zum Thema, wer wem nachfolgt. (Florian Pronold [SPD]: Wie war denn der Haushaltsansatz bei KfW im Oktober 2010?) Die Erlöse aus der Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke, so wie von uns ursprünglich vorgesehen, sollten vor allen Dingen den Übergang zu einer stärkeren Nutzung der erneuerbaren Energien finanziell abfedern helfen. (Sören Bartol [SPD]: Sie glauben es wirklich!) Hier ist die Situation jetzt leider anders. Wir stehen vor neuen Herausforderungen, wenn es darum geht, den Übergang zu einer stärkeren Nutzung der erneuerbaren Energien sozialverträglich und finanziell sicher darzustellen. (Florian Pronold [SPD]: Ist das der Textbaustein, den alle hier vorlesen müssen, den Sie da gerade vortragen?) Die Haushaltsmittel und vor allen Dingen der Energie- und Klimafonds müssen neu geordnet werden. Unsere ambitionierten Ziele bleiben aber die gleichen: bis 2020 20 Prozent weniger Primärenergieverbrauch, bis 2050 80 Prozent weniger. Dafür brauchen wir eine Sanierungsrate von 2 Prozent gegenüber 1 Prozent in den letzten Jahren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm ist dabei das wesentliche Instrument. Hiermit komme ich zur nächsten Klarstellung. Wäre das Programm, so wie ursprünglich angelegt, 2011 ausgelaufen - eine Fortsetzung war ursprünglich nicht angedacht -, (Patrick Döring [FDP]: So ist das!) dann hätten noch 850 Millionen Euro zur Verfügung gestanden, weil die Auffüllung des Programms in den Vorjahren durch Vorziehen der Mittel und ungefähr 1 Milliarde Euro neuer Schulden im Rahmen des Konjunkturpakets erfolgte. Neue Schulden sind aber - wir alle kennen die Haushaltslage - auf Dauer nicht verantwortlich. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Florian Pronold [SPD]: Wo kommt das jetzt her?) Nichts da von wegen Mittelkürzungen! Entsprechend dem Haushaltsansatz für dieses Jahr stehen 440 Mil-lionen Euro zur Verfügung. Hinzu kommen 500 Millio-nen Euro aus dem Energie- und Klimafonds. Das macht 940 Millionen Euro, die in diesem Jahr zur Verfügung stehen. Wir wissen aber, dass wir die Sanierungsquote von 2 Prozent damit nicht erreichen können. Deswegen wird nun das Programm für Darlehen und Zuschüsse vor allen Dingen für Kleinverdiener auf 1,5 Milliarden Euro jährlich für die Jahre von 2012 bis 2014 aufgestockt. Wenn man die geplanten Sonderabschreibungsmöglichkeiten hinzufügt, kommen wir auf einen Betrag, der über 2 Milliarden Euro liegt. So helfen wir, die von uns angestrebte Sanierungsquote von 2 Prozent pro Jahr sozialverträglich zu schultern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Sozialverträglich und sozial vertretbar für alle Akteure heißt zum einen Fordern im Ordnungsrecht, soweit vertretbar, und es heißt vor allen Dingen Fördern, nämlich in einem vertretbaren Maß Anreize schaffen. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, das hört sich ein bisschen anders an!) Lassen Sie mich an dieser Stelle auch Folgendes sagen: Die wichtigste soziale Komponente in der EnEV ist aus meiner Sicht das Wirtschaftlichkeitsgebot, (Patrick Döring [FDP]: So ist das!) und zwar im Einzelnachweis für den Nutzer. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit energetischer Maßnahmen in vertretbaren Zeiträumen hält die Belastungen für die Wohnungsunternehmen, für kleine Vermieter, für die Selbstnutzer und nicht zuletzt für die Mieter in Grenzen. Um die ehrgeizigen Ziele bis 2020 bzw. 2050 zu erreichen, muss die Umsetzung aus meiner Sicht möglichst einfach und vor allen Dingen in der Breite machbar sein. Die neueste Technologie des Niedrigstenergiehauses ist genauso wichtig wie eine große Zahl von hocheffizienten Einzelmaßnahmen. Damit die Energieeffizienz in der Breite wirkt, brauchen die Menschen im Lande, die sanieren wollen, vor allem Planungssicherheit und einfache Lösungen. Im Hinblick auf die Anforderungen ist die EnEV aus unserer Sicht bereits sehr anspruchsvoll. Eine weitere Verschärfung vor allen Dingen für den Bestand wäre eher kontraproduktiv. Hierzu sind uns Beispiele aus verschiedenen Ländern bekannt. Finanzielle Anreize gehören dazu, vor allen Dingen Zuschüsse, um in die Breite zu gehen, sowie Abschreibungsmöglichkeiten für hocheffektive Einzelmaßnahmen. Regelungen im Baurecht gehören dazu. Wir arbeiten daran, gerade wenn es um Abstandsflächenverkleinerungen durch Dämmungen geht oder darum, den energieeffizienten Quartierumbau in der Baugenehmigung besser zu berücksichtigen. Es geht auch um mehr Information, Aufklärung und Fortbildung. Nicht zuletzt geht es um eine Vorbildwirkung. Die öffentliche Hand trägt eine besondere Verantwortung, wenn es um die Reduzierung des Energieverbrauches geht. Die Fraktion der CDU/CSU und sicherlich auch die Fraktion der FDP unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich darin, dass Bundesbauten hier eine Vorbildfunktion erfüllen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) An dieser Stelle bitten wir die Länder und Kommunen, in ihren Bereichen in ähnlicher Weise zu verfahren. Lassen Sie mich einen Ausblick in die Zukunft wagen. Wir werden im Rahmen unseres Energiekonzeptes einen Sanierungsfahrplan erarbeiten, der den Zeitraum von 2020 bis 2050 berücksichtigt. Wir beginnen bereits in diesem Jahr, neue Potenziale erschließen. Dazu gehört aus meiner Sicht die energetische Städtebausanierung, vor allem in den Innenstädten und in den dicht besiedelten Räumen. Ein weiterer Aspekt ist aus meiner Sicht auch die Frage der Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit wird im Baubereich in den nächsten Jahrzehnten eine größere Rolle spielen als bisher. Es geht um die Betrachtung des Gebäudes über den gesamten Lebenszyklus. Es geht außerdem darum, die Baustoffe, die Bautechnologien und die Wiederverwertbarkeit von Bauteilen in die Planung einzubeziehen. Wir befinden uns in einem Bereich, über den wir an anderer Stelle sicherlich noch reden müssen. Es geht um die ganzheitliche Betrachtung des Bauwerks angesichts der zu erwartenden demografischen Veränderungen und der sich immer wieder ändernden Nutzungsgewohnheiten derjenigen, die in diesen Häusern wohnen. Mit diesem Ausblick, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich schließen. Sie sehen, dass wir mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen den Akteuren am Markt, die sie umsetzen müssen, Planungssicherheit geben. Denn nur in der Breite wird es gelingen, die anspruchsvollen Ziele zu erreichen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Michael Groß von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Michael Groß (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute wurden schon große Worte gefunden. Die FDP setzt auf Freiheit und in den Programmen auf Anreize. Im Unterschied dazu sind für die SPD drei Dinge wichtig: Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit. Das müssen wir auch in den Programmen umsetzen. (Beifall bei der SPD) Wir haben in den letzten Tagen erlebt, dass wir eine zweite Energiewende hinter uns bringen. Wir haben in den letzten Monaten erlebt, dass Sie nicht prioritär auf die Gebäudesanierung gesetzt haben. Sie haben nämlich die Programmmittel gekürzt und sie erst nach großem öffentlichen Druck wieder auf den Stand erhöht, den Sie heute mehrfach erwähnt haben. Diese Reaktion ist also nicht Ihrer Erkenntnis geschuldet, vielmehr hat Sie erst die große politische Diskussion nach dem Nuklearunfall in Japan dazu gebracht, hier zu handeln. Immerhin sind wir uns zurzeit einig, dass die energetische Sanierung dazu beitragen muss, den Klimaschutz zu verbessern und damit das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Nachhaltigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, den Energie- und Ressourcenverbrauch massiv zu reduzieren. Die finanziellen Mittel sind begrenzt und müssen effizient eingesetzt werden. Ich glaube, auch darüber sind wir einer Meinung. Dazu gehört auch - Herr Körber, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie schon darauf eingegangen sind -, dass eine umfassende CO2-Gebäudesanierung nicht losgelöst betrachtet werden kann. Wir benötigen einen umfassenden Blick auf die Stadt. Ein energetisch saniertes Haus muss für den Besitzer und für den Mieter nachhaltig bewohnbar sein, das heißt bezahlbar, umweltschonend, barrierearm und altersgerecht. Teure und aufwendige Zweitsanierungen sollten vermieden werden. (Beifall bei der SPD) Nachhaltigkeit gilt aber auch für den effizienten Mitteleinsatz hinsichtlich der Stadtentwicklung. Es gilt, quartiersbezogene Maßnahmen für die Energiebereitstellung aus regenerativen Energien zu berücksichtigen. Attraktive Städte und Gemeinden sind klimafreundlich, barrierearm und sozial. Dieser Dreiklang fehlt bei Ihnen. Sie haben das Programm "Soziale Stadt" vor die Wand gefahren. Sie sind dabei, die Mittel zurückzufahren, sodass die Kommunen nicht mehr handlungsfähig sein werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen jetzt sehr schnell und intensiv in den Sanierungsfahrplan einsteigen. Dabei sind eine erfolgreiche Motivation der Eigentümer und Vermieter, aber eben auch die Akzeptanz der Mieter wichtig. Eine qualifizierte und unabhängige Beratung vor Ort ist dazu ein wichtiger Schlüssel; Sie gehen darauf ein. Wir werden sehen, wie Sie das umsetzen. Dem Gebäudeeigentümer muss eine langfristige und passgenaue energetische Perspektive aufgezeigt werden. Einer der Gründe, warum das bisher nicht funktioniert hat - das wurde schon mehrfach dargestellt -, ist das Hin und Her bei der finanziellen Ausstattung und Ihre inkonsequente Haltung gegenüber dem Programm. Die Akteure Eigentümer, Handwerk und Gewerbe brauchen langfristige und verlässliche Förderprogramme. Nur so können diese am Markt wirksam werden, qualifizierte Arbeitsplätze in Handwerk und Mittelstand aufgebaut und Kapazitäten in der Industrie vorgehalten werden. Eine Verstetigung der Mittel von mindestens 2 Milliarden Euro im Haushalt ist die einhellige Forderung aller Experten und meiner Fraktion. Um die Klimaschutzziele zu erreichen und die Sanierungsquote zu erfüllen, müssen wir jeden Hausbesitzer einbinden. In der Realität sieht es zurzeit anders aus. Einige Wohnquartiere sind in der Hand von Investoren, die ihre Wohnungen verkommen lassen. Wie wollen Sie den Teil der Immobilienbesitzer erreichen, die sich nicht verantwortlich fühlen, die weder Schimmel beseitigen noch Heizungen regelmäßig warten und kein Interesse an einem geringen Energieverbrauch haben? Auch die Gruppe der finanzschwachen Hausbesitzer wird von der Bundesregierung nicht genügend berücksichtigt; denn diese werden die steuerlichen Vergünstigungen und selbst verbesserte Kreditbedingungen kaum in Anspruch nehmen. CO2-Gebäudesanierung ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Mieter, Vermieter und Staat, bei der der Mieter einen besonderen Schutz braucht. Bei dem Konzept der Bundesregierung ist zu befürchten, dass die Mieter die Kosten der energetischen Sanierung im Gebäudebestand in Zukunft noch mehr und in unverhältnismäßiger Weise schultern müssen, und zwar unabhängig davon, ob sie Energie einsparen werden. Sanierungskosten und steigende Energiepreise führen zu einer erhöhten Belastung. Es ist zu verhindern, dass die Warmmietenbelastung nach einer CO2-Sanierung steigt, weil die Heizkostenersparnis die höheren Investitionskosten nicht in einem überschaubaren Zeitraum kompensiert. Die Bundesregierung kommt den Vermietern über Steueranreize und Mietrecht mehr entgegen als den Mietern. Fakt ist doch: Wenn ein Vermieter das Modell der Steueranreize wählt, kann er nach § 559 BGB dennoch die kompletten Investitionskosten auf den Mieter überwälzen. Wir müssen eine annähernde Warmmietenneutralität erreichen, insbesondere für Normalverdiener und Haushalte knapp über der Wohngeldgrenze. Viele Mieter in unserem Land können nicht einmal eine Mehrbelastung von wenigen Cent verkraften. Vor diesem Hintergrund muss der Heizkostenzuschuss wieder eingeführt werden. Wir müssen verhindern, dass steigende Kosten der Unterkunft die Kommunen zukünftig zusätzlich belasten und die finanzielle Handlungsfähigkeit weiter einschränken. Mit den vorgelegten Gesetzentwürfen bietet die Bundesregierung zwar zahlreiche ordnungspolitische Veränderungen, doch der sozialpolitische Ansatz, die Einbeziehung der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung von Demografie bis zur Finanzsituation der Länder und Kommunen wird schlicht und ergreifend ausgeblendet. Wir müssen verhindern, dass die vom Präsidenten des Mieterbundes geäußerte Befürchtung Realität wird: "Gute Wohnungen nur noch für Reiche" darf es nicht geben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Karl Holmeier von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Karl Holmeier (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Andere sprechen über die Energieeffizienz im Gebäudebereich, die christlich-liberale Koalition handelt, und zwar mit Augenmaß, bürgerfreundlich und vor allem verantwortungsbewusst mit Blick auf die nachfolgenden Generationen. Die hier zur Debatte stehenden Anträge der Opposition lassen diese Punkte nicht erkennen. Sie sind zum Teil weltfremd und gehen an der Realität vorbei. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Aus meiner Sicht müssen sich die Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz an drei wesentlichen Kriterien orientieren und diese erfüllen. Sie müssen durch den Bundeshaushalt finanzierbar sein. Sie dürfen die Menschen nicht überfordern; das heißt, die Standards dürfen nicht zu hoch sein. Die Maßnahmen müssen so angelegt sein, dass sich die Häuslebauer die Modernisierung leisten können. Wir haben es im letzten Jahr in äußerst schwierigen Haushaltszeiten geschafft, das CO2-Gebäudesanierungsprogramm und auch die Städtebauförderung erfolgreich fortzuführen. Dies war und dies ist ein Riesenerfolg. Diese Bundesregierung hat es im Interesse der nachfolgenden Generationen geschafft, ein historisch einmaliges und umfassendes Konsolidierungsprogramm aufzulegen. Das hatte natürlich Einschnitte bei der Förderung der energetischen Gebäudesanierung zur Folge. Anscheinend ist hier einiges an Ihnen von der Opposition vorbeigegangen. Weiterhin scheinen Sie auch auszublenden, dass die christlich-liberale Bundesregierung im vergangenen Herbst ein ebenfalls historisch einmaliges Energiekonzept vorgelegt hat. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht umgesetzt!) - Das machen wir zurzeit. - Darin haben wir die enorme Bedeutung der energetischen Gebäudesanierung betont. Wir haben schon damals festgeschrieben, Programme zur Steigerung der Gebäudeeffizienz, etwa das CO2-Gebäudesanierungsprogramm, fortzuführen und die Mittel aufzustocken. Wie Sie vor diesem Hintergrund auf den Gedanken kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, es sei unklar, ob 2012 überhaupt Mittel für dieses Programm bereitstehen, ist mir schleierhaft. Auch hatten wir bereits im Herbst des letzten Jahres angekündigt, steuerliche Anreize zur Förderung der energetischen Sanierung zu prüfen. Mit dem jetzigen Energiepaket kommen wir unserer Verantwortung nach. Wir handeln und setzen unsere Verantwortung nun in die Tat um. Die Mittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm stocken wir auf jährlich 1,5 Milliarden Euro auf. Hinzu kommen mit der Änderung des Einkommensteuergesetzes steuerliche Anreize zur energetischen Gebäudesanierung. Damit setzen wir Akzente und kommen zugleich der langjährigen Forderung der Bauwirtschaft nach. Bei all unseren berechtigten Anstrengungen zur energetischen Gebäudesanierung dürfen wir eines nicht vergessen: Wir müssen die Bürgerinnen und die Bürger mitnehmen. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Das sollten sich auch die Damen und Herren von der Opposition zu Herzen nehmen und die Menschen nicht mit ihren überambitionierten Zielen überfordern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wir dürfen die Hausbesitzer nicht zu etwas zwingen, was sie nicht wollen oder, besser gesagt, sich nicht leisten können. Es darf daher keine Verpflichtung der Hausbesitzer zur Sanierung geben. Diese Entscheidung sollten die Menschen schon selbst treffen dürfen. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen sie doch schon!) Letztlich ist es nämlich ihr Geld, das sie für die Sanierung einsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir müssen die Bürger in kleinen Schritten an die Sanierung heranführen, zum Beispiel durch die Förderung von Einzelmaßnahmen. Genau das tun wir. Wir fördern auch kleine Sanierungsmaßnahmen, durch die KfW-Programme oder alternativ durch steuerliche Anreize. Damit beweisen wir Verantwortungsbewusstsein und Bürgersinn. Wenn diese Maßnahmen noch durch gezielte Beratungsangebote für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort ergänzt werden, dann - da bin ich mir sicher - sind wir auf dem richtigen Weg. Wir müssen die Menschen auf dem Weg zur Schaffung eines klimafreundlichen Gebäudebestandes mitnehmen und begleiten. Dann werden wir auch ihre Zustimmung hierfür erhalten und Akzeptanz erreichen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit unserem Energiepaket setzen wir Maßstäbe. Ich lade alle Oppositionsfraktionen ein, uns auf unserem - richtigen - Weg zu begleiten und zu folgen. Einen herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie werden unseren heißen Atem im Nacken spüren!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat nun der Kollege Dirk Fischer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns darin einig, dass die Energiewende eine der größten technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen in unserer Geschichte ist. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) Deswegen war es gut und richtig, dass die Bundesregierung bereits im vergangenen Herbst ein Energiekonzept entwickelt und beschlossen hat. (Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: So ist das!) Die strategische Grundausrichtung des Umstiegs auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz für eine sichere, umweltschonende und wettbewerbsfähige Energieversorgung bleibt völlig unverändert. Der entscheidende Antreiber für den Umbau unserer Energieversorgung bleibt der Klimaschutz. Die Diskussionen über unsere Energieversorgung konzentrieren sich meist nur auf den Bereich Strom und insbesondere auf die Stromerzeugung aus Kernenergie. Dabei besteht ein großer Handlungsbedarf bei der Sanierung von Gebäuden. Fest steht: Ohne eine deutliche Reduzierung des Energieverbrauchs im Gebäudebereich wird Deutschland seine ehrgeizigen Klimaziele nicht erreichen können. Deswegen wollen wir eine Steigerung der jährlichen Sanierungsrate auf 2 Prozent. Heute entfallen auf die Beheizung von Gebäuden und die Warmwasserbereitung etwa 40 Prozent unseres Energieverbrauches. Der Anteil des Gebäudebereiches an den CO2-Emissionen beträgt 20 Prozent. Der Gebäudebestand in Deutschland beläuft sich auf 19,5 Millionen Gebäude, rund 18 Millionen davon sind Wohngebäude. 75 Prozent des Gebäudebestandes wurden vor 1979 mit oft schlechter energetischer Qualität errichtet. Das ist der Altbaubestand. Hier müssen wir ansetzen. Das wichtigste Instrument der Bundesregierung für die Energieeinsparung und den Klimaschutz im Gebäudebereich war bisher das CO2-Gebäudesanierungsprogramm, und das muss es nach meiner Überzeugung auch in der Zukunft über einen sehr, sehr langen Zeitraum bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der Kollege Kai Wegner hat das ja schon aufgezählt, und ich bekräftige das: Von 2006, als Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde, bis März 2011 wurde die energieeffiziente Sanierung von fast 2,5 Millionen Wohnungen und Investitionen von fast 80 Milliarden Euro unterstützt. (Florian Pronold [SPD]: Am stärksten, als die SPD das Bauministerium innehatte!) Hierdurch ergaben sich Einspareffekte. Der CO2-Ausstoß wurde jährlich um 4,7 Millionen Tonnen reduziert. Zugleich wurden durch Investitionen bisher jährlich bis zu 340 000 Arbeitsplätze im Mittelstand geschaffen bzw. gesichert. Das ist bei Lichte besehen das größte Förderprogramm für das deutsche Handwerk in unserer Geschichte. Darüber freuen wir uns ganz besonders. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Florian Pronold [SPD]: Und das wollten Sie kürzen!) - Herr Kollege Pronold, auch wenn man heute mit sehr gespreizter Selbstgerechtigkeit hier auftritt, kann man nicht ganz ausblenden, (Florian Pronold [SPD]: Selbstkritik ist hier einmal gut!) dass es unter Rot-Grün ein Vorläuferprogramm mit einem sehr viel geringeren Volumen gegeben hat, (Rainer Brüderle [FDP]: Jetzt kommt es heraus!) das völlig wirkungslos geblieben ist, weil es unattraktiv war. (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Ahnung!) Deswegen meine ich, sollten wir uns doch gemeinsam darüber freuen, was seit 2006 in ganz anderer Weise erreicht worden ist. Hier müssen wir auch hartnäckig dranbleiben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Mit den Beschlüssen der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen wurden für die Förderperspektive ab 2012 entscheidende Weichenstellungen vorgenommen. Wie schon gesagt: Wir setzen auch in der Zukunft mit Zuschüssen und mit zinsvergünstigten Darlehen auf die Fortführung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms, und wir ergänzen das jetzt klugerweise durch steuerliche Anreize. Für jede Situation des Hauseigentümers wird damit ein passgenauer Investitionsanreiz geschaffen. So muss man vorgehen, wenn man erfolgreich sein will. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich sage: Angesichts steigender Energiepreise - auch durch die Energiewende - freue ich mich darüber, dass die Mieter davon bei ihrer Heizkostenabrechnung wahrscheinlich profitieren werden. Das ist für die breite Masse unserer Bürger und Bürgerinnen von entscheidender Bedeutung. Wir bewahren die Hauseigentümer vor Sanierungszwängen und werden mit dem angekündigten Sanierungsfahrplan aufzeigen, dass die Ziele auch ohne Gängelung der Hauseigentümer oder gar wilde Mietsprünge erreichbar sind. Dadurch grenzt sich diese Koalition von CDU/CSU und FDP ganz entscheidend von den Überlegungen der politischen Wettbewerber ab - nicht zuletzt von den Grünen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das musste jetzt noch einmal gesagt werden!) Frau Kollegin, viele Ihrer Forderungen im Antragstext sind aus den Konzepten der Bundesregierung abgeschrieben. Ich vermeide das unpopuläre Wort "Plagiat". (Rainer Brüderle [FDP]: Haben wir schon wieder zwei erwischt! - Gegenruf der Abg. Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eher euer und nicht unser Problem!) Das dient nur als Tarnung und offenbar gehaltvolle Anreicherung von weniger gehaltvollen Forderungen der grünen Fantasiewerkstatt, die man dort auch findet. Ihr Antragstext ist gespickt mit Ansätzen von Zwangssanierungen und einer Überforderung der Hauseigentümer in Deutschland. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kennen Sie schon die EU-Richtlinie?) Sie wollen die energetischen Anforderungen an Bestandsgebäude drastisch erhöhen. Damit werden Investitionen für viele Hauseigentümer unfinanzierbar. Ich denke in diesem Zusammenhang - der Kollege Götz hat vorhin einiges dazu gesagt - an folgendes Beispiel: Eine Witwe hat ein Eigenheim, in dem sie ihr ganzes Leben lang mit ihrem Mann und ihrer Familie gelebt hat. Und dann schlagen Sie mit diesem Instrument zu. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, tun wir nicht!) Sie kann sich in dieser Situation überhaupt nicht helfen. Sie ist überfordert und hilflos. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kann wohnen bleiben!) - Sie kann nicht, selbst wenn sie wollte. Das wollen wir unter keinen Umständen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Rainer Brüderle [FDP]: Wir helfen der Oma!) Sie wollen offenbar Kontrollen verschärfen und die teure Bürokratie ausbauen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Sie von dem Aufbau einer Energiepolizei träumen und die Nutzungspflichten für erneuerbare Energien im Wärmebereich ausweiten wollen. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das wollen wir!) Dabei erwähnen Sie noch nicht einmal den Wirtschaftlichkeitsaspekt. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!) Die Grünen wollen schlichtweg die Hauseigentümer zur Geisel ihrer Politik machen. Ich kann nur sagen: Gott bewahre uns, Bürger wehrt euch! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir dagegen wollen Hauseigentümer motivieren, setzen auf freiwillige Entscheidungen und unterstützen diese Entscheidungen durch Förderung. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Endlich mal eine radikale christdemokratische Rede!) Von 2012 bis 2014 sollen die Mittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm auf jährlich 1,5 Milliarden Euro erhöht werden. Außerdem werden steuerliche Anreize geschaffen. Künftig können zehn Jahre lang 10 Prozent der Kosten für die energetische Sanierung steuerlich geltend gemacht werden. Das ist ein Volumen von weiteren 1,5 Milliarden Euro in der vollen Jahreswirkung. Bei der steuerlichen Förderung wird sich ganz entscheidend zeigen, wie ernst es auch die Opposition mit der Förderung nimmt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Anhand des Stimmverhaltens der von Rot und Grün geführten Bundesländer im Bundesrat wird sich zeigen, ob die Opposition bereit ist, diese Förderung in Kraft zu setzen. Sie müssen an dieser Stelle eindeutig Farbe bekennen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Sören Bartol [SPD]: Dann müssen Sie uns entgegenkommen! - Florian Pronold [SPD]: Wenn man so rumwackelt wie Sie und jetzt von Eindeutigkeit spricht, ist das lächerlich!) Ich komme zum Schluss. Bei allen gebäudebezogenen Maßnahmen ist auf dem Weg zur Energiewende Folgendes wichtig: Wohnen muss bezahlbar bleiben. Mit Fordern und Fördern erreicht man viel mehr als mit Zwang und Kontrollwahn. Nur so, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist eine breite Akzeptanz der beschleunigten Energiewende seitens unserer Bürgerinnen und Bürger möglich. Und daran wollen wir arbeiten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/5778 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Tagesordnungspunkt 29 b. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf Druck-sache 17/4835. Der Ausschuss empfiehlt unter Buch-stabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/2346 mit dem Titel "Angekündigte Mittelkürzung beim CO2-Gebäudesanierungsprogramm zurücknehmen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen der SPD und der Linken bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/2395 mit dem Titel "CO2-Gebäudesanierungsprogramm fortführen - Mit energetischer Sanierung Konjunktur ankurbeln, Arbeitsplätze sichern und Klima schützen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Linken und der Grünen bei Enthaltung der SPD-Fraktion angenommen. Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/2923 mit dem Titel "Heizkostenkomponente beim Wohngeld erhalten". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buch-stabe d seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-sache 17/2396 mit dem Titel "Lebensqualität und Investitionssicherheit in unseren Städten durch Rettung der Städtebauförderung sichern". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Diese Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist niederschmetternd!) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf: Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Deutschland und Polen - Verantwortung aus der Geschichte, Zukunft und Europa - Drucksache 17/6145 - Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Kollegen Karl-Georg Wellmann von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor 20 Jahren haben wir mit Polen einen Freundschaftsvertrag geschlossen, der für das deutsch-polnische Verhältnis gut und wichtig war. Wir sind in diesen 20 Jahren weit gekommen. Das zeigt der Vertragstext selbst. Nach dem schrecklichen 20. Jahrhundert war Art. 5 wichtig; denn dort steht, dass wir uns weder bedrohen noch übereinander herfallen wollen. Die heute 20-jährigen Deutschen oder Polen fragen uns verwundert, warum das in diesem Vertrag steht. Sie fragen uns das, weil die Vorstellung von Gewaltanwendung für sie genauso absurd klingt, wie es das für uns damals in Bezug auf das Verhältnis zu Frankreich geklungen hätte. Ich sage ausdrücklich: Es ist ein gutes Zeichen, wenn man bei der Gewaltanwendung zwischen Deutschen und Polen eher an die Herbeirufung eines Nervenarztes als an eine reale Möglichkeit denkt. Die Vorstellung einer gewaltsamen militärischen Auseinandersetzung im deutsch-polnischen Verhältnis ist absurd geworden. Wir haben Gott sei Dank nicht deshalb ein gutes Verhältnis, weil es den Vertrag gibt - so gut und wichtig er ist -, sondern wir haben aus zwei Gründen ein gutes Verhältnis: Erstens. Wir Deutsche haben aus der Katastrophe von Krieg und Naziherrschaft die Konsequenzen gezogen und uns fest in das transatlantische Verhältnis einbezogen. Außerdem war die europäische Einigung eines unserer wichtigsten außenpolitischen Ziele, und Polen ist jetzt wie wir Teil des transatlantischen europäischen Bündnisses. Zweitens. Wir haben, wie es schon in der Präambel des alten Vertrages heißt, eine jahrhundertelange, gute Geschichte, und Polen und Deutsche könnten von einer engen Zusammenarbeit unendlich profitieren. Fußball ist für uns Deutsche fast das Wichtigste, (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In dieser Koalition hat man ja auch sonst nichts!) trotz des mauen Spiels in Baku am Dienstag. Aber bei aller Begeisterung für die Podolskis, Trochowskis und Kloses: Das deutsch-polnische Verhältnis bezieht sich auf sehr viel mehr als auf die polnischstämmigen Fußballspieler oder die vielen Polen, die vor vielen hundert Jahren wegen eines Arbeitsplatzes zu uns ins Ruhrgebiet kamen. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wahr!) Es gab über die Jahrhunderte eine enge symbiotische Beziehung. Die Dönhoffs dienten ganz selbstverständlich wechselseitig dem preußischen König und dem polnischen König. Hier in Berlin saßen die Raczynskis, Potockis und Lichnowsky im preußischen Herrenhaus. Ab 1871 saßen im Abgeordnetenhaus hier im Reichstag auch polnische Abgeordnete. Anfang des 19. Jahrhunderts sprach ein Drittel der Einwohner Preußens polnisch, weshalb man in Berlin schon 1797 mit polnischem Sprachunterricht begonnen hat. Man war damals ganz schön weit. Die Namen sind heute noch überall zu finden. Schlagen Sie im Abgeordnetenhandbuch nach. Dort sind sie zu finden: die Kaczmareks, Luczaks, Malczaks, Pawelskis, Schipanskis, Wawzyniaks, Wieczoreks und andere mehr. Herr Kollege Wieland, an dieser Stelle sei Ihr alter Freund Klaus Landowsky nicht zu vergessen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unvergessen!) Auch das ist ein polnischer Name. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können auch bei den Vornamen nachschauen! - Gegenruf der Abg. Gisela Piltz [FDP]: Herr Montag möchte auch erwähnt werden! - Heiterkeit) 1981 im ersten Kabinett des alten Weizsäckers waren Rastemborski und Wronski Senatoren. Niemals können wir vergessen, was dann im ausgehenden 19. Jahrhundert und im 20. Jahrhundert kam: erst der Nationalismus, dann die Pest des Nationalsozialismus und der deutsche Angriffskrieg mit Millionen toter Polen, Millionen toter polnischer und nicht polnischer Juden, von den weiteren Millionen Toten gar nicht zu sprechen. Auch heute treibt es einem die Schamesröte ins Gesicht, wenn man sieht, was die Deutschen in Polen angerichtet haben. Allerdings schämt man sich auch angesichts der Einmarschpläne, die Honecker 1981 ausarbeiten ließ, um gemeinsam mit der Roten Armee in Polen zu intervenieren und dort die Demokratiebewegung niederzuschlagen. Dazu ist es Gott sei Dank nicht gekommen. Aber das wäre dann das zweite Mal nach 1939 gewesen. Da haben Sie von der Linkspartei, Herr Liebich, noch viel aufzuarbeiten. (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Was habe ich mit Herrn Honecker zu tun?) - Als SED-Nachfolgepartei hätten Sie das bitter nötig; das darf ich Ihnen einmal sagen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war Ihr Parteivorsitzender! - Gegenruf des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE]: Nie! Niemals!) - Ja, genau. Honecker war der Parteivorsitzende. Kollege Wieland, ich danke für den Hinweis. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt keine Gnade der späten Geburt!) Der heutige Beschluss trifft wichtige Aussagen. Erstmals wird die in der NS-Zeit enteignete und verfolgte polnische Minderheit genannt und geehrt. Das betrifft vor allen Dingen diejenigen, die wegen ihrer Tätigkeit für diese Minderheit ins KZ kamen und ermordet wurden. Das sind weit über 1 000. Es war überfällig, dass wir diese Opfer ehren. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Der Deutsche Bundestag spricht sich dafür aus, die Arbeits- und Entwicklungsmöglichkeiten der polnischen Bürger zu stärken. Wir bekräftigen die Rechte zur Stärkung der sprachlichen und kulturellen Identität. Ich möchte ausdrücklich sagen: Damit stellen wir klar, dass es keine Behinderung des Polentums in Deutschland gibt. Solche Behauptungen gab es gelegentlich - parteipolitisch motiviert - in Polen. Ich würde mich sehr freuen, wenn das nun endlich aufhörte und nicht die Schlachten von vorvorgestern geschlagen würden. Polen - das steht in diesem Beschlusstext - ist ein Partner, mit dem wir eng und auf Augenhöhe zusammenarbeiten wollen, vor allem in den Bereichen der Außen- und Europapolitik, Finanz-, Währungs- und Wirtschaftspolitik, Sicherheitspolitik und Energiepolitik, um nur einige zu nennen. Polen ist ein konstruktives und integrierendes Element der Europäischen Union geworden. Sie übernehmen in drei Wochen die Ratspräsidentschaft, für die sie ein sehr gutes Programm vorgelegt haben und bei dessen Umsetzung wir, das deutsche Parlament und die Bundesregierung, sie mit aller Kraft unterstützen wollen. Diesen Beschluss haben wir von der Koalition gemeinsam mit Sozialdemokraten und Grünen erarbeitet. Ich danke Ihnen, Frau Staatsministerin Pieper, für die sehr angenehme und konstruktive Zusammenarbeit, ebenso Herrn Dr. Bergner. Ich danke den Kollegen Nietan und Sarrazin von den Sozialdemokraten und den Grünen. Ich danke auch ausdrücklich der Gruppe der Vertriebenen für ihre konstruktive Mitarbeit. Dieser Beschluss ist auch der Beschluss der Gruppe der Vertriebenen. Ich bedanke mich sehr herzlich, lieber Klaus Brähmig, für diese Zusammenarbeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich hoffe, dass eine breite Öffentlichkeit in Polen dies so wahrnimmt. Mit diesem Beschluss beschreiben wir den Erfolg der letzten 20 Jahre im deutsch-polnischen Verhältnis. Mit ihm wollen wir aber auch ein neues Kapitel der deutsch-polnischen Nachbarschaft aufschlagen. Wir freuen uns auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit in den kommenden 20 Jahren. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Dietmar Nietan von der SPD-Fraktion. Dietmar Nietan (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man in Warschau durch das Museum des Warschauer Aufstands geht und sich die Exponate anschaut, sich mit den Ton- und Filmdokumenten beschäftigt und die einzelnen Geschichten von mutigen Menschen liest, die sich bis in den Tod hinein ihre Würde bewahrt haben, dann kann man ermessen, was die Bürgerinnen und Bürger in Warschau und die Armia Krajowa, stellvertretend für das ganze polnische Volk, zwischen dem 1. August und dem 3. Oktober 1944 geleistet haben. Man kann ermessen, wie schwer es war, dass sich dort eine Kulturnation selbst in barbarischster Unterdrückung ihre Würde in geradezu vorbildhafter Weise bewahrt hat. Es wurde nicht nur ein Kampf geführt, den man am Ende - wir alle wissen, warum - nicht gewinnen konnte. Es wurde in dieser Zeit Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit, Kultur, Musik gelebt, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes im Untergrund. Einer der letzten Funksprüche der Armia Krajowa, die aufgefangen wurden, endete mit den Worten: Ein Volk, in dem solche Tapferkeit lebt, ist unsterblich. Denn jene, die starben, haben gesiegt, und jene, die leben, werden weiterkämpfen, ... Genau 46 Jahre später, am 3. Oktober 1990, auf den Tag genau 46 Jahre, nachdem der Warschauer Aufstand zu Ende gegangen war, konnten wir die deutsche Einheit feiern. Das konnten wir nicht zuletzt auch deshalb tun, weil das richtig war, was in diesem letzten Funkspruch stand: "... und jene, die leben, werden weiterkämpfen, ...". Das haben sie getan, die polnischen Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfer. Sie haben es getan, bis 1989 der Eiserne Vorhang gefallen ist und endgültig auch in diesem Bereich Europas die Freiheit einziehen konnte. Es ist für mich schon etwas ganz Besonderes, dass ausgerechnet das Volk, welches unermesslich unter deutscher Barbarei gelitten hat, ausgerechnet das polnische Volk, einen so herausragenden Beitrag geleistet hat, damit die Deutschen ihre Einheit wiederfinden konnten, damit der Mut der Bürgerinnen und Bürger in der ehemaligen DDR wachsen konnte und am Ende auch dieses Regime friedlich hinwegfegen konnte. Es nötigt einem allen Respekt ab, mit welcher Chuzpe unsere polnischen Freunde das getan haben - ohne Blutvergießen, indem sie sich mutig und kaltschnäuzig mit ihrem Unterdrücker, General Jaruzelski, an einen Tisch gesetzt und das Regime einfach wegverhandelt haben. Ich will an dieser Stelle stellvertretend für die Tausenden von mutigen Polinnen und Polen zwei nennen, nämlich Papst Johannes Paul II. und Lech Walesa. Im Juni 1979 hat Papst Johannes Paul II. davon gesprochen, dass es unverrückbar eine geistige Einheit zwischen West- und Osteuropa gibt. Damit hat er sicherlich auch die Einheit der Christinnen und Christen in Europa gemeint. Er hat aber ganz klar das Signal gesetzt: Polen gehört zur freien Welt. Es war eine unendliche Ermutigung für die Menschen in der Solidarnosc, die das entscheidende Wort gefunden haben, um Freiheit zu erlangen: Solidarität. Sie konnten das tun, weil die Angst vor dem Regime weg war und weil all die Mechanismen des Regimes, sich mit der Verbreitung von Angst an der Macht zu halten, nichts mehr halfen. Einer dieser Mechanismen, die vonseiten der polnischen Kommunisten verwendet wurden, war, die Angst vor Deutschland weiter als Machtinstrument zu nutzen. Es ist schon aller Ehren wert - das möchte ich an dieser Stelle sagen -, dass 20 Jahre nach dem Ende des Warschauer Aufstands 16 mutige junge Menschen aus der DDR zusammen mit Lothar Kreyssig den Versuch gestartet haben, nach Polen zu reisen, um dort Versöhnungsarbeit zu leisten. 1964 hat man ihnen an der sogenannten Friedensgrenze den Grenzübertritt verweigert - mit dem Hinweis, dass wir doch sozialistische Brüder und Schwestern seien und dass es nichts mehr gebe, worüber man sich mit den Freundinnen und Freunden in der Volksrepublik Polen versöhnen müsse. 1965 ist diese Gruppe dann doch nach Polen gekommen, weil ihre Mitglieder nicht als Gruppe, sondern einzeln über verschiedene Grenzübergänge nach Polen eingereist sind, um dann aber als Gruppe dort Versöhnungsarbeit zu leisten. Auch in der Bundesrepublik Deutschland änderte sich etwas. So wuchs die Zahl der Menschen, die erkannten, dass es unabdingbar ist, die Oder-Neiße-Grenze anzuerkennen, um letztlich die Freiheit in Europa zu erreichen. Der Kniefall von Willy Brandt am 7. Dezember 1970 und wenig später am selben Tag die Unterschrift unter den Warschauer Vertrag waren ein entscheidender Punkt, weil dies den Machthabern in Polen das Machtinstrument der Angst vor den Deutschen aus der Hand geschlagen hat. Es ist vielleicht bedauerlich - oder lediglich der menschlichen Natur geschuldet -, dass zu dieser großen Tat auch die Ambivalenz gehört, dass Willy Brandt nicht die große Chance genutzt hat, Lech Walesa zu treffen, als er 1985 in Polen war. Aber vielleicht müssen wir diese Ambivalenz in unseren Beziehungen aushalten. Denn einer der großen Europäer Deutschlands, Helmut Kohl, der sich um die Einheit Deutschlands und Europas verdient gemacht hat, sah sich nicht in der Lage, seine Unterschrift unter den Grenzvertrag zu setzen. Das musste Hans-Dietrich Genscher machen. Es ist vielleicht auch eine Posse der Geschichte, dass damit auch nicht der damalige polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki, der erste Demokrat nach dem Krieg, die Unterschrift leisten konnte. Wir sehen also: Die Ambivalenzen gibt es auf allen Seiten des politischen Spektrums. Vielleicht sollten wir daraus lernen, dass wir die Ambivalenzen nicht einseitig ausnutzen und mit den Fingern auf die Fehler des jeweils anderen zeigen, sondern das gesamte Tun der Menschen würdigen. Das heißt für mich auch, dass wir die Geschichte nicht missbrauchen dürfen. Es gibt leider auf deutscher und polnischer Seite immer noch Menschen, die angeblich der Wahrheit der Geschichte Genugtuung verschaffen wollen, sie aber in Wirklichkeit für eigene machtpolitische Spielchen missbrauchen. Deshalb bin ich sehr froh über unseren gemeinsamen Antrag. Ich möchte den Dank gerne an den Kollegen Wellmann, die Kollegin Pieper und die Kollegen Bergner und Sarrazin weitergeben. Es war ein Vergnügen, mit Ihnen gemeinsam an diesem Antrag zu arbeiten. Dass er mit diesen Inhalten zustande gekommen ist, zeigt, dass wir uns in entscheidenden Punkten einig sind. Ich glaube, das deutsch-polnische Verhältnis ist für uns alle von entscheidender Bedeutung. Ich möchte ausdrücklich auf einen Punkt hinweisen - er ist bereits angesprochen worden -, der für die Menschen in Polen wichtig ist, nämlich dass es in unserem Verhältnis Symmetrie gibt, wie Sie es nennen. In Art. 20 des Nachbarschaftsvertrags können wir nachlesen, dass wir in Polen und in Deutschland Minderheitenrechte garantieren. Darin heißt es, dass die Vertragsparteien die Rechte und Verpflichtungen des internationalen Standards für Minderheiten auf beiden Seiten verwirklichen wollen. An dieser Stelle haben wir gegenüber den Menschen polnischer Abstammung in Deutschland noch ein wenig Nachholbedarf. Denn zu den Verpflichtungen gehört auch, das zu fördern, was die Identität der polnischstämmigen Menschen und die Muttersprache festigt, und ihnen Mitwirkungsrechte zu ermöglichen. Wir müssen aber auch all denjenigen in Polen eine Absage erteilen, die Symmetrie sozusagen mit dem Rechenschieber schaffen wollen und sich jetzt an der Frage festklammern, ob es einen Minderheitenstatus geben soll. Es geht hier nicht um Statusfragen. Es geht auch nicht um die Frage, ob wir, wem auch immer, noch 300 Millionen oder 400 Millionen Euro zu zahlen hätten. Es geht vielmehr darum, dass wir uns auf gleicher Augenhöhe begegnen und mit Interesse und Wertschätzung behandeln. Das macht man nicht mit dem Rechenschieber an irgendwelchen Millionenbeträgen oder Statusfragen fest, sondern an konkreten gemeinsamen Projekten. Darauf geht der Antrag ein. Das sollten unsere polnischen Freunde richtig verstehen. Jetzt, im Jahr 2011, ist es unsere gemeinsame Aufgabe, für Polen und Deutsche aus unserer gemeinsamen Geschichte heraus etwas gemeinsam zu unterstützen, das uns, glaube ich, besonders am Herzen liegt, nämlich die Vollendung der Einheit Europas. Ein vereintes Europa in Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität gibt es noch nicht. Es ist gut, dass uns unsere polnischen Freunde mit bestimmten Sichtweisen und Empfindlichkeiten begegnen und vielleicht auch manchmal, wie man so sagt, etwas nerven. Denn sie weisen auf etwas hin, das wir insbesondere im Westen allzu schnell vergessen. Im Jahr 2004 gab es nicht einfach eine technische Erweiterung der Europäischen Union. Im Jahr 2004 sind wir der Wiedervereinigung Europas einen großen Schritt nähergekommen. Seit dem Jahr 2004 gibt es eine neue Europäische Union. Ich würde mir deshalb wünschen, dass manch einer von denen, die sehr schnell über das urteilen, was Polen gut macht oder nicht, darüber nachdenkt, wie uns Teile Mittel- und Osteuropas wieder mit ihrer Kultur, Geschichte und auch mit ihrer anderen politischen Identität, die durch 40 Jahre kommunistischer Gewaltherrschaft geprägt wurde, bereichern, auch wenn das vielleicht manchmal anstrengend ist. Ich würde mir wünschen, dass wir erkennen, dass wir vielleicht für die Vereinigung Europas in Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität Polen mehr brauchen als die Polen uns. In diesem Sinne, so glaube ich, weist dieser Antrag in die richtige Richtung. Wir alle sollten gemeinsam in den nächsten Jahren daran arbeiten, dass das, was wir dort beschrieben haben, ein Stückchen mehr Wirklichkeit wird. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE]) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Cornelia Pieper. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Danke. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Der 17. Juni ist ein symbolträchtiger Tag. Wie sich der 17. Juni 1953 ins Gedächtnis der Deutschen als Tag des Aufstands gegen ein totalitäres Regime eingeprägt hat, so wurde der 17. Juni 1991 durch eine glückliche historische Fügung zum Tag der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags. Ohne die Freiheitsbewegung der Solidarnosc, ohne den Freiheitswillen des polnischen Volkes wäre dieser Tag nicht möglich gewesen. So verbinden sich mit diesem Datum die Freiheit des polnischen und des deutschen Volkes in Freundschaft und Partnerschaft sehr eng miteinander. Ohne Zweifel, der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag ist eine wichtige Grundlage unserer Beziehung zu Polen in einem freien Europa. Er ist ein zentrales Element der deutschen Außenpolitik geworden - und im Übrigen auch eine große Erfolgsgeschichte. Der ehemalige polnische Außenminister und Mitunterzeichner des Vertrages, Krzysztof Skubiszewski, hatte recht, als er formulierte: Eine gute polnisch-deutsche Nachbarschaft stellt einen Grundpfeiler der gemeinsamen Bemühungen um die europäische Einheit dar. Um klarzusehen, genügt oftmals der Wechsel der Blickrichtung. Wir haben in der deutschen Europa- und Außenpolitik viele Jahrzehnte unseren Blick sehr stark auf den Westen fokussiert. Ich wage, zu behaupten: Die Zukunft Europas liegt im Osten. Heute sind wir und Polen Freunde und Partner, wir sind in Europa partnerschaftlich vereint. Es war von Anfang an die junge Generation, die Europa gewollt hat, um nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs eine neue und friedliche Zukunft zu gestalten. Es waren Visionäre und Enthusiasten, und sie hatten Erfolg. Diesen europäischen Kontext denken wir stets mit, wenn wir den Blick auf die künftige deutsch-polnische Zusammenarbeit richten. Adam Krzeminski, der polnische Historiker und Journalist, hat zu Recht diese deutsch-polnische Zusammenarbeit als einen Testfall für Europa bezeichnet. Diesen Test immer wieder neu zu bestehen, muss unser Ziel sein. Dabei wissen wir um die besondere Verantwortung, die wir im Verhältnis zu Polen tragen. Die Aussöhnung mit Polen ist uns heute genauso wie zuvor mit Frankreich gelungen. Wir als Koalition haben in den Koalitionsvertrag bewusst hineingeschrieben, dass wir die polnischen Beziehungen auf gleicher Augenhöhe mit den französischen Beziehungen sehen wollen. Wenn wir auf die letzten 20 Jahre zurückschauen, dann sehen wir, dass unzählige Menschen, Vereine und Institutionen enorm viel für die Verbesserung und Stabilisierung der deutsch-polnischen Beziehungen geleistet haben. Das freut mich insbesondere als für die Zivilgesellschaften zuständige Beauftragte für die deutsch-polnischen Beziehungen. Wir haben gerade auf der zwischengesellschaftlichen Ebene im Bereich der kulturellen und regionalen Zusammenarbeit eine Normalität erreicht, die wir uns vor 20 Jahren nicht hätten erträumen können. Die deutsch-polnische Versöhnung, getragen vom europäischen Gedanken, hat das Leben gerade vieler junger Menschen in neue Bahnen gelenkt. Es ist erst wenig mehr als 20 Jahre her, dass für viele von uns heute alltägliche Dinge nicht selbstverständlich waren. Die Welt vieler Europäer, von Beton und Stacheldraht begrenzt, war ziemlich klein. Die Freiheiten waren rar und die Feindbilder klar umrissen. Heute studieren junge Deutsche und Polen gemeinsam in Paris, London, Warschau oder Berlin und finden dies völlig normal. Lassen Sie mich nur einige wenige Projekte herausstellen. Wie mit unseren französischen Nachbarn pflegen wir mit Polen einen regen Schüler- und Jugendaustausch. Auch das Deutsch-Polnische Jugendwerk feiert ein 20-jähriges Jubiläum. Die Europa-Universität Viadrina - Ihnen allen bekannt - hat im Hochschul- und Wissenschaftsbereich Pionierarbeit geleistet und die Zwillingsstadt Frankfurt (Oder)/Slubice zu einem Symbol deutsch-polnischer Zusammenarbeit im europäischen Geiste gemacht. Im vorpommerischen Löcknitz arbeitet das Deutsch-Polnische Gymnasium äußerst erfolgreich und ermöglicht seinen Absolventen einen unschätzbaren Startvorteil auf dem Arbeitsmarkt. Das Deutsche Polen-Institut in Darmstadt, dessen 30-jähriges Bestehen der Bundespräsident und der polnische Staatspräsident im vergangenen November persönlich gewürdigt haben, hat ebenso wie die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit durch unermüdliches Engagement viel zur Entstehung eines authentischen und sympathischen Bildes des Nachbarn beigetragen. Ich könnte die Liste fortsetzen. Das alles zeigt doch, dass wir auch in den deutsch-polnischen Beziehungen zur Normalität gekommen sind und dass wir die Hürden überwinden werden, die noch vor uns liegen; das hat Herr Nietan vollkommen zu Recht gesagt. Herr Wellmann, wir müssen den Nachbarschaftsvertrag neu mit Leben erfüllen. Die polnischstämmigen Deutschen, die Polen, die hier leben, haben ein Recht auf die Pflege ihrer Sprache und Kultur. Da können und da müssen wir in Deutschland mehr tun. Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, ein gemeinsames deutsch-polnisches Geschichtsbuch zu schreiben. Es wird Ende nächsten Jahres in den Schulen in Polen und in Deutschland zum Einsatz kommen. Es gehört zu einer lebendigen Geschichte, zu einer lebendigen Beziehung, dass wir uns in der Bildung ergänzen. Meine Damen und Herren, Polen wird in den kommenden Monaten weitere Herausforderungen bestehen müssen. In der Tat, ab Juli kommt die EU-Ratspräsidentschaft auf Polen zu. Diese Präsidentschaft ist mit großen Aufgaben verbunden. Denken Sie an den Umbruch in den Ländern des Maghreb und des Nahen Ostens. Denken Sie an das Projekt "Östliche Partnerschaft" oder an die Klimaverhandlungen in Durban. Ich bin sicher, das alles wird hervorragend gelingen, weil wir gemeinsam große europäische Projekte verfolgen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Antrag, der auf fraktionsübergreifendem Konsens beruht, ist ein wichtiges Signal. Ich darf mich ausdrücklich bei allen bedanken, die daran mitgearbeitet haben: bei Herrn Wellmann, beim Vorstandsvorsitzenden der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, also bei Herrn Nietan, bei Herrn Sarrazin, bei Herrn Stinner, bei Herrn Bergner, also bei meinem Kollegen Staatssekretär, der es bei der Ausarbeitung der gemeinsamen Erklärung, die am 21. Juni 2011 bei einer gemeinsamen deutsch-polnischen Kabinettssitzung unterzeichnet werden soll, manchmal nicht so einfach hat. Ich darf mich auch bei den Vertriebenen bedanken, bei Herrn Brähmig. Denn sie haben etwas Wichtiges getan: Sie haben unter Beweis gestellt, dass wir in den deutsch-polnischen Beziehungen von nun an verstärkt in die Zukunft blicken können. Ich glaube, die Zukunft ist das, worauf es jetzt in Polen und in Deutschland für ein gemeinsames starkes Europa ankommt. Ich wünsche uns weiterhin gute Ideen. Halten wir es bitte mit den Worten von Neil Armstrong, der einmal gesagt hat: Große Gedanken brauchen nicht nur Flügel, sondern auch ein Fahrgestell zum Landen. Lassen Sie uns in diesem Sinne weitermachen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Stefan Liebich hat für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Stefan Liebich (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Grenzvertrag, der Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit, ist seit 20 Jahren Grundlage für die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen. Ja, die Unterzeichnung ist ein Ereignis von historischer Bedeutung. Ich finde es richtig, dies durch die Debatte hier zu unterstreichen. Allerdings wäre es sicherlich auch möglich gewesen - das kann ich Ihnen nicht ersparen -, gemeinsame Positionen zu formulieren. Auf unseren Beitrag haben Sie wegen der Albernheiten der CDU/CSU wieder verzichtet. Wie üblich haben sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen darauf eingelassen. Dabei hätten wir durchaus einiges einzubringen gehabt. Das werde ich jetzt natürlich mündlich nachholen. Ich denke zum Beispiel an das Thema Oder-Partnerschaft. Seit 2006 arbeiten die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen mit den westpolnischen Woiwodschaften Großpolen, Westpommern, Niederschlesien und Lubuskie unter dem Motto "Grenzen trennen - Die Oder verbindet" zusammen. Das Ziel ist der Aufbau eines leistungsfähigen Regionalverbundes diesseits und jenseits der Oder für infrastrukturelle und politische Vernetzung, für einen kooperierenden dynamischen Wirtschaftsraum. Der Wirtschaftssenator Harald Wolf aus Berlin und der Wirtschaftsminister Ralf Christoffers aus Brandenburg - Sie ahnen es, beide Mitglieder unserer Partei Die Linke - sind hierbei aktive Motoren. Das ist zukunftsorientierte deutsch-polnische Zusammenarbeit. (Beifall bei der LINKEN) Sie haben uns durch Ihre Ausgrenzung natürlich auch zur Kritik eingeladen. Dem komme ich gern nach. Ich möchte hier auf Herrn Wellmann Bezug nehmen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätte in die gemeinsame Resolution gepasst!) Herr Wellmann, Sie haben mich ja wegen Erich Honecker und der SED angesprochen. Ich war tatsächlich nicht in der SED, und das hat - das gebe ich zu - nur Altersgründe. (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: "Nur Altersgründe"! Das ist nur peinlich!) Aber Sie haben natürlich in der Sache völlig recht. Natürlich war es falsch und unrecht, dass der Warschauer Vertrag die Solidarnosc-Bewegung bedroht hat, und es ist völlig richtig, das hier zu erwähnen. (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Sie haben damals die Grenze zu Polen zugemacht wegen Solidarnosc!) - Wenn Sie nicht so schreien würden, würden Sie meine inhaltlichen Positionen dazu auch verstehen. (Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU/CSU: Von wegen "nur Altersgründe"! Was hat die SED gemacht? - Gegenruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Hören Sie mal zu!) Zum Zweiten. Der Kollege Nietan hat auf die Ambivalenzen der Geschichte hingewiesen. Da kann ich es Ihnen von der CDU/CSU natürlich nicht ersparen, auf die eigenen Ambivalenzen in der deutsch-polnischen Geschichte zu schauen. Sie haben versäumt, in Ihrem Antrag zu erwähnen, dass es die DDR war, die im Görlitzer Vertrag von 1950 ihre Staatsgrenze zu Polen anerkannt hat und dass das damals im Deutschen Bundestag von allen Parteien, außer der KPD, heftig kritisiert wurde. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Ausdrücklich zur Volksrepublik Polen!) Sie haben ignoriert, dass die Regierung Adenauer die Rechtmäßigkeit des Vertrags stets in Abrede gestellt hat. Ich darf zitieren: Wir können uns daher unter keinen Umständen mit einer von Sowjetrußland und Polen später einseitig vorgenommenen Abtrennung dieser Gebiete abfinden ... Wir werden nicht aufhören, in einem geordneten Rechtsgang unsere Ansprüche auf diese Gebiete weiterzuverfolgen. CDU und CSU sind sogar noch dabei geblieben, als die Regierung Brandt/Scheel 1970 im Warschauer Vertrag den Status quo und damit die Oder-Neiße-Grenze faktisch anerkannt hat. Ich halte dies - das will ich der SPD auch sagen - für die größte außenpolitische Leistung der SPD im 20. Jahrhundert. Aber wir müssen gar nicht so weit zurückschauen. Es geht ja heute um den 20. Jahrestag. Schauen wir 20 Jahre zurück, Herr Wellmann. Der polnische Ministerpräsident Mazowiecki hat in einem Schreiben vom 31. Januar 1990 von Kanzler Kohl eine Grenzgarantie verlangt. Er hat sie nicht bekommen. Helmut Kohl lag Europa sehr am Herzen, aber er hatte große Schwierigkeiten in Ihrer Fraktion, in Ihrer Partei. 23 Abgeordnete Ihrer Partei, darunter Erika Steinbach und der heutige Bundesverkehrsminister, haben dem Vertrag damals nicht zugestimmt, weil sie die berechtigten Anliegen der deutschen Heimatvertriebenen nicht geregelt sahen, weil sie die ökonomische Regelung von offen gebliebenen Eigentums- und Vermögensfragen vermisst haben. Damals, in der sensiblen Phase der deutschen Vereinigung, Rechnungen zu schreiben, statt an Versöhnung und gute Nachbarschaft zu denken, darauf musste man erst einmal kommen. Unsere Partei, die PDS, hat ihm damals aus tiefer innerer Überzeugung geschlossen zugestimmt. Deshalb, finde ich, ist heute auch ein guter Anlass, an diesen Vertrag zu erinnern. Aber Sie dürfen dabei Ihre eigene Geschichte nicht ausblenden. (Beifall bei der LINKEN) Ich denke, dass wir auch noch einiges zu tun haben, was die Zukunft betrifft. Es gibt nach wie vor Entschädigungsforderungen von Polinnen und Polen, ehemaligen Opfern deutscher Besatzung. Hier können wir etwas machen. Mich stört schon etwas, dass Sie mit diesem gemeinsamen Antrag von Rot-Grün und Schwarz-Gelb beschließen lassen wollen: Heimatvertriebene haben sich bei der Pflege des gemeinsamen kulturellen Erbes engagiert und Kontakte nach Polen geknüpft. (Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Das stimmt doch!) Zweifellos haben sie das, natürlich, aber nicht nur das. (Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Also!) Da müssen wir auch nicht so weit zurückschauen. Es war Anfang dieser Legislaturperiode. Schwarz-Gelb hatte kaum die Rolle der Vertriebenen im Stiftungsrat "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" aufgewertet, um die Mitgliedschaft von Frau Steinbach zu verhindern, da bedankte sie sich mit einer Beleidigung des polnischen Regierungsberaters Bartoszewski und sinnierte über die Mobilmachung der Polen 1939 vor dem deutschen Überfall. Ich glaube auch, das sind Punkte, die nach wie vor das Misstrauen vieler Polinnen und Polen begründen. Hier liegt eine Ursache dafür, dass die Polen die Garanten für ihre Sicherheit eher in den Vereinigten Staaten als in Europa sehen. Ich sehe das durchaus kritisch: Stichwort "altes Europa", eine Diskussion, die wir alle vor ein paar Jahren zur Kenntnis nehmen mussten. Ich möchte nach vorn schauen. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Liebich, achten Sie bitte auf das Signal. Stefan Liebich (DIE LINKE): Ich komme zum Schluss. - Frau Staatsministerin Pieper hat es ja gesagt: Die gute Nachbarschaft existiert bereits neben den Tischreden, neben den Verträgen. Es gibt polnische Diskotheken im Ruhrgebiet, es gibt Kunst und Kultur aus Polen hier in Berlin, Touristen besuchen einander. Darauf können wir aufbauen. Die polnische Minderheit in Deutschland, die deutsche Minderheit in Polen können dafür Brücke sein. Das funktioniert. Ihren Antrag braucht dafür allerdings kein Mensch. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN - Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er sollte in den Text schauen!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Sarrazin das Wort. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass wir diesen Antrag gemeinsam einbringen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Ich möchte mich auch bei allen Vorgenannten bedanken. Ich denke, diesen Streit sollten wir nicht zu sehr vertiefen, aber lassen Sie mich doch eines dazu sagen: Es ist richtig, dass, wie Kollege Nietan schon angesprochen hat, zum Teil auch die Politik Westdeutschlands - vor allen Dingen in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg - in Polen dazu genutzt werden konnte, mit der Angst gegenüber Deutschland zu spielen und diese für eine Politik zu instrumentalisieren, die auch viele Menschen in Polen nicht wollten. Es ist aber auch richtig, dass viele Polen genauso Angst vor der DDR hatten, in der viele Soldaten stationiert waren und die auch der völkerrechtliche Grund für die Stationierung der sowjetischen Armee in Polen war. Ich glaube, dass das zur historischen Wahrheit dazugehört. Den heutigen Zustand der deutsch-polnischen Beziehungen wird man ohne den Freundschaftsvertrag von 1991 nicht verstehen. Oft haben viele von uns das Gefühl, dass die deutsch-polnische Freundschaft angekommen sei, angekommen vielleicht in so etwas wie einem Verhältnis von: "Für eure und für unsere Freiheit". Ich bin der festen Überzeugung - lassen Sie mich das zuerst sagen -, dass auch regelmäßige Rufe von Ewiggestrigen, ganz egal von welcher Seite, nicht in der Lage sein werden, dieses Selbstverständnis kaputt zu machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP) Der Freundschaftsvertrag war ein Meilenstein, auf den andere folgen konnten. Ich persönlich möchte hier folgende Meilensteine nennen: An erster Stelle stand der NATO-Beitritt, der NATO-Beitritt, der die feste Bindung Polens an Europa und an das transatlantische Bündnis bedeutet und der zu einem Teil die historische Schuld Deutschlands aus dem Stalin-Hitler-Pakt auflösen konnte. Dann war es für mich bewegend, als ich 2003 am Tag des Referendums im Rahmen eines Schulaustauschs in Stettin war. Ich konnte sehen, wie die Menschen in die Schule, die wir besuchten, strömten, um für den EU-Beitritt zu stimmen. Dieser wurde mit einer Mehrheit angenommen, wobei wir in Deutschland immer unterstellen, es gäbe sie in Europa nicht für Europa. Auch der Beitritt zu Schengen II und die Arbeitnehmerfreizügigkeit zum 1. Mai dieses Jahres stellen, wie ich glaube, große Meilensteine dar. Gedenken und Geschichte sind in dieser Freundschaft so wichtig. Es gibt so viele schreckliche Verbrechen, die gerade von Deutschland ausgegangen sind und in Polen und an Polen und Polinnen begangen wurden. Wir beschließen im Antrag Wegweisendes - darauf haben die Kolleginnen und Kollegen schon hingewiesen - auch zu diesem Bereich mit der Anerkennung der Verbrechen gegenüber der polnischen Minderheit während des NS-Regimes in Deutschland. Ich möchte meine Zeit aber auch dazu nutzen, zu sagen: Was ist besonders an dieser deutsch-polnischen Freundschaft? Für mich als deutschen Staatsbürger und deutschen Abgeordneten etwas Besonderes an dieser Freundschaft ist Polen, dessen Geschichte gerade heute Ansporn für Moral und europäischen Geist ist. Mut, Tapferkeit, europäische Gesinnung, die man in der Geschichte Polens findet, können wir heute bei den Entscheidungen, die anstehen, gebrauchen. Den Mut, den Adam Michnik aus der Gefängnishaft formuliert hat für die Freiheit, den können wir gebrauchen, wenn wir, wie von Frau Staatsministerin Pieper schon angesprochen, über die Herausforderungen auch in der unmittelbaren Nachbarschaft reden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) So sehr die deutsch-polnische Freundschaft schon angekommen ist, so sehr stehen wir manchmal noch am Anfang. Wir stehen zum Beispiel bei der Förderung der polnischen Sprache am Anfang. Hier haben wir noch viel zu tun, auch institutionell. Wir stehen auch am Anfang bei der Einsicht, dass es immer noch ganz viele verschiedene Perspektiven auf die gemeinsame Geschichte gibt, die Verständnis füreinander erfordern. Wir stehen aber vor allem am Anfang in dem Bemühen, im Sinne des Freundschaftsvertrages die Geschicke der EU voranzutreiben. In einer neuen Situation, in der die Europäische Union immer mehr von einem Mehrheitsentscheidungssystem geprägt wird, reicht eine deutsch-französische Achse nicht mehr aus. Deutschland muss verstehen, dass gerade die Freundschaft zu Polen eine Chance bietet, Europa voranzubringen, und zwar in der Euro-Krise und zum Beispiel auch in Fragen der Nachbarschaftspolitik. Beide Staaten haben die Verpflichtung, zu verstehen, dass wir, wenn wir Europa voranbringen wollen, besser darin werden müssen, mit den Polen zu agieren. Auch die polnische Politik muss ab und an noch mehr an den Gesamtfortschritt Europas denken, statt in der nationalen Debatte in erster Linie eigene Interessen gegenüber der polnischen Bevölkerung zu artikulieren. Meine Damen und Herren, es gibt viel Leben und Austausch in den deutsch-polnischen Beziehungen, viele Initiativen, viele engagierte Menschen sowie viele persönliche und wirtschaftliche Kontakte. Dennoch möchte ich auch einen Satz zur Frage der Vertriebenen sagen. Wir Grüne erkennen an, dass viele Vertriebene auch in den letzten Jahren positiven Einfluss auf die Beziehungen hatten. Ich bin aber auch der Meinung, dass einige Personen und Verbände noch immer nicht verstanden zu haben scheinen, dass viele der vorgebrachten Argumente für uns politisch, rechtlich und historisch unhaltbar sind. Deswegen freue ich mich, dass wir am Ende eine Formulierung gefunden haben, die wir alle mittragen können. Ich erkenne das ausdrücklich an. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die deutsch-polnische Freundschaft ist angekommen. Gleichzeitig ist sie am Anfang. Im Sinne unserer beiden Länder und der Europäischen Union werden wir den Weg gemeinsam weitergehen müssen. Die Freundschaft ist seit vielen Jahren im Herzen Europas und auch, könnte man sagen, im Herzen dieses Hauses. Unser heutiger Antrag zeigt, Herr Liebich, dass sie da hingehört und auch da bleiben wird. Danke sehr. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Silberhorn hat für die Unionsfraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Helmut Kohl und der polnische Ministerpräsident Bielecki vor 20 Jahren den deutsch-polnischen Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit unterzeichnet haben, wollten sie ganz bewusst zum Dialog, zur Zusammenarbeit und zur gemeinsamen Gestaltung Europas aufrufen. Wir können im Rückblick auf die letzten 20 Jahre feststellen: Wir haben viel erreicht. Deutsche und Polen sind heute gute Nachbarn, Partner, oft auch Freunde. Wir haben sehr wichtige Handelsbeziehungen. Die Menschen auf beiden Seiten von Oder und Neiße haben die offenen Grenzen als Chance für sich genutzt. Polen ist 2004 mit großer Unterstützung Deutschlands der EU und bereits 1999 der NATO beigetreten. 2007 ist Polen Mitglied der Schengen-Zone geworden. Bei der Ausgestaltung der europäischen Politik arbeiten wir eng und vertrauensvoll zusammen. In dem heute vorliegenden Antrag haben wir uns explizit mit den Akteuren beschäftigt, die in dem Freundschaftsvertrag als natürliche Brücken der Verständigung bezeichnet werden, nämlich mit den polnischstämmigen Bürgern in Deutschland und der deutschen Minderheit in Polen. Wir bekennen uns in unserem Antrag ausdrücklich dazu, dass der damaligen polnischen Minderheit während der Zeit des Nationalsozialismus schlimmstes Unrecht zugefügt worden ist. Wir dürfen und werden die Opfer dieser Jahre nicht vergessen. Es ist gut und richtig, dass wir sie ausdrücklich würdigen. Wir sollten parallel dazu die Bedingungen für die Ausübung der polnischen Sprache und Kultur in Deutschland verbessern. Menschen, die zweisprachig aufwachsen, die mobil sind, die interkulturelle Kompetenz haben, sind genau diejenigen, die wir in einem zusammenwachsenden Europa brauchen. Gleichzeitig schulden wir der deutschen Minderheit in Polen, die über Jahrzehnte unterdrückt und zur Anpassung gezwungen war, hohe Anerkennung dafür, dass sie wieder angefangen hat, ihr kulturelles Erbe zu pflegen und zu leben. Wir müssen dabei in Rechnung stellen, dass es über zwei Generationen hinweg verboten war, Deutsch zu sprechen, was die Minderheit vor besondere Herausforderungen stellte. Wir wünschen uns, dass bei der Vergabe von Geldern an die deutsche Minderheit darauf geachtet wird, dass zum Beispiel das von der polnischen Regierung für Sprachförderung bereitgestellte Geld tatsächlich für Maßnahmen der Sprachförderung eingesetzt wird und dass vor allem eine Lösung für den Mangel an ausgebildeten Lehrern gefunden wird. Zu einem ehrlichen Rückblick gehört auch, dass die deutsch-polnischen Beziehungen in den letzten 20 Jahren manchen Stürmen ausgesetzt waren, die sie aber überstanden haben - von unbegründeten Restitutionsansprüchen bis zu der heftigen Debatte über die deutsch-russische Ostseepipeline für Gas. Das alles waren Belastungsproben für die Beziehungen; aber ich denke, wir haben gelernt, offen miteinander zu sprechen und vertrauensvoll miteinander umzugehen. Ich würde unseren polnischen Partnern gerne immer wieder erklären, Frau Pieper, wie viele Beauftragte es in Deutschland für Partnerstaaten gibt. Es sind nämlich nur vier: für die Vereinigten Staaten von Amerika, Russland, Frankreich und Polen. Das ist die Kragenweite, das ist der Stellenwert, den wir unseren polnischen Nachbarn im Koordinatensystem unserer auswärtigen Beziehungen beimessen. Ich glaube, das dürfen wir unseren Partnern auch hin und wieder erklären. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wir dürfen allerdings nicht zulassen, dass die Artikulation von Ängsten, von Sorgen und von Unzufriedenheit denen überlassen wird, die eher an Provokationen interessiert sind als an Problemlösungen. Hier tragen wir alle eine gemeinsame Verantwortung. Wir sollten auch denen entschlossen entgegentreten, die der Auffassung sind, dass es nur eine Wahrheit gebe, die von den Historikern nur aufgeschrieben werden müsse. Nicht nur in Deutschland und in Polen, auch in anderen Ländern Europas wie Italien und Spanien machen wir die Erfahrung, dass die jüngere Generation neue Möglichkeiten findet, Geschichte zu erklären und zu beschreiben. Wir sollten das fördern. Das Projekt eines deutsch-polnischen Schulbuches, das sich am deutsch-französischen Beispiel orientiert, ist deshalb ein spannendes Vorhaben. Im nächsten halben Jahr während der polnischen Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union wird Polen eine wichtige Rolle einnehmen. Ich denke, es ist der richtige Ansatz, wenn die Polen vor allem auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa setzen. Das genau brauchen wir jetzt. Die Polen gehen dankenswerterweise selbst mit gutem Beispiel voran, indem sie sich freiwillig dem Euro-Plus-Pakt anschließen, obwohl sie nicht Mitgliedstaat der Euro-Zone sind und dazu nicht verpflichtet gewesen wären. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie mir einen letzten Satz gestatten: Wir stehen am anderen Ufer des Mittelmeers vor einer großen Umbruchsituation, die Polen vor 20 Jahren selbst durchlebt hat. Deswegen kann Polen für die arabische Welt und für den Nahen Osten in der Umgestaltung hin zu Demokratie und Rechtstaatlichkeit ein Vorbild sein. Ich denke, das ist eine große Aufgabe für unsere Nachbarn, bei der wir sie unterstützen sollten. Es bleibt unsere ständige Herausforderung, dafür zu sorgen, dass die Begegnungen zwischen Polen und Deutschen lebendig werden und dass wir das Interesse aneinander wachhalten. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Brähmig hat für die Unionsfraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Klaus Brähmig (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal ist weniger mehr. So findet sich in dem vorliegenden Antrag "Deutschland und Polen - Verantwortung aus der Geschichte, Zukunft in Europa" keine explizite Erwähnung des Kapitels der jüngsten deutsch-polnischen Geschichte, aus dem bis heute eine besondere Verantwortung beider Länder herrührt. Obwohl die Vertreibung der Deutschen nicht konkreter Bestandteil der vertraglichen Verpflichtungen des Nachbarschaftsvertrages ist, dessen Bilanz wir heute ziehen, unterstütze ich den Antrag ausdrücklich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Ich möchte eine bemerkenswerte Passage der Regierungserklärung des damaligen Bundeskanzlers zu den deutsch-polnischen Verträgen vom 17. Juni 1991 zitieren, die nichts an Gültigkeit eingebüßt hat. Bundeskanzler Helmut Kohl sagte im Hohen Haus am 6. September 1991 wegweisend: Deutsch-polnische Versöhnung kann nicht durch Regierungen verordnet oder durch Vertragsverpflichtungen begründet werden. Im Gegenteil, das Werk der Versöhnung kann nur gelingen, wenn unsere beiden Völker sich dazu bekennen, wenn jeder Deutsche und jeder Pole es auch als seine persönliche Aufgabe annimmt. Kohl zählte damals insbesondere auf das Engagement der Heimatvertriebenen, sowohl bei der Pflege des gemeinsamen kulturellen Erbes als auch bei den vielfältigen Aufgaben auf humanitärem und sozialem Gebiet. Wenn wir nach 20 Jahren sehen, was durch die unzähligen Kontakte der Schlesier, der Ost- und Westpreußen, der Pommern, der Danziger und nicht zuletzt der Ostbrandenburger in ihre alte Heimat entstanden ist, gehört am heutigen Tag der besondere Dank der Christdemokraten und der Liberalen den deutschen Heimatvertriebenen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da klatschen die Liberalen!) Es ist außerdem ein Verdienst der Regierungskoalition und ein hoffnungsvolles Zeichen - damit knüpfe ich an meine ersten Sätze an -, dass sich auch die beiden Oppositionsfraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen dem Antrag angeschlossen haben und ebenfalls die Versöhnungsarbeit der Heimatvertriebenen hier und heute ausdrücklich würdigen. Der fraktionsübergreifende Dank gebührt auch dem großen Versöhnungsbeitrag der Kirchen beider Länder und deren Laienorganisationen wie dem "Heimatwerk Schlesischer Katholiken". Ferner haben die Regelungen des Nachbarschaftsvertrages zum Erhalt und zur Pflege der Gräber polnischer und deutscher Opfer des Zweiten Weltkriegs versöhnende Wirkung gehabt. Wir haben uns daher im Antrag dafür eingesetzt, dass nun auch neu entdeckte Gräber - man denke an die Massenfunde bei der Marienburg oder Schwiebus - mit in die vereinbarte gemeinsame Pflege aufgenommen werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Zukunft der bilateralen Beziehungen ist die Lage der deutschen Minderheit in Polen und die der polnischstämmigen Bürger in Deutschland von wesentlicher Bedeutung. Ich begrüße daher die Verhandlungsergebnisse der Gespräche beider Regierungen am Runden Tisch und möchte dabei den äußerst engagierten Einsatz unseres Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister des Innern, Christoph Bergner, lobend hervorheben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Die Brückenfunktion der deutschen Minderheit in Polen und die der polnischstämmigen Bürger in Deutschland wird vom Bundestag zu Recht anerkannt. Zudem werden die jeweiligen Rechte zur Stärkung der kulturellen und sprachlichen Identität ausdrücklich bekräftigt. Beide Gruppen sollten sich hier im Geist der Vertragswerke und unseres heutigen Antrages entfalten können. Der Dachverband der deutschen Minderheit in Polen, VdG, und die Häuser der deutsch-polnischen Zusammenarbeit in Gleiwitz und Oppeln leisten hierbei wertvolle Arbeit. Beim muttersprachlichen Unterricht bestehen aber eindeutig Defizite, die beim nächsten Treffen des Runden Tisches angegangen werden müssen. Alle unterzeichnenden Bundestagsfraktionen haben sich auf Initiative der Union daher für eine Verbesserung des deutschsprachigen Unterrichts für die deutsche Minderheit in Polen ausgesprochen. Gradmesser der deutsch-polnischen Beziehungen war laut Presseberichten die kürzlich von unserer Kollegin Erika Steinbach unternommene Reise nach Danzig und Gdingen. Was für eine Aufregung hat es im Vorfeld ihrer Visite bei der dortigen deutschen Minderheit gegeben! (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Kein Wunder!) Hinterher meldeten polnische Zeitungen anerkennend, der Besuch sei ohne Skandale abgelaufen, (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Na toll! Super!) und titelten: Steinbach: Ich schätze die Polen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das ist doch kein Grund zum Klatschen!) Selbst ein Kritiker der von ihr gegründeten Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen, der polnische Historiker Jan Piskorski, räumt mittlerweile ein: Zweifelsohne hat die Initiative des Zentrums kurzfristig zu einer großen Abkühlung in den deutsch-polnischen Beziehungen geführt. Auf längere Sicht kann sie sich aber noch als nützlich erweisen, weil sie beide Seiten dazu zwingt, die eigene Geschichte erneut zu betrachten. Hier sind neue Wege eingeschlagen worden, auf denen wir weitergehen sollten, um, wie es im Antrag heißt, "offen und frei von Ängsten miteinander über die Vergangenheit zu sprechen", aber noch viel mehr, meine lieben Kollegen, über die vor uns liegende gemeinsame Zukunft. An dieser Stelle möchte ich mich dem Dank an meine Kollegen Philipp Mißfelder, Karl-Georg Wellmann, Dietmar Nietan und Manuel Sarrazin anschließen, die sich für ihre Fraktionen bei der Erstellung des Antrags eingebracht haben. Ein ganz besonderer Dank gilt unserer Staatsministerin Cornelia Pieper für die gute Zusammenarbeit. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche von dieser Stelle allen ein gesegnetes Pfingstfest. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/ Die Grünen auf Drucksache 17/6145 mit dem Titel "Deutschland und Polen - Verantwortung aus der Geschichte, Zukunft in Europa". Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a bis 31 d auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Kooperativen Föderalismus für Bildung stärken - Drucksache 17/5911 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Rechtsausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bildungsverantwortung gemeinsam wahrnehmen - Drucksache 17/6094 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Ulla Burchardt, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Bildungszusammenarbeit von Bund und Ländern verlässlich weiterentwickeln - zu dem Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Katja Dörner, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Bildungsberichte nutzen - Bildungssystem gerechter und besser machen - Drucksachen 17/4187, 17/4436, 17/6091 - Berichterstattung: Abgeordnete Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Ernst Dieter Rossmann Patrick Meinhardt Dr. Rosemarie Hein Priska Hinz (Herborn) d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Bei Aussetzung der Wehrpflicht Hochschulpakt aufstocken - Drucksachen 17/4018, 17/5256 - Berichterstattung: Abgeordnete Florian Hahn Swen Schulz (Spandau) Dr. Martin Neumann (Lausitz) Nicole Gohlke Kai Gehring Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. (Unruhe) - Ich würde gerne die Aussprache eröffnen, werde das aber erst dann tun, wenn wir die nötige Aufmerksamkeit für die Rednerinnen und Redner gewährleisten können. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Ziegler für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dagmar Ziegler (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Heute geht es um das leidige Thema Kooperationsverbot. Das Kooperationsverbot wurde im Zuge der Föderalismusreform 2006 in das Grundgesetz geschrieben. Ich glaube, wir haben mittlerweile alle einen Reife- und Erkenntnisprozess durchlaufen und sehen ein: Es war ein Fehler. (Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Richtig!) Ausgerechnet bei der Zukunftsaufgabe Bildung erschwert das Kooperationsverbot die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern. Es verbietet dem Bund sogar ausdrücklich, den Ländern Geld für bessere Bildung zu geben. 2003 gab die damalige Bildungsministerin Edelgard Bulmahn den Startschuss für den längst überfälligen Ausbau von Ganztagsschulen. (Beifall bei der SPD) Mit 4 Milliarden Euro griff der Bund den Ländern unter die Arme - und das mit Erfolg: Mehr als 7 000 Ganztagsschulen konnten so geschaffen werden. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sehr gut!) Was ist heute? Trotz dieses Erfolgs, der unbestreitbar ist, wird es eine Neuauflage des Ganztagsschulprogramms so nicht geben können; denn das ist mit dem Kooperationsverbot nicht vereinbar. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das begreift niemand!) Wie wichtig die Akzentsetzung und die Finanzierung durch den Bund waren, zeigt sich daran, dass der weitere Ausbau nach dem Auslaufen des Programms nur sehr zögerlich vorangeschritten ist. Es gibt noch viele andere Baustellen, die man aufzählen könnte: frühe Hilfen, Kitaausbau, inklusive Bildung, leistungsfähige Hochschulen. Obwohl wir alle wissen, dass von der Bewältigung dieser Herausforderungen unsere Zukunft abhängt, kommen wir bei diesen Themen leider nur im Schneckentempo voran. Die Länder haben zwar die Zuständigkeit für das Thema Bildung, die auch nicht beschnitten werden soll, aber sie haben oft nicht die nötigen finanziellen Mittel. Die Schuldenbremse bedeutet ein enges Korsett - das ist gewollt -, das aber leider auch für die Finanzierung von Zukunftsaufgaben wenig Luft lässt. Hinzu kommen ein paar unserer Meinung nach falsche politische Entscheidungen der Regierung wie die zur sogenannten Hotelsteuer, die den Ländern das Wasser abgräbt. Deshalb köchelt der vielbeschworene föderale Bildungswettbewerb nur auf Sparflamme. Wettbewerb ist nur mit einem Zugewinn an Qualität zu begründen, doch das ist in Deutschland nicht erkennbar. Das Kooperationsverbot ist ein Stolperstein auf dem Weg zu einem leistungsfähigen und zukunftsweisenden Bildungssystem. Wir könnten uns zwar darüber streiten, ob unsere Länderchefs es nun gut oder weniger gut finden, die Bildungshoheit zu haben; die Zeche für das schlechte Bildungssystem zahlen aber nicht die Länderchefs und auch nicht wir hier im Bundestag, sondern die Zeche zahlen unsere jungen Menschen im Land. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich will ein weiteres Beispiel anführen. Vor kurzem ist das Bildungs- und Teilhabepaket über uns hereingebrochen. Daran haben wir erkennen können, welchen Nachteil die Folgen des föderalen Zuständigkeitsgerangels haben können. Unserer Auffassung nach wäre es richtig und konsequent gewesen, in ganz Deutschland endlich ein bedarfsdeckendes und qualitativ einheitliches Angebot an Kitas und Ganztagsschulen zu schaffen, aber genau das war nicht möglich. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das hat die SPD verhindert!) Stattdessen musste Frau Ministerin von der Leyen ihr Heil im Bildungs- und Teilhabepaket suchen, in einer komplizierten und, wie wir alle wissen, bürokratielastigen Umgehungslösung. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das lag an der SPD und nicht an Frau von der Leyen!) Dies ist ein weiterer Grund, eine Veränderung zu schaffen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deshalb schlagen wir heute vor, das Kooperationsverbot aufzuheben. Wir wollen zusätzliche Möglichkeiten für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich schaffen. Wir wollen es wieder möglich machen, dass Bund, Länder und Gemeinden ihre Kräfte bündeln. In vielen Diskussionen habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Zeichen dafür gut stehen. Die FDP hat diesbezüglich Ihre Zustimmung erkennen lassen und das sogar beschlossen. Wir haben das auch bereits von vielen Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion gehört. Frau Schavan hat das hier im Plenum oft wiederholt. Die Bundeskanzlerin hat das auf dem letzten Parteitag der CDU gesagt. Auch der nächste Parteitag der CDU wird offensichtlich unter diesem Slogan stattfinden. Ich denke, wir haben die breite Mehrheit im Bundestag, die für eine Verfassungsänderung nötig ist. Aber es gibt natürlich auch Bedenken und Widerstände. Ich denke da an die Länder. Sowohl aufseiten der A- als auch der B-Länder gibt es das. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Und der C-Seite!) Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, diese Bedenken zu zerstreuen. Es geht nicht darum, die Bildungshoheit der Länder zu beschneiden, sondern wir wollen die Möglichkeit eröffnen, dass der Bund finanziell unterstützend unter die Arme greift. Ich glaube, das ist mehr als ein faires Angebot. (Beifall bei der SPD) Bildung ist nicht nur Ländersache, sondern Sache des gesamten Staates. Heute Morgen haben wir darüber diskutiert, welche Rolle der Wirtschaftsstandort Deutschland in Europa spielt. In diesem Zusammenhang sollten wir uns auch Gedanken darüber machen, dass es nicht im Länderinteresse, sondern auch im gesamtstaatlichen Interesse ist, etwas für ein einheitliches, gutes Bildungssystem zu machen. Über den Weg dahin können wir uns unterhalten. Unser Antrag liegt vor. Über das Ziel aber sollten wir uns alle einig sein: Weg mit dem Kooperationsverbot und hin in die Richtung, eine finanzielle Unterstützung für die Länder möglich zu machen! Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Staatsminister für Unterricht und Kultus des Freistaats Bayern, Dr. Ludwig Spaenle. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Ludwig Spaenle, Staatsminister (Bayern): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Der Föderalismus ist ein Herzstück der Verfassungsordnung in der Bundesrepublik Deutschland. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Länderbank mit einem Freistaat!) Das ist Demokratie nahe am Menschen und nachvollziehbar für die Menschen. Das Ganze wird auch intensiv genutzt, insbesondere im Bereich der Bildung. Die Analysen der vergangenen Landtagswahlen zeigen sehr deutlich, dass den Menschen daran gelegen ist, über dieses zentrale Thema, das Familien in allen Teilen der Bundesrepublik berührt, unmittelbar selbst mitentscheiden zu können. Aus meiner Sicht ist die Diskussion über eine gerade einmal fünf Jahre bestehende neue Gewichtung zwischen Bund und Ländern im Bereich der Bildung ein Ablenkungsmanöver. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Wird aber von der bayerischen Landesregierung geführt!) Wir müssen einen anderen Weg gehen. Dabei brauchen wir den kooperativen Föderalismus. Das bedeutet, dass die Zuständigkeiten des Bundes und der Länder - das ließe sich an vielen Einzelbeispielen deutlich machen - in vollem Umfang gemeinsam auszuschöpfen sind. Die Länder und der Bund haben im vergangenen Mai ein umfangreiches Maßnahmenpaket beschlossen, als Grundlage für den sogenannten Bildungsgipfel und die Qualifizierungsinitiative. Damit wird ausgeleuchtet, wo ein intensives Zusammenwirken möglich ist, wo die Länder in ihrer Eigenverantwortung einen Schritt nach vorne gehen können und wo dies der Bund entsprechend tun kann. Lassen Sie mich das an drei Beispielen deutlich machen: erstens bei der Sprachförderung, zweitens bei der Integration und drittens bei der Berufsvorbereitung und den Berufsübergängen. Wir sind in eine Verfassungsordnung eingebettet, die an zentralen Weichenstellungen des Bildungswesens ein kooperatives Miteinander und Zusammenwirken ermöglicht und die auf der anderen Seite die Aufgabe der Länder, nämlich ihre Verantwortung für ein qualitätsvolles Bildungswesen zu entwickeln, unangetastet lässt. Die Länder haben eine zentrale Aufgabe, und zwar die Ausübung dieser Letztgestaltungskompetenz in nationaler Verantwortung. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Die bleibt ihnen auch!) Das ist auf dem Weg. Das erkennen Sie bei einem Blick auf die Strategie der inhaltlichen Standards für allgemeinbildende Abschlüsse, die seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts umgesetzt wird. Für sämtliche Abschlüsse - vom Abitur bis zum Hauptschulabschluss - werden inhaltliche Mindeststandards entwickelt und implementiert. Die Länder, die sich mit dem sogenannten Südabitur beschäftigen, nämlich Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen-Anhalt - daran haben allerdings auch Länder wie Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein Interesse -, gehen den nächsten Schritt. Aus den Standards müssen gemeinsam normierte Aufgabenpools für die allgemeinbildenden Abschlüsse entwickelt werden. (Dagmar Ziegler [SPD]: Das dauert alles viel zu lange!) Vonseiten der B-Länder werden wir noch weitere Vorschläge machen, um das Thema Vergleichbarkeit um das Thema Verlässlichkeit zu ergänzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will Ihnen niemand verbieten! - Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das wird nicht infrage gestellt!) In der Wissenschaftspolitik liegt eine andere Rechtssituation vor. Hier ist die Möglichkeit des vertieften Kooperierens zwischen Bund und Ländern gegeben. Wir halten es für richtig und zielführend, an dieser Stelle darüber nachzudenken, wie das Ganze weiterentwickelt werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Ulla Burchardt [SPD]: Na prima!) Wir sollten den bestehenden Verfassungsrahmen, der ganz bewusst die Länder in die Verantwortung für die Bildung nimmt und deshalb auch einen föderalen Wettbewerb ermöglicht, der letztlich der Qualität im bundesdeutschen Bildungswesen dient, als Chance begreifen. Wenn wir die Untersuchungen der Länderergebnisse der entsprechenden Bildungsgänge als Grundlage für die Entwicklung gleichwertiger Lebenschancen begreifen, dann ist dies der richtige Ansatz. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sprechen Sie eigentlich auch für Herrn Zeil?) Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, dass die Länder - gleich welcher politischen Führung - es als Chance begreifen, dass der Wettbewerbsföderalismus dem Bildungswesen und dadurch den Lebenschancen in unserem Lande dient. Die zweite Seite der Medaille - ich habe es bereits angesprochen - ist die Frage der Vergleichbarkeit und der Verlässlichkeit. Hier müssen die Länder aus ihrer eigenen Verantwortung heraus aktiv werden. Ich kann deshalb die Notwendigkeit einer Verfassungsänderung im Bereich des Herzstücks des Föderalismus nicht erkennen. Es gilt das Gebot, den kooperativen Föderalismus in seiner ganzen Angebotsvielfalt intensiver zu nutzen. Das ist auch die Botschaft, die die Länder heute in Berlin übermitteln wollen. Lassen Sie uns gemeinsam die Möglichkeiten, die im kooperativen Föderalismus, im Herzstück der Bildungspolitik, im Schulwesen, angelegt sind, nutzen! Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Dr. Hein hat für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich habe noch einmal nachgeschaut: Der Antrag der Linken zur Aufhebung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiete der Bildungspolitik wurde in der Debatte am 25. März 2010 in den Bundestag eingebracht. Über ein Jahr ist seitdem vergangen. Inzwischen haben alle Fraktionen die Notwendigkeit erkannt, über die Fragen der Zusammenarbeit von Bund und Ländern neu nachzudenken. Selbst einige Landtage, auch der in meinem Bundesland Sachsen-Anhalt, haben bereits Beschlüsse dazu gefasst. Also sträuben wir uns nicht, die notwendige Korrektur der Föderalismusreform aus dem Jahre 2006 endlich vorzunehmen! Die Reform hat sich nicht bewährt, Herr Spaenle. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Weil so etwas nur in großer Übereinstimmung geht, haben wir mit der Behandlung unseres Antrages im Ausschuss gerne gewartet, bis die SPD auch so weit war. Bei der Abschaffung des Kooperationsverbotes geht es zunächst nur darum, wieder gemeinsame Projekte in der Bildung wie seinerzeit das Ganztagsschulprogramm finanzieren zu können. Man muss eingestehen: Ohne dieses Programm wären viele Schulen in diesem Land nicht saniert worden. Die Kommunen hätten das allein nicht schultern können. Das muss man einfach sagen: Das war vernünftig. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Lob für Rot-Grün!) Wenn nun in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern der Zustand von 2006 wiederhergestellt wird, ist noch längst nicht alles gut. Vielmehr häufen sich in der Öffentlichkeit immer mehr die Klagen über zu viele Unterschiede zwischen den Bildungssystemen der Länder. Mehr Einheitlichkeit, mehr Vergleichbarkeit und vor allem mehr Durchschaubarkeit werden gefordert. Darum werden die Stimmen, die ein bundeseinheitliches Bildungssystem in Schule und Hochschule fordern, immer lauter. Wenn nichts getan wird, kommt der Bildungsföderalismus immer mehr in Verruf. Es geht zum Beispiel um die Anerkennung von Studienleistungen bei einem Hochschulwechsel, um die Anerkennung der Lehrerausbildung und die Anerkennung von Bildungsabschlüssen. Aber, so werden Sie mir entgegenhalten, das regelt doch in schöner Einstimmigkeit die Kultusministerkonferenz. Ich kenne eine Vielzahl von Beschlüssen dieser Konferenz. Regeln diese Beschlüsse wirklich das, was geregelt werden müsste? Ich möchte das an einem Beispiel darstellen. Sie gestatten, dass ich als Beleg zwei, drei Zitate anführe. 1964 haben die Kultusminister ein "Abkommen zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens" getroffen, das sogenannte Hamburger Abkommen. Dort heißt es zum Beispiel: Die in den Ländern ausgestellten Reifezeugnisse und sonstigen Abschlußzeugnisse von Schulen, die Gegenstand dieses Abkommens sind, werden anerkannt. Und: Soweit ungeachtet dieser Vereinheitlichung beim Schulwechsel Härtefälle eintreten, sind ... Übergangshilfen zu geben. So weit, so gut, so klar. Seit 1993 gibt es die "Vereinbarung über die Schularten und Bildungsgänge der Sekundarstufe I". Diese ist erst im März dieses Jahres wieder einmal - es war nicht das erste Mal - verändert worden. Dort ist über die Berechtigung zum Übergang in die gymnasiale Oberstufe zu lesen - ich zitiere wieder -: Bei einer durchgehenden Fachleistungsdifferenzierung auf drei Anspruchsebenen ist die Teilnahme am Unterricht in drei Fächern, zu denen mindestens zwei der Fächer Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache gemäß Ziffer 4.1.2 oder 4.1.3 (Satz 2) gehören, auf der obersten Anspruchsebene erforderlich. In diesen Fächern müssen mindestens ausreichende, in den Fächern der mittleren Anspruchsebene mindestens befriedigende und in den Fächern der unteren Anspruchsebene mindestens gute Leistungen erbracht werden. In den ohne Fachleistungsdifferenzierung geführten abschlussrelevanten Fächern sind im Durchschnitt mindestens befriedigende Leistungen erforderlich. (Heiterkeit bei der LINKEN) Ich habe mehrfach geübt, dies vorzulesen. Haben Sie alles verstanden? (Beifall bei der LINKEN) Dann kommt ein Nachsatz - ich verkürze ihn ein bisschen -: In Bayern werden Schülerinnen und Schüler, die eine andere Schule als das Gymnasium besucht haben, mit einer Berechtigung ... dieser Vereinbarung in die gymnasiale Oberstufe unter den besonderen Bedingungen aufgenommen, die in Bayern für Realschüler gelten. Klar, was immer das heißt. Ich könnte mehr solcher Beispiele nennen; aber dafür habe ich hier nicht die Zeit. Den Unmut über so viel Überregelung und so viel überbordende Bürokratie kann ich verstehen. Bildungsföderalismus wollte Vielfalt im Bildungswesen. Als Vielfalt entstand, hat man ein Korsett um sie gebaut. Immer wenn im Rahmen des Bildungsföderalismus eine neue Entwicklung im Gange war, ist eine neue Korsettstange eingezogen worden. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Korsettstange? Wie bitte?) Nun wird die Vielfalt durch dieses Korsett eher stranguliert, und Einheitlichkeit entsteht dadurch auch nicht. Derzeit debattieren die Kultusminister der Länder - Dr. Spaenle hat es eben gesagt - über einheitliche Prüfungsaufgaben für ein Zentralabitur. Ganz abgesehen davon, dass ich das für grundfalsch halte: Ich will mir gar nicht vorstellen, was dabei wieder herauskommt. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Debatte um eine gemeinsame Verantwortung für das Bildungssystem in der Bundesrepublik Deutschland muss weitergehen. Wir haben in unserem Antrag, dem zweiten in dieser Sache, Vorschläge dazu gemacht. Da geht es um eine angemessene Ausstattung der Bildungsfinanzierung ebenso wie um die Passfähigkeit und Gleichwertigkeit der Bildungsangebote in den Ländern. Möglicherweise ist das noch nicht alles, was dazugehört - vielleicht ist es noch nicht einmal der Weisheit letzter Schluss -, aber diskutiert werden kann darüber. Das sollten wir unbedingt tun, hier im Bund und mit den Ländern. Ich danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Professor Dr. Neumann hat für die FDP-Fraktion nun das Wort. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für mich ist Bildung eine nationale, eine gesamtstaatliche Aufgabe. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Die Bildungsrepublik Deutschland wird nur dann Wirklichkeit, wenn Bund und Länder gemeinsam für eine gute Bildung eintreten. Ich sage an dieser Stelle mit gleichem Nachdruck aber auch, dass wir uneingeschränkt zum Bildungsföderalismus stehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das im Jahr 2006 von der Großen Koalition im Deutschen Bundestag gegen die Stimmen der FDP-Fraktion beschlossene Kooperationsverbot verhindert leider genau dies. Wir haben übrigens schon damals deutlich gesagt, dass das Kooperationsverbot nicht zeitgemäß ist. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Darauf haben sich Union und FDP im Koalitionsvertrag verständigt. Unser Ziel sind faire Startchancen für alle Kinder. Aufstieg durch Bildung erreichen wir durch höhere Bildungsinvestitionen und das enge Zusammenwirken von Bund und Ländern. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Meine Damen und Herren, politisches Handeln ist leider nicht dagegen gefeit, Fehler zu begehen. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Da haben Sie recht!) Wir erleben nicht selten, dass sich Rahmenbedingungen verändern oder sich Entscheidungen in der Rückschau leider als nicht zielführend herausstellen. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Da haben Sie leider auch recht!) Irren ist menschlich und verzeihbar. Problematisch wird es nur, wenn Fehler nicht eingestanden und nicht korrigiert werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Da haben Sie leider auch recht! - Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was nützt uns dann Ihre Koalitionsvereinbarung?) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich verstehe Ihren Antrag so, wie es Ihr Fraktionsvorsitzender gestern in einem anderen Zusammenhang formulierte: als Irrtumsbereinigungsantrag der SPD. (Beifall der Abg. Sylvia Canel [FDP] - Dagmar Ziegler [SPD]: Genau!) Die SPD, die das Kooperationsverbot im Jahr 2006 erst ermöglicht hat, kommt nun langsam - Frau Ziegler, Sie haben es gesagt - auf den richtigen Weg. (Ulla Burchardt [SPD]: Helfen Sie Ihren Koalitionskollegen dabei doch auch mal!) Wer aber meint, die Sozialdemokraten seien nun vollständig geläutert, der braucht sich nur einmal dort umzuschauen und umzuhören, wo die SPD für den Schulbereich zuständig ist. Dort wehrt man sich leider mit Händen und Füßen gegen die im Antrag geforderten Veränderungen, beklagt Zentralisierungstendenzen und fürchtet die Einflussnahme des Bundes. Erst vor kurzem klopfte die schwarz-gelbe Landesregierung in Kiel zur Vorbereitung einer Bundesratsinitiative zur Aufhebung des Kooperationsverbotes an die Türen einiger SPD-Kollegen. Sie wurde brüsk abgewiesen. Es ist kein Geheimnis, dass Kurt Beck ein großer Verteidiger der rheinland-pfälzischen Eigenheiten im Schulwesen ist. Immerhin hat es sein Land beim letzten Ländervergleich im Lesen auf den für SPD-Verhältnisse fantastischen fünften Platz geschafft. Wunderbar, meine Damen und Herren! Man stellt sich nur die Frage, was die ewigen Schlusslichter Berlin, Brandenburg und Bremen dazu bewegt, ihren Sonderstatus gegen Bundeshilfen verteidigen zu wollen. (Dagmar Ziegler [SPD]: Nein, Brandenburg noch nie!) Fest steht, dass die SPD-Länder noch nicht mitziehen wollen. (Dagmar Ziegler [SPD]: Das stimmt doch überhaupt nicht! - Klaus Hagemann [SPD]: Was ist denn mit Bayern?) Ich kann den Sozialdemokraten an dieser Stelle nur zurufen: Wenn Sie es wirklich ernst meinen, sorgen Sie für eine Mehrheit im Bundesrat! Dann können wir auch etwas bewegen. (Ulla Burchardt [SPD]: Was machen Sie denn in Bayern?) Bewegung im Bildungssystem wird nämlich dringend benötigt. Wir brauchen deutlich mehr Einsatz für den Bildungsbereich. Nur im Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen kann dies wirklich gelingen. (Dagmar Ziegler [SPD]: Jeder kehrt vor seiner Tür! - Ulla Burchardt [SPD]: Gibt es die FDP eigentlich auch in Bayern?) Die Bildungsrepublik Deutschland braucht mehr denn je eine wirklich gemeinsame Kraftanstrengung im Bereich der Bildungspolitik. Allein die Bilanz der Quoten derjenigen, die eine allgemeinbildende Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen, spricht hier Bände. Das kann man ganz deutlich auch im nationalen Bildungsbericht nachlesen. Während die Quoten im Jahr 2008 in den christlich-liberal regierten Ländern zwischen 5,6 Prozent und 7,1 Prozent lagen und gegenüber 2006 jeweils um 1 Prozentpunkt zurückgingen, bewiesen die Schlusslichter Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit Quoten von 11,5 Prozent bis sogar 16,8 Prozent die traurige Wahrheit an dieser Stelle. Das kann sich Deutschland wirklich nicht länger leisten. Das muss sich ändern. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich vor wenigen Tagen ganz klar dazu bekannt: Wir benötigen eine neue Zusammenarbeit von Bund und Ländern und brauchen einen gemeinsamen Rahmen und gemeinsame Standards. Das Kooperationsverbot steht dem im Wege. Statt eines Kooperationsverbots bräuchten wir eher ein Kooperationsgebot. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Eine Ermöglichung!) Ein solches haben übrigens die Schweizer Nachbarn genau zur gleichen Zeit eingeführt, als wir hier in Deutschland das Verbot gesetzt haben. Es lohnt sich also, über den Tellerrand zu schauen. Als FDP-Bundestagsfraktion sind wir der Auffassung, dass sich das Kooperationsverbot nach nunmehr fünf Jahren nicht bewährt hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Um das Ziel einer besseren Finanzierung von Bildungsprojekten vor Ort zu erreichen, intransparente Querfinanzierungen zu vermeiden - genau zu solchen hat das Kooperationsverbot ja geführt und geradezu ermutigt -, Transaktionsverluste zu vermeiden und zielsichere Bildungsinvestitionen zu ermöglichen, halten wir eine Aufhebung des Kooperationsverbots für erforderlich. Im Hochschulbereich - das wissen wir alle - dürfen Bund und Länder gemeinschaftliche Programme aufstellen. Ohne diese Möglichkeit wären zum Beispiel die Exzellenzinitiative, der Hochschulpakt und der Qualitätspakt Lehre nicht möglich. Das Zusammenspiel von Bund und Ländern trägt hier sichtbar Früchte. Weswegen man den Schulbereich von dieser positiven Entwicklung ausklammern oder ihn gar davor schützen will, bleibt mir ein Rätsel. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Mir auch!) Bildung und Forschung haben für uns Liberale einen hohen Stellenwert. Wir sind stolz darauf, dass der Bund bis 2013 12 Milliarden Euro zusätzlich für diesen zentralen Politikbereich bereitstellt. Gleichzeitig müssen wir aber sicherstellen, dass die Länder in ihren Bemühungen nicht nachlassen, Zukunftsinvestitionen in Kitas und im Schul- und Hochschulbereich zu tätigen. Der Bund darf dort, wo sich Länder aus ihrer Verantwortung zurückziehen, nicht zum Lückenfüller werden. (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Tankred Schipanski [CDU/CSU]) Es darf auch nicht hingenommen werden, dass Landesregierungen ihren eigenen Bildungseinrichtungen gegenüber wortbrüchig werden und deren Etats zusammenstreichen. (Beifall des Abg. Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]) Um das Ziel einer bestmöglichen Bildung in unserem Land zu erreichen, müssen sich alle staatlichen Ebenen - die Kommunen, die Länder und der Bund - dafür einsetzen, dass wir bundesweit die bestmöglichen Bedingungen für Bildung sicherstellen. Das kann und soll in einem partnerschaftlichen Miteinander geschehen. Pragmatische Lösungen sind hier das Gebot der Stunde. Durch die Verfassungsänderung von 2006 - das will ich abschließend sagen - wurde das Bildungssystem in Deutschland geschwächt. Dass das mit dem vorliegenden Antrag eingestanden wird, ist begrüßenswert. Nun gilt es, die Erkenntnisse in Handeln umzusetzen; ich hatte Beispiele genannt. Gehen Sie auf Ihre Ministerpräsidenten zu und bewegen Sie diese, ihre Blockadehaltung aufzugeben! Denn ohne die Mitwirkung der Länder wird dies nicht erzielbar sein. Die FDP wirbt auf Länderebene um Unterstützung. Wir sind bereits ein erhebliches Stück weitergekommen, aber - das muss ich an der Stelle deutlich sagen - es liegt noch ein erhebliches Stück vor uns. Vertrödeln wir nicht unsere Zeit mit billigen Schaufensteranträgen, (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Meinen Sie unseren?) sondern konzentrieren wir uns darauf, dass wir gemeinsam die dringend benötigten Reformen einleiten! (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sagen Sie doch, dass Sie eigentlich zustimmen wollen!) Sprechen Sie mit Ihren Vertretern in den Kommunen und Landesparlamenten! Denn auch hier kommt es auf eine gute Kooperation an. Ich bedanke mich. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Kai Gehring das Wort. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Kooperationsverbot hat sich, wie erwartet, nicht bewährt, sondern die Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Bildungsbereich unmöglich gemacht und ihr sogar geschadet. Als grüne Bundestagsfraktion haben wir es 2006 abgelehnt, als die Große Koalition aus SPD und CDU/CSU trotz massiver Kritik das völlige Herausdrängen des Bundes aus jeder Bildungsverantwortung durchgesetzt hat. Seitdem kämpfen wir dafür, das Kooperationsverbot wieder aus unserem Grundgesetz zu streichen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir freuen uns deshalb auch sehr, dass SPD und Teile der Union - die Union übrigens auch hier - einen Lernprozess durchlaufen haben und ihr Handeln von 2006 offensichtlich korrigieren wollen. Lieber Herr Dr. Spaenle, Ministerin Schavan hat doch vollkommen recht, wenn sie in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung - ich zitiere - sagt: Wir haben die Ziele nicht erreicht, die wir anstrebten. Wir haben keine bessere Koordination der 16 Länder, es gibt keine gemeinsame Strategie, um das Bildungssystem zu verbessern. Da hat Frau Schavan leider recht. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was heißt hier "leider"?) Herr Staatssekretär, dieser Erkenntnis muss jetzt eben auch ganz konkretes Handeln folgen. Das Kooperationsverbot muss durch einen gemeinsamen Kraftakt aller Bundestagsfraktionen und mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundesrat wieder aufgehoben werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Für niemanden ist nachvollziehbar, warum Bund und Länder in zentralen Bildungsfragen nicht kooperieren dürfen. Es ist ein eklatanter Widerspruch, in Sonntagsreden von der Bildungsrepublik Deutschland zu fabulieren und werktags eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern zu unterbinden. Wir meinen: Wer gute Bildung wirklich als zentrale soziale und ökonomische Frage sieht, muss gesamtstaatliche Strategien verfolgen, statt bildungspolitische Kleinstaaterei zu betreiben. Bildung entscheidet über sozialen Aufstieg und ökonomische Zukunftsfähigkeit. Wenn man sich solche Gerechtigkeits- und Innovationsfragen von bundesweiter Tragweite anguckt, dann merken wir: Wir benötigen eine neue Kooperationskultur aller politischen Ebenen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das heißt übrigens nicht, dass wir eine Bundesbildungskompetenz haben wollen. Darum geht es nicht. Es geht auch nicht darum, dass wir uns auf einen Weg hin zum Bildungszentralismus begeben wollen, sondern es geht darum, die föderale Ordnung in unserem Land weiterzuentwickeln. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das können wir gerade mit Blick auf die Ziele von "EU 2020" nur dann, wenn der Bund nicht nur in der Forschungs- und Hochschulpolitik Mitverantwortung übernimmt, sondern auch in der allgemeinen Bildungspolitik. Natürlich bleibt die Bildungspolitik Kern der Landespolitik, aber der Bund muss in die Mitverantwortung hinein, um in zweifacher Hinsicht Kooperationsmöglichkeiten zu schaffen: Erstens muss es um die bessere Ausfinanzierung unseres Bildungssystems gehen. Zweitens muss eine bessere Vergleichbarkeit bei Bildungsplänen, Bildungsstandards und Bildungsabschlüssen erreicht werden. Denn nur mit Unterstützung des Bundes können die Länder die eklatante Unterfinanzierung des Bildungssystems überwinden. Und nur mit einer besseren Vergleichbarkeit erreichen wir eine höhere Mobilität. Das ist dringend notwendig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Wenn der Schulortwechsel im Inland zum Risiko für Schüler und Eltern wird, dann zeigt sich, wie dringend Veränderungen notwendig sind. Das gegenseitige Abwerben von Lehrkräften zwischen den Ländern zeigt uns auch, wie dringend wir einen kooperativen und qualitätssteigernden Föderalismus anstelle eines kompetitiven Ellbogenföderalismus brauchen. Auch darum muss es gehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Es ist gut, dass die FDP-Bundestagsfraktion das mittlerweile auch so sieht. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir, wenn wir uns gemeinsam zusammensetzen, die Streichung des Kooperationsverbotes hinkriegen würden und gemeinsame Projekte zwischen Bund und Ländern definieren können. Dazu zählen wir als Grüne zum Beispiel eine neue bundesweite Ganztagsschuloffensive, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) die wegen der Finanznot vieler Kommunen stockt, aber im Hinblick auf Chancengleichheit sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf unbestreitbare Erfolge bringt. Weiter zählen dazu gemeinsame Programme zur Sprachförderung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Einwanderungsgeschichte. Denn gute Sprachkenntnisse sind eine zentrale Frage bei der Zugangsgerechtigkeit. Außerdem geht es um die Themen Inklusion, gesundes Schulmittagessen für möglichst alle Kinder und Professionalisierung der Ausbildung von Pädagogen und Lehrern. All das sind Themen, die hier entsprechend angepackt werden könnten. Die mehr als mühsamen Verhandlungen über das Bildungspaket im Rahmen der Reform von Hartz IV zu Jahresbeginn haben uns doch allen noch einmal vor Augen geführt, dass dieser systematische Schritt der Aufhebung des Kooperationsverbotes auch deshalb überfällig ist, um bildungsbenachteiligte und arme Kinder gezielt erreichen zu können. Anstelle von Bildungsgutscheinflickschusterei für Kinder aus ALG-II-Familien brauchen gerade diese Kinder und Jugendlichen die besten Kitas, die besten Schulen und die besten Pädagoginnen und Pädagogen. Dafür braucht es eine gezielte, direkte finanzielle Förderung der Bildungseinrichtungen, um die Institutionen zu verbessern, statt mit irrwitziger Bürokratie nachzubessern. Wir müssen versuchen, individuelle Förderung für alle Kinder und Jugendliche zu erreichen. Das wäre mit der Aufhebung des Kooperationsverbotes viel leichter möglich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Es geht übrigens nicht darum, dass der Bund zukünftig wieder nur in Beton mitinvestieren darf. Wir brauchen gemeinsame Investitionen zur qualitativen Verbesserung, die Personal- und Sachausgaben nötig machen. Diese Ausgaben stehen jetzt an, wenn man für mehr individuelle Förderung und bessere Bildung sorgen möchte. Es wäre schön, wenn uns ein fraktionsübergreifender Konsens darüber gelänge. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Gehring, ich bin ein geduldiger Mensch, aber ich bitte Sie jetzt wirklich, das Signal zu beachten. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deshalb bin ich auch in fünf Worten fertig. (Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Fix und fertig!) Würden wir diesen fraktionsübergreifenden Konsens hinbekommen, dann würde auch eine neuen Kooperationskultur und ein gesamtstaatlicher Bildungsaufbruch funktionieren. Generationen von Schülern, Eltern und Lehrern würden es uns danken. Ich gebe zu, ich habe mich verzählt. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Monika Grütters für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Monika Grütters (CDU/CSU): In Bildungsdebatten sind wir ein bisschen großzügig. - Frau Präsidentin, vielen Dank. - Damit wir wenigstens etwas zu applaudieren haben, möchte ich darauf hinweisen, dass unser Kollege Albert Rupprecht heute Geburtstag hat. (Beifall) Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit - das ist der Lieblingsspruch von Volker Kauder. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist von Lassalle! Ich sage das, weil wir jetzt eine Bildungsdebatte haben!) Wir alle wissen das. Dass er, der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, heute der Bildungsdebatte beiwohnt, lässt uns hoffen, dass etwas Bewegung in dieselbe kommt. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch zwei solche Sätze, dann gehen wir!) Denn das Betrachten der Bildungswirklichkeit lässt viele Menschen in unserem Land verzweifeln: mehr als 80 Schultypen in 16 Bundesländern, nicht vergleichbare Abschlüsse oder Standards, überfüllte Hochschulen, permanente, wenn auch gut gemeinte Reformen, die Schüler, Eltern und Lehrer völlig überfordern. Aber auch das ist eine Betrachtung unserer Wirklichkeit: Den Wettbewerb um die besten Konzepte und Ergebnisse zwischen den Ländern, Herr Minister Spaenle, finde ich gut, die Vielfalt, die daraus resultiert, auch. Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille. 80 Schultypen - das bedeutet Vielfalt. Ich finde, Wettbewerb und Vielfalt sind die positiven Aspekte des Föderalismus. Die guten PISA-Ergebnisse, über die sich Bayern freuen kann, zeigen das. Aber Länder wie Berlin verzweifeln an ihren schlechten Ergebnissen. Deshalb hat gestern eine große Demonstration gegen die rot-rote Berliner Schulpolitik stattgefunden. Auch so etwas gehört auf das Konto der Länderseite. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Ebenfalls am gestrigen Donnerstag stand das Thema der bundesweit vergleichbaren Prüfungen auf der Tagesordnung der KMK, Minister Spaenle weiß das. Wir, die nicht der KMK angehören, fragen uns: Wie kommen 16 Bundesländer gemeinsam ans Ziel, wenn man sich noch nicht einmal auf die Strecke einigen kann? (Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Gar nicht!) Es ist und bleibt schwierig. Ich will die Länder nicht anklagen; wir sind hier ja nicht zum Föderalismus-Bashing angetreten. (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD) Sie alle verteidigen ihre Schulpolitik zunächst aus der ehrlichen Überzeugung und dem, wie ich finde, glaubwürdigen Interesse heraus, die beste Bildungspolitik von allen zu machen. Die kann aber nur gelingen, wenn sich alle Akteure mehr als bisher in echten Bildungspartnerschaften zusammenfinden. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Da möchte ich klatschen! - Gegenruf des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Darfst du!) - Bitte. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zur Betrachtung der Wirklichkeit gehört auch, dass man erkennt, dass viele solcher Bildungspartnerschaften aktuell gut funktionieren. Die grundlegende Zuständigkeit der Bundesländer für die Bildungspolitik, vor allen Dingen bei den Schulen als Kern unseres föderalen Systems, muss man und wollen wir auch gar nicht antasten. (Ulla Burchardt [SPD]: Genau!) Aber seien wir ehrlich: Sowohl im Bildungs- als auch im Hochschulbereich sehen sich die Länder derzeit Herausforderungen gegenüber, die sie schon lange nicht mehr stemmen können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN) Deshalb haben wir auf Bundesebene den Hochschulpakt 2020, die Exzellenzinitiative und auch den Qualitätspakt Lehre aufgelegt, in die der Bund insgesamt mehr als 10 Milliarden Euro steckt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Damit haben Bund und Länder dem Hochschulbereich zumindest in der Wissenschaft sehr wohl gezeigt, wie funktionierende Bildungspartnerschaften aussehen können und dass sie heute längst Realität sind. Aber es gibt auch Probleme. Die Zusammenarbeit im Bereich der Schulpolitik ist natürlich wesentlich schwieriger. Dabei sind die Herausforderungen hier nicht kleiner, im Gegenteil. Das Thema Schüler mit Migrationshintergrund ist angesprochen worden. Es ist nicht nur in Berlin so, dass der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund in Grundschulen bei über 50 Prozent liegt. Solche Aufgaben können und wollen wir gemeinsam lösen. Stellen Sie sich einmal vor - Frau Ziegler hat das gesagt -, wie gut es gewesen wäre, wenn wir die Mittel aus dem Bildungspaket tatsächlich direkt an die Schulen hätten geben können. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN) Man sieht allein an diesen wenigen Stichworten: Wir brauchen tatsächlich eine neue Kooperationskultur. Das deutsche Bildungssystem in der Bildungsrepublik muss länderübergreifend in die Lage versetzt werden, exzellente Aus- und Weiterbildung zu ermöglichen, grundlegende gemeinsame Standards zu definieren, Vergleichbarkeit zu schaffen, Verlässlichkeit zu garantieren und vor allen Dingen - das ist für uns hier ein Thema - die vielen eingesetzten Mittel, auch aus der Bundeskasse, effizient zu verteilen. Um nur ein paar Instrumente zu nennen: Wie wäre es zum Beispiel mit der Vereinbarung eines Schulkonsenses (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) - das ist an die Adresse der Länder gerichtet -, der für vergleichbare und wiedererkennbare Schultypen sorgen könnte? Ich finde es einen richtigen Schritt, dass man sich auch in der Union auf das zweigliedrige Schulsystem verständigt. (Beifall des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Klar, das wird schwierig, wenn man bedenkt, dass allein 22 Minister mit unterschiedlichen Ressortzuschnitten aus 16 Ländern miteinander zu tun haben. Auch das ist ein Problem auf der KMK-Ebene. Da sind andere Ideen wichtiger. Aber ich finde, man muss es zumindest anregen und es versuchen. Ein anderer Punkt ist die CDU-Idee eines Deutschlandabiturs, für das gemeinsame Abiturstandards formuliert und ein länderübergreifender Aufgabenpool etabliert werden soll. Auch darum ist es gestern gegangen; Sie haben einiges zitiert. Wir haben gemerkt, wie wahnsinnig schwierig das ist. Man kann der KMK - Herr Spaenle, das kann ich Ihnen nicht ersparen - nur zurufen: Machen Sie es doch mal! Es gibt viele Vereinbarungen, die am Ende nicht umgesetzt werden. Das lässt Außenstehende an der KMK - Helmut Kohl hat einmal gesagt, das sei der letzte Hort der Reaktion - ein bisschen verzweifeln. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Die Einstimmigkeitsregel in der KMK führt angesichts der vielfältigen und unterschiedlichen Ressortzuschnitte zu mühsamen Abstimmungen. Das ist kein Vorwurf; das ist das Betrachten der Wirklichkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Für uns wäre auch eine gemeinsame Lehrerausbildung ein überlegenswerter Schritt in die richtige Richtung. Wir finden auch, dass es in zentralen Schulfächern durchaus einheitliche Lernmittel geben müsste oder sollte. So schwierige Fächer wie Geschichte würden davon profitieren. Zur Koordinierung und Umsetzung derartiger Überlegungen ist das Stichwort "Bildungsrat" genannt worden. Der Wissenschaftsrat - mit ihm haben wir in der Hochschul- und Wissenschaftslandschaft exzellente Erfahrungen gemacht -, mit Experten, nicht mit Politikern besetzt, evaluiert und gibt Empfehlungen. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD - Dagmar Ziegler [SPD]: Na, na, na!) - Ich fände es besser, den Bildungsrat mit Experten zu besetzen, um von ihm Empfehlungen und Evaluierungen vornehmen zu lassen. Für den Hochschulbereich - das ist jetzt die Aufgabe - müssen wir uns überlegen, wie wir die bestehenden, eben genannten guten Partnerschaften für die Zukunft sichern wollen; denn sie sind alle befristet. Das müssen wir frühzeitig machen, also jetzt. Dabei müssen wir zum Beispiel über eine Fortführung der Exzellenzinitiative oder das, was danach kommt, nachdenken. Ich finde es richtig, wenn es danach ermöglicht würde, einzelne leistungsfähige Hochschulen auch mit Bundesgeldern zu fördern. Ich bin Minister Spaenle sehr dankbar, dass er dazu explizit gesagt hat, dass er sich gerade in diesem Bereich eine Öffnung, die dann auch verfassungsrelevant wäre, vorstellen kann. Für diesen Vorschlag einer Öffnungsklausel noch einmal und ausdrücklich von dieser Stelle vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir müssen den Föderalismus gemeinsam modernisieren, Kooperationen erleichtern und - ich sage es noch einmal - zu einer neuen Kooperationskultur kommen. An die SPD gerichtet: Diesen Gedanken finde ich auch in Ihrem Antrag wieder, wenn Sie - ich zitiere - "eine weiter gehende Möglichkeit zur Kooperation von Bund und Ländern" anstreben, damit gemeinsame Leistungs- und Qualitätsstandards entwickelt werden können und Bund und Länder auch bei der Sicherstellung - das ist auch das Wording der Ministerin - der Leistungsfähigkeit zusammenwirken können. Ich finde das eine kluge Formulierung. Ich habe aus Ihrer Feder auch schon radikalere Varianten gesehen. Hier hat einmal der Pragmatismus gesiegt. Deshalb finde ich es auch richtig, dass wir diesen Antrag in den Ausschuss überweisen und dort darüber nachdenken. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Die Zentralismussehnsucht der Linken kann ich nicht teilen. Aber auch das werden wir dann in diesem Kontext behandeln. (Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das haben wir im Text erläutert!) Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Eine Verteilung der Bildungspaketmittel direkt an die Schulen wird hier offensichtlich von allen für besser und wünschenswert gehalten. Darüber sind wir uns also einig. Einige andere Stichwörter habe ich genannt. Wie wir dahin kommen und ob wir dafür eine Grundgesetzänderung brauchen, müssen wir dann sehen. Wichtig ist und bleibt uns - auch darüber sind wir uns alle einig, denke ich -: Es sollte und muss besser werden. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Swen Schulz für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Swen Schulz (Spandau) (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Grütters, wenn das so ist, dann können Sie unserem Antrag ja zustimmen. (Monika Grütters [CDU/CSU]: Das behalten wir uns dann noch vor!) Das werden doch ganz interessante Beratungen. Stellen wir uns einmal für eine Sekunde vor, was wäre, wenn einer von uns hier im Bundestag oder auch im Bundesrat fordern würde: Die bestehende Kooperationsmöglichkeit zwischen Bund und Ländern im Bereich der Hochschulen soll gestrichen werden. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Massendemonstrationen in Bayern!) Er würde Kopfschütteln oder ungläubiges Gelächter ernten. Genau das war aber der Plan derjenigen, die die letzte Föderalismusreform verhandelt haben. Die SPD ist dann in letzter Sekunde aktiv geworden und hat dafür gesorgt, dass die im Grundgesetz festgehaltene Kooperation im Hochschulbereich erhalten bleibt. Auf dieser Basis können wir den Hochschulpakt, die Exzellenzinitiative, den Qualitätspakt Lehre etc. realisieren. Derselbe Weg muss auch für die Schule beschritten werden. (Beifall bei der SPD - Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der Schule habt ihr leider mitgemacht! Jörg Tauss hat damals erklärt, alles sei nicht so schlimm, und Frau Bulmahn auch!) Ich prophezeie Ihnen: Früher oder später wird das Kooperationsverbot auch im Schulbereich fallen, weil es schlicht und einfach unsinnig ist. Bildung ist so wichtig, dass wir alle Kräfte von Bund wie auch von Ländern zusammennehmen müssen, um im Bildungsbereich Verbesserungen herbeizuführen. Die Menschen verstehen nicht, warum sie dann, wenn sie sich an die Bundespolitik wenden, um auf Veränderungsbedarf im Bildungsbereich hinzuweisen, zur Antwort bekommen: Dafür sind wir nicht zuständig; das sind die Länder. - Damit haben die Bürgerinnen und Bürger recht. Das ist in der Tat unsinnig. Es sind unsere gemeinsamen Kinder. Es ist unsere gemeinsame Zukunft. Deswegen müssen wir auch zusammenwirken, um Bildung in diesem Land besser zu machen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Durch nichts ist das deutlicher geworden als durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Bildungsteilhabe. Darin hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Bund für die Bildungschancen der armen Kinder zuständig ist. Gleichzeitig sind die Länder die Träger der Schulen. Daher hat man sich zusammen an einen Tisch gesetzt, um zu überlegen: Wie bekommen wir das gemeinsam hin? Herausgekommen ist eine teure und komplizierte Bürokratie. Das muss anders werden. Genau dies müssen wir ändern. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir wollen direkt in die Schulen investieren - zum Beispiel in Ganztagsschulen. Vor diesem Hintergrund werden auch die Stimmen immer mehr und immer lauter, die die Aufhebung des Kooperationsverbotes fordern. Ich habe einen Zeitungsbeitrag von Jutta Allmendinger und Dietmar Harhoff mitgebracht. Das sind Wissenschaftler (Dagmar Ziegler [SPD]: Experten!) und immerhin Mitglieder der Expertenkommission Forschung und Innovation, die von der Bundesregierung eingerichtet worden ist. Sie schreiben - ich zitiere -: Das Kooperationsverbot behindert den Fortschritt. Hier geht es nicht um eine Prinzipienfrage oder eine staatsrechtliche Spielerei, sondern um Deutschlands Zukunft. Recht haben sie. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Im politischen Bereich - auch hier im Deutschen Bundestag; das hat sich in dieser Debatte sehr schön gezeigt - gibt es auch immer mehr Lernerfolge. Die Linken sind für die Aufhebung des Kooperationsverbotes, die Grünen ebenfalls. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollten es gar nicht haben!) Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen Antrag eingebracht. Aus der FDP hören wir gute Signale. Ich habe hier auch ein Zitat von Generalsekretär Lindner von der FDP: Jetzt muss die Union endlich ihre Position klären. Alle warten darauf. In der Tat ist die CDU/CSU jetzt am Zug. Schon seit einiger Zeit rennt Frau Ministerin Schavan durch die Gegend und gibt Interviews und hält Reden, in denen sie sagt, das Kooperationsverbot solle fallen. Vor über einem Jahr habe ich Ministerin Schavan im Deutschen Bundestag und in einem Schreiben eine überparteiliche Initiative zur Aufhebung des Kooperationsverbotes angeboten. Das hat sie bis heute abgelehnt. Es reicht aber nicht, sich in Sonntagsreden billigen Applaus von dem entsprechenden Publikum abzuholen. Sie ist nämlich Ministerin und Bundestagsabgeordnete. Unter der Woche, werktags, muss im Deutschen Bundestag entschieden werden und muss die entsprechende Initiative kommen. Der Antrag der SPD ist die Nagelprobe für die CDU/CSU-Fraktion, wie sie es mit der Kooperation im Bildungswesen hält. (Beifall bei der SPD) In allen Fraktionen bzw. Parteien gibt es Kollegen und Kolleginnen in der Landespolitik, die noch nicht ganz davon überzeugt sind, dass das Kooperationsverbot fallen soll. Das ist bei der SPD so. Bei der FDP soll es auch andere Stimmen geben. Bei der CDU/CSU ist es so, und neuerdings sogar bei den Grünen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei uns auch!) - Kollege Wieland nickt dazu. - Von den Linken habe ich aus der Landespolitik auch schon Ähnliches gehört. Deswegen ist der Antrag der SPD kein Schaufensterantrag, lieber Kollege Neumann. Er formuliert vielmehr das Ansinnen, mit einem Dialogangebot im Deutschen Bundestag eine Initiative zu ergreifen, die auch gegenüber dem Bundesrat Wirkung entfaltet. Es war schon fast ein innerparteilicher Dialog zwischen dem Kollegen Spaenle aus Bayern und Frau Grütters. Wir sehen, dass noch einige vertrauensbildende Maßnahmen notwendig sind. Aber wenn wir das Vorhaben gemeinsam anpacken, gemeinsam im Ausschuss diskutieren und zu einer kooperativen Lösung finden, kann das Kooperationsverbot fallen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/5911 und 17/6094 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung auf der Drucksache 17/6091. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/4187 mit dem Titel "Bildungszusammenarbeit von Bund und Ländern verlässlich weiterentwickeln". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/4436 mit dem Titel "Bildungsberichte nutzen - Bildungssystem gerechter und besser machen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel "Bei Aussetzung der Wehrpflicht Hochschulpakt aufstocken". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-sache 17/5256, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/4018 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts - Drucksache 17/6052 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Innenausschuss Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich um folgende Kolleginnen und Kollegen: Michael Brand für die Unionsfraktion, Gerd Bollmann für die SPD-Fraktion, Horst Meierhofer für die FDP-Fraktion, Ralph Lenkert für die Fraktion Die Linke, Dorothea Steiner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Parlamentarische Staatssekretärin Heinen-Esser.4 Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/6052 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Schutzschirm für Stromkunden - Bezahlbare Energiepreise gewährleisten - Drucksache 17/5760 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Federführung strittig Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu Protokoll zu geben. - Ich sehe, Sie sind auch hier damit einverstanden. Es handelt sich um folgende Kolleginnen und Kollegen: Dr. Georg Nüßlein für die Unionsfraktion, Andrea Wicklein für die SPD-Fraktion, Dr. Erik Schweickert für die FDP-Fraktion, Caren Lay für die Fraktion Die Linke und Ingrid Nestle für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.5 Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/5760 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist jedoch strittig. Die Unionsfraktion und die Fraktion der FDP wünschen Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, die Fraktion Die Linke wünscht Federführung beim Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der Fraktion Die Linke - Federführung beim Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - abstimmen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Überweisungsvorschlag ist abgelehnt. Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP - Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und Technologie - abstimmen. Wer stimmt für diesen Vorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Überweisungsvorschlag ist angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wird sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 29. Juni 2011, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage. (Schluss: 14.27 Uhr) Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aigner, Ilse CDU/CSU 10.06.2011 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 10.06.2011 Burgbacher, Ernst FDP 10.06.2011 Dr. Danckert, Peter SPD 10.06.2011 Dittrich, Heidrun DIE LINKE 10.06.2011 Dörmann, Martin SPD 10.06.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 10.06.2011 Dr. Friedrich, Hans-Peter CDU/CSU 10.06.2011 Gleicke, Iris SPD 10.06.2011 Gloser, Günter SPD 10.06.2011 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.06.2011 Gruß, Miriam FDP 10.06.2011 Gunkel, Wolfgang SPD 10.06.2011 Hardt, Jürgen CDU/CSU 10.06.2011 Höger, Inge DIE LINKE 10.06.2011 Humme, Christel SPD 10.06.2011 Hunko, Andrej DIE LINKE 10.06.2011 Kamp, Heiner FDP 10.06.2011 Keul, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.06.2011 Klein-Schmeink, Maria BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.06.2011 Kopp, Gudrun FDP 10.06.2011 Kressl, Nicolette SPD 10.06.2011 Leutert, Michael DIE LINKE 10.06.2011 Dr. Lotter, Erwin FDP 10.06.2011 Möller, Kornelia DIE LINKE 10.06.2011 Nink, Manfred SPD 10.06.2011 Nord, Thomas DIE LINKE 10.06.2011 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.06.2011 Reichenbach, Gerold SPD 10.06.2011 Dr. Ruck, Christian CDU/CSU 10.06.2011 Schäffler, Frank FDP 10.06.2011 Schlecht, Michael DIE LINKE 10.06.2011 Dr. Stadler, Max FDP 10.06.2011 Thönnes, Franz SPD 10.06.2011 Weinberg, Harald DIE LINKE 10.06.2011 Widmann-Mauz, Annette CDU/CSU 10.06.2011 Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 10.06.2011 Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl eines Mitglieds des Vertrauensgremiums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung teilgenommen haben (Zusatztagesordnungspunkt 18) CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Gabriele Fograscher Michael Gerdes Martin Gerster Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Michael Groschek Michael Groß Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Holger Ortel Aydan Özoðuz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Florian Pronold Mechthild Rawert Stefan Rebmann Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Carsten Schneider (Erfurt) Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Christian Lindner Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Daðdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothee Menzner Cornelia Möhring Niema Movassat Wolfgang Neškovic Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Sabine Stüber Alexander Süßmair Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Katrin Werner Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Memet Kilic Sven-Christian Kindler Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Stephan Kühn Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Tobias Lindner Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Till Seiler Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen: Stabilität der Euro-Zone sichern - Reformkurs in Griechenland vorantreiben (Zusatztagesordnungspunkt 17) Alexander Funk (CDU/CSU): Mit einem neuerlichen Hilfspaket beabsichtigt die Bundesregierung, die offensichtlich unvermeidliche Insolvenz Griechenlands weiter hinauszuzögern. Da dieses Unterfangen, das ein massives Risiko für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes darstellt, ebenso ökonomisch vermessen wie rechtlich höchst bedenklich ist, kann ich diesen Weg - wie auch bereits im Mai 2010 - nicht mitgehen und lehne den Antrag ab. Völlig zu Recht machen die Europäische Kommission, die EZB und der IWF in ihrem Prüfbericht deutlich, dass bereits im Rahmen des ersten Milliardenpakets "deutliche politische Risiken sowie Probleme hinsichtlich der Verwaltungskapazität" aufgetreten sind und die "Umsetzung der Reformen in den letzten Quartalen zum Stillstand" gekommen sei. Diese realistische Bewertung darf jetzt nicht ignoriert und dadurch weitere Milliardensummen, für die unsere Bürgerinnen und Bürger geradestehen, ausgeblendet werden. Wir müssen klar bekennen: Der eingeschlagene Weg ist bereits ein Jahr später gescheitert. Ehrlichkeit und Verantwortung für unser Land gebieten es, ihn spätestens jetzt nicht weiterzugehen. Ich erinnere erneut daran, dass nicht nur die Einmaligkeit der Aushebelung des Bail-out-Verbotes nach AEUV Art. 125 wesentliche Bedingung für die Mehrzahl der Befürworter der Bürgschaften im Mai 2010 war, sondern auch der irrige Glaube an die erfolgreiche Umsetzung des sogenannten Memorandum of Understanding, also die Einhaltung der mit Griechenland vereinbarten Maßnahmen. Auch die Befürworter der ersten Kredittranchen und all jene, die wohlmeinend auf eine Besserung der wirtschaftlichen Situation Griechenlands gehofft haben, hatten nun über ein Jahr Zeit, die fatalen Konsequenzen eines weiteren Kapitaltransfers zu prüfen: Wie zu befürchten war, kann und konnte Griechenland trotz Milliardenbürgschaften kein Vertrauen in seine Bonität zurückgewinnen. Wir müssen der Wirklichkeit ins Auge sehen, dass Griechenland seine Schuldenlast auch mittelfristig nicht selbst am Kapitalmarkt refinanzieren kann. Daran haben auch die gut gemeinten bisherigen Bürgschaften nichts geändert. Der griechische Kapitalbedarf von 50 Milliarden Euro in 2012 und mindestens 44 Milliarden Euro in 2013 wird bei den hohen Risikoaufschlägen auf griechische Anleihen von bis zu 25 Prozent ebenso wenig finanzierbar sein wie eine Gesamtverschuldung von über 150 Prozent des BIP bzw. in der Höhe von 350 Milliarden Euro. Alleine zwischen Mai 2010 und Mai 2011 stiegen die CDS-Spreads für fünfjährige Anleihen um weitere 600 Basispunkte auf 1 400 Basispunkte insgesamt, während die rigiden Spar-auflagen die Rezession der griechischen Volkswirtschaft massiv verstärken. Auch ein Jahr nach Beginn der griechischen Schuldentragödie werden überdies nur vage Vermutungen geäußert, welche Ansteckungsgefahren für die Euro-Zone aus einer nach marktwirtschaftlichen Prinzipien selbstverständlichen Beteiligung der Gläubiger an einem Zahlungsausfall resultieren würden. Die Summen, mit denen europäische Banken in Griechenland engagiert sind, und die Möglichkeit eines vorbereiteten Zahlungsausfalls mit (Teil-)Rekapitalisierungen bedrohter Institute lassen jedenfalls keinen direkten Schluss auf sogenannte unbeherrschbare systemische Risiken und ökonomische Horrorszenarien zu. Die falsche und zu Recht von Axel Weber bereits damals gerügte Entscheidung, die EZB zu einer Ankaufsbank für hochriskante Anleihen mit Ramschstatus zu degradieren, darf nun jedenfalls nicht dauerhaft zur Begründung immer weiterer Transfers herangezogen werden. Was alle Anleger und nicht zuletzt viele Griechen schon wissen, dürfen wir nicht länger ignorieren: Ein zumindest partieller Zahlungsausfall und Verluste für die Gläubiger kann auch durch weitere Bürgschaften nicht verhindert werden. Neben der für mich nicht verantwortbaren Belastung des deutschen Steuerzahlers und des Haushalts unseres Landes zeigt sich aber auch immer mehr, dass nicht nur die finanziellen Auswirkungen der Staatsschuldenkrise zur Belastung für Europa werden, sondern paradoxerweise auch die explosive Mischung aus Kredittransfers und rigiden Sparauflagen selbst: Die berechtigte Wut der Bürgerinnen und Bürger in Griechenland über jahrzehntelange Misswirtschaft richtet sich immer deutlicher gegen die Kreditgeber, während unsere Bürger zu Recht fassungslos den Bruch mit all unseren europapolitischen Grundüberzeugungen und Versprechen bei der Euro-Einführung feststellen müssen. Nach einem Jahr Bürgschaftsmilliarden ziehe ich folgendes ernüchterndes Fazit: Jegliche Form von Kredittransfers sowie die mit öffentlichen Geldern finanzierte Insolvenzverschleppung beschädigen den Zusammenhalt der europäischen Staatengemeinschaft nachhaltig und sorgen für einen verheerenden Vertrauensverlust der Menschen in die Zukunftsfähigkeit unserer Währung und unserer Politik. Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Die geplanten Kredithilfen an Griechenland sind erheblich. Das Problem Griechenlands ist gerade die enorme Schuldenlast. Ich schließe nicht aus, dass eine geordnete Insolvenz Griechenlands oder andere diskutierte Maßnahmen eine wirksamere Methode zur Überwindung der Krise wären. Offensichtlich sind die Herausforderungen und Aufgaben, die letztes Jahr an Griechenland von der europäischen Solidarität gestellt wurden, nicht erfüllt worden. Die griechische Haushalts- und Finanzpolitik hat die europäischen Stabilitätserfordernisse nicht erfüllt. Überdies hat das Land nach wie vor große Strukturprobleme. Die Anstrengungen und die Bereitschaft der Griechen, sich diesen herausragenden Sorgen zu stellen, sind nur im Ansatz zu erkennen. Insbesondere die Probleme des griechischen Steuersystems und vor allem bei der Steuervereinnahmung, Überbürokratie und einer völlig aufgeblähten Verwaltung, den erheblichen Pensionslasten, aber auch bei der Ausgabenpolitik in anderen Bereichen wie zum Beispiel dem Millitärsektor sind offensichtlich und überhaupt nicht zufriedenstellend angegangen worden. Die Strategie, Griechenland zu helfen, ist in den ersten 13 Monaten offenkundig nur sehr unzureichend aufgegangen. Die Frage stellt sich, wie stark die Finanzhilfen den europäischen Solidaritäts- und Gemeinschaftsgedanken insgesamt strapazieren und noch strapazieren werden. Trotz meiner erheblichen Bedenken stimme ich nicht gegen den Entschließungsantrag, da mir regierungsseitig vermittelt wurde, dass zum derzeitigen Zeitpunkt ein solches Hilfspaket unvermeidbar sei, um den Euro-Raum nicht in noch mehr Turbulenzen und Schwierigkeiten zu stürzen. Die Stabilisierung des Euro hat vorrangige Priorität. Mittel- und langfristig ist ein Strukturanpassungsprogramm und eine Umschuldung mithilfe des IWF - so wie es Griechenland in der Vergangenheit vor dem Beitritt zur Euro-Zone mehrfach gemacht hat - vonnöten. Nur dies kann das Vertrauen der Märkte wiederherstellen und würde auch die Anleger, wie zum Beispiel Banken und Versicherungen, die in griechische Staatsanleihen investiert haben, automatisch mit in die Haftung nehmen. Die jetzigen Hilfen für Griechenland entbinden den Bundestag und die Bundesregierung aber weiterhin nicht von der Pflicht, die Umstände der Aufnahme Griechenlands in den Euro-Raum sowie dessen Verhalten seitdem aufzuklären. Dazu gehört auch die Frage, warum Stabilitätskriterien aufgeweicht bzw. deren Anwendung nicht oder nur nachlässig durchgesetzt wurden. Dies darf sich jedoch nicht ausschließlich auf Griechenland konzentrieren, sondern muss alle Euro-Staaten und insbesondere die Bundesrepublik Deutschland mit einbeziehen. Es war die rot-grüne Regierung, die größte Schuld auf sich geladen hat. Die Aufnahme Griechenlands war ein historischer Fehler, der uns heute und in Zukunft teuer zu stehen kommt. Mit der Abstimmung verbinde ich weiterhin die Hoffnung, dass auch in Deutschland die Einsicht darüber einkehrt, dass nur solide Finanzen, ein durchschaubares Steuersystem und die konsequente Durchsetzung von Kontrollmechanismen langfristig das Überleben der Währungsunion sichern können. Der Fall Griechenland zeigt, dass unfinanzierbare Tagträume, die beständig im politischen Meinungsprozess Einzug oder Wiederkehr feiern, fatale Folgen haben. Darüber hinaus müssen wir uns vor Augen führen, dass auch Deutschland nicht ohne Weiteres die Übernahme solch enormer finanzieller Risiken leisten kann. Deutschland muss sich trotz seiner im Vergleich zu Griechenland besseren Finanzausstattung bewusst sein, das es selbst immense Hausaufgaben in dieser Beziehung vor sich hat. Erhebliche Einsparmaßnahmen, die Reformierung des Steuersystems und die Bekämpfung der Bürokratie bleiben auf der Tagesordnung. Diese Notwendigkeiten sind auch im Lichte der griechischen Verhältnisse nicht relativierbar und müssen weiterhin mit Nachdruck verfolgt werden. Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Griechenland steckt in einer tiefen strukturellen Schuldenkrise. Alle Wirtschaftsdaten zeigen, dass Griechenland kein Liquiditäts-, sondern ein Solvenzproblem hat. Das Land ist insolvent, und es ist ganz offensichtlich, dass es seine Verschuldung nicht durch eigene Anstrengungen wird eindämmen können. Eine baldige Rückkehr auf die Kapitalmärkte ist damit nicht zu erwarten. In meinem Urteil wird sowohl das Konzept einer Laufzeitverlängerung für bestehende Staatsanleihen als auch neue Finanzhilfen ins Leere laufen, weil sie eine Lösung des Schuldenproblems nur hinauszögern. Schlimmer noch, die Unsicherheit droht weiter zuzunehmen und nicht abzunehmen, was zur Folge hat, dass wichtige Investitionen ausbleiben werden und das Land immer tiefer in die wirtschaftliche Abwärtsspirale gerät. Die Schuldenproblematik muss also rasch gelöst werden. Aus diesem Grunde kann ich dem Entschließungsantrag von CDU/CSU und FDP nicht zustimmen. Meines Erachtens ist ein unverzüglicher Schuldenschnitt unter Beteiligung privater Gläubiger dringend geboten. Nur so kann die zuvor beschriebene Unsicherheit beendet werden. Je länger ein solcher Schnitt hinausgezögert wird, desto mehr werden sich die privaten Gläubiger von ihren Anleihen trennen. Das wird wiederum die Kosten für die öffentlichen Gläubiger in die Höhe treiben. Ein Schuldenschnitt allein reicht aber nicht aus, um Griechenlands Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Weitere Wachstumshilfen im Rahmen eines Marshallplanes sind erforderlich. Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Am 11. Februar 2010 haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union gemeinsam geschaffenes und von allen Staaten der EU ratifiziertes Recht und damit europäisches Recht kollektiv gebrochen. Es wurde angekündigt, dass man Griechenland auf jeden Fall finanziell helfen werde, falls es Griechenland im April und Mai 2010 nicht gelingen sollte, sich zu ausreichend niedrigen Kosten am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Damit haben die Staats- und Regierungschefs am 11. Februar 2010 den Bruch der No-Bail-out-Klausel im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV, verkündet. Am 7. Mai 2010 erklärte die Bundeskanzlerin im Deutschen Bundestag, dass die Griechenlandhilfe eine einmalige Hilfe sei, die absolute Ausnahme und sonst nichts. Als der Deutsche Bundestag am 21. Mai 2010 das sogenannte Euro-Rettungspaket, den viel zitierten Rettungsschirm, verabschiedete, wurde hier im Deutschen Bundestag erklärt, dass ohnehin niemand unter diesen Schirm flüchten werde. Lediglich die Finanzmärkte müssten durch ein starkes Zeichen beruhigt werden. Heute drängeln sich bereits Irland und Portugal unter diesem Schirm, Griechenland soll folgen. Im Herbst dieses Jahres soll er mangels Kapazität in seinem Ausleihvolumen weiter erhöht werden. Noch am 27. Oktober 2010 erklärte die Bundeskanzlerin zur Dauer des Rettungsschirms: Er läuft 2013 aus. Das haben wir auch genau so gewollt und beschlossen. Eine einfache Verlängerung kann und wird es mit Deutschland nicht geben, weil der Rettungsschirm nicht als langfristiges Instrument taugt, weil er Märkten und Mitgliedstaaten falsche Signale sendet und weil er eine gefährliche Erwartungshaltung fördert. Er fördert die Erwartungshaltung, dass Deutschland und andere Mitgliedstaaten und damit auch die Steuerzahler dieser Länder im Krisenfall schon irgendwie einspringen und das Risiko der Anleger übernehmen können. Vier Wochen später galt dieses alles nicht mehr. Und es wurde dann sogar am 11. März 2011 ein Weg zur "Änderung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist - Ratsdok. 17620/10, EUCO 30/10, Anlage I" eingeschlagen. Dieser Weg ist ein Weg 1. zur Ausweitung des bestehenden Euro-Rettungsschirms, 2. zur unbefristeten Verlängerung des Euro-Rettungsschirms, 3. zur qualitativen Veränderung der europäischen Wirtschaftsverfassung. Dieses wollte der Deutsche Bundestag so nicht. Heute befassen wir uns mit einer zweiten Griechenlandhilfe. Aller Bekundungen zum Trotz hat bereits die erste Griechenlandhilfe vor einem Jahr die Situation für Griechenland nicht entschärft, sondern verschärft. Durch die Griechenlandhilfe haben wir den Märkten falsche Signale gesendet. Wir haben die Erwartungshaltung gefördert, dass Deutschland - und damit auch seine steuerzahlenden Bürger - im Krisenfall schon irgendwie einspringt. Wir haben die berechtigte Hoffnung geweckt, dass der Staat das Risiko der Anleger übernehmen wird. Der Erwerb griechischer Anleihen ist dadurch zum Geschäftsmodell geworden. Wir ändern daran nichts, sondern verstetigen im Gegenteil mit der weiteren Subventionierung der Anleihegläubiger das Geschäftsmodell. Wir perpetuieren die Erwartungshaltung. Wir erhalten die berechtigte Hoffnung, dass vor allem nur der Staat bzw. die europäische Staatengemeinschaft das Risiko der Anleiheinhaber übernimmt. Nichts von dem wird dadurch geändert, dass wir die Gläubiger über die versprochene Prolongation - auch - beteiligen. Die Anleiherenditen werden immer noch überdurchschnittlich sein. Mit dem Kauf von Anleihen erwirbt man die hohe Rendite entsprechend dem griechischen Insolvenzrisiko, ohne dass dieses Risiko zu tragen ist. Bedrohlicher noch ist der Blick über die griechische Situation hinaus. Was wir anhand des griechischen Beispiels vorexerzieren, werden die Marktteilnehmer zu deuten wissen. Wir werden die Nutzung des gleichen Geschäftsmodells demnächst bei Schuldtiteln aus Zypern erleben. Zypern ist klein. Wir werden die Nutzung des gleichen Geschäftsmodells anschließend bei Anleihen aus Italien und Spanien erleben. In allen drei Ländern sinkt die Sparquote. In Zypern und Italien ist sie bereits negativ. In allen drei Ländern existieren hohe Leistungsbilanzdefizite. Fallende und schließlich negative Sparquoten bei hohen Leistungsbilanzdefiziten gingen jeweils dem Bankrott in Griechenland und Portugal voraus. Wenn wir die Subventionierung der Anleihegläubiger Griechenlands nicht beenden, werden wir in kurzer Zeit im Bundestag zusammenkommen, weil wir erneut vor der gleichen Situation stehen. Dann aber werden es Spanien und Italien sein, die hilfesuchend den Blick auf nach Norden richten. Angesichts der wirtschaftlichen Größe beider Länder kann sich jeder ausmalen, was das für den Euro bedeuten wird. Der Preis, den wir für den im Februar des Jahres 2010 eingeschlagenen und heute weiter beschrittenen falschen Weg zu bezahlen haben werden, ist hoch. Er kostet langfristig die Glaubwürdigkeit und die Stabilität des Euro. In jedem Fall ist abzusehen, dass die Vorteile aus dem Euro bei diesem Modell alsbald als aufgebraucht angesehen werden müssen. Es ist höchste Zeit, um umzulenken und alternative Lösungen zu diskutieren. Wir müssen uns trauen, die besseren möglichen Wege, die Griechenland wirklich helfen, zu gehen. Wir müssen uns endlich eingestehen, dass wir es mit einer pathologischen Überschuldung von Staaten und Banken zu tun haben. Wir müssen uns endlich eingestehen, dass das staatliche Geldsystem zu einer Überschuldungskrise von Staaten und Banken geführt hat. Wir ignorieren die Untauglichkeit unseres staatlich gelenkten Geldsystems, in dem Geld und Kredit aus dem Nichts geschaffen werden. Dieses Geldsystem hat ein Schneeballsystem aus ungedeckten zukünftigen Zahlungsverpflichtungen geschaffen. Wie jedes Schneeballsystem wird es früher oder später in sich zusammenbrechen. Wir befinden uns auf dem Weg in die Abhängigkeit von solchen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen. Dieser führt uns von Intervention zu Intervention spiralförmig abwärts. An seinem Ende erwartet uns ein planwirtschaftliches Europa. Mit dem planwirtschaftlichen Europa kommt die Vollendung seines ökonomischen Verfalls. Ökonomischer Verfall führt zu Unzufriedenheit bei den betroffenen Menschen. Die schlimmen politischen Folgen ökonomischer Unzufriedenheit sehen wir in Dänemark, das seine Grenzen schließt. Statt eines Europas mit Grenzen für Güter und Menschen brauchen wir ein marktwirtschaftliches Europa mit Freihandel und gesundem Geld. Nur so erhalten wir ein Europa der Freiheit. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Erstens. Ich kann dem Entschließungsantrag aufgrund persönlicher Bedenken nicht zustimmen. Zweitens. Grund meiner Ablehnung ist die mit diesem Antrag verbundene Unterstützung von weiteren Krediten an Griechenland, obwohl dies europapolitisch und ökonomisch unvernünftig sowie finanzpolitisch unverantwortbar ist. Aus der Verantwortung, die wir für Europa haben, reicht es nicht aus, wenn wir immer weitere Gelder und Garantien an die Gläubiger Griechenlands geben. Letztlich wird das Geld beim unkontrolliert hohen Schuldenstand Griechenlands, der auch in den vergangen Monaten nicht gesunken ist, nicht Griechenland und den dortigen Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen, sondern ganz überwiegend an Finanzinstitute und Anleger gehen, deren Verbindlichkeiten mit dem Geld bedient werden können. Ich trete dafür ein, Griechenland mit wirtschaftlichen Maßnahmen zu helfen, damit das Land volkswirtschaftliche Fortschritte machen kann und dadurch auch wieder leistungsfähiger wird. Mit den gegenwärtigen Maßnahmen wird jedoch nicht die griechische Wirtschaft und damit den Menschen in Griechenland geholfen. Vielmehr wird der hohe Schuldenstand Griechenlands weiter zementiert und vergemeinschaftet, sodass Griechenland finanzpolitisch keinen Spielraum hat, um die eigene Konjunktur anzukurbeln. Die den Griechen auferlegte Strukturanpassungspolitik wird rezessive Konsequenzen für das Land haben, sodass die Verschuldung noch weiter zunehmen wird. Dies wird auch den Kapitalmarkt nicht nachhaltig von der Stabilität des griechischen Finanzsektors überzeugen, sodass weitere Gelder abgezogen werden. Ich unterstütze daher eine Umschuldung Griechenlands. Nur wenn Griechenland aus der Schuldenspirale herauskommen kann, wird es dort wieder möglich sein, Investoren zu gewinnen und mehr Wohlstand zu schaffen. Es ist aber nicht einzusehen, warum Gläubiger, die bewusst hohe Risiken mit griechischen Anleihen eingegangen sind, um hohe Renditen zu erhalten, mit Steuergeldern ihre Renditen abgesichert bekommen sollen. Dies wäre im Übrigen auch finanzpolitisch nicht durchzuhalten und verstößt massiv gegen Art. 125 AEUV. Aus europapolitischer Solidarität trete ich dafür ein, dass wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern einen europäischen Marshall-Plan für Griechenland auflegen, der auf nachhaltiges Wirtschaftswachstum angelegt ist. Deutschland hat ein Interesse an prosperierenden Partnern in Europa und muss sich seiner Verantwortung bewusst sein. Der vorliegende Entschließungsantrag bleibt hierhinter zurück und reicht meiner Meinung nach nicht aus. Das Engagement muss stärker darauf gerichtet sein, Griechenland nachhaltig zu unterstützen. Dr. Peter Tauber (CDU/CSU): Erstens. Am 7. Mai 2010 stimmte der Deutsche Bundestag dem Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität in der Währungsunion erforderlichen Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik (Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz, WFStG) zu. Auch ich habe für dieses Gesetz gestimmt, damit Griechenland die Chance zur Restrukturierung bekommt und um gleichzeitig die Möglichkeit zu schaffen, dass im Falle eines Scheiterns alternative Lösungen erarbeitet werden können. In den letzten Tagen ist deutlich geworden, dass Griechenland es entgegen den Erwartungen und Hoffnungen nicht geschafft hat, die notwendigen Restrukturierungsmaßnahmen zu realisieren. Offensichtlich ist es aber auch nicht gelungen, tragfähige alternative Lösungen zu erarbeiten. Damit stehen wir vor einem großen Dilemma. Der vorgelegte Bericht der Troika, in dem die Hauptergebnisse der gemeinsamen Prüfung Griechenlands von Kommission, EZB und IWF niedergelegt sind, verstärkt diesen Eindruck noch. Deutlich wird dies schon im ersten Absatz des Abschnittes zur Haushaltskonsolidierung. Der Absatz beginnt zwar mit den Worten: "Die quantitativen Haushaltszahlen [...] wurden erreicht", im Folgenden wird jedoch angeführt: "[...] Steuererhebung ist weiterhin geringer als angestrebt, [...] zahlreiche Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (haben) ihre Wirksamkeit noch nicht voll entfaltet. [...] Etliche Schwächen bei der Ausgabenkontrolle wurden jedoch noch nicht behoben [...] Zahlungsrückstände von Staat und Krankenhäusern [...] steigen weiter." Zweitens. Unklar bleibt, was passiert, wenn die Bedingungen, die an weitere Finanzhilfen geknüpft sind, nicht erfüllt werden, wenn sich beispielsweise der IWF einer weiteren Beteiligung verweigert, private Gläubiger nicht in angemessener Weise beteiligt werden können oder das Privatisierungsprogramm der griechischen Regierung auf Basis des Troika-Berichts nicht in dem gewünschten Ausmaß erfolgreich ist bzw. nicht umgesetzt wird. Im Falle, dass die Bedingungen an die bisherigen und an erneute Hilfsmaßnahmen für die Hellenische Republik nicht erfüllt werden, muss ein alternativer Maßnahmenkatalog vorliegen. Die Ausarbeitung eines Alternativprogramms fehlt bisher. Drittens. Entgegen den Erwartungen von vor einem Jahr soll es nun nicht bei einer einmaligen Hilfsleistung bleiben. Dies birgt die Gefahr, dass wir auf dem Weg in die Transferunion ein großes Stück vorankommen. Einen "Länderfinanzausgleich" innerhalb der EU-Staaten kann aus meiner Sicht nicht das Ziel sein. Viertens. Entgegen der Aussage, dass die Experten einhellig eine Umschuldung als das größere Risiko ansehen, teile ich die durchaus vielfach vorgetragenen Bedenken von Fachleuten vor erneuten Hilfsmaßnahmen für Griechenland. So ergänzte beispielsweise Thomas Meyer, Chefökonom der Deutschen Bank, zu seiner Überzeugung, dass Griechenland ein Solvenz- und kein Liquiditätsproblem habe, recht plastisch: "Das ist wie bei einer Blinddarmentzündung. Schmerzmittel helfen nicht. Man braucht eine Operation. Wer sich dem verweigert, stirbt wahrscheinlich." Fünftens. Ohne ein klares Konzept, wie die Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik sichergestellt werden kann und die Finanzstabilität in der Währungsunion langfristig zu sichern sei, kann eine zweite Notmaßnahme zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit Griechenland kaum zielführend sein. Sechstens. Gerade als begeisterter Europäer sehe ich die Gefahr, dass durch die Ansätze der Schaffung einer dauerhaften Transferunion die europäische Idee, die von Konrad Adenauer bis zu Helmut Kohl auch von Deutschland geschmiedet und aufgebaut wurde und die unserer Nation viele Jahrzehnte in Frieden und Freiheit beschert hat, nachhaltig in Gefahr gebracht wird. Siebtens. Der vorliegende Entschließungsantrag trägt den von mir vorgetragenen Punkten nicht Rechnung. Eine Zustimmung hierzu ist mir aus vorgenannten Gründen nicht möglich. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus-Peter Willsch, Manfred Kolbe, Alexander Funk, Dr. Peter Gauweiler, Veronika Bellmann und Christian Hirte (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen: Stabilität der Euro-Zone sichern - Reformkurs in Griechenland vorantreiben (Zusatztagesordnungspunkt 17) Griechenland ist insolvent und nicht nur illiquide. Die Gesamtverschuldung beträgt rund 350 Milliarden Euro. Allein von 2010 zu 2011 stieg die Gesamtverschuldungsquote von 142,7 Prozent auf 153,4 Prozent des Bruttosozialprodukts. Keinem Land der Welt ist es bisher gelungen, einen solchen Schuldenberg abzutragen. Einsparungen alleine werden nicht ausreichen. Griechenland verfügt auch über keine wettbewerbsfähige Exportwirtschaft, und eine solche kann auch nicht in wenigen Jahren aufgebaut werden, wie die deutschen Erfahrungen mit dem Aufbau Ost zeigen. Die Privatisierungserlöse werden in den ersten Jahren eher bescheiden sein. Die bisherige Strategie, Zeit zu gewinnen, um die Wachstumskräfte in Griechenland in Bewegung zu setzen, ist damit gescheitert. Als Alternative bleibt daher nur eine Umschuldung, das heißt ein Schuldenschnitt - Haircut -, der die griechische Staatsschuld zumindest halbiert. Die von dem Antrag als "angemessene Beteiligung privater Gläubiger" ins Auge gefasste bloße Verlängerung der Laufzeiten der Anleihen reicht nicht aus, da dies an der Schuldenlast nichts ändert. Vielmehr ist es den Anleihegläubigern, die teilweise sehr hohe Zinsen vereinnahmen, zumutbar, ebenfalls einen wirklichen Sanierungsbeitrag zu übernehmen und nicht alle Lasten dem europäischen Steuerzahler und der zukünftigen Generation aufzubürden. Allein ein solcher Schuldenschnitt gibt auch Griechenland eine Chance für einen Neubeginn. Wir fordern diesen Weg als überzeugte Europäer, da die bisherige Strategie Europa auseinanderzureißen droht. Hakenkreuze in Europafahnen und Vergleiche mit der Besatzung im Zweiten Weltkrieg in Griechenland machen dies genauso deutlich wie Schlagzeilen über angeblich faule Südländer im Norden Europas. Die Idee, mit einer Art "Treuhand" Privatisierungserlöse von 50 Milliarden Euro in Griechenland zu erzielen, würde die Kluft vertiefen, wenn sich dann Nordeuropäer zu Schnäppchenpreisen das griechische Staatsvermögen aneignen. Wer Europa wirklich will, muss im Interesse Griechenlands und Europas eine echte Umschuldung einleiten. Aus diesen Gründen können wir dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frank Schäffler, Jens Ackermann, Nicole Bracht-Bendt und Sylvia Canel (alle FDP) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen: Stabilität der Euro-Zone sichern - Reformkurs in Griechenland vorantreiben (Zusatztagesordnungspunkt 17) Am 11. Februar 2010 haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union gemeinsam geschaffenes und von allen Staaten der EU ratifiziertes Recht und damit europäisches Recht kollektiv gebrochen. Es wurde angekündigt, dass man Griechenland auf jeden Fall finanziell helfen werde, falls es Griechenland im April und Mai 2010 nicht gelingen sollte, sich zu ausreichend niedrigen Kosten am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Damit haben die Staats- und Regierungschefs am 11. Februar 2010 den Bruch der No-Bail-out-Klausel im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV, verkündet. Am 7. Mai 2010 erklärte die Bundeskanzlerin hier im Deutschen Bundestag, dass die Griechenland-Hilfe eine einmalige Hilfe sei, die absolute Ausnahme und sonst nichts. Als der Deutsche Bundestag am 21. Mai 2010 das sogenannte Euro-Rettungspaket, den viel zitierten Rettungsschirm, verabschiedete, wurde hier im Deutschen Bundestag erklärt, dass ohnehin niemand unter diesen Schirm flüchten werde. Lediglich die Finanzmärkte müssten durch ein starkes Zeichen beruhigt werden. Heute drängeln sich bereits Irland und Portugal unter diesem Schirm, Griechenland soll folgen. Im Herbst dieses Jahres soll er mangels Kapazität in seinem Ausleihvolumen weiter erhöht werden. Noch am 27. Oktober 2010 erklärte die Bundeskanzlerin zur Dauer des Rettungsschirms: Er läuft 2013 aus. Das haben wir auch genau so gewollt und beschlossen. Eine einfache Verlängerung kann und wird es mit Deutschland nicht geben, weil der Rettungsschirm nicht als langfristiges Instrument taugt, weil er Märkten und Mitgliedstaaten falsche Signale sendet und weil er eine gefährliche Erwartungshaltung fördert. Er fördert die Erwartungshaltung, dass Deutschland und andere Mitgliedstaaten und damit auch die Steuerzahler dieser Länder im Krisenfall schon irgendwie einspringen und das Risiko der Anleger übernehmen können. Vier Wochen später galt dieses alles nicht mehr. Und es wurde dann sogar am 11. März 2011 ein Weg zur "Änderung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist - Ratsdokument 17620/10 (EUCO 30/10), Anlage I" eingeschlagen. Dieser Weg ist erstens ein Weg zur Ausweitung des bestehenden Euro-Rettungsschirms, die der Deutsche Bundestag nie wollte. Dieser Weg ist zweitens ein Weg zur unbefristeten Verlängerung des Euro-Rettungsschirms, die der Deutsche Bundestag nie wollte. Schließlich ist dieser Weg drittens ein Weg zur qualitativen Veränderung der europäischen Wirtschaftsverfassung, die der Deutsche Bundestag nie wollte. Heute befassen wir uns mit einer zweiten Griechenlandhilfe. Aller Bekundungen zum Trotz hat bereits die erste Griechenland-Hilfe vor einem Jahr die Situation für Griechenland nicht entschärft, sondern verschärft. Es ist eingetreten, was die Bundeskanzlerin angekündigt hat. Durch die Griechenland-Hilfe haben wir den Märkten falsche Signale gesendet. Wir haben die Erwartungshaltung gefördert, dass Deutschland und damit auch seine Steuerzahler im Krisenfall schon irgendwie einspringen. Wir haben die berechtigte Hoffnung geweckt, dass der Staat das Risiko der Anleger übernehmen wird. Der Erwerb griechischer Anleihen ist dadurch zum Geschäftsmodell geworden. Wir ändern daran nichts, sondern verstetigen im Gegenteil mit der weiteren Subventionierung der Anleihegläubiger das Geschäftsmodell. Wir perpetuieren die Erwartungshaltung. Wir erhalten die berechtigte Hoffnung, dass der Staat das Risiko der Anleiheinhaber übernimmt. Nichts von dem wird dadurch geändert, dass wir die Gläubiger über die versprochene Prolongation beteiligen. Die Anleiherenditen werden immer noch überdurchschnittlich sein. Mit dem Kauf von Anleihen erwirbt man die hohe Rendite entsprechend dem griechischen Insolvenzrisiko, ohne dass dieses Risiko zu tragen ist. Bedrohlicher noch ist der Blick über die griechische Situation hinaus. Was wir anhand des griechischen Beispiels vorexerzieren, werden die Marktteilnehmer zu deuten wissen. Wir werden die Nutzung des gleichen Geschäftsmodells demnächst bei Schuldtiteln aus Zypern erleben. Zypern ist klein. Wir werden die Nutzung des gleichen Geschäftsmodells anschließend bei Anleihen aus Italien und Spanien erleben. In allen drei Ländern sinkt die Sparquote. In Zypern und Italien ist sie bereits negativ. In allen drei Ländern existieren hohe Leistungsbilanzdefizite. Fallende und schließlich negative Sparquoten bei hohen Leistungsbilanzdefiziten gingen jeweils dem Bankrott in Griechenland und Portugal voraus. Wenn wir die Subventionierung der Anleihegläubiger Griechenlands nicht beenden, werden wir in kurzer Zeit im Bundestag zusammenkommen, weil wir erneut vor der gleichen Situation stehen. Dann aber werden es Spanien und Italien sein, die Hilfe suchend den Blick nach Norden richten. Angesichts der wirtschaftlichen Größe beider Länder kann sich jeder ausmalen, was das für den Euro bedeuten wird. Der Preis, den wir für den im Februar des Jahres 2010 eingeschlagenen und heute weiter beschrittenen falschen Weg zu bezahlen haben werden, ist hoch. Viel zu hoch. Er kostet den Euro und dadurch vielleicht die europäische Einigung. Es ist höchste Zeit und vielleicht schon zu spät, um umzukehren und endgültige Lösungen zu diskutieren. Wir müssen uns trauen, die einzigen möglichen Wege, die Griechenland wirklich helfen, zu gehen. Wir müssen uns endlich eingestehen, dass wir es mit einer pathologischen Überschuldung von Staaten und Banken zu tun haben. Wir müssen uns endlich eingestehen, dass das staatliche Geldsystem zu einer Überschuldungskrise von Staaten und Banken geführt hat. Wir ignorieren die Krankheit unseres staatlichen Geldsystems, in dem Geld und Kredit aus dem Nichts geschaffen werden. Dieses Geldsystem hat ein Schneeballsystem aus ungedeckten zukünftigen Zahlungsverpflichtungen geschaffen. Wie jedes Schneeballsystem wird es früher oder später in sich zusammenbrechen. Wir befinden uns auf dem Weg in die Knechtschaft. Dieser führt uns von Intervention zu Intervention spiralförmig abwärts. An seinem Ende erwartet uns ein planwirtschaftliches Europa. Mit dem planwirtschaftlichen Europa kommt die Vollendung seines ökonomischen Verfalls. Ökonomischer Verfall führt zu Unzufriedenheit bei den betroffenen Menschen. Die schlimmen politischen Folgen ökonomischer Unzufriedenheit sehen wir in Dänemark, das seine Grenzen schließt. Statt eines Europas mit Grenzen für Güter und Menschen brauchen wir ein marktwirtschaftliches Europa mit Freihandel und gesundem Geld. Nur so erhalten wir ein Europa der Freiheit. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts (Tagesordnungspunkt 32) Michael Brand (CDU/CSU): Wenn wir ab heute in die letzten Runden der Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes gehen, dann ist allen Beteiligten bewusst, dass wir bei diesem wichtigen Schritt auf dem Weg in eine echte Kreislaufwirtschaft, hin zu einem ressourcenschonenden Stoffstrommanagement, einen Konsens brauchen. Dieser Konsens ist Ausdruck des gesellschaftlichen Bewussteins, dass wir bei der Endlichkeit der Rohstoffbasis für viele Produkte, die später im Abfall landen, uns mehr denn je um die Vermeidung von Abfall am Beginn und um die Wiedergewinnung, um das Recycling von Rohstoffen am Ende kümmern müssen. Für uns als Union ist dies eine auch grundsätzliche Frage. Wie beim Thema Energiekonsens von Umweltminister Norbert Röttgen gestern angesprochen, geht es uns - wie anderen sicher auch - bei der Schonung von natürlichen Ressourcen um die Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen - es geht um einen echten Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung. Dass es dabei in der Frage, wie wir dieses Ziel optimal umsetzen können, durchaus ordnungspolitische Differenzierungen und auch Unterschiede gibt, ist auch klar. Wichtig bleibt, dass wir bei der Verfolgung der Ziele, der Umsetzung der EU-Abfallhierarchie und der Weiterentwicklung der gewachsenen, erfolgreichen und zumeist effizienten Entsorgungsstrukturen uns nicht von den jeweiligen Ideologien und Partikularinteressen vereinnahmen lassen - sondern dass wir strikt das Allgemeinwohl im Blick behalten. Die einen sehen den Sozialismus am Horizont, wo es nur um die legitimen und notwendigen Kriterien der Daseinsvorsorge durch die Kommunen geht. Die anderen malen den Untergang ordnungsgemäßer Entsorgung an die Wand und beschreien die böse private Seite, der ein Pauschalangriff auf das öffentliche Wohl unterstellt wird. Bleiben wir gelassen: Oftmals ist sehr klar hinter der Fassade von Gutachten und Brandbriefen der einen oder der anderen Seite weniger der Schutz von Umwelt und Natur, sondern der eigenen Bilanzen und Gewinne deutlich erkennbar! Um es für die Union kurz und prägnant festzuhalten: Wir sind für einen fairen Interessensausgleich zwischen Kommunalen und Privaten, für fairen Wettbewerb mit niedrigen Gebühren und hohen Umweltstandards - und wir wollen weder Vollkommunalisierung noch Vollprivatisierung. Wir werden im weiteren Verfahren sehr darauf achten, dass wir das Allgemeinwohl im Blick halten, so wie es die Vorlage der Bundesregierung auch tut. Wir empfehlen der Bundesregierung, sich gegenüber den Ländern zum Beispiel bei der Frage der gewerblichen Sammlung nicht ins Eck drängen zu lassen. Hier war die Mehrheit der Länderkammer in der Tat schlecht beraten, die messbaren Erfolge des Nebeneinanders von kommunaler und privater Sammlung zu missachten und zu einseitig gegen diejenigen mittelständischen Unternehmen vorzugehen, die brav in der Region ihre Steuern zahlen. Hier müssen wir, um es deutlich auszudrücken, doch auch die Kirche im Dorf lassen, statt falsche "Tabula rasa"-Beschlüsse zu fassen. Man hat ja manches Mal schon den Einruck, es wären die Unternehmen, die auf der Seite der Kommunen den politischen Takt vorgeben. Hier möchte ich aus meiner eigenen kommunalen Erfahrung im Kreistag den Rat mit einbringen, dass es wesentlich vernünftiger ist, die Abfallentsorgung aus dem Blickwinkel der Bürgerinnen und Bürger als Gebührenzahler und der besten Lösung für effizienten Ressourcenschutz zu betrachten, statt mit der Brille des Profitstrebens kommunaler oder privater Entsorger. Insofern erwarten wir die Beibehaltung der privaten gewerblichen und auch der privaten gemeinnützigen Sammlungen. Im weiteren Verfahren wird sich bei unideologischer Betrachtung ein Weg der Mitte finden, der auf praktische Erfolge baut, wie wir das in der Kommunalpolitik gewohnt sind. Gerd Bollmann (SPD): Das heute eingebrachte Gesetz zur Novellierung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes soll die europäische Abfallrahmenrichtlinie in deutsches Recht umsetzen. Diese Umsetzung hätte bis 12. Dezember 2010 erfolgen müssen. Wohlgemerkt: die Umsetzung und nicht die Einbringung eines Gesetzes, wie sie heute erfolgt. Liegt dieser Verzug nun an rechtlichen oder etwa an europarechtlichen Problemen? Wohl kaum! Grund ist ein politischer Streit innerhalb der Koalition, genauer gesagt: ein politischer Grundsatzstreit. Mehr Privatisierungen, weniger öffentlich-rechtliche Daseinsvorsorge. Privat vor Staat! Die marktradikalen Forderungen von FDP, aber auch Teilen der Union haben eine zügige Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie verhindert. Nun können aber diejenigen, die diesem Gesetz skeptisch gegenüberstehen - dazu gehören, da bin ich ganz sicher, auch viele CDU- und CSU-Abgeordnete -, beruhigt in ihre Wahlkreise fahren. Denn nach den Beschlüssen des Bundesrates wird aus dieser Gesetzesvorlage ohne erhebliche Änderungen ohnehin nie ein rechtskräftiges Gesetz. Die Frage der Zuständigkeiten für Abfallentsorgung begleitet die deutsche Abfallpolitik seit Jahrzehnten. Im ersten Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz behielten die Kommunen die Zuständigkeit für den Hausmüll und den hausmüllähnlichen Gewerbeabfall. Dies ist auch gerechtfertigt: Es ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge, den Bürgern die regelmäßige, ordentliche Entsorgung ihres Mülls zu garantieren. Diese klare Trennung der Zuständigkeiten wurde aber bereits durch die Verpackungsverordnung durchlöchert. Private Entsorger erhielten die Möglichkeit, Verkaufsverpackungen auch bei Privathaushalten einzusammeln. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch eine falsche Begriffsdefinition im deutschen Abfallrecht: Abfälle zur Beseitigung in kommunaler Hand, Abfälle zur Verwertung bei den Privaten. Daraus haben die Vertreter der privaten Entsorgungswirtschaft den Schluss gezogen, alle Abfälle, die verwertet werden, gehörten in ihre Zuständigkeit, allerdings nur, wenn damit Geld zu verdienen ist. Das eigentliche Motto der Privatisierungslobby lautet nämlich: Gewinne bei den Privaten, Verluste beim Bürger! Auch in der Abfallwirtschaft ist dieses Konzept gemeinwohlgefährdend. Deutlich wurde dies bei der Entwicklung gewerblicher Altpapiersammlungen. Als der Preis für Altpapier immer weiter anstieg, haben private Entsorger blaue Tonnen aufgestellt, überall dort, wo sie an einen schnellen Erfolg glaubten. Geschädigt wurden öffentlich-rechtliche Entsorger, aber auch von Kommunen beauftragte private Unternehmen. Die Betroffenen stritten vor Gericht in zahlreichen Verfahren, ohne Klärung. Zwischenzeitlich erfolgte in der Finanz- und Wirtschaftkrise ein Einbruch der Preise. In der Folge blieben die blauen Tonnen stehen, das Altpapier wurde nicht abgeholt und nicht recycelt. Und genau hier ist das Problem. Wir wollen keine Hausmüllentsorgung nach Marktlage. Wir wollen nicht, dass der Hausmüll in einem Monat als Wertstoff abgeholt und im nächsten als wertloser Abfall liegen bleibt. Wir wollen, dass der Bürger sicher sein kann, dass sein Abfall ordnungsgemäß entsorgt wird. Wir wollen, dass der Abfall in ökologisch bestmöglicher Weise verwertet wird und eben nicht nur dann, wenn große Gewinne erzielt werden. Garantiert werden kann dies nur, wenn die Hausmüllentsorgung Aufgabe der Kommunen ist und bleibt. Die Städte und Kreise bzw. deren öffentlich-rechtliche Entsorger müssen für den gesamten Hausmüll zuständig sein. Dieser Meinung ist auch das Bundesverwaltungsgericht. In seinem sogenannten Altpapierurteil hat es die Zulassung gewerblicher Sammlungen an hohe Anforderungen geknüpft. Dieses Urteil hat jahrelange Streitereien beendet und endlich Klarheit geschaffen. Meine Damen und Herren der Regierungsparteien, ohne Not wollen sie dies mit der vorgelegten Novelle rückgängig machen: vermehrte gewerbliche Sammlungen, eine Wertstofftonne in der Zuständigkeit der privaten Wirtschaft - mit anderen Worten: eine weitere Privatisierung der Hausmüllentsorgung. Angeblich ist dies aus europarechtlichen Gründen notwendig. Wir teilen diese Auffassung nicht. Wir halten, wie das Bundesverwaltungsgericht, die Zuständigkeit der örE für die Hausmüllentsorgung für europarechtskonform. Die Sozialdemokraten sind aus Gründen der Daseinsvorsorge und der Ökologie für enge Grenzen gewerblicher Sammlungen. Dabei stehen wir nicht alleine. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 27. Mai zahlreiche Änderungsanträge beschlossen. Der Bundesrat will die Zuständigkeit der Kommunen für die Hausmüllentsorgung. Der Bundesrat will, dass sich die Regelungen für die gewerblichen Sammlungen am Altpapierurteil des Bundesverwaltungsgerichtes orientieren. Ausführlich hat auch der Bundesrat dargelegt: Das ist europarechtskonform. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen aus Union und FDP, folgen Sie dem Bundesrat in diesen Punkten! Stimmen Sie den bürger- und kommunalfreundlichen Änderungen zu! Dies ist auch der Wunsch der überwältigenden Mehrheit Ihrer Parteikollegen in Ländern und Kommunen! Hunderte Gemeinden und Kreise haben eine Resolution der kommunalen Spitzenverbände für die Zuständigkeit der Kommunen beim Hausmüll verabschiedet. Fast alle Ihrer Kolleginnen und Kollegen in den Räten, meine Damen und Herren von Union und FDP, haben dieser Resolution zugestimmt. Im Rat meiner Heimatsstadt Herne haben, wie in vielen anderen Städten, die Stadtverordneten von SPD, Grünen, CDU, Linken und FDP einstimmig der Resolution der kommunalen Spitzenverbände gegen den Regierungsentwurf zugestimmt. Stimmen Sie daher auch für ein bürgerfreundliches, ökologisches und auf dem Grundsatz der Daseinsvorsorge fußendes Kreislaufwirtschaftsgesetz! Nur so ermöglichen Sie den Erhalt der Arbeitsplätze in den kommunalen Entsorgungsbetrieben, nur so verhindern Sie steigende Abfallgebühren. Über den Streit um die Zuständigkeiten sind in der öffentlichen Diskussion die ökologischen Aspekte zu kurz gekommen. Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens zur Abfallrahmenrichtlinie in der EU haben wir uns eingemischt. Die SPD hat sich für eine fünfstufige Abfallhierarchie ausgesprochen. Insbesondere der Vorrang der stofflichen Verwertung vor der energetischen Verwertung muss sichergestellt werden. Der Regierungsentwurf setzt aber noch nicht einmal die europäischen Vorgaben korrekt um. Es gibt keinerlei Vorgaben für die Abfallvermeidung. Ebenso wird die zweite Stufe der Abfallhierarchie, die Wiederverwendung, nur namentlich erwähnt. Vor allem aber wird der Vorrang der stofflichen Verwertung vor der energetischen Verwertung durch die Einführung einer Heizwertklausel ab 11 000 Kilojoule aufgehoben. Hier muss unbedingt nachgebessert werden, um die fünfstufige Abfallhierarchie auch wirklich umzusetzen. Es gibt noch eine Reihe von Punkten zu kritisieren; so sind die Quoten für die stoffliche Verwertung zu niedrig und vieles ist im Gesetzentwurf viel zu ungenau geregelt. Genaueres soll später in Verordnungen festgelegt werden, zum Beispiel zu der wichtigen Frage der Einführung einer Wertstofftonne. Trotzdem gibt es im jetzigen Gesetzentwurf bereits Formulierungen, welche nur den Schluss zulassen, dass die Wertstofftonne in die Zuständigkeit der privaten Entsorgungswirtschaft fallen soll. Wir Sozialdemokraten sind für die Einführung einer Wertstofftonne, aber in kommunaler Zuständigkeit. Diesen Konflikt sollten wir, im Interesse der Ökologie und der Bürger, schnellstens lösen. Seit über zwei Jahren wird über die Wertstofftonne gestritten, wir können nicht weitere Jahre der Ungewissheit zulassen. Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich hier eine Einschätzung aus der CDU-Kreistagsfraktion im nordrhein-westfälischen Warendorf zitieren: Wir sind außerordentlich enttäuscht über das, was uns der Bundesumweltminister vorgelegt hat, weil wir auch über - es folgt der Name des Bundestagsabgeordneten - auf die Gefahren der einseitigen, privatwirtschaftlichen Ausrichtung der gesetzlichen Regelung hingewiesen haben und nun feststellen, dass erneut in einem zentralen kommunalpolitischen Anliegen in Berlin unsere offenbar berechtigten Sorgen nicht gehört werden. Ich hoffe, dass wir jetzt sachlich und zügig auf der Grundlage der Bundesratsempfehlungen bis zur zweiten und dritten Lesung eine vernünftige Einigung erzielen werden. Horst Meierhofer (FDP): Die Woche stand ganz im Zeichen von Energie, Ehec und Euro. Abfall scheint auf den ersten Blick da nicht mithalten zu können. Dieses Bild trügt: Die Opposition ist dabei, eine gesamte Branche zu ruinieren, indem sie über den Bundesrat einen guten Gesetzentwurf blockieren möchte. Um die Tragweite dieses traurigen Vorgangs zu erfassen, will ich Ihnen verdeutlichen, welche Ausmaße die Abfall- und Recyclingbranche hat: Der Umsatz der Abfall- und Recyclingbranche liegt bei über 50 Milliarden Euro jährlich, und das nur in Deutschland. Mehr als 250 000 Menschen sind dort beschäftigt. Nur zum Vergleich: Der Umsatz von Solar- und Windenergie lag 2005 bei unter 20 Milliarden Euro, also nicht einmal der Hälfte, und das weltweit. Aktuell sind in den Wachstumsbranchen Solar und Windenergie 50 000 bzw. 87 000 Arbeitsplätze entstanden. Der Weltmarktanteil der deutschen Wirtschaft im Bereich "Umwelttechnologien im Recycling" ist hoch. Deutlich mehr als jede zweite Sortieranlage zur automatischen Stofftrennung stammt von einem deutschen Hersteller. Jedes vierte Recyclingpatent weltweit kommt aus Deutschland. Der Durchschnittswert aller anderen Sektoren liegt demgegenüber bei etwa 15 Prozent. Die Prognosen sagen uns: Die Wachstumsmärkte liegen in Asien und anderswo. Damit die deutschen Unternehmen hier weiterhin erfolgreich sein können, sind sie darauf angewiesen, im deutschen Markt weiterhin Entwicklungen anzustoßen und nach neuen Technologien zu forschen. Warum verweise ich auf die ganzen Zahlen? Der Sektor "Abfall und Recycling" wird in der öffentlichen Wahrnehmung unterschätzt. Der Markt hat ein unglaubliches Entwicklungspotenzial, und zwar grenzüberschreitend. Deutsche Unternehmen haben eine Vorreiterstellung. Neben den wirtschaftlichen Vorteilen dürfen wir aber eines nicht vergessen: Recycling spart Rohstoffe und hilft der Umwelt und dem Klima. Die Koalition hat nun einen Gesetzentwurf für die Kreislaufwirtschaft vorgelegt, der es der Branche ermöglicht, mehr Materialien als bisher zu recyceln; unser System ist einfacher, effizienter und gerechter. Mit diesem Gesetz ermöglichen wir eine Wertstofftonne. In diese eine Tonne darf dann alles rein, was recycelt werden kann. Vorbei mit der Zeit, in der Bürger verzweifelt vor den Mülltonnen standen und nicht sicher waren, ob das Stück Plastik in ihren Händen in die graue oder gelbe Tonne gehört. Dreh- und Angelpunkt der Gesetzgebung ist die Stärkung des Recyclings. Denken in Kreisläufen bedeutet aber auch, Rahmenbedingungen herzustellen, um möglichst viel der gebrauchten Materialien dem Wiedergebrauch zuzuführen. Nur dann wird es gelingen, eine Versorgungssicherheit hinsichtlich dringend benötigter Rohstoffe herzustellen. Die Wertstofftonne, die das System der gelben Säcke und der gelben Tonne ablöst, ist dabei der erste Schritt. 600 000 Tonnen Abfall jährlich mehr als beim gelben Sack bzw. der gelben Tonne werden dann dem Recycling zugeführt. Gegenüber Wertstoffhöfen in der jetzigen Form ist diese Zahl noch einmal deutlich höher. Diese Zahlen sprechen für sich. Uns ist aber auch klar, dass das Trennverhalten in Deutschland unterschiedlich ist. Während in ländlichen Gebieten die Trennung sehr gut funktioniert, ist die Quote der sogenannten Fehlwürfe in Städten größer. Deshalb wollen wir das Subsidaritätsprinzip hochhalten und es den Kommunen überlassen, wie auf ihrem Gebiet die Rohstoffe eingesammelt werden sollen. Wie wir die Wertstofftonne organisieren und finanzieren, ist dann natürlich die entscheidende Frage, um die bloße Menge auch tatsächlich in eine hohe Recyclingqualität umzusetzen. Und um das zu erreichen, brauchen wir Wettbewerb und keine Monopole. Wir wollen eine faire Gleichbehandlung. Eigens dafür ist auf unser Drängen die neutrale Stelle in die Gesetzesbegründung zum Kreislaufwirtschaftsgesetz gekommen. Nur das schafft Wettbewerb. Wettbewerb schafft Umwelt- und Ressourcenschutz. Daraus folgen Marktführerschaft und Arbeitsplätze. Wir Liberale wollen mehr Markt. Der Abfallmarkt darf nicht wie bisher einigen wenigen vorbehalten sein. Mit diesem Gesetzesentwurf ermöglichen wir Unternehmen, am Markt zu partizipieren. Eine Einschränkung gibt es: Die Funktionsfähigkeit der kommunalen Entsorgungssysteme darf damit nicht gefährdet werden. Ein wichtiger Bestandteil dieses Gesetzes ist die Weiterentwicklung der Produktverantwortung; denn nur über diese werden wir auch in Zukunft unsere Technologieführerschaft behalten. Man muss hier aber auch ganz deutlich sagen, dass diese Verbesserung hin zu mehr Recycling, Umweltschutz und Wettbewerb von der Opposition konsequent über den Bundesrat bekämpft wird. Ich kann nicht glauben, dass die Grünen kategorisch gegen Umweltschutz und die SPD kategorisch für Abbau von Arbeitsplätzen sind. Aber hier haben sich SPD und Grüne von den kommunalen Spitzenverbänden benutzen lassen. Die Forderungen des Bundesrates hätten fatale Folgen. Gewerbliche Sammlungen würden massiv eingeschränkt werden und von den Kommunen untersagt werden können, und dies vollkommen willkürlich. Fairer Wettbewerb sieht anders aus. Der Mittelstand ist alarmiert und spricht von Verdrängungswettbewerb gegen private Unternehmen und massiver Ungleichbehandlung. Verdrängt werden nämlich nicht nur die großen, sondern vor allem die mittelständisch geprägten Unternehmen aus der Entsorgungswirtschaft, diejenigen, die den entscheidenden Anteil am Exportschlager Recycling haben. Im Gegensatz zu SPD und Grünen wollen wir einen fairen Wettbewerb zwischen Privaten und Kommunen. Damit erreichen wir stabile Müllgebühren, einen effizienten Umgang mit unseren Ressourcen, die Schaffung von Innovationsanreizen und benutzerfreundliche Abfalltonnen. Wir sind davon überzeugt, dass wir diese Ziele nur erreichen können, wenn wir einen funktionierenden Wettbewerb herstellen. Wir wollen weder Kommunen noch Private bevorzugen, sondern den Besseren. Die Scheinheiligkeit der Opposition hat den Gipfel erreicht. Sie werfen unserer fairen Abwägung zwischen privaten und kommunalen Interessen wieder einmal Lobbyismus vor. Ich fasse aber gerne noch einmal zusammen, was Sie als Handlanger der kommunalen Spitzenverbände durchsetzen wollen: Sie wollen Arbeitsplätze bei kleinen und mittelständischen Sammelunternehmen vernichten, sie wollen Innovationen verhindern, sie wollen gegen das Recycling zugunsten von Müllverbrennung vorgehen. Ihre Position und totale Befürwortung einer Rekommunalisierung ist falsch. Erkennen sie endlich an, dass gerade auch die breit aufgestellte mittelständische Entsorgungswirtschaft für den rasanten Schub im Recycling verantwortlich ist. Ziehen Sie einmal den Vergleich zur Energiewirtschaft. Die private Wirtschaft außen vor zu lassen, ist in etwa so, wie den Umbau des gesamten Energiesystems in die Hand der Kommunen zu legen. Wer betreibt dann die Forschung? Wer entwickelt und wer vertreibt Produkte auf anderen Märkten? Wie sollen wir auf dem Weltmarkt mithalten? Deutschland ist eine Exportnation. Wir wollen die Kommunen nicht ausschließen. Sie sollen und dürfen ja mitmischen. Als Stadtrat liegt mir eine kommunalfeindliche Position ohnehin fern. Ich finde, man kann nun wirklich auch von Ihnen erwarten: Befassen Sie sich vernünftig mit dieser komplexen Materie, und bereiten Sie nicht das Sterbebett für eine gesamte Branche! Ralph Lenkert (DIE LINKE): Wer kennt nicht den stinkenden Mülleimer, die eklige Tonne und das Gerümpel, das zu Hause nur noch stört. Raus - weg - aus den Augen, fort mit dem Gestank. Kaum zu glauben - aber um unseren Müll tobt ein Kampf, zwischen internationalen Konzernen wie Eon, Remondis und Suez, Mittelständlern und Kommunen. Es geht um viel, um unser Geld, um wertvolle Rohstoffe aus dem Müll und um mögliche Profite. Wer hat das Recht und wer hat die Pflicht, unseren Haushaltsabfall zu entsorgen? Das wird im Kreislaufwirtschaftsgesetz geregelt, und über die von der EU geforderte Neufassung des Gesetzes streiten Parteien und Interessenvertreter erbittert seit mehr als zwölf Monaten. Die EU-Richtlinie verfolgt edle Ziele im Abfallbereich. Das Wichtigste ist Müllvermeidung, gefolgt von Wiederverwertung - stofflichem Recycling - dann erst die thermische Verwertung - das Verbrennen - und zuletzt Abfallentsorgung auf einer Deponie. Die Abfallhierarchie konsequent umzusetzen, ist linke Politik. Wegwerfprodukte sind Verschwendung zulasten der Umwelt, also ist Haltbarkeit und Wiederverwendung Trumpf. Qualitätsprodukte halten länger, entlasten damit die Umwelt. Darum fordern wir längere Herstellergarantien. Aber auch das beste Produkt ist irgendwann kaputt oder veraltet. Nachrüsten auf neuen Standard spart Ressourcen, schont die Umwelt. Produkte müssen entsprechend entwickelt werden. Ist ein Produkt endgültig hinüber, sind seine Bestandteile wieder zu verwenden. Zum Beispiel enthält eine Tonne Handys circa 250 Gramm Gold. Um die in Elektronik enthaltenen Schätze zu erfassen, um gefährliche Abfälle wie Batterien einzusammeln, sind Pfandsysteme erforderlich. Mit dem Kauf bezahlt man Pfand, und der Hersteller zahlt eine Erfassungs- und Entsorgungsgebühr. Bei der Abgabe in kommunalen Wertstoffhöfen erhält man den Pfand zurück. Die Kommunen erfassen die Wertstoffe, Altpapier und Glas sowie die restlichen Abfälle. Die Einnahmen aus der Verwertung von Wertstoffen aus dem Abfall und aus dem Erfassen und Recyceln von Elektronik und Metallen verbleiben beim kommunalen Entsorger. Die Einnahmen allein aus Altpapierverkauf decken zum Beispiel im Saale-Holzland-Kreis 10 Prozent der Müllgebühren. Das Recht und die Pflicht zur Haushaltsabfallentsorgung als ein Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge gehört für die Linke auf jeden Fall den Kommunen. Was jedoch plant diese Bundesregierung? Private Entsorger könnten die Erfassung der Wertstoffe verlangen - natürlich machen sie es nur dort, wo sie viel verdienen könnten. Wenn das Einsammeln der Wertstoffe teurer ist als die Erlöse, wie zum Beispiel in kleinen Orten, dann müssen jedoch die öffentlichen Entsorger ran. Gewinnbringende Mengen von Altmetallen, Altpapier, Altglas greifen dann die Privaten ab und verkaufen diese mit Profit. Die Kosten für die Beseitigung der von den privaten Entsorgern verschmähten Reste bleiben bei den öffentlichen Entsorgern. Kommunen müssten dann die Müllgebühren erhöhen, weil ja für den Rest die Entsorgungspflicht besteht. Diesen erneuten Versuch von CDU und FDP, Gewinne zu privatisieren und Verluste allen anderen aufzudrücken, lehnen wir ab. Mit der Ablehnung Ihrer Pläne sind wir nicht allein, über 200 kommunale Parlamente haben diese Ihre Pläne abgelehnt. Auch Sie haben die Protestresolutionen und Beschlüsse per Post, per Fax erhalten. Das sind auch Ihre Parteigenossen aus CDU und FDP aus Mannheim, aus Bochum aus Arnstadt und Jena. Berücksichtigen Sie die Einwände der Kommunen, auch Ihrer Bürgermeister. Wir haben heute die erste Lesung, der Entwurf muss nicht so bleiben. Ändern Sie dieses Gesetz, stärken Sie die kommunalen Entsorger, das EU-Recht erlaubt dies! Die Hoffnung, dass Sie unserem Konzept folgen, habe ich nicht, aber entfernen Sie die Verstöße gegen die Abfallhierarchie aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung und kämpfen Sie wenigstens für eine öffentliche Abfallentsorgung und eine Wertstofferfassung, von der nicht Aktienkurse, sondern Bürgerinnen und Bürger profitieren! Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist fast ein Jahr her, dass das Ministerium einen ersten Entwurf zum neuen Abfallrecht vorgelegt hat. Wir warten seit einem Jahr darauf, das Gesetz im Parlament beraten zu können. Deutschland ist mal wieder im Verzug mit der nationalen Umsetzung einer EU-Richtlinie. Trotz intensiven Diskussionen mit Verbänden und Entsorgern hat sich in diesem Jahr auch nicht viel getan. Die Schwächen des ersten Entwurfs finden sich nach wie vor unverändert im jetzigen Entwurf. Ich nehme mal das Beispiel Abfallvermeidung. Vermeidung von Abfällen muss ganz oben in der Rangordnung stehen. Die Regierung nimmt hier lediglich vage Lippenbekenntnisse vor. Wir fordern verbindliche Mindest-anforderungen für Abfallvermeidungspläne und konkrete Maßnahmen, die die Abfallmengen in Deutschland weiter reduzieren. Davon findet sich derzeit noch nichts im Gesetz. Mit diesem Gesetzentwurf verabschiedet sich die Bundesregierung von der Vorreiterrolle Deutschlands bei Müllvermeidung, -trennung und Wiederverwertung. Sehen wir uns mal ihre angestrebten Recyclingquoten an: Sie haben viel zu niedrige Ziele beim Recycling. Die von der Regierung vorgeschlagenen Ziele werden bereits jetzt erreicht. Es wird also lediglich der jetzige Stand festgeschrieben, anstatt weiter gehende Ziele zu formulieren. Laut offizieller Statistik wurden bereits 2008 64 Prozent aller Siedlungsabfälle stofflich verwertet. Das Ziel der Bundesregierung lautet nun 65 Prozent bis 2020 - eine wahrlich enorme Steigerung von 1 Prozent in zwölf Jahren! Die Zahlen stammen übrigens aus der aktuellen Abfallbilanz des Statistischen Bundesamtes. Ohne deutlich höhere Recyclingziele, mindestens 80 Prozent, wird sich nichts verändern: Keine Innovationen, ohne Anreize keine Ambitionen. Das ist schwarz-gelbe Abfallpolitik. Und dazu kommt: Nicht alles, was die Bundesregierung als Verwertung verstehen will, ist auch eine. Sie scheuen sich geradezu davor, die umweltverträglichste Verwertungsoption festzuschreiben. Zum Beispiel: Recycelte und wiederaufbereitete Baustoffe gehören in Hochbau oder Gebäude - nicht als billiger Verfüllersatz auf die Straßen. Bezüglich der Abfallhierarchie meinen wir, dass Ihnen selbst die wenig anspruchsvolle Umsetzung des Europarechts auf niedrigstem Niveau nicht gelingt. Ich spreche von der Einhaltung der Rangfolge der Verwertungsoptionen. Europa schreibt richtigerweise vor: stoffliche vor der energetischen Verwertung, also dem sinnlosen Verheizen wertvoller Rohstoffe. Sie legen jedoch fest: Was gut brennt, kann auch in die Verbrennung. Sie können doch nicht im Ernst wollen, dass mühsam gesammeltes Altpapier in die Verbrennung geht - weil es halt gut brennt. Auch jeder Kunststoff fällt hierunter - und könnte zukünftig direkt in die Verbrennung gehen - und somit auch alle schädlichen Zusatzstoffe, die enthalten sind. Dieses als umweltverträglichste Lösung zu verkaufen, halte ich für eine Farce! Da sind selbst die verbindlichen Minimalvorgaben der EU besser. Und das sehe nicht nur ich so: Auch die Generaldirektion Umwelt der Europäischen Union hat inzwischen mehrfach betont, dass hier ein Verstoß gegen EU-Recht vorliegen könnte - mit allen Konsequenzen für Sie. Und natürlich eine Bemerkung zur Wertstofftonne: Eine bessere Wertstofferfassung ist in Deutschland dringend erforderlich. Wir müssen weg von einer Einweggesellschaft, die der Erde in großen Mengen Rohstoffe entnimmt und damit Produkte herstellt, die nach Gebrauch nicht wiederverwendet werden können. Die Einführung der Wertstofftonne findet sich bereits in Ihrem Koalitionsvertrag. Nach einer derart langen Entwurfszeit des Gesetzes schaffen Sie es jetzt lediglich, den Begriff einzuführen - ohne irgendeine Festlegung, wie dies organisiert werden soll. Stattdessen kündigen Sie uns eine Verordnung an. Dabei gibt es zahlreiche Pilotvorhaben zur Einführung der Wertstofftonne. Die großen Städte, aber auch viele ländliche Kommunen testen derzeit unterschiedliche Modelle. Auf Grundlage dieser Erfahrungen hätten Sie längst einen konkreten Vorschlag vorlegen können, wie die Wertstoffsammlung künftig organisiert wird. Für mich ist die Wertstofftonne ein guter Weg, mehr Wertstoffe aus dem Hausmüll herauszuholen. Diesen wollen wir aber den Kommunen, in denen es bereits etablierte haushaltsnahe und verbraucherfreundliche Wertstoffsammelsysteme gibt, nicht aufzwingen. Es hat den Anschein, dass Sie den privaten Entsorgern ein gutes Geschäft mit den gewinnbringenden Bestandteilen des Abfalls verschaffen wollen. Uns ist aber klar: Wir brauchen die Erfahrung der und Kontrolle durch die Kommunen. Diese müssen wir nutzen und stärken. Unserer Ansicht nach müssen die Städte und Kommunen entscheiden können, ob sie die Wertstoffsammlung ausschreiben und privat vergeben oder in Formen kommunaler Verantwortung selbst betreiben wollen. Wir Grüne setzen uns von Beginn an konsequent für einen vernünftigen Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen ein. Für die schwarz-gelbe Regierung ist dieses Thema anscheinend Neuland - nur so erklärt sich dieses bescheidene Ergebnis langer Diskussionen. Wir werden in der parlamentarischen Beratung Änderungen einbringen, um unsere Vorstellungen wirksam werden zu lassen, die das Gesetz besser machen. Wir hoffen, dass die Regierung nicht beratungsresistent ist. Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Mit dem heute in den Deutschen Bundestag eingebrachten Regierungsentwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts wird ein zentraler Bereich des Umweltrechts neu gestaltet. Mit dem Gesetzentwurf wird nicht nur die EU-Abfallrahmenrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt, sondern gleichzeitig auch die Abfallwirtschaft ökologisch fortentwickelt. Ziel des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist eine nachhaltige Verbesserung des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der Ressourceneffizienz. Was sind die Markenzeichen des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes? Das Gesetz baut konsequent auf den Kernelementen und Grundprinzipien der EU-Abfallrahmenrichtlinie auf. Es legt somit ein rechtssicheres Fundament für alle betroffenen Kommunen und Wirtschaftsunternehmen sowie für die Bürgerinnen und Bürger. Darüber hinaus wird der hohe deutsche Umwelt- und Entsorgungsstandard fortentwickelt: Auf der Grundlage der neu eingeführten fünfstufigen Abfallhierarchie werden alle abfallwirtschaftlichen Pflichten der Abfallbesitzer konsequent auf die Abfallvermeidung und das Recycling ausgerichtet. Diese Neuausrichtung wird durch konkrete Zielvorgaben flankiert, an denen sich die Betroffenen orientieren müssen: Mit der Einführung der ab dem Jahr 2015 zu erfüllenden Pflicht zur Getrenntsammlung von Bioabfällen sowie von Papier-, Metall-, Kunststoff- und Glasabfällen schafft das Gesetz die Grundlage für ein hochwertiges Recycling mit einem hohen Ressourcenpotenzial. Bis zum Jahr 2020 sollen 65 Prozent aller Siedlungsabfälle recycelt und 70 Prozent aller Bau- und Abbruchabfälle stofflich verwertet werden. Auch die bestehende Aufgabenverteilung zwischen kommunaler und privater Entsorgung wird stärker an den neuen Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft ausgerichtet und EU-rechtlich besser abgesichert. Kommunen bleiben für die Hausmüllentsorgung wie bisher umfassend verantwortlich. Zwar können zur hochwertigen Verwertung werthaltiger Haushaltsabfälle auch gewerbliche Sammlungen zugelassen werden, die Erfüllung der kommunalen Entsorgungsaufgaben darf hierdurch jedoch nicht gefährdet werden. Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz schafft schließlich die Rechtsgrundlagen für die Einführung einer "einheitlichen Wertstofftonne", wie sie von der Koalitionsvereinbarung angestrebt wird. Danach sollen Haushalte künftig Verpackungen und stoffgleiche Nichtverpackungen in einer einheitlichen Wertstofftonne entsorgen können. Das Trennen von Abfällen wird hierdurch erheblich erleichtert und das Ressourcenpotenzial des Hausmülls wesentlich effizienter genutzt. Die fachlichen Grundlagen für die Einführung der Wertstofftonne werden derzeit in einem "Planspiel" parallel zur Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes erarbeitet. Die konkreten rechtlichen Regelungen sollen jedoch erst danach in einem gesonderten Rechtsetzungsvorhaben verabschiedet werden. Dabei wird auch bestimmt werden, ob die Wertstofftonne in vorwiegend kommunaler oder in privater Trägerschaft der Produktverantwortlichen eingeführt wird. Wir stehen nun vor intensiven Beratungen, für die sich der Bundestag zu Recht ausreichend Zeit nimmt. Dabei werden wir auch die am 27. Mai 2011 beschlossene Stellungnahme des Bundesrates in den Blick nehmen. Der Beschluss macht erfreulicherweise deutlich, dass zwischen Bund und Ländern in allen umwelt- und ressourcenpolitischen Elementen des Gesetzentwurfes ein hohes Maß an Übereinstimmung besteht. Ich nenne nur als Beispiel die Regelungen zur Umsetzung der Abfallhierarchie, zu den Getrennthaltungspflichten sowie den Recyclingquoten. Eine Divergenz besteht allerdings noch bei der Frage der Aufgabenteilung zwischen kommunaler und privater Entsorgung. Der Bundesrat fordert hier faktisch ein Verbot gewerblicher Sammlungen. Dies ist nicht nur für den Ressourcenschutz ein Rückschritt. Das Verbot dürfte zugleich auch der kommunalen Entsorgung die EU-rechtliche Grundlage entziehen. Wir werden dies sicherlich ausführlich zu erörtern haben. Positiv festzuhalten ist allerdings, dass sich der Bundesrat bei der künftig einzuführenden Wertstofftonne gegen eine Vorfestlegung auf eine kommunale Trägerschaft ausgesprochen hat. Die Bundesregierung freut sich auf die anstehenden Beratungen im Bundestag und wird die Diskussionen aktiv unterstützen. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Schutzschirm für Stromkunden - Bezahlbare Energiepreise gewährleisten (Tagesordnungspunkt 33) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Vor 21 Jahren sind die ehemaligen Länder Ostdeutschlands unserem gemeinsamen Vaterland wieder beigetreten. Die Menschen aus dem Osten wollten - wie wir - die Wiedervereinigung und wollten den Untergang der maroden DDR, einem Land, das von vielen Mitgliedern Ihrer Partei heruntergewirtschaftet worden war. Oder soll ich besser sagen von Ihrer Partei? Sie haben zwar den Namen geändert, aber, wie dieser Antrag wieder zeigt, nichts von Ihrer Gesinnung. Nach 21 Jahren haben Sie noch immer nichts dazugelernt. In Ihrem Antrag wollen Sie eine staatliche Strompreisaufsicht einführen, die Einfluss auf die Entwicklung der Strompreise nimmt, und Sie wollen ein Strompreismoratorium, das eine Erhöhung der Strompreise ausschließt. Wie in der DDR - Sie wollen Planwirtschaft. Wie in der DDR - Sie meinen der Staat wäre der bessere Unternehmer. Wie in der DDR - Sie wollen Preise festsetzen unabhängig vom Wert der Leistung oder des Produkts. Die Menschen in diesem Land wollen keine marode Wirtschaft. Sehen Sie endlich ein: Das Experiment Sozialismus ist weltweit gescheitert. Die soziale Marktwirtschaft, ein Modell aus Deutschland, hat sich gerade in der weltweiten Wirtschaftskrise 2008/2009 erneut glänzend bewährt. Im Gegensatz zu vielen anderen Volkswirtschaften ist Deutschland stärker aus der Krise herausgekommen als es in sie hineingegangen ist. Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen für dieses Jahr mit einem Wachstum von über 2,5 Prozent. Die Arbeitslosigkeit ist im Mai um 118 000 auf 2 960 000 gesunken. Im Vergleich zum Vorjahr waren damit 276 000 weniger Arbeitslose registriert. Die Erwerbstätigkeit hat sich im April um 205 000 auf 40,72 Millionen erhöht. Gegenüber dem Vorjahr ist sie sogar um 515 000 gestiegen. Und die sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung hat im Vorjahresvergleich um 440 000 zugenommen. Nach einer aktuellen Untersuchung von Allensbach zählen 52 Prozent der Deutschen Deutschland zu den wachstumsstärksten Nationen, und annähernd zwei Drittel gehen sogar davon aus, dass diese Position in den nächsten 15 Jahren weiter ausgebaut werden kann. Sie trauen Deutschland zu, auch in einem schärfer werdenden internationalen Wettbewerb auf absehbare Zeit erfolgreich bestehen zu können. Niemand will Ihre Planwirtschaft. Ihre sozialistischen Spielchen gehören auf den Müllhaufen der Geschichte! Es ist richtig, dass zu Beginn unseres Kernkraftmoratoriums die Preise an den Energiebörsen angestiegen sind. Die Strompreise sind Marktpreise. Sie bilden sich durch Angebot und Nachfrage am Strommarkt. Ausschlaggebend für den Strompreis in Deutschland ist die Preisbildung an der Leipziger Strombörse EEX. Für den Verbraucher kommen noch die Kosten für Vertrieb und Transport, Netzentgelte, sowie die staatlich veranlassten Abgaben hinzu, Stromsteuer, Konzessionsabgabe, EEG- und KWKG-Umlage. Wenn Kraftwerke mit geringen Erzeugungskosten, wie die Kernkraftwerke, abgeschaltet werden, müssen mehr Kraftwerke mit höheren Erzeugungskosten Energie ins Netz einspeisen. Dies ist der sogenannte Merit-Order-Effekt: Beginnend mit den niedrigsten Grenzkosten werden solange Kraftwerke mit höheren Grenzkosten zugeschaltet, bis die Nachfrage gedeckt ist. An der Strombörse bestimmt das letzte Gebot, das noch einen Zuschlag erhält, den Strompreis. Der Preis für Strom wird also durch das jeweils teuerste Kraftwerk bestimmt, das noch benötigt wird, um die Stromnachfrage zu decken. Die Mehrheit der Menschen in diesem Land und auch in diesem Hohen Haus will den Ausstieg aus der Kernenergie. Seit langem ist es Konsens in Deutschland, die Nutzung der Kernenergie zu beenden und keine neuen Kernkraftwerke zu bauen. Das haben auch wir schon in unserem Wahlprogramm, im Koalitionsvertrag und in unserem umfangreichen Energiekonzept vom Herbst letzten Jahres beschlossen. Ich persönlich bin zwar der Überzeugung, dass der Beschluss der Laufzeitverlängerung vom letzten Jahr volkswirtschaftlich optimaler und technisch einfacher gewesen wäre als der Weg, den wir nun gehen werden. Die furchtbare Katastrophe von Fukushima zwingt uns aber zu einem Kurswechsel - nicht inhaltlich, sondern zeitlich. Bei unserem nun notwendigen, schnelleren Umstieg in die erneuerbaren Energien müssen wir ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung der Energiepreise richten. Man kann die Preiswirkungen im Einzelnen jetzt nicht endgültig vorhersagen. Die überwiegende Mehrheit der Experten geht von einem moderaten zusätzlichen Preisanstieg von einem Cent je Kilowattstunde aus. Klar ist: Für Stromleitungen und Energiespeicher, für hochmoderne fossile Kraftwerke und den Ausbau der erneuerbaren Energien müssen hohe Summen investiert werden. Ebenso klar ist aber auch: All diese Investitionen wären auch ohne die jetzt getroffenen Entscheidungen nötig geworden, teilweise allerdings erst später. So unterschiedlich die Einschätzung der Experten über die Auswirkungen des beschleunigten Umstiegs auf die Energiepreise sind, so einig sind sich alle Voraussagen darin, dass die entscheidenden Energiepreistreiber andere Entwicklungen sind: die weltweit wachsende Nachfrage nach Energie, die Begrenztheit der fossilen Reserven und die höheren Förderkosten für neu erschlossene Vorkommen, die drohenden Folgen der von Klimagasen verursachten Klimaveränderungen und die instabile politische Lage in vielen Regionen, in denen Energiebodenschätze lagern oder die für die Weiterleitung von Energieträgern wichtig sind. Ein wichtiges Instrument zur Bewältigung dieser Herausforderung sind die erneuerbaren Energien. Da die Erneuerbaren heimische Energieträger sind, gibt der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien langfristig auch eine Chance zu größerer Unabhängigkeit von den Preisschwankungen der Weltenergiemärkte. Die Experten betonen: Die größten Probleme werden die Betriebe energieintensiver Branchen haben. Wir werden deshalb energieintensive Unternehmen gezielt entlasten. Die Betriebe energieintensiver Industrien mit ihren rund eine Million Beschäftigten leisten einen wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung in Deutschland. Dem soll durch Ausgleichszahlungen für emissionshandelsbedingte Strompreiserhöhungen von bis zu 500 Millionen Euro aus dem Energie- und Klimafonds und nötigenfalls darüber hinaus aus dem Bundeshaushalt Rechnung getragen werden. Zudem wird die besondere Ausgleichsregelung für energieintensive Betriebe bei der EEG-Umlage flexibler und großzügiger gestaltet. Aber wir werden auch darauf achten, dass sich mögliche Preissteigerungen für private Stromkunden im Rahmen halten. Bei der Neugestaltung des Rahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wollen wir Kostensenkungspotentiale ausschöpfen, sodass die Größenordnung der EEG-Umlage von derzeit 3,5 Cent pro Kilowattstunde nicht überschritten wird. Zum Ausgleich für höhere Energiepreise muss aber vor allem den Themen Energieeffizienz und Einsparungen ein hoher Stellenwert zukommen. Dafür haben wir uns in unserem Energiekonzept vom Herbst 2010 bereits anspruchsvolle Ziele gesetzt. Wir wollen bis 2020 den Primärenergieverbrauch gegenüber 2008 um 20 Prozent und bis 2050 um 50 Prozent senken und den Stromverbrauch bis 2020 gegenüber 2008 in einer Größenordnung von 10 Prozent und bis 2050 von 25 Prozent vermindern. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass CO2-Einsparungen insbesondere im Wärmebereich erreicht werden. Die energetische Umstellung insgesamt kann zu einem großartigen Konjunkturprogramm werden. Wir wollen bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand haben. Dafür ist die Verdoppelung der energetischen Sanierungsrate für Gebäude von derzeit jährlich etwa 1 Prozent auf 2 Prozent erforderlich. Noch in diesem Jahr werden wir die Energieeinsparverordnung (Verordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates) novellieren und wichtige Meilensteine zur Steigerung der Energieeffizienz setzen. Noch vor der Sommerpause werden wir das Gesetz zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden verabschieden. Mit zusätzlichen Anreizen wollen wir die erheblichen Potenziale zur Energie- und CO2-Einsparung im Gebäudebereich heben. Wir setzen auf Anreize. Das ist das Wesen einer freiheitlichen Gesellschaft. Wir wollen keinen Zwang, wie es ein Wesensmerkmal des Sozialismus ist. In einer freiheitlichen Gesellschaft wollen wir gemeinsam mit den Menschen und nicht gegen sie unsere gemeinsame Welt gestalten. Andrea Wicklein (SPD): Bei der Energiewende spielt die Frage der Bezahlbarkeit von Energie für die Menschen und Unternehmen eine zentrale Rolle - das ist für die SPD unbestritten. Aber wenn wir gewährleisten wollen, dass zukünftig nicht nur Strom, sondern auch Wärme und Mobilität für alle Menschen bezahlbar bleiben, dann ist der Griff nach planwirtschaftlichen Instrumenten aus der Mottenkiste des Sozialismus, wie ihn die Linke heute vorschlägt, der falsche Weg. Besonders die angesprochene Verpflichtung, Sozialtarife anzubieten, würde vielen kommunalen Unternehmen, also den Stadtwerken, schaden. Denn in Regionen, in denen überdurchschnittlich viele Verbraucher aufgrund ihrer Einkommenssituation den Strom zu günstigeren Preisen erhalten müssten, wären die örtlichen Versorger mit erheblichen Verlusten konfrontiert. Ich frage Sie: Wer soll das ausgleichen? Hinzu kommt: Die vorgeschlagenen Sozialtarife behindern die Bemühungen um Energieeinsparung. Mehr noch: Sie sorgen auch für beträchtliche Umsatz- und Gewinneinbrüche bei den lokalen Energieversorgern, deren Wettbewerbsfähigkeit und Investitionskraft angesichts des anstehenden Umbaus unseres Energiesystems eher gestärkt werden müssen. Statt Strompreise staatlich festzulegen, wollen wir als SPD-Bundestagsfraktion die Menschen dabei unterstützen, Energie und somit auch Geld einzusparen. Wir machen uns hier im Deutschen Bundestag für ein Energieeffizienzgesetz stark, das seinen Namen auch verdient und eine jährliche Steigerung der Energieproduktivität um durchschnittlich 3 Prozent festschreibt. Mit diesem Gesetz wollen wir einen Energieeffizienzfonds einrichten, dessen Mittel für die Energieberatung von insbesondere finanzschwachen Haushalten genutzt werden sollen. Bezahlbarkeit von Strom ist eine Seite der Medaille, Energieeffizienz die andere. Hierzu machen wir konkrete Angebote. Für die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen schlagen wir zinsgünstige Mikrokredite und Zuschüsse für private Haushalte und kleine Unternehmen vor. In dem flächendeckenden Einsatz von intelligenten Zählern sehen wir von der SPD die große Chance, einen sparsamen und kostenorientierten Einsatz von Energie bei den Bürgerinnen und Bürgern zu fördern. Es ist einfach so: Das Setzen der richtigen Rahmenbedingungen für Energieeinsparung und der kostenbewusste Umgang mit Energie wirken nachhaltiger! Staatliche Preise oder die von Ihnen geforderten Sozialtarife bieten keine Anreize, sparsam mit Energie umzugehen, und sind - mal wieder - zu kurz gedacht. Auch mehr Wettbewerb auf den Energiemärkten wirkt preisdämpfend. Einerseits muss deshalb der Wettbewerb auf dem Strommarkt so entwickelt und reguliert werden, dass beliebige, sachlich unbegründete Preiserhöhungen nicht mehr durchsetzbar sind. Hier sind Politik und die zuständigen Institutionen, zum Beispiel Bundeskartellamt oder Bundesnetzagentur, eindeutig gefordert. Andererseits müssen wir alle als Strom- und Gaskunden auch eine Eigenverantwortlichkeit entwickeln. Das bedeutet, den Strom- und Gasanbieter auch einfach zu wechseln und einen preisgünstigeren Lieferanten zu wählen, wenn der Anbieter zu teuer wird. Dass hier große Potenziale schlummern, zeigt die Tatsache, dass gegenwärtig immer noch über 80 Prozent der Stromkunden bei ihrem Grundversorger unter Vertrag stehen. Neben einer bezahlbaren Energieversorgung für Privathaushalte gilt es auch, die Notwendigkeit wettbewerbsfähiger Strompreise für die deutsche Wirtschaft im Blick zu behalten. Dies betrifft in erster Linie jene Unternehmen der sogenannten energieintensiven Branchen. Die in Deutschland vorhandene Wertschöpfungskette von industrieller Grundstoffproduktion bis zum hochspezialisierten Hightechmittelständler ist die entscheidende Voraussetzung für Innovationen, die für die Energiewende und den Klimaschutz notwendig sind. Die SPD hat ein Modell entwickelt, das die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie stärkt und auf drei Säulen basiert. Erstens plädieren wir für die Einführung eines Grundlaststromangebots für bestimmte energieintensive Unternehmen. Dies sichert nicht nur eine bezahlbare Stromversorgung für die Industrie, sondern ist gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zur Gewährleistung der Netzstabilität. Zweitens halten wir eine angemessene Vergütung der industriellen zu- und abschaltbaren Lasten für nötig. Erneuerbare Energien - vornehmlich Wind- und Solarenergie - speisen aufgrund der natürlichen Bedingungen nicht regelmäßig Strom ins Netz ein. Je nach Wetterlage wird somit die Nachfrage über- oder unterboten. Dies führt zu steigenden Instabilitäten im Stromnetz. Energieintensive Industrien können beispielsweise einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität leisten, indem sie vom Netzbetreiber entsprechend des Netzzustandes vom Netz genommen werden und somit notwendige Energiemengen zur Stabilisierung des Netzes bereitstellen. In der Anhörung zum Atomgesetz am Mittwoch betonten übrigens die Netzbetreiber, dass die Zahl derartiger Eingriffe zukünftig zunehmen und die Bedeutung der zu- und abschaltbaren Lasten für die Systemsicherheit ansteigen wird. Drittens ist es aus unserer Sicht absolut notwendig, den Unternehmen der energieintensiven Industrien Kompensationsleistungen für die indirekten Belastungen aus dem Emissionshandel in Form steigender Strompreise anzubieten. An dieser Stelle ist die Bundesregierung ja bereits tätig geworden und wird in Brüssel weiter für die Umsetzung ihres Vorschlags werben müssen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat in den letzten Monaten in vielen Anträgen und nicht zuletzt in unserem energiepolitischen Programm aufgezeigt, wie der Umbau unseres Energiesystems gestaltet werden kann: auf Basis einer vernünftigen Wirtschaftspolitik und in Verbindung mit einer nachhaltigen Umwelt- und Klimapolitik. Die Energieversorgung der Zukunft muss sicher, nachhaltig und bezahlbar sein - für Privathaushalte und Unternehmen. Dr. Erik Schweikert (FDP): Für uns Liberale sind bezahlbare Energiepreise ein Kernanliegen. Ich verhehle nicht: Auch ich bin mit der Preisentwicklung am Strommarkt nicht zufrieden. Wenn gefallene Einkaufspreise nicht an die Verbraucher weitergegeben werden, aber beispielsweise die gestiegene EEG-Umlage am Ende vollends an die Kunden durchgereicht wird, dann ärgert mich das, wie wahrscheinlich alle innerhalb und außerhalb dieses Hauses. Diese Preisspirale ist aber keine Folge der Liberalisierung des Stromsektors. Denn wenn Sie einmal einen Blick auf die Strompreisentwicklung werfen, so werden Sie feststellen, dass es auch in der Zeit des nicht liberalisierten Stromsektors massive Preissteigerungen gab. Im Jahrzehnt nach 1980 stieg der durchschnittliche Strompreis beispielsweise um etwa 7 Cent pro Kilowattstunde an, von circa 8 auf circa 15 Cent pro Kilowattstunde. Seit der Liberalisierung des Strommarktes im Jahr 1998 ist der durchschnittliche Strompreis um circa 8 Cent gestiegen. Wer anhand dieser Zahlen noch meint, die Liberalisierung sei der Strompreistreiber, kann eigentlich nur aus ideologischen Gründen blind sein. Mir zeigt dieser Vergleich aber eines: Der Wettbewerb funktioniert auch nach der Liberalisierung nicht zum Wohle der Verbraucherinnen und Verbraucher. Deshalb brauchen wir aber keinen Staatsstrom mit kommunistischem Festpreis, wie ihn die Linke gerne hätte, sondern funktionierenden Wettbewerb. Erst durch funktionierenden Wettbewerb werden wir es erreichen, dass die Preise für die Verbraucherinnen und Verbraucher wieder sinken. Deshalb müssen wir uns fragen, woran es liegt, dass es trotz einer hohen Anzahl an Wettbewerbern und Tarifen offensichtlich keinen funktionierenden Wettbewerb im Strommarkt gibt. Leider muss ich sagen: Die Verbraucher machen es den Stromkonzernen auch viel zu leicht. Denn die Wechselbereitschaft der Stromkunden ist deutlich unterentwickelt. Die Bundesnetzagentur hat festgestellt, dass seit der Strommarktliberalisierung bis zum Jahr 2010 45 Prozent der Haushalte keinen Gebrauch von ihrer Wechselmöglichkeit gemacht haben. Die jährliche Wechselquote lag in den Jahren 2005 bis 2010 nur zwischen drei und fünf Prozent. Dabei liegen die Unterschiede zwischen den angebotenen Tarifen manchmal bei bis zu 30 Prozent und mehr. Wenn dann aber das Beharrungsvermögen der Verbraucher höher ist als die Wechselbereitschaft, dann ist es kein Wunder, dass die Preise nicht sinken, sondern weiter steigen. Die Verbraucher müssen eben auch von Ihrer Verbrauchermacht Gebrauch machen. Wie stark die Marktmacht der Verbraucher ist, zeigt die Ehec-Krise derzeit deutlich. Wenn Produkte nicht mehr gekauft werden, werden sie billiger. So wie jetzt beim Gemüse wäre es auch im Stromsektor. Es tummeln sich nämlich inzwischen mehr als 1 000 Unternehmern mit mehr als 10 000 Tarifen auf dem Markt. Durchschnittlich hat der Kunde laut Bundesnetzagentur die Auswahl zwischen 142 Energieanbietern je Netzgebiet. Aber statt die Stromanbieter mit einem Wechsel unter Druck zu setzen, verharren viele Verbraucher in vergleichsweise teuren Tarifen. Es ist aber auch unsere Aufgabe als Politik, den Verbrauchern die Angst vor dem Wechsel zu nehmen und sie entsprechend zu informieren. Das tun wir. Auf vielen Veranstaltungen habe ich dieses Thema angesprochen und den Verbrauchern Empfehlungen gegeben. Ich weiß daher, dass viele Verbraucher den Wechsel scheuen, weil sie Angst haben, plötzlich im Dunkeln zu sitzen. Das wird aber nicht passieren. Der alte Anbieter muss so lange weiter liefern, bis der Wechsel endgültig erfolgt ist. Auch bei der Suche nach einem geeigneten Tarif gibt es Unterstützung. Eine Vielzahl an Internetportalen mit Preisvergleichen ist dem Verbraucher bei der Tariffindung behilflich. Wir als christlich-liberale Koalition lassen die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht allein. Wir haben im vergangenen Jahr die Überförderungen von Solaranlagen reduziert. Die von Rot-Grün eingeführte viel zu hohe Einspeisevergütung für Solarstrom hat am Ende der Verbraucher durch höhere Strompreise bezahlt. Wir haben sie um 16 Prozent abgesenkt, gegen scharfe Widerstände der grünen Lobbygruppen, die lieber weiter den Verbraucher schröpfen würden. Unser Energiekonzept fördert Energieeffizienz. Denn wer Strom spart, kann auch am meisten Geld sparen. Deshalb setzen wir auf effizienten Gebrauch, auf innovative Geräte, die weniger Strom verbrauchen. Wir setzen auf energieeffiziente Sanierung von Gebäuden. Wir treiben die Einführung des intelligenten Stromzählers voran. Dieser schafft nicht nur bessere Transparenz über den eignen Stromverbrauch und hilft, Energiefresser zu identifizieren. Durch intelligente Stromzähler kann der Verbraucher auch durch variable, tageszeitabhängige Tarife Energie und Geld sparen. Wir halten Anreize zum Stromsparen für wichtiger als Anreize zum Schuldenmachen. Denn offen gestanden ist ihre Forderung, bei der Zahlungsunfähigkeit von Verbraucherinnen und Verbrauchern Stromsperren zu verbieten, völliger Unfug. Denn wir leben ja zum Glück nicht im Sozialismus, sondern in einer Marktwirtschaft. Diese funktioniert nach dem einfachen Prinzip: kein Geld, keine Leistung! Aber übrigens auch umgekehrt: keine Leistung, kein Geld. Deshalb verbietet die christlich-liberale Koalition ja auch kostenpflichtige Warteschleifen bei Servicehotlines. Dieses Gegenleistungsprinzip aufzugeben, hieße aber auch, der Abzocke Tür und Tor zu öffnen. Das lehnen wir ab. Das A und O für eine verbraucherfreundliche Strompreisentwicklung bleibt ein funktionierender Markt. Voraussetzungen sind neben der Wechselbereitschaft der Verbraucher auch eine effiziente Wettbewerbsaufsicht durch die Kartellbehörden und die Transparenz im Markt. Deshalb wird die schwarz-gelbe Bundesregierung eine Markttransparenzstelle schaffen und diese beim Bundeskartellamt ansiedeln. Diese Markttransparenzstelle soll laufend marktrelevante Daten erheben, sammeln und analysieren. Dies dient der effektiveren Aufdeckung und Bekämpfung möglichen Fehlverhaltens bei der Preisbildung. Insbesondere geht es dabei um das schnelle Aufdecken von missbräuchlichen Kapazitätszurückhaltungen. Außerdem wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für die Stärkung der wettbewerblichen Strukturen einsetzen. Denn von einem funktionierenden Strombinnenmarkt sind wir noch meilenweit entfernt. Erst wenn der Wettbewerb seine wahre Kraft entfaltet, werden sich die Preise verbraucherfreundlich entwickeln. Deshalb wird sich diese Bundesregierung auch nicht für einen ineffizienten und widersinnigen Stromsozialismus einsetzen, sondern Anreize und Vorgaben für einen funktionierenden Markt entwickeln. Caren Lay (DIE LINKE): In den letzten zehn Jahren haben sich die Strompreise fast verdoppelt. Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen Jahr für Jahr 10 bis 15 Milliarden Euro zu viel in die Kassen der Stromkonzerne - das sind die offiziellen Zahlen des Umweltbundesamtes - und das alles, ohne dass ein einziges Atomkraftwerk vom Netz gegangen ist. Die Gründe sind andere: weil die vier großen Energiekonzerne - RWE, Eon, EnBW und Vattenfall - die Preise bestimmen und weil die Bundesregierung tatenlos zusieht. Wir brauchen hier endlich eine politische Antwort. Wenn der Kollege Fuchs von der CDU in seiner gestrigen Rede betont: "Mein Deutschland ist und bleibt ein Industrieland. Daher werde ich dafür kämpfen, dass die Industrie überall in Deutschland preisgünstigen Strom erhält", dann frage ich mich: Wo aber bleiben die Verbraucherinnen und Verbraucher? Wir als die Linke sagen: Die Energieversorgung darf nicht dem privaten Markt überlassen werden. Wir müssen die Energiewende sozial gestalten und dürfen uns nicht von den Atomkonzernen die Preise für den Strom diktieren lassen. Fakt ist: Atomstrom ist der teuerste Strom, wenn man die enormen Kosten für Sicherheit und Entsorgung und die Subventionen hinzurechnet. Je schneller die Energiewende kommt, desto besser ist es - in jeder Hinsicht. Die Warnung von Verbraucherministerin Ilse Aigner vor einem übereilten Ausstieg ist daher völlig verfehlt. Die Gewinne der Stromkonzerne waren in den letzten Jahren hoch genug, um die Investitionen selbst finanzieren zu können. Die Stromriesen dürfen die Investitionskosten nicht auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abwälzen. Es ist die Aufgabe der Politik, bezahlbare Energiepreise für alle zu gewährleisten. Deshalb legen wir heute hier unseren Antrag vor. Erstens brauchen wir endlich wieder eine staatliche Preisaufsicht, um Strompreise wirksam und verbrauchergerecht zu regulieren. Vor vier Jahren, im Juni 2007, hatte die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD die Preisaufsicht der Länder abgeschafft. Das geschah gegen den Widerstand von Verbraucherschützern und gegen den Rat der Wissenschaft. Mit der Abschaffung der Preisaufsicht - genauer: der Preisgenehmigungspflicht - sind die Strompreise noch rasanter in die Höhe geschnellt. Deshalb wollen wir die Preisaufsicht wieder einführen und ihr einen Verbraucherbeirat zur Seite stellen. Bis die Preisaufsicht arbeitsfähig ist, muss ein unmittelbares Strompreismoratorium Preiserhöhungen ausschließen. Zweitens müssen die Energieversorger verpflichtet werden, verbindliche Sozialtarife für einkommensschwache Haushalte anzubieten. Belgien und Frankreich haben das erfolgreich umgesetzt. Drittens fordern wir: Niemandem darf wegen Zahlungsschwierigkeiten der Strom abgestellt werden. Energieversorgung ist für uns als die Linke ein existenzielles Grundrecht. Doch die Realität ist derzeit leider, dass jährlich Hundertausende Haushalte von Stromsperren betroffen sind - mit steigender Tendenz. Die großen Energiekonzerne haben ihre Gewinne in weniger als zehn Jahren versiebenfacht. Aber zugleich müssen immer mehr Menschen unter Energiearmut leiden. Das kann doch nicht angehen. Das alles zeigt: Wir brauchen einen Schutzschirm für Verbraucherinnen und Verbraucher, nicht für Stromkonzerne. Auch deshalb plädiere ich für die federführende Beratung unseres Antrags im Verbraucherausschuss. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Energiepolitik steht vor einer epochalen Herausforderung. Die Probleme der Klimaveränderung, des wachsenden Energiehungers, der zunehmenden Rohstoffknappheit und der steigenden Energiepreise müssen gleichzeitig gelöst werden, und zwar so, dass kommenden Generationen die Zukunft eröffnet und nicht verbaut wird. Diese Sätze haben wir vor dem Atommoratorium der Bundesregierung in unserem Energiekonzept geschrieben, und sie gelten insbesondere für die Energiepreise genauso weiter. Denn die weltweite Entwicklung der Öl- und Gaspreise ist immer noch der allergrößte Strompreistreiber. Das Abschalten der Atomkraftwerke ist im Vergleich dazu vernachlässigbar. Langfristig ist der beste Schutz vor hohen Strompreisen eine 100-prozentige erneuerbare Energieversorgung; da sind wir unabhängig von den Preisen der fossilen Energieträger. Dieses Ziel dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Doch in einer Übergangszeit treiben steigende Ölpreise und fehlender Wettbewerb die Strompreise nach oben. Deshalb wollen wir die sozialschwachen Haushalte, die besonders von steigenden Preisen betroffen sind, helfen, indem wir sowohl Energiesparen und Energieeffizienz fördern als auch die Sozialleistungen verbessern. Wir wollen einkommensschwache Haushalte beim Energiesparen unterstützen, zum Beispiel mit unserem Energiesparfonds. Ich nenne Ihnen hier ein paar Beispiele an Maßnahmen. Wir fordern für einkommensschwache Haushalte besondere Angebote, zum Beispiel "Stromsparchecks", wie von den "Cariteams" der Caritas. Wir fordern einen Zuschuss für den Austausch ineffizienter "Weißer Ware" durch neue hocheffiziente Geräte nach einer Energieberatung oder einem Stromsparcheck durch Energiespardienstleister, Stadtwerke oder neue Energieanbieter. Die Vergabe ist an einen Entsorgungsnachweis geknüpft. Wir fordern Kredite für Mini-Contracting-Programme wie etwa das "pay as you save"-Programm in Großbritannien, bei dem Dienstleister in Effizienz investieren müssen, die Kosten aber über die Energie-rechnung abwickeln können, und vieles mehr. Wenn Sie mehr wissen wollen, lesen Sie unser Positionspapier "Der Grüne Energiesparfonds - Energiekosten senken, Klimaschutz stärken und Arbeitsplätze schaffen", Fraktionsbeschluss vom 24. Mai 2011. Auch Stromsperren sollten nur eine Ultima Ratio sein, wir wollen sie verbraucherfreundlicher regeln. Doch für Zahlungsrückstände sind die von uns überlegten Maßnahmen sinnvoller. Den Strom abdrehen soll der Energieversorger erst nach einem mehrstufigen Verfahren der Konfliktlösung, das heißt nach einem Ratenzahlungsvorschlag, und erst nach einer gescheiterten Schlichtung. Auch die Voraussetzungen für eine Sperre wollen wir strenger fassen, und die Verbraucher sollen mehr Zeit haben, um versäumte Zahlungen nachzuholen. Eine Sperre sollte zum Beispiel erst nach einem Zahlungsverzug in Höhe von drei monatlichen Durchschnittsbeträgen statt wie bei jetzt 100 Euro durchgeführt werden dürfen. Ein bundesweites Monitoring der Sperren ist auch überfällig. Die Versorgungsunternehmen sollen der Netzagentur jährlich über durchgeführte Sperren berichten. Und unverhältnismäßige Sperren, insbesondere auch bei Härtefällen wie Schwangeren, Neugeborenen etc., wie Sie es vorschlagen, sind übrigens heute schon rechtswidrig. Statt Sozialtarife einzuführen, wollen wir lieber mit sozialökologischen Tarifmodellen Anreize für alle zum Stromsparen setzen und die Grundgebühr abschaffen. Ein stark progressiver Tarifverlauf, das wäre nämlich ein sozialökologischer Tarif, verbindet das soziale Ziel einer Entlastung von einkommensschwachen Haushalten mit geringem Energieverbrauch mit ökologischen Anreizen zum Energiesparen. Das Wort "Strompreisregulierung" in Ihrem Antrag klingt zwar schön, ist aber schwierig durchzuführen. Das konnte man in der Vergangenheit sehen: Nach der Liberalisierung sanken die Preise erst mal ab, was zeigt, dass auch die regulierten Preise vorher überhöht waren. Die Konzerne kamen damals mit überhöhten Strompreisforderungen, die dann heroisch von den Behörden ein wenig abgesenkt wurden. Mit einer staatlichen Strompreisregulierung würde jede Strompreiserhöhung ein Regierungsgütesiegel bekommen. Viel wichtiger ist die Strommarktüberwachung. Denn ein großer Kostentreiber sind die unverschämten Konzerngewinne. Die Gewinne von RWE, Eon und EnBW sind seit 2002 stärker gestiegen als die EEG-Umlage, die gern als Hauptpreistreiber gebrandmarkt wird. Die in den Geschäftsberichten ausgewiesene Gewinnsumme seit 2002 ist um 8 Milliarden Euro angewachsen, während die EEG-bedingten Mehrkosten im gleichen Zeitraum nur um weniger als 7 Milliarden Euro gestiegen sind. Insgesamt machten die drei Konzerne Eon, RWE und EnBW im Jahr 2009 einen Gewinn von mehr als 23 Milliarden Euro, seit 2002 von über 100 Milliarden Euro. Seit dem Jahr 2002 haben sich die Gewinne vervierfacht. Da frage ich mich: Wo bleibt das Gesetz zur Entflechtung marktbeherrschender Unternehmen? Wir Grüne haben die Regierung schon im Dezember letzten Jahres dazu aufgefordert, endlich einen Gesetzentwurf für ein Entflechtungsinstrument vorlegen. Der Koalitionsvertrag sah ein Entflechtungsinstrument im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, GWB, vor. Doch der entsprechende Gesetzentwurf befindet sich seit Januar 2010 in der Ressortabstimmung. Meine Bitte an Herrn Rösler: Trauen Sie sich! Und ich frage mich auch: Wo bleibt die sogenannte Markttransparenzstelle? Deutschland will als einziges Land das Kartellamt und nicht die Energieregulierungsbehörde mit der Marktüberwachung beauftragen. Deshalb verzögert die Bundesregierung die Einrichtung der Markttransparenzstelle und gewährt so den vier großen Konzernen für Manipulationen der Strompreise weitere wertvolle Zeit. Fazit: Sozial- und umweltverträglich geht! Doch man darf nicht vergessen: Energiearmut ist letztendlich auch ein generelles Armutsproblem: Mindestlohn und höhere Hartz-IV-Sätze, Kitaplätze und bessere Bildung stehen jetzt an! Anlage 8 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 883. Sitzung am 27. Mai 2011 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: - Zweites Gesetz zur Änderung des Europäischen Betriebsräte-Gesetzes - Umsetzung der Richtlinie 2009/38/EG über Europäische Betriebsräte (2. EBRG-ÄndG) - Gesetz zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze - Gesetz gegen den Handel mit illegal eingeschlagenem Holz (Holzhandels-Sicherungs-Gesetz - HolzSig) - Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-IV-Umsetzungsgesetz - OGAW-IV-UmsG) - Sechstes Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen - Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts Der Bundesrat stellt fest, dass das Gesetz gemäß Artikel 104 a Absatz 4 des Grundgesetzes seiner Zustimmung bedarf. Begründung: Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Eine solche ist jedoch in der Eingangsformel nicht vorgesehen. Die Zustimmungsbedürftigkeit ergibt sich aus Arti-kel 104 a Absatz 4 GG. Das Gesetz begründet in Artikel 2 Nummer 1 (§ 55 Absatz 2 Satz 4 SGB VIII-neu) eine Pflicht der Länder zur Erbringung einer "vergleichbaren Dienstleistung gegenüber Dritten" gemäß Artikel 104 a Absatz 4 GG, indem den Jugendämtern ein Vormundschafts-/Pflegschaftsschlüssel von maximal 50 Mündeln je vollzeitbeschäftigtem Beamten oder Angestellten vorgegeben wird. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien zu der im Rahmen der Föderalismusreform eingefügten Regelung des Artikels 104 a Absatz 4 GG ergibt, wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber in weitem Umfang für die Länder kostenauslösende Bundesgesetze der Zustimmungspflicht unterwerfen. Nach Artikel 104 a Absatz 4 GG bedürfen solche Bundesgesetze der Zustimmung des Bundesrates, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründen und von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt werden, wenn daraus entstehende Kosten von den Ländern zu tragen sind. Hier kommt die dritte Alternative, die "Begründung der Erbringung von vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten" in Betracht. Eine Vergleichbarkeit einer Dienstleistung mit Geld- oder geldwerten Sachleistungen ist dann gegeben, wenn sie unter vergleichbar engen Voraussetzungen wie dies bei Geld- und Sachleistungen der Fall ist, einem Dritten Vorteile gewährt oder sonstige Maßnahmen gegenüber Dritten veranlasst, die zu einer erheblichen Kostenbelastung der Länder führen (vgl. Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes, Einzelbegründung zu Artikel 104 a Absatz 4 GG, Bundestagsdrucksache 16/813, S. 18). Zählt daher in diesem weiten Verständnis beispielsweise auch die Bereitstellung von Tagesbetreuungsplätzen (als ein Bündel staatlicher Sach- und Dienstleistungen) zum Anwendungsbereich des Artikels 104 a Absatz 4 GG, muss Gleiches auch für die Vormundschaft und Pflegschaft als - staatlich angeordneter - Dienstleistung für die Familien gelten. Soweit Artikel 104 a Absatz 4 GG eine "Begründung" der Leistungspflicht voraussetzt, entspricht es dem Sinn und Zweck der Regelung, auch eine wesentliche Ausweitung von Leistungsstandards hierunter zu fassen. Die Bundesregierung führt in der Entwurfsbegründung aus, dass es zu einem Mehrbedarf bei den Kommunen für zusätzliches Personal in der Amtsvormundschaft kommen könne, der bis zu doppelt so hoch wie gegenwärtig sei. Legt man hingegen die in der Entwurfsbegründung ebenfalls genannte Zahl von bis zu 200 Vormundschaften je Amtsvormund zugrunde, ergibt sich tatsächlich ein bis zu vierfacher Personalbedarf gegenüber dem gegenwärtigen Zustand. Ein Verständnis dahingehend, dass sich die Zustimmungsbedürftigkeit nur auf die erstmalige Begründung bezieht, widerspricht dem Normzweck des Artikels 104 a Absatz 4 GG, die Länder bei kostenauslösenden Bundesgesetzen in Form eines Zustimmungserfordernisses zu beteiligen. Denn der Bund hätte es ansonsten in der Hand, jedwede Ausweitung bestehender Leistungsgesetze einer solchen Mitwirkung der Länder zu entziehen. Der Bund kann sich deshalb nicht darauf berufen, es werde keine Leistungspflicht begründet, weil es Amtsvormundschaften gegenwärtig bereits gibt. Ferner hat der Bundesrat folgende Entschließung gefasst: Der Bundesrat äußert erneut seine Erwartung, dass der Bund die infolge des Gesetzes zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts den Kommunen entstehenden finanziellen Mehrbelastungen ausgleicht. - Siebtes Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes - Gesetz zur Neuregelung mautrechtlicher Vorschriften für Bundesstraßen - Gesetz zur Änderung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes - Gesetz zu dem Abkommen vom 9. April 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Commonwealth der Bahamas über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Informationsaustausch - Gesetz zu dem Abkommen vom 27. Juli 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Fürstentum Monaco über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Informationsaustausch - Gesetz zu dem Abkommen vom 9. Mai 2010 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Kaimaninseln über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Informationsaustausch - Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss - Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE 19. Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE vom 6. bis 10. Juli 2010 in Oslo, Norwegen - Drucksache 17/4453 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unterzeichnung und Ratifizierung europäischer Abkommen und Konventionen durch die Bundesrepublik Deutschland für den Zeitraum März 2009 bis Februar 2011 - Drucksachen 17/5315, 17/5567 Nr. 2 - Ausschuss für Wirtschaft und Technologie - Unterrichtung durch die Bundesregierung Zweiter Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der maritimen Wirtschaft in Deutschland - Drucksache 17/5572 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Nationales Reformprogramm Deutschland 2011 - Drucksachen 17/5500, 17/5820 Nr. 6 - Ausschuss für Gesundheit - Unterrichtung durch den Deutschen Ethikrat Stellungnahme des Deutschen Ethikrates Nutzen und Kosten im Gesundheitswesen - Zur normativen Funktion ihrer Bewertung - Drucksachen 17/4621, 17/5122 Nr.1.1 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Evaluation der Umsetzung von § 87 a Absatz 6 und § 87 b Absatz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch in Bezug auf den datenschutzrechtlichen Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit insbesondere unter der Einbeziehung der Möglichkeit von Verfahren der Pseudonymisierung - Drucksachen 17/4412, 17/4742 Nr.1.3 - Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europäischen Parlaments 2009 - Drucksachen 17/1517, 17/1819 A. 1.4 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europäischen Parlaments 2010 - Drucksachen 17/4418, 17/4588 A. 1.4 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Petitionsausschuss Drucksache 17/4509 Nr. A.1 EuB-EP 2099 Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/5434 Nr. A.2 EP P7_TA-PROV(2011)0096 Drucksache 17/5822 Nr. A.1 EuB-BReg 148/2011 Drucksache 17/5822 Nr. A.3 EuB-BReg 151/2011 Drucksache 17/5822 Nr. A.6 EuB-BReg 155/2011 Drucksache 17/5822 Nr. A.7 EuB-BReg 156/2011 Drucksache 17/5822 Nr. A.8 EP P7_TA-PROV(2011)0109 Drucksache 17/5822 Nr. A.10 EP P7_TA-PROV(2011)0148 Drucksache 17/5822 Nr. A.13 EP P7_TA-PROV(2011)0159 Innenausschuss Drucksache 17/5434 Nr. A.5 Ratsdokument 7661/11 Rechtsausschuss Drucksache 17/504 Nr. A.13 Ratsdokument 16113/09 Drucksache 17/1649 Nr. A.1 Ratsdokument 8176/10 Drucksache 17/4598 Nr. A.9 Ratsdokument 18115/10 Drucksache 17/4598 Nr. A.11 Ratsdokument 18124/10 Drucksache 17/4598 Nr. A.12 Ratsdokument 18126/10 Drucksache 17/4768 Nr. A.5 Ratsdokument 15522/10 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 17/4927 Nr. A.19 Ratsdokument 5962/11 Drucksache 17/5123 Nr. A.7 Ratsdokument 6501/1/11 REV 1 Drucksache 17/5822 Nr. A.29 EP P7_TA-PROV(2011)0141 Drucksache 17/5822 Nr. A.30 EP P7_TA-PROV(2011)0144 Drucksache 17/5822 Nr. A.31 EP P7_TA-PROV(2011)0145 Drucksache 17/5822 Nr. A.32 EP P7_TA-PROV(2011)0146 Drucksache 17/5822 Nr. A.33 Ratsdokument 8313/11 Drucksache 17/5822 Nr. A.34 Ratsdokument 8693/11 Drucksache 17/5822 Nr. A.35 Ratsdokument 8761/11 Drucksache 17/5822 Nr. A.36 Ratsdokument 9001/11 Drucksache 17/5822 Nr. A.37 Ratsdokument 9283/11 Verteidigungsausschuss Drucksache 17/4927 Nr. A.21 Ratsdokument 16828/10 Drucksache 17/4927 Nr. A.22 Ratsdokument 17373/10 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 17/5575 Nr. A.2 Ratsdokument 8020/11 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 17/504 Nr. A.23 Ratsdokument 15897/09 Drucksache 17/2580 Nr. A.11 EuB-EP 2043 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 17/178 Nr. A.38 Ratsdokument 15019/09 Drucksache 17/2408 Nr. A.33 EuB-EP 2028 Drucksache 17/2994 Nr. A.62 Ratsdokument 11423/10 Drucksache 17/4338 Nr. A.21 EuB-EP 2085 Drucksache 17/4338 Nr. A.23 Ratsdokument 16219/10 Drucksache 17/5575 Nr. A.3 Ratsdokument 7377/11 1Anlagen 3 bis 5 2Ergebnis der Wahl siehe Seite 13235 A 3Namensverzeichnis der Teilnehmer an der Wahl siehe Anlage 2 4Anlage 6 5Anlage 7 ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 13210 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 115. Sitzung, Berlin, Freitag, den 10. Juni 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 115. Sitzung, Berlin, Freitag, den 10. Juni 2011 13209 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 13286 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 115. Sitzung, Berlin, Freitag, den 10. Juni 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 115. Sitzung, Berlin, Freitag, den 10. Juni 2011 13287