Plenarprotokoll 17/119 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 119. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 6. Juli 2011 I n h a l t : Streichung der Tagesordnungspunkte 2 und 3 Abwicklung der Tagesordnung Wahl des Abgeordneten Stefan Müller (Erlangen) als ordentliches Mitglied und der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt als stellvertretendes Mitglied in den Vermittlungsausschuss Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Entwurf des Bundeshaushalts 2012; sonstige Fragen an die Bundesregierung Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Georg Schirmbeck (CDU/CSU) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Klaus Brandner (SPD) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Norbert Barthle (CDU/CSU) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Bettina Hagedorn (SPD) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Dr. Michael Luther (CDU/CSU) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Johannes Kahrs (SPD) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der von den Vereinten Nationen geführten Friedensmission im Südsudan (Drucksache 17/6449) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Jan van Aken (DIE LINKE) Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Philipp Mißfelder (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 5: Fragestunde (Drucksachen 17/6386, 17/6438) Dringliche Frage 1 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rechtfertigung der Bundesregierung hinsichtlich der von Medien berichteten Genehmigung der Lieferung von mehr als 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Zusatzfragen Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Niema Movassat (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) (zur Geschäftsordnung) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Jan van Aken (DIE LINKE) Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Andrej Hunko (DIE LINKE) Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dringliche Frage 2 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Angaben der Bundesregierung zum Zustandekommen des Waffengeschäfts über die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern von Deutschland an Saudi-Arabien Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Jan van Aken (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) Dringliche Frage 3 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Außen- und sicherheitspolitische Gründe für die von Medien berichtete Genehmigung der Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Dringliche Frage 4 Niema Movassat (DIE LINKE) Vereinbarkeit der geplanten Lieferung von Panzern an Saudi-Arabien mit der ansonsten von der Bundesregierung geäußerten Unterstützung der Demokratiebewegung in den arabischen Ländern Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Niema Movassat (DIE LINKE) Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Heike Hänsel (DIE LINKE) Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Dringliche Frage 5 Niema Movassat (DIE LINKE) Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Niema Movassat (DIE LINKE) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Dr. Rainer Stinner (FDP) Heike Hänsel (DIE LINKE) Mündliche Frage 12 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Qualität bei Ausschreibungen von Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung gemäß § 46 SGB III Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 13 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkung der Notwendigkeit der öffentlichen Ausschreibung der Vermittlungsunterstützung auf die Sicherung einer flächendeckenden Regelleistung für arbeitslose schwerbehinderte Menschen nach § 109 SGB IX Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 18 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Deutsche Beteiligung an bi- und trilateralen Ausbildungshilfen für die irakischen Streitkräfte Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Mündliche Frage 22 Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Entschädigung der Heimkinder der 50er- und 60er-Jahre Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfragen Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Mündliche Frage 23 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verbesserung des Pandemiereaktionssystems infolge des Ehec-Ausbruchs Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Zusatzfrage Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE gemäß Anlage 5 Nummer 1 Buchstabe b GO-BT: zu den Antworten der Bundesregierung auf die dringlichen Fragen 1 und 2 auf Drucksache 17/6438 Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) Sigmar Gabriel (SPD) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Rainer Stinner (FDP) Jan van Aken (DIE LINKE) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) Michael Groschek (SPD) Philipp Mißfelder (CDU/CSU) Nächste Sitzung Berichtigung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Wahl eines ordentlichen Mitglieds im Vermittlungsausschuss Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Altmaier (CDU/CSU) zur Wahl eines ordentlichen Mitglieds im Vermittlungsausschuss Anlage 4 Dringliche Frage 6 Sabine Leidig (DIE LINKE) Medienberichte über geschönte Kostenrechnungen der Deutschen Bahn AG für das Projekt Stuttgart 21 Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 5 Mündliche Frage 1 Klaus Ernst (DIE LINKE) Auswirkungen einer marktüblichen Verzinsung von Steuervorauszahlungen gemäß § 37 Einkommensteuergesetz auf das Nettosteueraufkommen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 6 Mündliche Frage 2 Klaus Ernst (DIE LINKE) Tätigkeit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit bezüglich der Vorkommnisse im Europa-Distributionscenter von Ikea in Dortmund-Ellinghausen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 7 Mündliche Frage 3 Manfred Nink (SPD) Beurteilung des OTC-Derivatehandels Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 8 Mündliche Frage 4 Manfred Nink (SPD) Entscheidung der G-20-Staaten zur Regulierung von Derivaten Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 9 Mündliche Frage 5 Klaus Hagemann (SPD) Unterstützung für Rumänien und Nicht-Euro-Staaten aus dem European Financial Stabilisation Mechanism und bisherige Rückzahlungen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 10 Mündliche Frage 6 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aktuelle Zahl der Bürgerarbeitsplätze Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 11 Mündliche Frage 7 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Geförderte Beschäftigungsverhältnisse seit Anfang 2010 Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 12 Mündliche Frage 8 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusammenarbeit zwischen Schulentwicklungs-, Jugendhilfe- und Sozialplanung für eine abgestimmte Unterstützung bedürftiger Kinder und Jugendlicher Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 13 Mündliche Frage 9 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gründe für die Durchführung des Bildungs- und Teilhabepakets über das SGB II Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 14 Mündliche Frage 10 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Beendigung von über Vermittlungsgutscheine entstandenen Beschäftigungsverhältnissen Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 15 Mündliche Frage 11 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Geplantes Fördervolumen und vorliegende Verpflichtungsermächtigungen für den neuen § 16 e SGB II im Zeitraum 2012 bis 2015 Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 16 Mündliche Frage 14 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Vorhaben der Bundesregierung im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bei der bilateralen Zusammenarbeit mit Polen und Russland Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 17 Mündliche Frage 15 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Vorhaben der Bundesregierung im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bei der bilateralen Zusammenarbeit mit China Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 18 Mündliche Frage 16 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Etwaige ökologische und gesundheitliche Risiken von gentechnisch verändertem Mais SmartStax Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 19 Mündliche Frage 17 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Erweiterung der Prüfanforderungen für transgene Pflanzen mit gestapelten Eigenschaften bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 20 Mündliche Frage 20 Caren Marks (SPD) Kritik von Schwerpunkt-Kitas an der Umsetzung des Programms "Frühe Chancen" Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 21 Mündliche Frage 21 Caren Marks (SPD) Nachbesserung beim Bundesprogramm "Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration" Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 22 Mündliche Frage 24 Hans-Joachim Hacker (SPD) Etwaige Übernahme von im Ausland erfolgreich erprobter Systeme der Fahranfängerbetreuung Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 23 Mündliche Frage 25 Hans-Joachim Hacker (SPD) Befreiung der Inselflüge von der Luftverkehrsteuer für Touristinnen und Touristen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 24 Mündliche Fragen 26 und 27 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bewertung des neuen Konzepts der Brandenburger Landesregierung zur Anbindung des Westhavellandes an die A 2 Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 25 Mündliche Frage 28 Heinz Paula (SPD) Einführung einer Kennzeichenpflicht für Fahrräder Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 26 Mündliche Frage 29 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ergebnisse des Petersberger Dialogs II Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 27 Mündliche Frage 30 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung von EU-Partnerländern wie Polen bei der Umstellung der Energieversorgung und der Reduktion der CO2-Emissionen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 28 Mündliche Frage 31 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kostenschätzungen für kleine Photovoltaikanlagen bei Teilnahme am vereinfachten Einspeisemanagement Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 29 Mündliche Frage 33 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen der Regelungen in § 37 Abs. 3 EEG für Pumpspeicherkraftwerke Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 30 Mündliche Frage 34 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bilaterale Vereinbarungen im Bereich der Sicherheit kerntechnischer Anlagen und des Strahlenschutzes Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 31 Mündliche Frage 35 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erörterungstermin und Verfahrensunterlagen zur Umweltverträglichkeitsprüfung zu den Atomkraftwerksprojekten Temelin 3 und 4 in Tschechien Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 32 Mündliche Frage 36 Klaus Hagemann (SPD) Ergebnisse der Sitzung des ITER-Aufsichtsrates am 14. und 15. Juni 2011 im Hinblick auf die Erbringung der Leistungen durch Japan Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 33 Mündliche Fragen 37 und 38 Oliver Kaczmarek (SPD) Umsetzung des Grundbildungspaktes für Alphabetisierung Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 34 Mündliche Frage 39 Karin Roth (Esslingen) (SPD) Wiederaufnahme der Zahlungen an den GFATM nach Vorlage des Zwischenberichts der unabhängigen Kommission zur Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen gegen Korruption und Veruntreuung beim GFATM Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 35 Mündliche Fragen 40 und 41 Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausbau der Mitarbeiterkapitalbeteiligung Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 36 Mündliche Frage 42 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Förderung des Baus von Gaskraftwerken angesichts der aktuellen Probleme bei den Steinkohlekraftwerksneubauten mit dem Stahltyp T24 Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 37 Mündliche Fragen 43 und 44 Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Notwendigkeit des Zubaus von bis zu 10 Gigawatt gesicherter Kraftwerkskapazität bis 2020 Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 38 Mündliche Frage 45 Günter Gloser (SPD) Anteil syrischen Rohöls an den deutschen Rohölimporten sowie weitere wichtige Hauptabnehmer von syrischem Rohöl Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 39 Mündliche Frage 46 Günter Gloser (SPD) Ausweitung der von der EU beschlossenen Sanktionsmaßnahmen auf ein Verbot des Imports von syrischem Rohöl in die EU Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 40 Mündliche Frage 47 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Politische Initiativen im Rahmen der Europäischen Union und der Vereinten Nationen für die Zeit nach der Entstehung des Staates Südsudan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 41 Mündliche Frage 48 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Unterstützung der Afrikanischen Union und ihrer Regionalorganisationen beim Aufbau einer Friedens- und Sicherheitsarchitektur Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 42 Mündliche Frage 49 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Verlängerung des EU-Fischereiabkommens mit Marokko Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 43 Mündliche Frage 50 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Waffenlieferungen Frankreichs an oppositionelle Kräfte in Libyen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 44 Mündliche Frage 52 Andrej Hunko (DIE LINKE) Bewertung der Berichte von unabhängigen Delegationen zur Wahlbeobachtung bei den Parlamentswahlen in der Türkei am 12. Juni 2011 Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 45 Mündliche Frage 53 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verbesserung der Umsetzungsmechanismen von Menschenrechtsklauseln in Abkommen der Europäischen Union mit Drittstaaten Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 46 Mündliche Frage 54 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Handlungsbedarf aus der Evaluierung der EU-Rückübernahmeabkommen (KOM(2011)76) Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 47 Mündliche Fragen 55 und 56 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage eines Planungsvereinheitlichungsgesetzes und Berücksichtigung einer verbesserten Bürgerbeteiligung bei der Planfeststellung Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 48 Mündliche Frage 57 Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus der Zunahme der Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten in den ostdeutschen Bundesländern Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 49 Mündliche Frage 58 Heinz Paula (SPD) Fördermöglichkeiten für private bzw. kommunale Initiativen bezüglich der Erinnerung an die Präsenz der Westalliierten Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 50 Mündliche Frage 59 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Abfrage von Mobilfunkverkehrsdaten ganzer Funkzellen durch Sicherheitsbehörden des Bundes seit 2008 Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 51 Mündliche Frage 60 Andrej Hunko (DIE LINKE) Funkzellenüberwachung anlässlich der Proteste gegen den G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI 119. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 6. Juli 2011 Beginn: 13.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Platz gibt es ja reichlich. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Gibt es die SPD nicht mehr?) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen zunächst einige Mitteilungen zu machen. Interfraktionell ist vereinbart worden, die Tagesordnungspunkte 2 und 3 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen und den Tagesordnungspunkt 4 auf morgen zu verschieben. Als neuer Tagesordnungspunkt ist die erste Beratung des Antrags der Bundesregierung zur Beteiligung deutscher Soldaten am sogenannten UNMISS-Einsatz in Südsudan vorgesehen. Dieser Zusatzpunkt soll nach der Regierungsbefragung aufgerufen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlossen. Die CDU/CSU-Fraktion hat mitgeteilt, dass der Kollege Stefan Müller anstelle des Kollegen Dr. Hans-Peter Friedrich neues ordentliches Mitglied im Vermittlungsausschuss werden soll. Als seine Stellvertreterin ist die Kollegin Gerda Hasselfeldt vorgesehen. Sind Sie damit einverstanden? - Dann ist auch das offenkundig so vereinbart. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Viel Spaß!) Damit sind der Kollege Müller als ordentliches Mitglied und die Kollegin Hasselfeldt als Stellvertreterin in den Vermittlungsausschuss gewählt. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass zu der gerade vorgenommenen Wahl schriftliche Erklärungen der Fraktion der CDU/CSU sowie der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vorliegen, die wir zu Protokoll nehmen. (Abg. Thomas Oppermann [SPD] betritt den Plenarsaal - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Gibt es die SPD doch noch! - Gegenruf des Abg. Thomas Oppermann [SPD]: Wer könnte sie besser repräsentieren als ich?) - Wir begrüßen die SPD-Fraktion in Gestalt ihres Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers, der rechtzeitig zum Tagesordnungspunkt 1 erschienen ist. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf des Bundeshaushalts 2012. Bevor ich für den einleitenden Bericht dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Steffen Kampeter, das Wort erteile, will ich darauf hinweisen, dass wir uns bei den Regierungsbefragungen in den letzten Wochen darüber verständigt hatten, dass sowohl die Fragen als auch die Antworten nach dem einleitenden Bericht jeweils auf eine Minute beschränkt werden. Auch heute wird nach Ablauf der Minute ein akustisches Signal ertönen und sowohl die Fragesteller als auch den antwortenden Staatssekretär daran erinnern, zum Schluss zu kommen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. (Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär: Das ist nicht nett!) - Sehr geehrter Herr Staatssekretär, lieber Kollege Kampeter, ob die Regierung das nett findet oder nicht, ist völlig unerheblich. Wenn der Bundestag das so beschließt, wird so verfahren. Deswegen nehme ich den Zwischenruf zum Anlass, noch einmal ausdrücklich festzuhalten, dass dies erkennbar der Wille des Bundestages ist. (Heiterkeit) Damit erhält der Kollege Kampeter Gelegenheit für seinen einführenden Bericht. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundeskabinett hat sich heute schwerpunktmäßig mit der Verabschiedung des Haushaltsplanentwurfes für das Jahr 2012 und der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahr 2015 beschäftigt. Der Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble hat das Parlament unmittelbar nach Ende der Kabinettssitzung in der Haushaltsausschusssitzung unterrichtet. Ich freue mich, Ihnen hier in der Regierungsbefragung die Grundzüge des Haushaltsplanentwurfes darlegen zu können. Wir haben dem Parlament ein Ausgabevolumen für das Jahr 2012 in Höhe von 306 Milliarden Euro vorgeschlagen. Wir gehen für das nächste Jahr von Steuereinnahmen in Höhe von 247,4 Milliarden Euro und sonstigen Einnahmen von 31,5 Milliarden Euro aus. Damit kommen wir zu einer Nettokreditaufnahme von 27,2 Mil-liarden Euro. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Haushaltsplanentwurf spiegelt sich die gute wirtschaftliche Entwicklung wider, von der wir uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt begleitet sehen. Aber auch die haushaltswirtschaftlichen und haushaltspolitischen Eckpunkte lassen sich erkennen. Wir halten auch 2012 und in den Folgejahren die Vorgaben der seit diesem Jahr geltenden Schuldenbremse strikt ein. Wenn der Bundestag den Vorschlägen folgt, bin ich zuversichtlich, dass wir im Jahre 2016, wie wir es vereinbart haben, einen strukturell ausgeglichenen Haushalt erreichen können. Das strukturelle Defizit sinkt im Finanzplanungszeitraum Jahr für Jahr im Durchschnitt um rund 5 Milliarden Euro. Eine zweite Anmerkung. Der Konsolidierungskurs, den wir Ihnen mit dem Haushaltsplanentwurf und der mittelfristigen Finanzplanung vorschlagen, geht nicht zulasten wichtiger Gestaltungsspielräume. Wir schaffen durch den Ausbau der Förderung von Bildung, Forschung und Entwicklung nachhaltig wirkende Wachstumsimpulse. Gleichwohl wird ein besonderer Schwerpunkt im energiepolitischen Bereich gesetzt. Die Reform der Bundeswehr wird im Spannungsfeld von notwendigen Aufwendungen und Konsolidierung entsprechend der Festlegung vom Frühjahr fortgeführt; die personalwirtschaftliche Planung wird kompatibel dazu sein. Drittens. Beim Abbau der Neuverschuldung sind wir auf einem guten Wege, aber noch lange nicht am Ziel. Auch wenn die Neuverschuldung in den nächsten Jahren kontinuierlich zurückgeht, besteht weiterer Handlungsbedarf, damit das Ziel eines strukturell annähernd ausgeglichenen Haushalts tatsächlich erreicht wird. Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund wirtschaftlicher und haushalterischer Risiken notwendig, die immer mit dem vergleichsweise langen Zeitraum einer mittelfristigen Finanzplanung verbunden sind. Vierte Anmerkung. Über einen Mehrjahreszeitraum betrachtet, erfolgt der Abbau der Neuverschuldung über einen begrenzten Ausgabenzuwachs und steigende Einnahmen. Vor dem Hintergrund der stark sozialpolitisch ausgerichteten Ausgabenstruktur stellt eine umfassende Kürzung der Ausgaben keine politisch und gesellschaftlich akzeptierte Alternative dar. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass ein Großteil der Mehreinnahmen erforderlich ist, um die Konsolidierungsaufgabe zu bewältigen. Bei der Ausgabenentwicklung planen wir konservativ, das heißt, die Ausgaben steigen im Vergleich zur Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts weniger schnell. Auch so tragen wir nicht nur zur Konsolidierung, sondern auch zur Senkung der Staatsquote bei. Neben der nationalen Bedeutung des Bundeshaushalts sind auch internationale Aspekte der Haushaltsplanung zu berücksichtigen. Mit dem Europäischen Semester und der frühzeitigen Verabschiedung der Eckwerte des Bundeshaushalts bereits im Frühjahr dieses Jahres gab es in diesem Jahr wichtige Verbesserungen im Haushaltsaufstellungsverfahren und eine konsequente Orientierung der Haushaltspolitik am europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie an der Schuldenbremse. Damit steigt die gemeinsame Verantwortung aller Kabinettsmitglieder und Fachpolitiker für einen nachhaltigen und wachstumsfreundlichen Haushalt, der sich in die internationalen Konsolidierungsbemühungen in der Euro-Zone und der Europäischen Union eingliedert. Ich freue mich auf die Fragen zu diesem Haushaltsplanentwurf. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. - Die erste Nachfrage ist von der Kollegin Haßelmann. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Kampeter, ich würde gerne die Einschätzung der Bundesregierung dazu hören, wie sie trotz der Nettokreditaufnahme bzw. der Nettoneuverschuldung von über 27 Milliarden Euro zu dem Ergebnis kommt, dass eine Steuersenkung durchgeführt werden soll. Angesichts der geplanten Steuerentlastung in Höhe von 8 bis 10 Milliarden Euro, die derzeit öffentlich diskutiert wird, frage ich mich, wie Sie trotzdem die vorgesehene Nettokreditaufnahme rechtfertigen. Auf diese Frage hätte ich gerne eine Antwort. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Hasselfeldt - - Präsident Dr. Norbert Lammert: Haßelmann. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Haßelmann - aus Bielefeld, Ostwestfalen-Lippe, Sie sind mir wohlbekannt -, es gibt keine endgültige Festlegung auf Art und Umfang möglicher steuerpolitischer Anpassungen in dieser Legislaturperiode. Es gibt lediglich einen politischen Grundsatzbeschluss der Vorsitzenden der Parteien, die die Regierungskoalition bilden. Dieser Beschluss ist heute im Kabinett zur Kenntnis genommen worden. Im Lichte der steuerlichen Entwicklung werden wir uns im Laufe des Jahres - im Herbst stehen weitere politische Entscheidungen an - gemeinschaftlich darauf einigen, wie wir den vorhandenen Gestaltungsspielraum ausgestalten. Im Kern geht es dabei auch um die gerechte Behandlung von unbeabsichtigten Steuererhöhungen im Bereich der kalten Progression. Wie dies konkret ausgestaltet wird, obliegt den politischen Festlegungen, die heute im Kabinett allerdings noch nicht getroffen worden sind. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die nächste Frage stellt der Kollege Schneider. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben ausgeführt, wie exzellent Ihrer Auffassung nach die Haushaltseckwerte sind. Ich stelle fest, dass wir im Jahre 2008 das absolute Spitzenniveau erreicht hatten, sowohl was die Wirtschaftsleistung als auch was die Steuereinnahmen betrifft. Im Jahr 2012 toppen wir das: Wir haben voraussichtlich 10 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen und auch ein höheres Bruttoinlandsprodukt. Nichtsdestotrotz ist im Haushalt 2012 eine Nettokreditaufnahme von 27 Milliarden Euro vorgesehen. 2008 waren es 11 Milliarden Euro. Wie können Sie behaupten, dass das ein guter Haushalt ist, wenn wir trotz deutlich höherer Steuereinnahmen eine dreifach höhere Nettokreditaufnahme zu verzeichnen haben? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Schneider, zur Bewertung von Haushaltsplanentwürfen durch Regierung und Opposition: Ich will gerne konzedieren, dass wir - das ist eine historische Erfahrung - selten beieinander liegen. Tatsache ist: In dem bisher geltenden Finanzplan, den wir heute aktualisiert haben, haben wir für das Jahr 2012 eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 40 Milliarden Euro vorgesehen. Durch die erfreuliche Entwicklung auf der Einnahme- wie auf der Ausgabenseite können wir im Eckwertebeschluss die hohe Nettokreditaufnahme auf 31,5 Milliarden Euro korrigieren. Mit der Beschlussfassung, die in diesem Jahr eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 27,2 Milliarden Euro vorsieht, liegen wir etwa 13 Milliarden Euro unter der Nettokreditaufnahme, die wir noch vor einem Jahr als Grundlage für unsere mittelfristige Finanzplanung herangezogen haben. Sie haben gefragt, welche Veränderungen es bei den Ausgaben gibt. Es handelt sich im Wesentlichen um sozialpolitisch induzierte Bereiche. Sie wissen, dass wir beispielsweise einen vollen Umsatzsteuerpunkt an die Rentenversicherung abführen. (Signalton) - Das ist das akustische Signal. - Durch die erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung fällt dieser Beitrag höher aus. Ebenso ist es richtig, dass wir Stabilisierungsmaßnahmen im Bereich der Krankenversicherung durchgeführt haben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Eine Zusatzfrage des Kollegen Schneider. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben eben ausgeführt, dass die Nettokreditaufnahme gegenüber der Vorjahresplanung um 13 Milliarden Euro sinkt. Das ist gut. Können Sie mir bestätigen, dass die konjunkturellen Effekte für den Bundeshaushalt 2012 ein Plus von rund 20 Milliarden Euro bedeuten, nämlich 14,6 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen und 4,7 Milliarden Euro geringere Arbeitsmarktausgaben? Das ergibt eine Differenz von 7 Milliarden Euro. Wo soll dieser Betrag ausgegeben werden? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Schneider, ich kann Ihnen erstens nachdrücklich bestätigen, dass wir 13 Milliarden Euro mehr eingenommen haben, als wir vor einem Jahr weniger optimistisch geglaubt haben. Zweitens haben wir die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse vollumfänglich eingehalten. Drittens stehen wir mit unserem Konsolidierungskurs sowohl auf internationaler Ebene als auch auf der Ebene der Staaten der Euro-Zone an der Spitze. Daher glaube ich, dass die christlich-liberale Koalition und die Bundesregierung Ihnen eine nachhaltige und erfolgreiche Haushaltspolitik vorschlagen. (Johannes Kahrs [SPD]: Wo ist jetzt die Antwort?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Hinz hat die nächste Frage. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Kampeter - - (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Herr Staatssekretär Kampeter!) - Lieber Herr Kollege Staatssekretär Kampeter! (Heiterkeit - Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: So viel Zeit muss sein!) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Im Haushaltsausschuss herrscht Respekt zwischen den Kolleginnen und Kollegen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das geht alles unnötig auf Kosten der Redezeit. (Otto Fricke [FDP]: Höflichkeit unnötig!) Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Angesichts der Tatsache, dass trotz des konjunkturellen Aufschwungs bis zum Jahr 2015 85,5 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen werden sollen, und angesichts der Tatsache, dass für den Finanzplan zusätzliche Risiken entstanden sind - globale Minderausgabe; höhere Ausgaben für die Bundeswehr, die entstehen, obwohl sie verkleinert wird; Stichwort "Finanztransaktionsteuer", die noch nicht beschlossen ist -, möchte ich Sie fragen, welchen Spielraum Sie für Steuersenkungen sehen. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Hinz, ich habe in meiner einleitenden Stellungnahme deutlich gemacht, dass wir in der Haushaltspolitik in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen stehen werden. Eine Abkehr vom Konsolidierungskurs ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder geboten noch in irgendeiner Art und Weise von der Regierungskoalition oder der Bundesregierung politisch gewollt. Unabhängig davon haben sich die drei die Koalition tragenden Parteien darauf verständigt, die Entwicklung in diesem Jahr im Auge zu behalten. Wenn sie weiter so erfreulich ist, werden wir im Lichte der Steuerschätzung im November festlegen, welche steuerlichen Anpassungsmaßnahmen es geben kann. Diese müssen zum einen die notwendige Verhinderung von unerwünschten Steuererhöhungen beinhalten und dürfen zum anderen die Einhaltung des Konsolidierungskurses, des Abbaupfades und der Schuldenbremse nicht gefährden. Den Spielraum zwischen beiden - in Teilen miteinander konkurrierenden - Zielsetzungen auszuloten, ist Teil der Gestaltungsaufgabe der Bundesregierung. Wir werden sie annehmen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Dörner hat die nächste Frage. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, dass für die eventuell geplanten Steuersenkungen in der mittelfristigen Finanzplanung keinerlei Vorsorge getroffen worden ist? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, nein, sehr geehrte Frau Kollegin - Entschuldigung! -, ich wiederhole, dass wir über Volumina möglicher steuerlicher Anpassungsmaßnahmen und Vergleichbares - Stichwort "kalte Progression", Verhinderung unerwünschter Steuererhöhungen - noch keine abschließende Entscheidung getroffen haben. Insoweit bilden sich diese Dinge in der mittelfristigen Finanzplanung, im Haushaltsplanentwurf noch nicht ab. Letztendlich ist die Gestaltungsaufgabe der Politik, wenn eine neue Lage entsteht, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen und sein politisches Handeln entsprechend auszurichten. Ich bin sicher - das habe ich bereits deutlich gemacht -, dass wir sowohl die steuerpolitischen Rahmenbedingungen werden verbessern können als auch die Schuldenbremse und die Nettokreditaufnahmelinie im Rahmen des verfassungsrechtlich Möglichen einhalten werden. Diese Regierung hält sich sowohl an die Vorgaben der notwendigen nachhaltigen Finanzpolitik als auch an die rechtlichen Vorgaben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Sven Kindler hat die nächste Frage. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, lieber Kollege Kampeter, meine Frage bezieht sich auf den ökologischen Umbau. Das Umweltbundesamt hat festgestellt, dass Investitionen in Höhe von 48 Milliarden Euro umweltschädlich sind. Jetzt plant die Bundesregierung, im Rahmen des Energie- und Klimafonds weitere Subventionen in Höhe von 500 Millionen Euro an energieintensive Unternehmen zu vergeben. Wann macht die Bundesregierung ernst mit dem Abbau von ökologisch schädlichen Subventionen, um die Haushaltskonsolidierung fortzusetzen und vor allen Dingen den Schuldenabbau konsequenter betreiben zu können? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Kindler, ich weiß nicht, ob die Bundesregierung all Ihre Einschätzungen hinsichtlich der Qualifizierung von steuerlichen Ausnahmetatbeständen teilt; aber ich kann Ihnen versichern, dass gerade mit diesem Haushalt der Beweis dafür erbracht wird, dass wir bereit und willens sind, die ökologische Erneuerung im Rahmen der von uns für notwendig erachteten Energiewende auch im Haushalt abzubilden. Das spiegelt sich auf der Einnahmeseite des Haushalts wider - das ist Ihnen bekannt -, wird aber auch durch den Energie- und Klimafonds deutlich, der die Ausgabenseite der ökologischen Umgestaltung, der Energiewende in der Bundesrepublik Deutschland abbildet. Darüber hinaus planen wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anpassungen, wie Sie sie vorschlagen. Diese wären - Stichwort "Steuererhöhungen" - auch kontraproduktiv. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage? - Herr Kindler. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich gehe davon aus, Herr Staatssekretär, dass Sie das Umweltbundesamt zu dieser Bundesregierung zählen. Es hat die Aufstellung über umweltschädliche Subventionen in Höhe von 48 Milliarden Euro vorgelegt. Meine Frage bezieht sich auf den Energie- und Klimafonds. Teilen Sie die Auffassung - diese wurde in der Anhörung des Haushaltsausschusses einhellig geteilt -, dass der Fonds, wie er jetzt ausgestaltet ist, völlig überbucht ist, weil die Summen, die zur Erfüllung der Zwecke benötigt werden, viel größer sind als die Summen, die eingestellt werden, und dass das zum Beispiel zulasten des internationalen Klimaschutzes gehen kann? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kindler, diese Auffassung teilt die Bundesregierung nicht. Wir glauben, dass es eine bedarfsgerechte Ausstattung ist. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Schirmbeck. Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, leider müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Hauptbeschäftigung dieser Opposition darin besteht, herumzumäkeln. Dabei hätten wir uns diese Entwicklung der Staatsfinanzen auf Grundlage unserer Volkswirtschaft vor einem Jahr so gar nicht vorstellen können. Deshalb frage ich Sie: Wie stehen wir eigentlich im internationalen Vergleich da? Wie sehen unsere europäischen Partner die wirtschafts- und finanzpolitische Entwicklung in Deutschland? (Johannes Kahrs [SPD]: Wegen Schröder und Agenda alles gut!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte vollständig antworten, aber in einer Minute. (Heiterkeit) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Schirmbeck, sinnfällig ist vielleicht folgendes Bild: Vor etwa zehn Jahren hat eine englische Wirtschaftszeitung, The Economist, getitelt, dass der kranke Mann Europas zu identifizieren sei. Dieser Artikel vom Anfang dieses Jahrtausends bezog sich leider auf die Bundesrepublik Deutschland. Regierungen unterschiedlicher Mehrheitsverhältnisse und die Tarifvertragsparteien haben in der Bundesrepublik Deutschland im vergangenen Jahrzehnt eine enorme Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Tätigkeit in Deutschland herbeiführen können. Vor kurzem hat das gleiche englische Wirtschaftsmagazin von einem "German miracle", einem deutschen Wunder, gesprochen. Das ist relativ repräsentativ für die Sicht des Auslandes. Vor ein oder zwei Jahren ist die Bundesrepublik Deutschland wegen ihrer starken Exportorientierung im Ausland als vor dem wirtschaftlichen Abgrund stehend bezeichnet worden. Jetzt wird die erfreuliche Entwicklung als ein Wunder bezeichnet; das ist, glaube ich, eine Übertreibung. Ich würde sie als Ergebnis einer soliden Leistung der Menschen in diesem Land gemeinsam mit den Tarifvertragsparteien und der Politik bezeichnen; dies wird wohl positiv bewertet. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Brandner hat die nächste Frage. Klaus Brandner (SPD): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie haben heute einen Eckwertebeschluss gefasst. Daraus geht hervor, dass 2 Milliarden Euro mehr Ausgaben für Zinsbelastungen vorgesehen sind. Wie wollen Sie den Bürgern in unserem Land erklären, dass Sie öffentlich Steuersenkungen kundtun und zugleich deutliche Mehrbelastungen für Zinsen im Haushalt vorsehen? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Brandner, ich kann keinen sachlichen Zusammenhang zwischen diesen beiden Positionen sehen. In der Finanzgeschichte der Bundesrepublik Deutschland hatten wir im Trend immer steigende Zinslasten; eine Zeit lang gab es eine Seitwärtsbewegung. Sie selbst haben Mehrheiten angehört, die steuerliche Entlastungen trotz steigender Zinsbelastungen durchgeführt haben. Da ich nicht glaube, dass Sie das damals ohne Kenntnis des Sachverhalts durchgeführt haben, finde ich es weder zielführend noch erhellend, da jetzt einen inneren Zusammenhang darzulegen. Richtig ist: Wir wollen nur so viele Steuereinnahmen, wie unbedingt notwendig sind, um die Aufgabe dieses Staates zu erfüllen. Wir unterscheiden uns dabei, glaube ich, von anderen Gruppen hier in diesem Haus, die, wenn sie an Steuerpolitik denken, nur an Steuererhöhungen denken können. Dies ist der Unterschied zwischen Regierung und Opposition. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Johannes Kahrs [SPD]: Mühsamer Beifall bei der Koalition!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Eine Zusatzfrage des Kollegen Brandner. Bitte. Klaus Brandner (SPD): Herr Staatssekretär, genau in diesem Zusammenhang hat der Minister gerade in der Sitzung des Haushaltsausschusses deutlich gemacht, dass vorrangiges Ziel der Bundesregierung ist, den Haushalt zu konsolidieren und die Neuverschuldung zurückzufahren. Mit Steuersenkungen würden Sie genau das Gegenteil machen. Deshalb ist die Antwort, die Sie gerade gegeben haben, aus meiner Sicht keineswegs schlüssig. Ich glaube, wenn Sie ernsthaft wollen, dass die Zinsbelastungen zurückgehen, werden Sie die Neuverschuldung zurückführen müssen. Das wäre logisch. Alles andere kann zumindest ich nicht nachvollziehen. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Lieber Herr Kollege Brandner, die Neuverschuldung wird ausweislich der heute zu verabschiedenden Zahlen vorrangig zurückgeführt. Die mittelfristige Finanzplanung sieht für dieses Jahr eine Nettokreditaufnahme von 27,2 Milliarden Euro, für das nächste Jahr von 24,9 Milliarden Euro, für das Jahr 2014 von 18,7 Milliarden Euro und für das Jahr 2014 von 14,7 Milliarden Euro vor. Wir haben deutlich gemacht, dass wir im Rahmen dieser Nettokreditaufnahmelinie mögliche steuerpolitische Anpassungen im Lichte der Steuerschätzungen im November prüfen werden. Dann wird es auch zu Entscheidungen kommen. Eine sinkende Nettokreditaufnahme und eine gerechte steuerliche Belastung sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Man wird, wenn man die Bürger steuerlich überfordert, niemals das an Steuereinnahmen bekommen, was man braucht, um einen Staat auf Dauer zu finanzieren. Deswegen sind Gerechtigkeit in der Steuerpolitik und eine sinkende Nettokreditaufnahme wirklich keine antagonistischen, sondern harmonisch miteinander zu vereinbarende Ziele. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Barthle. Norbert Barthle (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, vor wenigen Tagen hatten wir in diesem Hohen Hause eine Aktuelle Stunde. Da ging es um die Einhaltung der Schuldenregel nach Art. 115 GG. Die Opposition hat uns im Rahmen dieser Aktuellen Stunde vorgeworfen, wir seien nicht in der Lage und willens, die Schuldenregel einzuhalten. Wenn ich mir den Entwurf des Bundeshaushalts und die mittelfristige Finanzplanung anschaue, sehe ich, dass wir, gemessen an der Schuldenregel, im Jahre 2012 eine Unterschreitung in Höhe von 10,6 Milliarden Euro haben werden. Im Jahre 2013 wird die Unterschreitung 9,9 Milliarden Euro betragen, im Jahr 2014 12,9 Milliarden Euro und im Jahr 2015 8,7 Milliarden Euro. Wir werden die Spielräume also nicht ausnutzen. Erstens. Können Sie vor diesem Hintergrund bestätigen, dass das nicht nur Ausdruck des Willens der Koalitionsregierung ist, die Schuldenregel einzuhalten, sondern dass sich das auch in den Zahlen niederschlägt? Zweitens. Können Sie eine Einschätzung abgeben, ob mit diesen Zahlen vielleicht sogar der von der SPD-Fraktion geforderte engere Spielraum eingehalten werden würde? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Barthle, ich glaube, dass das Vertrauen in die Finanzpolitik umso größer ist, je besser man seine eigenen Ziele einhält. Das Vertrauen wird noch größer, wenn man besser als das ist, was man eigentlich als Ziel vorgegeben hat. Vertrauen ist im Augenblick nicht nur in der nationalen Finanzpolitik, sondern auch in der internationalen Finanzpolitik ein knappes Gut. Die Bundesrepublik Deutschland bzw. diese Bundesregierung tut gut daran, konsequent das strukturelle Defizit weiter abzubauen, ohne einen heißen Reifen an der oberen Kante des gesetzlich Zulässigen zu fahren. Insoweit bestätige ich ausdrücklich die von Ihnen hier vorgetragenen Zahlen. Wir liegen weit unter den gesetzlichen Vorgaben. Ich füge hinzu: Ich wünsche mir, dass wir möglichst schnell und damit umso sicherer zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen; denn mit einem ausgeglichenen Haushalt wird die Basis für gestalterische Politik in dem Sinne wieder größer, von dem der Kollege Brandner gesprochen hat: je weniger Schulden, desto weniger Zinsen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Dr. Gambke. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, ich habe gerade gelernt, dass eine konkrete Frage als Herummäkeln bezeichnet wird; ich will trotzdem eine solche Frage stellen. Sie haben zu den konjunkturellen Schwankungen Aussagen getroffen und in Ihrer Antwort den Gestaltungswillen der Bundesregierung erwähnt. Vielleicht muss man in diesem Zusammenhang die Frage stellen, was Gestaltungskönnen ist. Es wurde die Bundeswehrreform angesprochen. Es stehen folgende Themen auf der Tagesordnung: 500 000 Euro Istbesteuerung bei der Umsatzsteuer, Funktionsverlagerung. Das alles ist nicht konjunkturell bedingt, sondern bezieht sich auf Regierungshandeln. Wie groß ist nach Ihrer Schätzung der Saldo bei Einnahmen und Ausgaben in Bezug auf den heutigen Haushaltsentwurf? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Danke für die Frage, sehr geehrter Herr Kollege. - Wenn ich Sie richtig verstehe, wollen Sie mich zu irgendwelchen Spekulationen im Hinblick auf die steuerpolitischen Entscheidungen im Herbst verleiten. Die Bundesregierung lehnt Spekulationen ab. (Lachen bei der SPD - Thomas Oppermann [SPD]: Der größte Spekulant im Lande! - Johannes Kahrs [SPD]: Euer Haushalt ist eine einzige Spekulation!) Wir haben mit Spekulationen auf den internationalen Finanzmärkten schlechte Erfahrungen gemacht. Im Gegenteil: Wir sind bereit und willens, dort einen klaren Rechtsrahmen zu schaffen. Was die politischen Spekulationen im Hinblick auf den Herbst angeht, so werden Sie mich mit Ihrer Frage - aus Ihrer Sicht: leider - nicht erfolgreich aufs Glatteis führen können. Präsident Dr. Norbert Lammert: Aber einen zweiten Versuch hat er noch. Bitte schön. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich muss mich entschuldigen, wenn meine Frage nicht präzise genug war. Ich fragte gerade nicht nach Spekulationen, sondern nach den Unsicherheiten, die schon heute gegeben sind, und zwar deshalb, weil bestimmte Projekte nicht sicher definiert, aber eingepreist sind. Wenn man, wie ich, aus dem Unternehmertum kommt, dann gebietet es die kaufmännische Vorsicht, dieses zu kennen und auch zu benennen. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, ja, wir handeln kaufmännisch vorsichtig. Ein Kennzeichen des Erfolgs der Finanzpolitik von Wolfgang Schäuble ist beispielsweise, dass er bei der Nettokreditaufnahme - sie steht ja gewissermaßen für die gefühlte Qualität von Haushaltspolitik - immer unterhalb des Rahmens geblieben ist, den er vom Parlament genehmigt bekommen hat. Das heißt, unsere kaufmännische und konservative Vorsicht hat dazu geführt, dass wir durch Vertrauen so viel wirtschaftliches Wachstum induzieren können, dass unsere Haushaltsabschlüsse im Hinblick auf die Nettokreditaufnahme immer besser als unsere Haushaltsansätze sind. Diese Regierung bzw. diese Mehrheit beabsichtigt, an dieser Erfolgsgeschichte im Laufe dieser Legislaturperiode nichts zu ändern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Otto Fricke [FDP]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Kalb. Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, im Moment haben wir eine hervorragende konjunkturelle Entwicklung. Die wirtschaftliche Entwicklung ist ausgezeichnet. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist sehr günstig. Auch das Zinsniveau war bisher ausgesprochen günstig. Wir müssen aber davon ausgehen, dass die positive konjunkturelle Entwicklung nicht - zumindest nicht in diesem Maße - anhalten wird. Außerdem kann sich das Zinsniveau ändern. Darf ich Sie fragen, wie die Bundesregierung beabsichtigt, diesen Risiken entgegenzuwirken bzw. im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung dafür Vorsorge zu treffen? (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Gar nicht!) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Kalb, es ist richtig: In der Vergangenheit hatte das "unverschämt" niedrige Zinsniveau einen etwas unguten Effekt. Wir hatten zwar eine steigende Bruttoverschuldung zu verzeichnen, aber die Nettokreditaufnahme hat sich, obwohl diese Schulden ja bedient werden mussten, sehr moderat entwickelt. Dies führte gewissermaßen zu der Illusion, man könne sich verschulden. Wie wir gesehen haben, hat dies in Staaten, die dieser Illusion gefolgt sind, zu sehr negativen Entwicklungen geführt. Wir haben daher die Ansätze für Zinsausgaben in der mittelfristigen Finanzplanung, sowohl was den Mengeneffekt als auch was den Zinseffekt angeht, moderat angehoben; das war notwendig. Die von mir genannten Zahlen zur Nettokreditaufnahme spiegeln nach Planung der Bundesregierung für diesen Finanzplanungszeitraum eine Steigerung der Zinsausgaben von 38 auf 49,1 Milliarden Euro wider. Dabei haben wir die möglichen Zinsausgabensteigerungen, zu denen es nach unserem bisherigen Wissen kommen wird, bereits vollumfänglich berücksichtigt. Auf Basis dieser unserer Annahmen ergibt sich daraus kein Haushaltsrisiko. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich mache zwischendurch darauf aufmerksam, dass mir noch die Wortmeldungen von Frau Hagedorn, vom Kollegen Luther, vom Kollegen Schneider, von Frau Hinz, von Johannes Kahrs und von Frau Dörner vorliegen. Danach sind wir schon über dem eigentlich vorgesehenen Zeitmaß. Ich bitte um Nachsicht, dass ich jetzt keine weiteren Fragen mehr annehme. Die nächste Fragestellerin ist die Kollegin Hagedorn. Bettina Hagedorn (SPD): Herr Kollege Kampeter, - Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Hagedorn! Bettina Hagedorn (SPD): - zunächst einmal: Sie haben gesagt, es sei typisch, dass Opposition und Regierung, wenn es um den Haushalt geht, unterschiedlicher Auffassung darüber sind, ob dem Geist der Schuldenbremse ehrgeizig genug gefolgt wird. Ich will aber dezent darauf hinweisen: Es ist nicht der Regelfall, dass sich in dieser Frage die Bundesbank, der Bundesrechnungshof und der Sachverständigenrat mit der Opposition einig sind. Nun zu meiner Frage: Herr Kollege, die einzigen Einsparungen bzw. Kürzungen, die diese Regierung vornimmt - alles andere sind konjunkturelle Einsparungen, die Sie sozusagen im Schlafwagen erzielen -, verbergen sich in dem Sparpaket, das Sie vor einem Jahr beschlossen haben und das ein Volumen von 80 Milliarden Euro umfassen sollte. Fast die Hälfte der darin vorgesehenen Maßnahmen sollte zulasten der Langzeitarbeitslosen und der Bundesagentur für Arbeit gehen. Dies wird jetzt offensichtlich konkret umgesetzt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin, die Fragezeit ist erkennbar um. Bettina Hagedorn (SPD): Entschuldigung. - Alle anderen sogenannten Einsparungen, die Sie durch die Belastung von Unternehmen oder das Heranziehen der Verursacher der Finanz- und Wirtschaftskrise erzielen wollten, haben sich in Luft aufgelöst. Meine Frage ist: Wo finde ich im Haushalt dafür einen angemessenen Ersatz? (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das war eine gute Frage!) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Hagedorn, danke für diese Frage. Zur Bewertung der Qualität unserer Haushaltspolitik (Lachen des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) möchte ich vielleicht auch einmal darauf hinweisen, dass die Zuwachsrate der Ausgaben in den nächsten Jahren mit durchschnittlich 0,7 Prozent pro Jahr weit hinter der vermutlichen Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes bleiben wird. (Johannes Kahrs [SPD]: Was hat das mit der Frage zu tun?) Das zeigt: Durch eine moderate Ausgabensteigerung verringert sich der Anteil des Bundeshaushalts an der gesamtwirtschaftlichen Leistung. Die Staatsquote sinkt. Dies ist wichtig - auch als Signal. Selbst bei Berücksichtigung der ausgelagerten Ausgabensätze stellt man fest, dass die Ausgabensteigerung relativ moderat ist. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal die Vergleichswerte nennen: In den 70er-Jahren betrug das durchschnittliche Ausgabenwachstum 9,4 Prozent, in den 80er-Jahren 5,8 Prozent, in den 90er-Jahren 2,3 Prozent und im letzten Jahrzehnt 2,2 Prozent. Diese moderate Absenkung der Ausgaben zeigt, dass sich der Staat weiter zurücknimmt. Das halte ich für eine erfolgreiche Konsolidierungspolitik. Diese sollten wir fortsetzen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Luther. (Bettina Hagedorn [SPD]: Ich habe eine Zusatzfrage!) - Nein. Wir sind schon über den Zeitrahmen hinaus, den wir uns vorgegeben haben, wenn ich all die Fragen zulasse, die ich gerade angekündigt habe. Ich bitte um Nachsicht. Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, ich habe eine Frage zum Aufstellungsverfahren. Bislang war es ja so, dass die Ressorts ihre Bedarfe angemeldet haben und dann entschieden worden ist, wie und in welcher Höhe dem gefolgt wird. Jetzt gibt es das Top-Down-Verfahren, das eine völlig veränderte Charakteristik aufweist. Somit stellt sich natürlich die Frage, ob auf diese Weise alles richtig wiedergegeben werden kann. Meine Frage: Wie ist Ihre Erfahrung mit dem Top-Down-Verfahren im Rahmen des Aufstellungsverfahrens? Dazu bitte ich um eine Einschätzung. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Luther, die Bundesregierung hat umfassend gute Erfahrungen mit dem sogenannten Top-Down-Verfahren. Demnach wird im Frühjahr festgelegt, welche Politikbereiche mit wie viel Geld ausgestattet werden, und die eigentliche Schwerpunktsetzung innerhalb dieser Politikbereiche wird in die Verantwortung der Ressorts verlagert, das heißt, es gibt eine Stärkung der politischen Autonomie der Ressorts bei gleichzeitiger Steigerung der Steuerungsfähigkeit des Bundesfinanzministers. (Johannes Kahrs [SPD]: Weihnachten und Ostern zusammen!) Daran, dass über Streit, Diskussionen oder sogenannte Ministergespräche in den letzten Wochen und Monaten so gut wie nichts in der Zeitung zu lesen war, können Sie erkennen, dass sich das Miteinander in der Bundesregierung durch dieses neues Haushaltsaufstellungsverfahren verbessert hat. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Zu viel Geld da! - Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Hort des Friedens in der Koalition) Gleichzeitig können Sie an den Zahlen erkennen, dass die Qualität der Konsolidierung und die Qualität der politischen Schwerpunktsetzung keinesfalls darunter gelitten haben. Ich glaube, wenn wir das in den nächsten Jahren fortführen können, dann wird unser Top-Down-Verfahren ein Qualitätsmerkmal für staatliche Planungen und für die Haushaltswirtschaft. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Schneider. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Staatssekretär, wir haben ja die höchsten Steuereinnahmen, die es jemals im Bund gegeben hat, und auch geringere Ausgaben aufgrund der niedrigsten Arbeitslosenzahlen seit zwei Jahrzehnten. (Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Gute Regierung! - Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Das sind Zahlen, die sich sehen lassen können!) Ist Ihnen bekannt, dass Sie bei einer geplanten Nettokreditaufnahme von 27,2 Milliarden Euro die Investitionen im Bundeshaushalt auf 26 Milliarden Euro gekürzt haben? Ist es richtig, dass dieser Haushalt nach der bis 2009 geltenden Schuldenregel in diesem konjunkturellen Superaufschwung damit verfassungswidrig gewesen wäre? (Otto Fricke [FDP]: Aber die haben wir doch gerade abschaffen wollen!) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Schneider, die Grundannahme in Bezug auf die alte Schuldenregel des Bundes war ja der keynesianische Irrtum, dass die Wirtschaft durch staatliche Investitionen mehr vorangebracht wird als durch private Investitionen. Das hat sich weder in Form einer Schuldenbegrenzung bestätigt, denn während der Geltung der alten Schuldenregel kam es zu einem teilweise explosionsartigen Anstieg der Verschuldung, noch hat dies in Bezug auf die Investitionstätigkeit in Deutschland einen Nutzen gebracht. Mit unserer wirtschaftspolitischen Philosophie zielen wir darauf ab, unsere Volkswirtschaft durch privatwirtschaftliche Investitionen voranzubringen, für die wir gute und kluge Rahmenbedingungen schaffen. Komplementär dazu haben wir beispielsweise die Infrastruktur-investitionen im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung auf einem hohen Niveau stabilisiert. Aber wir beenden die Philosophie, dass Staat vor Privat die einzig glückseligmachende Investitionsstrategie ist. Diese neue Philosophie drückt sich auch in der neuen Schuldenbremse im Grundgesetz aus, mit der von dieser veralteten Investitionsideologie Abstand genommen wird, zumal wir beispielsweise sonst die Bildungsinvestitionen zukünftig kürzen müssten. Die neue Philosophie ermöglicht kreative, nachhaltige und verlässliche Haushaltspolitik. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Hinz. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Staatssekretär Kampeter, - Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Sehr geehrte Frau Kollegin Hinz! Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): - der Verteidigungsminister sollte im Zusammenhang mit der Verkleinerung der Bundeswehr eigentlich einen Einsparbeitrag von über 8 Milliarden Euro erbringen. Dieser Beitrag wurde ihm schon im Frühjahr zur Hälfte erlassen. Jetzt werden im Bundeshaushalt zusätzlich 1 Milliarde Euro für das sogenannte Überhangpersonal eingestellt. Deswegen möchte ich Sie jetzt fragen: Wann und in welcher Höhe wird durch die Verkleinerung der Bundeswehr tatsächlich ein Einsparbeitrag geleistet? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Hinz, die Umdefinition und Reformierung der Bundeswehr war unausweichlich, die Bundeswehr auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten, war notwendig, und die Umstellung von einer Wehrpflichtarmee auf eine Freiwilligenarmee war eine von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragene notwendige und richtige Reform. (Beifall des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Dieser Sachverhalt bildet sich in den sinkenden Ausgaben innerhalb des Verteidigungsetats in den nächsten Jahren ab. Das betrifft sowohl Personal wie auch bestimmte Investitionen. Aber er entbindet uns nicht von der sozialen Fürsorge gegenüber denjenigen, die zukünftig nicht mehr in der Bundeswehr, sondern in anderen öffentlichen Bereichen tätig sein werden. Dafür haben wir Vorsorge getroffen. Das heißt konkret, dass wir im Einzelplan 60 des Bundesfinanzministers eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen haben, um damit die nichtmilitärische Weiterverwendung des Personals, das zukünftig außerhalb der Bundeswehr tätig ist, abzupuffern. Ich halte es für einen Ausweis von sozialer Marktwirtschaft, der diese Koalition anhängt, dass wir diese Menschen nicht einfach im Stich lassen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Kahrs. Johannes Kahrs (SPD): Geschätzter Kollege Kampeter, Sie haben eben die Frage von der Kollegin Hinz nicht beantwortet. Lassen Sie es mich erneut probieren. Die Bundeswehr soll 8,3 Milliarden Euro einsparen. In der Sache halte ich das für nicht machbar und sowieso für falsch. Könnten Sie mir anhand der mittelfristigen Finanzplanung, die Sie gerade beschlossen haben, darstellen, in welchem Jahr Sie welche Summen einsparen, um auf die 8,3 Milliarden Euro zu kommen? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Kahrs, ich habe gerade gesagt, dass wir die Bereiche der Bundeswehrreform in den einzelnen Ressortausgaben abbilden. Die Zahlen werden wir im Haushaltsausschuss sehr intensiv beraten. Dafür, dass wir - ich glaube, das ist der Kern des Streits - gleichzeitig für das Personal im nichtmilitärischen Bereich eine gewisse Fürsorgepflicht wahrnehmen, erwarte ich von der sozialdemokratischen Fraktion in diesem Deutschen Bundestag eigentlich besonderen Respekt. Sie sind doch sonst diejenigen, die sich immer an die Spitze stellen, wenn es um personalwirtschaftliche Belange geht. Dass Sie das hier so kritisch annotieren, verwirrt mich einigermaßen. Die Bundesregierung kümmert sich um die Menschen in ihrem Verantwortungsbereich. Ich wiederhole: Das ist gelebte soziale Marktwirtschaft. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Johannes Kahrs [SPD]: Wie wäre es mit einer Antwort?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Dörner. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, Antworten wären nicht schlecht. - Herr Staatssekretär, wir haben erfahren, dass die Bundesregierung plant, mehr als 27 Milliarden Euro zusätzliche Schulden aufzunehmen. Wir haben ebenso erfahren - das wissen wir auch -, dass das weniger Schulden sind, als Sie ursprünglich eingeplant haben. Wir haben darüber hinaus erfahren, dass Sie vor diesem Hintergrund umgehend die Spendierhosen anziehen wollen und für die nahe Zukunft Steuersenkungen vorgesehen haben. Ich möchte Sie ernsthaft fragen, wie Sie das vor dem Hintergrund verantworten können, dass wir schon heute jeden sechsten Euro im Bundeshaushalt - die Tilgung ist dabei noch nicht eingerechnet - für den Schuldendienst aufwenden. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Damit kommen wir zum Beginn dieser Regierungsbefragung zurück, Frau Kollegin, als ich deutlich gemacht habe, dass ich keinen Widerspruch zwischen sinkenden Nettokreditaufnahmen und der Einhaltung der Schuldenbremse auf der einen Seite und der Entscheidung auf der anderen Seite sehe, unerwünschte Steuererhöhungen, insbesondere beispielsweise durch Lohnerhöhungen - Stichwort "kalte Progression" -, zu vermeiden. Ich sehe in der erfreulichen wirtschaftlichen Entwicklung die Chance, dass wir uns im Herbst auf konkrete steuerpolitische Maßnahmen zur Entlastung der kleineren und mittleren Einkommen verständigen werden. Dies setzt allerdings voraus, dass wir die Steuerschätzung im November noch einmal in den Blick nehmen, um dann auch in Gesprächen mit den Bundesländern zu einer gemeinsamen Auffassung darüber zu kommen, wie wir die teilweise in Konflikt stehenden Zielsetzungen, gegebenenfalls weniger Steuereinnahmen generieren zu wollen und gleichzeitig die Nettokreditaufnahme weiter abzusenken, politisch miteinander verknüpfen können. Das ist der Kern von Politik. Dazu werden wir im Herbst weitere Vorschläge vorlegen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. - Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung sind nicht angemeldet worden, (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Doch!) wohl aber eine der sonstigen Fragen an die Bundesregierung. Dazu hat die Kollegin Enkelmann jetzt das Wort. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Entschuldigung, Herr Präsident. Ich habe gedacht, Sie hätten mich vergessen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das haben Sie nicht im Ernst vermutet. (Heiterkeit) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Nicht wirklich. Alles andere behandeln wir dann später. Der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen hat sich im Mai in seinem Staatenbericht mit Deutschland beschäftigt und äußert in seinen abschließenden Bemerkungen heftige Kritik an der Bundesregierung, die die Hartz-IV-Regelsätze, die Bildungspolitik, die Gesundheitspolitik, die Armutsbekämpfung, vor allem die Bekämpfung der Kinderarmut, den Umgang mit den erheblichen sozialen Unterschieden zwischen Ost und West, die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und viele andere Themen betrifft. Meine Frage lautet: Hat sich das Kabinett mit diesen abschließenden Bemerkungen des Berichts befasst? Wenn ja, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Staatsminister. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Frau Kollegin Enkelmann, das Kabinett hat sich heute nicht mit dem Bericht befasst. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist bedauerlich!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Damit schließe ich die Regierungsbefragung ab. Weitere Anfragen liegen mir nicht vor. Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf: Beratung des Antrags der Bundesregierung Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der von den Vereinten Nationen geführten Friedensmission in Südsudan - Drucksache 17/6449 - Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für diese Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Also können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Die Welt wird nur sehr selten Zeuge der Geburt eines neuen Staates. Am 9. Juli, also Ende dieser Woche, wird der Südsudan seine Unabhängigkeit erklären. Mit der Unabhängigkeitserklärung des Südsudan endet die von den Vereinten Nationen geführte Friedensmission in Sudan, UNMIS. Damit endet auch das Mandat des Deutschen Bundestages für unsere Beteiligung daran. Der Südsudan steht vor großen Herausforderungen. Viele von Ihnen waren bereits vor Ort. Ich bin sicher, Sie teilen die Eindrücke, die ich selbst bei meinem Besuch in Juba vor zwei Wochen gewonnen habe. Die staatliche Verwaltung und die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur im Südsudan sind noch im Aufbau. Der Südsudan hat die internationale Gemeinschaft um weitere Unterstützung und um Fortsetzung der Präsenz der Vereinten Nationen auf seinem Staatsgebiet gebeten. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erarbeitet zurzeit, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: zurzeit, ein Mandat für eine neue Friedensmission im Südsudan, UNMISS. Dieses Mal mit zwei "S", also für Südsudan. Das bedeutet, dass wir nicht das alte Mandat verlängern, sondern Ihnen ein neues Mandat zur Beschlussfassung vorschlagen. Deutschland trägt eine besondere Verantwortung, auch weil unter deutscher Präsidentschaft der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Aufnahme der neuen Republik Südsudan in die Vereinten Nationen beschließen wird. Deutschland hat großes Interesse an einem stabilen Südsudan und an konfliktfreien Beziehungen zwischen Juba und Khartoum. Deshalb beabsichtigt die Bundesregierung auch, sich von Anfang an an der neuen Mission zu beteiligen. Es sollen bis zu 50 deutsche Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden können. Völkerrechtliche Grundlage ihres Einsatzes wird die Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sein. Der Resolutionsentwurf liegt den Außenpolitikern vor. Wir haben heute Morgen im Ausschuss darüber beraten. Wir haben heute ein derart konkretes Bild des Mandates der Vereinten Nationen, dass wir dem Hohen Hause einen hinreichend konkreten Mandatsantrag vorlegen können. Wir beantragen also keinen Vorratsbeschluss; darauf will ich ausdrücklich noch einmal hinweisen. Ich habe dieses Verfahren bereits in der letzten Woche per Brief mit den Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien erörtert. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, als Bundesregierung auch heute im Kabinett: Der Antrag ist so weit konkretisiert und so weit konsolidiert, dass die Grundlinien eines Mandates, wie es beschlossen werden soll, feststehen. Das bedeutet wiederum, dass wir Entscheidungsreife haben, heute im Kabinett, am Freitag mutmaßlich dann hier im Hohen Hause, dem Deutschen Bundestag. Darum bitten wir Sie um Zustimmung; denn es ist uns wichtig, dass an dem Parlamentsvorbehalt in keiner Weise gerüttelt wird. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Deswegen wird der Bundestag - daran habe ich keinen Zweifel - dieser besonderen Verantwortung auch gerecht werden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Auch wenn es ein kleiner Einsatz ist - solche Beschlüsse dürfen nie zur Routine werden. Das ist jedenfalls die Haltung der Bundesregierung, die wir auch hier im Deutschen Bundestag vortragen. Das Mandat soll in seiner Gültigkeit beschränkt sein. Voraussetzung für das Mandat ist, dass der Weltsicherheitsrat tatsächlich ein UN-Mandat für den Südsudan verabschiedet und die entsprechende Resolution inhaltlich nicht über den vorliegenden Entwurf hinausgeht. Das will ich hier noch einmal ausdrücklich zusagen. Ich kann Ihnen nicht ankündigen, zu welcher Stunde und an welchem Tag genau die Beschlussfassung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stattfinden wird. Gestern ist nach unserer Ortszeit noch bis nachts spät verhandelt worden. Wir sind allerdings der Überzeugung, dass die Grundlinien jetzt so klar sind, dass wir es verantworten können. Ich habe jedenfalls der ganz überwiegenden Zahl der Rückmeldungen aus den Fraktionen entnommen, dass man sowohl mit dem Verfahren einverstanden ist als auch das Mandat materiell unterstützen will. Das alles ist Ausdruck einer ganz überwiegenden Einigkeit in diesem Hohen Hause. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir bitten also um Zustimmung zum Mandat. Weil wir alle natürlich sehr sensibel sind - ich will das auch für mich persönlich sagen; ich habe hier viele Jahre als Abgeordneter einer Oppositionsfraktion gesessen, und wir haben immer Wert darauf gelegt, dass es in keinem Falle dazu kommt, dass die Rechte des Parlaments auch nur relativiert werden -, sage ich hier aber ausdrücklich: Als eine zusätzliche Sicherung für den Deutschen Bundestag beantragen wir ungewöhnlicherweise, das Mandat bis Ende September dieses Jahres zu befristen, sodass sich der Bundestag damit nach der Sommerpause erneut befassen kann. Sollte sich wider Erwarten die Beratungslage in den nächsten Tagen fundamental verändern, würden wir selbstverständlich die Notbremse ziehen. Dann wird es auch keinen Einsatz geben. Auch das sage ich hier noch einmal ausdrücklich zu. Es handelt sich also nicht um einen Vorratsbeschluss, sondern das Mandat wird ordentlich beraten und ordentlich beschlossen. Jeder Abgeordnete nimmt hier seine parlamentarische Verantwortung wahr, wenn er dem Mandat seine Zustimmung erteilt. Kernauftrag der Friedensmission im Südsudan ist Unterstützung beim Staats- und Institutionsaufbau, bei der weiteren friedlichen Entwicklung und beim Schutz der Zivilisten. Unsere Bundeswehrsoldaten werden dabei vor allem Stabs- und Beobachterfunktionen ausüben. Ich will allerdings auch sagen: Das Mandat ist zwar, was unseren Beitrag angeht, klein und überschaubar. Aber - auch das steht im Mandatstext, wenn wir auch nicht davon ausgehen, dass das notwendig sein sollte - es wird auch die Gewaltanwendung legitimiert. Das heißt, es kann in dem Fall, dass das Mandatsziel durch Gewalt anderer gefährdet wird, auch Gewalt eingesetzt werden. Darüber müssen wir uns hier im Klaren sein. Wir rechnen nicht damit; wir hoffen selbstverständlich nicht, dass das passieren wird. Aber das muss jeder wissen; denn - auch wenn es sich um eine kleinere Anzahl von Soldaten handelt - wir tragen Verantwortung für jeden einzelnen Soldaten. Deswegen beraten wir auch sorgfältig jedes einzelne Mandat. Meine Damen und Herren, nachdem ich Ihnen die parlamentarischen Verfahrensweisen dargelegt habe, möchte ich zum Schluss eine persönliche Anmerkung machen. Ich glaube, dass noch viele Fragen im Verhältnis zwischen Nord- und Südsudan zu beantworten sind. Denken Sie an die Frage der Grenzziehungen, die Frage nach dem Zugang zu Energiequellen, die Verteilung von Gewinnen oder unsere Beratungen über die humanitäre Lage in Darfur! Viele Fragen sind von Ihnen, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, noch genau so zu stellen, wie sie auch von uns gestellt werden. Wir arbeiten an ihrer Beantwortung. Eines möchte ich hinzufügen: Bitte beachten Sie auch, wie weit wir gekommen sind. Noch vor einem Dreivierteljahr hatten wir alle Zweifel daran, ob es überhaupt ein Referendum geben kann, ob dieses Referendum akzeptiert wird und es zu einer Unabhängigkeit kommen kann und ob dieses Referendum einigermaßen gewaltfrei durchgeführt werden kann. Das alles ist der Fall gewesen. Nichts ist endgültig entschieden; die Situation ist noch sehr fragil. Aber ich glaube, dass die Mission der Vereinten Nationen erfolgreich gewesen ist. Sie hat einen Beitrag dazu geleistet, dass mehr und mehr eine friedliche Konfliktlösung möglich wird. Ich denke deshalb, dass der Deutsche Bundestag seine Verantwortung wahrnehmen und diesem Mandat zustimmen sollte. Im Namen der Bundesregierung bitte ich Sie um Zustimmung. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Hans-Peter Bartels für die SPD-Fraktion. Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es hier mit einer ungewöhnlichen Situation zu tun: Es wird ein neuer Staat gegründet - das kommt nicht alle Tage vor -; es läuft ein UN-Mandat aus, weil dieser Staat gegründet wird; und wir müssen ein neues Mandat beschließen, obwohl noch nichts von der UN vorliegt. Ich kann für die SPD-Fraktion zusichern: Wir finden es richtig, dass der Südsudan unterstützt und in den nächsten Tagen in die UNO aufgenommen wird. Wir finden es richtig, dass Sie jetzt den Mandatstext in den Bundestag einbringen. Die Alternative wäre eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages in der Sommerpause gewesen; auch das hätte man machen können. Wenn man sich aber auf das jetzige Verfahren einigen kann, finden wir es absolut richtig und vernünftig, so vorzugehen. Es steht in der Tradition der Parlamentsbeteiligung in diesem Hause, dass wir uns auch über das Verfahren einigen können, also darüber, wie wir vorgehen wollen. Das eine wie das andere ist konstitutiv und schafft Rechtssicherheit für die deutschen Soldaten, die eingesetzt werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP) Wir hoffen also, dass es keine neuen Diskussionen darüber gibt, wie Parlamentsbeteiligung möglicherweise anders ausgestaltet werden müsste, damit der Bundestag handlungsfähig ist. Wir sind handlungsfähig. Ich danke Ihnen, Herr Minister, dass Sie seitens der Bundesregierung deutlich gemacht haben, dass die Bundesregierung mit der Parlamentsbeteiligung verantwortungsvoll umgehen und immer die Beteiligung des Parlaments suchen will. Was wir nicht wollen, ist eine Entparlamentarisierung von Militäreinsätzen im Ausland. Dies wäre der deutschen Tradition und unserem Selbstverständnis nicht angemessen. Wenn wir über Bundeswehrmissionen diskutieren, entsteht gelegentlich der Eindruck, die Bundeswehr sei überall auf der Welt im Einsatz. Dann wird oft gefragt: Warum stellt eigentlich Deutschland so viele Soldaten für so viele Konflikte bereit? Ich habe vor dieser Debatte noch einmal nachgeschaut. Es gibt im Moment 15 laufende UN-Peace-Operations. Wir sind an fünf dieser Missionen beteiligt. Das heißt, ein Drittel der Operationen hat unsere Aufmerksamkeit und auch die der deutschen Öffentlichkeit. Die anderen zehn Missionen spielen, auch in der öffentlichen Diskussion, praktisch keine Rolle. Ich glaube, der eine oder andere wird sich noch erinnern, dass wir, als wir gebeten wurden, uns an der UN-Mission an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon zu beteiligen, festgestellt haben, dass diese Mission mit 20 000 Soldaten aus vielen Ländern und mit entsprechenden Opfern schon seit 20 Jahren läuft. Erst als wir uns daran beteiligt haben, wurde diese Mission in der deutschen Öffentlichkeit ein Thema. Wir sollten also nicht glauben, dass die UN nur da, wo wir beteiligt sind, aktiv ist. Wir können nicht überall beteiligt sein und müssen sehen: Auch andere leisten Beiträge. Nun geht es um den Sudan. Es wird eine dritte Mission mit 4 200 Soldaten geben, die in der Grenzregion um die Stadt Abyei für Sicherheit sorgen soll, an der sich Deutschland nicht beteiligt. Das steht hier also nicht zur Debatte. Wir bleiben in dem Bereich beteiligt, wo wir bisher schon beteiligt waren, jetzt mit Fokus Südsudan und übrigens auch der Möglichkeit, wie es im Mandat steht, Truppen im Norden des Sudan mit Zustimmung der Regierung dort einzusetzen, also wie bisher diesseits und jenseits der neuen Grenze. Aber wir sind nicht die Haupttruppensteller. Wir leisten einen kleinen Beitrag von Spezialisten für eine Mission, bei der Tausende Soldaten anderer Länder die Hauptlast zu tragen haben. Ich glaube, es ist gut, dass wir uns beteiligen. Das ist nicht der Hauptfokus der deutschen Sicherheitspolitik. Aber es ist ein Hauptfokus deutscher Entwicklungs- und sicher auch deutscher Afrika-Politik, dass wir im Sudan in allen Dimensionen beteiligt sind: mit der Entwicklungszusammenarbeit, aber am Ende auch mit Polizeiausbildung und Militär. Es ist eher ein symbolischer Beitrag; aber es ist ein Beitrag, der zeigt, dass uns, dass Deutschland diese Region wichtig ist. Deshalb beteiligen wir uns an UNAMID und auch an der neuen UNMISS. Wir helfen, weil wir helfen können, weil Deutschland ein starkes Land ist, weil wir von der Globalisierung profitieren, weil wir die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt sind, weil wir in aller Welt geachtet sind und Möglichkeiten haben, Beiträge zu leisten. In den letzten 20 Jahren seit dem Ende des Kalten Krieges hat Deutschland diese Rolle immer mehr angenommen. Ich finde das gut. Der Herr Außenminister hat darauf hingewiesen - das will ich unterstreichen -: Auch die bisherige Mission, die jetzt zu Ende geht, hat einen Beitrag zur Entwicklung in dieser Region geleistet. Wir wären dort nicht so weit, wie wir jetzt sind, wenn es nicht mit deutscher - kleiner - Beteiligung diese relativ große UN-Mission gegeben hätte, die die Konfliktparteien getrennt hat. Wir wären froh, wenn zum heutigen Zeitpunkt in Darfur ein ähnlicher Erfolg absehbar wäre. Ich glaube, an der Grenze zwischen Nord- und Südsudan ist mehr erreicht worden als bei der anderen UN-Mission, an der wir uns beteiligen. Wir stimmen nie über Polizeimissionen ab. Auch Polizeibeamte sind an dieser Mission beteiligt. Wir stimmen hier nicht im Einzelnen über Entwicklungszusammenarbeit ab. Entwicklungszusammenarbeit wird von entscheidender Wichtigkeit dafür sein, dass die Trennung der beiden Religionsgruppen, der beiden Ethnien in Nord- und Südsudan in zwei selbstständige Staaten gelingt. Da wird viel zu tun sein. Deutschland wird seinen Beitrag auch über die Europäische Union leisten. Das findet die volle Unterstützung der Sozialdemokraten. Wir dürfen Afrika nicht als verlorenen Kontinent sehen. Wir müssen gerade da, wo Konflikte heute tödlich sein können, helfen, auch deshalb, damit es keine neuen Ursachen für Flucht und Vertreibung gibt. Wir wollen Ihnen, Herr Außenminister, auch gern gönnen, dass Sie auf der Bühne der UNO als Vorsitzender des UN-Sicherheitsrats einen guten Tag für Deutschland haben können, indem Sie sagen: Der Deutsche Bundestag stützt natürlich die Aufnahme des neuen Staates Südsudan in die UN, und er stützt die Bemühungen der UN, den Frieden dort durch eine UN-Mission zu stabilisieren, an der wir uns beteiligen wollen. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Außenminister Westerwelle hat bereits ausgeführt, vor welchem historischen Datum wir im Hinblick auf den Südsudan und dessen Staatenwerdung stehen. Allerdings ist diese Staatenwerdung - das wurde gerade dargestellt - nicht ganz unstrittig, um es vornehm zu formulieren. Das heißt, dass ein Gefahrenpotenzial, ein Eskalationspotenzial vorhanden ist, das es der internationalen Gemeinschaft angeraten erscheinen lässt, vor Ort zu bleiben, um Eskalationen zu verhindern, die Zivilbevölkerung zu schützen und, soweit es das Mandat vorsieht, auch an der nicht bis auf den letzten Meter glattgezogenen Grenze zwischen dem neuen Südsudan und dem bisherigen Sudan, zukünftig wohl "Nordsudan", befriedend zu wirken. Kollege Bartels hat auf die Mission in Abyei, UNISFA genannt, hingewiesen, an der wir uns nicht beteiligen. Ob man die Missionen später zusammenführen kann, wird sich zeigen. Gegenwärtig ist das jedenfalls nicht auf der Tagesordnung. Die Unterstützung muss militärische Mittel umfassen. Die Unterstützung muss eine militärische Komponente umfassen, um die Sicherheit in der Region und in dem neuen jungen Staat glaubhaft herzustellen und zu erhalten. Diese ist neben der Unterstützung beim Aufbau der wirtschaftlichen, administrativen und sozialen Infrastruktur notwendig. Die Unterstützung muss militärische Mittel umfassen. Militärische Präsenz umfasst auch eine entsprechende Reaktionsfähigkeit. Die Bundesregierung hat den entsprechenden Antrag sehr zügig eingebracht; der Bundestag befasst sich heute mit diesem Antrag. Wir können auf dem bisherigen UNMIS-Mandat aufbauen und Potenziale heben. Bis jetzt haben sich insgesamt über 440 Soldaten im Rahmen der Militärbeobachterkomponente an dieser Mission beteiligt. Es waren jeweils bis zu 50 Soldaten beteiligt, gegenwärtig sind es 32. Ich will unterstreichen, dass das neue UNMISS-Mandat zum Schutz der Zivilbevölkerung auch verlangt - Stichwort: Kapitel-VII-Mandat -, dass es sich um ein robustes Mandat handelt. Die Anwendung von Gewalt zum Schutz der eigenen Fähigkeiten und zum Schutz von Zivilisten ist sicherlich nicht wünschenswert, aber möglich. Wir hoffen, dass es dazu nicht kommen muss. Das Hauptquartier der neuen Mission wird in Dschuba sein. Wir rechnen mit circa 7 000 Soldaten, aber das Mandat liegt, wie Sie wissen, noch nicht vor. Infanteriekräfte werden bis auf Kompanieebene in den Bereichen Bentiu, Bor, Malakal, Dschuba und Wau disloziert werden. Zusätzlich soll eine hochmobile Reserve in Rumbek stationiert werden, um flexibel auf eventuelle Krisen reagieren zu können. Noch ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Der neue Staat wird auch auf den Aufbau von effizienten und politisch kontrollierten Streitkräften angewiesen sein. Zu diesem Zweck wird die Friedensmission eine Verbindungsorganisation einrichten, die als Team aus zivilen Kräften, Polizei und Militär die Verbindung zur südsudanesischen Armee halten soll. Eine der wesentlichen Aufgaben wird dabei auch die Beratung der südsudanesischen Sicherheitskräfte mit Blick auf den Schutz der Zivilbevölkerung sein. Seit 2005 besteht das Mandat UNMIS. Seit dieser Zeit waren sehr viele Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Khartoum und im Südsudan im Einsatz. Wir waren wesentlicher Truppensteller für die Militärbeobachterkomponente und haben wichtige Positionen im Stab besetzt. Die eingesetzten deutschen Soldatinnen und Soldaten haben unter schwierigsten Umständen, übrigens überwiegend abseits der medialen Aufmerksamkeit, ihren Auftrag hochprofessionell erfüllt. Ich denke, dass insbesondere die Kolleginnen und Kollegen, die sich vor Ort über die Situation und den Einsatz unserer Soldaten informiert haben, mit mir darin übereinstimmen, dass wir diesen Soldatinnen und Soldaten gerade im Hinblick auf die schwierigen Einsatzumstände - da gibt es keinen komfortablen Stab mit all den Fazilitäten, die man sich vorstellen kann; man ist als Militärbeobachter mehr oder weniger auf sich gestellt - ausdrücklich unseren besonderen Dank und unsere Hochachtung für ihr bemerkenswertes Engagement aussprechen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir können hinzufügen: Es war eine erfolgreiche Tätigkeit. Wir können jetzt mit UNMISS einen weiteren Schritt der friedlichen Konsolidierung einleiten. Wir werden bis zu 50 Soldatinnen und Soldaten im Rahmen der Bemühungen der internationalen Gemeinschaft einsetzen. Sollte im unmittelbaren Anschluss an das UNMIS-Mandat das UNMISS-Mandat folgen, was zu erwarten ist, dann ist beabsichtigt, das bisherige Personal, das vor Ort ist, in der neuen Mission einzusetzen. Dadurch entstünden keine Reisekosten. Voraussetzung ist, dass der Bundestag dem Antrag der Bundesregierung zustimmt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Jan van Aken ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Jan van Aken (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In drei Tagen wird in Afrika ein neuer Staat entstehen, der Südsudan. Schon bevor es diesen Staat überhaupt gibt, wollen Sie hier entscheiden, dahin deutsche Soldaten zu schicken; das muss man sich mal vorstellen. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Herr van Aken, hören Sie mal auf! - Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Soldaten sind schon da!) Selbst der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat noch keine Entscheidung über eine Militärmission getroffen. Er wird das allerfrühestens am Freitagabend entscheiden. Das heißt, Sie wollen deutsche Soldaten in einen Einsatz schicken, von dem weder klar ist, was das Ziel ist, noch klar ist, wer der Gegner ist und was genau in diesem Einsatz passieren soll. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Die sind ja schon im Einsatz!) Das hören wir hier die ganze Zeit heraus. Herr Westerwelle, Sie haben eben etwas Schönes gesagt. Sie haben gesagt, das sei kein Vorratsbeschluss. Den Beschluss habe man ordentlich beraten und darüber abgestimmt. Das stimmt überhaupt nicht. Es ist ein unbestimmter Vorratsbeschluss, der hier unordentlich beraten und über den in aller Hektik unordentlich abgestimmt wird, und das nur, damit Sie in Ihren Sommerurlaub fahren können. (Beifall bei der LINKEN) Herr Westerwelle, Sie wissen genauso gut wie ich, was sich bei den Vereinten Nationen in letzter Sekunde noch ändern kann. Erinnern Sie sich an Libyen. Noch einen Tag vor dem Libyen-Entscheid hätten wir beide Stein und Bein geschworen, dass es nicht zu einem Kriegseinsatz in Libyen kommt, und schwuppdiwupp, in 24 Stunden hat sich alles geändert. Das kann Ihnen auch hier beim Südsudan passieren. Deswegen ist es unerträglich, dass Sie einen Vorratsbeschluss fassen wollen, bei dem noch nicht mal klar ist, wie viele Soldaten dorthin geschickt werden sollen, ob der Nordsudan zustimmt, ob es überhaupt eine Grenzmission geben wird oder nicht. All das ist unklar, und Sie wollen deutsche Soldaten in diese Unklarheit schicken. Da machen wir nicht mit. (Beifall bei der LINKEN) Ich muss die ganze Zeit daran denken, was Herr Mißfelder von der CDU hier letzte Woche gesagt hat. Er hat nämlich gesagt: Wir debattieren hier jeden Einsatz sehr gewissenhaft und mit großer Akribie. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Machen wir auch! Gut, dass Sie sich daran erinnern!) Jetzt peitschen Sie das durch einen unordentlichen Beschluss durch und schicken Soldaten ins Ungewisse. Das kann nicht wahr sein. (Beifall bei der LINKEN - Johannes Selle [CDU/CSU]: Die sind schon da!) Die große Frage ist natürlich: Was soll dieser Einsatz überhaupt? Es gibt viele Dinge, auch in dem Entwurf des Sicherheitsrates, die ich sehr gut finde. Zum Beispiel Minenräumen, Demilitarisierung, Demobilisierung finden wir sehr gut. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Dann stimmen Sie doch zu!) Einen Verfassungsprozess zu unterstützen, finden wir sehr gut. Aber was sollen die Soldaten da? Die SPD hat gerade gesagt: Die Zustimmung ist unser Zeichen, dass wir den Sudan ernst und wichtig nehmen und unterstützen. - Das ist doch wohl lachhaft. Wissen Sie was, wir waren vor Ort und haben mit vielen Menschen im Norden wie im Süden gesprochen. (Zuruf von der CDU/CSU: Nur nicht mit Soldaten!) Viele der zum Teil gewalttätigen Konflikte sind lokaler Art. Es gab sehr gute Projekte, auch der Bundesrepublik Deutschland. Zivile Konfliktbearbeiter haben es in Südkordofan über Jahre geschafft, lokale Konflikte zu entschärfen, bevor sie zu Gewaltkonflikten wurden. Und was macht der Außenminister? Er zieht sie ab. Das Geld wird gestrichen. Dafür werden Soldaten geschickt. Wenn Sie dem Sudan wirklich zeigen wollen, dass Sie ihn und seine Probleme ernst nehmen, dann schicken Sie zivile Konfliktbearbeiter dorthin und keine Soldaten. (Beifall bei der LINKEN) Die ganz große Frage ist natürlich: Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zur südsudanesischen Armee? Alle Menschen, mit denen wir im Südsudan gesprochen haben, auch die bei der UNO für den Sudan zuständigen Experten, haben gesagt, die SPLA, die südsudanesische Armee, ist ein großer Teil des Problems. Sie plündert, sie mordet, und das alles willkürlich und straffrei. Das ist bekannt. Sogar im Entwurf für das Mandat des Sicherheitsrates steht wörtlich etwas über Menschenrechtsverletzungen durch südsudanesische Sicherheitskräfte. Selbst in diesem Mandat steht es. Das Problem ist bekannt. Gleichzeitig wollen Sie hier aber beschließen, dass Bundeswehrsoldaten an der Seite der südsudanesischen Armee kämpfen sollen. Wie, bitte sehr, sollen die Bundeswehrsoldaten Zivilisten schützen, wenn die Zivilisten von den Südsudanesen selbst bedroht werden, sie aber an deren Seite kämpfen? Diesen Widerspruch können Sie nicht auflösen. Dort können Sie doch keine deutschen Soldaten hinschicken, die gar nicht wissen, ob sie gegen die südsudanesische Armee oder an deren Seite kämpfen sollten und wen sie da eigentlich schützen sollen. Das ist der große Webfehler dieses Mandats, und deswegen sind wir absolut gegen jeden Einsatz von deutschen Bundeswehrsoldaten im Rahmen dieses Mandats. (Beifall bei der LINKEN) Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte, nirgendwohin. Jetzt hätten Sie im Südsudan doch die Chance, ein paar von den Waffen, die Sie in den letzten Jahrzehnten verkauft haben, wieder einzusammeln. Konzentrieren Sie sich auf Demobilisierung und Demilitarisierung! Das wäre ein guter Start. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der SPD: Hauptsache, das Weltbild stimmt wieder!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kerstin Müller ist die nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr van Aken, nur zwei Sätze zu Ihrer Argumentation. Sie behaupten, alles sei unklar und man wisse überhaupt nicht, um was es eigentlich gehe. Nachdem Sie selbst heute im Ausschuss klargemacht haben, dass Sie wenigstens einen Blick auf den Entwurf zur Sicherheitsratsresolution geworfen haben, finde ich das wirklich lächerlich. In diesem Entwurf steht sehr konkret - deshalb stimme ich dem zu, dass das Mandat hinreichend bestimmt ist -, wie die neue UNMISS-Mission konzipiert werden soll. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Ich sage Ihnen eines, Herr van Aken: Sie suchen nur nach neuen Vorwänden, um diesem Mandat nicht zustimmen zu müssen. Es geht Ihnen hier nicht darum, wirklich nach Lösungen für den Sudan zu suchen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP - Zuruf des Abg. Jan van Aken [DIE LINKE]) - Nein, die brauche ich nicht, Herr van Aken. Ich bearbeite das Thema Sudan seit zehn Jahren. Ich brauche von Ihnen wirklich keine Gründe, um diesem Mandat zuzustimmen. Vielmehr habe ich dafür geworben, dass es ein zweites UNMIS-Mandat gibt, und ich habe auch dafür geworben, dass Deutschland sich daran beteiligt. Ich würde mir sogar wünschen, dass wir uns stärker beteiligen. Denn die Lage im Südsudan ist prekär, und die südsudanesische Regierung hat selber gefordert, dass die Vereinten Nationen sich wieder mit einer UN-Mission an der Stabilisierung und dem Aufbau des Landes beteiligen. Das können Sie doch nicht einfach beiseitewischen, nur weil es Ihnen nicht in den Kram passt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Zweitens fragen Sie: Warum Soldaten? Da bin ich wirklich fassungslos. Die gute Nachricht ist zwar: Der Südsudan steht vor der Unabhängigkeit. Die schlechte Nachricht ist: Er steht vor einem neuen Flächenbrand. In Abyei und Süd-Kordofan sind die Auseinandersetzungen so heftig, dass die Vereinten Nationen von 150 000 bis 180 000 Vertriebenen und bereits 1 800 Toten sprechen. Es hat auch in vielen Regionen des Südsudan schwere Auseinandersetzungen gegeben. Deshalb - das sage ich Ihnen hier auch ausdrücklich - finde ich es richtig, dass dieser Entwurf sehr klar von einem Kap.-VII-Einsatz spricht. Wenn es hier kein robustes Mandat gäbe, auch um die Zivilbevölkerung zu schützen, sondern nur einen Einsatz nach Kap. VI der UN-Charta, würde ich diesem Mandat nicht zustimmen. In diesem Fall fände ich eine Zustimmung unverantwortlich und fahrlässig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP - Jan van Aken [DIE LINKE]: Das spricht Bände!) Der Staat steht vor immensen Herausforderungen. Deshalb ist es auch richtig, dass der zweite Auftrag Peacebuilding ist, also der Aufbau von Institutionen, eines Rechtsstaats und der wirtschaftlichen Entwicklung. Denn nur so kann man vielleicht verhindern, dass es jetzt - das ist wirklich das Hauptproblem des Südsudan - zur Geburtsstunde eines gescheiterten Staates, eines Failing State, kommt. Eine wichtige Frage ist: Wie werden die circa 80 000 Kämpfer demobilisiert? Wie macht man aus einer Kriegsgesellschaft eine friedliche Gesellschaft? Das sind immense Herausforderungen, und es ist sinnvoll und notwendig, dass die internationale Gemeinschaft hier Unterstützung leistet. Der dritte Auftrag des Mandates ist die Sicherung der Grenze. Ich habe die Grenzregion Süd-Kordofan und Abyei erwähnt. Das Problem ist: In dieser Region begann der schwere Krieg, der von 1995 bis 2005 andauerte, und jetzt sorgen wir uns, dass sich das wiederholt. Die Grenzsicherung kann sinnvollerweise nicht nur vom Süden her erfolgen, sondern müsste auch vom Norden her erfolgen. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Steht aber nicht drin!) Herr Westerwelle, ich möchte Sie und auch die Partner in der internationalen Gemeinschaft eindringlich bitten, auf den Nordsudan einzuwirken, dass er zustimmt, dass der Auftrag der UN-Mission ebenfalls die Sicherung der Grenze von Norden her umfasst. Auch dabei geht es um den Schutz der Zivilbevölkerung, die dort zum Teil in Panik und Angst lebt. Der Norden hat einer Verlängerung des Mandats bisher nicht zugestimmt. Das bedeutet zum Beispiel für Süd-Kordofan, das zum Norden gehört: Die Menschen werden ohne Schutz sein. Davor haben sie Angst. Es ist die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, dafür zu sorgen, dass hier nicht so etwas wie ein zweites Darfur entsteht. Das darf nicht passieren. Wir müssen auf den Norden einwirken, dass er dem Schutz dieser Menschen, zum Beispiel durch ein entmilitarisiertes Gebiet in Süd-Kordofan, wie schon in Abyei, zustimmt und dass vor allen Dingen in diesen Regionen die Gewalt endlich beendet und ein Waffenstillstand herbeigeführt wird. In diesem Punkt kann ich Frau Ashton nur unterstützen, die das dieser Tage gefordert hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Wir müssen den Menschen signalisieren: Wir wollen und wir werden sie nicht im Stich lassen, sondern sie weiter unterstützen - beim Aufbau, aber, wenn es irgendwie geht, auch im Hinblick auf den Schutz der Zivilbevölkerung. Ich kann Ihnen heute sagen: Nach dem jetzigen Stand der Beratungen wird meine Fraktion dem Mandat einstimmig zustimmen. Ich kann nur hoffen, dass diese Mission ein Erfolg wird. Aber wir stehen erst ganz am Anfang. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Mißfelder für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr van Aken, ich hatte eigentlich gehofft, dass Sie etwas mehr auf die Situation in Afrika insgesamt eingehen und sich auch etwas besser darüber informieren. Ich weiß, dass zur Lektüre eines Abgeordneten der Linkspartei in erster Linie das Neue Deutschland gehört. Hätten Sie gestern die internationale Ausgabe der Herald Tribune gelesen, dann hätten Sie das Bild der verängstigten Kinder und Frauen, die sich in einer Höhle in den Nubabergen verstecken, gesehen. Dieses Bild zeigt eindringlich und plastisch, welch eklatante Menschenrechtsverletzungen dort passieren. Wenn Sie sich das vergegenwärtigen würden, würden Sie im Deutschen Bundestag nicht so reden, Herr van Aken. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abg. Jan van Aken [DIE LINKE]) Ich fordere Sie auf, Ihre Position noch einmal zu überdenken. Wenn sich Menschen in Höhlen vor Luftangriffen verstecken, dann ist der internationale Handlungsbedarf offensichtlich. Deshalb ist es richtig, dass wir im Rahmen von verschiedenen Initiativen, auch mit den heutigen Beratungen im Ausschuss und im Plenum des Deutschen Bundestages, deutlich machen, dass uns diese Region der Welt nicht egal ist. Wir haben deshalb mit großer Ernsthaftigkeit über die Frage diskutiert, wie wir das Mandat formal behandeln wollen: ob in einer Sondersitzung oder nicht. Wir haben nicht grundsätzlich gesagt, wir würden keine Sondersitzung des Deutschen Bundestages durchführen. Wir haben vielmehr gesagt, dass wir mit einem konsolidierten Entwurf, der heute im Auswärtigen Ausschuss beraten worden ist, arbeiten können. Wenn sich große Abweichungen ergeben, dann werden wir nicht zögern, eine Sondersitzung durchzuführen. Unser Vorschlag ist, das Mandat erst einmal auf dieser Basis auf den Weg zu bringen. Das halte ich auch politisch für das richtige Signal. Bundesminister Westerwelle hat eine sehr erfolgreiche Reise in den Sudan unternommen. Die Weltgemeinschaft schaut, da wir im Moment den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen innehaben, genau hin, was Deutschland macht. Herr Minister, ich stimme Ihnen zu: Die Unabhängigkeit Südsudans, die ja von den Menschen gewollt ist, darf auf den letzten Metern nicht scheitern. Deshalb brauchen wir die erfolgreiche Fortsetzung von UNMIS. Es geht nicht darum, Soldaten dorthin zu schicken; denn sie sind schon längst da. Dankenswerterweise leisten sie dort wichtige Beiträge zur Sicherung der Interessen der Zivilbevölkerung. Damit stärken sie unser Ansehen weltweit. Die nordsudanesische Regierung hat erklärt, dass sie die Mission nicht fortsetzen will. Aber schauen wir einmal auf die Opfer des Nord-Süd-Konflikts, beispielsweise auf die Frauen und Kinder, die in der eben von mir genannten Höhle leben. Diese Menschen wollen, dass sich die internationale Gemeinschaft weiter engagiert. Das neue Staatengebilde ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage, sich selber zu helfen. Unser ziviler Beitrag ist sehr ausgeprägt; es geht doch nicht um einen rein militärischen Beitrag. Wir diskutieren über die Frage, wie in Zukunft die staatlichen Strukturen, zum Beispiel für Bildung, und die Infrastruktur aussehen sollen. Voraussetzung für all dies ist Sicherheit. Diese kann zum jetzigen Zeitpunkt eben nur die internationale Gemeinschaft garantieren. Ich appelliere deshalb an alle, sich ihrer Verantwortung - diese hat die Weltgemeinschaft lange Zeit nicht gezeigt - bewusst zu sein und dementsprechend zu handeln. Es gibt darüber hinaus viele Aufgabenschwerpunkte, die in Zukunft weit über UNMISS hinaus eine große Rolle spielen werden. Da leistet die UNO sehr gute Arbeit. Auf Basis der Vorschläge des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom Mai geht es darum, dass wir neben der multinationalen Mission, die durchgeführt wird - Staatssekretär Schmidt hat es schon ausgeführt -, bei folgenden Punkten aktiv sind und erfolgreich handeln: bei Vermittlung und Mediation, beim Voranbringen des Versöhnungsprozesses - das ist für uns ein wichtiges politisches Projekt -, bei der Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors, die dringend notwendig ist, damit selbsttragende Strukturen geschaffen werden können. Es geht weiterhin um die Förderung der Rechtsstaatlichkeit, die Etablierung eines Entwaffnungs-, Demobilisierungs- und Reintegrationsprogramms. Sie können also sehen, dass wir in allen Bereichen daran arbeiten, Instrumente der zivilen Konfliktprävention und Konfliktlösung zu nutzen. Letztendlich geht es bei dieser Mission meiner Ansicht nach darum - ich habe vorhin schon gesagt, dass sich die Weltgemeinschaft zu lange diesem Thema zu wenig gewidmet hat -, ein modernes Konfliktmanagement zu etablieren. Deshalb glaube ich, dass diese Mission weiterhin notwendig ist. Da es sich um die letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause handelt, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, all denjenigen, die bei diesem wichtigen Mandat, aber auch bei anderen Mandaten, mitgewirkt haben - den Soldatinnen und Soldaten, unseren Entwicklungshelfern sowie unseren Diplomaten und Polizisten, die im Ausland einen hervorragenden Dienst leisten -, unseren großen Dank auszusprechen. Während sich viele von uns in einen erholsamen Sommerurlaub verabschieden werden, leisten diese Menschen Großartiges im Auftrag unseres Landes. Dafür gebührt ihnen der Dank dieses Hauses. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/6449 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf: Fragestunde - Drucksachen 17/6386, 17/6438 - Zu Beginn der Fragestunde rufe ich die dringlichen Fragen entsprechend der Nr. 10 der Richtlinien für die Fragestunde auf. Sie finden Sie auf der Drucksache 17/6438. Ich rufe zunächst die dringlichen Fragen auf, die im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie angesiedelt sind. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto zur Verfügung. Ich rufe zunächst die dringliche Frage 1 des Kollegen Volker Beck auf: Wie rechtfertigt die Bundesregierung die Genehmigung der Lieferung von mehr als 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien (Spiegel Online vom 2. Juli 2011, FAZ vom 3. Juli 2011, Der Spiegel vom 4. Juli 2011) vor dem Hintergrund von Saudi-Arabiens Intervention in Bahrain und der Lage im Nahen Osten? Darf ich - nur der Vollständigkeit halber - davon ausgehen, dass wir bei der Einminutenregel bleiben? - Okay. Herr Kollege Otto. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Vielen Dank, Herr Präsident. - Kollege Beck, ich antworte Ihnen wie folgt: Die Bundesregierung entscheidet nach wie vor einzelfallbezogen und jeweils im Lichte der jeweiligen Situation auf der Grundlage der Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern - diese Grundsätze stammen aus dem Jahr 2000 - sowie auf der Grundlage des Gemeinsamen Standpunktes des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008. Wie auch in der Vergangenheit wird bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung - man könnte auch sagen: von besonderer Brisanz - sind - - (Signalton) - Herr Präsident, darf ich für die Beantwortung dieser Frage doch länger als eine Minute in Anspruch nehmen? Das ist sonst sehr knapp. Vorhin hatte der Kollege Kampeter wenigstens eingangs die Möglichkeit zur Darstellung der Situation. Ich mache es auch nicht lang. Präsident Dr. Norbert Lammert: Okay. Letzteres leuchtet mir ein, zumal es eine Serie von Fragen zum gleichen Sachverhalt gibt. Da sollten wir dem Kollegen Otto die Gelegenheit geben, das Ganze zunächst im Zusammenhang darzustellen. Dann gilt für die übrigen Fragen das vereinbarte Regime. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Vielen Dank. - Bei etwaigen Ausfuhrvorhaben, die besonders brisant oder von besonderem Interesse sind, entscheidet in der Regel der Bundessicherheitsrat. Ich will für diejenigen, die es vielleicht nicht wissen, klarstellen: Der Bundessicherheitsrat ist ein Ausschuss des Kabinetts unter dem Vorsitz der Bundeskanzlerin, an dem ferner teilnehmen: die Bundesminister des Auswärtigen, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: FDP!) der Finanzen, des Innern, der Justiz, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: FDP!) der Verteidigung sowie die Bundesminister für Wirtschaft und Technologie sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Herr Kollege Beck, Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Bundessicherheitsrat seit jeher geheim tagt. Auch die Tagesordnungen und die Ergebnisse sind als Geheim eingestuft. Daher kann - dafür haben Sie sicherlich Verständnis - die Bundesregierung zu den Presseberichten über angebliche Entscheidungen des Bundessicherheitsrates keine Stellung nehmen. Ich möchte hinzufügen: Das war noch nie anders. Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung - das will ich noch erläutern - entsteht nicht aus irgendwelchen subjektiven Interessen oder Wünschen des Kabinetts oder des Bundessicherheitsrates, sondern es geht vorrangig um das Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Ein weiterer Grund ist der Schutz der Interessen des Empfängerlandes. Zu den konkreten Presseberichten kann und darf ich deshalb nicht Stellung nehmen. Ich will aber trotzdem kurz zu Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien allgemein Stellung nehmen. Saudi-Arabien bezieht seit vielen Jahren Rüstungsgüter aus Deutschland. Die Begründung hierfür waren in all den Jahren immer - man kann das im Rüstungsexportbericht nachlesen - "besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen". Das entspricht den Politischen Grundsätzen aus dem Jahre 2000, die ich Ihnen eben genannt habe. Die spezifischen bündnispolitischen Interessen gelten nicht nur für das Gebiet der NATO, sondern erstrecken sich auch auf den Nahen und Mittleren Osten, weil wir hier sehr konkrete, auch bündnispolitische Interessen verfolgen. Ferner ist das Land - das war immer ein Grund für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien - ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Saudi-Arabien? - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Salafisten werden hier vom Verfassungsschutz beobachtet und da gefördert! Interessant!) - Saudi-Arabien. - Meine Damen und Herren, ich wiederhole: Saudi-Arabien war immer - auch zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung - ein Partner im Kampf gegen den Terrorismus. Punkt. Der Beachtung von Menschenrechten wird bei den Entscheidungen im Rahmen der Politischen Grundsätze besonderes Gewicht beigemessen. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Das haben wir gesehen! - Jan van Aken [DIE LINKE]: Schämen Sie sich! - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das kann doch wohl nicht wahr sein!) Die Bundesregierung setzt sich im Rahmen ihrer bilateralen Beziehungen zu Saudi-Arabien für die Einhaltung der Menschenrechte und von demokratischen Werten insgesamt ein. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist das!) Die Bundesregierung und die EU thematisieren in Saudi-Arabien und gegenüber der saudischen Regierung regelmäßig Menschenrechtsfragen. Die EU - darauf möchte ich hinweisen - hat bereits im März 2009 den Menschenrechtsdialog mit Saudi-Arabien aufgenommen. (Sabine Leidig [DIE LINKE]: Sehr glaubwürdig!) So weit, Herr Präsident, meine einführenden Bemerkungen. Ich ahne, es gibt weitere Fragen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Diese Vermutung ist zutreffend. Zunächst hat der Kollege Beck jetzt zwei Zusatzfragen. Ich habe schon eine Reihe von Kollegen für weitere Fragen notiert. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vorneweg ein verfahrensleitender Hinweis: Die Sitzungen des Bundessicherheitsrats sind tatsächlich geheim; das sieht die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates vor. Dass die Ergebnisse geheim sind, ergibt sich daraus nicht zwingend. Ich stelle Folgendes anheim: Wenn jemand Strafanzeige wegen Vorbereitung illegaler Waffenexporte gegen den Hersteller Krauss-Maffei Wegmann stellen würde, würde die Bundesregierung sicher helfend zur Seite springen und sagen, dass es sich bei den Waffenlieferungen, die vorgenommen werden sollen, nicht um ungenehmigte Waffenlieferungen handelt. Allein daraus können Sie entnehmen, dass Sie hier irgendwann zu den Ergebnissen dieser Sitzungen stehen müssen. Ich frage Sie: Ist es nach den Vorfällen in Bahrain - Bundesaußenminister Westerwelle hat hier gesagt: "Wir stehen auf der Seite der Opposition"; aber die saudi-arabische Armee hat der dortigen Regierung mit Panzerfahrzeugen bei der Niederschlagung des Aufstandes geholfen - angesichts der in den allgemeinen Prinzipien niedergelegten Bedeutung der Menschenrechtsfrage klar, dass die Bundesrepublik Deutschland - unabhängig davon, was Sie beschlossen haben - keine Panzer und Panzerfahrzeuge an Saudi-Arabien liefern kann? Wenn Sie finden, dass das nicht so klar ist, wie wir denken, würde ich gerne Ihre Begründung dafür hören, warum das nicht gegen die in den Politischen Grundsätzen niedergelegten allgemeinen Prinzipien verstößt. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Beck, erstens liegen Sie falsch, wenn Sie meinen, dass die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrates in die Öffentlichkeit getragen werden dürfen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür haben die Mitglieder schon gesorgt!) Es ist sogar so, dass man sich strafrechtlich zu verantworten hätte, wenn man der Öffentlichkeit Dienstgeheimnisse preisgäbe. Die Gründe für die Geheimhaltung habe ich Ihnen genannt. Weil das so ist - weil der Bundessicherheitsrat nicht öffentlich, sondern geheim tagt und auch die Ergebnisse geheim sind -, kann ich zum Thema Bahrain nicht im Einzelnen Stellung nehmen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das mit Bahrain ist aber nicht geheim! Haben wir dahin auch geliefert?) Ich will allgemein sagen, dass in solchen Fällen, in denen es eine Menge sicherheitspolitischer und anderer Interessen gibt, eine Abwägung stattzufinden hat, bei der die Menschenrechtslage und auch das Verhältnis zu den Nachbarländern zu berücksichtigen ist. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Die hat aber nicht stattgefunden!) Das war die allgemeine Bemerkung dazu. Sie sprechen immer von einer "Entscheidung". Ich kann nur sagen: Es geht um eine angebliche Entscheidung. Ich kann weder bestätigen noch dementieren, dass es überhaupt eine Entscheidung gegeben hat. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, die Amis haben zugestimmt!) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass einer solchen angeblichen Entscheidung in der Sache auf jeden Fall entgegenstehen würde, dass in den Rüstungsexportrichtlinien formuliert ist: Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder, die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht, in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden. Das ist meines Erachtens vollkommen eindeutig auf die Situation in Saudi-Arabien und Bahrain zu beziehen. Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass diese Formulierung rechtsklar festschreibt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Panzer nach Saudi-Arabien geliefert werden dürften? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Beck, Sie haben eine hypothetische Frage gestellt. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe Sie nach Ihrer Rechtsauffassung gefragt!) Ich kann Ihnen nur in allgemeiner Form antworten. Einer Lieferung in ein Land liegt eine Gesamtabwägung zugrunde. Die allgemeine Situation in Saudi-Arabien, die Sie eben beschrieben haben, ist keine ganz neue. Es hat trotzdem auch zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien in einem Umfang von 260 Millionen Euro gegeben. Das deutet darauf hin, dass auch frühere Bundesregierungen - an denen auch Ihre Partei zeitweise beteiligt war -, offensichtlich der Meinung waren, dass bei einer Gesamtabwägung die bündnispolitischen Interessen überwiegen und rechtfertigen, Rüstungsexporte zu durchzuführen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hier steht: "Wird nicht genehmigt"!) - Das ist die allgemeine Formulierung und bezieht sich nicht auf einen konkreten Beschluss. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich will darauf hinweisen, dass ich bereits sieben Zusatzfragen notiert habe, die ich natürlich auch aufrufen werde. Ich bitte bei weiteren Wortmeldungen zu berücksichtigen, dass es noch vier weitere dringliche Fragen zum gleichen Themenkomplex gibt, sodass man vielleicht die Wortmeldungen unter der Berücksichtigung des Schwerpunkts der Fragen verteilt. Kollege Gehrcke. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Danke sehr, Herr Präsident. - Herr Otto - Entschuldigung! - Herr Parlamentarischer Staatssekretär Otto - Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Ist schon gut. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): - ein bisschen "Kleiderordnung" kann nicht schaden -, habe ich Sie richtig verstanden? In der Presse wurde mitgeteilt, dass offensichtlich über 200 Panzer für einen Gesamtpreis in Höhe von 1,2 Milliarden Euro nach Saudi-Arabien geliefert werden sollen. Nun sagen Sie, Sie dürfen mir nicht bestätigen, ob das stimmt, weil das geheim wäre. Können Sie mir bestätigen, dass in Bezug auf Saudi-Arabien der Begriff "Demokratie" nicht zulässig ist und dass Saudi-Arabien im Konflikt im Nahen Osten keine besonders friedfertige Rolle spielt? Diese Fragen müssten Sie mir zumindest politisch beantworten können. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Neben den Fragen der außenpolitischen Einschätzung Saudi-Arabiens sind weitere Fragen an die dafür zuständige federführende Staatsministerin im Auswärtigen Amt gestellt worden. Ich stelle lediglich fest, dass die Situation im Mittleren und Nahen Osten eine Gesamtabwägung erfordert. Saudi-Arabien ist sicherlich nicht so strukturiert wie unser Land. Es ist der Bundesregierung auch nicht unbekannt, dass es mit Nachbarstaaten Konflikte gibt. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ging ja durch die Nachrichten!) Dies alles ist abzuwägen. Mehr kann ich an dieser Stelle aus Gründen, die Sie selber erwähnt haben - Stichwort "Geheimhaltungsschutz" - nicht sagen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Danke schön. - Sie hatten eben auf die Rüstungsexportrichtlinie aufmerksam gemacht, Herr Kollege Beck hat daraus zitiert. Es scheint darin eindeutig niedergelegt zu sein, dass insbesondere das sicherheitspolitische Umfeld und auch die Spannungssituation in der Region eine entscheidende Rolle für Exportgenehmigungen spielen müssen. Können Sie mir zustimmen, dass sich gerade in den letzten Wochen in Bezug auf das, was in Bahrain passiert ist, und durch die Grenzkonflikte, die es mit dem Jemen gibt, ein sicherheitspolitisches Umfeld entwickelt hat, durch das zumindest infrage gestellt werden muss - wenn es eine solche Entscheidung gegeben haben soll -, ob die Gesamtabwägung, die Sie immer wieder in den Vordergrund stellen, mit der aktuellen sicherheitspolitischen Situationen überhaupt noch in Übereinstimmung zu bringen ist? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Es ist richtig, dass es in den vergangenen Monaten in Nachbarländern von Saudi-Arabien zu Spannungen gekommen ist. Die Abwägung, die wir vorzunehmen haben, bezieht aber ein größeres Umfeld mit ein. Jedermann hier im Hause ist bekannt, dass Saudi-Arabien auch eine regionale Schutzmacht, oder: eine regionale Großmacht im Verhältnis zum Iran darstellt. Wir haben die unterschiedlichen Sicherheitsinteressen, die in diesem Zusammenhang bestehen, abzuwägen. Das ist kein Wunschkonzert, sondern das sind schwerwiegende Gründe, die abgewogen werden müssen. Wie gesagt: Das gilt ganz allgemein. Ich betone noch einmal: Das ist keine Antwort auf die Frage, ob eine mögliche Entscheidung getroffen wurde oder nicht. All die Fragen, die die geopolitische Situation in Saudi-Arabien betreffen - das gilt auch für das Verhältnis zu den Nachbarländern -, sind federführend vom Auswärtigen Amt zu beantworten. Dafür bitte ich um Verständnis. Deswegen haben wir einen Bundessicherheitsrat, in dem unterschiedliche Ressorts mitwirken. Das Ressort, das ich hier zu vertreten habe, ist nach den Politischen Grundsätzen für den Export von Rüstungsgütern, die wir alle kennen, aufgrund seiner Interessenlage nur zu einem geringeren Teil betroffen, nämlich nur hinsichtlich der Frage, inwieweit Arbeitsplätze eine Rolle spielen, und das darf nur eine nachgeordnete Rolle spielen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Trittin. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Ich hatte mich vorher gemeldet!) - Der Hinweis, dass sich jemand in einer bestimmten Reihenfolge im Verhältnis zu anderen gemeldet habe, setzt die Geschäftsordnungsregel, dass das Präsidium gehalten ist, in der Abfolge möglichst Redner verschiedener Fraktionen zu Wort kommen zu lassen, nicht außer Kraft. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, dass Saudi-Arabien wie auch Katar, wohin Sie 2009 eine Panzerlieferung genehmigt haben, in Bahrain in eine bewaffnete Auseinandersetzung verwickelt ist? Ist es zutreffend, dass in Bahrain bewaffnete Auseinandersetzungen drohen und bestehende Spannungen und Konflikte dort angeheizt oder verschärft werden? Ist es zutreffend, dass es in den Rüstungsexportrichtlinien, die ja angeblich noch gelten - wir können uns auch irren -, heißt: "Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder", in denen eine solche Situation herrscht. Da steht nichts von Abwägung. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Trittin, mir sind als Staatssekretär und auch als Staatsbürger natürlich Presseberichte bekannt, nach denen Saudi-Arabien sich an den Konflikten in Bahrain beteiligt hat. Mir ist auch bekannt, dass es im Jemen Konflikte gibt. Ob, wie Sie das eben intoniert haben, diese Auseinandersetzungen anhalten (Lachen des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE]) und ob aufgrund dessen zum jetzigen Zeitpunkt, wenn denn eine Entscheidung jetzt überhaupt fiele, eine Exportgenehmigung möglich wäre oder nicht, ist eine hypothetische Frage, auf die ich nicht eingehen kann. Ich kann Ihnen nur in allgemeiner Form sagen, dass wir über all die Jahre hinweg, auch in der Zeit, in der Sie Mitglied des Bundeskabinetts waren, Rüstungsexporte in nicht unbeträchtlichem Umfang genehmigt haben, obwohl es in der Region schon immer Konflikte gegeben hat. Auch damals, lieber Herr Trittin, ehemaliger Bundesminister, hat der Bundessicherheitsrat keine Auskunft über Tatsachen, Motive und Gründe für eine etwaige Entscheidung gegeben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Beck zur Geschäftsordnung. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da der Herr Staatssekretär hier auf Basis seiner Zeitungslektüre und seiner Kenntnisse als Staatsbürger Auskunft gibt, hätte ich gerne ein Mitglied des Bundessicherheitsrates hier, das uns Auskunft geben kann. Wir zitieren deshalb den Bundeswirtschaftsminister, Herrn Dr. Rösler. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich halte den Antrag für unzulässig, Herr Kollege Beck. Da der Bundessicherheitsrat - das ist unabhängig von der Beurteilung des Sachverhaltes - unstreitig geheim tagt, können wir nicht einen Bundesminister mit dem Ziel zitieren, aus der Sitzung des Bundessicherheitsrates zu berichten. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht mein Ziel!) - Das hörte sich aber sehr danach an. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wollte eine auskunftsfähige Person, die nicht nur aus Zeitungslektüre, sondern aus Kenntnissen des Sicherheitsrates zitiert!) - Das Interesse ist nachvollziehbar, aber es lässt sich durch die ohnehin absehbare weitere Behandlung des Themas mühelos berücksichtigen. Deswegen schlage ich vor, dass wir jetzt in der Reihenfolge der gemeldeten Fragesteller fortfahren. - Die nächste Frage hat der Kollege Movassat. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Präsident, ich habe einen Geschäftsordnungsantrag gestellt!) - Aber Sie haben einen Geschäftsordnungsantrag gestellt, den ich aus den genannten Gründen so für unzulässig halte. Sie können ja jetzt überlegen, ob Sie einen anderen stellen wollen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann bitte ich um Sitzungsunterbrechung!) Diesen jedenfalls könnte ich so hier nicht zur Abstimmung stellen. (Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] begibt sich zum Präsidium) Jetzt hat Kollege Movassat zunächst einmal das Wort. - Herr Kollege Beck, wir verhandeln jetzt nicht hier, wenn ich einem Redner das Wort erteilt habe. - Bitte schön, Herr Kollege Movassat. Niema Movassat (DIE LINKE): Herr Präsident! Herr Staatssekretär, Sie stellen sich hier hin und sagen, dass Menschenrechtsfragen eine wichtige Grundlage bei der Entscheidung über Rüstungslieferungen sind. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund den Menschenrechtsbericht der Bundesregierung, in dem deutlich gemacht wird, dass in Saudi-Arabien schwerste Menschenrechtsverletzungen stattfinden, dass auch schwerste Verletzungen von Frauenrechten in diesem Land stattfinden? Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund zum Beispiel die Äußerungen von Herrn Bundesaußenminister Westerwelle, der immer wieder von der westlichen Wertegemeinschaft spricht? Sehen Sie in der Lieferung von Waffen an Saudi-Arabien einen Beitrag zur Verwirklichung von Menschenrechten? Ist es Ausdruck der westlichen Wertegemeinschaft, Waffen an dieses Land zu liefern? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Es ist sicherlich kein Geheimnis - darüber kann man sprechen -, dass sich die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien von der in Europa und insbesondere der in der Bundesrepublik Deutschland grundlegend unterscheidet. Es ist auch kein Geheimnis, dass es ein stetiges Bemühen der Europäischen Union und namentlich der Bundesregierung durch Herrn Bundesaußenminister Westerwelle gibt, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den können wir auch herbeizitieren!) die Menschenrechtssituation dort zu verbessern. Es gibt seit Jahren einen institutionalisierten Menschenrechtsdialog. Dieser Menschenrechtsdialog zielt darauf ab, die Werteordnung dort zu stabilisieren. Deswegen antworte ich auf Ihre Frage wie folgt: Wenn es in diesem Zusammenhang keine Sorgen und Probleme gäbe, würde es diesen Dialog nicht geben. Wenn wir aber keine Hoffnung hätten, dass wir die Menschenrechtslage verbessern können, dann würden wir uns diesem Dialog nicht aussetzen. Wir haben die Hoffnung, dass wir dazu beitragen können, die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien zu verbessern. (Zuruf von der LINKEN: Mit Panzern!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Jetzt hat Kollege Beck noch einmal zu einem Geschäftsordnungsanliegen das Wort erbeten. Bitte schön. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Herr Präsident hat mich gerade missverstanden, weil ich mich möglicherweise missverständlich ausgedrückt habe. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil er erkältet ist!) Ich rufe das Mitglied der Bundesregierung Bundeswirtschaftsminister Dr. Rösler herbei, damit er uns hier Auskunft geben kann, da die Antworten des Staatssekretärs uns nicht genügen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Er befindet sich nach meiner Kenntnis in Brüssel!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Gut. - Sie können ihn natürlich nicht herbeirufen, aber den Antrag stellen, ihn herbeizurufen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stelle ich den Antrag!) So ist es offenkundig auch gemeint. Ich werde nur gerade durch Zwischenruf darauf aufmerksam gemacht - das kann ich jetzt nicht unmittelbar nachprüfen -, dass sich Bundesminister Rösler in Brüssel aufhält, was, wenn es so ist, vermutlich auch durch Mehrheitsbeschluss nicht - - (Iris Gleicke [SPD]: Er ist nicht auf der Entschuldigtenliste! - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe es vorher geprüft! Ich kann Ihnen sagen: Der Bundesminister des Innern, die Bundesministerin der Justiz und die Bundesminister der Verteidigung, für Verkehr, für Finanzen und für Gesundheit sind für heute entschuldigt! - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht der Herr Wirtschaftsminister! - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich halte mich an die Regeln!) - Ja, ich habe mich doch gerade ausdrücklich auf einen Zwischenruf bezogen, den Kollege Kolb, der diesen vorgetragen hat, vielleicht noch einmal erläutern kann, damit wir hier nicht Beschlüsse fassen, die sicher zulässig sind, zweifellos auch gut gemeint sind, aber möglicherweise folgenlos blieben. - Bitte schön. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident, für die Gelegenheit. Ich habe gerade mit dem Büro der Fraktionsgeschäftsführung telefoniert und dort erfahren, dass gestern der Bundeswirtschaftsminister für heute als entschuldigt gemeldet worden ist, weil er sich in Brüssel befindet. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe das vor dieser Sitzung prüfen lassen! Es gibt keine Entschuldigung des Bundeswirtschaftsministers!) - Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich das aktuell vor einer Minute erfahren habe. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ganz offenkundig liegt hier zumindest ein unvollständiger Informationsstand vor, (Iris Gleicke [SPD]: Was sagt das Kanzleramt?) der sich vielleicht auch dadurch erklärt, dass der Bundeswirtschaftsminister dem Deutschen Bundestag nicht angehört und deswegen nicht in ähnlicher Weise die Verfahren stattfinden (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber er war früher Gesundheitsminister! - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Minister als Praktikant, oder was?) - einen Augenblick -, die jedenfalls bei Mitgliedern des Bundestages üblich und notwendig sind. Ich halte es gleichwohl für richtig, dass wir - völlig unabhängig von diesem formalen Aspekt - dann, wenn wir nach einer guten Übung Entschuldigungen von Mitgliedern der Bundesregierung - schon gar zu einem Tagesordnungspunkt, der regelmäßig mittwochs nachmittags stattfindet - erhalten, auch eine Liste bekommen, die vollständig ist. Insofern wäre das zu monieren, wenn eine solche Mitteilung nicht erfolgt ist. Unter Berücksichtigung dieses ausdrücklich vorgetragenen Monitums frage ich den Antragsteller, ob er es unter Würdigung der Gesamtumstände im Augenblick bei diesem gemeinsam festgestellten Monitum bewenden lässt oder ob er auf eine Abstimmung besteht. Die Mehrheitsverhältnisse erscheinen im Augenblick übersichtlich, das Ergebnis des Antrags allerdings auch. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin erstaunt, dass die FDP-Fraktion und nicht die Bundesregierung uns erklärt, welche Minister anwesend sind, obwohl der Minister nicht einmal dieser Fraktion angehört. Wenn diese Information richtig ist, macht der Antrag keinen Sinn. Sollte sie falsch sein, wäre das, finde ich, ein erheblich unfairer Akt. Wir werden der Sache auf den Grund gehen, ob das so stimmt. Ansonsten müssten Sie sich beim Parlament entschuldigen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schlage vor, Herr Kollege Beck, dass wir das morgen im Ältestenrat noch einmal aufgreifen. Denn ich meine schon, dass wir auch für künftige Sitzungen eine wechselseitige Verlässlichkeit brauchen, die uns nicht in eine Situation führt, die wir jetzt gerade allgemein beklagen. Wir fahren dann mit der Befragung fort. - Als nächster hat der Kollege Ströbele das Wort. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, Sie haben gerade auf die Fragen des Kollegen geantwortet, die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sei anders als die in Deutschland. Ich frage Sie deshalb: Ist der Bundesregierung bekannt, dass in Saudi-Arabien von Amts wegen - also von Staats wegen - Menschen ausgepeitscht, in entwürdigender Art und Weise hingerichtet und unterdrückt werden, dass keine Bürgerrechte gelten, dass insbesondere Frauen, die nicht einmal Auto fahren dürfen, unterdrückt werden? Gibt die Bundesregierung mir recht, dass es sich hierbei um eine innere Repression sowie um eine fortdauernde und systematische Menschenrechtsverletzung handelt? Ist es, wenn solche Voraussetzungen vorliegen, nach den Richtlinien für Rüstungsexporte in solche Länder so, dass Genehmigungen nicht in Betracht kommen? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Ströbele, sollte es zu einer Entscheidung gekommen sein oder sollte es noch zu einer Entscheidung kommen, sind all diese Dinge zu berücksichtigen. Es ist nicht meine Aufgabe, jetzt hier eine Menschenrechtslage im Detail zu beurteilen. Ich bin Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Im Übrigen gibt es in Bezug auf diese Gesichtspunkte einen Abwägungsprozess. Auch die Menschenrechtslage ist im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen. Ich habe Ihnen bzw. Kollegen von Ihnen schon gesagt, dass wir uns - sonst würden wir den Menschenrechtsdialog nicht führen - Verbesserungen an dieser Front wünschen und diese anstreben. Wie Sie wissen, macht die EU das. Das gilt auch für die Bundesregierung. Detailfragen aber - ob Auspeitschungen und ähnliche Dinge vorkommen - sind nicht an den Bundeswirtschaftsminister zu richten. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, Sie lesen Zeitung!) - Ja, ich lese Zeitung. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich weise noch einmal - auch der guten Ordnung halber - darauf hin: Alle Fragen, die in der Fragestunde aus dem Parlament heraus an die Regierung gerichtet werden, werden auch von der Regierung beantwortet. Sie werden - unbeschadet der Aufteilung der Antworten auf die Ressorts; das findet wiederum in der Verantwortung der Bundesregierung statt - nicht an die Ressorts gerichtet. (Beifall) Der Kollege van Aken hat die nächste Frage. Jan van Aken (DIE LINKE): Herr Otto? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Ja. Jan van Aken (DIE LINKE): In einem Punkt haben Sie unrecht: Die Ergebnisse von Sitzungen des Bundessicherheitsrates, bei denen es um Rüstungsexporte geht, sind nicht geheim. Das ist keine Rechtsauffassung von mir, sondern eine Tatsache. Vielleicht wissen Sie, dass Ihr Ministerium einmal im Jahr einen Rüstungsexportbericht veröffentlicht. In diesem wird auch über Exporte berichtet, die im Bundessicherheitsrat beschlossen worden sind. Ich habe Ihnen in diesem Jahr die eine oder andere schriftliche Frage gestellt. Zum Beispiel habe ich gefragt: Welche Exporte nach Saudi-Arabien haben die Bundesregierung und der Bundessicherheitsrat im letzten Jahr, 2010, genehmigt? Die Antwort auf diese Frage haben Sie mir gegeben. Ich habe Sie auch gefragt, ob Sie die Lizenz für den Bau einer Waffenfabrik in Saudi-Arabien erteilt haben. Auch die Antwort auf diese Frage haben Sie mir gegeben. Sie antworteten: Ja, diese Lizenz haben wir erteilt. All diese Entscheidungen wurden im Bundessicherheitsrat gefällt. Nirgendwo steht geschrieben, dass ich 18 Monate, bis zur Vorlage des nächsten Rüstungsexportberichts, auf eine Antwort warten muss; Sie geben sie mir teilweise auch schneller. Es ist völlig unglaubwürdig, wenn Sie behaupten, die Ergebnisse - nur die Ergebnisse - der Beratungen des Bundessicherheitsrates seien geheim. Sie sind praktisch und faktisch immer öffentlich. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr van Aken, es gibt zwischen dem, was Sie zuletzt gesagt haben, und dem, was ich gesagt habe, keinen Widerspruch. Den Vorwurf, dass ich unrecht habe, halte ich für nicht zutreffend. Das Verfahren ist genau geregelt. Die Sitzungen und die Ergebnisse der Beratungen des Bundessicherheitsrates sind als Geheim eingestuft. Die Bekanntgabe der Ergebnisse seiner Beratungen ist sogar strafbewehrt. Um das Parlament in angemessener Weise beteiligen zu können, gibt es den jährlichen Rüstungsexportbericht. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn der Rüstungsexportbericht für 2010?) In diesem jährlichen Rüstungsexportbericht wird in allgemeiner Form, ohne Hinweis auf einzelne Motive usw., mitgeteilt, in welchem Umfang Rüstungsgüter in welche Länder exportiert wurden. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Mehr will ich gar nicht wissen!) Ich könnte Ihnen, wenn meine Minute Redezeit nicht um wäre, sogar die vorläufigen Zahlen für 2010 mitteilen; aber danach haben Sie gar nicht gefragt. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Die habe ich schriftlich!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Keul. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen die Rechtsgrundlagen dargelegt und die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitiert. Danach sind Kriegswaffenexporte in Drittstaaten grundsätzlich verboten. Von diesem Grundsatz darf nur ausnahmsweise, beim Vorliegen besonderer sicherheitspolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland, abgewichen werden. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Korrekt. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dort steht aber auch: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine Rolle spielen. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Keine ausschlaggebende. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Können Sie ausschließen, dass bei der Entscheidung des Bundessicherheitsrates beschäftigungspolitische oder gar industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt haben? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Kollegin, zunächst einmal: Ich kann Ihnen aus den bekannten Gründen gar keine Auskunft darüber geben, ob diese Entscheidung getroffen worden ist oder nicht. Ich möchte aber, um das klarzustellen, die entsprechende Stelle der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitieren. In den Politischen Grundsätzen heißt es: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen. Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass sie eine gewisse Rolle spielen dürfen, sozusagen als nachrangige Gründe. Ich kann mir vorstellen, dass dies auch bei ähnlichen Entscheidungen in der Vergangenheit der Fall war. Das wäre auch völlig legitim gewesen, weil die Politischen Grundsätze wie erwähnt niedergelegt worden sind. Ausschlaggebend ist das sicherheits- und bündnispolitische Interesse. Nachrangig können auch beschäftigungspolitische Gründe eine Rolle spielen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Fragestellerin ist Claudia Roth. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. - Herr Otto, meine erste Frage. In der heutigen Ausgabe der seriösen Süddeutschen Zeitung war zu lesen: Aus Regierungskreisen verlautete, dass im Vorfeld der Entscheidung im Bundessicherheitsrat am 27. Juni dieses Jahres die Zustimmung von Israel und den USA eingeholt worden sei und dass beide Staaten nicht nur konsultiert worden seien, sondern auch keine Bedenken angemeldet hätten. - Stimmen diese Verlautbarungen aus Regierungskreisen? Meine zweite Frage. Sie haben vorhin gesagt, es gehe darum, dass die deutsche Außenpolitik die Werteordnung in der Region, in Saudi-Arabien, stabilisieren will. Von welcher Werteordnung sprechen Sie? Sind Menschenrechte Ihrer Meinung nach nicht universell gültig, sondern ist ihre Geltung von der jeweiligen Region abhängig? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Ich möchte zunächst zu Ihrer zweiten Frage Stellung nehmen. Selbstverständlich sind Menschenrechte - sie sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt - weltweit gültig. Wir stellen allerdings fest, dass die Verwirklichung der Menschenrechte, obwohl es die UN-Menschenrechtscharta gibt, in den verschiedenen Teilen und Ländern der Welt unterschiedlich weit fortgeschritten ist. Es ist unser ständiges Bemühen, auch das des Parlaments - so gibt es zum Beispiel einen Menschenrechtsausschuss und ähnliche Einrichtungen -, die Menschenrechtssituation in allen Regionen der Welt zu stabilisieren und zu verbessern. Das gilt auch für Saudi-Arabien. Insofern: Die Standards, an denen wir die Menschenrechtslage messen, sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt, und an dieser universell geltenden Charta halten wir fest. Ich habe bereits geschildert, dass es in Saudi-Arabien diesbezüglich Defizite gibt. Sonst würden wir auch nicht in einem ständigen Dialog stehen. Zu dem ersten Teil Ihrer Frage würde Herr Staatsminister von Klaeden gerne Stellung nehmen, wenn, Herr Präsident, das erlaubt ist. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ja, das erlaube ich. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Frau Kollegin Roth, es gilt das, was Kollege Staatssekretär Otto bereits gesagt hat, nämlich dass wir zu den Sitzungen des Bundessicherheitsrates keine Auskunft geben. Das gilt dann eben auch für die Frage, ob Pressemeldungen dementiert oder bestätigt werden. Ich will aber gerne noch einmal die Gelegenheit nutzen, einige Sätze zu unseren Beziehungen zu Saudi-Arabien zu sagen, damit hier kein unausgewogenes Bild entsteht. Hinsichtlich der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien besteht zwischen der Einschätzung der seriösen Menschenrechts- und Außenpolitiker des Bundestages und der Einschätzung der Bundesregierung keine Differenz. Warum Saudi-Arabien trotz seiner schwierigen Menschenrechtssituation gleichwohl ein wichtiger Partner für uns ist, will ich an folgenden Punkten deutlich machen: Saudi-Arabien hat im Jahr 2002 eine Friedensinitiative ergriffen, die die Zwei-Staaten-Lösung zum Ziel hat. Saudi-Arabien beteiligt sich an der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Hinweise aus Saudi-Arabien haben dazu geführt, dass auch Anschläge in Deutschland verhindert werden konnten. (Signalton) Die Möglichkeit eines geordneten Machtübergangs im Jemen durch den Golfkooperationsrat wäre ohne die Unterstützung Saudi-Arabiens undenkbar. Ohne die Unterstützung Saudi-Arabiens wäre es auch nicht zur Befreiung deutscher Geiseln im Jemen gekommen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich wollte nur sagen: Das ist keine Hintergrundmusik. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Wie bitte? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dieser Gong ist keine Hintergrundmusik. Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Gut. Die Frage ist, inwieweit das Parlament diese Frage ernst nimmt und ob wir wirklich über diese Frage sprechen wollen oder nicht. Ich finde jedenfalls, dass wir mit Saudi-Arabien einen wichtigen strategischen Partner haben. Wenn das Interesse daran aber nicht besteht, dann will ich mich gerne an das Signal halten. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe eine Rückfrage!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich schreibe Ihren Namen gerne noch einmal auf die Liste, die relativ lang ist. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dann nehmen Sie mich bitte auf die Liste!) Herr Kekeritz, bitte. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich fühle mich etwas überfordert. Welche Frage sollen wir Ihnen denn eigentlich stellen, da Sie sich ständig in eine Gesamtabwägung flüchten? Sie behaupten dann, die Fragen seien hypothetisch oder sonstiges. Ich habe trotzdem schon einiges aus Ihren Aussagen herausgehört, das mich interessiert. Wie kommen Sie eigentlich zu der Aussage, dass Saudi-Arabien seit Jahren ein wackerer Kämpfer gegen den Terrorismus ist? Sie lesen doch angeblich sehr viel Zeitung. Dann müssten Sie inzwischen doch auch gelernt oder gelesen haben, dass Saudi-Arabien al-Qaida zumindest jahrelang massiv oder sogar als Hauptfinanzier unterstützt hat. Wie kommen Sie zu Ihrer von der allgemeinen Wahrnehmung doch völlig abweichenden Einschätzung? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege, die Behauptung, dass Saudi-Arabien, womit Sie wohl den Staat meinen (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Herrscherhaus!) - das Herrscherhaus -, maßgeblich terroristische oder al-Qaida-Aktivitäten unterstützt hat - auch finanziell -, kann ich nicht bestätigen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht die Wahrheit! - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie mal Herrn Friedrich!) Ich kann allerdings das bestätigen, was der Kollege von Klaeden eben schon gesagt hat, dass es nämlich in der Vergangenheit unter unterschiedlichen Regierungen - darauf möchte ich hinweisen - durchaus erfolgreiche Kooperationen gegen terroristische Aktivitäten gegeben hat. Insofern ist Saudi-Arabien für uns in gewisser Hinsicht ein Sicherheitspartner. Diese Zusammenarbeit, die im Übrigen nicht nur mit Deutschland besteht, sondern auch mit der EU und mit anderen Ländern, ist ganz offensichtlich von zentraler Bedeutung. Sonst hätte es auch nicht über so viele Jahre hinweg größere Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien geben können. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Müller. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, da Sie zu den Entscheidungen des Bundessicherheitsrates nichts sagen können, frage ich Sie jetzt nach der allgemeinen politischen Bewertung der Bundesregierung. Dazu können Sie sicherlich Auskunft geben. Ich frage Sie erstens, ob die Bundesregierung - ich beziehe mich auf den Herrn Kollegen Lammert, unseren Präsidenten - Zweifel daran hat, dass Saudi-Arabien den Aufstand in Bahrain niedergeschlagen hat. Zweitens. Bedeutet das, dass Sie Zweifel daran haben, dass Saudi-Arabien damit in eine bewaffnete Auseinandersetzung verwickelt war? Diese politische Bewertung unterliegt nicht der Geheimhaltung. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Kollegin, ich habe vorhin schon gesagt, dass ich aus Presseberichten und als Staatsbürger davon Kenntnis habe, dass - - (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie antworten nicht als Staatsbürger, sondern stellvertretend für die Bundesregierung! Sie sollten sich verfassungsrechtlich schlau machen, was Ihre Rolle ist! - Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können die Frage auch an Herrn von Klaeden oder Ihre Nachbarin abgeben!) - Um Ihre Frage zu Bahrain zu beantworten: Es ist der Bundesregierung bekannt, dass es in Bahrain eine Intervention mit saudi-arabischen gepanzerten Fahrzeugen gegeben hat, die von der dortigen Regierung angefordert wurden. Das ist bekannt. Dass diese Zusammenarbeit oder diese Intervention anhält, kann ich nicht bestätigen. Wenn es zu einer entsprechenden Entscheidung käme oder gekommen ist, dann sind diese Gesichtspunkte natürlich zu berücksichtigen. Es ist aber nicht so, dass aufgrund mancher Vorgänge, die wir nicht positiv bewerten, eine Entscheidung von vornherein versperrt ist, sondern die Gesamtzahl der sicherheitspolitischen und bündnispolitischen Gesichtspunkte ist zu bewerten. Auf dieser Basis ist dann zu einer Entscheidung zu kommen. Es ist nicht so, dass ein einziger Punkt jetzt eine Lieferung ausschließt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt ist der Kollege Hunko an der Reihe. Andrej Hunko (DIE LINKE): Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, nach einem Demokratieranking der britischen Zeitschrift The Economist wird Saudi-Arabien auf Platz 159 von 167 aufgeführten Staaten gelistet. Das heißt, Saudi-Arabien ist einer der zehn undemokratischsten und autoritärsten Staaten weltweit. Meine erste Frage: Teilen Sie diese Einordnung? Daran schließt sich meine zweite Frage an. Sie haben eben Saudi-Arabien als regionale Schutzmacht bezeichnet. Würden Sie das militärische Eingreifen in Bahrain als Schutzmaßnahme bezeichnen? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Zu Ihrer ersten Frage: Ich nehme nicht Stellung zu Bewertungen von irgendwelchen Institutionen. Vielmehr geht es darum, dass man die gesamte sicherheitspolitische Lage einschätzt. Zu Ihrer zweiten Frage: Eine Intervention - das ist ganz klar - zur Unterdrückung oder Niederschlagung eines Aufstandes oder einer Bewegung von Oppositionellen ist kein Engagement im Schutzinteresse. Aber, wie gesagt, diese Maßnahme hat die Bundesregierung nie gutgeheißen. Es hat dazu auch Stellungnahmen gegeben. Die Maßnahme wird aber nicht mehr fortgesetzt. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Maßnahme!) Deswegen brauchen wir jetzt nicht darüber zu diskutieren. Es gibt dort Dinge, die die Bundesregierung kritisiert hat. Es wird auch in Zukunft möglicherweise Vorgänge geben, die im Zusammenhang mit Saudi-Arabien EU-weit und deutschlandweit einer Diskussion bedürfen. Ich spreche die Saudi-Araber nicht frei und sage: Das ist nach unserem Maßstab eine mustergültige Demokratie. Das hat keiner gesagt. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wahrscheinlich eine lupenreine Demokratie!) Aber es gibt massive sicherheitspolitische Interessen Deutschlands und der NATO in Saudi-Arabien, sonst hätte es in den vergangenen Jahren nicht immer wieder zu Rüstungsexporten kommen dürfen. Diese hat es aber gegeben. Daraus schließe ich, dass auch in der Vergangenheit sicherheitspolitische Erwägungen eine große Rolle gespielt haben. Das gilt auch fort. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir schauen mal, wie lange das noch so weitergeht!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bevor der Kollege Schmidt seine Frage stellt, möchte ich darauf hinweisen, dass die Kollegen van Aken, Roth und Movassat zu dieser ersten Frage bereits eine Nachfrage gestellt haben. Es sind aber noch vier weitere Fragen zu beantworten. Vielleicht möchten Sie nach diesen Fragen nachfragen. - Jetzt hat der Kollege Schmidt das Wort. Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, Sie haben auf die Geheimhaltung verwiesen. Der Bundessicherheitsrat ist als Unterausschuss des Kabinetts gegründet worden. Insofern gilt dafür die Geschäftsordnung der Bundesregierung. Darin heißt es, dass die Sitzungen vertraulich sind und dass Mitteilungen darüber ohne besondere Ermächtigung des Bundeskanzlers unzulässig sind. So heißt es darin wörtlich. In diesem Falle bezieht sich das auf die Bundeskanzlerin. Stimmen Sie mir zu, dass die Bundeskanzlerin also die Ermächtigung erteilen kann, darüber Auskunft zu geben, und können Sie eine politische Begründung nennen, warum die Bundeskanzlerin das in diesem Fall nicht tut? (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gute Frage!) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Ich nehme hier nicht die Rolle der Bundeskanzlerin ein. Ich sitze nicht auf ihrem Platz, sondern daneben. Aber ganz klar ist, dass es zumindest seit dem Jahr 2000 völlig unstreitig ist, Herr Kollege Trittin, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir fragen ja nur nach diesem Fall, Herr Otto! Sagen Sie doch einfach, warum sie das nicht tut!) dass der Verlauf und die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats als Geheim einzustufen sind, was zur Folge hat, dass niemand, auch nicht die Bundeskanzlerin, das Recht hat, dies sozusagen durch freie Entscheidung zu öffnen. Das ist ganz einfach. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht in der Geschäftsordnung! Sie kennen die eigene Geschäftsordnung nicht! - Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht doch drin!) - Herr Kollege Trittin, wenn Sie schon dazwischenrufen: Nennen Sie nur einen Fall, wo ein Bundeskanzler, wer auch immer, aus den Sitzungen des Bundessicherheitsrates berichtet hat! Das hat es nie gegeben. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann wird es aber Zeit!) Das hat auch einen sehr guten Grund. Der Bundessicherheitsrat ist ein Organ - in der Koalitionsvereinbarung aus 1998 von Rot-Grün ist der Bundessicherheitsrat übrigens ausdrücklich gestärkt worden -, (Andrej Hunko [DIE LINKE]: Das ist ja das Problem!) das aus der Überzeugung heraus geschaffen worden ist, dass in diesem Gremium alle Kompetenzen gebündelt werden müssen und dass dort verantwortungsbewusste Entscheidungen im Sinne einer restriktiven Rüstungsexportpolitik getroffen werden können. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Staatssekretär, es ist in der Fragestunde nicht vorgesehen, dass auch auf Zwischenrufe geantwortet wird. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Gut. Sie sehen, wie auskunftsfreudig die Bundesregierung ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das ist großartig, aber wir würden lieber bei dem bleiben, was vorgesehen ist. Wir kommen damit zur dringlichen Frage 2 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele: Welche Angaben macht die Bundesregierung zum jetzt bekannt gewordenen Zustandekommen des Waffengeschäfts über die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern von Deutschland an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung "nützlicher Aufwendungen" sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Ströbele, ein Teil Ihrer Frage bezieht sich auf das, was wir eben schon ausgiebig diskutiert haben. Ich nehme Bezug auf das, was ich eben schon gesagt habe, und möchte das nicht verlängern. Im Übrigen kann ich Ihnen mitteilen, dass der Bundesregierung keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vorliegen, die irgendwie im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäft stehen könnten. Wäre es anders, würde die Bundesregierung von irgendeiner gesetzwidrigen Zahlung Erkenntnisse bekommen, dann wäre das eine Sache der Strafverfolgungsbehörden. Auch insofern verweise ich auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004. Sie werden sie sicherlich noch gut kennen; sie ist nämlich in der Zeit der rot-grünen Regierungskoalition verabschiedet worden. Auch sie, Herr Kollege Ströbele, gilt unverändert fort. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ströbele, Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, Ihre Auffassung, dass Sie hier jegliche Auskunft über das Geschäft verweigern dürfen, ist nicht nur abenteuerlich, sondern verfassungswidrig. Sie hebeln faktisch das Recht des Deutschen Bundestages, die Bundesregierung zu kontrollieren, in diesem wichtigen Punkt, der mindestens die Hälfte der deutschen Bevölkerung beschäftigt, für ein Jahr aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Meine Frage an Sie lautet: Wie viel kosten die 200 Leopard-Kampfpanzer, wenn man sie in Deutschland kauft bzw. verkauft, und wie viel soll die saudi-arabische Regierung dafür bezahlen? Denn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem, was tatsächlich gezahlt wird, gilt wie schon im Jahr 1991 als sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder. Deshalb richte ich als Abgeordneter des Bundestages, der die Bundesregierung auch bei diesem Geschäft kontrollieren muss, diese Frage an Sie. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Ströbele, mit allem Respekt: Es ist sehr mutig, was Sie hier machen. Zunächst einmal weise ich den Vorwurf, ich würde mich verfassungswidrig verhalten, mit allem Nachdruck zurück. Ich mache genau das, was alle Bundesregierungen bisher aus gutem Grund gemacht haben. Nennen Sie mir einen einzigen Fall aus den vergangenen Jahren, auch unter rot-grüner Regierung, in dem sich ein Staatssekretär hier hingestellt hat und gesagt hat: Herr Ströbele, das und das ist im Bundessicherheitsrat beschlossen worden. - Das hat es nie gegeben, und dafür gibt es gute Gründe. Das hat mit Verfassungswidrigkeit nichts zu tun. Es war die rot-grüne Bundesregierung, die noch einmal festgestellt hat, dass die Berichterstattung über die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates und die Rüstungsexportpolitik in einem jährlichen Rüstungsexportbericht niedergelegt wird. Dadurch wird das Parlament beteiligt. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist er denn?) - Der Rüstungsexportbericht für 2010 wird in Kürze veröffentlicht. Ich kann Ihnen die Zahlen für Saudi-Arabien geben. Im Übrigen, Herr Kollege Ströbele, zu dem, was Sie da an Spekulationen geäußert haben - also zur Preisdifferenz; das, was in der Presse steht -, will ich in keiner Weise Stellung nehmen. Ich halte Ihre Spekulationen wirklich für abenteuerlich und weise sie zurück. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die Annahme, dass ein in Saudi-Arabien gegenüber Deutschland veränderter Preis automatisch mit nützlichen Aufwendungen, kriminellen Handlungen verbunden ist, ist wirklich - mit Verlaub - Ihre private Meinung. Das ist nicht die Meinung der Bundesregierung. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ströbele, eine zweite Nachfrage. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, bis zum Jahre 1999 habe ich es auch als abenteuerlich angesehen, dass ein ausgewachsener deutscher Bundeskanzler Barbeträge, gebündeltes Bares von Spendern anonym entgegennimmt und in seine Jackentasche steckt. Ich habe es auch als abenteuerlich angesehen, dass 220 Millionen Euro an sogenannten nützlichen Aufwendungen gezahlt wurden, von denen 1 Million an die CDU, an deren Schatzmeister, geflossen sind. Das war alles abenteuerlich. Seit dem Jahr 1999 weiß ich, dass so etwas in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist. Deshalb stelle ich Ihnen nochmals die Frage: Sind Sie bereit, über Einzelheiten dieses Geschäfts dem Deutschen Bundestag Auskunft zu geben, oder verweigern Sie diese weiterhin in verfassungswidriger Weise? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Ströbele, in aller Klarheit: Der Vorwurf an ein Mitglied der Bundesregierung, sich verfassungswidrig zu verhalten, ist starker Tobak. Sie wissen genauso gut wie ich, weil Sie langjähriger Parlamentarier sind: Niemand von denen, die hier Zwischenrufe machen, würde sich anders verhalten, wenn er in meiner Situation wäre, niemand. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Ich würde mich sogar strafbar machen, wenn ich irgendwelche Erkenntnisse, die ich als Mitglied der Bundesregierung erhalten habe, hier offenbarte. Das geht nicht anders. Das war zu Ihrer Zeit auch nicht anders. Dafür gibt es gute Gründe; das habe ich schon gesagt. Das hat mit Verfassungswidrigkeit gar nichts zu tun, Herr Kollege Ströbele, bei allem Respekt. Zu dem, was Sie zu früheren Zeiten, zu 1999, gesagt haben - auch ich war in dem Untersuchungsausschuss Mitglied -: Das ist aufgeklärt worden. Das wird sich auch nicht wiederholen. Ich hoffe nicht, dass durch Ihre Frage intoniert werden sollte, die jetzige Bundesregierung hätte Ähnliches vor oder getan. Ich weise das in aller Klarheit zurück. Das ist aufgearbeitet worden. Es hat auch Strafverfahren gegeben. Dass Sie das jetzt in einen Zusammenhang mit diesen Presseberichten stellen, finde ich schon sehr fragwürdig. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die nächste Nachfrage kommt vom Kollegen Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Herr Staatssekretär, könnten Sie denn, weil Sie uns ja eben die Auskunft gegeben haben, dass Sie keine Auskunft geben können, zur Kenntnis nehmen, dass die saudi-arabische Regierung seit mehreren Jahren versucht, Panzer in Deutschland zu erwerben, dass diese Anträge offensichtlich immer wieder gestellt worden sind, bisher aber abgelehnt worden sind, und könnten Sie uns angesichts dessen zumindest insoweit darüber informieren, dass Sie uns mitteilen, ob es jetzt wieder eine Voranfrage in diesem Zusammenhang gegeben hat oder ob möglicherweise eine endgültige Entscheidung zumindest beantragt worden ist? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Nein, Herr Kollege Mützenich. Der Versuch ist nett gemeint. Aber ich gehe nicht darauf ein. Wenn ich Ihnen über Voranfragen Mitteilung mache, dann könnte bzw. müsste ich auch über anderes berichten. Nein, ich nehme zur Kenntnis, dass es in der Vergangenheit Anfragen der Saudi-Araber gegeben hat; das sagen Sie. Was momentan ist, dazu kann ich keine Auskunft geben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr van Aken. Jan van Aken (DIE LINKE): Jetzt wird es aber doch heikel. Ich habe ja verstanden, dass Sie nichts über den Bundessicherheitsrat sagen. Aber Sie sind zuständig für die Rüstungsexporte. Sie sind zuständig für das Bundesausfuhramt und den Rüstungsexportbericht. Das heißt, Sie haben außerhalb des Bundessicherheitsrates natürlich Informationen darüber, ob und welche Anfragen es aus Saudi-Arabien nach Panzern gibt. Das unterliegt nicht der Geheimhaltung des Bundessicherheitsrates. Verweigern Sie jetzt wieder die Antwort, oder sind Sie bereit, zu sagen, wann in den letzten Jahren es erstmalig eine Anfrage aus Saudi-Arabien betreffend die Lieferung von einem oder mehreren Leopard-2-Panzern gegeben hat und, wenn ja, ob diese Anfrage an Ihr Ministerium oder an ein anderes Ministerium - das wäre dann für die Beantwortung meiner Frage zuständig - gerichtet war? Diese Antwort können Sie nicht verweigern. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Diese Antwort habe ich genauso zu verweigern wie jede andere. Auch solche Anfragen sind geheimschutzbedürftig. Ich bin nicht befugt, jede Frage nach Anfragen nach Rüstungsgütern zu beantworten. Das ist sehr naheliegend; denn wenn die Bundesregierung verpflichtet wäre, schon bei Eingang einer Anfrage die Öffentlichkeit zu informieren, dann würden viele - vielleicht sogar nach Ihrer Meinung - notwendige Geschäfte vereitelt. Das gilt übrigens auch für Anfragen jenseits von Rüstungsgütern, zum Beispiel nach Dual-use-Gütern. Die Verwaltung ist nicht befugt, Auskünfte über Anfragen nach Rüstungsgütern oder sonstige Exportgenehmigungen zu erteilen. Genauso wie bei jedem anderen Verwaltungshandeln ist das alles diskret zu behandeln. Darüber werden in der Öffentlichkeit keine Auskünfte gegeben. All das, was notwendig ist, um das Parlament zu unterrichten, enthält der Rüstungsexportbericht. Der Rüstungsexportbericht und die Stellung des Bundessicherheitsrates gehen nicht auf diese Regierung zurück. Es handelt sich hier um eine jahrzehntelange Praxis. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege Beck, bitte. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich hatte der Bundesregierung schon angekündigt, dass ich eine verbindliche Auskunft zur rechtlichen Bindung der Rüstungsexportrichtlinien haben will. Eigentlich wären das Innen- und das Justizministerium berufen, eine Antwort zu geben. Da aber beide Ministerien durch Abwesenheit glänzen, muss ich die Frage leider an Sie richten, Herr Kollege Otto. In Ziffer III. 5 der Rüstungsexportrichtlinien heißt es - das wurde schon mehrfach zitiert -: Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder, die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht, in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden. Da diese Bestimmung bei Saudi-Arabien eindeutig zutrifft, will ich von Ihnen wissen: Ist die Auffassung der Bundesregierung: "Das wird nicht genehmigt", einer Abwägungsentscheidung zugänglich, oder handelt es sich um ein absolutes Verbot? Ich bitte, sich für eine der beiden Rechtspositionen zu entscheiden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich weise darauf hin, dass die Bundesregierung selber entscheidet, wer antwortet. - Aber Sie haben vor, auf die Frage zu antworten, Herr Staatssekretär Otto? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Ich habe vor, zu antworten. - Herr Kollege Beck, ich kann Ihnen sagen, dass sich die Bundesregierung weiterhin an die Politischen Grundsätze hält. Diese Politischen Grundsätze sind Leitlinien, aber kein Verbot, wie Sie gesagt haben. Es handelt sich vielmehr um Grundsätze des Verwaltungshandelns der Bundesregierung. Ob die Tatbestandsvoraussetzungen im Fall Saudi-Arabien vorliegen - mir liegen die Politischen Grundsätze vor; ich bedanke mich für das Zitat; ich kann bestätigen, dass das so dort steht; das ist auch öffentlich -, kann ich nicht bestätigen. Das ist eine Entscheidung, die die Bundesregierung zu treffen hat. Ob die Subsumtion unter diese Voraussetzungen erfüllt ist oder nicht, ist eine Entscheidung, die die Bundesregierung in jedem Einzelfall verantwortungsbewusst und auch im Sinne einer restriktiven Rüstungsexportpolitik zu treffen hat. Es handelt sich aber um keine Beurteilungen, die man hier quasi zu Markte tragen kann. Das sind politische Grundsätze der Bundesregierung, die im Einzelfall angewendet werden müssen. Aber das ist keine Sache, über die wir hier zu diskutieren hätten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Daðdelen. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Da ich mitbekommen habe, wie Sie auf die Fragen meiner Kolleginnen und Kollegen nach der Abwägung von Menschenrechten und Rüstungsgeschäften hier Stellung bezogen haben, will ich Sie Folgendes fragen. Ich würde gern wissen, wie Sie dem Eindruck in der Bevölkerung und in den Nichtregierungsorganisationen - sie haben heute für 16 Uhr neben dem Parlament, dem Reichstag, zu einer Protestaktion gegen dieses Rüstungsgeschäft aufgerufen -, nämlich dass die Bundesregierung sich zum Erfüllungsgehilfen der deutschen Rüstungslobby gemacht hat und macht, widersprechen wollen. Das würde mich interessieren angesichts dessen, dass Sie in ein Land, an eine monarchistische Diktatur, Panzer und andere Waffen liefern und dort Militär- und Polizeihilfe leisten, wo von Opposition keine Rede sein kann, wo es keine Meinungs-, Versammlungs- oder Koalitionsfreiheit gibt, wo Tausende Menschen ohne Anklage in Haft sitzen, wo gefoltert wird. Zu den Frauenrechten wurde ja schon zur Genüge gesagt, dass sie mit Füßen getreten werden. Wie wollen Sie diesem Eindruck widersprechen? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Kollegin, die Bundesregierung achtet die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sehr hoch und akzeptiert alle Meinungen, die zu dem Thema geäußert werden. Das ist das Recht der Demonstranten. Die Bundesregierung ist aber nicht der Meinung, dass sie Erfüllungsgehilfe der - was haben Sie gesagt? - Rüstungslobby sei; sie weist diesen Vorwurf mit Nachdruck zurück. Wenn eine Entscheidung getroffen wird - das galt auch für die Vergangenheit -, dann geht es primär um die Sicherheits- und Bündnisinteressen der Bundesrepublik. Solche Interessen müssen gegeben sein. Es geht nicht um Willfährigkeit gegenüber irgendeiner Industrie. Die beschäftigungspolitischen Aspekte dürfen allenfalls nachrangig eine Rolle spielen, wie ich Ihnen schon gesagt habe. Bei jeder Entscheidung - das galt für die Vergangenheit, und das gilt auch in der Zukunft - ist das zu beachten und wird das von der Bundesregierung beachtet. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kolb. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Frau Präsidentin! Nachdem der Kollege Beck hier Vermutungen oder Spekulationen darüber geäußert hat, wie das Verfahren im Bundessicherheitsrat abläuft, wie insbesondere Entscheidungen dort zustande kommen, wie die Richtlinien berücksichtigt werden, die sich die Bundesregierung gegeben hat, würde ich gern die Bundesregierung und insbesondere das Kanzleramt, das ja den Vorsitz im Bundessicherheitsrat hat, fragen, ob wir hier einmal eine Darstellung dazu bekommen, wie sich das Verfahren tatsächlich darstellt und wie solche Entscheidungen tatsächlich getroffen werden, damit wir nicht länger auf Spekulationen angewiesen sind. (Beifall bei der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das schafft der Ecki nicht in einer Minute! - Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das interessiert mich nach den Äußerungen auch sehr!) Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Herr Kollege Kolb, ich kann Ihnen die Frage kurz beantworten. Der Bundessicherheitsrat tagt geheim. (Lachen und Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bravo, Ecki!) Wenn Entscheidungen getroffen worden sind und Rüstungsexporte stattgefunden haben, werden sie im Rüstungsexportbericht veröffentlicht. Im Übrigen sind die Richtlinien selbstverständlich verbindlich. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da widersprechen Sie dem Wirtschaftsressort!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Roth. Zur Klarstellung: Damit rufe ich übrigens Ihre Meldung von vorhin auf. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau das wollte ich fragen! Das ist doch slightly different. Was heißt denn bitte schön: "Im Übrigen sind die Richtlinien verbindlich"? Wird von Mal zu Mal abgewogen, ob sie verbindlich sind, oder sind sie verbindlich? Sind die Rüstungsexportrichtlinien - ich kenne sie ziemlich gut, weil ich sie mit Gernot Erler mitverhandelt habe - verbindlich, werden sie eingehalten oder nicht? Ist der EU-Standpunkt - das ist deutlich mehr als der ehemalige Rüstungsexportkodex der Europäischen Union -, den Sie zitiert haben, auf den Sie sich bezogen haben, verbindlich oder nicht? Ist es so, dass der Bundessicherheitsrat Waffenlieferungen in Spannungsgebiete nicht genehmigen kann oder nicht genehmigen darf, weil das verbindlich ist, weil das in den Rüstungsexportrichtlinien ausgeschlossen ist? Welche Bedeutung hat das Menschenrechtskriterium, das in der Weiterentwicklung eine ganz andere Bedeutung hat als in früheren Zeiten, weil nämlich die Menschenrechtslage eines Landes allgemein zu betrachten ist und daraufhin dann entschieden wird, ob geliefert werden darf oder nicht? Verbindlich oder interpretationsfähig? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Die Politischen Grundsätze, die sich die Bundesregierung gegeben hat, stellen eine Selbstbindung der Bundesregierung dar. Sie hält sich daran, und sie beachtet sie. Punkt! (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann darf sie aber nicht in Spannungsgebiete liefern, weil das steht drin!) - Frau Kollegin Roth, wir haben eben über einzelne Punkte diskutiert. Ich habe Sie schon darauf hingewiesen, dass es bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen gibt. Bei einigen ist eine Abwägungsentscheidung zu treffen. Bei anderen ist es so: Wenn die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, gibt es keinen Abwägungsspielraum. Das habe ich Ihnen gesagt, und das gilt. Es steht nirgends in den Richtlinien - so ganz lapidar -: In Spannungsgebiete darf in keiner Weise Rüstung geliefert werden. - Vielmehr ist es hier genau aufgelistet, wie übrigens in den Politischen Grundsätzen des Europäischen Rates in noch detaillierterer Form. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kenne die sehr genau!) Darin steht das sehr viel präziser; es ist nicht von Spannungsgebieten die Rede. "Spannungsgebiete" ist ein Begriff, der der Präzisierung bedarf. Diese ist in diesen beiden Dokumenten vorgenommen worden, an die sich die Bundesregierung hält. (Zuruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Roth, es ist kein Dialog vorgesehen. Herr Beck zur Geschäftsordnung. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach § 106 unserer Geschäftsordnung in Verbindung mit Anlage 5 Nr. 1 Buchstabe b beantrage ich eine Aktuelle Stunde zu der Lieferung von 200 Panzern nach Saudi-Arabien. (Michaela Noll [CDU/CSU]: Das ist eine Überraschung!) Die Linksfraktion hat mir gegenüber erklärt, dass sie sich diesem Begehren nach einer Aktuellen Stunde anschließen wird. Wir können jetzt die Fragestunde fortsetzen und die Aktuelle Stunde anschließen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das entspricht der Nr. 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Die Aussprache wird im Anschluss an die Fragestunde stattfinden. Die für heute von der CDU/ CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion verlangte Aktuelle Stunde zur Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird morgen aufgerufen. Ich frage jetzt diejenigen Abgeordneten, die zu dem Themenbereich, zu dem jetzt eine Aktuelle Stunde verlangt worden ist, dringliche Fragen stellen wollten, ob sie diese aufrechterhalten wollen. Das betrifft die Kollegin Keul und den Kollegen Movassat. - Das ist der Fall. Ich rufe die dringliche Frage 3 der Kollegin Keul auf: Welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt die Bundesregierung für die Genehmigung der am 4. Juli 2011 durch das Magazin Der Spiegel gemeldeten Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien an, und wie bewertet die Bundesregierung die Vereinbarkeit dieser Lieferung mit den einzelnen Kriterien des EU-Kodex für Waffenausfuhren? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Kollegin Keul, nachdem ich schon recht ausführlich zu den dringlichen Fragen 1 und 2 Stellung genommen habe, kann ich in Ihrer Frage keinen zusätzlichen Gehalt erkennen, der über den der dringlichen Frage 1 hinausgeht. Deswegen wiederhole ich das, was ich auf die Frage des Kollegen Beck gesagt habe, auch Ihnen gegenüber. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Keul, Sie haben eine Nachfrage? Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich wüsste gerne, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Kollegin Keul, wenn ich dazu Stellung nähme, würde ich eine Auskunft geben, dass es eine Entscheidung gegeben hat oder dass es keine Entscheidung gegeben hat. Da ich diese Auskunft aus den bekannten Gründen nicht geben kann, kann ich Ihre Frage nicht beantworten. (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Springen Sie doch mal über Ihren Schatten! - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Mist, was Sie da machen, und das wissen Sie!) Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Grundsätze, sowohl die Politischen Grundsätze der Bundesregierung als auch die des Europäischen Rates, in jedem Einzelfall zu beachten sind und von der Bundesregierung in jedem Fall auch peinlich beachtet werden. Das ist die klare Aussage. Das ist eine Selbstbindung der Bundesregierung, die nach wie vor gilt. Da gibt es keine Veränderung. Es ist genau so wie in den Jahren vorher. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Keul, Sie haben eine zweite Nachfrage? Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, habe ich. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Helfen Sie mir bitte auf die Sprünge, Herr Staatssekretär. Sie haben gesagt, die Rüstungsexportrichtlinie solle weiter verbindlich sein. In dieser Richtlinie steht, dass die Menschenrechtskriterien eine besondere Bedeutung haben. Wenn ich mir den Menschenrechtsbericht der Bundesregierung zu Saudi-Arabien ansehe und feststelle, dass trotzdem Waffenlieferungen erfolgen, dann fällt mir kein anderes Land auf der Welt ein, auf das diese Kriterien angewendet werden könnten. Konsequenterweise müsste man die Rüstungsexportrichtlinie aufheben. Geben Sie mir recht? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Nein, Frau Kollegin Keul. Wenn ich Ihnen recht geben würde - in allgemeiner Form geantwortet -, dann könnten Sie mir keine Antwort auf die Frage geben, warum mehrere Mitgliedsländer der Europäischen Union, die dem gleichen Kodex unterworfen sind, nach den vorliegenden Zahlen ein Vielfaches von dem nach Saudi-Arabien exportieren, was wir dorthin exportieren. Wenn es sich so verhalten würde, wie Sie sie eben geschildert haben, dürften diese Länder das nicht tun. Sie würden es dann auch nicht tun. Sie wollen doch wohl nicht sagen, dass Großbritannien und Frankreich Gesetzesbrecher sind, die sich über den EU-Kodex hinwegsetzen? Das wollen Sie doch sicherlich nicht sagen. Diese Länder exportieren aber traditionell sehr viel mehr nach Saudi-Arabien als wir, (Zuruf von der LINKEN: Das macht die Sache nicht besser!) weil wir uns einer restriktiven Rüstungsexportpolitik verpflichtet sehen. Wir machen das sehr verantwortungsbewusst und sehr zurückhaltend. Deswegen kann ich das nicht bestätigen, was Sie sagen. Ich habe natürlich auch eine andere Unterlage dabei. Darin steht nicht, dass der, der nicht das gleiche Menschenrechtsniveau wie die Bundesrepublik Deutschland hat, (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Saudi-Arabien hat nicht ganz das Menschenrechtsniveau der Bundesrepublik Deutschland!) in keinem Fall beliefert werden kann, sondern es wird ausgeführt, was ich sage, dass nämlich die Menschenrechtsfrage, Herr Kollege Beck, eine wichtige Rolle spielt. Das ist gar keine Frage. Diese wichtige Rolle wird von der Bundesregierung beachtet. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, oh!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Weil Sie sich ja bei den bisherigen Antworten darauf berufen haben, dass Sie dem Deutschen Bundestag keine Auskunft geben dürfen, würde ich Sie in diesem Zusammenhang - die Kollegin Keul hat ja auf den EU-Kodex hingewiesen - fragen, ob es in den letzten Tagen Anfragen befreundeter Regierungen im Hinblick auf eine mögliche Entscheidung der Bundesregierung gegeben hat oder ob es tatsächlich der Fall gewesen ist, dass Sie vorher andere Regierungen gefragt haben, ob Sie eine bestimmte Rüstungslieferung genehmigen können. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Mützenich, ich werde Sie nicht überraschen, wenn ich Ihnen sage: Dazu gebe ich Ihnen keine Auskunft. Das muss ich auch nicht. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber nicht Bundessicherheitsrat! - Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht Bundessicherheitsrat!) - Das betrifft nicht den Bundessicherheitsrat, aber dabei handelt es sich um sicherheitspolitische Interessen, die hier nicht auf dem Markt verhandelt werden können. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) Das gilt unabhängig von Rüstungsexporten. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Sie sind hier vor dem Deutschen Bundestag! Wir sind hier nicht auf dem Markt!) Das ist doch ganz klar: Sicherheitspolitische Absprachen zwischen Bündnisländern können hier nicht im Einzelfall besprochen werden. Das kann nicht anders sein, und das gilt unabhängig von Rüstungsexportfragen. Welche Anfragen es von NATO-Bündnispartnern oder von anderen Ländern gegeben hat, kann hier doch nicht beantwortet werden. Das nächste Mal fragen Sie: Hat es eine Anfrage von Frankreich bezüglich des Mandats Atalanta oder zu sonst was gegeben? (Zuruf von der LINKEN: Auf solche Idee könnten wir kommen, ja! - Weitere Zurufe von der LINKEN und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Mützenich, Sie sind im Auswärtigen Ausschuss. Sie wissen, dass das Ganze nicht zulässig ist. Das sind Rücksichtnahmen auch auf bilaterale Beziehungen. Deswegen kann ich Ihnen darauf keine Antwort geben. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach Ihrem Parlamentsverständnis können wir das Parlament glatt ab-schaffen! - Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Protokoll sollten wir mal schön verteilen!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Kekeritz, bitte. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Grundfrage wäre ganz einfach: Könnten Sie drei Fragen nennen, die Sie beantworten würden? - Aber das will ich gar nicht fragen. Sie beantworten ohnehin nichts. Ich stelle mir die Frage: Welche Funktion hat das Parlament? Hier sitzen hundert Jugendliche auf der Tribüne. Welche Message geben Sie mit Ihrem Verhalten an die Öffentlichkeit? Ihre Aussage ist immer: Ich beantworte nicht. - Dafür bin ich aber nicht im Parlament. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Nun haben Sie richtigerweise darauf hingewiesen, dass sich vielleicht auch andere Länder weniger um die Richtlinien kümmern. Es kann sein, dass andere mehr nach Saudi-Arabien geliefert haben. Tatsache ist aber doch, dass es verbindliche Kriterien in dem Gemeinsamen Standpunkt der EU gibt, die auch von dieser Bundesregierung herangezogen werden müssten; ich formuliere es extra im Konjunktiv. Wie bewerten Sie das Kriterium sechs, das das Verhalten des Käuferlandes mit Blick auf seine Haltung zum Terrorismus unter Einhaltung des Völkerrechts zum Maßstab macht? Das hat nichts mit der Lieferung zu tun, sondern das ist eine ganz grundsätzliche Frage: Wie halten Sie diese Verpflichtung aufrecht, und wie fließen diese Kriterien in Ihre Entscheidungen mit ein? Das will ich konkret wissen. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege, ich will Ihnen ganz konkret mitteilen, dass nach einem Bericht der EU vom Januar 2011 Großbritannien nach Saudi-Arabien Rüstungsgüter im Wert von 1 909 Millionen Euro geliefert hat, Italien von 1 101 Millionen Euro, Frankreich von 1 064 Millionen Euro usw., während Deutschland lediglich im Wert von 168 Millionen Euro Rüstungsgüter geliefert hat. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss jetzt anders werden!) Dem, Herr Kollege, mögen Sie entnehmen, dass auch andere europäische Partnerländer die gleiche Einschätzung haben wie die Bundesregierung, dass in jedem Einzelfall eine sorgfältige Abwägung stattfinden muss, ob und in welchem Umfang Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien geliefert werden, dass aber die Einschätzung von Ihnen, dass überhaupt keine Rüstungsgüterexporte nach Saudi-Arabien zulässig seien - das ist ja Ihre Auffassung -, von den meisten anderen europäischen Ländern ganz offensichtlich nicht geteilt wird. (Zuruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Daraus ergibt sich auch, dass ich den Inhalt der Frage, die Sie mir gestellt haben, in dieser Form nicht teile. Die Bundesregierung ist der Meinung, dass in jedem Einzelfall eine Entscheidung möglich und notwendig ist. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die Frage nicht beantwortet!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege Gehrcke. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, meinen Sie, dass es ein gelungener Beitrag im Kampf gegen Politikverdrossenheit und Parlamentsverdrossenheit ist, wenn Sie den Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die Sie hier befragen, mit dem Argument begegnen, dass hier nicht der Markt sei? Können Sie mir den Unterschied zwischen dem Deutschen Bundestag und einem Marktplatz erklären? (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Er ist in der FDP!) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Gehrcke, sind Sie der Auffassung, dass es für diejenigen, die diese Sitzung verfolgen - die Jugendlichen sind angesprochen worden -, von großem Nutzen ist, wenn Sie mir dieselbe Frage 20-, 50- oder 80-mal stellen und sich dann wundern, wenn ich sie beim 80. Mal genauso beantworte wie beim ersten Mal? (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es waren sehr differenzierte Fragen!) Auf dem Marktplatz, Herr Kollege Gehrcke, sind Fragen zu beantworten, die zulässig sind und keinem Geheimhaltungserfordernis unterworfen sind. Diese Bundesregierung ist außerordentlich auskunftsfreudig. Es gibt aber ein paar Fragen, die nicht auf dem Markt besprochen werden dürfen, sondern erst im Rüstungsexportbericht behandelt werden. So verhält es sich bei diesen sensiblen Fragen. Lieber Herr Gehrcke, es wird hoffentlich nie passieren, dass ein Vertreter Ihrer Fraktion auf dieser Regierungsbank sitzt. (Lena Strothmann [CDU/CSU]: Gott bewahre!) Aber ich sage Ihnen: Jeder, der hier Verantwortung trägt, kann sich nicht anders verhalten, als ich mich verhalte. Dafür bitte ich um Verständnis. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wenn ein Vertreter meiner Partei sich so verhalten würde, würde ich ihn ausschließen!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen nun zur dringlichen Frage 4 des Kollegen Movassat: Wie vereinbart die Bundesregierung die geplante Lieferung von Panzern an Saudi-Arabien mit ihren Äußerungen, an der Seite der Demokratiebewegung in den arabischen Ländern zu stehen? Die Frage wird die Staatsministerin Cornelia Pieper beantworten. - Bitte schön. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Abgeordneter Movassat, die Bundesregierung hat - das wissen Sie - von Anfang an aktiv die Transformation in der arabischen Welt unterstützt, besonders in Tunesien und Ägypten, wo der Bundesaußenminister mehrmals war. Wir bereiten Transformationspartnerschaften mit Nordafrika vor. Wir wollen dabei helfen, Wahlen vorzubereiten. Wir wollen den Menschenrechtsdialog fördern und die Zivilgesellschaft stärken. Wir wollen insbesondere in Bildung und Ausbildung junger Menschen in Nordafrika investieren, damit sie vor Ort eine Perspektive haben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine Nachfrage. - Bitte schön. Niema Movassat (DIE LINKE): Danke, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, leider haben Sie meine Frage nicht beantwortet. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben keinen Anspruch darauf!) - Ja, auch ich habe anscheinend keinen Anspruch darauf. Wahrscheinlich ist auch das geheim. - Ich zitiere die Frau Bundeskanzlerin. Sie hat gesagt: Es ist ... eine historische europäische Verpflichtung, den Menschen, die heute in ... der arabischen Welt für Freiheit und Selbstbestimmung auf die Straße gehen, zur Seite zu stehen. Wohl höre ich die Worte, doch sehe ich nicht die Taten; vielmehr sehe ich die Tat, dass Sie Panzer schicken. Wenn das Ihr Beitrag zum Umbruch in der arabischen Welt ist, dann gute Nacht für die Demokratiebewegung dort! Meine Frage war eigentlich: Welche Signalwirkung und welche Auswirkungen durch die Panzerlieferung sehen Sie konkret für die Demokratiebewegung im arabischen Raum, insbesondere natürlich in Saudi-Arabien, aber auch in den Nachbarstaaten wie Bahrain? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Abgeordneter, ich nehme an, auch Sie stützen sich auf Presseberichte, die sich auf den Bundessicherheitsrat beziehen. Ich kann nur sagen: Dazu werde ich keine Ausführungen machen können. Ich will nur ausdrücklich betonen, was die Bundeskanzlerin gesagt hat, und würde Sie bitten, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen: Wir werden dem Deutschen Bundestag bis Ende des Jahres unsere Transformationspartnerschaften mit Nordafrika vorstellen. Wir haben eine konkrete Projektplanung in Arbeit. Auch der Deutsche Bundestag wird sich mit den Perspektiven gerade junger Menschen in Nordafrika beschäftigen können. Das kann ich Ihnen zusichern. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Eine zweite Nachfrage. - Bitte schön. Niema Movassat (DIE LINKE): Wir hätten uns diese Fragestunde eigentlich schenken können, weil Sie anscheinend überhaupt nicht bereit sind, auf irgendeine Frage zu antworten. Dass Sie den Deutschen Bundestag als "Markt" sehen - das war die Äußerung Ihres Kollegen -, zeigt, welches Verständnis Sie von diesem Parlament haben. Nun frage ich Sie einmal abstrakt: Glauben Sie, dass Rüstungslieferungen im Allgemeinen geeignet sind, Menschenrechte zu verwirklichen? Sind Rüstungslieferungen in Diktaturen eine Hilfe für die Demokratiebewegung, oder sind sie eine Hilfe für die Diktatoren? Das ist eine abstrakte Frage; bei Ihrer Antwort müssen Sie nicht konkret auf die Beschlusslage des Bundessicherheitsrates eingehen und können somit antworten. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Auch angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Rüstungsexporte in Länder Nordafrikas gerade in der Zeit der rot-grünen Regierung enorm gestiegen ist, weiß ich, dass es immer ein schwieriger Abwägungsprozess ist. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) Es ist wichtig, dass wir uns im Deutschen Bundestag mit der Zukunft Nordafrikas und mit dem Demokratisierungsprozess dort beschäftigen. Ich finde, daran können auch Sie mitarbeiten. Die Bundesregierung hat Vorschläge für konkrete Projekte vorgelegt. Ich bitte Sie - dies sage ich bei aller Wertschätzung für das Parlament -, diese zur Kenntnis zu nehmen. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Es war nicht die Frage, was Rot-Grün getan hat! - Gegenruf des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie macht doch für dich keine Ausnahme!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Roth. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Westerwelle hat in seinen ersten außenpolitischen Leitlinien dafür plädiert, dass jenen Staaten die Entwicklungshilfe zu streichen sei, in denen Männer und Frauen nur deshalb hingerichtet werden, weil sie homosexuell sind. Unseres Wissens gibt es in Saudi-Arabien eine drakonische Verfolgung von Schwulen und von Lesben. Sie müssen mit der Todesstrafe rechnen, wenn man ihnen Homosexualität nachweisen kann. Muss ich Ihre Äußerungen jetzt so interpretieren, dass Saudi-Arabien keine Entwicklungshilfe, wenn es welche beantragen würde - Konjunktiv! -, bekommen würde, weil dort Homosexualität verfolgt wird, aber Panzer bekommen würde, weil diese zur Stabilisierung der Region beitragen? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Abgeordnete, was die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien anbelangt, will ich unterstreichen, was Sie gesagt haben: Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ist auf keinen Fall zu akzeptieren. (Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) Sie ist sehr unbefriedigend, auch wenn sich die Regierung seit einigen Jahren für Menschenrechtsthemen öffnet. 2009 gab es 69 Hinrichtungen und 2010 immer noch 29. Schlimm sind auch die religiöse Intoleranz, Frauendiskriminierung und Rechtlosigkeit ausländischer Arbeitskräfte und vieles andere mehr. Bei realistischer Einschätzung muss man sagen, dass die Bemühungen der Regierung und des Schura-Rates, also des rein beratenden und vom König ernannten Parlaments, die wichtigsten internationalen Menschenrechtsstandards in nationales Recht umzusetzen, sicher erst in Jahren erfolgreich sein werden. Das ist sehr unbefriedigend; da gebe ich Ihnen recht. Sehen Sie bitte auf der anderen Seite, dass wir an der Stabilität in dieser Region und an einer entsprechenden Sicherheitspolitik interessiert sind und deshalb auch nach Strohhalmen greifen. Es ist wichtig, dass sich Saudi-Arabien - Staatsminister von Klaeden hat es bereits gesagt - für Friedensinitiativen in der Region engagiert, wie es 2002 der Fall war. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Mützenich, bitte. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Frau Staatsministerin, in der Frage des Kollegen geht es insbesondere darum, dass die Demokratiebewegungen, die wir jetzt glücklicherweise in der arabischen Welt sehen, immer wieder unterdrückt werden. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass es auch in Saudi-Arabien den Versuch gegeben hat, zu demonstrieren. In Bahrain wurde diese Demokratiebewegung vonseiten Saudi-Arabiens mit gepanzerten Fahrzeugen unterdrückt. Wenn es möglicherweise zu Lieferungen deutscher Panzer nach Saudi-Arabien kommt, wie wollen Sie dann ausschließen, dass diese Panzer unter Umständen gegen demokratische Bewegungen in diesem Land oder in den Nachbarländern eingesetzt werden? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich möchte Ihnen zunächst einmal danken, dass Sie mir die Gelegenheit geben, klarzustellen, ob Saudi-Arabien mit Kampfpanzern in Bahrain vorgegangen ist. Ich habe mich natürlich bei den Militärattachés in unseren Auslandsvertretungen erkundigt, was vor Ort geschehen ist; diese Ereignisse haben uns im Auswärtigen Amt sehr beunruhigt. Mir wurde von den Militärattachés vor Ort gesagt, dass Saudi-Arabien in Bahrain keine Kampfpanzer eingesetzt hat, sondern insbesondere - was schlimm genug ist - mit Polizeieinheiten vorgegangen ist. Um es konkret zu sagen: Es waren Spezialeinheiten aus Armee und Sicherheitsdiensten, die am 13. März 2011 zum Einsatz kamen. (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Wo es Tote gegeben hat!) Nach unseren Erkenntnissen sind alle fünf Golfkooperationsratspartner dort beteiligt gewesen: Mehr als 1 000 Mann der saudischen Nationalgarde, 500 Polizisten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, 45 Offiziere aus Katar sowie Marineeinheiten aus Kuwait waren dort im Einsatz. (Signalton) - Wenn Sie erlauben, Frau Präsidentin, würde ich das gerne länger ausführen. - Wir haben natürlich insistiert. Die saudische Regierung hat uns mitgeteilt, dass saudische Truppen sowie andere Golftruppen auf bahrainische Bitte hin entsandt wurden - und zwar auf einer klaren vertraglichen Grundlage: dem Beistandspakt von 2000 -, mit voller Unterstellung unter bahrainisches Kommando. (Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Alles Märchen!) Uns wurde mitgeteilt - - Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Präsidentin, ich sagte gerade: Ich glaube, es ist für die Abgeordneten interessant, zu diesem Thema ausführlichere Informationen zu bekommen. Deswegen würde ich meine Ausführungen gerne beenden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich weiß nicht, wie lange Sie noch reden möchten. Es geht aber weit über das hinaus, was wir verabredet haben. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Tut mir leid, Herr Abgeordneter, ich bin gerne bereit, Ihnen die Informationen dann nach der Fragestunde zu geben. (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Das Parlament will nichts davon wissen! Das ist die Konsequenz! Das ist wirklich albern!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin Hänsel. Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke, Frau Präsidentin. - Frau Staatsministerin, ich möchte konkret nachhaken: Wir haben die Umstände des Einmarsches von Saudi-Arabien nach Bahrain diskutiert. Von Ihnen und vom Außenminister kam die klare Ansage, dass das nicht akzeptiert und der Einmarsch verurteilt wird. Deswegen meine konkrete Nachfrage: Halten Sie in diesem Zusammenhang Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien für die adäquate Antwort auf den Einmarsch in Bahrain und die Unterstützung der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung dort? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Sie beziehen sich auf den ersten Teil der Fragen, die hier gestellt wurden. Ich kann nur bekräftigen: Ich bin nicht befugt - zudem ich selbst gar nicht Mitglied des Bundessicherheitsrates bin -, Ihnen dazu Auskunft zu geben. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage war aber ganz allgemein und nicht konkret!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Daðdelen hat die nächste Frage. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatsministerin, ich möchte an die Frage meines Kollegen Movassat anschließen und Sie fragen: Ist Ihnen bekannt, dass seit fast 20 Jahren ein Freihandelsabkommen zwischen den Golfstaaten - insbesondere Saudi-Arabien - und der Europäischen Union an - ich zitiere - lästigen Menschenrechtsfragen immer wieder gescheitert ist? Ist Ihnen in diesem Zusammenhang bekannt, dass Frau Merkel im Mai 2010 bei ihrer Reise in die Monarchendiktatur Saudi-Arabien der Familiendiktatur das Versprechen gab, sich aktiv für den Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen Saudi-Arabien und der Europäischen Union einzusetzen? Inwiefern hat man diese Menschenrechtsfragen inzwischen gelöst, weil sich ja die Bundeskanzlerin so aktiv für diese Familiendiktatur einsetzt, damit ein Freihandelsabkommen abgeschlossen werden kann? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Abgeordnete, ich sage Ihnen: Für die Bundesregierung sind Menschenrechte nicht verhandelbar. Sie sind Prinzip deutscher Außenpolitik. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Das sehen wir ja! Panzer-Menschenrechte!) Wir betreiben eine werteorientierte Außenpolitik. Ich will aber noch einmal deutlich machen, dass uns auch die Stabilität in der Region sehr wichtig ist. Saudi-Arabien hat, was die Stabilität und die Sicherheit in der Region anbelangt, eine gewichtige Rolle zu spielen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen zur dringlichen Frage 5 des Kollegen Movassat: Wie bewertet die Bundesregierung im Zusammenhang mit der möglichen Lieferung von Panzern an Saudi-Arabien die Menschenrechtssituation in dem Land, vor allem vor dem Hintergrund, dass im Zuge der Proteste in Nordafrika und im Nahen Osten immer wieder Militär gegen Demonstranten zum Einsatz kam und es bereits saudi-arabische Militäreinsätze gegen Demonstranten in Bahrain gegeben hat? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Abgeordneter, bezüglich einer von Ihnen angeführten möglichen Lieferung von Panzern an Saudi-Arabien möchte ich auf die vorhergehenden Antworten verweisen. Die Bundesregierung setzt sich im Rahmen ihrer bilateralen Beziehungen mit Saudi-Arabien für die Einhaltung der Menschenrechte ein; das hatte ich immer wieder bekräftigt. In dieser Hinsicht bestehende Defizite werden von der Bundesregierung und der EU gegenüber der saudischen Regierung regelmäßig thematisiert. Die EU führt seit 2009 einen Dialog zu Menschenrechtsthemen mit Saudi-Arabien; das wurde von meinem Kollegen, Staatssekretär Otto, schon erwähnt. Sie haben ja auch den Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik zur Kenntnis genommen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben das Wort zu einer Nachfrage. Bitte schön. Niema Movassat (DIE LINKE): Danke, Frau Präsidentin. - Frau Staatsministerin, Sie haben gerade von der Stabilität in der Region gesprochen. Mich würde in diesem Zusammenhang schon interessieren: Welche Gefahren sehen Sie aus außenpolitischer Sicht für die Stabilität der Region, wenn hier ein Staat militärisch aufgerüstet wird, möglicherweise - wir wissen es nicht, bzw. Sie wollen es uns nicht sagen - mit deutschen Kampfpanzern? Sehen Sie die Gefahr eines Wettrüstens in dieser Region? Spielt das bei Ihren sicherheitspolitischen Erwägungen in Bezug auf Waffenlieferungen eine Rolle? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung orientiert ihre Außenpolitik an Fakten und nicht an hypothetischen Unterstellungen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Bitte schön. Niema Movassat (DIE LINKE): Leider können wir hier nur Hypothesen aufstellen, da Sie auf alle Fragen zu Fakten keine Antwort geben wollen. Meine zweite Frage - auch hier geht es um eine Hypothese; aber da es bekannt ist, dass Sie in der Vergangenheit Rüstungsgüter geliefert haben, ist die Frage durchaus konkret -: Wie schließen Sie aus, dass Saudi-Arabien Waffen, die aus Deutschland geliefert worden sind, im Falle eines Aufstands möglicherweise gegen die eigene Bevölkerung einsetzt? Sehen Sie in dem Falle, dass die Waffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden, eine Mitverantwortung? Sind Sie bereit, dafür die politische Verantwortung zu tragen? Wir haben gesehen, dass saudische Truppen und saudische Grenzpolizisten, die von der Bundespolizei ausgebildet worden sind, mit deutschen Sturmgewehren ausgerüstet in das jemenitische Grenzgebiet einmarschiert sind. Das heißt, hier wurde die deutsche Ausstattungs- und Ausbildungshilfe konkret genutzt. Es ist nicht auszuschließen, dass diese im ähnlichen Falle einer Demokratie- und Protestbewegung in Saudi-Arabien ebenfalls genutzt wird; dann könnten vielleicht Leopard-Panzer gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden. Wie würden Sie sich dann verhalten? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Die Bundesregierung verurteilt den gewaltsamen Einsatz von Polizisten und Waffen gegenüber friedlichen Demonstranten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die nächste Nachfrage kommt vom Kollegen Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Frau Staatsministerin, ich würde gerne auf die konkrete Situation in Saudi-Arabien zu sprechen kommen. Wir haben erfahren, dass wir über mögliche Lieferungen eben nichts erfahren. Wir haben aber zumindest aus der Presse erfahren, dass es weitere Lieferungen von Rüstungsgütern im Umfang von - wenn ich das richtig weiß - fast 75 Milliarden Euro geben wird, die zwischen Saudi-Arabien und den USA vereinbart sind. Auch Frankreich liefert Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die saudi-arabische Regierung unbedingt weitere Rüstungsgüter im Land braucht, um Stabilität herzustellen, oder ist sie mit mir der Meinung, dass es vielleicht ein Zuviel an Rüstung und ein Zuwenig an Kooperation und Dialog mit den Nachbarstaaten gibt? (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Der Hauptschwerpunkt unserer außenpolitischen Arbeit liegt natürlich auf dem Dialog und der Verteidigung der Menschenrechte und auf unseren Werten, nicht auf dem Rüstungsexport. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt echt keine Antwort! Manchmal sind die Fragen das Wichtige!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Daðdelen, bitte. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatsministerin, Ihr Kollege, Herr Otto, hat gesagt, dass die Zusammenarbeit, insbesondere die sicherheitspolitische Zusammenarbeit, mit Saudi-Arabien mit dem Kampf gegen den Terrorismus begründet ist; Saudi-Arabien leiste einen so großen Beitrag im Kampf gegen den Terrorismus. In diesem Zusammenhang frage ich Sie: Wie erklären Sie es sich - das ist im Rahmen der WikiLeaks-Enthüllungen herausgekommen; diese Information wurde nirgendwo dementiert -, dass Saudi-Arabien - ich zitiere aus einer Depesche - "die bedeutendste Quelle bei der Finanzierung sunnitischer Terrorgruppen weltweit" ist? Wie können Sie es im Namen des Antiterrorismus begründen, mit Saudi-Arabien zusammenzuarbeiten, wenn doch Saudi-Arabien nachweislich einer der größten Finanziers von Terroristen weltweit ist? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Abgeordnete, die Bundesregierung bezieht ihre Informationen nicht aus WikiLeaks; das will ich als Erstes festhalten. Aufgrund solcher Informationen ist es nicht möglich, die Außenpolitik strategisch aufzubauen. Ich füge hinzu: Bei allen Bedenken, die wir haben, ist uns die Stabilität in dieser Region sehr wichtig. Zu Recht hat Herr Staatsminister von Klaeden darauf hingewiesen, dass Saudi-Arabien nicht nur wirtschaftlich und politisch ein wichtiger Partner ist, sondern auch, wenn es um die Bewältigung von Krisen in der Region geht. Saudi-Arabien war zum Beispiel während der Jemen-Krise (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Krise?) eines jener Länder, die versucht haben, zu vermitteln. Saudi-Arabien engagiert sich in Afghanistan, indem es zivile Unterstützung anbietet. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Erhaltung der Herrschaft!) Auch wenn das manchmal wenig erscheint, so trägt es doch zur Stabilität in der Region bei, und darauf kommt es in der Zukunft an. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Stinner, bitte. Dr. Rainer Stinner (FDP): Frau Staatsministerin, sind Sie bereit, den verehrten Kolleginnen und Kollegen mitzuteilen, in welch unglaublich großem Umfang die Bundesrepublik Deutschland zu Zeiten der rot-grünen Koalition Kleinwaffen nach Saudi-Arabien geliefert hat? (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hatten wir doch schon!) Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Abgeordneter, das Volumen der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien ist unter Rot-Grün enorm gestiegen. Nach meinem Kenntnisstand sind Rüstungsexporte in einer Größenordnung von 40 bis 60 Millionen Euro genehmigt worden. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist geliefert worden? - Gegenruf des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Nagelfeilen waren es nicht, Frau Roth! - Gegenruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Handfeuerwaffen sind schlimm genug, Herr Lindner! Aber das andere sind Kampfpanzer! Peinlich! Von Ihnen hätte ich das nicht gedacht! - Gegenruf des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sie sind peinlich!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Hänsel. Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke schön, Frau Präsidentin. - Frau Staatsministerin, ich möchte noch einmal nachhaken, da es sich nicht nur um Informationen von WikiLeaks handelt. Auch Hillary Clinton wurde in der New York Times zitiert, dass sie Saudi-Arabien als eine der Hauptquellen für die Finanzierung des internationalen Terrorismus sieht und dass es eine permanente Herausforderung ist, die Beamten davon zu überzeugen, dass diese Finanzierung nicht fortgeführt werden darf. Deswegen möchte ich nachfragen: Inwieweit ist die Unterstützung Saudi-Arabiens mit Rüstungsgütern ganz allgemein ein Beitrag zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Der Bundesregierung liegen keine Beweise dafür vor, dass die saudi-arabische Regierung Terroristen finanziert und ausbildet. (Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Das ist eine Monarchie!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die dringliche Frage 6 der Kollegin Sabine Leidig wird schriftlich beantwortet. Nach den dringlichen Fragen kommen wir nun zu den Mündlichen Fragen auf Drucksache 17/6386, und zwar zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Fragen 1 und 2 des Kollegen Klaus Ernst, die Fragen 3 und 4 des Kollegen Manfred Nink und die Frage 5 des Kollegen Klaus Hagemann werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Fragen 6 und 7 der Kollegin Brigitte Pothmer werden schriftlich beantwortet. Die Frage 8 des Kollegen Kai Gehring wird nach der Frage 19 aufgerufen. Die Frage 9 des Kollegen Kai Gehring wird schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 10 und 11 der Kollegin Sabine Zimmermann. Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Markus Kurth auf: Wie möchte die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass die Qualität bei Ausschreibungen von Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung gemäß § 46 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch künftig stärker in der Phase der Zuschlagserteilung Berücksichtigung findet, und wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die in ihren schriftlichen Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages zu den Integrationsfachdiensten am 4. Juli 2011 geäußerten Vorschlag der Bundesagentur für Arbeit sowie der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, BDA, bei Ausschreibungen künftig die Qualität stärker zu gewichten, indem "Eignungsaspekte mit einem spezifischen Bezug zur Auftragsausführung" - zum Beispiel bisherige Eingliederungserfolge, spezifische Erfahrungen im entsprechenden Bereich, regionale Vernetzung eines Trägers - künftig in die fachliche Wertung einfließen müssen? Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fuchtel zur Verfügung. Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Kurth, die Bundesregierung unterstützt die Vorschläge der Bundesagentur für Arbeit und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, bei Ausschreibungen künftig die Qualität stärker zu gewichten, indem man im Rahmen des rechtlich Möglichen Eignungsaspekte mit einem spezifischen Bezug zur Auftragsausführung in die fachliche Bewertung einfließen lässt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kurth, Sie haben eine Nachfrage? Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, ich habe eine Nachfrage. - Darf ich Ihre Antwort so verstehen, dass die Bundesregierung eine weitere Initiative zur Veränderung der Vergabeverordnung unternehmen will, um es zu ermöglichen, dass Qualität nicht nur als Eignungs-, sondern auch als Zuschlagskriterium gewertet werden kann? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege, zunächst darf ich darauf hinweisen, dass wir versuchen, gesetzliche Regelungen umzustellen, die in der Regierungszeit von Rot-Grün entstanden sind, und wir bereits zwei Versuche unternommen haben, diese Bestimmungen zu verändern. Zum einen war das im Jahr 2009. Damals hat der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen das Vorhaben nicht mitgetragen. Der zweite Versuch war im Jahr 2010, als die Verdingungsordnung für Leistungen aufgrund europäischer Rechtsvorgaben verändert werden sollte. Dieses Vorhaben wurde von den Ländern nicht unterstützt. Natürlich sind wir daran interessiert, dass man weitere Bemühungen unternimmt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kurth, haben Sie eine weitere Nachfrage? Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich verstehe Ihre Antwort so, dass Sie Interesse an neuerlichen Bemühungen haben. Seit Ihren damaligen Vorstößen hat sich die Zusammensetzung einiger Landesregierungen verändert. Sehe ich das richtig, dass Sie die Stellungnahme der BDA in der Anhörung, die vorgestern durchgeführt wurde, dahin gehend deuten, dass ein solcher Vorstoß auch vonseiten der deutschen Wirtschaft bzw. der Arbeitgeberverbände unterstützt würde? Unternehmen Sie in näherer Zukunft einen solchen Vorstoß? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass die Bundesregierung hier nicht des Anstoßes von außen bedarf. Wir haben uns bereits im Mai in unserer Stellungnahme zum Grünbuch der EU-Kommission zur Modernisierung des Vergaberechts für einen entsprechenden Vorschlag eingesetzt, und wir bemühen uns zurzeit sehr darum, dass die unterbreiteten Vorschläge auf die Zustimmung der anderen Mitwirkenden stoßen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich rufe nun die Frage 13 des Kollegen Kurth auf: Wie bewertet die Bundesregierung den vom Geschäftsführer des Integrationsfachdienstes gGmbH Köln, Hanspeter Heinrichs, in seiner schriftlichen Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages zu den Integrationsfachdiensten am 4. Juli 2011 geäußerten Umstand, wonach durch die Notwendigkeit der öffentlichen Ausschreibung der Vermittlungsunterstützung derzeit im Rheinland keine flächendeckende Regelleistung für arbeitslose schwerbehinderte Menschen nach § 109 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch existiert, und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur genannten Ausschussanhörung geäußerten Forderung, zu überprüfen, ob im Sinne stabiler Rahmenbedingungen "statt 36-monatiger Vergaben besser noch länger laufende Rahmenverträge eingesetzt werden sollten, wie es derzeit bei den Ausschreibungen der Unterstützten Beschäftigung (insbesondere wegen der langen individuellen Verweildauern) nach § 38 a SGB IX geschieht"? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege, die Bundesregierung hält die Einschätzung des Herrn Heinrichs, den Sie zitieren, bezüglich der Situation im Rheinland für nicht zutreffend. Auch im Rheinland gibt es derzeit nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit - das ist mein derzeitiger Informationsstand - eine flächendeckende Betreuung arbeitsloser schwerbehinderter Menschen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kurth, eine Nachfrage? - Bitte sehr. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gleichwohl ist in der Anhörung, die vorgestern durchgeführt wurde, vonseiten der Bundesagentur für Arbeit gesagt worden, dass nur 108 Dienststellen in 73 Agenturbezirken Ausschreibungen vorgenommen haben. Von der Bundesregierung habe ich erfahren, dass in 115 weiteren Dienststellen noch Verträge für die sogenannten Integrationsfachdienste laufen. Gleichwohl muss man annehmen, dass eine Versorgungslücke besteht, dass in einer ganzen Reihe von Agenturbezirken - die genaue Zahl konnte mir die Bundesregierung bis jetzt noch nicht nennen - kein Integrationsfachdienst bzw. kein entsprechendes Vermittlungsangebot vorgehalten wird. Der Vertreter der BA wiederum meinte, es gäbe keine Versorgungslücke, es gäbe gleichwertige Angebote. Welche Alternativen bestehen denn für den Kreis der von Arbeitslosigkeit besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen, wenn es keinen Integrationsfachdienst gibt? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Wenn dies zutreffen würde, was wir derzeit überprüfen, wäre zu sagen: Es gibt laufende Verträge mit Integrationsfachdiensten; dann gibt es Maßnahmen, die im Rahmen allgemeiner Maßnahmen durchgeführt werden, an denen auch schwerbehinderte Arbeitslose teilnehmen; und es gibt Maßnahmen von Trägern, die durch Ausschreibungen neu gewonnen wurden. Eine Betreuungslücke für diesen Personenkreis können wir daher im Augenblick nicht feststellen. Wir berufen uns dabei auf die Informationen der Bundesagentur. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kurth, Sie haben noch eine Nachfrage? Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mir scheint dennoch, dass durch diese isolierte Ausschreibung der Vermittlung das, was der Gesetzgeber mit §§ 109 bis 111 SGB IX beabsichtigt hat, nämlich eine integrierte nahtlose Vermittlung und Betreuung und ein Assessment von Menschen mit Behinderungen, nicht sichergestellt ist. Inwieweit teilt die Bundesregierung die in der Anhörung von allen Sachverständigen geäußerte Befürchtung, dass eine als integrierte Leistung angelegte Sozialleistung zersplittert und nicht einheitlich erbracht wird? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Sie wissen, dass kürzlich im Kabinett der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen beschlossen wurde. Sie können davon ausgehen, dass im Rahmen der Umsetzung dieses Planes auch diese Fragestellung ganz intensiv behandelt wird. Wir haben das Ziel, zum Wohle der betroffenen Menschen zu arbeiten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Vielen Dank. - Die Fragen 14 und 15 des Kollegen Dr. Ilja Seifert werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Fragen 16 und 17 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Ich rufe Frage 18 der Kollegin Sevim Daðdelen auf: Worin bestanden die "bi- und trilateralen Ausbildungshilfen für die irakischen Streitkräfte", an denen sich nach Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Verteidigung, Christian Schmidt, auf der jährlich in Bahrain stattfindenden "IISS Manama Dialogue"-Konferenz Deutschland beteiligte und die demnach im Jahr 2006 verlängert wurden - www.iiss.org/conferences/the-iiss-regional-security-summit/manama-dialogue-archive/the-manama-dialogue-2006/plenary-sessions-and-speeches/day-two-plenary-sessions/ address-by-christian-schmidt -, im Detail, und wann wurde der Deutsche Bundestag über diese Maßnahmen bzw. deren Verlängerung informiert? Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Kollegin, die trilateralen Ausbildungshilfen zwischen 2004 und 2008, die ich bei meiner Rede in Bahrain im Jahr 2006 erwähnt habe, bestanden aus drei Projekten. Die Beteiligten waren neben uns die Vereinigten Arabischen Emirate und der Irak. Die Projekte waren die Ausstattung mit und die Ausbildung an Lkw, die Unterstützung beim Aufbau eines Baupionierverbandes sowie die Ausstattung und Ausbildung eines Nachschub- und Transportverbandes inklusive einer Sanitätskomponente. Im gleichen Zeitraum wurde eine Vielzahl von bilateralen Projekten durchgeführt. Diese bestanden aus der Teilnahme an Lehrgängen an verschiedenen Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr, zum Beispiel Sprachenausbildung beim Bundessprachenamt und Ausbildung im Rahmen des Nationalen Lehrgangs Generalstabs-/Admiralsstabsdienst mit internationaler Beteiligung sowie im Bereich des Sanitätswesens aus einer Überlassung von 23 Krankenkraftwagen und Material. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Daðdelen, Sie haben eine Nachfrage? Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Ja, vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Staatssekretär, 2006 und 2009 haben Sie als Staatssekretär an dieser Konferenz teilgenommen, 2007 und 2010 haben Sie als Repräsentant der Bundesregierung teilgenommen und sich dort zu Wort gemeldet. In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, womit die Bundesregierung die Anwesenheit eines ihrer Repräsentanten auf dieser Konferenz begründet, da es sich hier doch offensichtlich um eine Verbesserung der Sicherheitskooperation mit Diktaturen handelt; mit der Zusammenarbeit mit Diktaturen scheinen Sie als Bundesregierung besonders Erfahrung zu haben. Wird die militärische Kooperation im Rahmen des Golfkooperationsrates auch nach den Ereignissen in Bahrain - über diese haben wir auch im Zusammenhang mit Saudi-Arabien gesprochen - und im Jemen seitens der Bundesregierung per se als Fortschritt angesehen? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, mit der Linkspartei einen Wettbewerb bezüglich der Erfahrungen mit der Kreation von Diktaturen einzugehen. Diese Expertise ist in diesem Hause eindeutig verteilt und liegt bei Ihrer Partei. (Zuruf von der LINKEN: Das ist eine Dreistigkeit!) - Jeder Zwischenruf demaskiert nur den, der sich dazu äußert. Die Bundesregierung hat den Anspruch, sich in internationalen sicherheitspolitischen Dialogen einzubringen. Dieser Dialog - er wird übrigens vom Internationalen Institut für Strategische Studien, das in London ansässig ist und international höchstes Renommee genießt, veranstaltet - führt dazu, dass bei diesen ganz wichtigen Konferenzen ein Austausch über Sicherheitslagen stattfindet. So waren im Jahr 2006 insbesondere die Weiterentwicklung eines friedlichen Irak und die Bedrohung durch die iranische Nuklearrüstung ganz entscheidende Themen. Wir halten es für außerordentlich notwendig, dass sich unser Land an dieser Diskussion führend beteiligt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Daðdelen, Sie haben eine weitere Nachfrage? - Bitte sehr. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, ich bitte darum, dass wir in Sachen Iran bei den Fakten bleiben. - Zum Punkt "Sicherheitskooperationen mit Diktaturen" möchte ich Sie gern noch einmal explizit Folgendes fragen: Welche Staaten des Golfkooperationsrates sieht die Bundesregierung als Demokratien und welche als Diktaturen an? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, Sie stellten in Bezug auf einen ganz spezifischen Punkt eine Frage. Ich bin der Ansicht, dass wir - bei allem Respekt - bei dieser Frage bleiben sollten. (Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Ich bin bei der Frage!) - Nein, Sie haben mich gefragt, was ich zum Thema der trilateralen Kooperation mit dem Irak gesagt habe. Das habe ich zitiert und bestätigt. Wenn Sie nun mittels einer Zusatzfrage versuchen, Kategorisierungen zu erreichen, will ich dazu sagen: Natürlich führt der Umgang mit den Staaten in dieser Region zu der Erkenntnis, dass es da nicht überall - um einen früher verwendeten Begriff zu nehmen - "lupenreine Demokraten" gibt, ganz und gar nicht. Aber gerade die Diskussionen und die Sanktionen beispielsweise in Bezug auf den Iran sind ganz wichtig. Das heißt auch, dass man mit den regionalen politischen Spielern bzw. den Ländern, die in dieser Region Verantwortung tragen, in einen Dialog eintreten muss. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Frage 19 der Kollegin Katja Keul wurde zurückgezogen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Hier steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hermann Kues zur Verfügung. Die Frage 8 des Kollegen Kai Gehring sowie die Fragen 20 und 21 der Kollegin Caren Marks sind zur schriftlichen Beantwortung vorgesehen. Ich rufe Frage 22 der Kollegin Heidrun Dittrich auf: Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf oder Lösungsvorschläge zur Entschädigung der ehemaligen Heimkinder der 50er- und 60er-Jahre vorlegen? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Kollegin, die Bundesregierung plant, voraussichtlich im September Vorschläge zur Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches "Heimerziehung in den 50er- und 60er-Jahren" vorzulegen. Es sind bereits Vorgespräche mit den Ländern und den Kirchen auf der Basis des Beschlusses der Jugend- und Familienministerkonferenz vom 27. Mai 2011 angelaufen. Allerdings benötigt die Bundesregierung einen klaren Auftrag des Bundestages als Initiator des Runden Tisches "Heimerziehung", um den genauen Rahmen für die weiteren Gespräche abstecken zu können. Davon hängt auch der Zeitplan ab; er ist also an einen Auftrag des Bundestages gebunden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Dittrich, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte sehr. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Danke. - Wenn ich Sie richtig verstanden habe, plant die Bundesregierung keinen Gesetzentwurf zur Entschädigung der Heimkinder, die in den 50er- und 60er-Jahren in den Kinderheimen der Bundesrepublik unter Gewalt gelitten haben. Wenn Sie keinen Gesetzentwurf planen, bedeutet dies, dass das Parlament an dem Verfahren nicht mehr beteiligt ist. Es bedeutet weiter, dass Sie die Lösung für eine Entschädigung von Heimkindern bzw. die Erarbeitung von Kriterien dafür außerhalb des Gesetzgebungsverfahrens bzw. des Bundestags angesiedelt haben. Deshalb frage ich Sie: Wozu fand im Bundestag eine öffentliche Anhörung mit zehn Sachverständigen und den betroffenen Heimkindern statt, wenn Sie die gegebenen Empfehlungen nicht mehr im Parlament behandeln oder in ein Verfahren einfließen lassen wollen? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich sage noch einmal: Die Initiative zu dem Runden Tisch "Heimerziehung" ist vom Bundestag ausgegangen. Der Bundestag hat das Verfahren in seiner Hand, und der Bundestag wird auch einen Vorschlag dazu unterbreiten; er liegt noch nicht vor. Dann wird die Bundesregierung handeln. Das heißt, im Grunde genommen richtet sich Ihre Frage an den Bundestag und nicht an die Bundesregierung. Der Bundestag hat dies so entschieden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine zweite Nachfrage, Frau Dittrich. - Bitte. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Sie wissen ebenso gut wie ich, dass dazu zwei Anträge vorliegen, einer von der Fraktion Die Linke, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen, um für Rechtssicherheit zu sorgen. Außerdem wird darin gefordert, die Anträge aller anderen Fraktionen zu einem gemeinsamen Antrag zusammenzufassen. Vom Bundestag, also vom Gesetzgeber, sollen Lösungsvorschläge erarbeitet werden, die die Bundesregierung in Taten umwandeln möge. Diese Taten - das haben Sie schon gesagt - werden Sie nicht in Form der Erarbeitung eines Gesetzentwurfes ergreifen. Das bedeutet: Auch nach der morgigen Debatte, wenn wir über die Anträge diskutiert haben, wird von der Bundesregierung kein Gesetzentwurf erarbeitet. Das bedeutet auch - danach frage ich Sie -: Über die Einbeziehung der betroffenen Heimkinder muss sozusagen zwischen den kirchlichen Trägern, den Bundesländern und den staatlichen Trägern bzw. den Heimträgern verhandelt werden. Genau das sollte aber, wie die Expertenanhörung ergeben hat, eigentlich nicht geschehen. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Das war keine Frage. Das, was Sie gerade vorgelesen haben, war ein Kommentar. Sie kommentierten das, was der Bundestag entschieden hat. Damit hat die Bundesregierung zunächst einmal nichts zu tun. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Ja, ja! Die Bundesregierung hat nie mit irgendetwas zu tun!) Darüber müssen Sie, die Abgeordneten, untereinander diskutieren. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Ich rufe die Frage 23 des Kollegen von Notz auf: Welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung im Nachgang des Ehec-Ausbruchs, um im Sinne der Katastrophenvorsorge Verbesserungen des bestehenden Pandemiereaktionssystems zu gewährleisten, und wie bewertet sie die Einlassung insbesondere von Universitätsprofessor Dr. Helge Karch von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wonach er bzw. sein Laboratorium erst nach 14 Tagen von der Häufung von Fällen des HUS-Syndroms erfahren habe? Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach zur Verfügung. - Bitte. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Sehr geehrter Herr Kollege von Notz, die Bundesregierung antwortet wie folgt: Sie wird kurzfristig die in § 11 des Infektionsschutzgesetzes geregelten Übermittlungsfristen und Verfahren überprüfen und sie im Rahmen einer entsprechenden Gesetzesinitiative an die Erfordernisse anpassen. Gemeinsam mit den Ländern wird sie die Möglichkeiten zur Einführung einer neuen, einheitlichen Informationstechnologie, die eine rasche Übermittlung der Meldungen durch den Arzt bzw. das Krankenhaus erleichtert, prüfen. Derzeit vergehen unterschiedlich lange Zeiträume - von wenigen Tagen bis zu einigen Wochen - bei der Übermittlung von meldepflichtigen Erkrankungen. Beim Ehec-Geschehen sind zusätzlich die lange Inkubationszeit von 2 bis 15 Tagen und somit ein verzögertes Auftreten der HUS-Symptomatik sowie eine längere Dauer der Labordiagnostik von mehreren Tagen zu berücksichtigen. Die Gesundheitsministerkonferenz hat im Rahmen ihrer 84. Sitzung in Frankfurt unter anderem an die Ärzteschaft appelliert, den Meldeverpflichtungen im Interesse der Patienten und Patientinnen und zur Unterstützung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes fristgerecht nachzukommen. Am 19. Mai wurde das Robert-Koch-Institut über das Ausbruchsgeschehen in Hamburg informiert. Es gab die Information an das Nationale Referenzzentrum für Salmonellen und andere Enteritiserreger am RKI unmittelbar weiter. Das NRZ informierte am 20. Mai das Konsiliarlabor für HUS bzw. Herrn Professor Karch über die Vorfälle in Hamburg. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr von Notz, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte schön. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich habe eine Nachfrage zu den Versorgungskapazitäten im Hinblick auf HUS-Erkrankte und ähnlich schwer Erkrankte. Wie beurteilen Sie die Kapazitäten deutscher Krankenhäuser zur Versorgung von Schwersterkrankten, wie es sie im Rahmen der Ehec-Epidemie gegeben hat? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege von Notz, wir konnten konstatieren, dass die Krankenhäuser in den betroffenen Regionen, wo immer es möglich war, auf entsprechende Ressourcen zurückgreifen konnten. Uns ist nicht bekannt, dass es bei diesem Ehec-Ausbruch zu einer Ressourcenverknappung kam. Selbstverständlich werden parallel zu den derzeitigen Prüfvorgängen auch Diskussionen darüber geführt, wie wir die Sicherheit an dieser Stelle in Zukunft noch weiter erhöhen können. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit sind wir am Ende der Fragestunde.1 Ich rufe Zusatzpunkt 3 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE gemäß Anlage 5 Nummer 1 Buchstabe b GO-BT zu den Antworten der Bundesregierung auf die dringlichen Fragen 1 und 2 auf Drucksache 17/6438 Dabei geht es um die Panzerlieferungen an Saudi-Arabien. Als Erstem gebe ich Jürgen Trittin für Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Jahr 2011 wird als das Jahr des arabischen Frühlings in die Geschichte eingehen. In zahlreichen Ländern haben Menschen unter Einsatz ihres Lebens für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte gestritten. Sie haben despotische Regime gestürzt. Unser Außenminister wurde nicht müde, zu betonen, dass Deutschland alles tun würde, um diese Menschen zu unterstützen. (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Die Regierung ist kopflos! - Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Niemand ist da! Das gibt es nicht!) Schauen wir einmal nach Bahrain. Da wurde die Demokratiebewegung blutig unterdrückt. Das sunnitische Herrscherhaus setzte der eigenen, mehrheitlich schiitischen Bevölkerung eine ganze Armada entgegen. Saudi-Arabien - tausend Soldaten - und Katar entsandten Truppen und kartätschten die Demokratiebewegung blutig nieder - übrigens dasselbe Katar, das in Libyen an der Seite westlicher Staaten gegen Gaddafi kämpft. Bleiben wir aber bei Bahrain. Wo steht Deutschland? Wo steht Herr Westerwelle, wo steht Herr Rösler, und wo steht Frau Merkel? Alle drei stehen nicht auf der Seite der Bevölkerung von Bahrain. Sie stehen nicht auf der Seite der Demokratie. Schwarz-Gelb steht an der Seite der Despotie. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Bereits 2009 hat die Bundesregierung eine Voranfrage für Leopard-Panzer an Katar positiv beschieden. Nun will sie 200 Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien liefern. Mit ist nach der Fragestunde auch klar, warum Sie solche Sachen auf Teufel komm raus geheim halten müssen. Ansonsten würde nämlich die ebenso ungeheuerliche wie peinliche Wahrheit über die Außenpolitik von Schwarz-Gelb offenbart. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Sie liefern die modernsten Panzer der Welt an ein autoritäres Königreich, das die Menschenrechte mit Füßen tritt, Menschen den Kopf und die Hände abhackt und Frauen das Autofahren verbietet, ein Land, das anderen Despoten hilft, an der Macht zu bleiben, und zwar mit Panzern, mit massiver physischer Gewalt. Das ist nicht zum Lachen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Dieses Land hat noch eine andere Eigenschaft: Es ist reich an Öl. Das scheint der Grund für die Leisetreterei und die Waffenlieferungen zu sein. (Beifall des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ihre Außenpolitik ist nicht wertegeleitet. Mir scheint es fast so, als wenn die Außenpolitik von Schwarz-Gelb dem gleichen Businessplan folgt wie Ihre Steuerpolitik. Geld ist Ihnen offensichtlich wichtiger als demokratische Rechte. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ein Quark!) Rüstungsexporte waren schon immer problematisch. Das gilt übrigens auch für die rot-grüne Regierungszeit. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Aha!) - Ja. - Das ist auch einer der Gründe dafür, warum wir mit Frau Roth an der Spitze im Jahr 2000 die Rüstungsexportrichtlinien auf den Weg gebracht haben, gegen die Sie jetzt zu verstoßen beabsichtigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Jetzt kommen wir einmal zu den Lehren aus dem arabischen Frühling. Vielleicht führen Sie sich noch einmal die Rede, die die Kanzlerin in München auf der Sicherheitskonferenz gehalten hat, vor Augen. Dort können Sie vieles nachlesen. Wenn man das zusammenfasst, dann kann man als Lehre aus dem arabischen Frühling eines sagen: Despotie schafft keine Gerechtigkeit und keine Stabilität. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Niemals war klarer, dass das nicht nur eine moralische, sondern eine höchst realpolitische Frage ist. Es war eben falsch, die Mubaraks und Ben Alis zu unterstützen. Aber genauso falsch ist es, heute Abdullah Al Saud Waffen für den Kampf gegen die eigene Bevölkerung und die Bevölkerung in Bahrain zu liefern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Die Responsibility to protect, die Verantwortung zum Schutz, beginnt nicht erst, wenn die Panzer eingesetzt werden, sondern sie beginnt schon, wenn die Panzer geliefert werden sollen. Werden Sie dieser Verantwortung gerecht! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es geht nicht nur um Werte; sondern auch um unsere Interessen. Sie missachten beides. Sie behaupten hintenherum, Sie wollten ein Gegengewicht zum Iran schaffen. Ich sage Ihnen: Das Gegenteil ist der Fall. Sie schaffen für den Iran eine neue scheinheilige Rechtfertigung, weiter aufzurüsten. Sie stimulieren den Rüstungswettlauf im Nahen Osten. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Staatsmann Trittin!) Sie destabilisieren den Nahen Osten, und damit gefährden Sie auch die Sicherheit Israels. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Philipp Mißfelder [CDU/ CSU]: Was für eine Logik!) Es ist ein uralter Irrtum zu glauben, man könne sich weiter auf den Spuren von Donald Rumsfeld bewegen. Er hat einmal über Saddam Hussein gesagt - ich zitiere ihn -: "Er ist ein Schweinehund, aber er ist unser Schweinehund." Der Fehler ist, zu glauben: Unsere Despoten helfen gegen andere Despoten. Diese Politik hat den Iran immer stärker gemacht. Es ist Zeit, mit diesem Irrtum endlich aufzuräumen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Deswegen sage ich Ihnen: Stellen Sie sich an die Seite der Demokratie! Sorgen Sie für Stabilität im Nahen Osten! Nehmen Sie die Sicherheit des Staates Israels ernst! Dann müssen Sie den Beschluss, diese Panzer zu liefern, zurücknehmen. Eine solche Lieferung kann nicht im Interesse Deutschlands sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Trittin, lassen Sie den Leo im Dorf. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) Dass Sie ein Empörungsgeheul anstimmen und die Moralkeule schwingen, ist scheinheilig und auch nicht im deutschen Interesse. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Deutschland hat, wie wir alle wissen, wenn nicht die restriktivsten, dann mit die restriktivsten Rüstungsexportrichtlinien in dieser Welt. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Blödsinn!) Der Export orientiert sich am Sicherheitsbedürfnis und an den außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Aber nicht an Menschenrechten!) Sollte der Bundessicherheitsrat in dieser Situation eine solche Entscheidung getroffen haben, dann hat er sie mit Sicherheit im Lichte der aktuellen Überlegungen und der aktuellen Lage getroffen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und bricht total alle Richtlinien!) Er hat die Richtlinien restriktiv und verantwortungsbewusst gehandhabt, und zwar im deutschen Interesse. Deshalb sind überhaupt keine Richtlinien gebrochen worden, genauso wenig wie die Richtlinien gebrochen wurden, als Rot-Grün seinerzeit dieselben deutschen Interessen festgestellt hat und Rüstungsgüter im Wert von über 260 Millionen Euro nach Saudi-Arabien geliefert hat. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Aha! - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das schaffen Sie in zwei Jahren! - Zuruf von der LINKEN: Das war auch damals schon falsch!) Selbstverständlich ist das eine sensible Entscheidung. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!) Fakt ist auch, dass Saudi-Arabien im Mittleren Osten eine stabilisierende Funktion einerseits Richtung Iran und andererseits Richtung Israel und Palästina einnimmt. (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) Deshalb ist es im außenpolitischen und sicherheitspolitischen Interesse, dass dort Stabilität herrscht. Fakt ist darüber hinaus, dass wir schlecht beraten wären, wenn wir als Deutschland vom Platz gingen, bevor das Spiel angepfiffen ist, und uns nachher wunderten, dass wir nicht mitspielen dürfen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? - Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist kein Spiel!) Deshalb halte ich es allemal für besser, im Spiel zu bleiben. Dann können wir auch Fragen zu Menschenrechten in die Diskussion einbringen. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Herr Pfeiffer spielt mit Panzern! Unglaublich!) Fakt ist außerdem, dass es auch im deutschen sicherheits- und außenpolitischen Interesse ist, langfristig unsere technologischen Fähigkeiten im Wehrtechnikbereich zu erhalten. Die Umgestaltung in Deutschland, etwa die Verkleinerung der Bundeswehr, ist sehr positiv. Ich will nicht, dass wir von anderen Technologien in dieser Welt abhängig werden, dass Deutschland importieren muss. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie würden auch nach Nordkorea liefern!) Deshalb will ich, dass wir die Technologien in Deutschland erhalten. Ich glaube, dies ist im wohlverstandenen sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands. Fakt ist weiterhin, dass wir solche Entscheidungen nicht allein, sondern gemeinsam mit unseren europäischen Verbündeten und den USA treffen sollten, damit wir nicht im Abseits stehen. Ich glaube, wir sollten aus manchen Entscheidungen der Vergangenheit lernen, dass dies der falsche Weg war. Insofern ist es richtig, dass wir im Verbund mit unseren Verbündeten unsere Verantwortung übernehmen, statt uns vom Acker zu machen und, wie das manche hier tun, ein scheinheiliges Empörungsgeheul in der Etappe zu verlautbaren. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind Menschenrechte! Menschenrechte sind kein scheinheiliges Empörungsgeheul!) Aus meiner Sicht ist es in Abwägung der außenpolitischen, sicherheitspolitischen, technologischen und auch volkswirtschaftlichen Interessen ganz klar im deutschen Interesse, dass wir auch unseren Beschäftigten in der Wehrindustrie dauerhaft eine Perspektive bieten und diese Technologien nicht aus der Hand geben. Deshalb halte ich dieses Vorgehen auch bei einer sensiblen Entscheidung wie dieser in der Abwägung für gerechtfertigt und richtig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Dr. Gregor Gysi hat das Wort für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN - Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Jetzt kommt pro Israel ganz groß!) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Mißfelder, es ist interessant, dass Sie sich gleich aufregen. Vielleicht hätten Sie in der Union und in der FDP kurz über die deutsche Geschichte nachdenken sollen. (Peter Beyer [CDU/CSU]: Und zwar über die jüngste deutsche Geschichte, Herr Gysi!) Dann hätten Sie vielleicht begriffen, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg eine Schlussfolgerung hätte geben müssen, nämlich dass wir nie wieder an Kriegen verdienen wollen. Sie aber praktizieren exakt das Gegenteil. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Reden Sie mal über DDR-Geschichte! Was lernen Sie denn aus der Zeit bis 1989?) - Hören Sie zu! - Wir sind der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Mehr Waffen verkaufen nur die USA und Russland. Wir liegen vor China, Frankreich und Großbritannien. Angesichts unserer Geschichte ist es nicht zu fassen, dass ein solcher Weg beschritten wird und dass die Rüstungslobby einen solchen Einfluss auf Ihre Parteien hat. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es war schon ein Fehler - damit haben Sie recht -, dass Rot-Grün zwischen 1999 und 2005 Waffenexporte im Wert von 260 Millionen Euro nach Saudi-Arabien genehmigt hat. Unter Schwarz-Rot gab es zwischen 2006 und 2009 genehmigte Waffenexporte im Wert von 440 Millionen Euro. Damit lagen wir bei etwa 700 Millionen Euro. Wegen des arabischen Frühlings gab es dann aber wenigstens einen Stopp. Jetzt hat man gesagt, es sei dort ein neues Spannungsgebiet entstanden. Sie beenden nun den Stopp, indem Sie gerade an das Regime von Saudi-Arabien 200 Panzer liefern. Das ist unerhört, und das hat unsere Bevölkerung nicht verdient. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Herr Trittin hat es schon angesprochen: In Bahrain gibt es eine Minderheit von Sunniten, die die Mehrheit der Schiiten unterdrückt. In Saudi-Arabien ist die Situation umgekehrt. Aus diesem Grund, abgesehen von seiner Bedeutung als amerikanischem Stützpunkt, unterstützt das dortige Königshaus Bahrain. Aber was ist Saudi-Arabien für ein Land? Was herrschen dort für Zustände? Ich darf Ihnen ein paar Beispiele nennen - Jürgen Trittin hat es schon gesagt -: Frauen dürfen nicht Auto fahren. Es gibt keine Wahlen. Es gibt keine legale Opposition. Es gibt Todesurteile. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Scharia! - Zuruf von der FDP: DDR!) Es gibt Folter. Es gibt öffentliche Auspeitschungen und das Abhacken von Händen. Und dahin liefern Sie Waffen und Panzer! Das ist doch nicht zu fassen. Das muss man ganz klar sagen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Bei der Begründung des Kriegs in Afghanistan heißt es immer: Es geht um den Kampf gegen Terrorismus. Das amerikanische Außenministerium hat bestätigt: Alles Geld für al-Qaida kommt aus Saudi-Arabien. Es kommt nicht direkt vom König - damit haben Sie recht, Frau Staatsministerin -, aber von reichen Familien in Saudi-Arabien; sie bezahlen al-Qaida. Was haben Sie jemals dagegen gesagt oder getan? Wie glaubwürdig ist ein Krieg gegen Terrorismus, wenn man gleichzeitig an diejenigen, die den Terrorismus bezahlen, Panzer liefert? Das ist nicht hinnehmbar. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Saudi-Arabien ist in Bahrain einmarschiert und hat auf die Demokratie- und die Freiheitsbewegung geschossen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viele Tote!) Es gab viele Tote. Es gibt viele Inhaftierte. Menschen sind im Krankenhaus und zittern um ihr Leben. Sie aber entscheiden sich, dorthin Waffen zu liefern, statt eine gegenteilige Politik zu betreiben. Herr Westerwelle hat erklärt, dass das nicht gehe: Wir dürften solche Regime nicht unterstützen. In Wirklichkeit passiert das Gegenteil. Jetzt betreiben Sie damit auch noch Geheimniskrämerei. Das ist der Gipfel. Dann sollten Sie es wenigstens öffentlich bekennen. Dann sollten Sie sich mit der Bevölkerung auseinandersetzen, statt sich hinter einem Schweigegebot zu verstecken. Wir haben einen Antrag gestellt, dass an Saudi-Arabien keine Waffen geliefert werden dürfen. Wenn der Bundestag ihn mit Mehrheit beschließen würde, dann brauchten Sie den Bundestag, um doch Waffen dorthin zu liefern. Dann bekämen wir endlich eine parlamentarische Kontrolle. Ich bin überhaupt dafür, dass wir das Gesetz ändern. Wenn es schon einen Waffenexport gibt, dann soll das Parlament das wissen und darüber entscheiden. Anders geht es meines Erachtens nicht. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]) - Sie wollen weiterhin ein Geheimnis daraus machen. Was haben wir davon? Erklären Sie mir doch einmal: Was haben wir davon, außer dass die Rüstungslobby daran verdient? Wissen Sie, was in den Richtlinien steht? In den Richtlinien steht, dass Waffenlieferungen den Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht schaden dürfen. Jetzt frage ich Sie einmal: Liegt es also im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass Saudi-Arabien in Bahrain einmarschiert? Liegt es im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass Saudi-Arabien in Bahrain auf Freiheitskämpfer und Demokratiekämpfer schießt? Liegt es im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass die Bevölkerung in Saudi-Arabien so behandelt wird, wie ich es Ihnen geschildert habe? Was liegt eigentlich im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, außer die Demokratie- und Freiheitsbewegung zu unterstützen? Sie betreiben das Gegenteil. Damit verstoßen Sie gegen die Richtlinien. Schade, dass es noch keinen Gerichtsweg gibt, um das zu klären. (Zuruf von der CDU/CSU) - Ja, das ist wirklich schade. Das kann aber so nicht bleiben. Sie haben jetzt den Grund dafür geschaffen, dass auch bei SPD und Grünen die Überlegung entsteht, dass wir das Gesetz ändern müssen und das Parlament zuständig werden muss. (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Wir haben doch den Antrag eingebracht!) - Ja, aber nicht, als ihr an der Regierung wart. Das ist das Problem. So etwas geschieht immer nur, wenn ihr in der Minderheit seid. (Beifall bei der LINKEN - Sigmar Gabriel [SPD]: Gregor, du hast noch Hartz IV vergessen!) Jetzt werden wir das Ganze forcieren, damit wirklich eine Parlamentszuständigkeit entsteht. Ich hoffe, dass es dann kein Parlament in Deutschland gibt, das noch einmal zulässt, dass Waffen, dass Panzer an Saudi-Arabien geliefert werden. Das ist wirklich das Letzte. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Dr. Martin Lindner. (Beifall bei der FDP) Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Herr Kollege Gysi, als Volljuristen ist Ihnen der Unterschied zwischen exekutivem Handeln und gesetzgeberischen Funktionen klar. Ihnen ist selbstverständlich auch klar, dass Einzelfallentscheidungen durch die Verwaltung zu treffen sind. Rot-Grün hat damals eine besondere Zuständigkeit für den Bundessicherheitsrat geschaffen. Genau nach diesem Muster laufen die Dinge heute ab. Wir kontrollieren die Richtlinien, und wir kontrollieren die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung. Deswegen ist das hier wieder das übliche "Skandal, Skandal"-Gerufe von Ihnen. Viel steckt nicht dahinter. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, niemand kann ernsthaft abstreiten - wenn wir jetzt generell darüber reden; ich bin ja kein Mitglied des Bundessicherheitsrates -, dass eine sehr schwere Abwägungsentscheidung zu treffen war, möglicherweise zu treffen ist. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind eigentlich die Bundessicherheitsratsmitglieder?) Niemand kann die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ernsthaft schönreden oder irgendwie anders darstellen, als sie ist. (Beifall bei der FDP) Das kann niemand machen. Das würde auch ich als Allerletzter tun. (Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Aber wenn Sie die Richtlinien, Kollege Beck, die damals von Rot-Grün verabschiedet wurden, lesen, dann sehen Sie, dass zuvörderst die besonderen außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen sind. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da steht aber auch: In Spannungsgebiete darf nicht geliefert werden! Die Menschenrechtslage wird zugrunde gelegt!) Dabei müssen natürlich Dinge, auf die der Kollege Stinner noch genauer eingehen wird, in die Abwägung einbezogen werden. Saudi-Arabien ist Verbündeter im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Hört doch auf!) Deswegen hat die Vorgängerregierung von Schwarz-Rot das Grenzsicherungsprojekt von EADS genehmigt. Natürlich dürfen wir nicht auf eine Stabilisierung des Regimes in Saudi-Arabien setzen, sondern wir müssen auf eine Stabilisierung des Gleichgewichts der Kräfte in dieser Region rekurrieren. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir müssen auch die Hegemoniebestrebungen, insbesondere des Iran, in dieser Region im Auge behalten. Mir am wichtigsten - ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung dies besonders im Fokus hat - sind die Sicherheitsinteressen unseres Hauptverbündeten, des Staates Israel. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Das ist die zentrale Frage. Ohne Israel können solche Entscheidungen nicht getroffen werden. Nachrangig und subsidiär - ich sage das als Wirtschaftspolitiker ganz bewusst - sind wirtschaftspolitische Fragen heranzuziehen; sie stehen also nicht an erster Stelle. (Unruhe beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte Ihnen zum Zwecke der Verhinderung von Legendenbildung einfach einmal die Dimension des Exports von Rüstungsgütern darstellen. Sie sagen, Deutschland liege beim Export von Rüstungsgütern an dritter Stelle. Absolut betrachtet, stimmt das. Aber wir sind eine große Exportnation. Wie Sie wissen, finden auch die Dual-use-Produkte Eingang in die Statistik. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Stimmt gar nicht! Sie haben gar keine Ahnung! Dual use ist da nicht mit drin! - Zuruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) - Sie wissen doch gar nicht, was ich sagen will. Dann können Sie auch nicht beurteilen, ob das richtig oder falsch ist, Frau Roth. Ich weiß, dass Sie sehr schnell sind. Aber hören Sie sich erst einmal an, was ich zu sagen habe. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Herr Lindner, das ist falsch, was Sie sagen! Das ist falsch!) Erstens. In Relation zur gesamten Exportleistung liegt Deutschland bei den Rüstungsexporten an sechster Stelle. An erster Stelle liegt Russland, an zweiter liegen die USA, an dritter Frankreich, an vierter Italien und an fünfter das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland. Erst dann kommt Deutschland auf Platz sechs. Zweitens. Der Anteil von Kriegswaffenexporten in die Dritte Welt ist mit 2,7 Prozent in keinem Land so gering wie in Deutschland. In den USA zum Beispiel beträgt dieser Anteil knapp 80 Prozent. Erst wenn ich dies alles berücksichtige, komme ich zu den mikroökonomischen Interessen des beteiligten Unternehmens. Lesen Sie, was der Betriebsrat von Krauss-Maffei dazu sagt: "Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation in unserer Branche werden Neuaufträge dringend benötigt." (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn die FDP anfängt, Betriebsräte zu zitieren, wird es gefährlich! Arbeiterführer Martin Lindner spricht! - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Die FDP an der Seite der IG Metall!) Das ist subsidiär genauso zu berücksichtigen. Nichts anderes steht auch in den von Ihnen beschlossenen Richtlinien. Meine Damen und Herren von der Opposition - ich meine nicht Sie von der linkspopulistischen Opposition, sondern Sie, die Sie geraume Zeit in der Verantwortung waren -, unter Rot-Grün ist der Wert der exportierten Kriegswaffen von 300 Millionen Euro im Jahr 2002 auf 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2003 gestiegen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hört! Hört!) 2005, als Frau Wieczorek-Zeul schon geraume Zeit Mitglied des Bundessicherheitsrates war - genauso wie Herr Steinmeier -, wurde mit 1,6 Milliarden Euro der Gipfel erreicht. Sie sitzen nicht nur im Glashaus und werfen mit Steinen, sondern haben eine Steinschleuder in einer Glasfabrik aufgebaut. Das will ich Ihnen an dieser Stelle ganz deutlich sagen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zum Leopard 2. Auch hier sollte die Sozialdemokratie nicht an Amnesie leiden. Ich zitiere aus dem Artikel "Deutsche Panzer nach Saudi-Arabien?", der in der ersten Ausgabe des Spiegels im Jahr 1981 erschienen ist: Helmut Schmidt will deutsche Waffen an Saudi-Arabien verkaufen. Am dringlichsten wünschen sich die Araber den Kampfpanzer Leopard 2. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden sich um Kopf und Kragen! Was sagt Herr Löhning?) Das haben Sie damals nicht getan - genauso wenig wie die Nachfolgeregierungen -, weil Israel interveniert hat. Das war der einzige und ausschließliche Grund. Das hat Sie gehindert. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, Sie wären am Ende Ihrer Redezeit. Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Ich komme zum Ende. - Wir müssen doch akzeptieren, dass Israel offenkundig einer anderen Bedrohungslage - mehr aus Osten kommend und weniger aus Süden - ausgesetzt ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege! Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Einen kleinen Moment! (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Schluss, Ende, aus!) Ich schließe mit der Feststellung: Man kann in dieser Frage offensichtlich zu einer anderen Einschätzung kommen als die Bundesregierung; das akzeptiere ich ausdrücklich. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Er gibt es zu! Vielen Dank, Herr Lindner!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Halten Sie bitte die Redezeit ein, Herr Lindner. Wir sind in der Aktuellen Stunde. Da hat jeder fünf Minuten. Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Ich glaube, dass man auch die andere Auffassung gut vertreten kann. Herzlichen Dank für die geschätzte Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Sigmar Gabriel hat das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Sigmar Gabriel (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lindner, es geht nicht um die Frage, ob man generell Waffen exportieren darf oder nicht; darüber gibt es hier unterschiedliche Auffassungen, und zwar aus guten Gründen. Vielmehr geht es um die Frage, ob die Bundesregierung die geltenden Exportrichtlinien für Rüstungsgüter eingehalten hat oder nicht. Das ist die entscheidende Frage. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es ist übrigens nicht die Aufgabe der Exekutive, sich selbst zu überprüfen; die Kontrolle der Exekutive ist vielmehr Aufgabe des Parlaments. Ich lese Ihnen die Richtlinien vor, weil Sie offensichtlich nur den Auszug kopiert haben, der Ihnen in den Kram passt: Genehmigung für Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern werden grundsätzlich nicht erteilt, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Voilà!) wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen Repression ... oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden. Für diese Frage spielt die Menschenrechtssituation im Empfängerland eine wichtige Rolle. Genau das steht in den Richtlinien. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Das sind die Exportrichtlinien, die SPD und Grüne in ihrer Regierungszeit verabschiedet haben und an die wir uns gehalten haben. Heute steht fest: CDU/CSU und FDP halten sich nicht an die geltenden Exportrichtlinien für Rüstungsgüter. Sie betreiben Rechtsbruch in Deutschland. Das ist das, was Sie derzeit tun. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Übrigens: Wir sollten wissen, wo die Panzer am Ende stehen. Wir kennen doch die Bilder aus unserer eigenen Geschichte, aus der europäischen Geschichte. Ob in Berlin, in Prag, in Ungarn, auf dem Platz des Himmlischen Friedens oder auch in Kairo - am Ende stehen die Panzer immer auf den Plätzen und Straßen, wenn es darum geht, dass Unrechtsregime ihre Unterdrückung gegen die Demokratiebewegung fortsetzen wollen. Das wissen wir. Trotzdem missachten Sie die Exportrichtlinien. Aber es geht noch um etwas anderes, meine Damen und Herren. Es geht auch um den mangelnden Mut der Bundesregierung, diese Entscheidung zu vertreten. Sie müssen hier nicht die Beratung des Bundessicherheitsrats öffentlich machen - es wäre richtig, deren Ergebnisse in Zukunft zu veröffentlichen, die Beratung selbst sicher nicht -; aber was Sie tun müssen und was Sie nicht stellvertretend Mitglieder Ihrer Koalitionsfraktionen ein bisschen schwadronierend tun lassen dürfen, ist: (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Wir sind Parlamentarier!) Sie müssen die Grundlagen Ihrer Außenpolitik erklären, insbesondere dann, wenn Sie die Grundlagen Ihrer Außenpolitik wechseln. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Es ist beschämend, dass Sie hier mit großem Pathos Regierungserklärungen abgeben; aber dann, wenn sich die Frage stellt, warum Sie eigentlich eine Politik machen, mit der Sie exakt einer Regierungserklärung, im Mai 2011 abgegeben, widersprechen, sind die Mitglieder Ihrer Regierung zu feige, sich dem Parlament zu stellen. Warum? Das ist die Frage, die hier ansteht. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich erinnere mich nicht nur an die Neuerfindung des Bundesaußenministers und damaligen FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle auf dem Tahrir-Platz; ich erinnere mich auch an diese Regierungserklärung. Ich zitiere einmal, was die Kanzlerin in dieser Regierungserklärung sagte: Es ist deshalb eine historische europäische Verpflichtung, den Menschen, die heute in Nordafrika und in Teilen der arabischen Welt für Freiheit und Selbstbestimmung auf die Straße gehen, zur Seite zu stehen. Gut gesprochen! Nur, heute stehen Sie mit Ihrer Politik und den Panzerlieferungen auf der Seite der feudalen Herrscherhäuser, die genau diese Demokratiebewegung unterdrückt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) 30 Jahre lang hat jede Bundesregierung dem Ansinnen der Saudi-Arabier auf Lieferung von Panzern widersprochen. Sie müssen hier erklären, warum Sie das heute anders sehen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! - Zuruf von der CDU/CSU) - Das müssen Ihr Bundesaußenminister und Ihre Kanzlerin tun. Die Kanzlerin bestimmt im Bundessicherheitsrat die Richtlinien der Politik. Sie hat das freigegeben, sie persönlich, und sie muss auch erklären, warum sie zu einer anderen Bewertung der Lage auf der Arabischen Halbinsel und am Persischen Golf kommt. Sie müssen erklären, warum die jahrzehntelange Verweigerung von Panzerlieferungen jetzt aufgegeben wird. Sie müssen erklären, dass die Unterdrückung von Demokratiebewegungen in und durch Saudi-Arabien aus Ihrer Sicht offensichtlich das kleinere Übel gegenüber einer Destabilisierung Saudi-Arabiens durch Schiiten und den Iran ist. Es geht im Kern doch darum, dass Sie diese Güterabwägung getroffen haben. Wenn Ihre Regierung den Mut hätte, ihre Außenpolitik zu erklären, dann könnten wir politisch darüber streiten. Dann wären wir, jedenfalls wir in der SPD, immer noch nicht der Meinung, dass Sie die richtige Güterabwägung getroffen haben - wir wären immer noch gegen die Panzerlieferung -; aber es wäre ein Beitrag zur politischen Kultur und zur Aufklärung der deutschen Öffentlichkeit über die Grundlinien der Außenpolitik dieser Regierung. Aber dazu haben Sie keinen Mut. Sie stellen sich dieser Debatte nicht. Das ist das Problem Ihrer Regierung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie scheuen die Debatte über die Grundlagen der Außenpolitik. Genauso mutlos waren Sie, als Sie sich in der Libyen-Abstimmung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen enthielten. Mutlos sind Sie auch, wenn es darum geht, den Deutschen die Euro-Rettung zu erklären. Sie lieben das hohle Pathos, wenn es nichts kostet, und Sie verstoßen dagegen. Sie haben keinen inneren Kompass, weder in der Innenpolitik noch in der Außenpolitik. Ihre Entscheidung zur Panzerlieferung nach Saudi-Arabien hat einfach viel mit Ihrem Versagen in der Libyen-Auseinandersetzung zu tun. Das ist der Preis, den Ihre Regierung jetzt dafür zahlen muss, dass sie wenigstens von den Vereinigten Staaten wieder ernst genommen wird. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege. Sigmar Gabriel (SPD): Das ist in Wahrheit die Begründung dafür, dass Sie das mitmachen. Die deutsche Regierung trifft in der Außenpolitik keine souveräne Entscheidung mehr. Sie haben Deutschland und seine Interessen preisgegeben, zulasten der Menschenrechte in Saudi-Arabien. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: So ein Quatsch!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege! Sigmar Gabriel (SPD): Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie müssten schon zum Schluss gekommen sein. Sigmar Gabriel (SPD): Jawohl. - Ich hoffe, dass Sie den Mut haben, diese Debatte im September, wenn der Papst im Deutschen Bundestag spricht, zu führen. (Beifall der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD] - Zurufe von der CDU/CSU-Fraktion: Oh!) - Das wollen Sie nicht hören. - Sie müssen sich die Aussagen der Katholischen Kirche anhören, um beurteilen zu können, was Sie in der Außenpolitik gerade anrichten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Dr. Johann Wadephul hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir den Wettlauf zwischen den beiden Möchtegernaußenministern Trittin und Gabriel zu der Frage erlebt haben, wer der Frömmste unter den möglichen zukünftigen Außenministern Deutschlands ist, möchte ich auf die Gesetzeslage, die der Kollege Gabriel gerade angesprochen hat und die verschiedentlich Gegenstand von Erörterungen hier im Hause war, zurückkommen. Wenn dem Bundeskabinett hier Heimlichtuerei unterstellt und gesagt wird, man verstecke sich und führe die Erörterungen nicht öffentlich, dann muss ich sagen: Wir alle miteinander müssen zur Kenntnis nehmen, auf welcher rechtlichen Grundlage der Bundessicherheitsrat Entscheidungen trifft. Die Verhandlungen sind geheim. Das entspricht Gesetzen und Vorschriften, die wir, der Deutsche Bundestag, hier verabschiedet haben. Ich als Bundestagsabgeordneter erwarte, dass sich die Bundesregierung an die Gesetze hält. Wenn sie das tut, kann ich ihr keine Heimlichtuerei vorwerfen. Das wäre zwiespältig, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition. Die Bundesregierung macht nicht mehr und nicht weniger, als sich an Recht und Gesetz zu halten, und das ist in Ordnung so. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die CDU/CSU-Fraktion hält die Gesetzeslage, sowohl was das Formale als auch was das Materielle angeht, für angemessen. Wir sind der Auffassung, dass die Gesetze eingehalten werden. Ich kann jetzt nichts dazu sagen - das wissen Sie alle -, ob Genehmigungen und, wenn ja, in welchem Umfange erteilt worden sind. Insofern sind alle weiteren Ausführungen hypothetischen Charakters. Sie verzeihen mir bitte, wenn ich nicht jedes Mal den Konjunktiv gebrauche. Ich schließe mich der Auffassung des FDP-Kollegen an, dass die beschäftigungspolitischen Aspekte eines möglichen Rüstungsexports völlig nachrangig sind. Nur, Ihre Empörung verstehe ich an dieser Stelle nicht. Sie rühmen sich der Exportrichtlinien aus dem Jahr 2000, (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Genau!) in die Sie folgende Formulierung aufgenommen haben - ich darf zitieren -: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ausschlaggebende!) Ich darf "ausschlaggebende" betonen. Sie hätten auch formulieren können, dass sie keine Rolle spielen dürfen. Das haben Sie nicht getan. Tun Sie nicht so! Sie sitzen im Glashaus. Sie haben ausdrücklich anerkannt, dass es auch beschäftigungspolitische Gründe geben kann. Dazu sollten Sie sich bekennen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Man sollte sich anschauen - Herr Kollege Gabriel hat darauf abgehoben -, warum in vergangenen Jahrzehnten der Export von Rüstungsgütern, insbesondere von Panzern, nach Saudi-Arabien, auch unter der Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohl, abschlägig beschieden wurde und warum man heute zu anderen Ergebnissen kommen kann. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das frage ich mich auch!) Dazu muss man sich in der Tat die geopolitische Situation in dieser Region anschauen. Bei allen Problemen, die es zwischen den Palästinensern und Israel nach wie vor gibt, hat sich der Konflikt deutlich - das weiß doch jeder, der sich mit der Lage etwas beschäftigt hat - in Richtung Iran verschoben. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) Mittlerweile liegt es im Interesse des Staates Israel, vor dem Iran geschützt zu werden. In dieser Situation kann das Königreich Saudi-Arabien durchaus ein strategischer Partner Europas und auch Deutschlands in dieser Region sein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]) Es stellt niemand in Abrede, dass die Situation in Saudi-Arabien, was die Menschenrechte angeht, nicht dem entspricht, was das deutsche Grundgesetz vorgibt. Nur, wenn wir daran deutsche Außenpolitik ausrichten wollten, dann wäre die Zahl unserer Gesprächspartner sehr klein. Dann hätten wir sehr wenig Aktionsradius in diesem Bereich. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht um Gespräche! Es geht um Panzerlieferungen!) Deswegen gab es zu jedem Zeitpunkt guten Anlass, auch darüber nachzudenken, Waffen dann in diese Region zu liefern, wenn es im außenpolitischen Interesse Deutschlands und Europas gelegen hat. Das war doch sicherlich, Herr Kollege Gabriel und Herr Kollege Trittin, auch in den Jahren 2001 bis 2004 der Anlass dafür, dass Rot-Grün Jahr für Jahr Waffenexporte in einem Wert von 40 bis 60 Millionen Euro nach Saudi-Arabien genehmigt hat. Bedauerlicherweise haben beide Kollegen nichts dazu gesagt, dass man auch nach Katar geliefert hat. Man kann ja über diese Regimes schimpfen, man kann sie hier auch verurteilen, und man kann uns vorhalten, dass das jetzt gegebenenfalls genehmigt wird, aber Sie haben es in eigener Verantwortung selbst auch getan. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: So ist es!) Dazu sollten Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, bekennen. Deswegen ist mit Schwarzweißmalerei an der Stelle wenig geholfen. (Zuruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Es gibt in dieser Debatte jede Menge Grautöne, und die Welt, liebe Frau Roth, ist nicht immer so einfach, wie Sie sie sich malen; das gilt auch für den außenpolitischen Umgang mit dieser Region. (Zuruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vielmehr hat es in der Vergangenheit Anlass zur Kooperation mit Saudi-Arabien gegeben, und es gibt auch heute Anlass dazu, mit diesem Land gemeinsam eine Zukunft für diese Region zu entwickeln, wenn auch im Bereich der Menschenrechte sicherlich noch vieles, was aus unserer Sicht wünschenswert ist, nachzuholen ist. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber die Welt ist nicht immer so einfach, wie Sie sie an dieser Stelle bisher gezeichnet haben. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Katja Keul hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Lindner, wer hätte das vor zwei Wochen gedacht, dass wir so schnell hier schon wieder über Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien debattieren. Ich darf Sie zitieren: "Und ewig grüßt das Murmeltier." (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]) Aber diesmal geht es nicht um den elektronischen Grenzzaun in der Wüste, und es geht auch nicht mehr um die Ausbildung saudischer Polizisten durch deutsche Beamte. Sogar die Bundesregierung hat ja inzwischen gemerkt, dass das unseren dem Rechtsstaat verpflichteten Beamten schlichtweg nicht mehr zumutbar ist. Diesmal geht es um Kampfpanzer des 21. Jahrhunderts. Das, Herr Pfeiffer, ist kein Spielzeug. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Solche Kriegswaffen sind schon nach unserem Grundgesetz keine Waren, die frei gehandelt werden dürfen. Ich zitiere hier nochmal die heute schon viel gepriesene Rüstungsexportrichtlinie: Der Export von Kriegswaffen ... wird nicht genehmigt, es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen. Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Dabei betone ich: auch keine industriepolitischen Gründe, Herr Pfeiffer, sondern nur sicherheitspolitische. Es geht auch nicht darum, ob Interessen anderer Staaten - wie beispielsweise die von Israel oder die der USA - dagegenstehen oder nicht, sondern Kriegswaffen dürfen, wenn kein sicherheitspolitisches Interesse Deutschlands es erfordert, eben nicht in Drittstaaten exportiert werden, und schon gar nicht, wenn innere Repression und Menschenrechtsverletzungen drohen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Auch das steht in der Rüstungsexportrichtlinie. Wie es Saudi-Arabien mit den Menschenrechten hält, kann man ja ausreichend dem Menschenrechtsbericht der Bundesregierung entnehmen. Darüber hinaus ist die Stimmung im Inneren höchst angespannt. Die Machtbalance zwischen den sunnitischen Religionsführern und dem saudischen Königshaus ist äußerst labil. Als im Nachbarstaat Bahrain die Menschen friedlich für mehr Demokratie demonstrierten, half saudisches Militär, diese Bewegung niederzuschlagen. Unter diesen Umständen ist die Genehmigung von Kriegswaffenexporten nicht nur unverantwortlich, sondern eklatant rechtswidrig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Was sagte der Außenminister gestern dazu? Grundsätzlich sei es so, dass Deutschland die Partnerschaft zu vielen Staaten auch in der arabischen Welt suche und ausbaue. Dazu gehörten auch Staaten, die - Zitat - "in Fragen zum Beispiel der Justiz oder der Zivilgesellschaft unterschiedliche Auffassungen zu uns haben." (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, Scharia!) Sehr geehrter Herr Westerwelle, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist der Guido eigentlich?) systematische Folter und öffentliche Hinrichtungen sind keine reine Meinungsverschiedenheit in Sachen Justiz und Zivilgesellschaft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich frage mich an dieser Stelle überhaupt, was aus der angeblichen Abrüstungspartei FDP geworden ist. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Immerhin trifft der Bundessicherheitsrat seine Entscheidung per Mehrheitsbeschluss, und dazu sind die Stimmen der Liberalen erforderlich. (Zuruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Mit Rösler, Niebel, Westerwelle und Leutheusser-Schnarrenberger stehen vier FDP-Minister drei Ministern der Union und der Kanzlerin gegenüber. Ohne die Zustimmung der FDP wäre eine solche Entscheidung zugunsten von Kampfpanzern also gar nicht möglich gewesen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN - Claudia Roth [Augsburg] [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) Ich fordere die Bundesregierung auf: Erklären Sie sich dazu! Verstecken Sie sich nicht hinter der Geheimhaltung! Eine deutlicheren Grund für unsere Forderung nach mehr Transparenz bei der Genehmigung von Rüstungsexporten hätten Sie uns gar nicht liefern können. Hier geht es nicht um den berechtigten Geheimnisschutz eines Privatunternehmens, sondern es geht um den Missbrauch von Geheimnisschutz für eine politische Entscheidung, die sich keiner noch so berechtigten öffentlichen Kritik stellen will. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Ein Unternehmer, der sich bewusst entschieden hat, Waren herzustellen und zu vertreiben, für die schon im Grundgesetz kein freier Handel vorgesehen ist, kann sich eben nicht in gleichem Maße auf Betriebsgeheimnisse berufen wie Hersteller von Bonbons oder Luftballons. Transparenz und parlamentarische Kontrolle finden hier bislang nicht statt. Das muss sich ändern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Warum haben Sie es nicht geändert?) Aus Industriekreisen soll außerdem bekannt geworden sein, dass auch Panzerlieferungen nach Algerien genehmigt worden sind. Auch in Algerien demonstrieren Jugendliche trotz Versammlungsverbot in Algier seit Monaten verzweifelt für mehr demokratische Freiheiten. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine echte Demokratie!) Angeblich sollen die Lieferungen von Panzern der Firma Rheinmetall, Militärlastern von Daimler, Fregatten von ThyssenKrupp und elektronischer Grenzsicherung von Cassidian im Wert von insgesamt 10 Milliarden Euro in Algerien Arbeitsplätze schaffen. Wenn das nicht zynisch ist! Dabei bieten wir den algerischen Studenten nicht einmal Studienaufenthalte in Deutschland an. Das würde gegen die Jugendarbeitslosigkeit weit mehr helfen als die Lieferung von Panzern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Was jetzt per Zufall ans Tageslicht gekommen ist, muss unbedingt gestoppt werden. Dank des unbekannten Whistleblowers kann die Lieferung von Panzern unter Verstoß gegen geltendes Recht noch verhindert werden. Im Kriegswaffenkontrollgesetz heißt es nämlich nicht nur in § 6: "Auf die Erteilung einer Genehmigung besteht kein Anspruch", sondern es heißt auch in § 7: "Die Genehmigung kann jederzeit widerrufen werden." Ich fordere Sie daher auf: Machen Sie den Rechtsbruch rückgängig! Widerrufen Sie die Genehmigung von Panzerlieferungen an Saudi-Arabien und Algerien, bevor deutsche Panzer durch den arabischen Frühling rollen! Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Stinner für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Rainer Stinner (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das deutsche Sprichwort "Das Sein bestimmt das Bewusstsein" (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist von Karl Marx, kein Sprichwort! - Sigmar Gabriel [SPD]: Ehrlich gesagt ist das ist ein Zitat von Karl Marx! - Zuruf von der LINKEN: Falsch zitiert!) wird nirgends besser dokumentiert als durch das Verhalten von Rot-Grün in diesem Deutschen Bundestag, speziell der verehrten Partei SPD. Herr Gabriel, was Sie und Ihre Kollegen und Genossen hier, seitdem Sie im Jahr 2009 die Regierungsgewalt verloren haben, veranstalten, kann man nur mit dem medizinischen Terminus "retrograde Amnesie" bezeichnen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Na, na, na!) Sie haben alles vergessen, was Sie gemacht haben, (Beifall bei Abgeordneten der FDP) und zeichnen jetzt von der Bundesregierung das Bild eines Rüstungsexportmonsters, einer Rüstungsexportbestie, das völlig falsch und völlig daneben ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Erstens zum Verfahren. Im Jahre 2002 hat die damalige Fraktion der PDS der damaligen Bundesregierung die Frage gestellt, ob nicht das Verfahren des Bundessicherheitsrates zu verändern sei. Die damalige Bundesregierung hat durch Staatssekretär Schwanitz hier im Deutschen Bundestag erklärt, es gebe keinen Handlungsbedarf für eine Änderung. Das haben Sie selber gesagt. Heute stellen Sie das infrage. Zweitens zum Inhalt. Der Anteil von Rüstungsgütern am Gesamtexport Deutschlands bewegt sich bei ungefähr 0,15 Prozent pro Jahr. Es hat einen Ausreißer im Jahr 2005 gegeben. Damals hat Rot-Grün regiert; da waren es 0,26 Prozent. Frau Keul, Sie sagten, Panzer seien kein Spielzeug. Da haben Sie natürlich völlig recht. Aber ich darf Ihnen einmal vorlesen, was unter Ihrer Regierung an Saudi-Arabien geliefert worden ist: in 2001 Schießanlagen, Revolver, Pistolen, Karabiner, Maschinengewehre, in 2002 Munition für Haubitzen sowie Maschinenpistolen, in 2003 Ähnliches, in 2004 Gewehre und Maschinenpistolen usw. Auch das sind, verehrte Kollegin Keul, keine Spielzeuge. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Von daher tun Sie doch nicht so, als gäbe es jetzt eine neue Situation! Sie bauen hier ein Monster auf, das es so nicht gibt. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können es doch abräumen! Ist doch ganz einfach!) Ich gehe davon aus, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich die damalige rot-grüne Bundesregierung die Entscheidung nicht leicht gemacht und sie unter Abwägung aller Pros und Kontras getroffen hat. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben keine Panzer an Saudi-Arabien geliefert!) Davon gehe ich aus, Frau Roth, und ebenso gehe ich natürlich bei der jetzigen Bundesregierung davon aus, dass sie einen möglichen Beschluss - ich komme gleich noch auf das Thema - unter Abwägung sämtlicher Gesichtspunkte - sicherheitspolitischer, außenpolitischer, bündnispolitischer Gesichtspunkte - getroffen hat. Davon gehe ich, wie gesagt, aus. Sie sollten auf der anderen Seite davon ausgehen, dass die Bundesregierung in ihrer Sorgfalt, was diesen Fall betrifft, nicht nachgelassen hat. Interessant ist übrigens, dass in der heutigen Ausgabe der Bild-Zeitung das eingeschriebene SPD-Mitglied Kujat diesen Export von Panzern nach Saudi-Arabien ausdrücklich befürwortet. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr von Dohnanyi ist auch noch in der SPD! - Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Herr Kujat wird hier immer als Experte herangezogen. Offensichtlich gibt es auch in Ihrer Partei unterschiedliche Meinungen. Lassen Sie mich aber auch sehr kritisch das gegenwärtige Verfahren bewerten. Auch meine Fraktion - ich gebe das ohne Weiteres zu - ist von dieser Meldung überrascht worden. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaube ich!) Auch in meiner Fraktion gibt es natürlich viele Fragezeichen. Wer könnte das leugnen? Deshalb sage ich an die Adresse der Bundesregierung - Sie, sehr geehrter Herr von Klaeden, vertreten hier das Kanzleramt -: Angesichts der Tatsache, dass nun diese Information an die Öffentlichkeit gelangt ist, (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Aus dem Bundessicherheitsrat!) obwohl das alles geheim sein sollte, muss man sagen, dass dieses Bekanntwerden eindeutig im Gefahrenbereich der Bundesregierung liegt. Niemand von Ihnen - auch Sie hätten es gerne gewusst, aber Sie wussten es nicht -, niemand von uns und niemand von den Journalisten hat es gewusst. Das Bekanntwerden der Rüstungslieferung liegt, wie gesagt, im Gefahrenbereich der Bundesregierung. Sie ist deshalb dafür verantwortlich. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! - Sigmar Gabriel [SPD]: Der Gefahrenbereich der Bundesregierung ist ganz schön groß!) Man kann es als Panne und als schlechtes Management bezeichnen. Wenn das aber so ist, dann sage ich Ihnen, Herr von Klaeden, dass es nach meinem Dafürhalten und dem vieler Kollegen meiner Fraktion auf Dauer keine zumutbare Situation ist, dass sich die beteiligten Minister - einer wie der andere, eine wie die andere - ausschließlich hinter dem Schirm der Geheimhaltung verstecken. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Da die Meldung öffentlich wurde, haben wir als Abgeordnete des Deutschen Bundestages und die deutsche Öffentlichkeit natürlich das Recht und auch die Pflicht, uns damit zu beschäftigen. Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, einen Weg zu suchen, unter Einhaltung der bestehenden Regulierungen eine öffentliche Debatte zu führen und sicherzustellen, dass der Deutsche Bundestag über die Informationen, die die Grundlage für diese Entscheidung - falls sie denn getroffen wurde - sind, in Kenntnis gesetzt wird. Das muss ich heute so deutlich sagen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Die Linke spricht nun der Kollege Jan van Aken. (Beifall bei der LINKEN) Jan van Aken (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vier Redner der Koalitionsfraktionen haben es jetzt tatsächlich geschafft, in 20 Minuten Redezeit nicht ein einziges Mal das Wort "Menschenrechte" in den Mund zu nehmen. Ich kann es nicht fassen. Sie liefern 200 Panzer an Saudi-Arabien, (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das stimmt doch überhaupt nicht!) an die größten Menschenrechtsverletzter. Aber Sie, Herr Pfeiffer, haben nicht ein einziges Mal das Wort "Menschenrechte" benutzt. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Doch! Habe ich!) Sie haben von Spielzeug geredet und von nichts sonst. Das finde ich unglaublich. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD] - Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ausgerechnet die Linke spricht von Menschenrechten!) Ihre Regierung hat vor kurzem einen Menschenrechtsbericht vorgelegt, in dem sie Saudi-Arabien als den größten Menschenrechtsverletzter in der Region bezeichnet. Darin zählt sie alle Menschenrechtsverletzungen auf. Das wird jetzt aber völlig weggewischt, und Sie reden nur noch über Sicherheitsinteressen. Ich finde das unerträglich. Sie sind damit nicht nur moralisch am Ende, Ihr Herr Westerwelle ist völlig am Ende. Ich sage Ihnen einmal, was Herr Westerwelle vor drei Monaten von dieser Stelle aus gesagt hat. Ich mochte es gar nicht glauben, als ich es gestern wieder gelesen habe. Herr Westerwelle hat am 8. April hier etwas sehr Wichtiges und Richtiges gesagt - hören Sie genau zu! -: In den Vereinten Nationen setzen wir uns für ein robustes Waffenhandelsabkommen ein, damit Regime, die Menschenrechte mit Füßen treten, ... nicht mehr legal mit Waffen beliefert werden können. Richtig, Herr Westerwelle! Sind Sie aber noch ganz bei Trost, zwei Monate später 200 Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern, wo die Menschenrechte mit Füßen getreten werden? Wer soll Ihnen überhaupt noch etwas glauben? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In Deutschland glaubt Herrn Westerwelle sowieso kein Mensch mehr etwas. Wie will er aber bei den Vereinten Nationen glaubwürdig auftreten? Wie will er den anderen Partnerländer sagen: "Bei den Vereinten Nationen wollen wir zwar keine Waffenexporte an Menschenrechtsverletzter, aber wir Deutschen machen das mal"? Das ist doch überhaupt nicht zu glauben. Ich finde, Herr Westerwelle ist wirklich am Ende. Es sind nicht nur Panzer. Ich will daran erinnern, dass auch Sturmgewehrfabriken nach Saudi-Arabien geliefert werden. Saudische Grenzpolizisten werden von deutschen Polizisten ausgebildet. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Wo ist das Problem?) Deutschland hat in den letzten Jahren für 675 Millionen Euro Rüstungsgüter exportiert. Herr Trittin, ehe Sie sich hier zu sehr aufspielen, will ich Ihnen sagen: Unter Ihrer Regierung wurden 2004 zum Beispiel Maschenpistolen und -gewehre nach Saudi-Arabien geliefert. Ich habe fürchterliche Fotos zu Hause, auf denen zu sehen ist, wie die von Ihnen gelieferten Maschinenpistolen in den Händen von saudischen Militärs an der Grenze zum Jemen im Einsatz sind. Diese Waffen werden dort direkt in Kriegssituationen eingesetzt. Sie haben da einen radikalen Fehler begangen. Das sollten Sie auch einmal zugestehen. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben hier beantragt, dass keine Rüstungsgüter mehr nach Saudi-Arabien exportiert werden dürfen. Das wurde in der letzten Woche von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Aber auch die Grünen und die SPD haben dem Antrag im Auswärtigen Ausschuss in der letzten Woche nicht zugestimmt. Sie haben sich enthalten. In der letzten Woche waren Sie noch nicht bereit, einem Waffenexportstopp zuzustimmen. Ich hoffe, Sie werden Ihre Meinung ändern. Im Oktober werden wir diese Frage zur namentlichen Abstimmung stellen. Dann bin ich einmal gespannt, ob Sie wirklich bereit sind, die Waffenexporte nach Saudi-Arabien zu stoppen, oder nicht. Da müssen Sie dann mit Ihrem Namen dafür stehen. (Beifall bei der LINKEN - Zurufe der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Katja Keul [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Eine Frage stelle ich mir die ganze Zeit: Warum machen Sie so etwas überhaupt? Ihnen muss doch klar sein, dass es in Deutschland einen Riesenaufruhr gibt, wenn Sie 200 Panzer nach Saudi-Arabien schicken. Jetzt gerade findet draußen vor den Toren parallel schon die erste Demonstration statt. Wenn Sie eine Umfrage machen würden, wären, so glaube ich, mehr als 90 Prozent der Menschen in Deutschland absolut gegen einen solchen Panzerexport. (Zuruf von der FDP: Da täuschen Sie sich!) Warum machen Sie das also? Ich glaube, eine ganz einfache Antwort ist, dass in Ihren Fraktionen zu viele Lobbyisten der Rüstungsindustrie sitzen. (Zuruf von der FDP: Ach so!) Nehmen wir einmal Herrn Kauder. Der weiß schon, warum er heute nicht hier sitzt. Im Wahlkreis von Herrn Kauder, dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, ist beispielsweise die deutsche Waffenschmiede Heckler & Koch angesiedelt. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Um die geht es doch gar nicht!) Heckler & Koch verdient gerade sehr viel Geld damit, eine Sturmgewehrfabrik in Saudi-Arabien zu bauen. Im Wahlkreis von Herrn Kauder sitzt auch Rheinmetall, die sehr viel Geld mit dem Leopard 2 verdienen. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Gott sei Dank!) Herr Kauder hat vor einiger Zeit auf seiner Internetseite ganz offen geschrieben - ich zitiere -: "Bei der Abwicklung von Exportaufträgen helfe ich gerne." Das hat er jetzt ja wohl gemacht. (Zuruf von der LINKEN: Unglaublich!) Geholfen hat sicherlich auch die eine oder andere Parteispende. Ich habe nur einmal geschaut, was die beiden Firmen, die den Leopard bauen - Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann -, den Parteien gespendet haben: im Jahre 2009 106 000 Euro an die Koalitionsfraktionen. Das Geld stinkt doch! Wie können Sie es wagen, auch nur einen einzigen Cent anzunehmen und dann einen milliardenschweren Deal durchzuziehen! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]) Ich habe die Hoffnung, dass es bei Ihnen in der CDU, in der CSU und in der FDP auch noch Anständige gibt. Man hört ja, dass es auch bei Ihnen Proteste gegen diesen Panzerexport gibt. Was Sie in Ihren Fraktionen jetzt aber brauchen, ist ein Aufstand der Anständigen. Lassen Sie das nicht so einfach durchgehen! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie müssen sich jetzt durchsetzen. Ich verstehe ja, wenn Sie einem Antrag der Linken nicht zustimmen. Sie haben es aber in der Hand, hier im Bundestag einen Antrag einzubringen, mit dem beschlossen wird, dass keine Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien exportiert werden. Dann ist es nicht mehr eine Entscheidung der Bundeskanzlerin und des Herrn Westerwelle, sondern von Ihnen. Ich erwarte jetzt von Ihnen, dass Sie diese Exporte stoppen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland überhaupt keine Waffen mehr exportieren sollte - und nach Saudi-Arabien schon gar nicht -: keine Panzer, keine Waffenfabriken, keine Sturmgewehre - gar nichts! Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Rolf Mützenich für die SPD-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dr. Rolf Mützenich (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Der Panzerdeal ist eine falsche Entscheidung, und das zum schlechtesten und ungeeignetsten Zeitpunkt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich finde, dass jetzt eine Debatte darüber geführt werden muss, ob die Außenpolitik der Bundesregierung tatsächlich, wie Außenminister Westerwelle vor zwei Jahren angekündigt hat, eine wertegebundene Außenpolitik ist oder ob es nur noch um das Geschäft geht. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Materielle Werte!) Ich befürchte, es geht zurzeit nur noch um das Geschäft. Wenn man sich zum Beispiel die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen vergegenwärtigt, stellt man fest, dass mehr über das Geschäft die Rede war als über die Menschenrechte. Bei dem aktuellen Panzerdeal ist, so glaube ich, das gleiche Leitmotiv zu erkennen. Deswegen, Herr Kollege Stinner, danke ich Ihnen für Ihre mutige Forderung, dass das öffentlich wird und sich die Bundesregierung nicht länger hinter dem Verweis auf "geheim getroffene Entscheidungen" versteckt. Solche Informationen gehören in den Deutschen Bundestag. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie in der letzten Sitzungswoche unserem Antrag zugestimmt hätten, in dem nämlich genau das gefordert wurde. Deswegen biete ich Ihnen heute an: Wir bringen den Antrag im September wieder ein - Stimmen Sie dann zu! -, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und dann werden wir die Entscheidung, die die Bundesregierung getroffen hat, hier im Deutschen Bundestag öffentlich diskutieren. Ich dachte heute Morgen, ich sähe nicht richtig, als ich in der Süddeutschen Zeitung las, dass ein nicht genannter Vertreter der schwarz-gelben Koalition diese Entscheidung damit verteidigt hat, dass Saudi-Arabien der "letzte und wichtigste Stützpfeiler" in der Nahost-Region ist. Ich muss Sie ganz offen fragen: Würden Sie das dem tunesischen Außenminister, der gestern bei uns zu Besuch war, wirklich ins Gesicht sagen? Würden Sie das den jungen Menschen ins Gesicht sagen, die auf dem Tahrir-Platz für eine andere Gesellschaft, für ein anderes Regime gekämpft haben? (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die mussten für das Foto mit dem Außenminister herhalten! Unglaublich!) Das sind die möglichen Verbündeten von Demokratien in Europa, denen wir uns zuwenden müssen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich habe vom ungeeignetsten Zeitpunkt gesprochen: Dort, in der arabischen Welt, versuchen Menschen trotz Unterdrückung immer noch, die Regime beiseitezuräumen. Das Verhalten der Bundesregierung ist ein Symbol für ihr falsches Verständnis davon, wie man mit dem arabischen Frühling umgehen sollte. Sie haben nicht begriffen, was auf der anderen Seite des Mittelmeeres passiert, und unterstützen es nicht. Sie gehen Kaffeetrinken. Sie suchen schöne Bilder für den Außenminister, aber machen in diesem Zusammenhang keine konkrete Politik. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Herr Wadephul, Sie können doch nicht hier behaupten, dass sich Israel in einer Situation, in der es auch um seine Existenz geht, tatsächlich auf Saudi-Arabien verlassen will. Sie können doch nicht ein so weit hergeholtes Argument dafür anführen, dass plötzlich 200 Panzer nach Saudi-Arabien geliefert werden. Dieses Regime - das wird sich die israelische Regierung sagen - ist nicht so stabil, wie es hier der eine oder andere behauptet hat. Das saudi-arabische Königshaus steht nicht nur vor einem Machtwechsel, sondern auch vor einer innenpolitischen Herausforderung. Diejenigen, die zuletzt möglicherweise entschieden haben, dass 200 Panzer nach Saudi-Arabien gehen, werden sich in 10 Jahren dafür verantworten müssen, wenn diese Panzer in Saudi-Arabien in anderen Händen sein werden. Ich finde, das lastet auf dieser Bundesregierung viel stärker als das eine oder andere, was hier gesagt worden ist. Sie müssen sich dieser Verantwortung stellen. Das haben Sie bisher weder in der Fragestunde noch in dieser Debatte hier im Deutschen Bundestag getan. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wir wissen - Herr Gabriel hat darauf hingewiesen -, was in den Richtlinien für den Waffenexport steht. Ich glaube, Sie können Folgendes nicht in Abrede stellen: Saudi-Arabien ist ein Spannungsgebiet, und das Land befördert Spannungen. Es gab unmittelbare Auseinandersetzungen an der jemenitischen Grenze; darüber haben wir im Auswärtigen Ausschuss schon öfter gesprochen. Huthi-Rebellen sind auf die andere Seite, nach Saudi-Arabien gekommen; dort ist es auch zu Schießereien gekommen. Möglicherweise werden dort demnächst Panzer eingesetzt. Dann werden Sie verantworten müssen, dass diese Panzer dorthin geliefert worden sind, obwohl es sich um ein Spannungsgebiet handelt. Auch auf die Situation in Bahrain ist hingewiesen worden. Dort sind gepanzerte Fahrzeuge aus Saudi-Arabien eingesetzt worden, um die Demonstranten niederzuknüppeln. Auch das muss hier gesagt werden; denn die Entscheidung - Sie müssen sie verantworten - steht auch in diesem Lichte. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich finde es dramatisch, dass der Bundesaußenminister vor zwei Jahren hier gesagt hat: "Ich bin der erste deutsche Außenminister, der Abrüstung wirklich ernst nimmt." Wo bleibt die Abrüstung, wenn wir 200 Panzer nach Saudi-Arabien liefern, in eine Region, wo kein Mangel an Rüstung besteht, aber ein Mangel an Kooperation, Diplomatie und gutem Willen? Sie haben die Achse der deutschen Außenpolitik in eine ungute Richtung verschoben. Nehmen Sie diese Entscheidung wieder zurück! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Philipp Mißfelder [CDU/ CSU]: Jetzt kommt Vernunft in die Debatte zurück! - Gegenruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt: "Wenn die anderen schicken, müssen wir auch schicken!") Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Spiegel Online berichtete in diesen Tagen: In Saudi-Arabien wächst die Angst vor den iranischen Atomplänen. Focus Online meldet: Irans Revolutionsgarden demonstrieren militärische Stärke ... Es wird von unterirdischen Raketensilos berichtet, in denen Langstreckenraketen stationiert sind. Mit den Raketen könnte man Israel oder US-Stützpunkte in Afghanistan erreichen. Ein iranischer General tönt: Unsere Raketen wurden genau dafür entwickelt, potenzielle Bedrohungen durch die USA und das zionistische Regime zum Ziel zu nehmen. Das ist die Lage, in der sich diese Region derzeit befindet, und über diese Lage müssen wir sprechen. Wir müssen uns die Frage stellen: Was ist aus Sicht der deutschen Bundesregierung auf dem Gebiet der Rüstungsexporte angezeigt? (Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es spannend!) Natürlich ist das Thema Menschenrechte in Saudi-Arabien anzusprechen, wie in allen anderen Ländern auch, die wir bereisen und die übrigens auch Ihr früherer Kanzler bereist hat. Ich denke zum Beispiel an China. Dort war ich mit ihm zweimal unterwegs. Menschenrechtsverletzungen müssen immer angesprochen werden. Dennoch müssen wir uns der realpolitischen Situation stellen (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aha!) und uns überlegen: Welche Verantwortung übernehmen wir, und was tun wir, um in dieser gefährlichen Lage zu helfen? (Zuruf von der LINKEN: Wem helfen Sie denn?) In diesem Zusammenhang sind Ägypten - vom arabischen Frühling war die Rede -, Syrien, Jemen und Libyen zu nennen; alles hochproblematische Länder. (Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Saudi-Arabien!) Keiner weiß, wie sich die Dinge dort entwickeln werden. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was heißt das?) - Was heißt das? Das heißt, in der jetzigen Situation müssen wir uns überlegen, wer ein potenzieller starker Verbündeter ist, ein Stabilitätsfaktor, der helfen kann, diese Region einigermaßen im Lot zu halten. Das ist die Lage, in der wir uns befinden. Deswegen bin ich froh darüber, dass eine solche Entscheidung nicht in diesem Parlament mit derartigen Redebeiträgen, wie wir sie eben gehört haben, gefällt wird. (Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) - Frau Roth, ich verstehe zwar, dass man als gelernte Dramaturgin auf Knopfdruck hysterische Anfälle bekommen und sich furchtbar erregen kann, (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht aber zu weit!) aber das ist nicht die Art, wie man mit solchen Themen umgeht. Ich verstehe auch nicht, woher Herr Trittin die Chuzpe zu solchen Auftritten nimmt, wie er ihn sich eben geleistet hat. Wo waren Sie denn, Herr Trittin, als von der rot-grünen Regierung die genannten Waffen an Saudi-Arabien geliefert wurden, mit denen man typischerweise gegen Demonstranten vorgeht? (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Hört! Hört! - Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Sehr berechtigte Frage!) Sie haben Handfeuerwaffen, Zielfernrohre und Maschinenpistolen geliefert. Ich glaube nicht, dass ich alles noch einmal aufzählen muss. Darüber ist bereits berichtet worden. Oder lesen Sie die Statistik der Rüstungsexporte unter Rot-Grün? Im Jahr 2000 haben Sie für 5,9 Milliarden D-Mark Rüstung exportiert, Herr Trittin. Wissen Sie das nicht mehr? (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Unter Helmut Kohl ein Jahr davor waren es 1,9 Milliarden D-Mark. Nehmen Sie das zur Kenntnis, und lassen Sie solche Auftritte, wie Sie ihn sich hier geleistet haben; das ist nämlich Heuchelei. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in den Parlamenten in Frankreich oder in den USA - 300 französische Panzer und 300 amerikanische Panzer sind nach Saudi-Arabien geliefert worden - eine solche Diskussion geführt wird, wie Sie sie hier anzetteln. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schlimm! - Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Das spricht für den Deutschen Bundestag!) Es geht um etwas anderes - um etwas mehr Ehrlichkeit in die Debatte zu bringen -: Meine Damen und Herren von der SPD, ich kenne doch Ihre Gespräche über Rüstungsexporte mit Ihren Freunden von der IG Metall. Wir wissen doch, wie Sie da herumeiern und um Antworten ringen, wenn die Gewerkschafter sagen, dass wir unsere Arbeitsplätze in den Bereichen sichern müssen, in denen wir Deutsche Kernkompetenz haben. Es ist doch kein Zufall, dass wir in Deutschland den zugegebenermaßen technisch besten Panzer herstellen; denn hier gibt es die beste Technologie. Es ist kein Zufall, dass von derselben Firma auch der Dingo hergestellt wird - in diesem Fahrzeug kam in Afghanistan zum Glück noch keiner unserer Soldaten zu Tode -; denn unsere gepanzerten Fahrzeuge werden mit höchstmöglicher Perfektion hergestellt. Diese technologische Kernkompetenz will die IG Metall übrigens erhalten, meine Damen und Herren von der SPD. Reden Sie also mit ihnen und geben Sie vernünftige Antworten. (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Ziehen Sie die Gewerkschaften nicht in Ihren Sumpf hinein!) - Nein, wir sollten ehrlich und nicht heuchlerisch sein. Herr Gabriel, Sie haben bei diesem Thema ja sogar den Papst bemüht. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Pfui!) Im Kürschner konnte ich nichts über Ihren Katholizismus finden. Vermutlich sind Sie konfessionslos. (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Das ist ja auch egal; denn es ist Ihre Sache. Aber lassen Sie doch den Papst beiseite, wenn es um solch schwierige Fragen geht. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist evangelisch! - Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das für eine christliche Lehre, die Sie vertreten?) Also Schluss mit der Heuchelei! Ich bitte um Ihr Bekenntnis zu einer vernünftigen, realitätsbezogenen Einstellung zu diesem in der Tat schwierigen Thema. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass sich die christlichen Kirchen zu dem Thema geäußert haben!) Die Menschenrechtslage ist schwierig - Stichwort "arabischer Frühling" -, das ist uns allen vollkommen klar. Es ist gut so, dass die Entscheidung nicht hier, sondern im Sicherheitsrat getroffen wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum sind Sie eigentlich Abgeordneter?) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Michael Groschek für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Michael Groschek (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über den Kollegen Pfeiffer möchte ich hier jetzt nicht mehr diskutieren. Ich glaube, er hat sich mit seiner Rede selbst gerichtet. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber ich möchte reden über den Kollegen Dr. Lindner, über den Kollegen Dr. Wadephul und über den Kollegen Dr. Uhl, weil ich das, was sie gerade formuliert haben, nicht einfach so stehen lassen kann. Wenn auch mit sehr unterschiedlichen Worten, haben Sie alle gerade im Kern gesagt: Um der Sicherheit der Region willen und aufgrund der Aggressivität des Irans müssen wir ein Gleichgewicht des Schreckens schaffen. Nein, die Lehre der Geschichte ist nicht, aufzurüsten, um ein Gleichgewicht des Schreckens hinzubekommen, sondern die Lehre ist, dass Deutschland, dass der deutsche Außenminister den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen endlich nutzen muss, um die UN-Konferenz 2012 vorzubereiten. Auf dieser Konferenz wird man sich nämlich mit einer massenvernichtungswaffenfreien Zone in Nahost befassen. Das muss das Ziel sein und nicht die Schaffung einer Hochrüstungsregion Nahost. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Es gibt Menschen, die lernen nichts aus der Geschichte, gar nichts!) Ich finde, dass ein Blick in die Reihen der Union lehrreich ist: Herr Polenz fehlt, Herr Lammert fehlt, Frau Steinbach fehlt, Herr Wellmann fehlt. (Michael Glos [CDU/CSU]: Aber Sie sind da!) All diese Abgeordneten fehlen, weil sie allem Anschein nach eine Position vertreten, die unserer sehr ähnlich ist. Unsere Position entspricht der Position, die Sie selbst noch vor zwei Monaten formuliert haben, meine Damen und Herren von Union und FDP. Nach den Verteidigungspolitischen Richtlinien dieser Bundesregierung orientiert sich die Sicherheitspolitik in Deutschland unter anderem an der Entwicklung der Demokratie und der internationalen Entwicklung der Menschenrechte. Wenn man das ernst nimmt, wenn es wirklich um die Entwicklung und die Gültigkeit der Menschenrechte geht, dann darf man bezüglich Saudi-Arabiens vieles, aber man darf keine Panzer nach Saudi-Arabien schicken. Das sind Ihre eigenen Maßstäbe. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Dr. Stinner, Chapeau! Langsam wird deutlich, dass Sigmar Gabriel mit seinem Vorhalt recht hatte, dass in diesem Zusammenhang keine souveräne deutsche Entscheidung getroffen wurde. Wir alle werden bei diesem für die deutsche Demokratie skandalösen Vorgang zu Nickdackeln degradiert. Deshalb wäre es gut, wenn sich die verantwortlichen Regierungsmitglieder hier und heute der Diskussion stellen und nicht abtauchen würden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir hatten doch längst ein Bündnis der Nachdenklichen, zu dem auch Abgeordnete der Union gehörten. Im Unterausschuss "Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung" war eine breite Mehrheit dafür, die Aufgabe der demokratischen Kontrolle und Begleitung durch das Parlament einem parlamentarischen Gremium zu übertragen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN) Die Außen- und Verteidigungspolitiker der Union waren mehrheitlich dafür. Sie wurden aber zurückgepfiffen. Mit Blick auf Algerien und Saudi-Arabien dämmert einem langsam, warum sie zurückgepfiffen wurden. Auch das ist für dieses Haus ein parlamentarischer Skandal. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eine letzte Anmerkung. Als Ruhrgebietspolitiker bin ich der Letzte, der industriepolitische Interessen als gewichtiges politisches Argument nicht zählen lassen würde. Deshalb sage ich Ihnen: Auch unter industriepolitischen Gesichtspunkten wird hier eine große Dummheit begangen. Wer allen Ernstes glaubt, dass der Export von Leopard-2-Panzern, die so nachgerüstet wurden, dass sie bürgerkriegstauglich sind, nach Saudi-Arabien eine Exportförderung für die deutsche Industrie bedeutet, der verkennt, dass die junge Leistungselite, und zwar nicht nur die in der arabischen Welt, sich sehr genau merken wird, mit welchen Gewehren und mit welchen Panzern gegen die Freiheitsbewegung in Arabien vorgegangen wurde. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Wenn es denn immer so einfach wäre!) Deshalb sage ich: Seien Sie einsichtig! Ziehen Sie diese unkluge Entscheidung zurück; denn das ist in unser aller Interesse. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Philipp Mißfelder für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Davon, dass sich die Regierung dieser Diskussion nicht stelle, kann hier nicht die Rede sein. Wir diskutieren jetzt schon mehrere Stunden über diesen wichtigen Vorgang. Wir als Parlamentarier bzw. Fraktionen sollten selbstbewusst genug sein, die Regierung, die wir tragen, an dieser Stelle zu verteidigen. Wir können dies im Übrigen besser als sie selbst; denn die Mitglieder des Bundessicherheitsrates dürfen dazu gar nichts sagen. Das macht die Situation in einer Mediengesellschaft natürlich kommunikativ sehr schwierig; das ist zweifelsfrei der Fall. Wir sprechen hier über klassisches Regierungshandeln. Nicht ohne Grund ist schon zu Adenauers Zeiten - das war bei Brandt und Schmidt nicht anders, und das soll auch zukünftig so bleiben - die Außenpolitik ein Bereich gewesen, in dem die Bundesregierung weitreichende Kompetenzen hat. In diesem Bereich bewegen wir uns gerade. Dass die Demokratie in Deutschland - es wurden ja schon Zweifel am Parlamentarismus geäußert - standhaft genug ist und hier so über dieses Thema diskutiert wird, ist ein gutes Zeichen. Das sollte man nicht kleinreden. (Beifall des Abg. Dr. Johann Wadephul [CDU/ CSU] - Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Natürlich muss man über die Veröffentlichung solcher Informationen und über das, was mit den Exporten von Rüstungsgütern zusammenhängt, diskutieren. Ich frage mich bei dieser Gelegenheit aber, warum Sie zu Ihrer Zeit unter Gerhard Schröder nicht im Ansatz versucht haben - auch früher unter Willy Brandt und Helmut Schmidt wurde dies nicht getan -, dies zu verändern. Wir bewegen uns hier in einer Kontinuität aller Regierungen. Vor diesem Hintergrund führen Sie hier ein Schauspiel auf. Das hat mit einer sachlichen Diskussion nichts zu tun; das möchte ich ganz deutlich sagen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Lassen Sie uns einfach über die Fakten sprechen - diese sind vorhin schon erwähnt worden -: 2001 sind Schießanlagen, Schießsimulatoren und unterkalibrige Übungsmunition im Wert von 31 Millionen DM an Saudi-Arabien geliefert worden. An Saudi-Arabien wurden Rohteile und Halbzeuge für Handfeuerwaffen, Näpfe und Ronden für die Munitionsfertigung, Revolver, Pistolen, Sportpistolen und -revolver, Teile für Gewehre und Karabiner, Maschinenpistolen und Maschinengewehre, Teile für Patrouillenboote, Herstellungsausrüstung für Maschinenkanonen, Handfeuerwaffen und Munition, Test-einrichtungen für ECS-Komponenten usw., usf. geliefert. Ich habe nachgeschaut: Das war im Jahr 2001. 2005 wurden sogar - das steht auf Seite 140 des Rüstungsexportberichtes - Scharfschützengewehre ausgeliefert. In dieser Zeit waren folgende Personen - nur eine davon ist heute anwesend - Mitglied des Bundessicherheitsrates: Gerhard Schröder, Bodo Hombach, Frank-Walter Steinmeier - auch er ist nicht anwesend -, Otto Schily, Rudolf Scharping, Peter Struck, Joschka Fischer, der damalige Wirtschaftsminister Werner Müller, Wolfgang Clement, Herta Däubler-Gmelin, Brigitte Zypries - auch sie ist nicht anwesend -, Oskar Lafontaine - hört, hört -, Hans Eichel und Heidemarie Wieczorek-Zeul. Ich bringe Sie jetzt in eine missliche Situation, Frau Wieczorek-Zeul, aber ich erwarte gar nicht, dass Sie jetzt etwas dazu sagen können; denn Sie dürfen es schlichtweg nicht. Sie können sich für das, was ich hier gesagt habe, gar nicht rechtfertigen. (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Das ist doch Quatsch!) Deshalb ist es richtig, dass das Parlament der Regierung in solchen Fragen sehr viel Vertrauen entgegenbringt. Eines ist klar: Eine solch schwerwiegende Entscheidung - sollte sie getroffen worden sein - kann gar nicht ohne Rücksprache mit den Verbündeten und auch nicht ohne Rücksprache mit Israel getroffen worden sein. (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) Vor diesem Hintergrund sage ich Ihnen: In den Debatten, die wir hier in den vergangenen Wochen über Israel geführt haben, wurden von den Rednern Ihrer Fraktionen viele Sonntagsreden gehalten: Sie und die Linkspartei seien Freunde Israels, man habe die DDR vergessen und überwunden. Aber wenn es darauf ankommt, das strategische Bedrohungspotenzial des Iran zu erkennen, zu analysieren und ernst zu nehmen, sind Sie außenpolitisch ein absoluter Totalausfall. Sparen Sie sich vor diesem Hintergrund in Zukunft Ihre Sonntagsreden zur Sicherheit Israels und zu den Lehren aus der deutschen Geschichte. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie sind diplomatisch erfahren genug, um einschätzen zu können, was der Besuch der Delegation aus Israel vergangene Woche zu bedeuten hatte. Ist da jemand gegen die anstehende Entscheidung Sturm gelaufen? Nein. Sie können sich gerne mit den Leuten - Sie stehen ja in Kontakt mit ihnen - darüber unterhalten. Ich akzeptiere aber nicht, dass Sie nach Israel fahren und in Yad Vashem große Reden schwingen, in denen Sie sagen: "Deutschland ist euer wichtigster Partner", während Sie hier die Bundesregierung, wenn diese eine strategische Entscheidung trifft, bitterlich im Stich lassen. Das ist inakzeptabel. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zu Saudi-Arabien ganz kurz. Saudi-Arabien hat die Annapolis-Konferenz unterstützt. Es hat uns in der Terrorabwehr geholfen und dazu beigetragen, dass wir Informationen zu den Briefbombenattentätern bekommen haben. Im Nahen Osten ist nichts schwarz oder weiß. Es gibt nur die leuchtende Flamme der Freiheit Israels. Ansonsten ist alles grau. Deshalb müssen Sie immer abwägende Entscheidungen treffen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 7. Juli 2011, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 17.41 Uhr) Berichtigung 117. Sitzung, Seite 13420 (B), vierte namentliche Abstimmung, Antrag der Fraktion der SPD, "Die Energiewende zukunftsfähig gestalten": Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 596; davon ja: 140 nein: 320 enthalten: 136 117. Sitzung, Seite 13420 (D), vierte Spalte, hinter dem Namen "Angelika Krüger-Leißner" ist der Name "Ute Kumpf" einzufügen Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 06.07.2011 Bellmann, Veronika CDU/CSU 06.07.2011 Brand, Michael CDU/CSU 06.07.2011 Dr. Danckert, Peter SPD 06.07.2011 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 06.07.2011 Freitag, Dagmar SPD 06.07.2011 Dr. Friedrich (Hof), Hans-Peter CDU/CSU 06.07.2011 Gerster, Martin SPD 06.07.2011 Günther (Plauen), Joachim FDP 06.07.2011 Dr. Harbarth, Stephan CDU/CSU 06.07.2011 Dr. Hein, Rosemarie DIE LINKE 06.07.2011 Kilic, Memet BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.07.2011 Dr. Knopek, Lutz FDP 06.07.2011 Koch, Harald DIE LINKE 06.07.2011 Kotting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.07.2011 Kunert, Katrin DIE LINKE 06.07.2011 Dr. Lamers (Heidelberg), Karl A. CDU/CSU 06.07.2011 Laurischk, Sibylle FDP 06.07.2011 Dr. Lauterbach, Karl SPD 06.07.2011 Dr. de Maizière, Thomas CDU/CSU 06.07.2011 Mayer (Altötting), Stephan CDU/CSU 06.07.2011 Nahles, Andrea SPD 06.07.2011 Nink, Manfred SPD 06.07.2011 Nord, Thomas DIE LINKE 06.07.2011 Dr. Ramsauer, Peter CDU/CSU 06.07.2011 Riegert, Klaus CDU/CSU 06.07.2011 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 06.07.2011 Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 06.07.2011* Widmann-Mauz, Annette CDU/CSU 06.07.2011 Zapf, Uta SPD 06.07.2011* * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung der OSZE Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Wahl eines ordentlichen Mitglieds im Vermittlungsausschuss Namens der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erkläre ich zur Wahl eines Mitglieds des Vermittlungsausschusses Folgendes: Nach der bisherigen Beschlusslage des Deutschen Bundestages (vergleiche Drucksache 17/4) und dem Ausscheiden der Abgeordneten Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg und Julia Klöckner sind die 16 der vom Bundestag zu besetzenden Sitze im Verhältnis 6 (CDU/ CSU) : 4 (SPD) : 2 (FDP) : 2 (Linke) : 2 (Bündnis 90/ Die Grünen) zu verteilen. Die bisherige Verteilung erfolgte nach dem Schlüssel 7 : 4 : 2 : 2 : 1. Die Fraktion der CDU/CSU würde nach unserer Auffassung einen ihrer Sitze an meine Fraktion verlieren. Die Mehrheit der Koalitionsfraktionen würde sich nach der Neuverteilung nicht mehr in der Besetzung der Bundestagsbank im Vermittlungsausschuss widerspiegeln. Sofern die Koalitionsfraktionen beabsichtigen, das Problem der fehlenden Mehrheitsabbildung durch eine Änderung des Stellenanteilsbeschlusses (vergleiche Drucksache 17/4) oder durch die Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu beseitigen, muss hierbei das Urteil des Verfassungsgerichts vom 8. Dezember 2004 (2 BvE 3/02) berücksichtigt werden, welches nach Auffassung meiner Fraktion die vorrangige Geltung des Spiegelbildlichkeitsprinzips fordert. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion hat mir in einem Schreiben vom 5. Juli 2011 zugesichert, dass er in der Sitzung des Ältestenrates vom 7. Juli 2011 einen Vorschlag unterbreiten wird, wonach sich der Geschäftsordnungsausschuss des Deutschen Bundestages mit der Problematik befassen und eine Lösung vorschlagen soll. Darüber hinaus hat er zugesichert, dass ein Mitglied der CDU/CSU-Fraktion im Vermittlungsausschuss zunächst an Abstimmungen im Ausschuss nicht teilnehmen wird. Das Schreiben ist als Anlage dieser Erklärung beigefügt. Meine Fraktion wird vor diesem Hintergrund, jedoch unter Aufrechterhaltung ihrer Interpretation des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, gegen die vorübergehende Beibehaltung des Verteilungsverhältnisses bei den Bundestagssitzen des Vermittlungsausschusses und somit auch gegen den aktuellen Wahlvorschlag der CDU/ CSU-Fraktion keinen Widerspruch erheben. Bei der jetzt anstehenden Wahl wird über einen Sitz entschieden, der nach interner Aufteilung in der CDU/CSU-Fraktion der CSU-Landesgruppe zusteht. Der nach der Befassung im Geschäftsordnungsausschuss eventuell frei werdende Sitz würde später vom Sitzkontingent der CDU abgezogen. Abschließend bekräftigt meine Fraktion, dass die Problematik unmittelbar nach der parlamentarischen Sommerpause einer Lösung zugeführt werden muss. Anlage: Schreiben des Abgeordneten Peter Altmaier (CDU/ CSU) an den Abgeordneten Volker Beck (Köln) (Bündnis 90/Die Grünen) vom 5. Juli 2011: Sehr geehrter Herr Beck, im Anschluss an unsere gerade stattgefundene Beratung zur Besetzung der Bundestagsbank im Vermittlungsausschuss möchte ich Ihnen versichern, dass ich erstens übermorgen im Ältestenrat vorschlagen werde, dass sich der Geschäfteordnungsausschuss in Selbstbefassung mit der Besetzung der dem Deutschen Bundestag im Vermittlungsausschuss zustehenden Sitze befasst mit dem Ziel, eine Lösung vorzuschlagen, die einen schonenden Ausgleich zwischen dem Mehrheitsprinzip und dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit erreicht. Zweitens darf ich Ihnen mit diesem Schreiben für meine Fraktion zusichern, dass ein Mitglied der CDU/ CSU-Fraktion im Vermittlungsausschuss in diesem Gremium zunächst an Abstimmungen nicht teilnehmen wird. Im September 2011 werden wir in weitere Beratungen eintreten, ob und in welcher Weise wir zu einer die Interessen ausgleichenden Lösung kommen können. Es besteht Einvernehmen, dass morgen, Mittwoch, 06. Juli 2011, im Plenum über die Nachbesetzung des ordentlichen und des stellvertretenden Mitgliedes der CDU/CSU-Fraktion im Vermittlungsausschuss abgestimmt wird (durch "Amtliche Mitteilung zur Verlesung" zu Beginn der Plenarsitzung). Mit freundlichen Grüßen Peter Altmaier Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Altmaier (CDU/CSU) zur Wahl eines ordentlichen Mitglieds im Vermittlungsausschuss Namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erkläre ich zur Wahl eines Mitglieds des Vermittlungsausschusses Folgendes: Das in dem Beschluss vom 27. Oktober 2009 (Bundestagsdrucksache 17/4) festgelegte Verteilverfahren führt nicht zuverlässig zu einer korrekten Abbildung der Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag und seinen Ausschüssen, namentlich im Vermittlungsausschuss. Mit der heutigen Wahl wird die Arbeitsfähigkeit des Vermittlungsausschusses vorläufig gesichert. Der Geschäftsordnungsausschuss des Deutschen Bundestages wird versuchen, unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember 2004 (Az. 2 BvE 3/02) für die Besetzung der dem Deutschen Bundestag im Vermittlungsausschuss zustehenden Sitze eine Lösung vorzuschlagen, die darauf abzielt, eine proportional gerechte Sitzverteilung auf der Bundestagsbank des Vermittlungsausschusses zu finden. Hierbei soll ein schonender Ausgleich zwischen dem Mehrheitsprinzip und dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gefunden werden. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Sabine Leidig (DIE LINKE) (Drucksache 17/6438, dringliche Frage 6): Hat die Bundesregierung den Bericht des Magazins Der Spiegel (Ausgabe 27 vom 4. Juli 2011) zur Kenntnis genommen, wonach die Deutsche Bahn AG bzw. deren Töchter DB ProjektBau GmbH und DB Netz AG seit 2002 die Kosten für das Projekt Stuttgart 21 (S 21) gegenüber der Öffentlichkeit "systematisch geschönt" haben (Oktober 2002: öffentlich kommunizierte Kosten 2,6 Milliarden Euro - interne Berechnung: 3,3 Milliarden Euro; März 2005: öffentlich kommunizierte Kosten 2,8 Milliarden Euro - interne Kalkulation: 4,1 Milliarden Euro; Juli 2011: öffentlich kommunizierte Kosten 4,1 Milliarden Euro - interne Kalkulation: 5,2 Milliarden Euro), und war sie über die internen Kalkulationen des bundeseigenen Unternehmens informiert? Bei Stuttgart 21 handelt es sich nicht um ein Projekt des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes, sondern um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutsche Bahn AG. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind Vorhabenträger und Bauherr. Das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und die Flughafen Stuttgart GmbH beteiligen sich als Aufgabenträger an der Finanzierung. Der Bund übernimmt mit einem Festbetrag in Höhe von 563,8 Millionen Euro für das Projekt Stuttgart 21 den Anteil, der für die Einbindung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm in den Knoten Stuttgart auch ohne Verwirklichung von Stuttgart 21 erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus übernimmt er keine Kostensteigerungen. Die aktuelle Kostenkalkulation der Deutsche Bahn AG hat für Stuttgart 21 Gesamtprojektkosten in Höhe von 4 088 Millionen Euro ergeben. Der Kostenrahmen von 4 526 Millionen Euro wird nicht erreicht. Es verbleibt noch ein Risikoschirm von 438 Millionen Euro. Anderslautende Informationen liegen der Bundesregierung nicht vor. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) (Drucksache 17/6386, Frage 1): In welcher Größenordnung würde schätzungsweise das Nettosteueraufkommen von Bund, Ländern und Gemeinden sinken, wenn die von Steuerpflichtigen auf der Basis von § 37 des Einkommensteuergesetzes, EStG, erhobenen Steuervorauszahlungen zu einem marktüblichen Zinssatz verzinst würden? Einkommensteuervorauszahlungen werden nach geltendem Recht zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar verzinst. Ergibt sich aufgrund der Einkommensteuer-Jahresfestsetzung unter Anrechnung der festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen und der anzurechnenden Abzugsteuern, das ist insbesondere die einbehaltene Lohnsteuer, eine Abschlusszahlung, so werden nach § 233 a der Abgabenordnung Nachzahlungszinsen erhoben. Im Fall einer Steuererstattung werden gleichermaßen Erstattungszinsen ausgezahlt. Das Aufkommen der Zinsen zur Einkommensteuer nach § 233 a der Abgabenordnung betrug im Jahr 2010 bundesweit rund 703 Millionen Euro. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus Nachzahlungszinsen in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro und Erstattungszinsen in Höhe von rund 800 Millionen Euro. Da diesem Zinsaufkommen ein gesetzlich festgeschriebener Zinssatz von 0,5 Prozent je vollem Zinsmonat, also 6 Prozent je vollem Zinsjahr, zugrunde liegt, kann davon ausgegangen werden, dass sich das Zinsaufkommen bei Annahme eines Zinssatzes von 3 Prozent pro Jahr halbieren dürfte. Bei Annahme eines Zinssatzes von nur 1,5 Prozent pro Jahr dürfte das Zinsaufkommen um 75 Prozent zurückgehen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) (Drucksache 17/6386, Frage 2): Hat die Bundesregierung bereits darauf hingewirkt, dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, FKS, aufgrund der bisherigen Medienberichterstattung bzw. aufgrund der in meiner schriftlichen Frage, Arbeitsnummer 6/184, geschilderten Vorkommnisse im Europa-Distributionscenter von Ikea in Dortmund-Ellinghausen tätig wird, und wenn ja, zu welchem Ergebnis ist die FKS in diesem Fall gekommen? Eine Prüfung des Europa-Distributionscenters von Ikea in Dortmund-Ellinghausen hat bislang nicht stattgefunden. Es ist beabsichtigt, dort eine Prüfung vorzunehmen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Manfred Nink (SPD) (Drucksache 17/6386, Frage 3): Wie beurteilt die Bundesregierung die Rolle von OTC-Derivaten - OTC: over the counter -, die durch Unternehmen im Rahmen der Sicherung ihres Grundgeschäfts beispielsweise zur Absicherung von Währungs-, Zins- oder Rohstoffpreisrisiken Anwendung finden, für die Entwicklung der internationalen Finanzkrise, und welche Maßnahmen hat die Bundesregierung eingeleitet, um eine Wiederholung der durch den OTC-Derivatehandel hervorgerufenen Probleme auszuschließen? Nach Auffassung der Bundesregierung haben OTC-Derivategeschäfte - Derivate, die nicht an einer Börse, sondern direkt "über den Schalter" gehandelt werden und nicht standardisiert sind; over the counter, OTC. -, die von gewerblichen Unternehmen zur Absicherung ihrer Grundgeschäfte durchgeführt wurden, nicht zur internationalen Finanzkrise beigetragen. Die Bundesregierung unterstützt die Pläne der Europäischen Kommission zur Regulierung von OTC-Derivategeschäften in Umsetzung der Beschlüsse der G 20. Hierzu gehört insbesondere die Verpflichtung zur Abwicklung von OTC-Derivategeschäften über zentrale Clearingstellen und die Meldung von OTC-Derivategeschäften an Transaktionsregister. Die auf EU-Ebene geplanten Maßnahmen werden auch für die in Deutschland getätigten Geschäfte gelten. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Manfred Nink (SPD) (Drucksache 17/6386, Frage 4): Welche Entscheidung zur Regulierung von Derivaten haben die G-20-Staaten getroffen, und welche Position vertritt die Bundesregierung auf europäischer Ebene in der Diskussion zum Anwendungsbereich der Regulierung von (OTC-)Derivaten hinsichtlich möglicher Ausnahmeregelungen vom Clearingzwang über CCP, Central Counterparty for Equities, für Unternehmen? Die von den G 20 auf dem Pittsburgh-Gipfel im September 2010 gefassten Beschlüsse sehen vor, dass OTC-Derivategeschäfte bis Ende 2012 über zentrale Clearingstellen abgewickelt, an Transaktionsregister gemeldet und über Börsen oder elektronische Handelsplattformen gehandelt werden. Die Bundesregierung unterstützt die Planung der Europäischen Kommission, Unternehmen, die OTC-Derivate lediglich zur Absicherung von Risiken aus ihrem Grundgeschäft einsetzen, unter bestimmten Voraussetzungen von der Verpflichtung zum Clearing über zentrale Clearingstellen, CCP, auszunehmen. Die Bundesregierung hält es ferner für angebracht, gruppeninterne OTC-Derivategeschäfte zwischen verschiedenen Unternehmen einer Unternehmensgruppe, die über ein einheitliches Risikomessungs- und -steuerungssystem verfügt, von der Verpflichtung zum Clearing über CCPs auszunehmen. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/6386, Frage 5): Wie sieht die Bilanz aus den bislang eingegangenen, den jetzt aktuell für Rumänien vorgesehenen Verpflichtungen und den bisher zurückgezahlten Mitteln an Zahlungsbilanzhilfen für Nicht-Euro-Staaten und aus dem European Financial Stabilisation Mechanism, EFSM, aus, und welchen finanziellen Spielraum gibt es aktuell noch jeweils für weitere Kredite und Bürgschaften an Nicht-Euro-Länder und über den EFSM aus der sogenannten Marge? Grundsätzlich ist zunächst zwischen klassischen Zahlungsbilanzhilfen für Mitgliedstaaten der Union und dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus, EFSM, zu unterscheiden: Zahlungsbilanzhilfen vergibt die Europäische Union, EU, bei bedrohlichen Zahlungsbilanzproblemen an Mitgliedsländer, die den Euro noch nicht eingeführt haben. Diese laufen außerhalb des Finanzrahmens der EU über eine eingerichtete Fazilität des mittelfristigen finanziellen Beistands - gemäß der Verordnung (EG) Nr. 332/ 2002 des Rates vom 18. Februar 2002. Der EU-Haushalt übernimmt für die Zahlungsbilanzhilfen eine Garantie. Derzeit ist das Volumen der Zahlungsbilanzhilfen für alle Nicht-Euroländer auf 50 Milliarden Euro beschränkt. Rechtsgrundlage für Zahlungsbilanzhilfen neben der genannten Verordnung ist Art. 143 des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union, AEUV. Der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus, EFSM, hingegen wurde mit der Verordnung (EU) Nr. 407/2010 des Rates vom 11. Mai 2010 als Gemeinschaftsinstrument des sogenannten europäischen Rettungsschirms in der Krise eingerichtet, um die Finanzstabilität der Union zu sichern und ist darauf ausgerichtet, Euro-Staaten in finanzieller Not zu unterstützen. Die Stabilisierungshilfen des EFSM, die ein Gesamtvolumen von 60 Milliarden Euro umfassen, werden durch den EU-Haushalt garantiert. Der EU-Haushalt würde demnach nur belastet, wenn ein Kreditnehmer seine Verpflichtungen nicht mehr erfüllen kann. Rechtsgrundlage des EFSM ist neben der erwähnten Verordnung Art. 122 Abs. 2 AEUV. Von den maximal 50 Milliarden Euro, die als Zahlungsbilanzhilfen durch die EU zur Verfügung stehen, wurden insgesamt 16 Milliarden Euro gewährt - 6,5 Milliarden Euro für Ungarn, 3,1 Milliarden Euro für Lettland und 6,4 Milliarden Euro für Rumänien. Davon wurden bisher 13,4 Milliarden Euro an die Länder ausgezahlt. Zurückgezahlt wurden noch keine Kredite, da die Gewährung selbst noch nicht lange zurückliegt. Ungarn muss seine Kredite bis 2016 zurückzahlen, Lettland bis 2015 und Rumänien bis 2016, vorsorgliches Anschlussprogramm noch nicht berücksichtigt. Die Zahlen machen deutlich, dass über die Zahlungsbilanzhilfen noch Spielraum besteht, Nicht-Euro-Ländern in Not finanziellen Beistand zu leisten. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6386, Frage 6): Wie hat sich die Zahl der Bürgerarbeitsplätze aktuell entwickelt - bitte unter Angabe der beantragten, bewilligten, abgelehnten und besetzten Plätze -, und in welchem Umfang wurde damit jeweils die Zahl der ursprünglich angestrebten Bürgerarbeitsplätze in den Bundesländern bislang ausgeschöpft? Bislang wurden bundesweit rund 51 Prozent der möglichen Bürgerarbeitsplätze beantragt und rund 37 Prozent der möglichen Bürgerarbeitsplätze bewilligt - Stand Juni 2011. Der aktuelle Umsetzungsstand nach Bundesländern ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle: Bundesland Kontingent beantragte Stellen* bewilligte Stellen* abgelehnte Stellen* besetzte Stellen** Baden-Württemberg 1 985 588 412 39 181 Bayern 1 900 985 775 37 468 Berlin 2 332 562 266 6 57 Brandenburg 3 180 1 703 1 500 72 829 Bremen 410 170 160 0 44 Hamburg 200 192 50 0 50 Hessen 1 630 829 573 68 188 Mecklenburg-Vorpommern 1 661 956 604 45 352 Niedersachsen 2 772 1 065 696 85 189 Nordrhein-Westfalen 4 113 1 903 1 509 63 752 Rheinland-Pfalz 809 571 363 49 183 Saarland 1 103 803 658 24 276 Sachsen 2 975 1 798 1 295 96 969 Sachsen-Anhalt 4 842 3 154 2 815 36 1 961 Schleswig-Holstein 813 446 159 18 64 Thüringen 3 230 1 456 776 266 425 Gesamt 33 955 17 181 12 611 904 6 988 * Stand Juni 2011, Quelle: Bundesverwaltungsamt ** Stand Juni 2011 (Daten vorläufig und hochgerechnet), Quelle: Monatsstatistik der Bundesagentur für Arbeit; mit Förderinformationen der zugelassenen kommunale Träger Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6386, Frage 7): Wie hat sich die Zahl der geförderten Beschäftigungsverhältnisse auf der Basis von § 16 e Abs. 4 Nr. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, SGB II, seit Anfang 2010 entwickelt - bitte Monatsdaten angeben -, und wie viele aller Beschäftigungsverhältnisse nach § 16 e Abs. 4 Nr. 1 SGB II bestehen länger als 24 Monate? Die Entwicklung über die Zahl der geförderten Beschäftigungsverhältnisse auf Basis von § 16 e Abs. 4 Nr. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch, SGB II, ist der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen. Nach Informationen der Bundesagentur für Arbeit bestanden im Mai 2011 circa 3 300 Beschäftigungsverhältnisse gemäß § 16 e Abs. 4 Nr. 1 SGB II länger als 24 Monate - Förderinformationen ohne zugelassene kommunale Träger. Monat Förderfälle 2010 Förderfälle 2011 Januar 42 203 23 603 Februar 42 102 21 765 März 41 462 20 378 April 40 048 19 105* Mai 38 454 17 280* Juni 36 681 15 938* Juli 34 541 August 32 548 September 30 643 Oktober 29 017 November 27 336 Dezember 25 701 * Daten vorläufig und hochgerechnet Quelle: Monatsstatistik der Bundesagentur für Arbeit; mit Förderinformationen der zugelassenen kommunalen Träger Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6386, Frage 8): Wie stellt sich die Bundesregierung konkret die für eine nachhaltige und abgestimmte Unterstützung bedürftiger Kinder und Jugendlicher erforderliche Zusammenarbeit zwischen Schulentwicklungsplanung, Jugendhilfeplanung, Sozialplanung etc. vor Ort vor? Der Bund ist für Schulentwicklungsplanung, Jugendhilfeplanung, Sozialplanung etc. nicht zuständig. Diese liegen in der Verantwortung der kommunalen Träger bzw. der aufsichtführenden Länder. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6386, Frage 9): Welche Gründe hat die Bundesregierung, das Bildungs- und Teilhabepaket einschließlich der Stellen für die Schulsozialarbeit über das Zweite Buch Sozialgesetzbuch durchzuführen und nicht über das Achte Buch Sozialgesetzbuch? Das Bildungs- und Teilhabepaket geht auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - zurück. Gegenstand dieser konkreten Normenkontrollverfahren war die Vereinbarkeit von Regelungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, SGB II, mit dem Grundgesetz. Hierbei machte das Gericht auch Ausführungen zu dem spezifischen Bedarf, der bei der Sicherung des Existenzminimums von Kindern zu berücksichtigen sei. Die Regelungen des SGB II alter Fassung entsprachen den verfassungsrechtlichen Vorgaben (Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 GG und Beachtung des Sozialstaatsprinzips nach Art. 20 GG) nicht. Die zwischenzeitlich eingeführten Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket nach dem SGB II neuer Fassung dienen dementsprechend der Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Das SGB II enthält keine Regelungen über die Durchführung von Schulsozialarbeit; deshalb erfolgt weder die inhaltliche noch die organisatorische Umsetzung von Schulsozialarbeit auf der Grundlage des SGB II. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/6386, Frage 10): Wie viele der bisher über einen Vermittlungsgutschein zustande gekommenen Beschäftigungsverhältnisse enden nach Ablauf des sechsten, neunten und zwölften Monats (bitte die absoluten und relativen Werte angeben), und welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Gründe und Höhe für Rückzahlungen bzw. Rückzahlungsforderungen von über den Vermittlungsgutschein ausgezahlten Geldern vor? Erkenntnisse über Beschäftigungsverhältnisse, die aufgrund von Fördermaßnahmen wie Vermittlungsgutscheinen zustandekamen, werden auf das Jahr 2010 bezogen, wie ich Ihnen, Frau Kollegin Zimmermann, laut des Plenarprotokolls vom 29. Juni 2011 auf eine vergleichbare Frage geantwortet habe, erst zum Jahresende 2011 vorliegen. Für die Vorjahre (bis einschließlich 2009) werden entsprechende statistische Daten zur Beschäftigungssituation 6 Monate nach dem Förderzeitpunkt auch zukünftig nicht verfügbar sein. Zu Ihrer Frage nach Gründen und Höhe für Rückzahlungen und Rückzahlungsforderungen liegen, wie ich anhand einer vergleichbaren Frage des Kollegen Werner Dreibus laut Plenarprotokoll vom 29. Juni 2011 schon erläutern konnte, keine Daten vor. Hierzu möchte ich erneut kurz auf das diesbezügliche Verfahren eingehen. Liegen der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter Hinweise auf einen Missbrauchsverdacht vor, werden entsprechende Recherchen eingeleitet. Erhärtet sich der Verdacht, wird Strafanzeige bei der zuständigen Ermittlungsbehörde erstattet. Die Ermittlungsergebnisse werden der Bundesagentur für Arbeit in der Regel nicht mitgeteilt. Bis einschließlich 2010 wurden die eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht erhoben. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit wurden im Jahr 2011 in 27 Fällen Strafanzeige erstattet. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/6386, Frage 11): Wie hoch kann - die derzeitige mittelfristige Finanzplanung für den Eingliederungstitel im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zugrunde gelegt und die Sonderprogramme abgezogen - das Fördervolumen des neuen geplanten § 16 e SGB II für die Jahre 2012, 2013, 2014 und 2015 sein, und wie hoch sind für diese Jahre die vorliegenden Verpflichtungsermächtigungen in diesem Förderbereich? Da gegenwärtig noch nicht feststeht, in welcher Höhe in den kommenden Jahren Mittel für die Bundesprogramme benötigt werden, kann die Bundesregierung noch keine Aussage dazu machen, wie viele Mittel bundesweit für die Förderung von Beschäftigungsverhältnissen nach § 16 e SGB II in der Fassung des Entwurfes eines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werden. Die Mittel für alle zu Beginn des jeweiligen Jahres bestehenden Verpflichtungen für Beschäftigungsverhältnisse nach § 16 e SGB II in der bisherigen Fassung werden gesondert zur Verfügung gestellt. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/6386, Frage 14): Welche konkreten Vorhaben und Maßnahmen im Jahr 2011 gibt es seitens der Bundesregierung - auch mit Blick auf die unbefriedigenden Antworten der Bundesregierung auf meine mündlichen Fragen 16 und 17, Plenarprotokoll 17/116 vom 29. Juni 2011 - zu dem Thema der bilateralen Zusammenarbeit im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention - "Der behindertenpolitische Austausch mit anderen Staaten wird gefördert. Die Aufnahme von behindertenpolitischen Themen in bilateralen Absprachen und Abkommen wird befürwortet" - zwischen Deutschland und der Republik Polen sowie zwischen Deutschland und der Russischen Föderation, und wie sind dabei Menschen mit Behinderungen und deren Organisationen einbezogen? Wie bereits in der Antwort am 29. Juni 2011 dargelegt, findet auf bilateraler Ebene und auf EU-Ebene, unter anderem im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Treffen der Beschäftigungs- und Sozialminister, ein Austausch zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention statt. Das schließt Gespräche zwischen der deutschen und polnischen Seite mit ein. Russland befindet sich gegenwärtig im Ratifizierungsverfahren der UN-Behindertenrechtskonvention und ist an einem Austausch über Erfahrungen zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention interessiert. Deshalb soll dieses Thema zeitnah im Rahmen eines bilateralen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Austausches auf Parlamentarischer Staatssekretärsebene im Juli 2011 aufgegriffen werden. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/6386, Frage 15): Welche konkreten Vorhaben und Maßnahmen in den Jahren 2011 und 2012 gibt es seitens der Bundesregierung zu dem Thema der bilateralen Zusammenarbeit im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zwischen Deutschland und der Volksrepublik China, und wie sind dabei Menschen mit Behinderungen und deren Organisationen einbezogen? Derzeit wird im BMAS geprüft, unter welchen Umständen ein Besuch des chinesischen Behindertenverbands "China Disabled Peoples Federation", CDPF, noch in diesem Jahr im BMAS realisiert werden kann. Der CDPF möchte dabei seine Zusammenarbeit mit dem BMAS intensivieren. Der CDPF ist der offizielle Behindertenverband Chinas. Er vertritt offiziell die Interessen von etwa 83 Millionen behinderten Menschen in China und beschäftigt hierfür etwa 80 000 Menschen in allen Regionen Chinas. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Gerd Mü ller auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/6386, Frage 16): Wie bewertet die Bundesregierung bisher vorliegende Unterlagen zur Einschätzung tatsächlicher ökologischer und gesundheitlicher Risiken, die vom gentechnisch veränderten Mais SmartStax ausgehen, und wann rechnet die Bundesregierung mit einer Anbauzulassung von SmartStax in der EU? Für den gentechnisch veränderten Mais SmartStax, der eine Herbizid- und Insektentoleranz aufweist, liegt seit 2008 ein Antrag auf Zulassung der Einfuhr und der Verarbeitung als Lebens- und Futtermittel vor. Unter Einbezug der Stellungnahme der deutschen Behörden wurde die Bewertung der Europäischen Behörde für die Lebensmittelsicherheit, EFSA, erstellt. Ein ökologisches bzw. gesundheitsgefährdendes Risiko ergibt sich aus der Bewertung nicht. Ein Antrag auf Zulassung für den Anbau ist derzeit nicht anhängig. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Gerd Mü ller auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/6386, Frage 17): Wie bewertet die Bundesregierung, dass beim Zulassungsverfahren von transgenen Pflanzen mit gestapelten Eigenschaften, Stacked Events, eine vergleichende Risikobewertung von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA, als ausreichend erachtet und auf eine spezifische Risikobewertung der jeweiligen transgenen Pflanzen verzichtet wird, und welche Vorschläge hat sie zur Erweiterung der Prüfanforderungen? Die Risikobewertung erfolgt immer fallspezifisch. Jeder Antrag auf Zulassung eines gentechnisch veränderten Organismus, GVO, der entweder durch eine neue gentechnische Veränderung oder durch konventionelle Kreuzung bereits vorhandener gentechnisch veränderter Organismen entstanden ist, erfährt eine neue, eigenständige Risikobewertung. Diese wird nach international abgestimmten Richtlinien - OECD, EU, Codex alimentarius - vergleichend unter Einbezug des Ausgangsorganismus durchgeführt. Eine Erweiterung der Prüfanforderungen müsste auf internationaler Ebene erfolgen. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksache 17/6386, Frage 20): Wie erklärt sich die Bundesregierung die Kritik zahlreicher Schwerpunkt-Kitas bezüglich der Umsetzung der zahlreichen Auflagen des Programms "Frühe Chancen", dass vor allem junge Erzieherinnen und Erzieher mit der umfassenden Dokumentation ihres Kitaalltags überfordert sein werden, dass zu wenig für dieses Programm geeignete Fachkräfte vorhanden seien, die die hohen Anforderungen erfüllten, dass die bei diesem Programm vorgesehene Arbeit in Teilzeit für viele Erzieherinnen und Erzieher nicht existenzsichernd sei sowie dass die Träger bei der Einstellung von Fachkräften finanziell erst in Vorleistung treten müssten, der Bund aber seine Zusage zur Einstellung dieser Kräfte zurücknehmen könnte - bitte auf alle Kritikpunkte einzeln eingehen -, und wie beabsichtigt die Bundesregierung, auf die genannten Probleme zu reagieren? Das Bundesprogramm "Offensive Frühe Chancen: Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration" formuliert keine spezifischen Vorgaben für die Dokumentation der täglichen Arbeit in den Einrichtungen. Im Rahmen des Monitorings sind die Schwerpunkt-Kitas aufgefordert, halbjährlich einen neunseitigen Fragebogen mit fast ausschließlich standardisierten Antwortvorgaben auszufüllen. Dieses Verfahren wurde bewusst gewählt, um den Aufwand für die Einrichtungen so gering wie möglich zu halten. Die Qualifikationsanforderungen für die in den Schwerpunkt-Kitas tätigen Fachkräfte sind bewusst so formuliert worden, dass ein möglichst breiter Personenkreis für die Tätigkeit infrage kommt. Neben pädagogischen Fachkräften können auch Fachkräfte im Bereich Sprachförderung (zum Beispiel Logopädinnen und Logopäden) sowie Fachkräfte mit sonstiger Qualifikation, aber einschlägigen beruflichen Erfahrungen eingestellt werden. Zwecks Gewährleistung einer hohen Qualität der Arbeit müssen alle Fachkräfte über eine Zusatzqualifikation im Bereich Sprachförderung und/ oder Förderung von Kindern unter drei Jahren verfügen. Um das Angebot an infrage kommenden Fachkräften wiederum zu maximieren, besteht die Möglichkeit, diese Zusatzqualifikation berufsbegleitend zu absolvieren bzw. aufzustocken. Die Kosten dafür können über die im Rahmen der Förderung gezahlten Sachkostenmittel abgerechnet werden. Aufgrund entsprechender Rückmeldungen vonseiten der Einrichtungen hinsichtlich des gegebenenfalls engen Zeitfensters und geeigneter Qualifizierungsangebote hat unser Haus die Vorgaben modifiziert und längere Fristen hinsichtlich des Nachweises dieser Zusatzqualifikation zugelassen. Mittlerweile konnten zum jetzigen Stand rund 2 900 halbe Stellen (von 3 000) bewilligt werden. Sie bemerken, dass die über das Programm vorgesehene Arbeit für viele Erzieherinnen nicht existenzsichernd sei. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass über die Bundesinitiative "Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration" die Möglichkeit besteht, bereits in Teilzeit beschäftigte und für die Aufgabe geeignete Erzieherinnen auf eine Vollzeitstelle aufzustocken. Die durch das Programm geforderte Eingruppierung in TVöD S8 bzw. vergleichbar ist eine den Anforderungen dieser anspruchsvollen Arbeit angemessene Vergütung, die in der Regel nur die Kitaleitung erhält. Gewerkschaften und Berufsverbände haben sich zum Start des Programms sogar in einer eigens darauf gerichteten Pressemitteilung befürwortend dazu geäußert. Eine finanzielle Vorleistung durch die bewilligten Träger ist nicht erforderlich. Bei Besetzung der geförderten Stelle können über das Webportal der Regiestelle Schwerpunkt-Kitas die Fördermittel abgerufen werden. Die Auszahlung erfolgt nach Prüfung in monatlichen Raten. Die Einstellung der Fachkräfte im Sinne des Anspruchs auf die Förderung ist an die Erfüllung der Zuwendungsvoraussetzungen geknüpft. Die Fachkraft für Sprachförderung muss im Umfang von mindestens der Hälfte der innerhalb der jeweiligen Einrichtung regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beschäftigt werden (bei Einrichtungsverbund: mit einem Beschäftigungsumfang der vollen regelmäßigen Arbeitszeit). Die Fachkraftstelle ist analog TVöD S8 zu vergüten. In Fällen, in denen diese Zuwendungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, kann der Zuwendungsbescheid widerrufen werden. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksache 17/6386, Frage 21): Wann beabsichtigt die Bundesregierung, beim Bundesprogramm "Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration" angesichts der Kritik und der zahlreichen Verbesserungsvorschläge aus den Kommunen bzw. der Schwerpunkt-Kitas selbst nachzubessern, und falls dies nicht beabsichtigt ist, warum nicht? Bisher gab es keine wesentliche Kritik bzw. Verbesserungsvorschläge. Die Fragen beruhten größtenteils auf Missverständnissen, die durch ein Telefonat in der Regel ausgeräumt werden konnten. Sollte es dennoch konkrete Verbesserungsvorschläge geben, nehmen wir diese gern entgegen und bemühen uns, sie in den Programmverlauf einzubetten. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/6386, Frage 24): Ist die Bundesregierung dazu bereit, im Ausland bereits erfolgreich erprobte Systeme der Fahranfängerbetreuung, beispielsweise obligatorische Beobachtungsfahrten, auch in Deutschland einzuführen und im neuen Nationalen Verkehrssicherheitsprogramm zu verankern? Trotz aller beachtlichen Erfolge bei der Fahranfängervorbereitung - wie dem absoluten Alkoholverbot für Fahranfänger und dem "Begleitenden Fahren mit 17" - sind nach wie vor zu hohe Unfallzahlen bei den jungen Fahranfängern zu verzeichnen. Daher hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung als weitere Maßnahme bei der Bundesanstalt für Straßenwesen ein Projekt in Auftrag gegeben, mit dem alle zielführenden Maßnahmeansätze - national wie international - in das System der Fahranfängervorbereitung mit den Kernbereichen Aus- und Weiterbildung einbezogen werden. Mit diesem Rahmenkonzept zur Fahranfängervorbereitung soll das Sicherheitspotenzial jeder einzelnen Maßnahme umfassend ausgeschöpft werden. Gemeinsam mit Vertretern der Wissenschaft, der Verbände und der Fahrlehrerschaft wird damit an einem weiten wichtigen Baustein zur Verbesserung der Verkehrssicherheit der Fahranfänger gearbeitet. Ein erster Zwischenbericht wird in diesem Sommer vorgelegt. Ein zentrales Thema wird auch die Gestaltung der ersten Phase der selbstständigen Fahrerkarriere sein, um das in dieser Zeit bestehende hohe Unfallrisiko zu reduzieren. Inwieweit hierbei eine oft geforderte sogenannte 2. Ausbildungsphase oder "obligatorische Beobachtungsfahrten" von der Wissenschaft für notwendig und sinnvoll erachtet wird, steht derzeit noch nicht fest. Dieses "Rahmenkonzept zur Fahranfängervorbereitung in Deutschland" ist auch Bestandteil des Verkehrssicherheitsprogramms. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/6386, Frage 25): Durch welche Initiativen wird die Bundesregierung die Befreiung der Inselflüge von der Luftverkehrsteuer für Touristinnen und Touristen weiter verfolgen, nachdem die EU-Kommission lediglich eine dies betreffende Befreiung für Flüge zur medizinischen Versorgung sowie zur Beförderung von Inselbewohnerinnen und Inselbewohnern genehmigt hat? Die schriftliche Entscheidung der EU-Kommission über die Befreiung der Inselflüge für Inselbewohner und zur medizinischen Versorgung von der Luftverkehrssteuer, § 5 Nr. 4 Luftverkehrssteuergesetz, liegt der Bundesregierung seit dem 30. Juni 2011 offiziell vor und wird derzeit juristisch ausgewertet. Die Bundesregierung wird nunmehr auch das Beihilfeverfahren für die Steuerbefreiung für touristische Flüge, § 5 Nr. 5 Luftverkehrssteuergesetz, weiter vorantreiben; das diesbezügliche Pränotifizierungsverfahren ist bereits am 1. Dezember 2010 eingeleitet worden. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6386, Fragen 26 und 27): Wie bewertet die Bundesregierung das neue Konzept der Brandenburger Landesregierung zur Anbindung des Westhavellandes an die Autobahn 2, insbesondere die Planungen für den dreispurigen Ausbau der Bundesstraße 102 südlich von Brandenburg/Havel, und aus welchen statistischen Erhebungen wird der Bedarf dafür abgeleitet? Wie bewertet die Bundesregierung die Aufgabe der ursprünglichen Pläne für die Anbindung des Westhavellandes an die A 2, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Teilabschnitt von Bensdorf nach Wusterwitz bereits gebaut wurde, und welche Kosten haben die alten Planungen und der bereits gebaute Teilabschnitt verursacht? Zu Frage 26: Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen enthält die Ortsumgehungen Brandenburg an der Havel, Nordabschnitt, und Brandenburg an der Havel, Südabschnitt, als Maßnahmen des vordringlichen Bedarfs. Insbesondere wegen erheblicher Kostensteigerungen hat die zuständige Auftragsverwaltung des Landes Brandenburg dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vorgeschlagen, diese beiden Abschnitte durch die die Leistungsfähigkeit steigernden Anpassungen an der bestehenden B 102 zu ersetzen, um ebenfalls die Ziele der Bundesverkehrswegeplanung, nämlich die bessere Anbindung des Raumes Rathenow/Premnitz an die A 2 insbesondere durch die Verringerung der Reisezeiten, zu erreichen. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat seine Zustimmung hierzu in Aussicht gestellt, insbesondere aber noch Auskünfte und Nachweise zu den Alternativmaßnahmen, zum Beispiel einem möglichen dreistreifigen Ausbau einzelner Abschnitte, erbeten. Diese Unterlagen stehen noch aus. Zu Frage 27: Bei den bereits realisierten Maßnahmen im Bereich Bensdorf und Wusterwitz handelt es sich um Ortsumgehungen im Zuge von Landesstraßen. Die Aufwendungen hierfür sind dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nicht bekannt. Die angesprochenen Planungen - auch für die Bundesstraßenmaßnahmen - werden vom Land Brandenburg finanziert. Die Aufwendungen hierfür sind dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nicht bekannt. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache 17/6386, Frage 28): Gibt es in der Bundesregierung Pläne, eine Kennzeichenpflicht für Fahrräder einzuführen, und hält die Bundesregierung diese Maßnahme zur Eindämmung von Verstößen von Fahrradfahrern gegen die Verkehrsregeln für erwägenswert? Nein. Aufwand und Kosten stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen. Anlage 26 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann Ott (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6386, Frage 29): Welche konkreten Maßnahmen und Initiativen sind aus dem Petersberger Dialog II am 3./4. Juli 2011 hervorgegangen, um die internationalen Klimaverhandlungen zu einem Erfolg zu führen? Der Petersberger Klimadialog II mit dem Titel "Rising to the Climate Challenge" fand vom 3. bis 4. Juli 2011 in Berlin statt und wurde gemeinsam von Deutschland und Südafrika, dem Gastgeber des nächsten Klimagipfels im Dezember, ausgerichtet. Auf halbem Wege zwischen Cancún und Durban wurden die möglichen Ergebnisse des Klimagipfels von Durban im Kreis von ausgewählten Ministern aus Industrie- und Entwicklungsländern, die die Bandbreite der Positionen in den Verhandlungen repräsentieren, in einem informellen Rahmen erörtert. Ziel war es, die unterschiedlichen Erwartungen an das Ergebnis von Durban anzunähern. Nur wenn die Staaten gemeinsame Erwartungen an das Ergebnis von Durban haben, können sie die Konferenz auch erfolgreich abschließen. Wichtige Themenfelder für Durban sind unter anderem: Operationalisierung der Entscheidungen, die in Cancún getroffen wurden. Der "Green Climate Fund", das "Adaptation Committee" und das "Technology Executive Committee" sollen arbeitsfähig gemacht und die Vereinbarungen zur Transparenz von Minderungsaktivitäten der Staaten in konkrete Handlungsanleitungen umgesetzt werden. Fortentwicklung beziehungsweise Aufbau eines international verbindlichen Regelwerkes unter der Klimarahmenkonvention. Balance zwischen der rechtlichen Form künftiger Klimaschutzverpflichtungen unter der Klimarahmenkonvention und den Verpflichtungen unter dem Kyoto-Protokoll. Die Debatte zeigte, dass angesichts unterschiedlicher Erwartungen die Vereinbarung eines umfassenden Abkommens bereits in Durban kaum zu erwarten ist. Daher erscheint ein schrittweises und zugleich anspruchsvolles Vorgehen sinnvoll. In Durban sollten Entscheidungen dazu getroffen werden, wie das bestehende Regelwerk des Kyoto-Protokolls mit klarer Trennung von Industrie- und Entwicklungsländerverpflichtungen hin zu einem umfassenden, inhaltlich differenzierten Regelwerk für alle Staaten fortentwickelt bzw. ergänzt werden soll. Bundeskanzlerin Merkel betonte in ihrer Rede, dass es Ziel Deutschlands und der Europäischen Union sei, die Klimaschutzverpflichtungen aller Staaten in einem rechtlich verbindlichen Rahmen festzuhalten, und dass das Kyoto-Protokoll hierfür beispielgebend sei. Die auf dem ersten Petersberger Klimadialog vereinbarten Partnerschaften zu Minderung und Transparenz, Anpassung und Entwaldung in Entwicklungsländern wurden als wichtiger Beitrag zur konkreten Zusammenarbeit zwischen den Staaten begrüßt. Der Erfahrungsaustausch hilft, die Anliegen und Probleme der Staaten besser zu verstehen und auf dieser Basis in den Verhandlungen voran zu kommen. Anlage 27 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann Ott (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6386, Frage 30): Welche Maßnahmen und Initiativen plant die Bundesregierung - auch zusammen mit den EU-Partnerländern -, um in Ländern wie Polen, die in besonderer Weise von fossilen Energien abhängig sind, eine Umstellung der Energieversorgung und eine ambitionierte Reduktion der CO2-Emissionen auf den Weg zu bringen und diesen Ländern auf diese Weise eine Zustimmung zu den EU-Klimaschutzplänen zu erleichtern? Die Bundesregierung steht in engem Kontakt mit oben bezeichneten EU-Partnerländern, unter anderem auch der polnischen Regierung, und unterstützt sie in beratender Hinsicht. Anlage 28 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6386, Frage 31): Welche Kostenabschätzungen liegen der Bundesregierung für kleine Photovoltaikanlagen bis 30 Kilowatt vor, deren Betreiber der gesetzlichen Verpflichtung gemäß dem neuen § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe a des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, EEG, nachkommen, an einem vereinfachten Einspeisemanagement teilzunehmen, und welche konkreten Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich des auf Seiten der Netzbetreiber bestehenden Nutzens von Einspeisemanagementmaßnahmen bei kleinen Photovoltaikanlagen? Ab dem 1. Januar 2012 neu in Betrieb genommene Photovoltaikanlagen mit einer Leistung bis 30 kW können entweder ihre Leistung am Netzanschlusspunkt auf 70 Prozent ihrer installierten Leistung begrenzen oder am vereinfachten Einspeisemanagement teilnehmen. Das vereinfachte Einspeisemanagement bedeutet, dass diese Anlagen nur mit einer technischen Einrichtung zur Abregelung auszustatten sind. Auf die Lastgangmessung und die Datenübertragung wird aufgrund der jährlichen Kosten verzichtet. Dieses wäre bei kleineren Anlagen nicht mehr wirtschaftlich zumutbar. Eine Kostenschätzung liegt derzeit noch nicht vor, da anzunehmen ist, dass die technische Einrichtung in den Wechselrichter integriert werden kann. Die Ansteuerbarkeit von Energieerzeugungsanlagen hat einen hohen sicherheitsrelevanten Stellenwert. Die zeigt sich zum Beispiel an der 50,2-Hz-Problematik. Das ungesteuerte Zu- und Abschalten von Photovoltaikanlagen im Falle von Netzfehlern kann die Sicherheit des Netzbetriebs gefährden. Rund 90 Prozent der in Deutschland installierten Photovoltaikanlagen weisen Leistungen von kleiner als 30 kW auf. In der Summe entspricht dies rund 45 Prozent der gesamt installierten Leistung. Die bisher installierten Photovoltaikkleinanlagen haben größtenteils keinerlei Mess- oder Steuerungsmöglichkeit und leisten aufgrund der bisherigen technischen Vorgaben keinen Beitrag zur Systemstabilität. Damit ist es den Netzbetreibern derzeit nicht möglich, bei überspeisten Netzzuständen die PV-Einspeisung zu steuern. Infolge des fortschreitenden dynamischen Ausbaus der Photovoltaik ist es jedoch erforderlich, dass der Netzbetreiber in kritischen Situationen zukünftig auch auf die Photovoltaikerzeugungskapazitäten zugreifen kann, um die Netzsicherheit zu gewährleisten. Die Maßnahme wird daher vorsorglich getroffen, um zukünftig mit einem hohen Anteil fluktuierender Energien im Stromnetz umgehen zu können. Anlage 29 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6386, Frage 33): Welche Konsequenzen haben nach Ansicht der Bundesregierung die Regelungen in § 37 Abs. 3 EEG für Pumpspeicherkraftwerke vor dem Hintergrund, dass sie zukünftig mit der EEG-Umlage belastet werden, da nicht auszuschließen ist, dass die Speicherbetreiber wie bei der Netzentgeltpflichtigkeit von der Rechtsprechung als Letztverbraucher betrachtet werden, und wie will sie diesen offensichtlichen Missstand aufheben vor dem Hintergrund ihres Ziels, die Speicherkapazität in Deutschland auszubauen? Die Bundesregierung misst dem Ausbau von Pumpspeicherkraftwerken eine hohe Bedeutung zu. Der Ausbau soll durch die vom Deutschen Bundestag am 30. Juni 2011 beschlossenen Neuregelungen, insbesondere die Befreiung neuer Speicher von den Netzentgelten im Energiewirtschaftsgesetz, EnWG, und die Regelung des § 37 Abs. 3 Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG, vorangetrieben werden. Eine Schlechterstellung für bestehende Pumpspeicherkraftwerke ist hiermit nicht verbunden. Die Bundesregierung wird prüfen, inwieweit das Ziel, den Bau neuer Speicher in Deutschland voranzutreiben, durch die Formulierung des § 37 Abs. 3 EEG erreicht wird. Anlage 30 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6386, Frage 34): Mit welchen Staaten bestehen zurzeit im Bereich der Sicherheit kerntechnischer Anlagen und des Strahlenschutzes welche bilateralen Vereinbarungen (bitte mit vollständiger Angabe aller Vereinbarungen/Staaten)? Es bestehen über 180 bilaterale Abkommen im Bereich der Sicherheit kerntechnischer Anlagen und im Bereich des Strahlenschutzes mit fast 60 Staaten. Die Inhalte der Abkommen beziehen sich im Wesentlichen auf gegenseitigen Informations- und Erfahrungsaustausch, gegenseitige Hilfe im Ereignisfall sowie wissenschaftlich-technische und administrative Zusammenarbeit. Im Einzelnen wird auf die beigefügte Übersicht verwiesen. Neu hinzugekommen ist das deutsch-polnische Abkommen über die frühzeitige Benachrichtigung über nukleare Unfälle, über Informations- und Erfahrungsaustausch und über Zusammenarbeit auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes vom 30. Juli 2009. Übersicht über bilaterale Abkommen auf dem Gebiet der Kernenergie Datum des Abkommens (Unterzeich nung) LKZ + Bezeichnung des Abkommens Für Deutsch land in Kraft seit Bekannt machung im Bundes gesetzblatt AA-Archiv-Nr. Laufzeit u. Kündigung 11.12.1957 KAN Abkommen zur Zusammenarbeit bei der friedli chen Verwendung der Atomenergie 18.12.1957 (27.02.1958 BAnz.Nr.46/ 58) BAnz.Nr.46/ 58 13.03.1970 ARG-IAEO Abkommen zwischen der Internationalen Atom energie-Organisation und den Regierungen der Argentinischen Republik und der Bundesrepu blik Deutschland für den Transfer eines Übungs reaktors und des angereicherten Urans hierfür (inoffizielle Übersetzung des englisch- und spa nischsprachigen Originals)TM Multilaterale Ab kommen 13.03.1970 Mult 1711 28.08.1970 CHL Abkommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Regierung der Re publik Chile über Zusammenarbeit in der wissen schaftlichen Forschung und technologischen Entwicklung Gemäß Art. 1 (1) a) des Abkommens gehören hierzu auch Kernforschung und kerntechnische Entwicklung 23.10.1970 (Bek. 13.01.1971 1971 II 106) 02.07.1971 1971 II 107 CHL 51 21.08.02 Gültigkeits dauer: 5 Jahre, stillschwei gende Verlän gerung um jeweils 1 wei teres Jahr, Kündigungs frist: 3 Monate 05.10.1971 IND Abkommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Regierung der Re publik Indien über Zusammenarbeit bei der fried lichen Verwendung der Kernenergie und der Weltraumforschung 19.05.1972 (Bek. 1972 II 1013) 02.07.1972 1972 II 1014 Anfrage 117 21.08.02 07.06.1972 BRAS Vertrag vom 07. Juni 1972 zwischen der Bundes republik Deutschland und der Föderativen Repu blik Brasilien über das Einlaufen von Reaktor schiffen in brasilianische Gewässer und ihren Aufenthalt in brasilianischen Häfen 04.09.1974 Verk. 13.05.1972 (1974 II 685) 1972 II 684 BRA 100 29.06.1973 ROU Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Forschung und Technologie der Bundesrepublik Deutschland und dem Staatskomitee für Energie der Sozialistischen Republik Rumänien über Zu sammenarbeit bei der friedlichen Verwendung der Kernenergie 29.06.1973 (Bek. 31.07.1973) 1973 II 1484 ff. 27.06.1975 BRAS Abkommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Regierung der Fö derativen Republik Brasilien über Zusammenar beit auf dem Gebiet der Friedlichen Nutzung der Kernenergie 18.11.1975 (Bek. 1976 II 334) 1976 II 335 BRA 138 Gültigkeits dauer: 15 Jahre, automatische Verlängerung um jeweils 5Jahre, Kündigungs frist: 12 Monate 26.02.1976 BRAS - IAEO Protokoll zur Suspendierung der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen gemäß dem Überein kommen vom 26. Februar 1976TM Multilaterale Abkommen 618 14.06.1976 IDN Abkommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Republik Indone sien über Zusammenarbeit bei der friedlichen Verwendung der Atomenergie 24.02.1977 (Bek. 21.03.1977 1977 II 361) 1977 II 361 UNTS-Reg.Nr.: 21041 14.06.1976 IDN Abkommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Regierung der Re publik Indonesien über Zusammenarbeit bei der friedlichen Verwendung der Atomenergie 24.02.1977 (Bek. 1997 II 361) 1977 II 366 Gültigkeits dauer: 6 Jahre, da nach jeweils Verlängerung um 2 Jahre, Kündigungs frist: 12 Monate 14.06.1976 IDN Abkommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Regierung der Re publik Indonesien über Zusammenarbeit bei der Prospektion und Exploration von Uranerzen in Westsumatra 24.02.1977 (Bek. 1997 II 361) 1977 II 362 Gültigkeits dauer: 7 Jahre; Ver längerung nur durch Einver nehmen zwi schen beiden Regierungen 14.06.1976 IDN Abkommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Regierung der Re publik Indonesien über die Zusammenarbeit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Roh stoffe (BGR) und der Badan Tenaga Atom Nasional (BATAN) 24.02.1977 (Bek. 1997 II 361) außer Kraft am 14.06.1979 (Bek. 1982 II 839) 1977 II 373 Geltungs dauer der Vereinba rung: 3 Jahre, danach still schweigen der Verlänge rung um 1 Jahr, Kündigungs frist: 3 Monate 14.06.1978 BRAS Vereinbarung zwischen dem Bundesminister des Innern der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerium für Bergbau und Energie der Föde rativen Republik Brasilien über den Austausch technischer Informationen und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen 10.03.1978 (Bek. 14.06.1978 BGBl 1978 II 950) 1978 II 951 Gültigkeits dauer: 5 Jahre, Ver längerung im gegebenen falls Einver nehmen, Kündigungs frist: 6 Monate 05.12.1978 ESP Abkommen vom 05.12.1978 über Zusammenar beit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie 13.12.1978 (Bek. 07.02.1979, 1979 II 133) 1979 II 134 Nicht AA-registriert Gültigkeits dauer: 15 Jahre, automatische Verlängerung um jeweils 5 Jahre, Kündigungs frist: 12 Monate 14.03./ 04.04.1979 GBR Vereinbarung vom 14.03./04.04.1979 über einen fortlaufendenen Informationsaustausch über wichtige Fragen der Sicherheit von kerntechni schen Einrichtungen und die Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung von Sicherheitsnormen 04.04.1979 (Bek. 30.04.1979) 1979 II 434 07.01.1980 SAU Abkommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Regierung des Kö nigreichs Saudi-Arabien über Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen Forschung und der tech nologischen Entwicklung 24.03.1982 (Bek. 21.05.1982 1982 II 565) 1982 II 565 Gültigkeits dauer: 30 Jahre, automatische Verlängerung um jeweils 5Jahre, Kündigungs frist: 6 Monate 06.07.1981 s. 24.01.2002 USA-NRC Vereinbarung zwischen dem Bundesminister des Innern der Bundesrepublik Deutschland und der United States Nuclear Regulatory Commission über den Austausch technischer Informationen und über Zusammenarbeit in Fragen der nuklea ren Sicherheit 06.07.1981 (Bek. 10.08.1981 1981 II 657) 1981 II 658 USA 88 Gültigkeits dauer: 5 Jahre, auto matische Ver längerung. Kündigungs frist 6 Monate 26.10.1981 AGY Abkommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Regierung der Arabischen Republik Ägypten über Zusammen arbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie 15.03.1982 (Bek. 1982 II 567) 1982 II 568 AGY 88 Gültigkeits dauer: 30 Jahre, au tomatische Verlängerung um jeweils 5Jahre, Kündigungs frist: 6 Monate 10.08.1982 CHE Vereinbarung vom 10.08.1982 über die gegensei tige Unterrichtung beim Bau und Betrieb grenz naher kerntechnischer Einrichtungen 19.09.1983 (Bek. 14.11.1983 1983 II 734) 1983 II 734 SCZ 95 UNTS-Reg.Nr. 23205 Jederzeitige Kündigung möglich, die 1 Jahr nach Eingang bei dem anderen Vertragspart ner wirksam wird 10.10.1983 s. 14.06.1978 BRAS Bekanntmachung der Vereinbarung über die Ver längerung der deutsch-brasilianischen Vereinba rung über den Austausch technischer Informatio nen und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen 27.07.1983 (Bek. 10.10.1983 BGBl 1983 II 685) 1978 II 950 1983 II 685 Gültigkeits dauer: 5 Jahre, Ver längerung im gegebenen falls Einver nehmen, Kündigungs frist: 6 Monate 11.04.1986 KOR Abommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Regierung der Re publik Korea über Zusammenarbeit bei der fried lichen Nutzung der Kernenergie 11.04.1986 (Bek. 05.06.1986 1986 II 726) 1986 II 726 KOR 84 UNTS-Reg.Nr. 25151 22.07.1986 SOW Deutsch-sowjetisches Abkommen vom 22. Juli 1986 über wissenschaftlich-technische Zusam menarbeit 07.07.1987 gemäß Art.10 in Verbindung mit Inkraft setungsproto koll vom 07.07.1987 (Bek. 30.03.1988 1988 II 394) Fortgeltung gemäß Alma-Ata-Deklara tion vom 21.12.1991 (1992 II 1016) 1988 II 394 22.04.1987 SOW Abkommen vom 22. April 1987 zwischen dem Bundesminister für Forschung und Technologie der Bundesrepublik Deutschland und dem Staats komitee für die Nutzung der Atomenergie der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie 07.07.1987 (Bek. 30.03.1988 1988 II 394) Fortgeltung gemäß Alma-Ata-Deklara tion vom 21.12.1991 (1992 II 1016) 1988 II 394 23.04.1987 SOW Abkommen vom 23. April 1987 zwischen dem Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerium für Gesundheitswesen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Gesund heitswesens und der medizinischen Wissenschaft (wg. Tschernobyl-Folgen?) 07.07.1987 (Bek. 30.03.1988 1988 II 394) Fortgeltung gem. Alma-Ata-Deklara tion vom 21.12.1991 (1992 II 1016) 1988 II 394, 398 04.05.1987 SOW Abkommen vom 23. April 1987 zwischen dem Bundesminister Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Bundesrepublik Deutschland und dem Staatskomitee für den agro-industriellen Komplex der Union der Sozialistischen Sowjet republiken über die Zusammenarbeit im Bereich der Agrarforschung 07.07.1987 (Bek. 30.03.1988 1988 II 394) Fortgeltung gemäß Alma-Ata-Deklara tion vom 21.12.1991 (1992 II 1016) 1988 II 394, 403 25.10.1988 (s. 13.06.1989) SOW Abkommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Regierung der So zialistischen Sowjetrepubliken über die frühzei tige Benachrichtigung bei einem nuklearen Unfall und den Informationsaustausch über Kernanlagen 16.02.1989 (Bek. 21.02.1990) Fortgeltung gemäß Alma-Ata-Deklara tion vom 21.12.1991 (1992 II 1016) Für UKR au ßer Kraft am 05.11.1993 1994 II 380 1990 II 165 10.05.1988 NOR Vereinbarung über Fragen gemeinsamen Interes ses im Zusammenhang mit kerntechnischer Si cherheit und Strahlenschutz 30.08.1988 (Bek. 24.11.1988 1988 II 1097) 1988 II 1097 UNTS-Reg.Nr. 27019 13.06.1989 (s. 25.10.1968) SOW In Bonn am 13. Juni 1989 durch gleichlautende Verbalnoten in Ausführung des Artikels 5 des Abkommens zwischen der Regierung der Bun desrepublik Deutschland und der Regierung der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die früh zeitige Benachrichtigung bei einem nuklearen Unfall und den Informationsaustausch über Kernanlagen geschlossene Vereinbarung 16.02.1989 Fortgeltung gemäß Alma-Ata-Deklara tion vom 21.12.1991 (1992 II 1016) 1990 II 165 30.05.1990 Tschechische und Slowakische Föderative Repu blik (ehem.) Abkommen vom 30.05.1990 zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusammen hang mit kerntechnischer Sicherheit und Strah lenschutz 02.08.1990 Bek. 17.08.1990) Fortgeltung: 1993 II 762 1990 II 1307 25.09.1990 SWE Abkommen vom 25.09.1990 über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen sowie über den Informations- und Erfahrungsaustausch bezüglich kerntechnischer Sicherheit und Strah lenschutz 05.12.1990 (Bek. 08.01.1991) 1991 II 421 26.09.1990 HUN Abkommen vom 26.09.1990 über Fragen des ge meinsamen Interesses im Zusammenhang mit kerntechnischer Sicherheit und Strahlenschutz 07.02.1991 (Bek. 24.07.1991) 1991 II 889 12.04.1992 CHN Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit der Bundesrepublik Deutschland und dem Staatli chen Amt für nukleare Sicherheit der Volksrepu blik China zur Förderung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen und des Strahlenschutzes 14.06.1993 (Bek. 14.07.1993 1993 II 1266) 1993 II 1266 CHN 105 Gültigkeits dauer unbe stimmt; Kündigungs frist: 6 Monate 16.12.1992 RUS Abkommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über Zusammenarbeit zur Gewährleistung der Sicherheit bei Beseitigung von Nuklearwaffen RUS 13 16.12.1992 RUS Abkommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über Hilfeleistung für die Russische Föderation bei der Eliminierung der von ihr zu reduzierenden nuklearen und chemi schen Waffen 22.10.1993 (Bek: 2003 II 815) Inkrafttreten gemäß Art. 8 hängt ab vom Inkrafttreten des Abkom mens vom 16.12.1992 über Sicher heit bei der Beseitigung von Nuklear waffen 2003 II 815 RUS 14 Gültigkeits dauer: 1 Jahr; automatische Verlängerung jeweils um ein weiteres Jahr, Kündi gungsfrist: 3 Monate 16.12.1992 RUS Abkommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über Zusammenarbeit zur Gewährleistung der Sicherheit bei der Beseiti gung von Nuklearwaffen Inkrafttreten nach Vorlie gen der letz ten Unterrich tung über Vorliegen der innerstaatli chen Voraus setzungen 10.06.1993 UKR Abkommen vom 10.06.1993 über Fragen ge meinsamen Interesses im Zusammenhang mit kerntechnischer Sicherheit und Strahlenschutz 05.11.1993 (Bek. 01.02.1994) siehe Abkom men RUS vom 25.10.1988 1994 II 380 10.06.1993 UKR Abkommen vom 10.06.1993 über Zusammenar beit bei der Lösung von Problemen der Eliminie rung von Nuklearwaffen 24.03.1994 (Bek. 11.07.1994) 1994 II 1291 01.07./03.08. 1993 AUT Vereinbarung über Fragen gemeinsamen Interes ses im Zusammenhang mit kerntechnischer Si cherheit und Strahlenschutz 01.12.1994 (Bek. 16.05.1995) 1995 II 482 10.3.1994 WEI Memorandum of Understanding zur Förderung der Zusammenarbeit bei der Linderung der Fol gen des Kernreaktorunfalls von Tschernobyl (Tschernobyl-Hilfe) Keine Rege lung über Inkrafttreten und Gültig keitsdauer WEI 6 Keine Rege lung über Gültigkeits dauer und Kündigung 15.03.1995 CHL Rahmenabkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Chile über Technische und Wissen schaftliche Zusammenarbeit siehe Abkommen vom 28.08.1970 21.08.1997 (Bek. 12.09.1997 1997 II 1780) 1997 II 1781 CHL 96 s. CHL 51 Gültigkeits dauer: 5 Jahre, Stillschwei gende Verlän gerung um jeweils 1 wei teres Jahr, Kündigungs frist: 3Monate, zuzüglich je derzeitige Kündigungs möglichkeit mit Frist von 3 Monaten 19.10.1995 USA Vereinbarung vom 13.12.1995 über Austausch und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Re aktorsicherheitsforschung und -entwicklung 13.12.1995 (Bek. 22.03.1996) 1996 II 542 (06.07.1981) 19.10.1995 Verlängerung 24.01.2002 bis 19.10.2005 USA-NRC Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der United States Nuclear Regulatory Commission über den Austausch von Informationen und über Zusam menarbeit in Fragen der nuklearen Sicherheit 19.10.1995 (s.o.) (Bek. 04.01.1996, 1996 II 259) 1996 II 259 Geltungs dauer: 5 Jahre, be ginnend mit dem 19.10.2002, Verlängerung nach schriftli cher Verein barung der Vertragspar teien, Kündi gungsfrist: 6 Monate 04.03.1997 IAEO Vereinbarung der Bundesrepublik Deutschland und der Internationalen Atomenergie-Organisa tion (IAEO) über einen Beitrag zum Programm "Maßnahmen gegen den illegalen Handel mit Nuklearmaterial und andere radioaktive Stoffe" 04.07.1997 (Datum der Antwortnote der IAEO) IAEO 14 31.03.1998 (Terminiertes Projektende) 04.09.1997 BMU - RUS Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und der Föderalen Aufsichtsbehörde der Russi schen Föderation für kerntechnische Sicherheit und Strahlenschutz Über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Aufsichtstätigkeit zur Gewährleistung des physi schen Schutzes, der Regeln und Richtlinien für den physischen Schutz von Kernmaterial und kerntechnischen Anlagen 04.09.1997 15.12.1997 VN-GV Internationales Übereinkommen vom 15. De zember 1997 zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge 05.10.2002 (Bek.: 05.10.2002 2002 II 2506) Inkrafttreten des ÜK am 30.Tag nach Hinterlegung der 22. Ratifi kationsurkun debeim GS der VN 2002 II 2507 Kündigung jederzeit gegenüber VN-GS, Kündigung wird 1 Jahr danach wirk sam 18.02.1998 IAEO Vereinbarung der Bundesrepublik Deutschland und der Internationalen Atomenergie-Organisa tion (IAEO) über einen überplanmäßigen Beitrag zum Programm "Maßnahmen gegen den illega len Handel mit Nuklearmaterial und anderen ra dioaktiven Stoffen" der IAEO 12.03.1998 (Datum der Antwortnote der IAEO) IAEO 15 31.03.1999 (Terminiertes Projektende) 08.06.1998 RUS Abkommen zwischen der Regierung der Bundes republik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über nukleare Haftung im Zusammenhang mit Lieferungen aus der Bundes republik Deutschland für Kernanlagen in der Russischen Föderation 08.06.1998 (Bek. 23.06.1998) 1998 II 2364 RUS 46 08.06.1998 RUS Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über die Lieferung hochangereicher ten Urans für den Forschungsreaktor München II 08.06.1998 Bek. 04.02.1999) 1999 II 138 RUS 48 08.06.1998 RUS Deutsch-russisches Abkommen über nukleare Haftung im Zusammenhang mit Lieferungen aus der Bundesrepublik Deutschland für Kernanla gen in der Russischen Föderation 08.06.1998 gemäß Art. 6, Abs. 1 (Bek. 23.06.1998) 1998 II 2364 RUS 46 06.01.1999 DEU (Forschungszentrum Jülich - FZJ) - USA (DoE) Contract No. DE-GI09-99SR18917 Between the United States Department of Energy Savannah River Operations Office an Research Center Jülich, Germany Terms and Conditions for the Acceptance of Foreigen Research Reactor Spent Nuclear Fuel at the Savannah River Site Unterzeich nungsdaten: DoE 23.12.1998 FZJ 06.01.1999 (Datum des Inkrafttre tens) EURATOM-Supply Agency: 25.01.1999 Abkommen läuft am 13.05.2009 aus, voraus gesetzt, dass alles autori sierte Mate rial bis 13.05.2006 aus dem Re aktor entfernt wurde 21.07.1999 TROIKA -USA - TAIWAN Vereinbarung vom 21.07.1999 in der Form des Notenwechsels zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland, des Königsreichs der Niederlanden und des Vereinigten König reichs (Troika) einerseits und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika andererseits über die Zusammenarbeit bei der Anwendung von Nichtverbreitungszusicherungen auf schwach angereichertes Uran, das aus den Troika-Ländern zur Herstellung von Brenn elementen in die USA geliefert und zur Verwen dung der taiwanesischen Leichtwasser-Kern reaktorprogramme an Taiwan weitergegeben wird. 31.03.2000 1220 24.02.2002 s. 06.07.1981 s. 19.10.1995 USA-NRC Vereinbarung zwischen dem Bundesminister des Innern der Bundesrepublik Deutschland und der United States Nuclear Regulatory Commission über den Austausch technischer Informationen 24.02.2002 USA 88 Gemäß Art. 1 Verlängerung der Gültig keit bis 19.10.2005 09.05.2003 RUS Abkommen zwischen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit der Bundesrepublik Deutschland und dem Föde ralen Dienst für die Aufsicht über Atom- und Strahlensicherheit der Russischen Föderation über Zusammenarbeit, Informations- und Erfah rungsaustausch auf dem Gebiet der Genehmi gung, der Aufsicht und Begutachtung der nuklea ren Sicherheit und des Strahlenschutzes 09.05.2003 RUS 65 Gültigkeit: 5Jahre, Ver längerung au tomatisch um 5 Jahre, Kün digungsfrist: 3Monate (Art. 9) 06.10.2003 RUS (AA-RUS-VM) Abkommen zwischen dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministe rium der Verteidigung der Russischen Föderation über die Zusammenarbeit bei der Gewährleistung des physischen Schutzes von Nuklearmaterial und zu entsorgenden Nuklearwaffen 06.10.2003 (Bek. 2003 II 1917 vom 07.11.2003) 2003 II 1918 Außerkraft treten mit dem Rahmen abkommen TMMNEPR, ansonsten 6Monate nach Ein gang der Kündigungs mitteilung 09.10.2003 RUS Abkommen zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerium der Russi schen Föderation für Atomenergie über die Hil feleistung bei der Eliminierung der von der Rus sischen Föderation zu reduzierenden Atomwaffen durch Entsorgung der von den See streitkräften Russlands außer Dienst gestellten Atom-Unterseeboote im Rahmen der Realisie rung der Vereinbarungen über die Globale Part nerschaft gegen die Verbreitung von Massenver nichtungswaffen und -material Vorläufige Anwendung mit Datum der Unter zeichnung. Inkrafttreten mit dem MNEPR-Ab kommen (TMmultilate rale Abkom men) (Bek. 2003 II 1661) 2003 II 1662 Noch nicht im AA-Ar chiv erfasst (260204) Gültigkeits dauer: 10Jahre. Kündigungs frist: 6 Monate, im Falle des Außerkraff tretens Kon sultationen über Ab schluss lau fender Pro jekte Bek. = Bekanntmachung im BGBl. (Quelle: Fundstellennachweis BGBl. II, soweit Veröffentlichungen erfolgt sind) Anlage 31 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6386, Frage 35): Ist dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, bekannt, wann genau im vierten Quartal 2011 der Erörterungstermin in Tschechien zu den Atomkraftwerksprojekten Temelin 3 und 4 stattfinden soll, bitte mit Angabe des Datums, und welche Verfahrensunterlagen im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Temelin 3 und 4 soll es nach Kenntnis des BMU in deutscher Sprache geben? Derzeit ist vonseiten der tschechischen Behörden noch kein Erörterungstermin für die Kernkraftwerksprojekte Temelin 3 und 4 festgelegt. Die an dem grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsverfahren unmittelbar beteiligten Bundesländer Bayern und Sachsen haben die Verfahrensunterlagen erhalten. Die zuständigen Länderbehörden haben die Verfahrensunterlagen auch auf ihren Internetseiten veröffentlicht. Ein UVP-Abschlussbericht wird im Zusammenhang mit dem noch ausstehenden Erörterungstermin angefertigt werden. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/6386, Frage 36): Zu welchen Ergebnissen - insbesondere unter finanziellen Aspekten - hat die Sitzung des ITER-Aufsichtsrates am 14. und 15. Juni 2011 in Aomori, Japan, im Hinblick auf die Erbringung sowohl des finanziellen als auch des Sachleistungsbeitrags durch Japan geführt, und welche Auswirkungen hätte der diese Woche von der Europäischen Kommission vorgelegte Vorschlag für einen mehrjährigen Finanzrahmen, MFR, für die Jahre 2014 bis 2020, der die Finanzierung von ITER in einem Umfang von rund 2,7 Milliarden Euro explizit außerhalb des MFR stellt, konkret für den Bundeshaushalt? Ergebnisse zur Erbringung finanzieller und Sachleistungsbeiträge Japans sind aus der 8. Sitzung des ITER Council, Aufsichtsrat, in Aomori, Japan, nicht bekannt geworden. Der Council begrüßte den Fortschritt des ITER-Projektes. Er befasste sich mit der Frage der Auswirkungen der Erdbebenkatastrophe in Japan auf das Projekt, einschließlich möglicher Verzögerungen. Die Bundesregierung ist beim ITER Council nicht beteiligt und stützt ihrer Kenntnisse diesbezüglich auf Berichte der Europäischen Kommission, Pressemitteilungen der ITER-Organisation sowie sonstige frei verfügbare Medien. Sie hat in der Sitzung des Wettbewerbsfähigkeitsrates der Europäischen Union am 31. Mai 2011 gefordert, den Fokus auf die Frage der Kostenbegrenzung bei ITER zu legen. Ebenso müssten die Auswirkungen der Ereignisse in Japan auf das Projekt gründlich untersucht werden. Die EU-Kommission hat am 29. Juni 2011 einen Vorschlag für den nächsten MFR der EU ab 2014 vorgelegt. Hierzu wird die Bundesregierung bis Ende September 2011 eine umfassende Stellungnahme erarbeiten. Diese wird auch eine Bewertung der vorgeschlagenen Finanzierung des Fusionsreaktors ITER beinhalten. Eine partielle Stellungnahme zu ITER zum jetzigen Zeitpunkt wäre verfrüht. Die Bundesregierung hat stets betont, dass ITER als Projekt in europäischer Verantwortung grundsätzlich aus dem EU-Haushalt getragen werden muss. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Helge Braun auf die Fragen des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Drucksache 17/6386, Fragen 37 und 38): Wie sind die aktuellen Planungen, Zeitpläne und Zielsetzungen für die Umsetzung des von der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan, im Februar 2011 angekündigten Grundbildungspaktes für Alphabetisierung? Mit welchen von der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan, genannten potenziellen Grundbildungspaktpartnern (den Kammern, den Volkshochschulverbänden, den Gewerkschaften, den Ländern und den Akteuren der Zivilgesellschaft) wurden bereits Gespräche geführt, und was sind die Ergebnisse? Zu Frage 37: Frau Bundesministerin Dr. Annette Schavan und der Präsident der Kultusministerkonferenz, KMK, Dr. Bernd Althusmann, haben nach der Vorstellung der "Leo. - Level-One"-Studie einen gemeinsamen Grundbildungspakt von Bund und Ländern als ein breites gesellschaftliches Bündnis vorgeschlagen, dessen Zielsetzung in den Gremien der KMK am 9./10. Juni 2011 von allen Ländern bestätigt wurde. Das gemeinsame Ziel ist die Verringerung des funktionalen Analphabetismus in Deutschland durch eine nationale Anstrengung. Menschen, die nicht oder nur unzureichend lesen, schreiben und rechnen können, sollen zur besseren sozialen, politischen und ökonomischen Teilhabe befähigt werden. Durch den Grundbildungspakt soll den Betroffenen die aktive Partizipation am Arbeitsmarkt und der Zugang zu anspruchsvolleren Tätigkeiten eröffnet und nachhaltig gesichert werden. Derzeit findet zwischen Bund und Ländern die Abstimmung von Eckpunkten für die Ausgestaltung des Grundbildungspaktes sowie Terminabstimmungen statt. Zu Frage 38: Im Rahmen des BMBF-Förderschwerpunktes "Alphabetisierung/Grundbildung" pflegt das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit langem den Austausch mit den Akteuren, die für die Verbesserung der Situation von funktionalen Analphabeten wichtig sind. Deren Hinweise sind in die konzeptionellen Überlegungen der oben genannten Eckpunkte eingeflossen. Von den vorgesehenen Grundbildungspakt-Partnern, unter anderem Sozialpartner, Kammern, Volkshochschulverband, Kirchen, wurde durchweg großes Interesse und die Bereitschaft signalisiert, sich in den Grundbildungspakt einbringen zu wollen. Anlage 34 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Karin Roth (Esslingen) (SPD) (Drucksache 17/6386, Frage 39): Wird die Bundesregierung die von der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel mehrfach zugesagten Zahlungen an den Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria, GFATM, umgehend wieder aufnehmen, nachdem die Ergebnisse des Zwischenberichts der unabhängigen Kommission zur Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen gegen Korruption und Veruntreuung beim GFATM am 1. Juli 2011, wie von der Bundesregierung gefordert, vorliegen, und wenn sie die Zahlungen weiter verzögert, was sind die Gründe hierfür? Die Bundesregierung begrüßt den Zwischenbericht der unabhängigen Kommission zu den Mittelfehlverwendungen beim GFATM. Der Zwischenbericht enthält naturgemäß noch keine abschließenden Ergebnisse. Klar ist aber: Korruption tötet, denn veruntreute Gelder stehen nicht zur Behandlung kranker Menschen zur Verfügung. Die bereits vorliegenden Ergebnisse zeigen aber ganz klar: Es war richtig und gut, dass das BMZ die Berufung einer unabhängigen Kommission gefordert und ihre Arbeit dann mit Nachdruck unterstützt und vorangetrieben hat. Die unabhängige Expertenkommission berichtet unter anderem, dass erheblicher und dringender Reformbedarf beim GFATM besteht. Das unabhängige Expertenpanel sieht insbesondere die Notwendigkeit für bessere Rechenschaftslegung und Potenzial für eine Steigerung in der Effektivität der Arbeit des GFATM. Dabei wird insbesondere die künftige Nutzung von länderspezifischen, nach Korruptionsrisiko differenzierten Umsetzungswegen entscheidend sein. Die Kommission wird mit ihrem Abschlussbericht, der für Ende September erwartet wird, konkrete Empfehlungen zu Veränderungen beim GFATM aussprechen. Um noch vor Vorlage des Abschlussberichtes des Panels den Menschen, die dringender Unterstützung bedürfen, deutsche Hilfe anbieten zu können, hat Herr Bundesminister Dirk Niebel entschieden, die Hälfte der für 2011 vorgesehenen deutschen Mittel, also 100 Millionen Euro, für die Umsetzung durch den Fonds freizugeben. Die Freigabe dieses ersten Teils erfolgt unter der Bedingung, dass die von der Bundesrepublik Deutschland gezahlten Gelder nur in Ländern verwendet werden, in denen der GFATM in erster Linie international tätige Umsetzungsorganisationen wie beispielsweise das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen oder die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, GIZ, mit der Umsetzung als sogenannter Hauptempfänger, Principal Recipient, beauftragt. Nur so können wir verhindern, dass aufgrund von Korruption und Fehlverwendungen Menschen nicht behandelt werden können. Eine Entscheidung über die Freigabe der zweiten Hälfte der Mittel des Jahres 2011 und über die Mittel für das Jahr 2012 wird nach Vorlage des Abschlussberichtes und einer klaren zeitlichen Umsetzungsperspektive seiner Empfehlungen zu treffen sein. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Fragen der Abgeordneten Christine Scheel (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6386, Fragen 40 und 41): Beabsichtigt die Bundesregierung, wie im Interview des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler, in der WirtschaftsWoche angekündigt (vergleiche Nr. 23 vom 6. Juni 2011, Seite 32), noch in dieser Legislaturperiode die Mitarbeiterkapitalbeteiligung auszubauen und den Freibetrag zur Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung anzuheben? Wird die Bundesregierung bewährte Konzepte aus dem Ausland, wie beispielsweise den ESOP, Employee Stock Ownership Plan, in die angekündigte Reform zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung einbeziehen, und inwiefern sollen Forderungen aus dem Initiativbericht (Initiativstellungnahme zum Thema "Finanzielle Mitarbeiterbeteiligung in Europa", SOC/371) des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, EWSA, in die Überlegungen zur Weiterentwicklung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung berücksichtigt werden? Zu Frage 40: Vor dem Hintergrund der in den Jahren 2009 und 2010 vorgenommenen gesetzlichen Änderungen, namentlich des Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes vom 7. März 2009, prüft die Bundesregierung, wie die Akzeptanz der Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Deutschland weiter ausgebaut werden kann. Das Ziel, die Mitarbeiterkapitalbeteiligung auszubauen, kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden; diese werden derzeit geprüft. Zu Frage 41: Die Bundesregierung wird Konzepte, die sich in anderen Ländern bewährt haben, in ihre Überlegungen zur Optimierung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Deutschland einbeziehen und dabei auch die teilweise unterschiedlichen rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anderer Staaten berücksichtigen. Die Bundesregierung begrüßt grundsätzlich auch Maßnahmen auf europäischer Ebene, die das Thema Mitarbeiterkapitalbeteiligung ins öffentliche Bewusstsein rücken und alle Beteiligten ermutigen, sich mit der Mitarbeiterkapitalbeteiligung und deren Vorteilen näher zu beschäftigen. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6386, Frage 42): Wie bewertet die Bundesregierung die aktuellen Probleme bei den Steinkohlekraftwerksneubauten mit dem Stahltyp T24, und sieht sie aufgrund dieser offensichtlichen Probleme die Notwendigkeit, im angekündigten Förderprogramm für fossile Kraftwerksneubauten den Bau von Gaskraftwerken zu präferieren? Bei den aktuellen Problemen bei den Neubauten von Steinkohlekraftwerken handelt es sich um Materialprobleme, für die der Anlagenbau zuständig ist. Die Bundesregierung nimmt hierzu keine Bewertung vor. Ähnliche Probleme können auch bei anderen Kraftwerkstypen auftreten. Eine Festlegung von Förderprogrammen wegen derartiger Probleme auf einen bestimmten Kraftwerkstyp wäre deshalb nicht sinnvoll bzw. zielführend. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Fragen der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6386, Fragen 43 und 44): Welche Untersuchungen liegen der Aussage zugrunde, dass "bis zum Jahr 2020 ein weiterer Zubau von bis zu 10 Gigawatt gesicherter Kraftwerkskapazität notwendig" ist, Antwort auf meine mündliche Frage 61, Plenarprotokoll 17/116 am 29. Juni 2011, und soll die geplante Kraftwerksförderung auf bestimmte Technologien beschränkt bzw. grundsätzlich mit Forderungen verknüpft werden? Soll der Standort - und damit die Auswirkungen auf Versorgungssicherheit, Netzstabilität und Netzausbaubedarf - eines neuen Kraftwerks für die Förderung keine Rolle spielen, da der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler, unkonditioniert eine Bezuschussung von neuen Kraftwerken mit bis zu 15 Prozent der Investitionskosten, siehe Meldung energate Messenger vom 30. Juni 2011, angekündigt hat, und sollte dies der Fall sein, ist die Bundesregierung der Meinung, dass der Standort von Kraftwerken keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit, Netzstabilität und den Netzausbaubedarf hat? Zu Frage 43: Die Bundesregierung strebt mit ihren energiepolitischen Beschlüssen vom 6. Juni 2011 die Steigerung des Anteils der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch in Deutschland von 17 Prozent auf 35 Prozent bis 2020 an. Aufgrund der angestrebten Abschaltung aller Kernkraftwerke bis Ende des Jahres 2022 sowie der Außerbetriebnahme weiterer alter dargebotsunabhängiger Erzeugungskapazitäten in den nächsten Jahren werden für die Integration dieses zunehmenden Anteils erneuerbarer Energien in das Netz aus Gründen der Versorgungssicherheit und Netzstabilität flexible konventionelle Kraftwerke zum Ausgleich der Schwankungen benötigt. Nach Ansicht der Bundesregierung ist hierfür eine schnelle Fertigstellung der derzeit im Bau befindlichen Gas- und Kohlekraftwerke und bis zum Jahr 2020 ein weiterer Zubau von bis zu 10 GW gesicherte Kraftwerksleistung notwendig. Zur Unterstützung des Aufbaus dieser Kapazitäten wird die Bundesregierung für die Jahre 2013 bis 2016 ein Kraftwerksförderprogramm auflegen, welches die von der Europäischen Kommission in ihrer Erklärung zum Energie- und Klimapaket 2008 skizzierte beihilferechtliche Möglichkeit nutzen soll. Demnach soll in den Jahren 2013 bis 2016 der erforderliche Neubau hocheffizienter, flexibler und CCS-fähiger fossiler Kraftwerke, vorrangig mit Kraft-Wärme-Kopplung, mit 5 Prozent der jährlichen Ausgaben des Energie- und Klimafonds gefördert werden. Zu diesen fossilen Kraftwerken gehören auch Gaskraftwerke. Der Energie- und Klimafonds wird aus Mitteln des Emissionshandels gespeist. Durch das Kraftwerksförderprogramm sollen nur Betreiber mit einem Anteil von weniger als 5 Prozent an den deutschen Erzeugungskapazitäten gefördert werden. Nach Ansicht der Bundesregierung soll das Programm grundsätzlich Anreize für Investitionen in jede Art konventioneller Erzeugungsanlagen ab einer gewissen Größe bieten, welche geeignet ist, einen signifikanten Beitrag zum Ausgleich der Schwankungen der Einspeisung erneuerbarer Energien in das Netz zu leisten. Die konkrete Ausgestaltung des Kraftwerksförderprogramms wird im Übrigen zu einem großen Teil von weiteren EU-beihilferechtlichen Vorgaben abhängen, welche die Europäische Kommission bis spätestens Anfang 2012 in Aussicht gestellt hat. Die Bundesregierung wird das deutsche Förderprogramm parallel zu den Verhandlungen auf EU-Ebene vorbereiten. Zu Frage 44: Nähere, mit der Förderung verbundene Konditionen ergeben sich bereits jetzt aus dem Energiekonzept der Bundesregierung vom September 2010 sowie den energiepolitischen Beschlüssen vom 6. Juni 2011, siehe Antwort auf Frage 43. Die konkrete Ausgestaltung des Kraftwerksförderprogramms wird im Übrigen zu einem großen Teil von den weiteren EU-beihilferechtlichen Vorgaben abhängen. Die Bundesregierung wird das deutsche Förderprogramm parallel zu den Verhandlungen auf EU-Ebene vorbereiten. Ob und inwieweit der Standort eines neuen Kraftwerkes dabei eine Rolle spielt, wird im Rahmen dieses Prozesses entschieden. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Günter Gloser (SPD) (Drucksache 17/6386, Frage 45): Wie hoch ist der Anteil syrischen Rohöls an den deutschen Rohölimporten, und welche Staaten sind neben Deutschland die fünf wichtigsten Hauptabnehmer für syrisches Rohöl? Im Jahr 2010 betrug der Anteil syrischen Rohöls an den deutschen Rohölimporten 2,9 Prozent. Vergleiche "Rohöleinfuhr nach Herkunftsgebieten" unter http:// www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Energie/Statistik-und-Prognosen/Energiedaten/energietraeger.html. Im Jahr 2009 waren nach Deutschland unter den OECD-Ländern Italien, Frankreich, Spanien, die Niederlande und Österreich die Hauptabnehmer für syrisches Rohöl, Quelle: Datenbank der Internationalen Energie-Agentur, 2011, Oil Information, OECD Imports. Angaben zu den Rohölimporten von Nicht-OECD-Ländern aus Syrien liegen nicht vor. Anlage 39 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Günter Gloser (SPD) (Drucksache 17/ 6386, Frage 46): Gibt es Überlegungen innerhalb der Bundesregierung, die von der EU beschlossenen Sanktionsmaßnahmen auch auf ein Importverbot für syrisches Rohöl in die EU auszuweiten, um den wirtschaftlichen Druck auf das Regime in Damaskus angesichts der fortwährenden Unterdrückung der Opposition zu erhöhen bzw. einen nationalen Importstopp zu verhängen, falls es innerhalb der EU keine diesbezügliche Verständigung geben sollte? Die Bundesregierung befürwortet zielgerichtete Sanktionen gegen die Arabische Republik Syrien mit dem Ziel, eine umgehende Einstellung der Unterdrückung der Opposition zu erreichen. Sie hat an den drei Sanktionsrunden der EU aktiv mitgewirkt. Die Bundesregierung prüft derzeit Optionen für die Verhängung weiterer Sanktionen. Sie schließt hierbei keine Sanktionsoption aus, die zielgerichtet ist. Die Überlegungen hierüber sind im Kreis der EU-Partner allerdings noch nicht abgeschlossen. Bei allen Maßnahmen steht der Schutz und das Wohlergehen der Zivilbevölkerung im Vordergrund. Ein nationaler Importstopp ist aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht möglich. Anlage 40 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/6386, Frage 47): Welche politischen Initiativen plant die Bundesregierung im Rahmen der Europäischen Union und im Rahmen der Vereinten Nationen für die Zeit nach der Entstehung des neuen Staates Südsudan, und welche Konsequenzen ergeben sich aus der Existenz des neuen Staates für notwendige Veränderungen des langfristigen Engagements der Bundesregierung beim Aufbau von afrikanischen Integrations- und Sicherheitsstrukturen? Die Bundesregierung engagiert sich stark für die Koordinierung der gemeinsamen EU-Entwicklungspolitik gegenüber dem Südsudan. Die EU und ihre Mitgliedstaaten erarbeiten gegenwärtig eine gemeinsame Entwicklungsstrategie, die die Beiträge der EU und ihrer Mitgliedstaaten beim Staatsaufbau im Südsudan bündeln und untereinander abstimmen soll. Mit ihrer Fertigstellung ist Ende November 2011 zu rechnen. Im Rahmen der Vereinten Nationen plant die Bundesregierung, den Einsatz bei den VN-Missionen im Sudan, insbesondere im Südsudan, fortzusetzen. Das langfristige Engagement der Bundesregierung beim Aufbau afrikanischer Integrations- und Sicherheitsstrukturen wird der Tatsache Rechnung tragen, dass mit dem Entstehen des neuen Staates Südsudan ein weiterer Regionalpartner hinzugetreten ist. Der Entstehungsprozess des Südsudan steht seit längerem schon im Mittelpunkt der Arbeit der Sicherheitsstrukturen der Afrikanischen Union, AU. Die AU stellt mit dem "African Union High Implementation Panel", AUHIP, eine entscheidende Vermittlungsinstanz für die Lösung der Konflikte im Sudan. Die Ex-Präsidenten Thabo Mbeki, Südafrika, Abubakar, Nigeria, und Buyoya, Mali, haben einen wesentlichen Dienst bei der Sicherung der friedlichen Abspaltung des Südsudans geleistet. Die Bundesregierung hat die AU und das AUHIP in diesem Zusammenhang aktiv mit Expertenentsendungen, Beratungsmaßnahmen und politisch unterstützt. Projekte dieser Art wird die Bundesregierung auch in Zukunft durchführen. Die Republik Südsudan hat im Übrigen bereits einen Aufnahmeantrag für eine Mitgliedschaft in der Afrikanischen Union, AU, gestellt. Sie will auch so schnell wie möglich Mitglied der Ostafrikanischen Gemeinschaft, EAC, und der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung, IGAD, werden. Die Unterstützung der Bundesregierung und der EU für die AU, EAC und IGAD hat dies bereits berücksichtigt. Entsprechende Beratungsmaßnahmen der südsudanesischen Seite und der AU, EAC und IGAD sind bereits eingeleitet, auch im Rahmen der Koordination der Entwicklungszusammenarbeit für den Staatsaufbau im Südsudan. Anlage 41 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/6386, Frage 48): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus ihrer im Afrika-Konzept getroffenen Feststellung, wonach die Afrikanische Union und ihre Regionalorganisationen beim Aufbau einer Friedens- und Sicherheitsarchitektur weiter auf Unterstützung von außen angewiesen sind, für die Bereitschaft der Bundesrepublik Deutschland, ziviles Personal und sogenannte Blauhelme für die Sicherung von Frieden in Afrika zur Verfügung zu stellen? Die Bundesregierung reagiert auf die anhaltende Notwendigkeit zur Unterstützung der Afrikanischen Union, AU, und der Regionalorganisationen, die gemeinsam die Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur, APSA, bilden, in erster Linie durch umfassende Unterstützungsmaßnahmen afrikanischer Ansätze. Dieses Engagement ist langfristig angelegt und umfasst zunehmend auch die Rekrutierung zivilen afrikanischen Personals für Einsätze innerhalb der APSA. Die EU ist der wichtigste Geber für die APSA. Insgesamt wurden über die 2004 eingerichtete Afrikanische Friedensfazilität, APF, bis Frühjahr 2011 740 Millionen Euro zur Unterstützung von Missionen, Kapazitätsaufbau und Vermittlungsbemühungen zur Verfügung gestellt. Für die kommenden drei Jahre wurden bereits weitere 300 Millionen Euro bewilligt. Das Volumen bilateraler deutscher Unterstützung für die AU beläuft sich auf 100 Millionen Euro, 2009 bis 2012, davon rund die Hälfte für Frieden und Sicherheit. Darüber hinaus ist die Bundesregierung weiterhin an Missionen der Vereinten Nationen in Afrika, UNMIS, UNAMID und UNMIL, mit zivilem Personal, Polizisten und Soldaten beteiligt. Eine Beteiligung an der Folgemission UNMISS ist geplant. Die polizeiliche Beteiligung wurde am 6. Juli 2011 vom Bundeskabinett beschlossen, der Antrag auf militärische Beteiligung wurde dem Deutschen Bundestag zugeleitet. Zudem leistet die Bundesregierung durch ihre hohen Finanzbeiträge im VN-Rahmen einen wesentlichen Beitrag zum VN-Engagement in Afrika. Sie unterstützt weiterhin die Friedensmission der Afrikanischen Union in Somalia, AMISOM, und die Mission der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union in Darfur, UNAMID. Die Bundesregierung beteiligt sich außerdem mit Personal und Finanzmitteln an der Antipiraterieoperation EU NAVFOR Somalia - Operation Atalanta sowie an der EU-Polizeimission bzw. der Mission zur Unterstützung der Sicherheitssektor Reform in der Demokratischen Republik Kongo, EUPOL/EUSEC RD Congo, ferner an der Europäischen Trainingsmission Somalia, EUTM Somalia. Anlage 42 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/6386, Frage 49): Welche Gründe kann die Bundesregierung dafür nennen, dass sie trotz bis dahin geäußerter Bedenken am 29. Juni 2011 im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten der EU ihren Widerstand gegen eine Verlängerung des EU-Fischereiabkommens mit Marokko aufgegeben hat, obwohl dies nach Auffassung unter anderem der UN und des Juristischen Dienstes des Europäischen Parlaments völkerrechtswidrig ist, da es unter anderem auch die Gebiete der völkerrechtswidrig von Marokko besetzten Westsahara umfasst, ohne die dortige Bevölkerung angemessen zu beteiligen, und worin besteht - jenseits der Zementierung der marokkanischen Ansprüche auf die Westsahara - der konkrete Mehrwert des EU-Fischereiabkommens für die saharauische Bevölkerung in der völkerrechtswidrig besetzten Westsahara? Die Zustimmung zur Verlängerung des Protokolls zum Fischereiabkommen zwischen der EU und dem Königreich Marokko um ein Jahr erfolgte auf Grundlage der Analyse der Dienststellen der Europäischen Kommission bezüglich der von der marokkanischen Regierung übersandten Unterlagen zur Verwendung der Mittel aus dem Fischereiabkommen. Aus der regionalen Aufschlüsselung der Rückflüsse wird deutlich, dass ein beträchtlicher Teil davon für Maßnahmen zugunsten der Modernisierung des Fischereisektors in der Westsahara eingesetzt wurde und damit der Bevölkerung der Westsahara zugutekommt. Weitere Maßnahmen sind geplant. Deutschland hat die Kommission zudem in einer, gemeinsam mit Irland und Slowenien abgegebenen, Erklärung aufgefordert, den Rat regelmäßig und umfassend über die Rückflüsse aus dem Abkommen an die Bevölkerung der Westsahara zu informieren; dies hatte die Bundesregierung auch bereits in einer Protokollerklärung vom 21. Februar 2011 gefordert. Mit Blick darauf wurde die neue Bestimmung im Protokoll über die Berichtspflicht zur regionalen Verteilung der Mittel als ein wichtiger Schritt begrüßt. Damit wird Marokko verpflichtet, einen schriftlichen Bericht über Art und Verwendung dieser Mittel zu übermitteln, insbesondere was die erwarteten wirtschaftlichen und sozialen Vorteile und ihre geografische Verteilung betrifft. Das Fischereiabkommen enthält keine Definition des Rechtsstatus der Meeresgewässer der Westsahara. Der Status wird somit nicht präjudiziert. Anlage 43 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6386, Frage 50): Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über Waffenlieferungen Frankreichs an die oppositionellen Kräfte Libyens, und was beabsichtigt sie zu unternehmen, um in diesem Zusammenhang den Verstoß Frankreichs gegen gültige Embargos der Vereinten Nationen und der Europäischen Union aufzuarbeiten? Der Bundesregierung liegen derzeit keine Details zu den von der französischen Regierung bestätigten Waffenlieferungen an die libysche Opposition vor. Der französische Außenminister Alain Juppé erläuterte am vergangenen Freitag, dem 1. Juli 2011, in Moskau, dass die Lieferung im vollen Einklang mit Abs. 4 der Sicherheitsratsresolution der Vereinten Nationen Nr. 1973 (2011) stehe: Dieser Abs. 4 sehe als Ausnahme zu der bereits erwähnten Embargobestimmung von Abs. 9 der VN-Sicherheitsratsresolution 1970 (2011) die Nutzung aller Mittel vor, um die Zivilbevölkerung zum Selbstschutz zu unterstützen. Sanktionsregime der Vereinten Nationen regulieren das Verbot bzw. die Beschränkung von Waffenlieferungen, wobei der Sicherheitsrat für jedes Regime einen eigenen Sanktionsausschuss unter Vorsitz eines Sicherheitsratsmitglieds eingerichtet hat, der für die Um-setzung und Überwachung der Sanktionen zuständig ist. Die Auslegung der einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 1970 (2011) und 1973 (2011) obliegt dem einschlägigen Sanktionsausschuss des Sicherheitsrates, Vorsitz: Portugal. Dieser Ausschuss ist bisher nicht mit den französischen Lieferungen befasst worden. Anlage 44 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/6386, Frage 52): Wie bewertet die Bundesregierung die Berichte zahlreicher unabhängiger Delegationen zur Wahlbeobachtung der Parlamentswahlen in der Türkei am 12. Juni 2011, welche massive und flächendeckende Wahlmanipulationen in den kurdischen Gebieten dokumentierten (http://solidarity-dicle. blogspot.com/p/reports-of-international-delegations-on.html) sowie den nachträglichen Ausschluss des gewählten Abgeordneten Hatip Dicle für den Demokratisierungsprozess der Türkei, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den dokumentierten Mängeln für ihre Beziehungen zur Türkei und in Bezug auf den Aufnahmeprozess der Türkei in die Europäische Union? Nach Einschätzung von Beobachtern der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sowie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE, waren die Parlamentswahlen in der Türkei gut organisiert, verliefen demokratisch und weitgehend ohne Zwischenfälle. Die Bundesregierung teilt diese Bewertung. Gleichwohl gibt es noch Defizite, die vor allem im Vorfeld im Bereich Presse- und Meinungsfreiheit festzustellen waren. Hierunter fallen die Verhaftung von Journalisten oder auch die Nutzung staatlicher Infrastruktur für Wahlkampfveranstaltungen. Die Bundesregierung erkennt die Fortschritte der Türkei im Bereich Demokratisierung, Menschen- und Minderheitenrechte der letzten Jahre an. 2010 wurde das Gesetz über Wahlen und Wählerverzeichnisse dahin gehend geändert, dass im Wahlkampf auch andere Sprachen als Türkisch für mündliche und schriftliche Wahlwerbung verwendet werden dürfen. Weitere Änderungen des Gesetzes betreffen die Transparenz der Einnahmen und Ausgaben von politischen Parteien und Kandidaten im Wahlkampf. Nicht geändert hat sich jedoch das Wahlsystem, bei dem insbesondere die 10-Prozent-Hürde für den Einzug einer Partei ins Parlament höher ist als in allen anderen Europarats-Mitgliedstaaten. Hier bietet die geplante neue Verfassung Gelegenheit, eine Neujustierung vorzunehmen. Bei der Aberkennung des Mandats von Hatip Dicle beruft sich der Hohe Wahlrat auf die türkische Verfassung, Art. 76, wonach nicht wählbar ist, wer eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr erhalten hat. Der Wahlrat sah dies im Fall von Dicle aufgrund dessen zwischenzeitlicher - das heißt erst nach Zulassung als Kandidat - rechtskräftiger Verurteilung gegeben. Dicles Anwälte haben Rechtsmittel eingelegt. Anlage 45 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6386, Frage 53): Inwieweit ist die Bundesregierung der Ansicht, dass es für eine Verbesserung der Umsetzungsmechanismen von Menschenrechtsklauseln ausreicht, den Menschenrechtsschutz in Fällen, in denen der Menschenrechtsschutz neben der allgemeinen Menschenrechtsklausel in Vorgängerabkommen nicht erwähnt wird, in künftigen Verhandlungen als Element des politischen Dialogs aufzunehmen (siehe Antwort der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 69, Plenarprotokoll 17/116, Seite 13357 (B)), und was unterscheidet nach Ansicht der Bundesregierung eine normale Erörterung des Menschenrechtsschutzes von einer "echten Erörterung" des Menschenrechtsschutzes in den vertraglich vereinbarten Strukturen der Zusammenarbeit (am angegebenen Ort)? Das Ziel einer umfassenderen Verankerung des Menschenrechtsschutzes in den in der Antwort der Bundesregierung auf Ihre mündliche Frage Nr. 69 (Plenarprotokoll 17/116) erwähnten Abkommen betrachtet die Bundesregierung als ein Element zur Stärkung des Menschenrechtsschutzes. Geänderte Vertragsklauseln allein, seien sie auch noch so umfassend, sind aus Ansicht der Bundesregierung nie ausreichend, wenn sie nicht effektiv umgesetzt werden. In diesem Sinn ist auch der Hinweis auf eine echte Erörterung im Rahmen der vertraglichen Strukturen zu verstehen. In der Vergangenheit fand vor allem in Kooperations- und Assoziationsräten ein stark formalisierter Austausch statt. Das Ziel der Bundesregierung ist es, das in diesen Gremien nicht nur Erklärungen der Vertragsparteien verlesen werden, sondern ein interaktiver Austausch stattfindet. Ein solcher Wandel würde auch dazu beitragen, dass die vertraglich vereinbarten Verpflichtungen in Bezug auf die Menschenrechte stärker mit Leben erfüllt werden. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6386, Frage 54): Wie bewertet die Bundesregierung das Ergebnis der Evaluierung der EU-Rückübernahmeabkommen, KOM(2011) 76, vom 23. Februar 2011 in Kapitel 4.3, dass der Rechtsrahmen solcher Abkommen zwar die Menschenrechte der Rückgeführten bereits schützt, aber dennoch "flankierende Maßnahmen, Kontrollmechanismen und/oder Garantien in künftige Rückübernahmeabkommen" aufgenommen werden sollten, weil sich die "tatsächliche administrative und gerichtliche Praxis" durchaus auch außerhalb des Rechtsrahmens der Abkommen abspielt, und inwieweit plant die Bundesregierung, dieser Empfehlung der EU-Kommission nachzukommen? Am 23. Februar 2011 hat die Europäische Kommission, KOM, eine Mitteilung zur Evaluierung der Rückübernahmeabkommen der Europäischen Union, EU, mit Drittstaaten vorgelegt. Diese enthält eine Bewertung der bisherigen Verhandlungen und Empfehlungen für die weitere Ausgestaltung der Rückführungspolitik und -praxis. Der Rat für Justiz und Inneres der Europäischen Union, Jl-Rat, hat am 9. Juni 2011 hierzu Ratsschlussfolgerungen angenommen - Festlegung der Rückübernahmestrategie der Europäischen Union. Die Ratsschlussfolgerungen halten unter anderem fest, "dass im Rahmen der Rückführungspolitik die Menschenrechtsstandards weiterhin uneingeschränkt eingehalten werden". In einer Erklärung zum Ratsprotokoll hat die KOM ferner festgehalten, "dass der Achtung der internationalen Schutz- und Menschrechtsnormen bei der Anwendung der EU-Rückübernahmeabkommen besondere Bedeutung zukommt [...]". Aus Sicht der Bundesregierung wahren die bestehenden EU-Rückübernahmeabkommen ebenso wie die nationalen Abkommen die Menschenrechte und den Grundsatz der Nichtzurückweisung. Die Ratsschlussfolgerungen des Jl-Rates vom 9. Juni 2011 zur Festlegung der Rückübernahmestrategie der EU halten fest, dass dies auch für die Zukunft gelten soll. Die Bundesregierung wird sich darüber hinaus auch bei zukünftigen einschlägigen Abkommen der EU mit Drittstaaten dafür einsetzen, dass der Menschenrechts- und Flüchtlingsschutz, zum Beispiel durch Aufforderung zur Ratifizierung der Genfer Flüchtlingskonventionen, gestärkt wird. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6386, Fragen 55 und 56): Wie ist der aktuelle Zeitplan für das Planungsvereinheitlichungsgesetz, das nach Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister des Innern, Dr. Ole Schröder, noch vor der parlamentarischen Sommerpause in den Deutschen Bundestag eingebracht werden sollte, und in welchem Quartal dieses Jahres könnte aus Sicht der Bundesregierung die Novellierung frühestens abgeschlossen sein? Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den bisherigen Diskussionen um die Verbesserung der Bürgerbeteiligung an Planungsprozessen im Hinblick auf die Inhalte des Planungsvereinheitlichungsgesetzes, und wie bewertet die Bundesregierung nach aktuellem Kenntnisstand die ursprünglich beabsichtigte generelle Fakultativstellung des Erörterungstermins in Planfeststellungsverfahren? Zu Frage 55: Ursprüngliches Ziel des Vorhabens war allein die Übertragung bereits bestehender Maßgabevorschriften von den einschlägigen Fachgesetzen in das Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVfG, um die Entschließungen von Bundestag und Bundesrat von 2006 umzusetzen. Dabei geht es nicht um die bloße Abbildung dieser Regelungen im VwVfG, womit nur unnötige Doppelregelungen geschaffen würden, sondern um deren Herausnahme aus den Fachgesetzen und Konzentration im VwVfG. Diese Regelungen sollen zur Gewährleistung einheitlicher Verwaltungsverfahren und damit der Intention der übereinstimmenden Entschließungen von Bundestag und Bundesrat folgend nicht nur für Bundes-, sondern auch für Länderbehörden maßgeblich sein. Hierfür bedarf es einer einheitlichen Anpassung der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder. Die Bundesregierung will das Vorhaben dazu nutzen, zusätzlich die Öffentlichkeitsbeteiligung vor allem bei Großvorhaben zu stärken. Dies soll nicht mit einer Vielzahl von Sondervorschriften im Fachrecht, sondern mit Ergänzungen an zentraler Stelle im VwVfG erreicht werden. Um auch hierfür eine einheitliche Anpassung der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder zu gewährleisten, bedarf es noch zusätzlicher Abstimmungen mit den Ländern. Nach derzeitiger Planung soll der überarbeitete und ergänzte Gesetzentwurf nach der Sommerpause eingebracht werden. Zu Frage 56: Die Bundesregierung nimmt die aktuelle Diskussion zum Anlass, die Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren zu verbessern. Geplant sind Regelungen für eine "frühe Öffentlichkeitsbeteiligung" und für die "öffentliche Bekanntmachung im Internet". In der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung soll der Vorhabenträger in einer Planungsphase, in der noch größerer Änderungsspielraum besteht, das geplante Vorhaben vorstellen und erläutern. Die Betroffenen haben dann die Möglichkeit, sich dazu zu äußern und ihre Position zu vertreten. Für den Vorhabenträger eröffnet sich die Möglichkeit, seine Planung bei Bedarf rechtzeitig anzupassen und mögliche Konflikte bereits im Vorfeld des Genehmigungsverfahrens mit den Betroffenen zu klären. Zusätzlich soll der Zugang zu den relevanten Informationen im Verfahren über das Internet erleichtert erleichtern. Die ursprünglich geplante Übertragung der Fakultativstellung des Erörterungstermins im Planfeststellungsverfahren in die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder wird voraussichtlich nicht mehr Bestandteil des Entwurfs sein. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Frage der Abgeordneten Monika Lazar (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6386, Frage 57): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der im Verfassungsschutzbericht 2010 angezeigten Zunahme der rechtsextremistischen Gewalttaten in den ostdeutschen Bundesländern, insbesondere auch hinsichtlich des Bundesprogramms "Zusammenhalt durch Teilhabe"? Aus dem Verfassungsschutzbericht 2010 ergibt sich, dass bundesweit im Jahr 2010 gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang der politisch rechts motivierten Gewaltkriminalität mit extremistischem Hintergrund zu verzeichnen ist. Dieser erstreckt sich sowohl auf das Gebiet der ost- als auch der westdeutschen Bundesländer. Gleichwohl ist die unterschiedliche Ausprägung extremistischer Tendenzen in einzelnen Regionen Ost- und West-deutschlands seit Jahren bekannt. Dies gilt auch für den Phänomenbereich Rechtsextremismus. In Abhängigkeit von der schwerpunktmäßigen Betroffenheit einzelner Regionen setzt die Bundesregierung ihre Fördermittel zur präventiven Bekämpfung ein. So fördert der Bundesminister des Innern beispielsweise mit dem Programm "Zusammenhalt durch Teilhabe" seit 2010 gezielt Projekte für demokratische Teilhabe und gegen Extremismus in Ostdeutschland. Das Programm "Zusammenhalt durch Teilhabe" richtet sich an Akteure in Vereinen, Verbänden und Kommunen im ländlichen ostdeutschen Raum. Das Ziel der Extremismusprävention soll dadurch erreicht werden, dass im strukturschwachen Raum eine selbstbewusste, lebendige und demokratische Gemeinwesenkultur gefördert und unterstützt wird, in der extremistische und verfassungsfeindliche Strömungen keinen Platz finden. Im Mittelpunkt stehen die Menschen vor Ort, die sich haupt- oder ehrenamtlich in Vereinen, Bürgerinitiativen oder Gemeindeverwaltungen für eine demokratische Gemeinschaft engagieren. Damit legt das Programm seinen Schwerpunkt auf die Prävention von Extremismus durch die Etablierung nachhaltiger Strukturen und nicht in erster Linie auf ein unmittelbar auf aktuelle Phänomene bezogenes Agieren. Dieser Ansatz zur Stärkung demokratischer Teilhabe und zur Prävention gegenüber extremistischen Einflüssen ist darauf ausgerichtet, die anderen, seit langen Jahren erfolgreich wirkenden präventiven und intervenierenden Programmansätze des Bundes und der Länder zu ergänzen und bestehende Lücken zu schließen. Dafür findet eine enge Abstimmung mit den anderen Förderprogrammen des Bundes und der Länder statt, insbesondere bezüglich der einschlägigen Programme des BMFSFJ (Programme "Toleranz fördern - Kompetenz stärken" und "Initiative Demokratie stärken") sowie des BMAS (Programm "XENOS - Integration und Vielfalt"). Eine längerfristige Betrachtung der Entwicklung politisch rechts motivierter Gewaltkriminalität mit extremistischem Hintergrund veranschaulicht aufgrund deren rückläufiger Tendenz die Erfolge der Bekämpfung im Phänomenbereich Rechtsextremismus. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache 17/6386, Frage 58): Gibt es Fördermöglichkeiten durch die Bundesregierung für private bzw. kommunale Initiativen, die in Städten und Gemeinden der alten Bundesländer die Erinnerung an die jahrzehntelange Präsenz der Westalliierten, deren Beitrag zum Aufbau der Demokratie und die vielfältigen Aspekte des Zusammenlebens wachhalten? Erinnern und Gedenken sind Aufgaben von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, die von vielfältigen Einrichtungen wahrgenommen werden. Die Zuständigkeit für ihre Förderung obliegt nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes den Ländern. Dem Bund ist eine Beteiligung grundsätzlich nur bei herausgehobener Bedeutung des Vorhabens und bei mindestens hälftiger Finanzierung durch Land oder Kommune möglich. Zuständig ist hier der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, BKM. Spezifische Fördermöglichkeiten für private oder kommunale Initiativen zur Erinnerung an die Präsenz der Westalliierten bestehen nicht. Hinsichtlich der politischen Bildung ist festzustellen: Sofern die genannten Initiativen zur Erinnerung an die jahrzehntelange Präsenz der Westalliierten in den alten Bundesländern in Bildungsangebote der bei der Bundeszentrale für politische Bildung, BpB, anerkannten Trägereinrichtungen integriert werden, kann im Rahmen der Förderungsrichtlinien des Bundesministeriums des Innern Förderung bei der BpB beantragt werden. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN) (Drucksache 17/6386, Frage 59): In welchem Umfang fragten Sicherheitsbehörden des Bundes seit 2008 Mobilfunkverkehrsdaten ganzer Funkzellen gemäß § 100 g Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung, StPO, ab - bitte aufschlüsseln nach Behörde, Jahr, Befristungsdauer, Anlass, Zahl der Datensätze sowie Betroffenen, Ergebnissen, und wie lauten die entsprechenden Angaben für die Anwendung des § 100 i StPO - sogenannte IMSI-Catcher zur Erhebung von Handystandorten, -geräte- und -kartennummern? Soweit sich die Frage auf Maßnahmen der Strafverfolgung bezieht, die der Anordnungs- und Sachleitungskompetenz der Landesjustizbehörden unterliegen, fallen die erfragten Maßnahmen nicht in den Verantwortungsbereich der Bundesregierung. In diesen Fällen bestehen lediglich Weisungsbefugnisse von Landesbehörden, denen gegenüber die ersuchten Bundesbehörden in polizeifachlicher Verantwortung stehen. Die parlamentarische Kontrolle für diese Maßnahmen wird insoweit von den gesetzgebenden Körperschaften der Länder ausgeübt. Die Anzahl aller durchgeführten Verkehrsdatenabfragen im Zuständigkeitsbereich des Generalbundesanwalts für die Jahre 2008 und 2009 gemäß § 100 g Abs. 4 der Strafprozessordnung, StPO, kann der Übersicht auf der Internetseite des Bundesamtes für Justiz entnommen werden. Diese Zahl ist jedoch nicht nach dem Typ der angefragten Daten aufgeschlüsselt. Über die Anzahl der durchgeführten Funkzellenabfragen für die Jahre 2008 und 2009 hat das Bundeskriminalamt, BKA, keine Statistik geführt. Daher können ohne eine für die Beantwortung der Frage erforderliche Auswertung von Ermittlungsakten, die in der Kürze der Zeit nicht vorgenommen werden konnte, keine Angaben gemacht werden. Eine rückwirkende Erhebung der erfragten statistischen Daten anhand von Ermittlungsakten würde zu einem unvertretbaren Aufwand führen. Im Jahr 2010 wurde seitens BKA im Zuständigkeitsbereich des Generalbundesanwaltes keine Maßnahme gemäß § 100 g StPO durchgeführt. Im Jahr 2011 wurden seitens BKA im Zuständigkeitsbereich des Generalbundesanwaltes zwölf Maßnahmen gemäß § 100 g StPO durchgeführt. Im Einzelnen: - In einem Verfahren im Bereich politisch motivierte Kriminalität - LINKS - wurden 10 449 Verkehrsdatensätze erhoben. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, so dass derzeit keine abschließenden Aussagen über Betroffene und Ergebnisse getroffen werden können. - In einem anderen Verfahren im Bereich politisch motivierte Kriminalität - LINKS - gemäß § 129 StGB wurden insgesamt fünf Maßnahmen durchgeführt, bei denen insgesamt 9 476 Verkehrsdatensätze erhoben wurden. Auch dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, so dass derzeit keine abschließenden Aussagen über Betroffene und Ergebnisse getroffen werden können. - Im Rahmen von Ermittlungen im Bereich des internationalen Terrorismus gemäß § 129 a Abs. 1 StGB, § 129 b StGB und weiterer Straftaten wurden insgesamt sechs Maßnahmen gemäß § 100 g StPO durchgeführt, bei denen insgesamt 4 500 Verkehrsdatensätze erhoben wurden. Das Verfahren ist ebenfalls noch nicht abgeschlossen, so dass auch hier keine abschließenden Aussagen über Betroffene und Ergebnisse getroffen werden können. Über die im Auftrag des Generalbundesanwalts durchgeführten IMSI-Catcher-Einsätze gemäß § 100 i StPO werden seitens BKA die erfragten statistischen Daten nicht erhoben. Eine rückwirkende Erhebung der erfragten statistischen Daten anhand von Ermittlungsakten würde zu einem unvertretbaren Aufwand führen. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/6386, Frage 60): Wie viele Telekommunikationsanschlussnehmer/-innen wurden auf Antrag bzw. Veranlassung welcher Bundesbehörden anlässlich der Proteste gegen den G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm in Hamburg, Berlin, Rostock und der Region um Bad Doberan per Funkzellenüberwachung überwacht, wie es in Ermittlungsakten unter anderem zu den Städten Berlin und Hamburg dokumentiert ist, und wie viele ausländische Teilnehmerinnen/Teilnehmer an den Protesten (bzw. deren Telefonanschlüsse) wurden hierbei festgestellt? Auf der Grundlage eines Beschlusses des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof, BGH, im Rahmen eines im Auftrag des Generalbundesanwalts geführten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Gründung einer kriminellen Vereinigung und anderer Straftaten hat das Bundeskriminalamt, BKA, in Hamburg und Berlin die Erhebung und Auswertung von Funkzellendaten durchgeführt. Ziel dieser Maßnahmen war die Identifizierung von Tätern eines am 17. Oktober 2005 verübten Anschlages auf die "Villa Borsig", einer Liegenschaft des Auswärtigen Amtes in Berlin. Der Anschlag war - ausweislich eines Selbstbezichtigungsschreibens - im Begründungszusammenhang "Militante Kampagne gegen den G-8-Gipfel" verübt worden. Die zuletzt ermittlungsführende Staatsanwaltschaft Hamburg hat das Ermittlungsverfahren am 24. September 2008 eingestellt. Mit der damit verbundenen Rückgabe des entsprechenden Akten- bzw. Datenbestands vom BKA an die Staatsanwaltschaft Hamburg liegen dem BKA weder Daten des Verfahrens vor noch sind Umfang und betroffene Mobilfunkanschlüsse dem BKA erinnerlich. In Rostock und der Region um Bad Doberan hat das BKA weder im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens noch anlässlich der dortigen Proteste im Zusammenhang mit dem G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm Maßnahmen der Funkzellenüberwachung veranlasst. Andere Sicherheitsbehörden des Bundes haben anlässlich des G-8-Gipfels 2007 in Heiligendamm keine Funkzellenüberwachung durchgeführt. 1Die Antwort auf Frage 32 wird zu einem späteren Zeitpunkt abgedruckt. Die Frage 51 wurde zurückgezogen. ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 13814 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 119. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 6. Juli 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 119. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 6. Juli 2011 13813 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 13872 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 119. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 6. Juli 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 119. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 6. Juli 2011 13871