Plenarprotokoll 17/129 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 129. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 28. September 2011 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Aktionsplan 2011 der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung; weitere Fragen Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Kerstin Griese (SPD) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Michaela Noll (CDU/CSU) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Sibylle Laurischk (FDP) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Diana Golze (DIE LINKE) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Petra Crone (SPD) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Aydan Özoðuz (SPD) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Michaela Noll (CDU/CSU) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Sönke Rix (SPD) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Miriam Gruß (FDP) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Diana Golze (DIE LINKE) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Gabriele Fograscher (SPD) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 17/7083, 17/7169) Dringliche Frage 1 Dr. Marlies Volkmer (SPD) Maßnahmen zur Verhinderung drohender Insolvenzen bei Krankenkassen Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Zusatzfragen Dr. Marlies Volkmer (SPD) Dringliche Frage 2 Dr. Marlies Volkmer (SPD) Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Zusatzfragen Dr. Marlies Volkmer (SPD) Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Elke Ferner (SPD) Dringliche Frage 3 Harald Weinberg (DIE LINKE) Begründung der Bundesregierung für den aus ihrer Sicht fehlenden Handlungsbedarf infolge des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Zusatzfragen Harald Weinberg (DIE LINKE) Dr. Marlies Volkmer (SPD) Bärbel Bas (SPD) Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Fragen 5 und 6 Dr. Matthias Miersch (SPD) Ausreichende Verfügbarkeit von Castorbehältern für die Brennelemente aus den acht in 2011 stillgelegten Atomkraftwerken sowie zukünftige Lagerung dieser Brennelemente Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Dr. Matthias Miersch (SPD) Ulrich Kelber (SPD) Ralph Lenkert (DIE LINKE) Johanna Voß (DIE LINKE) Ute Vogt (SPD) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ulrich Kelber (SPD) Ralph Lenkert (DIE LINKE) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) (zur Geschäftsordnung) Mündliche Frage 7 Manfred Nink (SPD) Ergebnisse der Sicherheitsüberprüfung des französischen Kernkraftwerks Cattenom Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfrage Manfred Nink (SPD) Mündliche Frage 8 Manfred Nink (SPD) Maßnahmen der Bundesregierung für einen internationalen Atomausstieg unter Einschluss Frankreichs Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Manfred Nink (SPD) Dr. Matthias Miersch (SPD) Ralph Lenkert (DIE LINKE) Ute Vogt (SPD) Johanna Voß (DIE LINKE) Ulrich Kelber (SPD) Mündliche Frage 9 Dr. Bärbel Kofler (SPD) Inkraftsetzung des überarbeiteten kerntechnischen Regelwerks und Sicherstellung einer aktiven Überprüfungspraxis Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Dr. Bärbel Kofler (SPD) Ulrich Kelber (SPD) Dr. Matthias Miersch (SPD) Dr. Bärbel Kofler (SPD) Gerd Bollmann (SPD) Ute Vogt (SPD) Mündliche Frage 10 Dr. Bärbel Kofler (SPD) Überprüfung der heute noch betriebenen Atomkraftwerke seit Vorlage des Sonderprüfberichts der Reaktor-Sicherheitskommission Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Dr. Bärbel Kofler (SPD) Dr. Matthias Miersch (SPD) Ulrich Kelber (SPD) Mündliche Frage 20 Oliver Kaczmarek (SPD) Unterzeichnung des Nationalen Paktes für Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Oliver Kaczmarek (SPD) Mündliche Frage 21 Oliver Kaczmarek (SPD) Rückzug des BMBF aus der Finanzierung der Fachtagung Alphabetisierung Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Oliver Kaczmarek (SPD) Mündliche Frage 22 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Erwartete Mehrausgaben durch das Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Swen Schulz (Spandau) (SPD) Mündliche Frage 23 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Geplante Kooperation der Berliner Charité mit dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin sowie Unterstützung mit Bundesmitteln Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Mündliche Frage 24 Karin Roth (Esslingen) (SPD) Aufteilung der Mittel aus dem develoPPP-Programm zwischen Schwellenländern und den am wenigsten entwickelten Ländern (LDC) Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Karin Roth (Esslingen) (SPD) Mündliche Frage 25 Dr. Sascha Raabe (SPD) Zahl der aus dem Haushaltstitel 687 11 „Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft“ des Einzelplans 23 in den letzten zwei Jahren geförderten Unternehmen Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Mündliche Frage 26 Dr. Sascha Raabe (SPD) Entwicklung der Nachfrage nach Förderungen aus dem Haushaltstitel 687 11 „Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft“ des Einzelplans 23 seitens der Wirtschaft und Bewertung durch das Bundesministerium Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Dr. Sascha Raabe (SPD) Karin Roth (Esslingen) (SPD) Mündliche Fragen 31 und 32 Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gründe für die Schaffung eines Kapazitätsmarkts durch das BMWi bei gleichzeitiger Einrichtung eines Kraftwerksförderprogramms mit Investitionszuschüssen Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Manfred Grund (CDU/CSU) Mündliche Fragen 5 und 6 (Fortsetzung) Dr. Matthias Miersch (SPD) Ausreichende Verfügbarkeit von Castorbehältern für die Brennelemente aus den acht in 2011 stillgelegten Atomkraftwerken sowie zukünftige Lagerung dieser Brennelemente Antwort Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU Zusatzfragen Dr. Matthias Miersch (SPD) Ulrich Kelber (SPD) Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ralph Lenkert (DIE LINKE) Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Matthias Miersch (SPD) Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ute Vogt (SPD) Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Haltung der Bundesregierung zur Frage einer Umlenkung von Verkehrsinvestitionsmitteln des Bundes für die Autobahn A 100 auf andere Verkehrsprojekte des Bundes in Berlin Kai Wegner (CDU/CSU) Mechthild Rawert (SPD) Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Stefan Liebich (DIE LINKE) Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Patrick Schnieder (CDU/CSU) Michael Groß (SPD) Patrick Döring (FDP) Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) Uwe Beckmeyer (SPD) Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) Arnold Vaatz (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 1 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Digitale Erfassung von Ministervorlagen und Schreiben der Hausspitze im BMU und deren Recherchierbarkeit Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 3 Mündliche Frage 2 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Suche nach alternativen Standorten zu Gorleben für die Endlagerung von Atommüll; Vorlage eines Endlagersuchgesetzes Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 4 Mündliche Frage 3 Ute Vogt (SPD) Konzepte der Betreiber zur Stilllegung außer Betrieb genommener Kernkraftwerke Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 5 Mündliche Frage 4 Ute Vogt (SPD) Forderung des niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister zur Rückholbarkeit von Atommüll bezüglich der Endlagersuche Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 6 Mündliche Frage 11 Dirk Becker (SPD) Prognostizierter Anstieg der EEG-Umlage im Jahr 2012 Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 7 Mündliche Frage 12 Dirk Becker (SPD) Entwicklung der von der Zahlung der EEG-Umlage befreiten Strommenge im Zuge der EEG-Novelle 2012 Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 8 Mündliche Frage 13 Gerd Bollmann (SPD) Überschreitung der Grenzwerte der 17. BImschV bei der Mitverbrennung von Abfällen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 9 Mündliche Frage 14 Gerd Bollmann (SPD) Gefährdungspotenzial von in Kraftwerken und Zementwerken mit verbrannten Abfallgemischen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 10 Mündliche Frage 15 Ulrich Kelber (SPD) Zuteilung von CO2-Zertifikaten an Unternehmen im Luftverkehr Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 11 Mündliche Fragen 16 und 17 Ulla Burchardt (SPD) Zahl der in Österreich und den Niederlanden studierenden Deutschen mit einem in Deutschland mit Numerus clausus belegten Fach; Herkunft dieser Studenten nach Bundesländern Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 12 Mündliche Frage 18 René Röspel (SPD) Reduktion der Fördermittel für die Meeres- und Polarforschung; Projektförderung für die Hightech-Strategie für den Klimaschutz Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 13 Mündliche Frage 19 René Röspel (SPD) Mittelabflüsse im Bereich der Förderung der Forschung an Fachhochschulen seit 2007 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 14 Mündliche Frage 27 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verzögerung der gesetzlich vorgeschriebenen Zwischenüberprüfung zur Wirksamkeit des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes und Auswirkungen auf die Novellierung Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 15 Mündliche Frage 28 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Untersuchungsauftrag des BMWi an das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln zu Kapazitätsmärkten im Strombereich Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 16 Mündliche Frage 29 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entwicklung des EEG-Kontos und Notwendigkeit einer Liquiditätsreserve für Übertragungsnetzbetreiber Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 17 Mündliche Frage 30 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage eines Speichergesetzes Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 18 Mündliche Fragen 33 und 34 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Fortschritte bei Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz; Einrichtung eines Verfahrens für das Monitoring Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 19 Mündliche Frage 37 Hans-Joachim Hacker (SPD) Vorlage des nächsten tourismuspolitischen Berichts der Bundesregierung Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 20 Mündliche Frage 38 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Munitionslieferungen nach Birma Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 21 Mündliche Frage 39 Heike Hänsel (DIE LINKE) Exportverbot der Firma Heckler & Koch für Waffenlieferungen nach Mexiko Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 22 Mündliche Frage 40 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Aktivitäten der in Äthiopien ausgebildeten somalischen „Polizisten“ Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin im AA Anlage 23 Mündliche Frage 41 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutsche Beteiligung am Zivilgesellschaftsfonds für Afghanistan und Pakistan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin im AA Anlage 24 Mündliche Frage 42 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen geplanter Kürzungen im US-amerikanischen Verteidigungsetat auf die Standorte der US-Armee in Deutschland Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin im AA Anlage 25 Mündliche Frage 43 Heike Hänsel (DIE LINKE) Verhaftung und Verurteilung von 12 000 Personen vor Militärtribunalen in Ägypten; deutsche Zusammenarbeit mit dem dortigen Obersten Militärrat Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin im AA Anlage 26 Mündliche Frage 44 Andrej Hunko (DIE LINKE) Versorgung von Behörden und Ministerien der NATO-Mitgliedstaaten mit Satellitenbildern aus Bengazi und Tripolis; Beitrag zur Nutzung der Bilder durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin im AA Anlage 27 Mündliche Frage 45 Andrej Hunko (DIE LINKE) Etwaige Beteiligung deutscher Beamter im Rahmen von FRONTEX bei der Übergabe von Migranten in griechische Auffanglager mit menschenverachtenden Zuständen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 28 Mündliche Frage 46 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bericht von Human Rights Watch über unmenschliche Zustände in griechischen Haftanstalten; möglicher Abzug deutscher Beamter aus der dortigen FRONTEX-Mission Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 29 Mündliche Frage 47 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Geltungsbereich des assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbots Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 30 Mündliche Frage 53 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer für Wärmeabgabe aus vorrangig auf Stromerzeugung und nicht Wärmeproduktion ausgerichteten Biogas-Blockheizkraftwerken Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 31 Mündliche Frage 54 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Grund für die Abweichung im Doppelbesteuerungsabkommen mit der Türkei in Art. 18 Abs. 2 (Ruhegehälter) vom OECD-Musterabkommen Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 32 Mündliche Frage 55 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Zulässigkeit vorweggenommener Werbungskosten durch Berufsausbildungskosten bei später im Ausland ausgeübter Tätigkeit Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 33 Mündliche Frage 56 Hans-Joachim Hacker (SPD) Ermäßigter Mehrwertsteuersatz für Flusskreuzfahrten Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 34 Mündliche Fragen 57 und 58 Manfred Kolbe (CDU/CSU) Bürgschaftsvolumen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und des geplanten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM); etwaige Erhöhungen des Garantievolumens für EFSF und ESM Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 35 Mündliche Fragen 59 und 60 Klaus Ernst (DIE LINKE) Zusätzliche Belastung des Bundeshaushalts bei einem Ausfall der KfW-Darlehen für das erste Hilfspaket für Griechenland Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 36 Mündliche Fragen 62 und 63 Elke Ferner (SPD) Anzahl der Anspruchsberechtigten auf eine Zuschussrente aufgrund von Beitragszeiten nach § 55 SGB VI; Bedeutung der Regelaltersgrenze für eine Auszahlung Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 37 Mündliche Fragen 64 und 65 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Bürokratischer Aufwand bei der Umsetzung des Teilhabepakets; geplante Veränderungen aufgrund vorliegender Erfahrungsberichte Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 38 Mündliche Frage 66 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Begründung der Ablehnung des Antrags auf einen Callcenter-Mindestlohn durch den Hauptausschuss des Mindestarbeitsbedingungen-Gesetzes Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 39 Mündliche Frage 67 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Anteil der Aufstocker in der Callcenterbranche Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 40 Mündliche Frage 68 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufgabe des deutschen Unterseeboots U 34 im Rahmen der Operation Active Endeavour Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 41 Mündliche Frage 69 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Verbleib des Hauptsitzes des Bundesministeriums der Verteidigung in Bonn Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 42 Mündliche Frage 70 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Verzögerung der Vorlage der angekündigten Eckpunkte der Pflegereform Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 43 Mündliche Fragen 71 und 72 Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitplan für den Gesetzgebungsprozess zur Finanzreform der Pflegeversicherung und des Expertenbeirats für die Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 44 Mündliche Frage 73 Harald Weinberg (DIE LINKE) Aufbau einer kapitalgedeckten Säule der Pflegeversicherung Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 45 Mündliche Frage 75 Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) Einberufung des neuen Pflegebeirats unter Vorsitz von Dr. Jürgen Gohde Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 46 Mündliche Frage 76 Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) Anzahl der Pflegebedürftigen ohne Anspruch auf Leistungen nach SGB XI sowie geplante Vergrößerung des Kreises der Anspruchsberechtigten Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 47 Mündliche Fragen 77 und 78 Bärbel Bas (SPD) Änderung der Verordnung über den Betrieb von Apotheken mit dem Ziel der Herstellung bisher fehlender Abstimmung zwischen Apothekennotdienst und ärztlicher Notfallpraxis in ländlichen Gebieten Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 48 Mündliche Fragen 79 und 80 Alexander Ulrich (DIE LINKE) Finanzieller Beitrag des Bundes und dessen Vertragsgrundlage für den Neubau des Militärkrankenhauses für die US-Airbase Ramstein; weitere Kosten durch Infrastrukturanbindungen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 49 Mündliche Frage 81 Anette Kramme (SPD) Elektrifizierung der Bahnstrecke Nürnberg–Marktredwitz Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 50 Mündliche Frage 82 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen der Finanzplanung im Entwurf des Investitionsrahmenplans 2011 bis 2015 des BMVBS auf den Bundesanteil zur Finanzierung der B 50 mit Hochmoselübergang; Neuberechnung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 51 Mündliche Frage 83 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterschiedliche Auffassungen des BMELV und des BMVBS zum Änderungsbedarf von § 35 Abs. 1 Nr. 4 des Baugesetzbuches bezüglich Tierhaltungsanlagen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 52 Mündliche Fragen 84 und 85 Werner Dreibus (DIE LINKE) Verringerung des Fluglärms im Main-Kinzig-Kreis (Hessen) sowie lärmärmeres Anflugverfahren CDA für neue Start- und Landebahnen am Flughafen Frankfurt/ Main Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 53 Mündliche Frage 86 Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Lösung des Fluglärmstreits mit der Schweiz gemäß der Stuttgarter Erklärung Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 54 Mündliche Fragen 87 und 88 Gustav Herzog (SPD) Grenzwerte für langfristig geltende Lärmemissionen für Pkw und Lärmschutzinteressen der Bevölkerung Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 55 Mündliche Fragen 89 und 90 Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zukünftige Finanzausstattung der ehemaligen Gemeindeverkehrsfinanzierung Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 56 Mündliche Fragen 91 und 92 Heidrun Bluhm (DIE LINKE) Einnahmen und Abruf der Mittel im Energie- und Klimafonds für die energetische Gebäudesanierung der KfW-Förderung für 2011; etwaiger Ausgleich aus dem Bundeshaushalt bei Nichterreichung der erwarteten Einnahmen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS 129. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 28. September 2011 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich grüße Sie sehr herzlich. Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der gestrigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Aktionsplan 2011 der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau Dr. Kristina Schröder. Bitte schön, Frau Bundesministerin. Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern hat das Bundeskabinett den besagten Aktionsplan beschlossen. Damit setzen wir die bisherigen Maßnahmen auf diesem Gebiet fort und intensivieren die Anstrengungen dort, wo es notwendig ist oder wo neue Herausforderungen auf uns zugekommen sind. Das Thema „Sexueller Missbrauch/sexuelle Gewalt“ hat ja uns alle im letzten Jahr sehr beschäftigt. Das Besondere an dem Aktionsplan 2011 ist somit, dass auch die Ergebnisse des Runden Tischs „Sexueller Kindesmissbrauch“ sowie die Ergebnisse der Arbeit der Beauftragten der Bundesregierung zum Umgang mit dem sexuellen Kindesmissbrauch, Frau Dr. Christine Bergmann, also der ehemaligen Familienministerin, in ihn eingeflossen sind. Gleichzeitig stützt sich dieser Aktionsplan aber auch auf einen mehrjährigen Prozess, der auf nationaler und internationaler Ebene stattgefunden hat. Der Aktionsplan umfasst sieben Handlungsfelder: Das erste und wahrscheinlich wichtigste Handlungsfeld ist das der Prävention. Hier geht es vor allen Dingen darum, Fachkräfte und Eltern dahin gehend zu befähigen, dass sie sexuellen Kindesmissbrauch erkennen können und dann auch angemessen reagieren können. In diesem Feld setzen wir deswegen vor allen Dingen auf eine Fortbildung von Fachkräften im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Wir planen groß angelegte Schulungsmaßnahmen, weil es gerade für diese Fachkräfte so besonders wichtig ist, dass sie die Kompetenzen erlangen, sexuellen Missbrauch zu erkennen und angemessen damit umzugehen. Auch das Kinderschutzgesetz, zu dem wir am Montag eine Anhörung hatten, ist natürlich ein ganz wesentlicher Baustein des Aktionsplans. Hier haben wir neue Standards für Einrichtungen in Deutschland verankert, in denen es eine besondere Nähe zwischen Kindern und Erwachsenen gibt. Insofern ist dieses Kinderschutzgesetz nach meiner festen Überzeugung auch ein Meilenstein auf dem Gebiet der Prävention. Der zweite Schwerpunkt – nämlich dann, wenn die Prävention nicht funktioniert hat – ist die Intervention. Hier geht es einerseits um Hilfe und Schutz für die Opfer, andererseits aber natürlich auch um eine konsequente Ermittlung und Bestrafung der Täter. Der dritte Schwerpunkt sind die digitalen Kommunikationsnetze. Diesen haben wir gegenüber dem letzten Aktionsplan 2003 weitgehend neu konzipiert. Zum Thema „Digitale Kommunikationsnetze“ kann man sagen: Wenn es um Kinder geht, ist eine angemessene Antwort auf die Herausforderungen in diesem Bereich, sichere Kommunikationsräume im Internet zu schaffen, in denen sich die Kinder bewegen können, ohne Gefahr zu laufen, auf Seiten zu geraten, die sie gefährden könnten. Bei Jugendlichen kann man mit solchen sicheren, abgezäunten Räumen sicherlich nicht mehr allzu viel erreichen. Hier geht es vor allem um die Stärkung der Medienkompetenz. Weil dieses Thema in den letzten Jahren so enorm an Bedeutung gewonnen hat, habe ich dies in meinem Ministerium nachgezeichnet: Bei uns wurde ein Referat „Jugend und Medien“ neu eingerichtet, das sich mit ebendiesen Punkten befasst, und zum Beispiel auch die Plattform „Dialog Internet“ gestartet. Der vierte und der fünfte Schwerpunkt sind die Bekämpfung des Handels mit Kindern einerseits und die Bekämpfung des Tourismus zur sexuellen Ausbeutung von Kindern andererseits. Hier geht es einmal um eine effizientere Strafverfolgung. Es geht aber auch um eine Zusammenarbeit mit der Tourismusbranche. Wir wollen Unternehmen dafür gewinnen, dass sie alles tun, um sexuelle Ausbeutung zu verhindern. Wir sind zum Beispiel sehr froh darüber, dass es uns gelungen ist, dass von führenden Verbänden und Unternehmen ein Verhaltenskodex zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung im Tourismus, ein Code of Conduct, unterzeichnet wurde. Der sechste Schwerpunkt sind Forschungsvorhaben; denn wir wissen auf diesem Gebiet zwar schon einiges, haben aber immer noch einige Wissenslücken. Der siebte und letzte Handlungsschwerpunkt ist schließlich die internationale Zusammenarbeit, um Kinderschutzstandards weltweit zu verankern. Das Ganze wird von einem Monitoringverfahren begleitet, damit immer wieder überprüft werden kann, ob die Ziele des Aktionsplans erreicht werden. Abschließend möchte ich sagen: Wenn es nicht den Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ und die Arbeit von Christine Bergmann gegeben hätte, dann sähe dieser Aktionsplan – das ist ganz klar – jetzt etwas anders aus. Insofern haben wir hier ein konkretes Ergebnis, eine konkrete Konsequenz aus den Missbrauchsskandalen, die im letzten Jahren aufgedeckt wurden und uns alle sehr bewegt haben. Mit dem Aktionsplan können wir darauf nunmehr eine konzertierte und gebündelte Antwort der Bundesregierung geben. Herzlichen Dank. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Bevor ich die erste Frage aufrufe, möchte ich das bei den vergangenen Regierungsbefragungen praktizierte Verfahren in Erinnerung rufen. Ich bitte Sie daher, sich bei Ihren Fragen und Antworten an die Ein-Minuten-Regelung zu halten. Nach Ablauf der Minute wird ein ganz sympathisches Signal ertönen, das daran erinnert, dass man zum Schluss kommen möge. (Sönke Rix [SPD]: Sympathisch? – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie ein neues Signal mitgebracht in dieser Woche?) – Herr Kollege, es ist noch das gleiche Signal. Hier hat in der Tat jeder eine andere Empfindung. Jetzt versuchen wir, hier die richtige Reihenfolge zu finden. Ich bitte um Nachsicht, wenn wir den einen oder anderen übersehen haben. Die erste Frage stellt nun Frau Kollegin Kerstin Griese. Kerstin Griese (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, ich habe eine Frage zur Konkretisierung des sicherlich notwendigen Aktionsplanes. Sie haben selber darauf hingewiesen, dass es ohne den Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ dazu gar nicht in dieser Form gekommen wäre. Wir wüssten nun gerne ein bisschen genauer, welche Empfehlungen Sie konkret im Aktionsplan umgesetzt haben. Auch Christine Bergmann hat ja immer wieder darauf hingewiesen – das war ein Ergebnis ihrer Arbeit –, dass es nicht reicht, den Bedarf festzustellen, sondern jetzt sehr konkrete Maßnahmen folgen müssen. Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Herzlichen Dank. Ich möchte Ihnen vielleicht zwei Punkte nennen: Der erste Punkt ist – das wurde unter anderem in der Unterarbeitsgruppe „Prävention“ des Runden Tisches, die ich geleitet habe, ganz deutlich –, dass es dringend verbindlicher Standards und ihrer Umsetzung bedarf, um eine Prävention sexuellen Missbrauchs zu erreichen. Wir brauchen Standards in allen Einrichtungen und Organisationen, in denen eine besondere Nähe zwischen Kindern und Erwachsenen besteht. Das beginnt im Sportverein – auch hier gibt es diese besondere Nähe – und endet bei Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder auch Internaten. Es gibt dort ganz unterschiedliche Grade an Verbindlichkeit; aber wir brauchen überall solche Standards. Diese Standards, die wir in der Unterarbeitsgruppe des Runden Tisches erstmals definiert haben, haben wir im Kinderschutzgesetz verankert, damit sie in all den betroffenen Einrichtungen beachtet werden. Der zweite Punkt, den ich Ihnen noch nennen möchte – auch wenn gerade das sympathische Signal erklungen ist –, betrifft die Ausstattung der Opferberatungsstellen. Es gibt ein besonderes Bedürfnis, diese zu verbessern. Aber dazu gibt es sicherlich noch Fragen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ganz sicher. – Nächste Fragestellerin, Frau Kollegin Michaela Noll. Michaela Noll (CDU/CSU): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin, zunächst einmal herzlichen Dank. Der Aktionsplan 2011 ist dringend notwendig. Ich war selber bei der Rio-Konferenz und weiß, dass nach wie vor Handlungsbedarf besteht. Ich habe eine kurze Frage zu den Therapieangeboten. Das Projekt „Kein Täter werden“ ist ein Therapieangebot an der Berliner Charité, das einen Präventionsansatz verfolgt und mit dem man meiner Meinung nach sehr gute Erfahrungen gemacht hat. Es geht darum, dass aus potenziellen Tätern keine richtigen Täter werden. Ist an eine Ausweitung des Angebots gedacht? Was plant man? Ist das ein Modell, das auch in anderen Regionen angewendet wird? Denn Berlin allein wird nicht die gesamte Gruppe der möglichen Täter ansprechen können. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dazu etwas sagen könnten. Ich habe noch eine Frage zum Thema „Opferrechte stärken“. Sie wissen, dass wir in der letzten Legislaturperiode das Mainzer Modell auf den Weg gebracht haben, das vorsieht, dass Videovernehmungen von Kindern zugelassen werden. Wird das auch auf internationaler Ebene verfolgt? Greift man vermehrt auf Videovernehmungen zurück, um Kinder vor Mehrfachvernehmungen zu schützen? Kinder sollten in Verfahren ja nicht erneut zu Opfern werden. Danke schön. Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Zunächst zu dem Projekt „Kein Täter werden“. Professor Beier, der maßgeblich hinter diesem Projekt an der Berliner Charité steht, es wissenschaftlich konzipiert und umsetzt, war auch am Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ beteiligt und hat dort von seinen Erfahrungen berichtet. Eine Konsequenz daraus ist, dass das Projekt „Kein Täter werden“ ausgeweitet wird. Es wird in Zukunft also nicht nur an der Berliner Charité durchgeführt werden, sondern beispielsweise auch in Regensburg und anderen Standorten. Die Bundesregierung – wobei ich das Lob vor allen Dingen an das Justizministerium weitergeben muss – wird nochmals 1,1 Millionen Euro in die Hand nehmen, um dieses wichtige Projekt auszuweiten. Zu Ihrer zweiten Frage: Wir sind uns in Deutschland inzwischen einig, dass Videovernehmungen in der Tat der richtige Weg sind, um die notwendigen Aussagen in Strafverfahren von Kindern so schonend wie möglich zu erhalten. Das ist ein wichtiger Punkt, den wir auf internationaler Ebene aus eigener Erfahrung einbringen können. Vizepräsident Eduard Oswald: Danke. – Nächste Fragestellerin, unsere Kollegin Frau Katja Dörner. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen herzlichen Dank für Ihre Ausführungen. – Sie haben in die Präambel zum Aktionsplan ausdrücklich aufgenommen, dass es Ihnen darum geht, Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen zu entwickeln. In welcher Form sind Kinder und Jugendliche bei der Erarbeitung des Aktionsplanes konkret eingebunden worden? Wie soll diese Einbindung auch bei der Umsetzung der geplanten Maßnahmen gewährleistet werden? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Wir haben an vielen Stellen auf die Partizipation von Kindern und Jugendlichen gesetzt. Als Beispiel nenne ich Ihnen die Konferenz in Rio. Dort haben wir vorab gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen Forderungen erarbeitet. In den Jahren danach – angefangen hat es 2008 – wurden im Ministerium Nachfolgekonferenzen veranstaltet, in die wir Kinder und Jugendliche einbezogen haben. Gerade beim Thema Internet wären wir ohne die Expertise der Jugendlichen nicht so weit, wie wir jetzt sind. Deswegen hat die Bundesregierung den „Dialog Internet“ ins Leben gerufen, in dem wir auch mit Jugendlichen, die selbst im Internet Akteure sind, einen Maßnahmenkatalog ausarbeiten, zum Beispiel, welche Maßnahmen man zum Schutz von Kindern ergreifen kann. Eine Idee, die dabei herausgekommen ist, betrifft die Frage, ob man es schaffen kann, virtuelle Kinderschutzzentren einzurichten. Man sieht: Dort, wo es geht, haben wir auf die Mitarbeit von Kindern und Jugendlichen gesetzt. Vizepräsident Eduard Oswald: Danke schön. – Nächste Fragestellerin, unsere Kollegin Frau Sibylle Laurischk. Sibylle Laurischk (FDP): Frau Ministerin, Sie haben in Ihrem Eingangsstatement gesagt, dass großer Wert auf die Prävention gelegt wird. Wenn es um Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder geht, ist aber auch die Intervention nicht zu vernachlässigen. Insofern interessiert mich, wie Sie die flankierenden Maßnahmen, mit denen Opfern geholfen werden soll, gestalten wollen. Es ist die Rede von einem noch nicht existierenden regionalen Hilfesystem mit verbindlichen Richtlinien. Sie planen auch die Bestandsaufnahme möglicher Versorgungslücken. Welcher zeitliche Rahmen ist dafür vorgesehen? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Die Ausstattung der regionalen Anlaufstellen, insbesondere der Opferberatungsstellen, war ein großes Thema der Unterarbeitsgruppe „Prävention“ beim Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“. Die Expertinnen und Experten haben uns gesagt: Schaut euch die Situation, vor allem die finanzielle Situation, erst einmal genau an. Deswegen haben wir eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse werden im Oktober, also im nächsten Monat, vorliegen. Ich kann Ihnen aber schon jetzt sagen, dass sich abzeichnet, dass bei den Opferberatungsstellen in der Regel eine Mischfinanzierung vorherrscht; denn fast keine Beratungsstelle kann allein aufgrund der Regelfinanzierung existieren. Das bindet natürlich Ressourcen. Deshalb sind alle aufgefordert, eine Antwort auf die Frage, wie man die Finanzierung solcher Opferberatungsstellen auf eine sicherere Grundlage stellen kann, zu suchen. Ein finanzielles Problem ergibt sich für die Opferberatungsstellen insbesondere daraus, dass sie die Beratungsarbeit an Schulen und in Vereinen in der Regel nicht abrechnen können. Deshalb haben wir im Kinderschutzgesetz für alle Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen stehen, einen Anspruch auf Beratung festgeschrieben. Von diesem Anspruch profitieren dann wiederum die Opferberatungsstellen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin, unsere Kollegin Frau Diana Golze. Diana Golze (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Vorsitzender. – Frau Ministerin, sowohl in den Diskussionen am Runden Tisch als auch in der Anhörung am Montag zum Kinderschutzgesetz ist die Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Gesundheit als zu gering eingeschätzt worden. Auch die unabhängige Beauftragte, die Sie erwähnt haben, hat in ihrem Abschlussbericht festgestellt, dass es diesbezüglich zahlreiche Lücken gibt. Ich finde in dem Aktionsplan auch keinen Hinweis, wie man diese Lücken schließen möchte. Ich frage deshalb konkret: Wie sieht die Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Gesundheit auf dem Gebiet des Kinderschutzes aus, insbesondere bezüglich der Therapieangebote im ländlichen Raum und der Krankenkassenleistungen für Opfer von sexueller Gewalt? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Es gibt eine sehr intensive Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Gesundheit. Wir sind uns darüber einig, dass der Kinderschutz nicht an ministeriellen Grenzen haltmacht, sondern wir in der Regel eine Problemlage vorfinden, die die Zuständigkeiten der unterschiedlichen Ministerien berührt. Es geht etwa um psychisch-soziale oder medizinische Probleme. Deswegen spielt das Angebot der Familienhebammen im Kinderschutzgesetz eine so große Rolle; denn gerade die Hebammen haben einen gemischten Zugang, weil sie bei ihrer Arbeit sowohl auf medizinische als auch auf psychisch-soziale Notwendigkeiten stoßen. Deswegen genießen sie ja auch eine so hohe Glaubwürdigkeit. Man kann sicherlich darüber streiten, inwiefern die normalen Hebammen – so nenne ich sie jetzt einmal – weitere Aufgaben übernehmen können. In diesem Zusammenhang haben viele Experten in der Anhörung am Montag, an der auch ich teilgenommen habe, allerdings gesagt, dass die rein medizinisch arbeitenden Hebammen zumindest eine Zusatzqualifikation benötigen, um auf all das eingehen zu können, was Familienhebammen leisten. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin, unsere Kollegin Frau Petra Crone. Petra Crone (SPD): Danke schön, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Einführung die Handlungsfelder aufgeführt. Ich möchte Sie fragen: Welchen konkreten gesetzlichen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Schutz vor sexuellem Missbrauch? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Was mein Ressort angeht, kann ich sagen, dass das Kinderschutzgesetz unsere entscheidende Antwort auf diese Herausforderung darstellt. Das Kinderschutzgesetz ist kein Gesetz, mit dem wir alles verhindern können; das ist klar. Es ist aber in einem langen Prozess unter Einbindung der Fachwelt und in intensiver Beratung entstanden. Die Experten in der Anhörung am Montag waren ja der einhelligen Meinung, dass das Kinderschutzgesetz durch viele, teilweise auch sehr fachliche Stellschrauben dazu beiträgt, sowohl die Vernachlässigung als auch den Missbrauch von Kindern etwas weniger wahrscheinlich zu machen, insbesondere dadurch, dass das Kinderschutzgesetz sehr stark auf Prävention setzt, dass es Standards für Einrichtungen verankert und dass nunmehr an einzelnen Stellen ein erweitertes Führungszeugnis verlangt wird. Mit all diesen Maßnahmen wird durch das Kinderschutzgesetz dazu beigetragen, eine adäquate Antwort auf diese Herausforderung zu geben. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin, unsere Kollegin Frau Ekin Deligöz. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Ministerin, im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch interessiert mich die Anlaufstelle der Ex-Kollegin Bergmann. Es hat sich herumgesprochen, dass Frau Bergmann zum Ende des Jahres aufhören wird. Wie wird sich diese Stelle weiterentwickeln? Haben Sie dafür Mittel im Haushalt eingestellt? Für welchen Zeitraum haben Sie Mittel eingestellt? Wo finden wir das wieder? Wie soll die Konzeption dieser Stelle in Zukunft aussehen? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Erst einmal muss man sagen, dass Frau Bergmann wirklich einen großartigen Job gemacht hat. Sie hat bis jetzt, also September 2011, insgesamt 20 000 Anrufe, Briefe und Eingaben zum Thema sexueller Missbrauch bekommen. Ihre Forderungen und ihre Handlungsempfehlungen, die sie am 24. Mai vorgelegt hat, sind ja auch auf sehr große Zustimmung gestoßen. In der Tat wird die Arbeit von Frau Bergmann im Oktober enden. Wir möchten aber, dass ihre Arbeit, die Arbeit dieser Stelle, fortgeführt wird, allerdings nicht mehr in Form einer Beauftragten der Bundesregierung, sondern in Form einer unabhängigen Anlaufstelle, die es weiterhin in meinem Haus geben wird. Damit besteht auch in Zukunft die Möglichkeit – ich kann zumindest für diese Legislaturperiode sprechen –, sich in Fällen sexuellen Missbrauchs ratsuchend an die Anlaufstelle zu wenden. Also: Die Stelle wird fortbestehen. Vizepräsident Eduard Oswald: Danke. – Nächste Fragestellerin, unsere Kollegin Frau Heidrun Dittrich. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Frau Ministerin, wie wird die Bundesregierung die im Aktionsplan benannten Rechte der Opfer sowie den Schutz von Kindern so verbessern können, dass Kinder unabhängig von den Eltern einen vorbehaltlosen Rechtsanspruch auf Beratung erhalten? Nach § 8 des SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe – sind Kinder und Jugendliche nämlich bei allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. Eine Beratung ohne Eltern gibt es allerdings nur dann, wenn eine Notlage dargestellt werden kann. Die Frage ist: Können die Kinder ihre Notlage selbst definieren? Wie stärken Sie die Rolle der Opfer, die sich unabhängig von den Eltern beraten lassen möchten? Hinsichtlich der Beratung stellt sich außerdem die Frage: Wie wollen Sie die Opferberatungsstellen, die es schon jetzt gibt, wie Wildwasser und Zartbitter, gesetzlich verankern, personell qualifizieren und stärken? Wie wollen Sie insgesamt eine personelle Verstärkung bei den Beratungskräften, auch im öffentlichen Dienst, im Jugendamt, erreichen? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Kollegin, zu Ihrer ersten Frage: Es ist verfassungsrechtlich umstritten, ob es möglich ist, Kindern und Jugendlichen unabhängig von den Eltern generell, also auch außerhalb von Notlagen, einen eigenen Beratungsanspruch zuzubilligen. In diesem Zusammenhang wird immer wieder das Argument vorgebracht, dass dies ein Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern und deswegen verfassungsrechtlich problematisch sei. Ich sage Ihnen aber auch, dass wir dies in unserem Haus ganz genau prüfen; denn man kann in der Tat darüber streiten, ob es nicht doch einen solchen Beratungsanspruch geben sollte. Es gibt ja auch vergleichbare Fälle. So können Jugendliche beispielsweise von sich aus sagen: Wir möchten, dass geprüft wird, ob wir aus unseren Familien herauskommen können. – Hier haben wir ja dieses Konstrukt. Insofern muss man wirklich einmal prüfen, ob dies verfassungsrechtlich nicht doch möglich ist. Die zweite Frage, die Sie angesprochen haben, betrifft die Opferberatungsstellen. Ich habe bereits erwähnt, dass dies nach wie vor ein großes Thema am Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ ist. (Signalton) – Es waren ja zwei Fragen. – Die Opferberatungsstellen werden erstens dadurch gestärkt, dass wir im Bundeskinderschutzgesetz nicht nur für Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe, sondern für alle, die in einem besonderen Arbeitsverhältnis mit Kindern stehen, beispielsweise Lehrer, einen Beratungsanspruch verankern. Zweitens wird es eine Fortbildungsinitiative geben, in deren Rahmen überwiegend Mitarbeiter der Opferberatungsstellen die Fortbildung durchführen. Insofern gibt es auch hier eine Unterstützung. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben den Gong nicht beachtet!) Drittens muss man sagen, dass dies sicherlich nicht allein Aufgabe des Bundes ist – auch das gehört zur Wahrheit –, sondern vorwiegend eine kommunale Aufgabe. Diese Verantwortung kann nicht einfach zu uns herübergeschoben werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller, unser Kollege Ilja Seifert. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Frau Ministerin, in welchem Maße berücksichtigt Ihr Aktionsplan die Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen? Ich weise darauf hin, dass es immer noch so ist, dass die Vergewaltigung einer behinderten Frau nicht als Straftat gilt, sondern nur als Vergehen. Das sage ich vor dem Hintergrund, dass es in Art. 7 der UN-Behindertenrechtskonvention um „Kinder mit Behinderungen“ und in Art. 16 um die „Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch“ geht. Gibt es also einen besonderen Schwerpunkt in Ihrem Aktionsplan, oder kommt dies gar nicht vor? Eine zweite Frage, die vielleicht ganz leicht zu beantworten ist: Gibt es eine verbindliche Vorgabe, dass alle Beratungsstellen, die jetzt aufgrund Ihres Aktionsplanes eingerichtet werden, barrierefrei zu sein haben? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Herr Kollege, zu Ihrer ersten Frage: In der Tat – das haben uns auch Studien gezeigt – besteht für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen eine besonders große Gefahr, Opfer sexuellen Missbrauchs zu werden. Schauen wir uns einmal die Zahlen an: 16 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die auf normale Schulen – ich nenne es jetzt einmal so – gehen, berichten, dass es einen Vorfall in diese Richtung gab. In Internaten beträgt die Zahl 28 Prozent, und bei Einrichtungen speziell für Behinderte beträgt die Zahl 30 Prozent. Insofern ist hier – das ist unmittelbar einleuchtend – eine besondere Gefahrenlage gegeben. Gerade deswegen richten wir im Bundeskinderschutzgesetz ganz besonders den Blick auf die Standards in den Einrichtungen – dieser Punkt ist sehr wichtig –, definieren hier Standards und schreiben vor, dass deren Einhaltung dann auch überprüft wird. Barrierefreiheit ist sicherlich ein wichtiger Punkt; aber diese Frage betrifft eher die Ausgestaltung der Einrichtungen durch die Kommunen. Ich schaue mir diesen Punkt dennoch gern einmal an. (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Nehmen Sie es in die Vorlage auf!) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Frau Aydan Özoðuz. Aydan Özoðuz (SPD): Vielen Dank, Herr Vorsitzender. – Sehr geehrte Frau Ministerin, ich habe wahrgenommen, dass Sie die Entwicklung eines Konzepts zur Medienbildung planen. Sie haben eben ja auch noch einmal auf Ihre Internetaktivitäten hingewiesen. Meine Frage dazu lautet: Inwiefern wird hier eine Verzahnung mit den Ergebnissen der Projektgruppe Medienkompetenz aus der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages vorgenommen? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Die Ergebnisse der Enquete-Kommission werden für uns ganz wichtige Maßgaben dafür sein, wie wir als Bundesregierung mit diesem Thema weiter umgehen. Ich weiß, dass die Enquete-Kommission auf sehr innovative Möglichkeiten zurückgegriffen hat, um Know-how abzuschöpfen und Hinweise zu bekommen. Wir werden uns deshalb die Ergebnisse sehr genau anschauen. Generell führt die Bundesregierung ganz unterschiedliche Maßnahmen auf diesem Feld durch. Bei Kindern geht es uns vor allen Dingen darum, dass sie sichere Webseiten besuchen. Ich möchte gerne auf die von der Bundesregierung geförderte Suchmaschine „Blinde Kuh“ hinweisen; diese kann ich Ihnen allen ans Herz legen. Durch diese Suchmaschine finden Sie nur Seiten, die für Kinder und Jugendliche geeignet und pädagogisch wertvoll sind. Bei Jugendlichen dagegen setzen wir vor allen Dingen auf die Stärkung ihrer Kompetenz, gute Seiten zu erkennen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin, unsere Kollegin Frau Michaela Noll. Michaela Noll (CDU/CSU): Herr Präsident! Frau Ministerin, ich habe eine kurze Nachfrage. Ich habe eben bereits darauf hingewiesen, dass einige meiner Kollegen im Jahre 2008 am großen Weltkongress in Rio de Janeiro teilgenommen haben. Dort wurde ziemlich deutlich: Deutschland hatte schon damals Vorbildcharakter. Wir wurden von den Vertretern anderer Länder oft gebeten, Informationen bereitzustellen. Da wir wissen, Missbrauch endet nicht an deutschen Grenzen, frage ich Sie: Inwieweit ist geplant, grenzüberschreitende Kontakte zu pflegen? Ist angedacht, Folgekonferenzen durchzuführen? Wie findet der Austausch statt? Ich fände es sehr gut, wenn Deutschland weiterhin darauf hinwirken würde, dass die richtigen Weichen gestellt werden. Im Rahmen der Folgekonferenzen haben wir das schon getan. Welche Maßnahmen sind angedacht, damit Missbrauch grenzüberschreitend noch besser verfolgt werden kann? – Danke schön. Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Kollegin, wir sind vor allen Dingen über den Europarat international tätig. Wir unterstützen beispielsweise die Kampagne des Europarates zur Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Kinder. Wir haben uns auch entsprechend im Rahmen der Verhandlungen der Europäischen Richtlinien eingesetzt. Insofern: Wir wissen um die besondere Rolle Deutschlands und versuchen, diese auszufüllen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Frau Katja Dörner. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Frau Ministerin, mir ist in Ihren Ausführungen noch nicht deutlich geworden, welche konkreten Maßnahmen im Aktionsplan tatsächlich neu sind. Ich möchte Sie auch fragen, wie die konkreten neuen Maßnahmen im Haushaltsplan für 2012 finanziell unterlegt sind. Ich frage das vor dem Hintergrund, dass im Haushaltsplan für 2012 sowohl für den Plan zum Jugendschutz, der uns noch nicht vorgelegt worden ist, als auch für den Aktionsplan, über den wir heute diskutieren, gerade einmal 750 000 Euro zur Verfügung gestellt worden sind. Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Zunächst einmal: Es ist ein Missverständnis, von einem Aktionsplan zu verlangen, dass jede einzelne Maßnahme neu ist. Vielmehr knüpft dieser Aktionsplan an den Aktionsplan 2003 an. Das, was sich bewährt hat, wird fortgesetzt, und dort, wo es noch Lücken gibt, beispielsweise weil weiterer Forschungsbedarf besteht, wird Neues initiiert. Das wichtigste neue Gesetzgebungsvorhaben im Rahmen des Aktionsplans ist das Kinderschutzgesetz. Wenn Sie sich die finanzielle Unterlegung des Kinderschutzgesetzes anschauen, dann werden Sie feststellen, dass wir allein für den Einsatz von Familienhebammen in den nächsten Jahren 120 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Man kann also wirklich nicht behaupten, die Bundesregierung sei nicht bereit, hierfür neue Mittel in die Hand zu nehmen, und das trotz all der finanziellen Probleme, die wir haben. Aufgrund unserer Verantwortung kann keine staatliche Ebene sagen: Das interessiert uns nicht. – Der Bund muss vorlegen. Ich wünsche mir allerdings, dass auch Länder und Kommunen entsprechende Anstrengungen unternehmen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller ist unser Kollege Herr Sönke Rix. Sönke Rix (SPD): Mich interessiert nicht nur die Frage, welche neuen Maßnahmen im Aktionsplan enthalten sind, sondern auch, welche anderen Ressorts beteiligt sind. Darüber hinaus frage ich Sie: Frau Ministerin, welche konkreten Maßnahmen und vor allen Dingen welche verbindlichen Maßnahmen planen Sie im Bereich der Tourismuswirtschaft? Wird es verbindliche Zielvereinbarungen mit der Tourismuswirtschaft geben? Schließlich haben Sie insbesondere darauf hingewiesen, wie es in Deutschland im internationalen Vergleich um den Kinderschutz bestellt ist. Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Mit der Tourismuswirtschaft sind wir bereits zu verbindlichen Zielvorgaben gekommen. Wir haben gemeinsam – darüber sind wir sehr froh – den Code of Conduct weiter vorangetrieben und arbeiten auf diesem Gebiet – das sage ich, weil Sie nach der Beteiligung anderer Ressorts gefragt haben – mit dem Bundeswirtschaftsministerium sehr eng zusammen. Ein weiterer Punkt, der uns mit Blick auf den Tourismus wichtig ist, ist die Schulung derjenigen, die in diesem Bereich arbeiten. Sie müssen für das Thema „Sexueller Missbrauch von Kindern“ sensibilisiert werden. Wir halten die Schulung und die Sensibilisierung der Mitarbeiter in dieser Branche für einen weiteren ganz wesentlichen Punkt. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Miriam Gruß. Miriam Gruß (FDP): Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Ministerin, ich habe zwei Fragen. Erste Frage. Sexueller Missbrauch findet ja vielfach in den Familien statt. Wir haben uns sehr um die potenziellen Täter und um die Opfer – die Kinder und die Jugendlichen – gekümmert. In dem gesamten familiären Umfeld gibt es aber natürlich auch Mitwisser oder zumindest Mitspürer, das heißt Menschen, die merken, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Inwiefern trägt der Aktionsplan diesen Menschen Rechnung, möglicherweise durch eine Anlaufstelle in den Beratungsstellen? Zweite Frage. Wir haben vorhin schon von den Rechten der Kinder gegenüber den Erziehungsberechtigten gesprochen, womit nicht ein Gegeneinander, sondern eine eigene Rechtsstellung der Kinder gemeint ist. Sie haben ausgeführt, dass das Ministerium die rechtliche Stellung von Kindern prüft. Ist darin auch explizit die Prüfung einer Stärkung oder ausdrücklichen Nennung von Kinderrechten im Grundgesetz eingeschlossen? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Kollegin, zu Ihrer ersten Frage, welche Beratungsmöglichkeiten es für das Umfeld gibt. Das ist in der Tat ein ganz entscheidender Punkt; denn wir wissen: Bei sexuellem Kindesmissbrauch in Familien befinden sich die Täter in der Regel im näheren sozialen Umfeld. Täter sind nicht in erster Linie die leiblichen Eltern, sondern eher Personen aus dem sozialen Nahfeld, zum Beispiel die Bekannten der Eltern und unter Umständen auch die neuen Partner der leiblichen Elternteile. Besonders in diesen Fällen stellt sich die Frage, wie man sich verhält. Man kann sich vorstellen, wie virulent das ist. Die Bundesregierung wird die Arbeit der zentralen Anlaufstelle von Frau Bergmann auch deswegen fortsetzen, damit die Betroffenen genau in diesen Fällen einen Ansprechpartner haben; denn eines wurde sehr deutlich: Dort haben viele angerufen, die gar nicht selbst betroffen sind, sondern einfach nur wissen wollten, wie sie sich adäquat verhalten. Deswegen ist auch die Arbeit der Opferberatungsstellen vor Ort so wichtig; denn auch sie sind wesentliche Ansprechpartner. Zu Ihrer zweiten Frage. Sie wissen, dass es auch in der Koalition durchaus unterschiedliche Positionen hinsichtlich der Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz gibt. Ich glaube, prüfen müssen wir hier nicht mehr viel. Es ist uns schon relativ klar, was damit verbunden und vielleicht auch nicht verbunden ist. Das ist jetzt Gegenstand der politischen Meinungsbildung. Ich habe hier meine Vorbehalte, weil ich glaube, dass wir die Kinderrechte damit sogar eher entwerten würden; denn schon jetzt steht im Grundgesetz nach meiner Überzeugung dazu alles, was notwendig ist. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Diana Golze. Diana Golze (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, ich muss schon noch einmal nachfragen. Ich hatte Sie gefragt, wie sich die Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Gesundheit hinsichtlich der Therapieangebote gestaltet. Ich habe damit nicht die Familienhebammen gemeint. Auch hier wird die mangelnde Zusammenarbeit kritisiert; aber mir ging es um den Abschlussbericht der Unabhängigen Beauftragten, in dem von wirklich massiven Versorgungslücken gerade im ländlichen Raum die Rede ist und in dem auch gefordert wird, zu klären, welche Leistungen zukünftig noch in den Katalog der Krankenkassenleistungen für die Opfer von sexueller Gewalt aufgenommen werden. Dazu hatte ich meine Frage gestellt. Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: In der Tat hat die Beauftragte der Bundesregierung, Dr. Christine Bergmann, bei den Therapieangeboten Lücken identifiziert. Sie hat ihren Bericht im Mai 2011 vorgelegt. Dieser Bericht ging an den Runden Tisch zum Thema „Sexueller Kindesmissbrauch“, der seine Arbeit noch nicht abgeschlossen hat. Dort werden Empfehlungen dafür erarbeitet, wie diese Forderungen von Frau Bergmann umgesetzt werden können. Hinsichtlich der Therapieangebote ist natürlich auch das Bundesgesundheitsministerium gefragt. Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt jetzt noch drei Fragesteller zu diesem Themenbereich. Ich gehe davon aus, dass ich sie auch noch aufrufen werde, um das Ganze abzurunden. Danach gibt es noch eine Frage zur gestrigen Kabinettssitzung, bevor wir dann zur Fragestunde kommen. – Die nächste Frage stellt jetzt unsere Kollegin Frau Heidrun Dittrich. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Vielen Dank. – Erstens. Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, dass gerade bei sexueller Gewalt – im Volksmund auch „sexueller Missbrauch“ genannt – die Aufklärungsrate sehr gering ist? Das heißt, gerichtlich eindeutig nachweisbar ist die sexuelle Gewalt an Kindern nur in den wenigsten Fällen, weil die medizinische Untersuchung nur sehr selten zu einer eindeutigen Beweislage führt. Ist Ihnen das bekannt? Zweitens. Ist Ihnen bekannt, dass die Jugendämter sowie die freien und öffentlichen Träger der Jugendhilfe nur eine Möglichkeit haben, nämlich eine Person des Vertrauens in die Familie und an die Seite des Kindes zu geben? Wie wird mit Blick darauf die Personalaufstockung betrieben? Sie können sich nicht damit herausreden, dass die Kommunen kein Geld haben, auch wenn das tatsächlich so ist, sondern Sie müssen sich als Regierungsmitglied fragen lassen: Wie kommt es, dass die Kommunen für diese wichtigen Aufgaben, die schon lange im Gesetz festgeschrieben sind, kein Geld haben? Wie kann es sein, dass Sie da nicht gegensteuern? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Kollegin, zu Ihrer ersten Frage: Selbstverständlich ist mir bekannt, dass, wie bei allen Straftaten, auch hier ein Dunkelfeld existiert. Dass die Beweisführung hier besonders schwierig ist, ist vollkommen klar, vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass viele Menschen erst im Erwachsenenalter darüber sprechen können und wollen, was ihnen als Kind oder als Jugendlicher widerfahren ist. Daraus hat beispielsweise die Bundesjustizministerin die Konsequenz gezogen, eine Verlängerung der Verjährungsfristen durchzusetzen. Das ist eine adäquate Antwort auf diese besondere Herausforderung. Zu Ihrer zweiten Frage, die sich darauf bezog, dass die Jugendämter kein Geld haben, um hier ihre wichtigen Aufgaben zu erfüllen, kann ich Ihnen nur sagen: Ich mache da andere Beobachtungen in den Jugendämtern. Es stimmt, dass die Jugendämter teilweise mit sehr knappen personellen Ressourcen arbeiten müssen. Ich merke aber doch, dass alle Jugendämter bei Hinweisen auf sexuellen Kindesmissbrauch bereit und auch in der Lage sind, so schnell wie möglich jemanden dort hinzuschicken. Gerade deswegen wurde argumentiert, dass dies ohnehin gute Praxis der Jugendämter sei und im Bundeskinderschutzgesetz nicht eigens festgeschrieben werden müsse. Den letzten Punkt habe ich anders gesehen; aber das war die Argumentation aller Jugendämter. Vizepräsident Eduard Oswald: Die nächste Frage stellt unser Kollege Dr. Ilja Seifert. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Frau Ministerin, vorhin reichte Ihre Antwortzeit leider nur dazu, uns mitzuteilen, dass Sie wissen, dass es im Bereich von Menschen mit Behinderungen besonderen Handlungsbedarf gibt. Ich möchte Ihnen jetzt gerne Gelegenheit geben, uns noch zu sagen, ob Sie in Ihrem Aktionsplan vorgesehen haben, es wenigstens zu einem Straftatbestand zu machen, wenn Kinder oder Jugendliche mit Behinderung vergewaltigt werden. Zweitens. Gibt es in Ihrem Aktionsplan überhaupt einen Punkt dazu, dass an dieser Stelle besondere Aufmerksamkeit erforderlich ist? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Selbstverständlich ist die Vergewaltigung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen genauso strafbar wie die Vergewaltigung von Kindern und Jugendlichen ohne Behinderung. Dennoch habe ich Ihnen auch erläutert, dass wir uns in besonderem Maße auf die Standards in den Einrichtungen fokussieren. Weiterhin ist zu erwähnen, dass auch die Behindertenverbände am Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ in besonderem Maße beteiligt waren. Auch sie haben auf die Notwendigkeit solcher verbindlichen qualitativen Standards hingewiesen. Vizepräsident Eduard Oswald: Die nächste und letzte Frage zu diesem Themenkomplex stellt unsere Kollegin Frau Gabriele Fograscher. Gabriele Fograscher (SPD): Frau Ministerin, Sie haben vorhin als Beispiel für einen Standard das Vorliegen des polizeilichen Führungszeugnisses genannt. Für welchen Personenkreis soll dies gelten? Haben Sie daran gedacht, dass auch in Vereinen ehrenamtlich Tätige ein solches Führungszeugnis vorlegen müssen? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Wir werden in Zukunft für alle hauptamtlichen Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis verbindlich verlangen. Natürlich war es ein heißes Thema am Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“, inwiefern man das auch für Ehrenamtliche verlangen sollte. Es war dann aber doch – so kann man, glaube ich, sagen – die sehr überwiegende Meinung, dass dies über das Ziel hinausschießen und ehrenamtliches Engagement kaputtmachen würde. Dennoch wollen wir im Kinderschutzgesetz den Trägern der Kinder- und Jugendhilfe ermöglichen, in bestimmten Situationen zu sagen: In diesem Fall verlangen wir es aber doch. – Wenn beispielsweise ein dreiwöchiges Zeltlager begleitet werden soll, kann man sich vorstellen, dass es sinnvoll ist, ein solches erweitertes Führungszeugnis zu verlangen. Dazu geben wir den Kommunen die Möglichkeit. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Bundesministerin Dr. Kristina Schröder. Damit ist dieser Themenbereich beendet. Mir liegt jetzt eine angemeldete Frage aus der Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen des Kollegen Dr. Gerhard Schick vor. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe eine Frage zur gestrigen Kabinettssitzung zum Thema EFSF. Bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds sind verschiedene Varianten einer effizienteren Nutzung der EFSF diskutiert worden. Der Fachterminus dafür ist Leverage. Es ist daraufhin in Deutschland von verschiedenen Mitgliedern der Regierungsparteien gesagt worden, das wolle man nicht. Über die gestrige Kabinettssitzung ist öffentlich bekannt geworden, es gebe ein Einvernehmen darüber, dass das Volumen der EFSF nicht aufgestockt werden solle. Ich möchte präzise nachfragen: Besteht im Kabinett Einvernehmen, dass die am Rande der Jahrestagung des IWF diskutierten Formen der effizienteren Nutzung der Garantien, also des Leverage, nicht eingesetzt werden sollen? Verhandelt die Bundesregierung darüber mit den Partnerstaaten, oder bereitet sie Verhandlungen vor, oder tut sie das nicht? Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Herr Kollege Schick, Sie haben den Sachverhalt zutreffend wiedergegeben. Ich kann das, was Sie gesagt haben, bestätigen. Solche Verhandlungen finden nicht statt. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege Dr. Schick, haben Sie eine Nachfrage? Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bedanke mich für die Beantwortung meiner zweiten Frage. Ihre Antwort auf die Frage zu den Verhandlungen ist klar. Meine erste Frage beinhaltete aber ein „oder“. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Nein, die zweite Frage war eine Oder-Frage. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schließt die Bundesregierung eine Nutzung der dort diskutierten Instrumente, die ein Leveraging bezüglich der Garantien im Rahmen der ESFS vorsehen, aus? Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Ja. Aber der Kollege Kampeter kann dazu vielleicht noch mehr sagen. Der erste Teil Ihrer Frage war aber nicht insofern eine Oder-Frage, Herr Kollege, als man die eine Frage mit Nein und die andere mit Ja hätte beantworten müssen. Deswegen war die Sachverhaltsdarstellung zutreffend. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Schick, Sie fragen die Bundesregierung nach Spekulationen. Dazu kann ich mich naturgemäß nicht äußern, weil jeden Tag neue Spekulationen in der Presse verbreitet werden. Wir sind aufgerufen, verlässliche Informationen zu geben. Verlässlich kann ich Ihnen sagen, dass die Bundesregierung ganz klar daran festhält: Die Haftung im Fonds ist auf 211 Milliarden Euro begrenzt, wozu wir dem Deutschen Bundestag morgen eine Beschlussempfehlung vorlegen werden. Jedes weitere Wort dazu verbietet sich, weil das spekulativ ist. Ich sage in aller Klarheit: Sollte sich an dieser Lage irgendetwas verändern, wäre nach der Beschlussfassung von morgen eine neuerliche Befassung des Parlamentes nötig. Die klare Botschaft ist: Die Obergrenze liegt bei 211 Milliarden Euro. Daran wird jetzt nicht gerüttelt. Vizepräsident Eduard Oswald: Nun hat der Kollege Herr Dr. Konstantin von Notz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen noch eine Nachfrage. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Haftungsobergrenze ist nicht das Gleiche wie der Leverage. Der Kollege Schick hat nach dem Leverage gefragt. Deswegen bitte ich noch einmal um eine präzise Beantwortung der Frage. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, in der Beschlussempfehlung, die morgen dem Deutschen Bundestag vorgelegt wird, wird zum einen die Höhe des ausgebrachten Volumens für Garantien auf rund 211 Milliarden Euro beziffert. Wir alle hoffen, dass wir sie nicht verwenden werden müssen; aber sie sind ein guter Schutz für die deutsche Volkswirtschaft und die deutschen Arbeitsplätze. Zum anderen werden die Instrumente benannt, mit denen die EFSF ertüchtigt wird. Das sind erstens die vorsorglichen Kreditlinien, die dazu dienen, Illiquiditäten in einzelnen Volkswirtschaften zu vermeiden. Zweitens sind es die Möglichkeiten zur Rekapitalisierung des Bankensystems und damit zum Schutz der Stabilität des deutschen Finanzwesens. Drittens ist es die Aufrechterhaltung von Liquiditätsmaßnahmen auf den sogenannten Sekundärmärkten. Alle weiteren instrumentellen Veränderungen verweise ich weiterhin in den Bereich der Spekulation. Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sehe keine weiteren Fragen, sodass ich die Befragung der Bundesregierung beende. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde – Drucksachen 17/7083, 17/7169 – Auch hier erinnere ich an die nun schon mehrfach praktizierte Ein-Minuten-Regelung für Fragen und Antworten. Diese werde ich wieder durch ein entsprechendes Tonsignal unterstützen. Bei der ersten Antwort werde ich das Signal jedoch jeweils nicht auslösen. Ich bitte Sie dennoch, sich zu bemühen, auch bei der ersten Antwort die Minute nicht zu überziehen. Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10 Satz 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen auf Drucksache 17/7169 auf. Wir kommen zur dringlichen Frage 1 unserer Kollegin Frau Dr. Marlies Volkmer: Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um der laut Handelsblatt vom 26. September 2011 – „Bahrs Verschlusssache birgt Sprengstoff für die Krankenkassen“ – vielen Krankenkassen drohenden Insolvenz zu begegnen? Zur Beantwortung der Frage steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Kollegin Annette Widmann-Mauz zur Verfügung. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Präsident! Frau Kollegin Volkmer, Pressemeldungen, wonach die Hälfte aller gesetzlichen Kassen kurz vor der Pleite stünde, entbehren jeder tatsächlichen Grundlage. Dieser Behauptung widersprechen auch die Verfasser des Gutachtens zu den Auswirkungen des Risikostrukturausgleichs. Vielmehr hat sich die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung in den letzten Jahren deutlich verbessert. Besondere Maßnahmen zur Verhinderung von Insolvenzen bei einer großen Zahl von Krankenkassen sind daher nicht erforderlich. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Frau Staatssekretärin, Tatsache ist, dass die Bundesregierung der spektakulären Pleite der City BKK zu lange tatenlos zugesehen hat, mit all den entwürdigenden Begleiterscheinungen insbesondere für ältere Menschen, die sich plötzlich eine neue Krankenversicherung suchen mussten. Weitere Kassenschließungen sind nicht auszuschließen. Meine Frage ist: Hat die Bundesregierung Informationen über die Höhe der Unterdeckung, die die City BKK damals hatte, und hat sie Erkenntnisse über eine aktuelle Unterdeckung anderer Krankenkassen? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Volkmer, uns liegen keine aktuellen Daten über die Deckungsquoten der Krankenkassen vor. Da das Schließungsverfahren der City BKK, wie Sie wissen, noch nicht vollständig abgeschlossen ist, wird die Bundesregierung sicherlich erst den Abschlussbericht hierzu abwarten. Im Übrigen fällt die Beurteilung der Liquidität und der Deckungsquoten der einzelnen Kassen in die Zuständigkeit der jeweiligen Aufsichtsbehörde. Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Kollegin Dr. Volkmer, Sie haben eine zweite Nachfrage. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Frau Staatssekretärin, die Bundesregierung hat auf eine Anfrage von mir in diesem Monat schriftlich geantwortet, dass sie derzeit keinen Bedarf an Änderungen des bestehenden Risikostrukturausgleichs sieht. Ich frage Sie: Schließen Sie aus, dass aufgrund dieser Einschätzung und Ihres Nichthandelns Krankenkassen in finanzielle Schieflagen geraten und Kasseninsolvenzen drohen könnten? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Volkmer, zunächst einmal möchte ich Ihnen kurz über die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenkassen Auskunft geben; denn Sie werden dann sicherlich meine entsprechenden Einschätzungen bestätigen bzw. Ihre Befürchtung revidieren. Ende des Jahres 2008 verfügten die Krankenkassen in ihrer Gesamtheit über Finanzreserven in Höhe von 4,9 Milliarden Euro. Für das Jahr 2011 spricht das Halbjahresergebnis der gesetzlichen Krankenversicherung mit einem Kassenüberschuss von 2,4 Milliarden Euro dafür, dass am Ende des Jahres 2011 – auch wenn im zweiten Halbjahr die Überschüsse sicherlich nicht mehr in demselben Umfang ausfallen werden – die Finanzreserven der GKV den Wert von rund 7 Milliarden Euro bei weitem übersteigen werden. Auch wenn die Finanzreserven der einzelnen Krankenkassen sehr unterschiedlich sind, verfügt der mit Abstand größte Teil der Krankenkassen unter Berücksichtigung der Halbjahresergebnisse 2011 mittlerweile über die erforderliche Mindestreserve von 25 Prozent einer Monatsausgabe. Deshalb schließen wir uns der Meinung der Wissenschaftler an, dass derzeit Veränderungen nicht notwendig sind. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich rufe die zweite dringliche Frage der Kollegin Dr. Marlies Volkmer auf: Wie steht die Bundesregierung zu den Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirates zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs, die dieser in seinem jetzt veröffentlichten Gutachten macht, insbesondere zu den Fragen der Begrenzung der Krankheiten im Risikostrukturausgleich und des Methodenfehlers bei den Versicherten, die im laufenden Jahr die gesetzliche Krankenversicherung verlassen? Bitte schön, Frau Widmann-Mauz. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Volkmer, in seinem Bericht kommt der Wissenschaftliche Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs zu dem Ergebnis, dass keine wesentlichen Änderungen am derzeitigen Risikostrukturausgleich vorzunehmen sind. Der derzeitige Risikostrukturausgleich wirke zielgerichteter als der bis in das Jahr 2008 geltende Risikostrukturausgleich. Vor diesem Hintergrund besteht derzeit kein unmittelbarer Bedarf an grundlegenden Änderungen. Hier soll zunächst die Erfahrungsgrundlage mit weiteren Jahresergebnissen aus dem neuen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich verbreitert werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Ich möchte fragen: Wie beurteilt die Regierung die Erkenntnis des Gutachtens, dass Krankenkassen für gesunde Versicherte zu hohe Zuweisungen erhalten, während Geld für die Behandlung von krebskranken und multimorbiden Patienten, also von Patienten mit vielen Krankheiten, fehlt? Wie gehen Sie mit dieser Erkenntnis um? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Die Bundesregierung schließt sich der Bewertung des Beirates bzw. der Wissenschaftler an, nach der die jetzige Auswahl an Krankheiten zu einer guten Zielgenauigkeit des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs führt, und zwar zu einer deutlich besseren, wie ich in meiner Antwort auf die letzte Frage ausgeführt habe, als der Risikostrukturausgleich, der bis in das Jahr 2008 Gültigkeit hatte. (Elke Ferner [SPD]: Ach, guck mal an!) Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Dr. Volkmer. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Es ist schön, dass Sie das bestätigen, was die SPD schon immer gesagt hat, nämlich dass ein morbiditätsbezogener Risikostrukturausgleich zu einer sachgerechteren Zuweisung führt. Dennoch kommt der Beirat zu dem Schluss, dass es in diesem Bereich eine Unterdeckung gibt, wie ich sie bereits beschrieben habe. Mich interessiert, welche Experten Ihnen bekannt sind, die die aktuelle Methodik der Ermittlung der Zuweisungen für die Krankenkassen aus dem RSA für zielgenau halten und keinen Verbesserungsbedarf sehen. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Zunächst einmal darf ich darauf hinweisen, dass der Wissenschaftliche Beirat in seinem Gutachten sowohl eine Verringerung als auch eine Ausweitung der Zahl der Krankheiten evaluiert hat. Auch hier hat er keine Veränderungen empfohlen, weder eine Reduzierung der Zahl der zu berücksichtigenden Krankheiten noch eine Komplettierung der Zahl der zu berücksichtigenden Erkrankungen. Da es sich um namhafte Professoren wie Professor Wasem und Professor Wille handelt, die schon die Vorgängerregierungen hilfreich beraten haben, haben wir keinerlei Zweifel an den Aussagen, die vom Wissenschaftlichen Beirat getroffen wurden. Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass der geltende morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich auf die Beschlusslage der Großen Koalition, also nicht nur der SPD, sondern auch der Unionsfraktion, in der letzten Legislaturperiode zurückgeht. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Hierzu gibt es eine Nachfrage der Frau Kollegin Maria Klein-Schmeink. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich zitiere Seite 5 der Zusammenfassung des Gutachtens: Die Erweiterung – des Krankheitsspektrums – würde zu einer Verbesserung der Zielgenauigkeit des Morbi-RSA auf der Ebene von Individuen und Gruppen von Versicherten führen und systematische Überdeckungen bei Krankenkassen mit geringer und Unterdeckungen bei Krankenkassen mit hoher Morbidität tendenziell abbauen. Wie verträgt sich diese schriftlich niedergelegte Aussage des Gutachtens mit Ihren Einschätzungen? Planen Sie, auf die Empfehlungen des Gutachtens korrigierend einzugehen? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Klein-Schmeink, bei meiner letzten Antwort habe ich ausgeführt, dass der Beirat nicht nur die Frage nach der Erweiterung, sondern auch nach der Reduktion der Anzahl der zu berücksichtigenden Krankheiten untersucht hat. Er gibt keine Empfehlung ab, welche Maßnahme zielgenauer und damit unmittelbar umzusetzen sei. Wir halten es für richtig, den neuen geltenden morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich erst nach einigen Jahren auszuwerten, bevor Handlungen abgeleitet werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Es gibt eine weitere Frage unserer Kollegin Frau Elke Ferner. Elke Ferner (SPD): Frau Widmann-Mauz, Sie haben eben gesagt, dass die Ausweitung der Zahl der Krankheiten von der Großen Koalition beschlossen worden ist, also nicht nur von der SPD, sondern auch von der Union. Trifft es zu, dass die Union damals überhaupt keine Krankheiten im Rahmen des Risikostrukturausgleichs berücksichtigen wollte, während wir keine Begrenzung nach oben haben wollten? Trifft es ferner zu, dass die Aussage, die Sie gerade gemacht haben, nämlich dass die Sachverständigen keine Empfehlung gegeben haben, die Anzahl der Krankheiten auszuweiten, im Widerspruch zu dem steht, was die Kollegin aus der Kurzzusammenfassung des Gutachtens vorgetragen hat? Herr Präsident, ich möchte für das Protokoll anmerken, dass zumindest wir – ich hoffe aber, auch das Präsidium – der Frage nachgehen, ob ein Mitglied der Bundesregierung dem Parlament ordnungsgemäß und richtig Auskunft gegeben hat oder nicht. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin, ich will noch einmal ausdrücklich erwähnen, dass der Wissenschaftliche Beirat keinen akuten Handlungsbedarf sieht. Er hat verschiedene Szenarien bewertet und durchgerechnet. Wir schließen uns der Meinung, dass kein akuter Handlungsbedarf besteht, an. Dies schließt nicht aus, dass wir in einigen Jahren nach der Auswertung des neuen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs aufgrund einer größeren Erfahrung zu neuen Erkenntnissen kommen. Der neue morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich beruht auf Daten, die innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums erhoben worden sind. Deshalb werden wir diesen Bereich weiterhin aufmerksam beobachten und die Diskussion mit dem Parlament weiter führen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich rufe die dringliche Frage 3 des Kollegen Harald Weinberg auf: Warum sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf, obwohl das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs gravierende Mängel darlegt, die unter anderem auf einer zu geringen Anzahl der zugrunde gelegten Krankheiten und der mangelnden, aber international empfohlenen Einbeziehung verstorbener Versicherter beruhen und damit zu Überdeckungen für junge und gesunde Versicherte sowie bestimmte Regionen führen, und liegen der Bundesregierung Daten darüber vor, wie hoch die Unterdeckung der City BKK im Jahre 2009 war? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Sehr geehrter Herr Kollege Weinberg, in seinem Bericht zum Risikostrukturausgleich hat der Beirat empfohlen, keine wesentlichen Änderungen am derzeitigen Risikostrukturausgleich vorzunehmen. Der derzeitige Risikostrukturausgleich wirke zielgerichteter als der bis 2008 geltende Risikostrukturausgleich. Vor diesem Hintergrund sieht die Bundesregierung keinen unmittelbaren Bedarf an grundlegenden Änderungen; vielmehr soll zunächst die Erfahrungsgrundlage mit weiteren Jahresergebnissen aus dem neuen Morbi-RSA verbreitert werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege Weinberg. Harald Weinberg (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Es hat einige Zeit gedauert, bis das Gutachten – die erste Fassung lag bereits im Mai dieses Jahres vor – dann auch veröffentlicht worden ist. Meine Frage: Ist das Gutachten zumindest dem BVA zeitnah nach Erstellung übermittelt worden? Konnte es damit auch zur Aktualisierung des Morbi-RSA verwendet werden? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege Weinberg, weil ich die Einzelheiten des Postversandes und die dazugehörigen Eingangs- und Ausgangsstempel im Moment nicht im Kopf habe, bitte ich darum, diese Frage schriftlich beantworten zu dürfen. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Kollege Weinberg. Harald Weinberg (DIE LINKE): Auch wenn Sie jetzt dargestellt haben, dass das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates mehrere Szenarien beinhaltet, kommt man in diesem Gutachten zu Ergebnissen, die wesentlich anders sind als das, was in Ihrem Koalitionsvertrag enthalten ist. Dort wird nämlich im Prinzip eine Reduzierung der Anzahl der im Morbi-RSA zu berücksichtigenden Krankheiten angestrebt. Gehe ich recht in der Annahme, dass wir zumindest auf der Basis dieses Gutachtens nicht zu erwarten haben, dass es zu einer weiteren Reduzierung kommt? Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Das Ziel der Bundesregierung ist es, einen Risikostrukturausgleich zu etablieren, der zielgerichtet und so unbürokratisch wie möglich ist. Ich habe Ihnen gegenüber ausgeführt, dass die Zielgerichtetheit des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs wesentlich besser ist als die des alten Risikostrukturausgleichs. Daher sind wir diesem Ziel bereits deutlich näher gekommen. Wir werden die weiteren Erfahrungen mit den entsprechenden Jahresergebnissen auswerten, auch im Lichte dessen, was der Wissenschaftliche Beirat für diesen kurzen Zeitraum erarbeitet hat. Eduard Oswald (CDU/CSU): Vielen Dank. – Im Anschluss an die Fragen des Kollegen Weinberg möchte unsere Kollegin Dr. Marlies Volkmer eine Nachfrage stellen. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Der Wissenschaftliche Beirat plädiert in seinem Evaluationsbericht dafür, die berücksichtungsfähigen Leistungsausgaben zukünftig nicht mehr über Stichproben, sondern über eine Vollerhebung zu ermitteln. In diesem Bericht steht, dies könne ohne Rechtsänderung vom Bundesversicherungsamt und dem GKV-Spitzenverband vereinbart werden. Werden Sie entsprechende Verfahrensänderungen unterstützen? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Volkmer, ich habe mehrfach ausgeführt, dass wir derzeit keinen akuten Handlungsbedarf sehen, dass wir aber die Empfehlungen bei unserer Arbeit berücksichtigen werden. Ich wiederhole: Wir sehen keinen akuten Handlungsbedarf. Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Dr. Volkmer, ich gebe Ihnen das Wort zu einer weiteren Nachfrage, weil es einen Sachzusammenhang gibt. Danach darf Frau Kollegin Bärbel Bas eine Nachfrage stellen. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Gerade bei dem letzten Sachverhalt besteht für Sie keine Notwendigkeit, gesetzgeberisch tätig zu werden. Das Bundesversicherungsamt kann von sich aus tätig werden. Es braucht nur Ihre Zustimmung dazu. Wenn das Bundesversicherungsamt hier zwecks Umsetzung tätig werden will, werden Sie dann entsprechende Unterstützung gewähren? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Volkmer, auch Fragen, die Handlungsbedarf auf nichtgesetzgeberischer Ebene anbelangen, werden von mir mit derselben Antwort versehen. Deshalb: Wir sehen keinen akuten Handlungsbedarf. Das heißt aber nicht, dass wir keine weiteren Erfahrungen durch neue Ergebnisse von Berechnungen in unsere Überlegungen einbeziehen. Genau das haben wir vor. Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt erteile ich unserer Kollegin Bärbel Bas das Wort zu einer Nachfrage. Bärbel Bas (SPD): Wir haben vorhin über Insolvenzen wie die der City BKK gesprochen. Ist Ihnen die Situation der BKK für Heilberufe bekannt? Droht da möglicherweise etwas? Vorhin haben Sie ausgeschlossen, dass in den nächsten Monaten weitere Insolvenzen anstehen. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Bas, diese Fragen richten sich an das Bundesversicherungsamt. Sie wissen, dass ich hierzu keine Aussagen machen kann. Ich habe in meiner vorherigen Antwort nicht ausgeschlossen, dass es Insolvenzen geben kann. Aber der Eindruck, der über die Presse vermittelt wurde, dass flächendeckend mit Insolvenzen infolge des Risikostrukturausgleichs zu rechnen sei, entbehrt jeder Grundlage. Ich habe Ihnen die Gesamtergebnisse der Finanzsituation, auch was die Mindestrücklagen anbelangt, vorhin dargestellt. Wir sehen keinen Zusammenhang zwischen der Situation einzelner Krankenkassen und dem Risikostrukturausgleich. Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt hat unsere Kollegin Maria Anna Klein-Schmeink das Wort zu einer Nachfrage. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe ein weiteres Zitat dabei und habe dazu Fragen. – Auf der Seite 7 der Zusammenfassung wird auf den etwaigen Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Präventionsleistungen der Krankenkassen und dem Morbi-RSA oder anderen Entwicklungen eingegangen. Da wird festgestellt, dass es durch die Einführung der Zusatzbeiträge zu einem Preiswettbewerb gekommen ist, der unter anderem auch dafür verantwortlich sein kann, dass die Präventionsleistungen zurückgehen. Es wird empfohlen, den Zusammenhang im Auge zu behalten. Daher meine Frage an Sie: Was tun Sie? Werden Sie diesen eventuellen Zusammenhang mit dem Morbi-RSA im Auge behalten? Mit welchen Instrumenten werden Sie das konkret umsetzen? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Klein-Schmeink, Sie wissen, dass insbesondere den Koalitionsfraktionen sehr viel an dem Thema Prävention und an der Berücksichtigung von Präventionsmaßnahmen bei den gesetzlichen Krankenkassen gelegen ist. Vor diesem Hintergrund werden wir weitere Erfahrungen sammeln, indem wir zukünftige Jahresergebnisse auswerten. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Abwarten! Aussitzen!) Wir werden aufgrund der Erkenntnisse, die wir dabei gewinnen, zu Schlüssen kommen. Denen will ich aber nicht vorgreifen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Parlamentarische Staatssekretärin. Nachdem die dringlichen Fragen aufgerufen und beantwortet worden sind, kommen wir zu den mündlichen Fragen auf Drucksache 17/7083, und zwar zunächst zu denen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht uns Frau Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche zur Verfügung. Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet. Das gilt auch, wie ich eben gehört habe, für die Fragen 3 und 4 der Kollegin Ute Vogt. Ich rufe jetzt die Frage 5 des Kollegen Dr. Matthias Miersch auf: Inwieweit sind für Brennelemente aus den acht in 2011 stillgelegten Atomkraftwerken ausreichend Castorbehälter verfügbar, um die Verweildauer in Abklingbecken auf das technisch notwendige Maß zu begrenzen, und, falls diese nicht vorliegen, welche Gründe sind gegebenenfalls dafür verantwortlich? Bitte schön. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Miersch, aufgrund des Sachzusammenhangs würde ich die Fragen 5 und 6 von Ihnen gern zusammen beantworten. Vizepräsident Eduard Oswald: Dann rufe ich auch die Frage 6 des Kollegen Dr. Matthias Miersch auf: Werden Brennelemente aus den in 2011 stillgelegten Atomkraftwerken auch nach einer Abklingzeit von fünf Jahren in Abklingbecken gelagert werden, und welche Standorte betrifft dies im Einzelnen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Entsprechend § 9 a Abs. 1 Atomgesetz haben Betreiber der Kernkraftwerke dafür Sorge zu tragen, dass die bestrahlten Brennelemente aus dem Betrieb geordnet beseitigt werden. Es liegt auch im Interesse der Betreiber der Kraftwerke, die mit der 13. Atomgesetznovelle die Berechtigung zum Leistungsbetrieb verloren haben, die bestrahlten Brennelemente, sobald die sicherheitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, in Zwischenlager zu überführen, um die Anlagen zügig zurückbauen zu können. Es ist daher zu erwarten, dass die erforderlichen Behälter in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen werden. Der Bundesregierung liegen derzeit keine anderslautenden Informationen vor. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Dr. Miersch, Sie haben jetzt die entsprechende Zahl von Nachfragen, da beide Fragen zusammenhängend beantwortet sind. Bitte schön, Ihre erste Nachfrage. Dr. Matthias Miersch (SPD): Vielen Dank. – Frau Staatssekretärin, die Frage lautete konkret, inwieweit Sie aufgrund der anfallenden Atommüllmengen Engpässe bei der Bereitstellung von Castorbehältern befürchten. Dazu haben Sie gesagt, dass Ihnen keine Erkenntnisse vorliegen. Ich frage Sie: Sehen Sie sich nicht in der Pflicht, zusammen mit den Betreibern eine Konzeption zu entwickeln, damit ausreichend Castorbehälter zur Abholung dieses Mülls zur Verfügung stehen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Zunächst: Wir sehen solche Engpässe nicht, Herr Kollege Miersch. Wir haben aber die ESK um eine Stellungnahme gebeten. Diese Stellungnahme finden Sie auch im Internet. Darin ist genau aufgelistet, welche Schritte im Einzelnen zu unternehmen sind. Die Zeit für den Verbleib von bestrahlten Brennelementen im Abklingbecken ist nicht limitiert. Sie liegt in der Regel in der Größenordnung von fünf Jahren. Wenn es von jetzt gerechnet fünf Jahre sind, können wir durchaus annehmen und berechtigte Hoffnung haben, dass wir, wenn sich der Genehmigungsbedarf aufgrund des Abbrands verändern sollte, rechtzeitig entsprechende Genehmigungen erteilen können. Den von Ihnen befürchteten Engpass sehen wir nicht. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Herr Kollege Miersch. Dr. Matthias Miersch (SPD): Frau Staatssekretärin, können Sie mir die Frage beantworten, mit welcher Anzahl von Castoren pro Atomkraftwerk das Bundesumweltministerium rechnet? Welche Anzahl von Castoren wird beispielsweise notwendig sein, um eine Entsorgung in Biblis durchführen zu können? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Diese Frage kann ich Ihnen deshalb nicht beantworten, weil uns keine detaillierten Informationen vorliegen, wie viele beschädigte Brennstäbe in den einzelnen Kraftwerken vorliegen. Aber ich verweise in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Stellungnahme der Entsorgungskommission, erschienen am 27. Mai dieses Jahres. Die ESK befasst sich vertieft mit dieser Fragestellung. Ich kann Ihnen konkret zu der Menge keine Auskunft geben. Dies liegt im Ermessen des Betreibers. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Dr. Miersch, Sie haben eine weitere Nachfrage. Bitte schön. Dr. Matthias Miersch (SPD): Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang auf einen Artikel des Handelsblatts vom heutigen Tag verweisen, wonach ein Experte allein für ein Kraftwerk in Biblis mit einem Bedarf von 50 Castoren rechnet. Warum liegen dem Bundesumweltministerium bislang diese Zahlen nicht vor, obwohl es doch seine Aufgabe ist – Sie haben die Aufsicht –, den Transport und damit auch die Bereitstellung der benötigten Castoren sicherzustellen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich habe gerade gesagt, dass es keine Limitierung für den Verbleib von Brennelementen in den Abklingbecken der Kraftwerke gibt. Bei zwei Kraftwerken besteht die Situation, dass eine Abschaltung erfolgte, bevor die Zeit für die Nutzung der Brennelemente abgelaufen war. Insofern müssen längere Zeiten in den Abklingbecken zur Abkühlung einkalkuliert werden. Vorher ist ein Abtransport gar nicht möglich. Zu den Spekulationen des Handelsblattes wiederum kann ich keinen Kommentar abgeben. Ich verweise noch einmal darauf, dass wir keine Aufstellung über die konkrete Anzahl der beschädigten Brennelemente in den Kraftwerken haben. Wir sind allerdings dabei, die entsprechenden Informationen zusammenzustellen. Wir erwarten sie aber nicht vor Beginn des nächsten Jahres. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege Dr. Miersch, Sie haben noch eine Nachfrage. Bitte. Dr. Matthias Miersch (SPD): Frau Staatssekretärin, angesichts der eben von mir genannten Zahl von 50 Castoren pro AKW – Sie mögen diese Zahl vielleicht nicht glauben – und angesichts der Tatsache, dass wir erst heute wieder im Umweltausschuss im Zusammenhang mit Gorleben, wo wir erhöhte Strahlenwerte feststellen müssen, über die Möglichkeit eines weiteren Transportes gesprochen haben, möchte ich Sie fragen: Sehen Sie das Ministerium nicht in der Pflicht, ganz schnell in den Fragen hinsichtlich Zwischenlager und Endlager weiterzukommen? Wann können Sie uns endlich vermelden, dass der Bundesumweltminister einen Entwurf zu einem Endlagersuchgesetz dem Parlament präsentieren wird? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich nehme an, dass heute im Ausschuss meine Kollegin Frau Staatssekretärin Heinen-Esser Ihnen mitgeteilt hat, dass wir bis zum Ende des Jahres ein Endlagersuchgesetz vorlegen. Was Gorleben betrifft, wollen wir in einen Dialog eintreten. Diese Maßnahme hat man bei den Vorgängerregierungen über einen Zeitraum von zwölf Jahren vermisst. Insofern treten wir in eine neue Qualität der Endlagersuche und der Kommunikation mit der Bevölkerung vor Ort ein. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Wir haben eine weitere Nachfrage. Kollege Ulrich Kelber, bitte. Ulrich Kelber (SPD): Frau Staatssekretärin, Sie hatten eben angekündigt, dass Sie bis Ende des Jahres den Entwurf eines Endlagersuchgesetzes vorlegen. Sie haben fast wörtlich gesagt: Wir werden ein Endlagersuchgesetz vorlegen. – Warum ist dies nicht im Vorhabenplan der Bundesregierung enthalten? Warum ist in der Antwort auf meine schriftliche Frage, warum es nicht im Vorhabenplan enthalten sei, nicht etwa von einem Gesetzentwurf, sondern nur von einem Vorschlag für ein Gesetz die Rede? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Diese Bundesregierung hat sich im Gegensatz zu den Vorgängern im Bundesumweltministerium Trittin und Gabriel vorgenommen, eine Lösung für die Endlagerung von Kernkraftwerksabfällen vorzulegen. Das ist ein Meilenstein. Wir haben sogar erstmals – auch im Gegensatz zu den Vorgängerregierungen – den Bundesrat mit diesen Fragen befasst. Es gibt eine Protokollerklärung im Rahmen der Abstimmungen des Bundesrates über die gesamte Energiewende, in der die Bundesregierung genau dies zugesagt hat. In diesem Prozess sind wir. Wir werden auch den Dialog mit den Ländern führen, das heißt mit der Bevölkerung vor Ort sowie mit den betroffenen Ländern. Dieser Prozess läuft. Ohne einen solchen Austausch geht es nicht, weil wir ansonsten die geforderte Transparenz nicht herstellen können. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das im Laufe dieses Jahres bewältigen können. Vizepräsident Eduard Oswald: Die nächste Nachfrage kommt von unserem Kollegen Ralph Lenkert. (Ulrich Kelber [SPD]: Wobei das keine Antwort auf die Frage war! Entwurf, ja oder nein?) – Zuerst hat der Kollege Ralph Lenkert das Wort, und dann schauen wir, ob sich das zwischenzeitlich erledigt hat. – Bitte schön, Kollege Ralph Lenkert. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin, wir müssen ja davon ausgehen, dass die abgebrannten und teilabgebrannten Brennelemente noch mindestens fünf Jahre in den Abklingbecken liegen werden. Die Atomkraftwerke wurden mit einer Betriebsdauer von 40 Jahren konzipiert, die Abklingbecken ebenso. Es besteht also ein erheblicher Handlungsbedarf. Inwieweit planen Sie, eine maximale Verweildauer von Brennelementen in den Abklingbecken über die Abschaltung der Atomkraftwerke hinaus festzulegen? Oder wollen Sie in Kauf nehmen, dass die Abklingbecken eventuell versagen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ihre Frage stellt eine Menge Behauptungen in den Raum, die ich gar nicht im Einzelnen kommentieren will. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollen die Frage beantworten, nicht kommentieren!) Fakt ist, Herr Kollege Lenkert, dass ich Ihnen ganz speziell die Lektüre der Stellungnahme der Entsorgungskommission vom 27. Mai dieses Jahres empfehle. Dort finden Sie eine ganz genaue Abfolge dessen, was zu tun ist: Verbleiben im Reaktor, Umladen in das Nasslagerbecken, Lagerung im Nasslagerbecken, Umladen in Zwischenlagerbehälter, Transport zum Reaktorgebäude usw., usf. Das alles sind Schritte, die beschrieben, definiert und genehmigt werden müssen. Trotzdem müssen Brennelemente abklingen, bevor sie in entsprechende Transportbehälter verladen werden können. Das sind üblicherweise – so habe ich gesagt – fünf Jahre. Wir werden zwar alles tun, diesen Prozess so zu beschleunigen, wie es möglich ist. Wir werden uns dabei aber keinesfalls über die Sicherheit hinwegsetzen, sondern das beachten, was sicherheitstechnisch gefordert ist. Vizepräsident Eduard Oswald: Die nächste Nachfrage kommt von Kollegin Johanna Voß. Johanna Voß (DIE LINKE): Frau Staatssekretärin, die Bundesregierung hat im Haushaltsentwurf 2012 für die Weitererkundung von Gorleben weitere 30 Millionen Euro vorgesehen. Da ich selbst aus der Region komme, stelle ich vor Ort fest, dass dort in drei Schichten täglich rund um die Uhr weitergearbeitet wird und weiter vollendete Tatsachen geschaffen werden. Können Sie mir das erklären? Wenn wir vor der Schaffung eines Endlagersuchgesetzes stehen, also vor der Auswahlfindung für ein geeignetes Endlager, wie können Sie das dann glaubhaft machen angesichts dessen, dass in Gorleben trotzdem weitererkundet wird? Sieht die Bundesregierung darin nicht eine Vorwegnahme der anstehenden parlamentarischen Beschlüsse zur Atommüllverwahrung? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin, Ihnen ist möglicherweise entgangen, dass wir das Moratorium aufgehoben haben und ergebnisoffen weitererkunden. Ich möchte noch einmal die Protokollerklärung zitieren, übrigens auch als konkrete Antwort, weil der Kollege Kelber meinte, da sei etwas offen geblieben. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Alles!) Protokollerklärung vom 8. Juli 2011: Die Bundesregierung bekräftigt, dass die Generationen, die die Kernenergie nutzen, auch für die Lagerung der anfallenden radioaktiven Abfälle Sorge tragen müssen. Dies schließt die ergebnisoffene Weitererkundung des Salzstocks in Gorleben ebenso ein wie ein Verfahren zur Ermittlung allgemeiner geologischer Eignungskriterien und möglicher Entsorgungsoptionen. – Das läuft also parallel. Die Bundesregierung wird dazu bis Ende des Jahres 2011 einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung erarbeiten. (Ulrich Kelber [SPD]: Vorschlag? Entwurf!) Das, Herr Kollege Kelber, ist bereits protokolliert. Insofern verstand ich Ihre Nachfrage nicht, Herr Kollege Kelber, und Ihre Nachfrage, Frau Kollegin Voß, ist dann hoffentlich auch beantwortet. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Was nützt ein Protokoll! Das wissen Sie selber! – Ulrich Kelber [SPD]: Das ist das Problem mit dem Verstehen!) Vizepräsident Eduard Oswald: Es gibt noch die Nachfrage unserer Kollegin Ute Vogt. Bitte schön, Kollegin Ute Vogt. Ute Vogt (SPD): Frau Staatssekretärin, ich möchte Sie konkret fragen: Wird diesem Parlament noch in diesem Jahr ein Gesetzentwurf zur Endlagersuche vorgelegt? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Wir werden einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung unterbreiten. Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Volker Beck. Bitte schön. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, ich bin kein Fachmann für Atomrecht; aber die Antwort, die Sie gegeben haben, war keine Antwort auf die gestellte Frage. Die Kollegin hat gefragt, ob noch dieses Jahr ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zu erwarten ist. Da können Sie sagen: „Ja“ oder „Nein, zu einem anderen Zeitpunkt“; den Zeitpunkt sollten Sie dann benennen. Ich frage Sie: Wann plant die Bundesregierung die Vorlage eines Gesetzentwurfs? Sagen Sie mir jetzt nicht: „In diesem Jahrtausend“! (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich habe gesagt, dass wir zum Ende des Jahres einen Vorschlag unterbreiten werden. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Ende des Jahres! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Die Frage ist, ob Sie einen Gesetzentwurf vorlegen, nicht „einen Vorschlag“!) Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt kommt die Nachfrage unseres Kollegen Ulrich Kelber. Ulrich Kelber (SPD): Frau Staatssekretärin, vielleicht sind Sie bei einer anderen Frage zu einer konkreten Antwort bereit. Teilen Sie meine Ansicht, dass es zumindest bei den stillgelegten deutschen Atomkraftwerken, die in der Frage des Abklingbeckens dem Fukushima-Reaktortyp gleichen – das Abklingbecken liegt außerhalb des inneren Containments –, richtig wäre, die Brennstäbe nach aus technischer Sicht kürzestmöglicher Zeit, also in etwa fünf Jahren, aus dem offenen Abklingbecken herauszunehmen und in Castorbehältern in ein Zwischenlager zu bringen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Kelber, auch dazu macht die ESK in ihrer Stellungnahme Aussagen. Es wird geprüft, inwiefern technische Voraussetzungen erfüllt werden. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht zu sagen. Fakt ist, dass wir eine Abklingphase brauchen. Fakt ist auch, dass es Veränderungen bei der Genehmigung geben wird. Es ist die Aufgabe der nächsten Zeit, diese zu erarbeiten und zu überprüfen, inwiefern sie überhaupt erforderlich sind. Ich bin mir sicher, dass wir eine solche Überprüfung binnen fünf Jahren bewerkstelligen können. (Ulrich Kelber [SPD]: Es ist eine Verhöhnung des Parlaments, diese Staatssekretärin hierher zu schicken! Fachkenntnis wäre manchmal ganz angebracht für eine Staatssekretärin!) Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt kommt die Nachfrage unseres Kollegen Ralph Lenkert. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Frau Staatssekretärin, die Stellungnahme ist uns bekannt, nicht nur Ihnen. Meine Frage lautet: Planen Sie einen maximalen Zeitraum, in dem das abgeschlossen sein soll, nicht dass irgendwann einmal ein Unternehmen aufhört, zu existieren, und die gesamten Kosten beim Steuerzahler landen? Deshalb stelle ich die explizite Frage: Innerhalb welchen Zeitraums planen Sie zum Beispiel die Abklingbecken außer Betrieb zu nehmen, nachdem ein Atomkraftwerk stillgelegt worden ist? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Lenkert, wir planen nicht, Abklingbecken außer Betrieb zu nehmen. Abklingbecken und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen werden so lange in Betrieb sein, wie es sicherheitstechnisch erforderlich ist. (Ulrich Kelber [SPD]: Genau darum ging doch die Frage! Sie müssen die Frage zumindest verstehen!) Vizepräsident Eduard Oswald: Eine Nachfrage der Frau Kollegin Dr. Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Präsident, in diesem Falle keine Nachfrage. Es hat sich sehr deutlich gezeigt, dass die Staatssekretärin nicht in der Lage ist, die Fragen, die ihr gestellt werden, zu beantworten. Ich beantrage deswegen die Herbeirufung des Umweltministers. Vizepräsident Eduard Oswald: Zunächst darf ich den Kollegen Grund und die Parlamentarische Staatssekretärin zu mir bitten. – Wie ist der Umweltminister – – (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist nicht entschuldigt!) Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Das kann ich nicht sagen. Ich bin ja hier, um die Fragen zu beantworten. Insofern halte ich das Ganze für etwas überzogen; aber das muss die Opposition selbst wissen. (Die Parlamentarischen Geschäftsführer begeben sich zum Präsidium) Vizepräsident Eduard Oswald: Die Beratungen der Geschäftsführer haben ergeben, dass der Wunsch nach Herbeizitierung des Bundesumweltministers bestehen bleibt. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Insofern ist dies ein Antrag der Oppositionsfraktionen. Ich lasse darüber abstimmen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Es ist eindeutig: Die Mehrheit ist für diesen Antrag. Insofern müssen wir die Sitzung unterbrechen und den Minister herbeizitieren. Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 14.30 bis 14.32 Uhr) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir haben die Situation mit den Fraktionsgeschäftsführern erörtert. Wir haben die Information erhalten, dass sich der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bei der Feierstunde zum 60-jährigen Bestehen des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe aufhält, was dem Präsidium und auch den Fraktionen nicht bekannt war. Insofern ist ein Herbeizitieren nicht möglich. Wir setzen die Fragestunde fort. – Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Manfred Nink auf: Welche Ergebnisse der Prüfung des französischen Atomkraftwerkes Cattenom durch die französische Atomaufsichtsbehörde bei der Kontrolle im August dieses Jahres, die im Rahmen des europäischen Stresstests stattfand, sind der Bundesregierung bekannt, und wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass – wie Medien in der 38. Kalenderwoche berichteten – der französische Betreiber EDF das Kraftwerk Cattenom in einem eigenen Prüfbericht als sicher bezeichnet hat, und zwar auch bei Erdbeben bis zu einer Stärke von 5,4 auf der Richterskala? Bitte schön. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Nink, bei der Sitzung der Arbeitsgruppe „Notfallschutzplanung“ der Deutsch-Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen am 22. September 2011 in Köln haben sich die deutsche und die französische Delegation gegenseitig über den aktuellen Stand der Durchführung des europäischen Stresstests in beiden Ländern informiert. Die Fortschrittsberichte des Betreibers Cattenom sowie der nationale Fortschrittsbericht der französischen Regierung sind im Internet veröffentlicht und der Bundesregierung bekannt. Der Abschlussbericht des Betreibers ist der französischen atomrechtlichen Behörde ASN bis zum 31. Oktober 2011 vorzulegen. Der Abschlussbericht der französischen Regierung ist bis zum 31. Dezember 2011 an die Europäische Kommission zu übermitteln. Danach werden die Berichte in einem Prüfprozess durch Experten der atomrechtlichen Behörden der EU-Mitgliedstaaten überprüft und bewertet. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Kollege Manfred Nink. Manfred Nink (SPD): Frau Staatssekretärin, wenn meine Informationen stimmen, haben die Inspektoren der französischen Atomaufsichtsbehörde festgestellt, dass das Kernkraftwerk insbesondere gegen Naturereignisse nicht abgesichert ist. Vor diesem Hintergrund frage ich die Bundesregierung: Wie bewerten Sie die Sicherheit und das Risiko für die Bevölkerung, insbesondere auf der deutschen Seite, zum Beispiel im Landkreis Trier-Saarburg und in der Stadt Trier? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Der EU-Kommissar für Energie, Oettinger, hat erstmals einen europäischen Stresstest für alle Kernkraftwerke in der Europäischen Union in Gang gesetzt. In diesem Prozess befinden wir uns. Die Deutsch-Französische Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen dient dem intensiven Austausch aller Informationen. Es ist nicht unsere Aufgabe, eine explizite Bewertung vorzunehmen. Klar ist aber, dass wir davon überzeugt sind, dass für die deutschen Kernkraftwerke höchste Sicherheitsstandards gelten und wir im europäischen Vergleich sicherlich die höchsten Anforderungen haben. Ob auf andere Kernkraftwerke demnächst Nachrüstanforderungen zukommen, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Manfred Nink, Sie haben eine weitere Nachfrage. Manfred Nink (SPD): Die hat sich erübrigt, Herr Präsident. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Nink auf: Welche konkreten Maßnahmen oder Schritte plant die Bundesregierung, um sich für einen internationalen Atomausstieg einzusetzen und somit auch zum Beispiel unser Nachbarland Frankreich – mit seinem Kernkraftwerk in Cattenom – zu einem Ausstieg aus der Hochrisikotechnologie Atomkraft zu bewegen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Die Frage 8 beantworte ich wie folgt: Ob Kernkraftwerke betrieben werden, ist in der EU grundsätzlich der souveränen Entscheidung eines jeden Mitgliedstaates überlassen. Es obliegt der jeweiligen nationalen Atomaufsicht, hier der ASN, für die Sicherheit zu sorgen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nachfrage? Manfred Nink (SPD): Ja. Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön, Kollege Nink. Manfred Nink (SPD): Damit haben Sie meine Frage nicht beantwortet; denn eigentlich wollte ich wissen, ob die Bundesregierung plant, sich mit der französischen Regierung auseinanderzusetzen. Ich wollte wissen, ob zum Beispiel das Kernkraftwerk Cattenom, aber auch andere in Europa abgeschaltet werden. Ich frage trotzdem: Gibt es in dieser Hinsicht eine gewisse Zusammenarbeit zwischen der französischen Regierung und der Bundesregierung, und wie arbeitet die Bundesregierung mit den Landesregierungen des Saarlandes und von Rheinland-Pfalz diesbezüglich zusammen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege, Sie wissen, dass jede nationale Regierung selbst über die nationale Energiestrategie entscheidet. Unbenommen der Tatsache, dass wir an einem europäischen Energie- und Strommarkt arbeiten, gilt: So wie wir für unsere Entscheidung, aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie rasch auszusteigen, Respekt und Akzeptanz von anderen europäischen Staaten erwarten, erwarten diese von uns, dass wir uns nicht wertend über ihre Strategien erheben, so sage ich das einmal. Was die Zusammenarbeit betrifft, Herr Kollege, kann ich Folgendes sagen: Seit Jahren sind in der deutsch-französischen Kommission auch Vertreter der Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und des Saarlandes. Regelmäßig finden überkreuz Inspektionen statt. Wenn es Vorkommnisse gab, wurde diesen auch seitens der Kommission nachgegangen. Insofern können wir bei diesem Austauschverfahren keine Defizite feststellen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Kollege Nink, Sie haben noch eine weitere Nachfrage. Dann folgen Nachfragen anderer Kollegen. Manfred Nink (SPD): Frau Staatssekretärin, ich unterstelle, dass der Bundesregierung bekannt ist, dass der Rat der Stadt Trier am 14. April 2011 einstimmig eine Resolution mit dem Titel „Cattenom sofort abschalten!“ beschlossen hat. Muss ich Ihre bisherigen Antworten so interpretieren, dass die Bundesregierung keine Handlungsmöglichkeit hat, um diese Resolution zu unterstützen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege, die Bundesregierung kann der französischen Regierung nicht vorschreiben – das gilt auch für andere europäische Länder –, welche Strategie im Bereich Energie sie zu verfolgen hat. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Ihr könntet aber die Kavallerie losschicken! – Gegenruf des Abg. Manfred Nink [SPD]: Gemeinsam mit dem Saarland, Herr Kollege! – Weiterer Gegenruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei euch reichte es schon, wenn das Fußvolk da wäre!) Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt kommen wir zur Nachfrage des Kollegen Dr. Miersch. Dr. Matthias Miersch (SPD): Frau Staatssekretärin, habe ich Sie richtig verstanden, dass die Bundesregierung angesichts der Situation, dass einige Länder in Europa weiter auf die Hochrisikotechnologie Atomkraft setzen, sich überhaupt nicht veranlasst sieht, einen Anstoß zu geben, damit auch unsere Nachbarstaaten einen anderen Weg einschlagen? Ich erinnere Sie daran, dass der EU-Kommissar für Energie die Bundesrepublik Deutschland ermahnt hat, auf Energiesicherheit zu setzen. Stimmen Sie mir zu, dass die Bundesregierung angesichts dessen zumindest die Aufgabe hat, darauf hinzuwirken, dass die Zeit der Hochrisikotechnologie in Europa zu Ende geht? Müsste sie nicht zumindest versuchen, unsere Nachbarländer für das Abschalten zu gewinnen, und entsprechende Initiativen starten? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Die Bundesregierung ist im Rahmen der Diskussionen um den europäischen Stresstest für Kernkraftwerke beteiligt. Dort vertreten wir unsere Forderung nach höchsten Ansprüchen an Sicherheit. Wir tun alles, damit wir die Anforderungen, die wir in Deutschland seit Jahr und Tag haben – offensichtlich bestreitet niemand in diesem Haus, dass wir über Jahre hinweg die höchsten Anforderungen haben und noch immer weiterentwickeln –, auch in der Europäischen Union, in Ländern, in denen die Kernkraft genutzt wird, implementieren können. Gleichwohl ist dies lediglich ein Diskussionsprozess, der nicht zur Folge hat, dass wir andere Länder dazu zwingen können, unsere Standards zu übernehmen. Allerdings werben wir dafür. Ebenso werben wir dafür, dass die Strategie der Bundesregierung, konsequent auf Effizienzsteigerung und erneuerbare Energien zu setzen, von noch mehr Ländern in der Europäischen Union geteilt wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Es gibt eine Nachfrage unseres Kollegen Ralph Lenkert. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade gesagt, dass weltweit niemand die höchsten Sicherheitsbestimmungen in der Bundesrepublik bezweifele. Vergleichbares habe ich in jedem Land gehört, in dem irgendetwas passiert ist, beispielsweise in Japan. Ich kann Ihnen versichern: Es gibt genügend Menschen, die daran Zweifel haben; Sie vielleicht nicht. Aber jetzt zu meiner Frage: Plant die Bundesregierung Initiativen, um die Hochrisikotechnologie Atomkraft europaweit zu beenden? Plant sie Gespräche und macht sie gemeinsam mit anderen Ländern, die der Atomkraft abgeschworen haben, Vorschläge, um wiederum andere Länder zum Umstieg zu bewegen, ja oder nein? (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja!) Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Lenkert, wir haben innerhalb der Europäischen Kommission einen gemeinsamen Fahrplan, der für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich ist, um mehr für erneuerbare Energien, für Energieeffizienz und für den Bereich Biokraftstoffe im Verkehrssektor zu tun. All dies zeigt, dass wir auch in der Europäischen Union an dieser Position, die wir schon lange haben, arbeiten. Aber noch einmal, Herr Kollege: Die Energieversorgung obliegt in jedem Mitgliedstaat der jeweiligen Hoheit eines Landes. So, wie wir uns verbitten, für einen konsequenten Ausstieg kritisiert zu werden, können wir wiederum anderen Ländern keine Ratschläge erteilen. Das ist nicht möglich, und das werden wir auch in Zukunft nicht tun. Allerdings werben wir konsequent dafür, dass unser Weg erfolgreich ist und dass andere Länder diesem Weg folgen. Vizepräsident Eduard Oswald: Es gibt eine Nachfrage unserer Kollegin Frau Ute Vogt. Ute Vogt (SPD): Frau Staatssekretärin, wenn Sie schon aufgrund Ihrer Verantwortung und aus Sorge um die Sicherheit der Bevölkerung die Nutzung der Hochrisikotechnologie in Deutschland zum Ende bringen, geböte es die Sorge um die Sicherheit der Menschen auch in unserem Land dann nicht, dass Sie nicht nur werben, sondern mit konkreten Initiativen auf die Abschaltung insbesondere der grenznahen Atomkraftwerke hinwirken? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin Vogt, ich kann mich nur wiederholen: Die Bundesregierung kann ihre eigene Strategie und auch den Erfolg ihrer Strategie als bestes Überzeugungsbeispiel dafür nehmen, dass Wachstum auch ohne Kernkraft möglich ist. Im Übrigen habe ich auf die Gespräche zum europäischen Stresstest für Kernkraftwerke verwiesen. Auch hier sind wir mit konkreten Vorschlägen und Definitionen dabei. Darüber hinaus haben wir aber keine Einflussmöglichkeit. Ich frage mich, ob Sie diese Frage jetzt wissentlich oder unwissentlich gestellt haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Regierung in anderer Konstellation einen Mehrheitsbeschluss darüber fassen würde, die französische Regierung zu zwingen, aus der Kernenergie auszusteigen. Zumindest ich kann mir das nicht vorstellen. Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Kollegin Johanna Voß hat eine Nachfrage. Johanna Voß (DIE LINKE): Danke schön. – Frau Staatssekretärin, sicherlich könnte man diesbezüglich keine direkten Gespräche mit Frankreich führen. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass Deutschland und Frankreich Gründerstaaten des Euratom-Vertrages sind; wir sind da Vertragspartner. Dieser Vertrag sieht in Art. 1 vor, dass sich Deutschland darum bemüht, überall die friedliche Nutzung der Atomkraft voranzutreiben und zu fördern. Meine Frage: Wie viel Geld gibt die Bundesregierung dafür in diesem Jahr aus? Wie viel Geld ist eingeplant, um atomare Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Rahmen des Euratom-Vertrages weiterhin zu unterstützen? Außerdem: Könnte hier nicht die Bundesregierung ihren Einfluss geltend machen und aus dem Atomfördervertrag einen Atomausstiegsvertrag entsprechend der nationalen Gesetzgebung machen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Die Frage zum Geld kann ich nicht beantworten. Eine entsprechende Vertragsänderung, wie Sie sie vorschlagen, planen wir nicht. Vizepräsident Eduard Oswald: Weitere Frage unseres Kollegen Ulrich Kelber. Ulrich Kelber (SPD): Frau Staatssekretärin, worin liegt der Unterschied zwischen den Atomkraftwerken Cattenom und Temelin? Bei Cattenom möchte eine von Union und FDP gebildete Bundesregierung keinen Einfluss auf den Nachbarn ausüben, aber bei Temelin möchte eine von Union und FDP geführte Landesregierung Einfluss auf ihren Nachbarstaat ausüben, um die Nutzung dieses Atomkraftwerks zu beenden. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Kelber, ich spreche hier für die Bundesregierung und habe – auch schon in der Fragestunde – mehrfach dargelegt, was wir auf europäischer Ebene tun und wo die Dialoge stattfinden. Insofern ist Ihre Frage mehrfach beantwortet. Allerdings stelle ich mir die Frage: Wenn es der SPD mit einem noch schnelleren Ausstieg so ernst ist, wieso gab es dann seitens des Bundesumweltministers Gabriel oder auch seitens der rot-grünen Bundesregierung (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das ist keine Debatte!) keine Initiativen, andere Länder zum Ausstieg aus der Kernenergie zu bewegen? (Ulrich Kelber [SPD]: Darf ich auch antworten, wenn mir eine Frage gestellt wird? – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) – Das war eine rhetorische Frage. (Ulrich Kelber [SPD]: Ich nehme das als Frage an die künftige Regierung!) Vizepräsident Eduard Oswald: Der Kollege Kelber verzichtet darauf, auf eine rhetorische Frage noch eine Frage zu stellen. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kelber, ich habe ja mich gefragt. Vizepräsident Eduard Oswald: Das ist geklärt. Ich rufe Frage 9 unserer Kollegin Dr. Bärbel Kofler auf: Zu welchem Zeitpunkt wird das überarbeitete kerntechnische Regelwerk förmlich in Kraft gesetzt, und wie wird sichergestellt, dass die darin enthaltenen Maßgaben zu einer aktiven Überprüfungspraxis durch die jeweilige Atomaufsicht führen, soweit in den jeweiligen Atomanlagen solche angepassten Maßgaben oder Standards nicht erfüllt sind? Bitte schön, Frau Staatssekretärin. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin Kofler, das überarbeitete kerntechnische Regelwerk soll nach Abschluss der vorgesehenen Beratungen veröffentlicht werden. Eine solche Veröffentlichung ist jedoch weder erforderlich für die laufende Berücksichtigung des Standes von Wissenschaft und Technik durch die Behörden, noch hat sie eine rechtliche Bindungswirkung des Regelwerks zur Folge. Vielmehr dient das untergesetzliche Regelwerk der jeweiligen atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde als Grundlage für behördliche Entscheidungen. Es bedarf der Umsetzung des untergesetzlichen Regelwerks im konkreten verwaltungsbehördlichen Verfahren. Die Veröffentlichung kerntechnischer Regelwerke erfolgt üblicherweise nach Beratungen des Länderausschusses für Atomenergie, in denen die zuständigen atomrechtlichen Behörden übereinkommen, die entsprechenden kerntechnischen Regeln in atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren zugrunde zu legen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Dr. Kofler. Dr. Bärbel Kofler (SPD): Frau Staatssekretärin, ich habe nach dem konkreten Zeitpunkt gefragt. Wenn man sich die Homepage des Ministeriums für Umwelt ansieht, dann stellt man fest, dass dort angekündigt ist, dass das überarbeitete kerntechnische Regelwerk Mitte 2011 in Kraft gesetzt wird. Ich frage Sie noch einmal nach dem konkreten Zeitpunkt – wir befinden uns im Herbst 2011 – und danach, welche Gründe es für die Verzögerung bei der Inkraftsetzung gibt. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin Kofler, da diese Frage schon öfters in den Fragestunden gestellt wurde, erlaube ich mir einen kurzen Rückblick. 2003 hatte die damalige Bundesregierung ein kerntechnisches Regelwerk in Auftrag gegeben. Der jeweilige Bearbeitungsstand ist immer im Internet veröffentlicht und umfangreich kommentiert worden. Zuletzt wurde 2008 die Version D veröffentlicht. Im Juli 2009 haben Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und das BMU beschlossen, es probeweise anzuwenden. Die Länder haben ihre Erfahrungsberichte, wie vereinbart, bis Ende 2010 vorgelegt. Auf dieser Grundlage ist nun die Version E zustande gekommen, die dem BMU zur Prüfung vorliegt. In diese Prüfung werden wiederum die atomrechtlichen Behörden der Länder sowie die Reaktor-Schutzkommission einbezogen. Dieser Prozess läuft. Insofern befinden wir uns im Zeitplan. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Mitte 2011 ist vorbei!) Vizepräsident Eduard Oswald: Nachfrage des Kollegen Kelber. Ulrich Kelber (SPD): Frau Staatssekretärin, können Sie mir an ein oder zwei Beispielen erläutern, welche entscheidenden Unterschiede zwischen der Version D und der Version E des kerntechnischen Regelwerks bestehen, die dazu geführt haben, dass wir im Jahr 2010 und bisher im Jahr 2011 weiterhin mit einem kerntechnischen Regelwerk aus den 70er-Jahren gearbeitet haben – auch als Reaktion auf den Unfall in Fukushima –, anstatt mit einer einzigen Unterschrift Ihres Ministers das Regelwerk D bereits in Kraft zu setzen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Kelber, ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin: Wir haben das Atomgesetz bereits vor Fukushima dergestalt geändert, dass wir einen § 7 d eingeführt haben, der dazu verpflichtet, die sicherheitstechnischen Anforderungen jeweils nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu ergänzen. Dieser Prozess läuft sowieso. Er bedeutet eine permanente Weiterentwicklung der Sicherheitsanforderungen, übrigens unabhängig von einem kerntechnischen Regelwerk. (Ulrich Kelber [SPD]: Meine Frage war nach Unterschieden zwischen D und E!) Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kelber hat das Wort. Ulrich Kelber (SPD): Die Frage war: Können Sie uns entscheidende Unterschiede zwischen den Versionen D und E erläutern? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Nein, Herr Kollege Kelber, das kann ich nicht. Ich habe darauf hingewiesen, dass wir § 7 d des Atomgesetzes neu eingeführt haben. Ich finde, es ist eine wichtige Mitteilung – an Ihnen ist sie offenbar permanent vorbeigegangen –, dass die Betreiber verpflichtet sind, nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nachzurüsten, und somit die Aufsichtsbehörden dies auch überprüfen müssen. Vizepräsident Eduard Oswald: Es gibt eine weitere Frage des Kollegen Dr. Miersch. Dr. Matthias Miersch (SPD): Frau Staatssekretärin, können Sie mir die Frage beantworten, wie ein Paragraf, der § 7 d des Atomgesetzes, ein Regelwerk, das aus über 1 100 Seiten besteht, ersetzen soll? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Miersch, Sie haben mich falsch verstanden, wenn Sie meinen, dieser Paragraf könne das Regelwerk ersetzen. Der Prozess, den wir damit in Gang gesetzt haben, führt allerdings zu einer Qualifizierung: von „statisch“ zu „dynamisch“. Früher war es so, dass ein bestimmter Stand galt. Jetzt muss der Stand unabhängig davon, was eine Regierung entscheidet und was in einem Regelwerk festgelegt ist, nach dem Stand von Wissenschaft und Technik weiterentwickelt werden. Dieser Prozess führt dazu, dass auch Maßnahmen, die nicht zwingend vorgeschrieben sind, geprüft und berücksichtigt werden müssen. Dies ist ein qualitativer Fortschritt, der der Sicherheit der Bevölkerung und der Sicherheit der Kernkraftwerke in Deutschland dient. Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Kollegin Dr. Bärbel Kofler stellt ihre zweite Nachfrage zu Frage 9. Dr. Bärbel Kofler (SPD): Können Sie die Aussagen, die Sie gerade zum Stand des kerntechnischen Regelwerks gemacht haben, präzisieren? Aus unserer Sicht haben Sie sich selbst nämlich gerade ein bisschen widersprochen. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Vielleicht ist es eher so, Frau Kollegin Kofler, dass es für Sie schwierig ist, zu akzeptieren, dass es diese Bundesregierung war, die die sicherheitstechnischen Weichen hin zu mehr Sicherheit gestellt hat. Ich erläutere es Ihnen gerne noch einmal. Bis Ende 2010 haben die atomrechtlichen Behörden ihre Erfahrungsberichte vorgelegt. Die praktische Anwendbarkeit wurde geprüft. Teilweise wurde sie bestätigt, teilweise wurden weitere Vorschläge zur Überarbeitung vorgelegt. Auf dieser Grundlage und nach entsprechenden Fachgesprächen erfolgt die Überarbeitung. Damit tragen wir auch dem Anliegen, das Sie gerade formuliert haben, Rechnung. Vizepräsident Eduard Oswald: Es gibt hierzu eine weitere Nachfrage. – Bitte schön, Herr Kollege. Gerd Bollmann (SPD): Frau Staatssekretärin, ist es richtig, dass in § 7 d des Atomgesetzes nur die Dinge beschrieben werden können, die im kerntechnischen Regelwerk enthalten sind? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Der qualitative Fortschritt ist die Dynamik; auch das habe ich bereits gesagt. Es muss nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nachgerüstet werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine weitere Nachfrage der Frau Kollegin Ute Vogt. Ute Vogt (SPD): Frau Staatssekretärin, wir bitten Sie, für uns zu präzisieren, wie Sie den Stand von Wissenschaft und Technik einfordern wollen, wenn die dazu erforderliche Rechtsgrundlage nicht veröffentlicht ist. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin Vogt, zwischen dem Bund und den Landesbehörden laufen permanent Gespräche. Ich habe den Prozess eben ausführlich beschrieben. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, dass dieser Prozess der Weiterentwicklung und der Inkraftsetzung des kerntechnischen Regelwerks inklusive der Einführung von § 7 d Atomgesetz nicht mit einem bestimmten Tag beendet, sondern fortwährend ist. Zu diesem Prozess gibt es noch keinen konkreten Abschluss. Vizepräsident Eduard Oswald: Keine weitere Nachfrage dazu. Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Dr. Kofler auf: Wie wird die von der Bundesregierung angekündigte weitere Überprüfung der heute noch betriebenen Atomkraftwerke auf Konsequenzen aus den Erfahrungen mit der Havarie erfolgen – bitte mit Datumsangabe –, und welche Vorbereitungen sind in diesem Kontext seit der Vorlage des Sonderprüfberichts der Reaktor-Sicherheitskommission getroffen worden? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Für die Überprüfung der weiter betriebenen Kernkraftwerke – auch hinsichtlich der sich nach dem Unfall in Fukushima ergebenen Erkenntnisse und Risikobeurteilungen – sind die atomrechtlichen Aufsichtsbehörden der Bundesländer zuständig. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wird die entsprechenden Verfahren begleiten. Zusammen mit den zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder hat das BMU am 24. Mai 2011 beschlossen, die RSK mit der Fortsetzung der Beratung zu beauftragen. Daneben hat es die zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder mit Schreiben vom 20. Juni 2011 gebeten, die von der RSK in ihrer Stellungnahme aufgezeigten Empfehlungen umzusetzen und die offenen Punkte bei den in ihrer aufsichtlichen Zuständigkeit liegenden Kernkraftwerken zu klären. Derzeit erfolgt die entsprechende Prüfung bei den zuständigen Behörden. Sobald sich insbesondere aus den Beratungen der RSK weitere Erkenntnisse ergeben, wird das BMU entsprechende Maßnahmen mit den zuständigen Behörden beraten. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine Nachfrage, Frau Kollegin Kofler. Dr. Bärbel Kofler (SPD): Das war auch wieder ein wenig wie bei den Antworten, die ich vorher bekommen habe. Wenn man nach konkreten Zeiträumen fragt, dann erhält man die Antwort, es sei ein Prüfauftrag erteilt worden. Es stellt sich natürlich schon die Frage, was jetzt in Bezug auf die Länderaufsicht konkret passieren soll. Die bayerische Atomaufsicht hat sich bei der Revision eines Risses in einem Rohr im AKW Grafenrheinfeld – ich sage es einmal flapsig – nicht mit Ruhm bekleckert und auf Zeit gespielt. Kommt das in Zukunft, wenn Ihre Prüfaufträge abgeschlossen sind und Sie sich mit den Ländern ins Benehmen gesetzt haben, dann nicht mehr vor? Wird dadurch vermieden, dass solche Fälle wie der von Grafenrheinfeld noch einmal vorkommen? (Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Riss in einem Rohr: So ein Quatsch!) Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Wir befinden uns mit den Ländern in einem laufenden Erörterungsprozess, der auch eine baldige Umsetzung der sogenannten Nachrüstliste umfasst. Aus dem eben dargestellten Prozess ergeben sich dann auch weitere Anforderungen. Dr. Bärbel Kofler (SPD): Dann frage ich jetzt noch einmal nach: Welche konkreten weiteren Anforderungen sind das? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin, das kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht beantworten. Ich würde Ihnen gerne einen schriftlichen Bericht zur Verfügung stellen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen herzlichen Dank. – Kollege Dr. Miersch hat noch eine Nachfrage. Dr. Matthias Miersch (SPD): Frau Staatssekretärin, vor dem Hintergrund, dass Sie mit den Ländern in Kontakt sind, um gegebenenfalls Sicherheitsanforderungen auf der Grundlage der Forderungen der Reaktor-Sicherheitskommission zu formulieren, frage ich Sie: Halten Sie es nicht für notwendig, dass man gerade diesbezüglich noch einmal für eine Klarstellung der Rechtsgrundlagen sorgt, und ist insofern nicht die Inkraftsetzung des kerntechnischen Regelwerks von ganz erheblicher Bedeutung? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Miersch, niemand bestreitet die Notwendigkeit des kerntechnischen Regelwerkes. Trotzdem dauert der Prozess, weil sich Anforderungen verändern bzw. neu ergeben. Wir haben gerade nach Fukushima noch einmal eine umfangreiche Neubewertung, Neuzusammenstellung und auch -kombination von Risiken vorgenommen. Deshalb bitte ich Sie, zu respektieren, dass bei dem Dialogprozess, dessen Umsetzung Sie vielleicht beschleunigen möchten, immer wieder eine Rückkopplung mit den Ländern und Betreibern erfolgen muss. Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Kelber stellt die letzte Nachfrage. Ulrich Kelber (SPD): Der Bundesumweltminister hat sowohl am 28. Oktober – betreffend die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke – als auch am 30. Juni – betreffend Rücknahme der Laufzeitverlängerung – angekündigt, dass eine konkrete, mit Jahreszahlen versehene Nachrüstungsliste für alle verbleibenden Atomkraftwerke und auch für die abgeschalteten – wenn es in den dortigen Bereichen der Sicherheit vorgesehen ist – vorgelegt wird. Dazu habe ich eine Nachfrage: Wann wird sich die Bundesregierung eine Meinung gebildet haben, ob bei den abgeschalteten Atomkraftwerken, bei denen das Abklingbecken mit den Brennelementen außerhalb des Sicherheitscontainments liegt, Nachrüstungen oder auch technische Veränderungen durchgeführt werden müssen? Das soll spätestens in fünf Jahren erledigt sein. Von daher interessiert es mich, ob das innerhalb dieser fünf Jahre passieren wird. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Kelber, zur Nachrüstliste habe ich sowohl der Kollegin Kofler als auch gerade dem Kollegen Miersch gesagt, dass wir uns mit den Ländern in einem Prozess befinden. Die Nachrüstliste soll umgesetzt werden. Ich kann Ihnen aber nicht genau sagen, welche Maßnahme in welchem Kraftwerk zu welchem Zeitpunkt umgesetzt werden kann. Wir befinden uns immer noch in einem Erörterungsprozess mit den Bundesländern, weil es unterschiedliche Auffassungen gibt. Auch das gehört zu einem Diskussionsprozess. Bevor Sie mich jetzt fragen, wo es unterschiedliche Auffassungen gibt bzw. für welches Kraftwerk wir welche Maßnahme möglicherweise diskutiert, verworfen oder doch genehmigt haben, schlage ich vor, Ihnen, sobald es möglich ist, etwas Schriftliches zur Verfügung zu stellen. Ansonsten bleibt es bei meinen schon bisher gegebenen Antworten. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir behandeln gerade den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Es gibt einen Beschluss des Plenums, dass der Bundesminister zu diesem Geschäftsbereich selbst erscheinen soll. Der Bundesminister ist noch nicht in Berlin, er befindet sich im Anflug. Es ist zeitlich sichergestellt, dass er nach seiner Landung hier sein kann. Um dem Wunsch des Plenums Rechnung zu tragen, werden wir jetzt die Behandlung des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit unterbrechen. Die zu beantwortenden Fragen werden wir dann im Anschluss – in der Hoffnung, noch im geplanten Zeitfenster zu sein – behandeln. Wir werden mit den anderen Geschäftsbereichen – wir befinden uns ja noch in der Fragestunde – weitermachen. Die Aktuelle Stunde folgt dann unmittelbar darauf. So war das einvernehmlich festgestellt worden. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir wollten eine halbe Stunde mit dem Minister!) – Der amtierende Präsident wird dann schauen, dass auch die Zeit zur Beantwortung der entsprechenden Fragen an den Bundesminister bleibt. Das ist einvernehmlich so festgestellt worden. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Forschung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Helge Braun zur Verfügung. Die Fragen 16 und 17 der Kollegin Ulla Burchardt und die Fragen 18 und 19 des Kollegen René Röspel werden schriftlich beantwortet. Wir kommen dann zur Frage 20 des Kollegen Oliver Kaczmarek: Für wann konkret ist die Unterzeichnung des Nationalen Paktes für Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland zwischen Bund und Ländern geplant, und welche Partner haben angekündigt, sich an dem Pakt zu beteiligen? Bitte schön. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank, Herr Präsident. – Lieber Herr Kollege Kaczmarek, Sie haben gefragt, wann mit der Unterzeichnung des „Nationalen Paktes für Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland“ zu rechnen ist und wer die beteiligten Paktpartner sind. Die beteiligten Paktpartner sind der Bund, die Länder, die Sozialpartner – also Arbeitgeber und Gewerkschaften –, die kommunalen Spitzenverbände und einige gesellschaftlich engagierte Gruppen, die in diesem Bereich gute Arbeit leisten. Wir als Bund haben immer deutlich gemacht, dass wir möglichst bald zu Ergebnissen kommen wollen und deshalb nach Möglichkeit noch in diesem Jahr zu einem Abschluss kommen wollen. Garantieren kann ich Ihnen das aber nicht; denn es sind hieran, wie Sie sehen, viele Partner beteiligt. Momentan wird in Arbeitsgruppen an den Beiträgen der einzelnen Partner für diesen Pakt gearbeitet. Wenn diese fertig sind, können wir den Pakt unterzeichnen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön. Oliver Kaczmarek (SPD): Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung meiner Frage. Ich möchte nachfragen. Für den Fall, dass es doch nicht zu einer zügigen Unterzeichnung kommen sollte: Können Sie gewährleisten, dass zum Ende des Jahres aufgrund auslaufender Projektförderung bei den Trägern der Alphabetisierung und Grundbildung nicht Strukturen wegbrechen, die wir zu Beginn des Paktes dringend benötigen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ja. Wir haben als Bundesministerium für Bildung und Forschung selber eine Studie in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist, dass in Deutschland bis zu 7,5 Millionen funktionelle Analphabeten leben. Deshalb ist unser Ziel, dass wir für die nächsten drei Jahre in einer Programmphase insgesamt 20 Millionen Euro verausgaben, um dieser Gruppe mit gezielten Maßnahmen zu helfen. Bund, Länder und alle Paktpartner sind sehr engagiert und wollen zusammenarbeiten. Die richtige Schlagkraft bekommt das Programm nur, wenn wir es gemeinsam durchführen. Gerade die Kommunen sind besonders gefragt, weil dort aufgrund der Infrastrukturen und Lehreinrichtungen die konkreten Angebote gemacht werden können. Deshalb ist ein alleiniges Handeln des Bundes schwierig. Ich sehe momentan auch nicht die Schwierigkeit, dass wir den Pakt nicht zustande bringen, weil das Wissen um die Bedeutung des Themas von allen geteilt wird. Aber wir werden selbstverständlich dafür sorgen, dass das Engagement, das der Bund zeigt, in jedem Fall auch im nächsten Jahr zum Tragen kommt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Haben Sie eine zweite Nachfrage? – Bitte schön. Oliver Kaczmarek (SPD): Es ist richtig, wenn Sie sagen: Der Bund darf hier nicht vorpreschen, sondern er muss alle Projektpartner mitnehmen. Ihr Kollege Herr Rachel hat mir in der vergangenen Sitzungswoche auf die Frage, was die Bundesregierung in den Alpha-Pakt einbringen möchte, einen Förderschwerpunkt genannt, nämlich die „Arbeitsplatzorientierte Alphabetisierung und Grundbildung“. Deshalb die Frage: Ist damit nicht schon eine Vorwegnahme verbunden? Ist gewährleistet, dass auch die anderen Projektbereiche finanziell unterlegt und möglicherweise vom Bund mitberücksichtigt werden, auch wenn es nicht um die arbeitsplatzorientierte Alphabetisierung geht? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Anstoßgeber für die Initiative ist die Studie, in der gezeigt wird, wo die Probleme des Analphabetismus liegen. In der Studie ist deutlich geworden, dass der Bereich Arbeitsplatz einen ganz besonders wunden Punkt berührt. Deshalb ist dieses Engagement keine Vorwegnahme, sondern es ist einfach ein sich aus den Fakten, die wir gesammelt haben, ergebender Schwerpunkt, bei dem wir als Bund gesagt haben: Das wollen wir in jedem Falle einbringen. Selbstverständlich ist das eine Säule neben vielen anderen, die wir genauso im Blick haben. Insofern ist dies exemplarisch für das, was wir tun wollen. Aber das ist natürlich noch lange nicht der gesamte Pakt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit sind wir bei Frage 21 des Kollegen Kaczmarek: Aus welchem Grund hat sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung aus der Finanzierung der Fachtagung Alphabetisierung, organisiert vom Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e. V., in diesem Jahr erstmals zurückgezogen, und wie wird diese Entscheidung fachlich begründet? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lieber Herr Kollege, eine etwaige Finanzierung der Fachtagung Alphabetisierung war in der Vergangenheit stets eine einzelfallbezogene Unterstützung. Das vom Fachverband Alphabetisierung und Grundbildung vorgelegte Konzept für die diesjährige Fachtagung Alphabetisierung entsprach nicht den bildungspolitischen Kriterien des Förderschwerpunkts Forschung und Entwicklung – ich betone: Forschung und Entwicklung – zur Alphabetisierung und Bildung Erwachsener, sodass in diesem Fall eine Förderung nicht möglich war. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Eine Nachfrage? – Bitte sehr. Oliver Kaczmarek (SPD): Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung dieser Frage. Ich möchte aber trotzdem nachfragen. Ist es richtig, dass die Bundesregierung zugesagt hat, für den gesamten Verlauf der Weltalphabetisierungsdekade, also bis einschließlich nächsten Jahres, die Finanzierung dieser Fachtagung zu übernehmen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Nein, wir haben keine Förderung für die gesamte Laufzeit zugesagt. Es ist in der Tat so: Für jede einzelne Fachtagung muss ein Antrag gestellt werden, der gegebenenfalls bewilligt wird. Es handelt sich also immer um eine Einzelfallentscheidung. Im Rahmen der Weltalphabetisierungsdekade stellen wir zur Finanzierung des Weltalphabetisierungstages jedes Jahr 20 000 Euro regulär zur Verfügung. Diese Fachtagung ist etwas anderes. Sie muss sich mit ihrem Konzept jedes Mal neu beweisen. Sie hat selbstverständlich auch im nächsten Jahr wieder eine Chance auf Förderung, wenn das Konzept den Kriterien entspricht. Aber ich habe eben die Worte „Forschung“ und „Entwicklung“ deshalb so betont, weil der Ansatz der Tagung in diesem Jahr weniger forschungspolitisch war. Der diesjährige Ansatz war, Betroffene zu einem Erfahrungsaustausch zusammenzubringen. Das entspricht nicht unseren Förderkriterien für diese forschungspolitischen Fachtagungen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Bitte sehr. Oliver Kaczmarek (SPD): Bei diesen Tagungen sind auch Betroffene zu Wort gekommen; sie konnten sich einbringen, wenn sich Experten aus Forschung und Alphabetisierungspraxis austauschen. Deswegen frage ich Sie: Haben Sie die Absicht, die vielleicht freigewordenen Mittel einzusetzen, um andere Veranstaltungen zu fördern, die diese Zielgruppe entsprechend bedienen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Bei dem entsprechenden Haushaltstitel handelt es sich um einen Titel, aus dem unterschiedliche Maßnahmen in dem Bereich finanziert werden. Ich gehe davon aus, dass wir den Mittelabfluss bei diesem Haushaltstitel in diesem Jahr schaffen werden. Insofern ist das selbstverständlich der Fall. Damit kein falscher Zungenschlag hineinkommt, möchte ich aber eines betonen: Mit dem Bundesverband, der die Fachtagung ausrichtet und zum Beispiel auch an dem Pakt beteiligt ist, den wir entwickeln, haben wir ein gutes Einvernehmen. Die Tatsache, dass in diesem Jahr die Förderung der Fachtagung, bei der der Forschungsaspekt nicht im Vordergrund stand, nicht möglich war, hat nicht zu einer Verstimmung geführt, schon gar nicht auf unserer Seite. Es war eine Einzelfallentscheidung, die wir, glaube ich, in gutem Einvernehmen getroffen haben. Das ist auch kein Präjudiz für kommende Jahre. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dann kommen wir zur Frage 22 des Kollegen Swen Schulz: Inwieweit und in welcher Höhe erwartet die Bundesregierung Mehrausgaben bei der Umsetzung des Gesetzentwurfs auf Bundestagsdrucksache 17/6260 – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen – und den begleitenden Maßnahmen? Herr Staatssekretär. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lieber Herr Kollege Schulz, die Bundesregierung erwartet über die im Vorblatt und in der Begründung zum Gesetzentwurf ausgewiesenen und im Haushalt 2012 und in der Finanzplanung berücksichtigten finanziellen Auswirkungen hinaus keine sich unmittelbar aus dem Gesetzentwurf ergebenden Mehrkosten. Die erfolgreiche Umsetzung des Gesetzes zu gewährleisten und eine nachhaltige Verbesserung der Anerkennungspraxis zu erreichen, liegt in unserem Zuständigkeitsbereich und wird von den verschiedenen Ressorts mit gesetzesbegleitenden Maßnahmen unterstützt. Zum einen wollen wir eine stärkere Vereinheitlichung und Standardisierung des Verwaltungsvollzugs erreichen. Zum anderen geht es darum, ein umfängliches Informations- und Beratungsangebot für Anerkennungssuchende zu etablieren. Auch das ist Gegenstand unserer Initiativen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Schulz, Sie haben eine Nachfrage. Bitte sehr. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, wir haben heute im Ausschuss über diesen Gesetzentwurf gesprochen und auch darüber abgestimmt. Im Rahmen der Diskussion haben Sie, Herr Staatssekretär, darauf hingewiesen, dass Antragstellerinnen und Antragsteller gegebenenfalls einen Anspruch etwa auf weitere Qualifizierungsmaßnahmen durch die Bundesagentur erhalten, weil nicht immer die volle Anerkennung ausgesprochen werden kann. Das dürfte ein großer Posten sein, was die Kosten angeht. Haben Sie diesbezüglich eine Vorstellung, wie hoch die Zahl der Betroffenen sein wird und wie hoch die Kosten sein werden, die aus Mitteln der Agentur für Arbeit zu bestreiten sind? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Das ist heute sehr schwierig zu beantworten, weil beim Anerkennungsgesetz jeder weltweit Anträge stellen kann, es also theoretisch Milliarden von möglichen Antragstellern gibt. Denn jeder, der über eine Berufsqualifikation verfügt, kann einen Antrag stellen. Was diejenigen angeht, die schon in Deutschland sind, haben wir, um uns eine Vorstellung zu machen, eine Auswertung des Mikrozensus vorgenommen und festgestellt, dass von 285 000 potenziellen Antragstellern aus Deutschland auszugehen ist. Die Einschätzung, ob alle potenziellen Antragsteller tatsächlich einen Antrag stellen werden und ob es sich bei ihnen um Personen handelt, die derzeit quasi berufsfremd einer Arbeit nachgehen oder ob sie unter den Geltungsbereich des SGB II oder III fallen, war im Rahmen der Auswertung der uns vorliegenden Daten leider nicht möglich. Insofern können wir die Frage, welche Mittel im Rahmen der arbeitsmarktpolitischen Instrumente in dem Kontext tatsächlich abgerufen werden, zurzeit nicht präzise beantworten. Ich will aber darauf hinweisen, dass wir über die arbeitsmarktpolitischen Instrumente hinaus mit Programmen unseres Hauses, dem BMBF, Fördermöglichkeiten vorsehen, gerade um zum Beispiel ausländische Akademiker weiter zu qualifizieren. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Bitte schön. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Noch einmal zu meinem besseren Verständnis: Sie können das nicht genau sagen; dafür habe ich volles Verständnis. Alles andere wäre Spekulation. Aber damit, dass es Mehrausgaben geben wird, ist durchaus zu rechnen. Ist in irgendeiner Form Vorsorge im Bundeshaushalt hinsichtlich möglicher Mehraufwendungen im Bereich der Bundesagentur für Arbeit getroffen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Unserer Überzeugung nach haben wir es mit einer Klientel zu tun, deren ausländische Abschlüsse bislang nicht anerkannt wurden. Soweit die Betreffenden am Arbeitsmarkt nicht teilnehmen, ist dieser Personenkreis schon heute anspruchsberechtigt, Maßnahmen zu erhalten, die eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt ermöglichen sollen. Wir wollen mit dem Anerkennungsgesetz einen qualitativen Schritt gehen und dafür sorgen, dass die entsprechenden Maßnahmen zielgerichteter durchgeführt werden, sodass die Betreffenden nach Anerkennung ihrer Abschlüsse in ihren Ursprungsberufen arbeiten können. Die Frage, ob nicht sowieso Maßnahmen – quasi substitutiv, aber zielgerichteter – zugunsten des Einzelnen durchgeführt werden oder ob es sich um zusätzliche Maßnahmen handelt, ist unglaublich schwierig zu beantworten; denn es handelt sich um ein neues Gesetz, das einen neuen Anspruch begründet. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dann kommen wir jetzt zu Frage 23 des Kollegen Swen Schulz: Welche konkreten Planungen hat die Bundesregierung hinsichtlich einer neuen Kooperation der Berliner Charité mit dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, und innerhalb welchen Zeitraumes sollen zusätzliche Mittel des Bundes in diese Kooperation investiert werden? Herr Staatssekretär. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ich beantworte Ihnen die Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat derzeit keine konkreten Pläne, eine etwaige neue Kooperation zwischen der Charité Universitätsmedizin Berlin und dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, MDC, in Berlin-Buch zu unterstützen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Es gibt keine Nachfrage dazu. Dann kommen wir jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Für die Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp zur Verfügung. Wir kommen zu Frage 24 der Kollegin Karin Roth: Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, dass 44,7 Prozent der Mittel des develoPPP-Programms an Unternehmen mit Projekten in Schwellenländern, China oder Indien, ausgezahlt werden, aber lediglich 7,9 Prozent an Projekte in allen Least Developed Countries, LDC, und wie passt dies mit der Aussage des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, zusammen, China sei kein Entwicklungsland mehr und es würden keine Mittel aus dem Einzelplan 23 für Vorhaben in und mit China ausgegeben? Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin Roth, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Seit dem Jahr 2010 erfolgen keine bilateralen Neuzusagen aus Haushaltsmitteln des Einzelplans 23 an die Volksrepublik China. Aus dem Programm develoPPP.de fließen keine Mittel an die chinesische Regierung. Vielmehr werden sie in direkter Kooperation mit der Wirtschaft eingesetzt. Das BMZ informiert Unternehmen über Chancen in Entwicklungsländern und unterstützt sie bei entwicklungsrelevanten Investitionen. Die Entscheidung über das Zielland einer Investition liegt beim Unternehmen selbst. Bei develoPPP.de setzen wir bewusst keine regionalen Schwerpunkte, damit wir weiterhin die besten Vorschläge von Unternehmen aufgreifen können, dort, wo die Interessen des BMZ und seiner Partnerländer mit denen der Wirtschaft am meisten übereinstimmen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Roth, eine Nachfrage, bitte schön. Karin Roth (Esslingen) (SPD): Danke, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretärin, es ist zwar richtig, dass das Land China nicht direkt das Geld bekommt, sondern die einzelnen Unternehmen. Aber Sie haben angekündigt, dass China kein Entwicklungsland mehr ist und dass daher die Bundesregierung keine entsprechenden Maßnahmen mehr durchführt. Tatsächlich gehen nur ungefähr 8 Prozent der Mittel dieses Programms an Least Developed Countries. Eigentlich ist vorgesehen, dass gerade diese Länder entsprechend unterstützt werden. Wenn ich mir die Liste der Projekte anschaue, die Sie nicht finanziert haben, weil keine Mittel vorhanden waren, dann stellt sich für mich die Frage, welche Prioritäten Sie setzen. Ist Ihre Priorität die Entwicklung von wenig entwickelten Ländern – dann muss das Geld dorthin fließen; es gibt genügend Projekte –, oder sind wie bisher die Schwellenländer Ihre Priorität? Ich habe den Eindruck, dass es große Ankündigungen gibt, dass aber das genaue Gegenteil gemacht wird. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Roth, in den Ländern Brasilien, China, Indien, Indonesien, Mexiko und Südafrika leben insgesamt mehr als die Hälfte der wirklich armen Menschen, nämlich Menschen, die weniger als 1,25 Dollar pro Tag zur Verfügung haben. Diese Länder werden vom DAC der OECD weiter als Entwicklungsländer eingestuft. Ich sage ausdrücklich: Wir arbeiten nicht mit den dortigen Regierungen zusammen. Wir geben keine frischen Gelder dorthin. Vielmehr arbeiten wir mit Unternehmen zusammen, die wir nach entwicklungspolitischen Aspekten auswählen. Zur Statistik: Seit 1999 wurden 9,2 Prozent der Mittel aus develoPPP.de für Entwicklungspartnerschaften mit den ärmsten Ländern eingesetzt. 32,9 Prozent der Mittel wurden für Schwellenländer gemäß der Definition nach Punkt 2 des „Konzepts der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit Globalen Entwicklungspartnern“ des BMZ zur Verfügung gestellt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Roth, Sie haben eine weitere Nachfrage? – Bitte sehr. Karin Roth (Esslingen) (SPD): Frau Staatssekretärin, es ist unstrittig, dass es bisher so war. Aber Sie haben angekündigt, es anders zu machen. Entwicklungshilfe geht in der Regel nicht an Staaten, sondern an Projekte, sofern sie bilateral sind. Daher ist meine Frage: Beabsichtigen Sie in Zukunft aufgrund der Antragslage – Anträge sind vorhanden –, mehr Least Developed Countries zu berücksichtigen und dafür weniger Schwellenländer? Sie haben zwar recht, dass auch diese noch Probleme haben, aber die Frage ist: Worauf konzentrieren wir unsere Hilfe, unabhängig davon, was die Unternehmen angeht? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Im Fokus stehen für uns diejenigen Länder, die am meisten Hilfe brauchen. (Karin Roth [Esslingen] [SPD]: So ist es!) In diesen Ländern fördern wir insbesondere die ländliche Entwicklung. Wir haben heute Morgen im Ausschuss darüber geredet, wie wichtig Rechtssicherheit ist. Entwicklungsländer müssen zu mehr Rechtsstaatlichkeit kommen, die Menschenrechte einhalten und auch die Gründung von Unternehmen ermöglichen. Sie wissen, dass erst dadurch überhaupt Arbeitsplätze entstehen und die Wirtschaft florieren kann. Insofern stehen die Ärmsten für uns im Fokus. Bei der Auswahl der Projekte sehen wir sehr genau hin, was unserem Ziel am nächsten kommt. Zu China sage ich Ihnen: Alle Leistungen, auch die, die dort seitens der Regierung nachgefragt werden, erbringen wir. Das gilt auch für Beratungsleistungen. Wir erbringen sie aber gegen Bezahlung. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Sascha Raabe auf: Welche Unternehmen wurden in den vergangenen zwei Jahren mit Mitteln in welcher Höhe aus dem Haushaltstitel 687 11 „Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft“ des Einzelplans 23 gefördert? Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Raabe, ich möchte vorweg sagen, dass wir mit Mitteln des Haushaltstitels 687 11 nicht Unternehmen direkt fördern, das heißt, hier werden keine Subventionen gezahlt, sondern Entwicklungspartnerschaften und Machbarkeitsstudien finanziert, zu denen Unternehmen mindestens 50 Prozent der Gesamtkosten beitragen. Seit 2010 wurden aus dem Haushaltstitel, den ich eben nannte, für Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft etwa 54 Millionen Euro vertraglich belegt. Es gibt hier eine Aufstellung von Einzelprojekten, nämlich 216 an der Zahl, die in diesem Zeitraum mit Unternehmen eingegangen wurden. Diese Liste liegt mir im Detail vor. Ich biete Ihnen an, Ihnen diese zur Einsicht zur Verfügung zu stellen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Raabe, eine Nachfrage? – Das ist nicht der Fall. Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Sascha Raabe auf: Um wie viel Prozent ist die Zahl der Anträge auf eine Förderung aus dem Haushaltstitel 687 11 „Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft“ des Einzelplans 23 und das tatsächlich abgerufene Volumen aus dem Titel 687 11 in den vergangenen zwei Jahren angestiegen, und wie bewertet das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Nachfrage nach Förderungen aus dem Titel seitens der Wirtschaft? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Raabe, die Nachfrage nach Förderung aus dem Haushaltstitel 687 11 „Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft“ des Einzelplans 23 ist mit Einführung des Ideenwettbewerbs vom Januar 2009 gestiegen und in den vergangenen zwei Jahren 2010, 2011 auf dem gleichen Niveau geblieben. Das tatsächlich abgerufene Volumen aus dem genannten Titel ist in den vergangenen zwei Jahren ebenfalls gleich geblieben, weil die Mittel immer voll abgerufen wurden. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bewertet es als äußerst positiv, dass die Nachfrage der Unternehmen nach einer Kooperation mit dem BMZ die Höhe der verfügbaren Fördermittel übersteigt und somit ein Wettbewerb um die besten Vorschläge stattfindet. Für uns ist neben der Anzahl der Förderanträge vor allem die Qualität entscheidend. Auch in dieser Hinsicht bewertet das BMZ es positiv, dass in den vergangenen zwei Jahren die Zahl der strategischen Allianzen gestiegen ist, dass also mehr groß angelegte Entwicklungspartnerschaften mit einer besonderen Breitenwirksamkeit eingegangen werden konnten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine Nachfrage, Herr Raabe. Bitte sehr. Dr. Sascha Raabe (SPD): Frau Staatssekretärin, was den ersten Teil Ihrer Antwort angeht, habe ich Sie so verstanden, dass das Volumen in den letzten zwei Jahren im Prinzip relativ konstant geblieben ist. Wie verträgt sich das mit der Aussage des Ministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dass die Privatwirtschaft unter seiner Ägide besonders profitiert und dass sie zum Aufbau in den Entwicklungsländern beiträgt? Durch seine sämtlichen Konzepte zieht sich das Motto: Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft. Steht das nicht im Widerspruch dazu, dass in diesem Bereich anscheinend gar nicht so viel geschehen ist? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Raabe, ich verstehe Ihre Skepsis gegenüber der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft nicht wirklich. Allein im Titel „Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ drückt sich doch eigentlich aus, wie wertvoll die Privatwirtschaft ist. Sie wissen sicher auch, dass unsere Haushaltsansätze nicht annähernd reichen, um die Entwicklungsarbeit zu leisten, die wir gerne leisten würden. Das heißt, wir brauchen Partner. Partner sind auf der einen Seite die Zivilgesellschaft und auf der anderen die Privatwirtschaft. Dass es eine große Nachfrage nach unseren Projekten gibt – nach Projekten, mit denen wir eine Kooperation anbieten –, finde ich positiv. Ich sehe darin überhaupt nichts Negatives. Auf diese Weise gelingt es uns, Investitionen in Entwicklungsländern in erheblichem Umfang zu generieren und somit Entwicklung voranzutreiben. Ich bitte Sie, das auch einmal von der positiven Seite zu sehen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dafür haben Sie jetzt noch eine Zusatzfrage. (Heiterkeit) Dr. Sascha Raabe (SPD): Frau Staatssekretärin, ich glaube, Sie haben meine erste Frage völlig missverstanden. Ich wollte gerade darauf hinweisen, dass Entwicklungsminister Niebel immer betont, dass die vorige Regierung die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft vernachlässigt habe und dass er es viel besser mache. Ihre Antwort hat gerade bestätigt, dass der Umfang dieser Zusammenarbeit in den letzten zwei Jahren im Prinzip konstant geblieben ist. Natürlich haben wir zu unserer Regierungszeit gesehen, dass diese Zusammenarbeit durchaus positive Effekte haben kann. Mich wundert, dass Minister Niebel immer so tut, als sei das jetzt sein neues Instrument; schließlich hat sich im Prinzip faktisch gar nichts getan. Ich vermute, Sie haben bei der Beantwortung meiner Frage das abgelesen, wovon Sie glaubten, dass ich es hören will. Meine eigentliche Frage zielte aber auf etwas anderes. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ich habe bei der Beantwortung des zweiten Teils Ihrer Frage nicht abgelesen; darauf weise ich ausdrücklich hin. Die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft ist etwas, was wir als neue Bundesregierung enorm propagieren. Eine solche Zusammenarbeit hat es in den elf Jahren zuvor nicht gegeben. Wir sprechen jetzt von Mitteln, die wir im Rahmen eines Ideenwettbewerbs vergeben, weil die Nachfrage danach so groß ist. Das belegt eigentlich den positiven Aspekt, also auch den erzielbaren Erfolg. Es gibt viele andere Projekte, die wir gemeinsam mit der Privatwirtschaft verfolgen. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist, um in Zukunft mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit zu erhalten, aber auch um mehr Wirksamkeit zu bekommen, Stichwort „Wettbewerb um die Gelder“. Das ist einleuchtend, jedenfalls für uns. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Roth, eine Nachfrage, bitte. Karin Roth (Esslingen) (SPD): Dass es eine gute Entwicklung gegeben haben soll, nehmen wir einfach einmal so hin. Sie haben gesagt, dass es seit kurzem Ideenwettbewerbe gibt. Frau Kollegin Kopp, vielleicht ist es Ihnen möglich – wenn nicht jetzt, dann doch zumindest im Nachgang –, uns eine Liste zur Verfügung zu stellen, aus der hervorgeht, wie viele Maßnahmen Sie hätten bewilligen können, wenn Sie genügend Mittel gehabt hätten. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Roth, das ist aus dem Stegreif schwer zu sagen. Ich habe von den 216 gelisteten Projekten gesprochen. Es gibt Informationen über weitere Anfragen. Aber die Zahl müsste ich Ihnen nachliefern; die habe ich jetzt nicht dabei. Ich habe die Zahl genannt, die belastbar ist und somit auch schon „eingepreist“ ist. So können Sie genau nachvollziehen, auf welcher Ebene wir zusammenarbeiten. Wenn Sie möchten, liefere ich die Sie interessierende Zahl gern nach. (Iris Gleicke [SPD]: Wir bitten darum!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung steht unser Kollege Parlamentarischer Staatssekretär Ernst Burgbacher zur Verfügung. Die Fragen 27 und 28 des Kollegen Krischer werden schriftlich beantwortet. Die Frage 29 ist bereits beantwortet worden. Die Frage 30 des Kollegen Fell wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 31 der Kollegin Nestle auf: Was sind die Gründe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, dass es sich schon mehrfach gegen die Schaffung eines Kapazitätsmarkts ausgesprochen hat, gleichzeitig aber ein Kraftwerksförderprogramm mit Investitionszuschüssen vorantreibt? Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Präsidentin, ich würde gern die Fragen 31 und 32 zusammen beantworten, weil sie in einem engen Zusammenhang stehen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dann rufe ich auch die Frage 32 der Kollegin Nestle auf: Inwiefern greift eine pauschale Förderung von Kraftwerken mit 15 Prozent der Investitionssumme weniger in den Markt ein als ein Kapazitätsmarkt, den der Bundesminister Dr. Philipp Rösler aufgrund seines tiefen Eingriffs in die Marktmechanismen beim EU-Ratstreffen der Wirtschafts- und Energieminister in Breslau abgelehnt hat? Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Liebe Kollegin Nestle, Kapazitätsmechanismen können, je nach Ausgestaltung, einen tiefen Eingriff in die Energiemärkte bedeuten, insbesondere dann, wenn sie auf einer zentralen Bestimmung zukünftiger Kraftwerksbedarfe beruhen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie lehnt derartige Mechanismen nicht grundsätzlich ab – auch der Minister nicht –, will einen solch weitreichenden Schritt aber sorgfältig prüfen. Deswegen hat unser Ministerium einen Forschungsauftrag unter anderem zur Frage der Notwendigkeit und der möglichen Ausgestaltung von Kapazitätsmärkten vergeben. Das Kraftwerksförderprogramm ist dagegen auch vor dem Hintergrund des EU-beihilferechtlichen Rahmens von vornherein auf die Jahre 2013 bis 2016 befristet und zudem auf Erzeuger mit einem Anteil von weniger als 5 Prozent der Stromerzeugung begrenzt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Nestle, eine Nachfrage. Bitte sehr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön. – Ich würde gern nachfragen, wie Sie sich das mit dem Kraftwerksförderprogramm eigentlich vorstellen. Wie soll durch dieses Programm sichergestellt werden, dass Kraftwerke dort entstehen, wo man sie wirklich braucht? Wir haben in der Debatte um die Kaltreserve gesehen, dass der Standort der Kraftwerke entscheidend ist. Es geht darum, effizient darüber zu entscheiden, welche Kraftwerke wo gebraucht werden. Ein pauschales Kraftwerksförderprogramm bedeutet letztlich aber doch nur, dass derjenige, der am teuersten baut, die höchste Subvention bekommt. Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Das wird sicher nicht der Fall sein, Frau Kollegin Nestle. Wir sind jetzt in einer ganz schwierigen Situation; das wissen wir alle. Wir brauchen Kraftwerkszubau. Wir haben eine enorme Steigerung der Erneuerbaren, die aber nicht immer verfügbar sind. Die notwendigen Speichertechniken sind noch nicht einsatzbereit. Deshalb müssen wir vom Staat aus fördern. Wir haben das von vornherein auf vier Jahre begrenzt, wie ich schon gesagt habe, und wir haben parallel dazu einen Auftrag vergeben, Kapazitätsmärkte zu untersuchen. Wir müssen jetzt zunächst einmal alles zur Verfügung stellen, was wir haben, um Engpässe zu vermeiden. Ich denke, wir sollten gemeinsam in diese Richtung gehen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine weitere Nachfrage. Bitte. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich würde gern noch nachfragen, worauf Sie erstens die Annahme gründen, dass wir neben den Kraftwerken, die bereits im Bau sind und von diesem Kraftwerksförderprogramm gar nicht betroffen sind, noch den Zubau weiterer fossiler Kraftwerke brauchen, und worauf Sie zweitens die Annahme gründen, dass nicht gebaut würde, wenn es das Kraftwerksförderprogramm nicht gäbe. Es ist doch so, dass gerade das Reden darüber, nämlich zu sagen: „Später bekommt ihr eine Förderung“, alle davon abhält, jetzt zu bauen; man wartet doch lieber, bis man noch ein bisschen Geld extra bekommt. Worauf gründen Sie also erstens die Annahme, dass das, was schon im Bau ist, nicht ausreicht, und zweitens die Annahme, dass ohne ein Kraftwerksförderprogramm nichts gebaut würde? Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Wir können uns im Augenblick auf Erhebungen beziehen. Wir wissen, dass es kurzfristig schwierig werden kann. Wir beschränken die Förderung auf die kleinen Stromerzeuger – unter 5 Prozent Anteil an der Stromerzeugung – und begrenzen sie zeitlich. In dem Gutachten, das wir in Auftrag gegeben haben, soll ja ausdrücklich danach gefragt werden: Wie sind die Anforderungen? Was kommt auf uns zu? Wir werden die entsprechenden Zahlen bekommen, und das Gutachten wird zeitnah vorgelegt werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Fragen 33 und 34 der Kollegin Höhn werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zu den Fragen 35 und 36 des Kollegen Bülow. – Er ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Frage 37 des Kollegen Hans-Joachim Hacker, die Frage 38 der Kollegin Katja Keul sowie die Frage 39 der Kollegin Heike Hänsel werden – ebenso wie die darauf folgenden Fragen 40 bis 47 – schriftlich beantwortet. Da die Kollegen Wieland, Ströbele und Kurth nicht im Saal sind, verfahren wir bei den Fragen 48, 49, 50, 51 und 52 sowie bei der Frage 61, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Ich schlage vor – so ist es von den Parlamentarischen Geschäftsführern vereinbart –, dass wir unsere Sitzung jetzt unterbrechen. Die Geschäftsführer haben sich darauf geeinigt, dass wir nach der Unterbrechung die Fragestunde weiterführen und dann die Aktuelle Stunde anschließen. – Bitte, Herr Grund. Manfred Grund (CDU/CSU): Wir haben vereinbart, dass wir bis gegen 16 Uhr die Fragestunde weiterlaufen lassen, soweit die Fragesteller noch im Saal sind. Danach wollen wir ungefähr eine halbe Stunde mit dem Minister über die Fragen der Opposition reden. Um 16.30 Uhr soll die Aktuelle Stunde aufgerufen werden. Darüber sind alle Kollegen informiert, und sie haben sich dementsprechend darauf eingestellt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich gehe davon aus, dass der Minister vor 16.15 Uhr hier sein wird, da der Flieger um 15.35 Uhr gelandet ist. Wir verfahren so, dass wir nach der halben Stunde, die für die Befragung des Ministers vorgesehen ist, mit der Aktuellen Stunde fortfahren. Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 15.38 bis 16.13 Uhr) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir setzen die Fragestunde fort. Wie verabredet werden wir für maximal 20 Minuten zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zurückkehren. Ich rufe erneut die Fragen 5 und 6 des Abgeordneten Dr. Matthias Miersch auf: Inwieweit sind für Brennelemente aus den acht in 2011 stillgelegten Atomkraftwerken ausreichend Castorbehälter verfügbar, um die Verweildauer in Abklingbecken auf das technisch notwendige Maß zu begrenzen, und, falls diese nicht vorliegen, welche Gründe sind gegebenenfalls dafür verantwortlich? Werden Brennelemente aus den in 2011 stillgelegten Atomkraftwerken auch nach einer Abklingzeit von fünf Jahren in Abklingbecken gelagert werden, und welche Standorte betrifft dies im Einzelnen? Der Minister steht zur Beantwortung bereit. Bitte schön. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich erklären, wo ich war. Ich war bei der Feierstunde zum 60-jährigen Bestehen des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Ich bin eben erst in Berlin eingetroffen und bin selbstverständlich gerne bereit, Ihre Fragen zu beantworten. Ich würde die Fragen 5 und 6 des Kollegen Miersch gerne im Zusammenhang beantworten. Entsprechend § 9 a Abs. 1 Atomgesetz haben die Betreiber der Kernkraftwerke dafür Sorge zu tragen, dass die bestrahlten Brennelemente aus dem Betrieb geordnet beseitigt werden. Es liegt auch im Interesse der Betreiber, bei denen entsprechend der 13. Novelle zum Atomgesetz die Berechtigung zum Leistungsbetrieb erloschen ist, die bestrahlten Brennelemente, sobald die sicherheitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, in die Zwischenlager zu überführen, um die Anlagen zügig abbauen zu können. Es ist daher zu erwarten, dass die erforderlichen Behälter in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen werden. Der Bundesregierung liegen derzeit keine anderslautenden Informationen vor. Die Zeit für den Verbleib von bestrahlten Brennelementen im Abklingbecken ist in den Genehmigungen der Kernkraftwerke nicht limitiert. Sie liegt in der Regel bei fünf Jahren; das ist die Größenordnung. Begrenzend sind allerdings die Randbedingungen aus der verkehrsrechtlichen Zulassung der Behälter sowie die technischen Ausnahmebedingungen der Zwischenlager bei der Überführung der bestrahlten Brennelemente in die trockene Zwischenlagerung. Ich nenne insbesondere die Nachwärme, die Sicherstellung der Unterkritikalität und die Quellstärke für die Neutronen- und Gammastrahlung. Im Hinblick auf den Nachweis der Unterkritikalität spielt die geringe Einsatzzeit von Brennelementen, die in der letzten Revision in den in Rede stehenden Kernkraftwerken nachgeladen wurden, eine sicherheitstechnisch wichtige Rolle. Detaillierte Untersuchungen, welche Mengen von Brennelementen in welchen Kernkraftwerken betroffen sind, liegen nicht vor. Die Entsorgungskommission hat sich im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in ihrer Stellungnahme „Anforderungen an bestrahlte Brennelemente aus entsorgungstechnischer Sicht“ vom 27. Mai 2011 vertieft mit Fragen in diesem Zusammenhang befasst. Die Stellungnahme wurde auf der Homepage der ESK veröffentlicht. Die ESK kommt in ihrer Stellungnahme jedoch auch zu dem Ergebnis, dass es möglich erscheint, da die Beladung der Behälter erst in einigen Jahren erfolgen kann, in der Zeit bis dahin die erforderlichen Genehmigungsverfahren durchzuführen und abzuschließen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Miersch, Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön. Dr. Matthias Miersch (SPD): Herr Minister, können Sie aus Ihrer heutigen Perspektive abschätzen, wie viele Castoren notwendig sind, um die Brennelemente eines AKW zu transportieren? Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Nein, die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Dr. Matthias Miersch (SPD): Sie sagen, dass Sie augenblicklich keine Erkenntnisse haben – – Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Miersch, das ist jetzt Ihre zweite Nachfrage. Nur, damit wir uns einig sind. Dr. Matthias Miersch (SPD): Genau. Aber da es zwei Fragen sind, habe ich, glaube ich, vier Nachfragen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie dürfen gerne vier Nachfragen stellen. Wenn Sie mir die Gelegenheit geben, mitzuzählen, wäre das aber sehr freundlich. Dr. Matthias Miersch (SPD): Selbstverständlich, Frau Präsidentin. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Vielen Dank. (Iris Gleicke [SPD]: Wir mussten so lange warten! Daher die Ungeduld!) Dr. Matthias Miersch (SPD): Vielen Dank für die Erteilung des Wortes. Ich möchte Sie gerne mit einem Artikel aus dem Handelsblatt von heute konfrontieren: Nach Angaben von Experten werden allein für Biblis 50 Castorbehälter notwendig sein. – Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Arbeiten Sie an Konzepten, die es Ihnen ermöglichen, eine ausreichende Anzahl an Castorbehältern bereitzustellen, um den Verbleib im Abklingbecken so kurz wie möglich zu halten? Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich sage es noch einmal: Wir haben keine Umrechnung quasi von Kernkraftwerken in Behälter. Selbstverständlich wird das Teil eines Rückbau- und Entsorgungskonzepts sein, um das sicherheitstechnische Optimum realisieren zu können. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kelber. Ulrich Kelber (SPD): Ich bin mir unsicher: Hat man als einfaches Mitglied zwei Nachfragen, weil die Fragen 5 und 6 gemeinsam beantwortet wurden? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir behandeln die Fragen 5 und 6 gemeinsam. Herr Miersch könnte noch zwei weitere Nachfragen stellen. Sie könnten zwei Fragen stellen. Auch Frau Nestle, die sich bereits gemeldet hat, könnte zwei Fragen stellen, wie alle anderen auch. Alles muss aber im Rahmen der verabredeten Zeit bleiben. (Patrick Döring [FDP]: Das war schon seine erste Frage!) Ulrich Kelber (SPD): Danke schön. – Herr Bundesminister, erstens, ist die Bundesregierung bereit, sich in nächster Zeit darüber zu informieren, wie viele Brennelemente für den Castortransport anstehen und wie viele Castoren dafür benötigt werden? Wenn ja: bis wann? Zweitens. Teilen Sie angesichts der Tatsache, dass mehrere der abgeschalteten deutschen Atomkraftwerke den Fukushima-Reaktoren dergestalt ähneln, dass das Abklingbecken außerhalb des inneren Sicherheitscontainments liegt, meine Meinung, dass es sinnvoll wäre, in diesen Fällen den Verbleib im Abklingbecken auf die technisch notwendigen fünf Jahre zu reduzieren? Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Noch einmal: Acht Kernkraftwerke sind in der Tat nicht mehr am Netz. Sukzessive werden wir zur Beendigung der wirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie kommen. Die Kernkraftwerke werden aber nicht einfach abgeschaltet, sondern es schließt sich ein Rückbau- und Entsorgungskonzept an, das erarbeitet bzw. entwickelt wird. Es wird sich an dem Standard des sicherheitstechnischen Optimums orientieren; das ist der Maßstab, der zu formulieren ist. Das ist klare und eindeutige Betreiberpflicht. Dies unterliegt uneingeschränkt der Aufsicht der Länder als zuständige Behörden und auch der Aufsicht des Bundes, die er über die Länder ausübt. Der Standard des sicherheitstechnischen Optimums wird – wie schon für den Betrieb von Kernkraftwerken – selbstverständlich auch für den Rückbau und die Entsorgung der Maßstab für die Maßnahmen sein. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt Frau Nestle, bitte. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, Sie würden einen Plan für den Rückbau der Atomkraftwerke und die sichere Entsorgung vorlegen. Wann werden Sie diesen Plan vorlegen, und wann werden Sie ein Endlagersuchgesetz vorlegen? Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich habe nicht gesagt, dass wir den Plan vorlegen, sondern ich habe gesagt, dass es Aufgabe der Kernkraftwerksbetreiber ist, den Rückbau zu organisieren. Sie trifft auch die Pflicht der Entsorgung, die unter staatlicher Aufsicht steht. Die staatliche Aufsicht wiederum wird sich an dem sicherheitstechnisch realisierbaren Optimum als Maßstab orientieren. Das ist die Aussage dazu. Zu Ihrer zweiten Frage, zum Endlagersuchgesetz. Wir alle miteinander – das ist ein Novum – haben als Teil des energiepolitischen Konsenses erreichen können, dass wir auch die Frage der Endlagerstandortsuche in einem Konsensverfahren regeln. Darum habe ich hier im Deutschen Bundestag angekündigt, dass es dazu ein eigenes Gesetz geben wird. Ich habe schon einige Elemente dargelegt, nämlich die partizipatorische Beteiligung und die wissenschaftlichen Kriterien, die Teil des Gesetzes sein sollen. Weiterhin habe ich zum Ausdruck gebracht, dass wir das im Konsens insbesondere zwischen Bund und Ländern erreichen wollen. Aber auch die Zivilgesellschaft soll in diesen Prozess integriert werden. Im Rahmen des Energiekonsenses haben wir angekündigt, dass wir bis zum Ende des Jahres einen Gesetzentwurf vorlegen wollen. Aber entscheidend ist, dass das, was wir vorlegen, auch Ausdruck des Konsenses, den wir erreichen, sein muss und sein wird. Wir werden nicht einseitig etwas auf den Tisch legen, sondern wir werden uns bemühen, einen gemeinsamen Konsens zu erarbeiten und die Ergebnisse dann hier vorzulegen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Lenkert, bitte. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Bundesminister, ich möchte bezüglich der Betriebsdauer nachfragen. Atomkraftwerke sind im Durchschnitt auf 40 Jahre Betriebsdauer ausgelegt. Jetzt kommen noch fünf Jahre hinzu, die Zeit, in der die Brennelemente nachklingen müssen. Will die Bundesregierung eine maximale Verweilzeit in den Abklingbecken festlegen, um sicherzustellen, dass zwischenzeitlich nichts passiert? Zur zweiten Frage. Sie haben gerade von der Beteiligung der Zivilgesellschaft an dem Prozess der Endlagersuche gesprochen. Da würde mich ganz massiv interessieren, ob Sie auch die Fachleute der entsprechenden Bürgerinitiativen einbeziehen werden und ob die Einbeziehung dann mit möglichen Vetorechten verbunden ist. Vielen Dank. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Zum ersten Punkt. Ich möchte noch einmal unterstreichen: Es geht darum, dass wir das sicherheitstechnische Optimum realisieren. Wie sich das im Einzelnen darstellt, kann hier noch nicht dargelegt werden. Der Maßstab aber ist klar: So, wie sich der Betrieb an dem Stand von Sicherheit und Technik orientiert, werden sich auch der Rückbau und die Entsorgung an dem Stand von Sicherheit und Technik orientieren. Das ist der Maßstab, der von den Betreibern einzuhalten und staatlicherseits zu garantieren ist. Wie sich das technisch ausdrückt, ist eine andere, auch technische Frage. Aber die politische Frage ist der Maßstab, und der Maßstab ist der, den ich genannt habe. Der zweite Punkt ist: Selbstverständlich ist das ein breiter Dialog. Alle Erfahrungen lehren uns, dass dieser Dialog breit sein muss. Er soll auch breit sein, weil am Ende eine verantwortliche Entscheidung steht. Das Wichtigste ist, dass wir akzeptieren, dass das unser Müll ist und dass es die politische Verantwortung dieser Generation ist, radioaktive Abfälle sicher zu entsorgen. Das werden wir in der Gesellschaft mit den verantwortlichen Ländern und dem Bund entscheiden und klären. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kotting-Uhl. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich nehme an, dass ich meine zwei Fragen nacheinander stellen darf. – Meine erste Frage: Sie sagten eben, es sei die Verantwortung dieser Generation, dafür zu sorgen, dass der Atommüll sicher und verantwortungsvoll gelagert wird. Wie lässt sich das mit den Aussagen Ihres Parteikollegen Ministerpräsident McAllister aus Niedersachsen vereinbaren, der sehr stark für die Rückholbarkeit plädiert, um sich – so vermute ich – des Problems Gorleben elegant zu entledigen und darüber nicht weiter diskutieren zu müssen? Rückholbarkeit heißt ja, dass man die endgültige Entscheidung und damit auch die Kontrolle sehr weit in die Zukunft verschiebt. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Das heißt Rückholbarkeit nach unserem Verständnis nicht. Das Kriterium der Rückholbarkeit und Bergung ist kein neues Kriterium, sondern schon in der Diskussion. Aber das beinhaltet – nach unserem Verständnis, aber, ich glaube, auch nach dem Verständnis des niedersächsischen Ministerpräsidenten – ganz sicher nicht die Verschiebung der Entscheidung auf einen späteren Zeitpunkt. Vielmehr bedeutet „Rückholbarkeit und Bergung“, dass es eine Entscheidung für den Standort gibt, dass sie aber nicht unwiderrufbar sein soll, sondern dass man offen für neue Erkenntnisse ist, die man in der Zukunft, in 30, 50 oder 80 Jahren, für die Behandlung von radioaktiven Abfällen möglicherweise gewinnt. So erhält man sich die Möglichkeit, neue Erkenntnisse für die bessere Behandlung von Abfällen zu realisieren; das ist der eigentliche Sinn von Rückholbarkeit und Bergung. Im Gegensatz dazu steht eine möglichst geschlossene, definitive Abschirmung von der Biosphäre. Man muss die Entscheidung wissenschaftlich und politisch abwägen. Es geht aber nicht um eine Vertagung der Entscheidung auf nächste Generationen; es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kotting-Uhl. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte im Nachklapp sagen: Wir sind uns sicherlich einig, dass Bergbarkeit und Rückholbarkeit keine identischen Konzepte sind. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Genau. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Rückholbarkeit beinhaltet, dass man das Endlager offenlässt. Das ist dann schon eine Vertagung der Entscheidung. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Nein, nein. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe noch eine ganz konkrete Frage an Sie, die natürlich damit zu tun hat. Es muss eine Entscheidung darüber herbeigeführt werden, ob man vom bisherigen Konzept des baldigen Verschlusses abgeht und welches Konzept man dann voranbringen möchte, ob man ein Konzept der offengehaltenen Rückholbarkeit oder ein Konzept der Bergbarkeit wählt. Das Versprechen der Kanzlerin ist unterschiedlich verstanden worden. Möchte sie – respektive möchten Sie – nun bis zum Jahresende ein Endlagersuchgesetz vorlegen, oder sollen das nur Vorschläge sein, welche Schritte man gehen kann? Diese Frage steht unbeantwortet im Raum. Deshalb lautet meine konkrete Frage an Sie: Bedeutet dieses etwas unklare Versprechen, dass es noch im Laufe dieses Jahres ein Endlagersuchgesetz geben wird, oder bedeutet es dies nicht? Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Das Entscheidende an dem, was wir verabredet haben, ist, dass wir versuchen wollen, darüber einen gesellschaftlichen Konsens zu erzielen. Das ist der entscheidende Punkt. Wenn Sie meine Prämisse teilen, dass es die Verantwortung dieser Generation, unserer Generation, ist, dies zu entscheiden, dann, glaube ich, sind gesellschaftliche Akzeptanz und Konsensbildung eine Bedingung dafür, dass wir unserer Verantwortung gerecht werden. Das ist mein Maßstab. An diesem Maßstab wird sich die Gesetzgebung orientieren. Das Ziel ist Konsens; wir sind dabei, diesen zu bilden. Ich habe schon einige Vorschläge gemacht. Darüber wird in der Breite diskutiert werden, und dann müssen wir irgendwann zu Entscheidungen kommen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Miersch. Dr. Matthias Miersch (SPD): Ich möchte noch einmal daran anschließen; denn die Frage des Castortransports offenbart, dass es notwendig ist, auch ein Konzept für die Endlagerung zu haben. Es ist wichtig, ein Endlagersuchgesetz zu bekommen, das hier einen Konsens herbeiführt. Deswegen lautet meine konkrete Frage: Können Sie heute nicht mehr die Garantie geben, dass Sie noch in diesem Jahr einen Entwurf eines Endlagersuchgesetzes im Kabinett vorlegen werden? Ich habe Sie bislang so verstanden, dass Sie einen Entwurf vorlegen und über den Gesetzentwurf dann dieses Haus entscheidet. Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Wir streben das an; aber wir wollen mit den Vorschlägen, die wir machen, dem Konsens dienen. Darum muss das Gesetz den Konsens nicht herbeiführen, sondern das Gesetz sollte den Konsens ausdrücken. Ich lade Sie ein – das sage ich ganz deutlich –, daran mitzuwirken und nicht nur zu warten, was andere vorlegen. Ich verstehe Konsensbildung nicht so, dass der eine dem anderen sagt, wo er zustimmen soll. Konsens besteht vielmehr darin, dass alle an der Meinungsbildung beteiligt sind und sich diese gemeinsame Meinung in einem Gesetz ausdrückt. Nur so kann Konsens funktionieren. Wenn die eine Seite meint, einen Konsens dadurch erreichen zu können, dass die andere Seite die Vorschläge übernimmt, dann ist das, wie ich glaube, kein zielführender Beitrag. Unser Vorschlag ist, Sie einzuladen. Unsere Bitte und unser Appell an Sie lauten, mitzumachen und sich der Verantwortung zu stellen. Das gilt für dieses Haus, das gilt für die Länder, und das gilt auch für betroffenen Regionen und Kommunen. Alle müssen ihre Verantwortung wahrnehmen und zusagen, am Inhalt mitwirken, um ein gemeinsames Ergebnis zu erzielen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Noch einmal Herr Miersch, bitte. Dr. Matthias Miersch (SPD): Ist die Grundvoraussetzung dafür nicht, dass Sie als Vertreter der Exekutive endlich einen Gesetzentwurf vorlegen, damit das Parlament Ihrer Einladung folgen kann? Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich finde es, weil ich auch Parlamentarier und nicht nur Mitglied der Exekutive bin, (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Ich frage Sie als Minister!) bemerkenswert, dass Sie die Exekutive auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen. (Gerd Bollmann [SPD]: Das ist doch Ihre Aufgabe!) Nach meinem Verständnis ist nach wie vor der Bundestag der Gesetzgeber. (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Das haben Sie bislang gesagt!) – Das habe ich bislang gesagt? Nein, ich glaube, ich habe immer gesagt, dass Gesetze vom Deutschen Bundestag beschlossen werden; das ist jedenfalls meine Auffassung. (Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben doch über 100 Beamte dafür! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Soll das heißen, Sie wollen keine Gesetze mehr machen? Wollen Sie Ihre Arbeit einstellen?) Die Bundesregierung wird und will diesen Konsensprozess durchführen, gar keine Frage. Wenn ein wirklicher Konsens erzielt werden soll, dann müssen aber auch andere Beteiligte daran mitwirken. Darum lautet mein Appell an die Fraktionen, sich an der Konsensbildung zu beteiligen. Wenn wir erfolgreich arbeiten, wird der Deutsche Bundestag im Konsens einen Gesetzentwurf beschließen können. Das ist mein Vorschlag. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Steiner. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister Röttgen, Sie haben vorhin darauf hingewiesen, dass Sie bei der Erarbeitung eines Endlagersuchgesetzes wissenschaftliche Kriterien zugrunde legen wollen. Außerdem haben Sie ausgeführt, dass Sie diese Kriterien schon dargelegt haben. Ich kann mich, ehrlich gesagt, nicht genau daran erinnern, wo Sie die dargelegt haben. Vor dem Hintergrund dieser wissenschaftlichen Kriterien und der Debatte um Bergbarkeit und Rückholbarkeit möchte ich Sie fragen: Wie bewerten Sie die Vorschläge aus Niedersachsen – in diesem Fall konkret die Vorschläge des dortigen Umweltministers Sander, der der FDP angehört –, die Castorbehälter in Bunkern zu lagern und perspektivisch auch eine Endlagerung in Bunkern vorzunehmen? Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich will klarstellen: Ich habe die wissenschaftlichen Kriterien eben nicht inhaltlich benannt. Vielmehr habe ich schon in meiner Haushaltsrede einige Elemente eines Endlagersuchgesetzes erwähnt. Dazu gehört, dass es nicht mehr Teil des Atomgesetzes sein, sondern eine eigenständige gesetzliche Grundlage haben soll, dass ein partizipatorisches Verfahren vorgesehen werden soll und dass der Bundestag über die wissenschaftlichen Kriterien, anhand derer zu entscheiden ist, entscheiden soll. In dieser Diskussion geht es auch darum, Abwägungen vorzunehmen. Der Vorschlag des Herrn Kollegen Sander sieht vor, keine unterirdische Endlagerung mehr durchzuführen, sondern eine – für längere Zeiträume, aber endliche – obertägige Lagerung in Bunkern, wie Sie sagen. Das ist ein Vorschlag, über den man reden muss, wenn ein Landesminister ihn macht. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Über den sollte man nicht reden!) Die einen sagen, die Rückholbarkeit muss gewährleistet sein. Die anderen sagen, der Abschluss von der Biosphäre ist das Wichtigste. Über diese Fragen muss man diskutieren. Die Ergebnisse dieser Debatten müssen dann in das Gesetz einfließen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die letzte Frage, die in der Zeit, die wir zur Verfügung haben, möglich ist, stellt die Kollegin Vogt. Ute Vogt (SPD): Herr Minister, Sie haben vorhin ausgeführt, dass der Rückbau selbstverständlich Sache der Betreiber ist. In welcher Form werden Sie als Bundesumweltminister gewährleisten, dass der Rückbau in einem vernünftigen zeitlichen Rahmen vonstattengeht? Das heißt: Mit welchen Zeiträumen rechnen Sie beim Rückbau, und wie werden Sie gewährleisten, dass der Rückbau jeweils nach dem tatsächlichen Stand von Sicherheit und Technik erfolgen wird? Welchen rechtlichen Rahmen planen Sie vorzugeben? Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Der rechtliche Rahmen dafür existiert: Betreiberpflicht, Aufsicht der Länder, Aufsicht über die Bundesauftragsverwaltung der Länder durch den Bund. Das ist der rechtliche Rahmen, der in der Verfassungsordnung vorgesehen ist. Er wird auch eingehalten; er ist Alltags- und Verwaltungspraxis. In genau diesem Aufsichts- und Pflichtenregime – als Ausgangspunkt sind zunächst einmal die Betreiber betroffen – wird der rechtliche Anspruch und Maßstab erfüllt. Die Maßnahmen selber werden sicher Jahre dauern – das steht außer Frage –, und sie werden nach diesem Kriterium von den Betreibern zu erfüllen sein. Die Erfüllung gemäß diesem Maßstab wird durch den Staat – Länder, Behörden und Bund – gewährleistet sein. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit sind wir am Ende der Fragestunde. (Iris Gleicke [SPD]: Zweite Frage?) – Nein, eine zweite Frage ist nicht möglich. Wir sind schon über die Zeit. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Haltung der Bundesregierung zur Frage einer Umlenkung von Verkehrsinvestitionsmitteln des Bundes für die Autobahn A 100 auf andere Verkehrsprojekte des Bundes in Berlin Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Kai Wegner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Kai Wegner (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die christlich-liberale Koalition hat heute diese Aktuelle Stunde beantragt, um Fakten zu sortieren und eine angemessene Sachlichkeit in die Diskussion zu bringen. Es geht um die Umlenkung von Investitionsmitteln des Bundes aus dem Bundesverkehrswegeplan. Die Aktualität begründet sich darin, dass ein wichtiges Projekt des Bundesverkehrswegeplanes zu scheitern droht, nämlich der Ausbau der A 100 in Berlin. Was mussten wir in den letzten Tagen in der Diskussion in den Medien nicht alles zur Kenntnis nehmen: „Rot-grüne Geisterfahrt“, „Autobahn auf dem Parkstreifen“, „Rot-Grün in Berlin: Realsatire um die A 100“ bis hin zu „Irgendwie riecht das hier alles nach Comedy“. Das ist wahrlich kein guter Start für Koalitionsverhandlungen und wahrlich auch kein gutes Zeichen für verlässliches Regierungshandeln in Berlin für die Zukunft. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE] – Mechthild Rawert [SPD]: Sie sind ja nur beleidigt!) Zu den Fakten. Wohlgemerkt: 2003 hat das rot-grüne Bundeskabinett unter Kanzler Gerhard Schröder den Ausbau der A 100 in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen. 2003! Damals saß auch Renate Künast am Kabinettstisch. (Zurufe von der CDU/CSU: So ist das!) Die A 100 wurde damals als Bestandteil der Projektlisten für den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen. Sie ist eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte für die deutsche Hauptstadt. Mit der Verlängerung der A 100 wird der neue Flughafen in Schönefeld – BER – besser an Berlins Mitte und an den nördlichen Rand von Berlin angebunden. Das gilt gleichzeitig auch für den Innovationsstandort Adlershof. Angesichts der 63 Milliarden Euro Schulden, die die deutsche Hauptstadt derzeit zu schultern hat, kann es sich Berlin nicht leisten, auf 420 Millionen Euro vom Bund zu verzichten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Das will Berlin auch gar nicht!) Bereits jetzt reiben sich andere Länder für den Fall die Hände, dass Berlin auf diese Realisierung verzichtet. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Richtig!) Dann bringen andere Bundesländer nämlich ihre Infrastrukturprojekte voran, und Berlin hat einmal mehr das Nachsehen. Das wollen wir nicht. Berlin steht in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen, um die Zukunft zu gestalten. Der zukünftige Berliner Senat muss verantwortungsbewusst und zum Wohle Berlins und der Menschen, die in der Hauptstadt leben, handeln. Der Bund nimmt seine Verantwortung für die deutsche Hauptstadt wahr. (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: So ist es!) Die Bundesregierung steht zum Ausbau der A 100. Hier gilt mein Dank dem Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Er hat in den letzten Tagen noch einmal klargestellt, dass der Bund zu diesem Projekt steht, dass Mittel bereitstehen und, liebe Frau Rawert, dass diese Mittel nicht umgelenkt werden können. Dafür bin ich Peter Ramsauer sehr dankbar. Wenn Sie mir oder der Bundesregierung nicht glauben, dann glauben Sie doch dem Vorsitzenden des Verkehrsausschusses. Anton Hofreiter hat heute gesagt – nachzulesen in den Potsdamer Neuesten Nachrichten –: Ein Umschichten der Gelder für andere Berliner Projekte sei nicht möglich. – Wo Herr Hofreiter recht hat, hat er recht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Rot-Grün befindet sich beim Thema A 100 im Kreisverkehr ohne Ausfahrt. Bei der A 100 gibt es keinen Kompromiss. Entweder sie wird gebaut, oder sie wird nicht gebaut. Das ist die ganze Wahrheit. Große Sorge umtreibt mich bei den unterschiedlichen Interpretationen einiger Akteure. Der Regierende Bürgermeister sagt: Wenn die Mittel nicht umgeschichtet werden können, wird die A 100 gebaut. (Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Recht hat er!) Der Vorsitzende der Fraktion der Grünen im Preußischen Landtag bzw. im Berliner Abgeordnetenhaus sagt: Das werden wir niemals unterschreiben. (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Chaostruppe!) Das zeigt einmal mehr, dass sich Rot-Grün, bevor es losgegangen ist, im Kreisverkehr ohne Ausfahrt befindet. Die Grünen setzen auf Zeit. Sie wollen damit eine Entscheidung für die A 100 umfahren. Dieser Trick wird aber nicht aufgehen. Berlin benötigt dringend Investitionen. Sämtliche Unternehmensverbände fordern den Ausbau der A 100. Investitionen in Infrastruktur schaffen Arbeitsplätze, die diese Stadt so dringend braucht. Wir sollten nicht mehr so lange über das Ob diskutieren, sondern endlich darüber, wie wir die A 100 bauen: Wie können sich kleine und mittelständische Unternehmen an der Ausschreibung beteiligen, um sich an dieser tollen Maßnahme des Bundes zu beteiligen und davon zu profitieren? Es geht also nicht so sehr um das Ob. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Berlin benötigt eine moderne Infrastruktur, einen modernen öffentlichen Personennahverkehr, aber eben auch einen modernen Individualverkehr. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Berlin benötigt die Unterstützung des Bundes. Der Bund erwartet zu Recht Verlässlichkeit auch vom Land Berlin. Berlin braucht Stabilität, ganz bestimmt in den nächsten fünf Jahren. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Mechthild Rawert hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Mechthild Rawert (SPD): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuhörende und Zuschauende! Da verschlägt es einem doch die Sprache: (Beifall bei der CDU/CSU) Wir stecken in einer der größten wirtschaftlichen Krisen überhaupt. Diese schwarz-gelbe Regierung weiß nicht, ob sie morgen eine eigene Mehrheit für einen europäischen Stabilitäts- und Wachstumsmechanismus hinbekommt. Und was machen die schwarz-gelben Regierungsfraktionen? Sie sorgen sich um ein einzelnes Projekt in Berlin. Das gibt mir aber die Gelegenheit, mich bei den Berlinerinnen und Berlinern zu bedanken, die sich am 18. September für die SPD mit Klaus Wowereit an der Spitze entschieden haben und der SPD den Regierungsauftrag erteilt haben, den Sie verpasst haben. (Zuruf von der CDU/CSU: Darüber reden wir morgen!) Wir haben sofort engagierte Politik gemacht und ergebnisoffene Sondierungsgespräche – bekanntermaßen mit Ihnen, bekanntermaßen aber auch mit Bündnis 90/ Die Grünen – geführt, und wir haben uns verantwortungsvoll entschieden. Wir stehen für eine verlässliche, vertrauensvolle und politisch tragfähige Politik im Interesse aller Berlinerinnen und Berliner, und wir stehen natürlich dafür, dass wir unser Berlin-Programm möglichst breit umsetzen können. Wir haben uns im SPD-Landesvorstand dafür entschieden, die Verhandlungen für eine Regierungsbildung mit Bündnis 90/Die Grünen zu beginnen, und das ist gut so. Der Landesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen hat ebenfalls entschieden, mit uns zusammen in die Verhandlungen für eine Regierungsbildung einzutreten, und auch das ist gut so. Wir wollen gemeinsam eine leistungsfähige Infrastruktur. Wir glauben, dass dies Voraussetzung und Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg sowie soziale und ökologische Gerechtigkeit in Berlin ist. Für diese originären Berliner Interessen gestalten wir gemeinsam eine rot-grüne Zukunft. Ja, zu den strittigen Punkten im Berliner Wahlkampf und auch bei den Berliner Sondierungsgesprächen gehörte der Ausbau der Bundesautobahn 100. Gemeint ist eine 3 Kilometer lange Autobahn zwischen Neukölln und Treptow. Wir reden über viel Geld: 420 Millionen Euro. (Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Die kann Berlin gut gebrauchen!) Aber das Bemerkenswerte – darüber ärgern Sie sich wahrscheinlich am meisten – ist: Rot-Grün war erfolgreich darin, eine Brücke zueinander zu bauen (Lachen bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) und einen Kompromiss zu finden, auf den sich beide Partner einigen konnten. Sowohl die SPD als auch die Grünen wollen diese leistungsfähige Infrastruktur. Wir wollen dafür Mittel des Bundes einsetzen. Hier besteht absolute Einigkeit. (Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Das sehen die Grünen aber anders!) Rot-Grün hat sich darauf verständigt, dass die A 100 nicht grundsätzlich aufgegeben wird. Vielmehr wird aktiv und ernsthaft zu prüfen sein, ob eine alternative Verwendung der Bundesmittel (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Die Prüfung ist schon vorbei!) in anderen Infrastrukturmaßnahmen in Berlin möglich ist. Ist eine alternative Verwendung der Bundesmittel möglich, (Patrick Döring [FDP]: Nein!) erfolgt der Bau der A 100 nicht. Ist eine alternative Verwendung der Bundesmittel für Infrastrukturmaßnahmen nicht möglich, so werden die investiven Bundesmittel für den Weiterbau der A 100 verwendet. (Beifall des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]) Es ist richtig, das Klaus Wowereit die ganze Zeit darauf besteht, diesen Konfliktstoff nicht dauerhaft präsent zu haben. Was machen Sie? Was macht Herr Ramsauer? Herr Ramsauer verkündet seit Monaten die Maxime seines Hauses: Erhalt und Sanierung vor Neubau, Erhalt und Lärmschutz vor Neu- und Ausbau. Hat sich Herr Ramsauer selbst nicht zugehört, wie auch Sie ihm nicht zugehört haben? Gilt der von ihm propagierte Paradigmenwechsel hin zur Bestandssicherung und zum Lärmschutz grundsätzlich nicht mehr oder nur noch in dem dann rot-grün regierten Berlin? (Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Wollen Sie denn die Autobahn, oder wollen Sie sie nicht?) Das BMVBS ging doch davon aus, dass eine Umwidmung grundsätzlich möglich ist. Das hat die schriftliche Beantwortung der Kleinen Anfrage 16/13760 bestätigt. (Patrick Döring [FDP]: In der 16. Legislaturperiode war das noch Herr Tiefensee!) Bei Vorliegen des entsprechenden Bedarfs und der rechtlichen Voraussetzung ist eine Umwidmung der für den Autobahnbau eingeplanten Mittel in Erhaltungs- und Lärmschutzmaßnahmen an Autobahnen „grundsätzlich möglich“. Das Leben ist aber nicht grundsätzlich. Das Leben ist konkret. In einem Punkt hat Herr Ramsauer recht – dadurch wird die ganze Scheindebatte, die Sie hier führen, umso deutlicher –: Die Gelder für die A 100 – ich komme zum Schluss – können – Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ihre Redezeit wäre jetzt auch konkret zu Ende. Mechthild Rawert (SPD): – nicht umgeschichtet werden. Was wie ein Widerspruch aussieht, liegt allein darin begründet, dass diese bislang weder im Bundeshaushalt noch in der Finanzplanung eingestellt sind. Deswegen, meine werten Kollegen und Kolleginnen: Bleiben Sie bei der Realität und freuen Sie sich nicht zu früh! (Beifall bei der SPD – Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Wollen Sie die Autobahn oder nicht?) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Parlamentarische Staatssekretär Jan Mücke hat jetzt das Wort für die Bundesregierung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Der Minister ist doch da! Da kann doch der Minister sprechen!) Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Kollegin Rawert, die rot-grüne Brücke, die Sie gerade beschrieben haben, ist soeben dabei, krachend zusammenzustürzen, denn das, was Sie vorhaben, wird niemals Realität werden; davon können Sie ausgehen. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Fast-zwei-Prozent-Partei!) Der Deutsche Bundestag hat den Bedarf für den Ausbau der A 100 schon festgestellt, und zwar mit dem Beschluss zum Bundesverkehrswegeplan 2003 – ich will das hier ausdrücklich zu Protokoll geben –, 6-streifig, im vordringlichen Bedarf. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Auf Grundlage des Bundesverkehrswegeplans ist von diesem Deutschen Bundestag ein Bundesfernstraßenausbaugesetz beschlossen worden. In diesem Bundesfernstraßenausbaugesetz finden Sie genau diese Ausbauvariante, die wir jetzt verfolgen und die wir gemeinsam weiterverfolgen sollten, und zwar aus gutem Grund, weil dieser Weiterbau, dieser 16. Bauabschnitt der A 100, für die überregionale Erschließung des Ostteils von Berlin wichtig ist. Es ist für die Stadtteile Treptow und Neukölln wichtig. Es ist für alle Anwohnerinnen und Anwohner wichtig, die im Moment in ihren Wohnungen in kleinen Nebenstraßen nicht nur vom Durchgangsverkehr, sondern auch vom Zubringerverkehr auf dem Weg zur Autobahn schwer belastet sind, was beispielsweise auch Schulen und Tempo-30-Zonen betrifft. Deshalb ist der Ausbau der A 100 dringend erforderlich. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Insofern ist es besonders kurios, dass die Möchtegernkoalitionäre in Berlin ein Projekt torpedieren wollen, dass sie selber als rot-grüne Koalition in Berlin in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen haben. Das ist ein besonders schönes Beispiel für die Doppelgesichtigkeit, die Rot-Grün an den Tag legt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die Bundesregierung steht zum Auftrag des Gesetzgebers, die A 100 in Berlin zu bauen. Der Bund finanziert die Berliner Bundesfernstraßenprojekte grundsätzlich bedarfsorientiert. Deshalb ist auch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit Minister Peter Ramsauer bereit, die Finanzierung für den 16. Bauabschnitt vorzusehen. Ich will sehr deutlich sagen – machen Sie sich da nichts vor –: Einen Verhandlungsspielraum, wie Sie ihn sich vorstellen, gibt es überhaupt nicht, weil wir grundsätzlich nicht mit Ihnen über die Ausführung von Bundesgesetzen verhandeln. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das Verfahren ist sehr weit gediehen. Der Planfeststellungsbeschluss liegt schon seit längerer Zeit vor. Es sind einige Klagen – relativ wenig für ein solch großes Projekt – anhängig. Wir gehen davon aus, dass das Bundesverwaltungsgericht im nächsten Jahr darüber entscheiden wird. Ich kann Ihnen versichern: Die Bundesregierung wird alles tun, dass nach der Herstellung des Baurechts auch die Finanzierung dieses Projekts gesichert sein wird und dass wir sehr schnell mit dem Bau der A 100 beginnen werden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Bei allem, was Sie bisher über mögliche Alternativprojekte gesagt haben, lohnt es sich, genauer hinzusehen. Sie können kein einziges Alternativprojekt vorlegen. Es gibt kein einziges Lärmschutzprojekt, über das Sie diskutieren können. Es gibt kein einziges Projekt, mit dem man die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit entsprechend der einschlägigen Gesetze begründen kann, die erforderlich wären, um eine solche Planung umzusetzen. Es gibt nichts von dem, was Sie behaupten. Deshalb wird die Bundesregierung Ihnen keinesfalls die Hand reichen, wenn es darum geht, faule Kompromisse zulasten des Bundes zu schließen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich kann den Berlinerinnen und Berlinern nur mit auf den Weg geben, dass sich andere Bundesländer – hier sitzen Kollegen aus ganz Deutschland – sehr freuen würden, wenn sie die 420 Millionen Euro erhalten würden und für sinnvolle Investitionen einsetzen könnten. (Iris Gleicke [SPD]: Keine Nebelkerzen! So geht das nämlich grundsätzlich auch nicht!) Ich sage Ihnen aber ganz klar: Die Bundesregierung steht zu ihrer Verpflichtung. Sie steht zu ihrer Zusage. Wir wollen den 16. Bauabschnitt der A 100 in Berlin umsetzen. Ich richte eine letzte Bemerkung an die Verantwortungsträger in Berlin. Denn Berlin ist eine Stadt, die, wie man täglich mitbekommt, jeden Cent gut brauchen kann. Besonders bemerkenswert ist, dass das Land bis zum Baubeginn die Planungskosten trägt. Der Bund beteiligt sich erst an den Planungskosten, wenn gebaut wird. Ich will das sehr deutlich sagen: Wenn nicht gebaut wird, erfolgt auch keine Bundesbeteiligung. Mir ist völlig schleierhaft, wie in der Berliner Landespolitik ernsthaft darüber diskutiert werden kann, den zweistelligen Millionenbetrag, den die Stadt Berlin schon ausgegeben hat, um die Planung auf den Weg zu bringen, in den märkischen Sand zu setzen. Das ist den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern gegenüber unverantwortlich. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren insbesondere von den Grünen, ich kann gut verstehen, dass Sie in einer absoluten Zwickmühle sind. Deshalb sollte man sich sehr hüten, unhaltbare Wahlversprechen abzugeben. Wir werden Sie jedenfalls nicht aus der selbst gestellten Falle entkommen lassen. Der Bund steht zu seiner Infrastrukturverantwortung. Wir wollen die A 100 in Berlin weiterbauen. Darauf können Sie sich verlassen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Stefan Liebich hat das Wort für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Stefan Liebich (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! A 100 stoppen – Betonköpfe abwählen, das war die Aussage des Wahlplakats, das Bündnis 90/Die Grünen die letzten Wochen an den Berliner Straßen an Laternen aufgehängt haben. Als wäre es nicht genug, hat Volker Ratzmann noch eine Schippe obendrauf gelegt. Für die, die es nicht wissen: Volker Ratzmann ist der Berliner Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. Er hat vor den Wahlen klar und deutlich gesagt: Wir werden keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen, der den Weiterbau der Stadtautobahn A 100 zum Inhalt hat. (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!) Dafür gibt es gute Gründe. Da unterscheide ich mich ganz ausdrücklich von meinen Vorrednern; denn die mit 420 Millionen Euro für 3,2 Kilometer teuerste Autobahn Deutschlands braucht kein Mensch. (Beifall bei der LINKEN) Aber nun die Überraschung. Seit vorgestern sagen der gleiche Volker Ratzmann und die Spitze von Bünd-nis 90/Die Grünen in Berlin: Das Projekt 16. Bauabschnitt der BAB 100 wird nicht grundsätzlich aufgegeben. – Schneller sind selten Wahlziele über Bord geworfen worden als bei den Grünen in Berlin. Aber man hätte es sich ja denken können: Autobahn 281 in Bremen, Elbvertiefung und Kohlekraftwerk Moorburg in Hamburg, die Hochmoselbrücke in Rheinland-Pfalz – vor den Wahlen grüne Worte, nach den Wahlen Beton. Herr Hofreiter hat es mir eben zugerufen und hat völlig recht: Na klar, wir bedauern, dass wir wegen anderthalb Prozent Verlust der Stimmen und wegen zweieinhalb Prozent Verlust der Stimmen bei der SPD nicht unsere erfolgreiche zehnjährige rot-rote Politik fortsetzen können. Da rede ich nicht drum herum. Wir wollten regieren. Jetzt sind wir Opposition, und das – darauf müssen sich Bündnis 90/Die Grünen im Bund und auch in Berlin einstellen – können wir auch. (Beifall bei der LINKEN) Sie haben keine Regierende Bürgermeisterin Künast durchbekommen. Sie sind nicht stärkste Partei geworden. Sie sind nicht einmal zweitstärkste Partei geworden. Aber immerhin haben Sie jetzt noch ein, zwei Stimmen Mehrheit, um endlich zu regieren, und das offenkundig um jeden Preis. Sie kennen das Geschäft, wir kennen das Geschäft. Alles, was Sie den Berlinerinnen und Berlinern versprochen haben, sind nun die Pfeile im Oppositionsköcher. Ich zitiere daher sogleich die ehemalige Spitzenkandidatin der Grünen in Berlin, Franziska Eichstädt-Bohlig, die 2003 als Koalitionsabgeordnete im Deutschen Bundestag gesessen hat, als – Herr Wegner und Herr Staatssekretär Mücke haben es schon gesagt – die rot-grüne Bundesregierung unter Beteiligung von Renate Künast den Bundesverkehrswegeplan mit vordringlichem Bedarf für die BAB 100 beschlossen hat. Im Mai 2009, als ich zusammen mit Frau Eichstädt-Bohlig im Abgeordnetenhaus saß, sagte sie Folgendes: Jetzt das Wichtigste, das Versteckspiel gegenüber dem Bund: Der Bund baut keinen Meter Autobahn, den nicht das Land plant, beantragt und einfordert. Insofern kann sich Berlin nicht hinter dem Bund verstecken. Die Verantwortung für die Planung, für die Entscheidung, das liegt alles zu 100 Prozent bei Berlin, und der Bund nimmt der Stadt auch nicht ab, dass wir für diese Entscheidung verantwortlich sind. Da sollten Sie sich nicht verstecken. So Frau Eichstädt-Bohlig. Da hatte sie vollkommen recht. (Beifall bei der LINKEN) So ist es. Deshalb sollte sich der neue rot-grüne Senat auch nicht hinter dem Bund verstecken, sondern, wie es Volker Ratzmann vor den Wahlen angekündigt hat, klar und ehrlich sagen, was er will. Stattdessen eiert der Berliner Grünen-Chef Daniel Wesener nun herum und sagt: Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Er gibt zu: Klappt die Umwidmung nicht – davon gehen alle aus; das wurde eben bestätigt –, dann wird die A 100 gebaut. – Ich kann dem Berliner CDU-Parteivizevorsitzenden, Herrn Heilmann, nur recht geben, der zu diesen Ergebnissen gesagt hat: Wenn ich das richtig verstehe, was da vereinbart wurde, haben die Grünen alle ihre Kernpositionen aufgegeben. Herr Ratzmann hat vor den Wahlen öffentlich vermutet, dass sich die SPD einen späteren Verzicht auf den Ausbau des Teilstücks teuer abkaufen lassen werde. Er hat gesagt: Wowereit will schon jetzt sein Konto für Koalitionsverhandlungen auffüllen. Das habe ich auch gedacht, nur umgekehrt. Ich kenne Klaus Wowereit gut. Das passt zu ihm. Leider haben Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, nun Ihr Kernthema verkauft, und man fragt sich, was Sie dafür bekommen haben außer einer Kartoffelsuppe. Im Antrag für die Landesdelegiertenkonferenz am Freitag kann man lange nach weiteren konkreten Ergebnissen suchen. Die einzige konkrete Aussage ist die zur Bundesautobahn 100, und das ist für Berlin tatsächlich eine schlimme Entscheidung. Aber ehrlich gesagt bleibt noch im Dunkeln, was Sie dafür ausgehandelt haben, wenn Sie überhaupt etwas dafür ausgehandelt haben. Das ist mir nun tatsächlich wichtig, auf jeden Fall wichtiger als diese Straße: Etliches in Berlin ist in Gefahr. Sagen Sie doch einmal: Bleibt es bei der Sicherung der Unternehmen hinsichtlich der öffentlichen Daseinsvorsorge, oder kehrt Berlin zurück zur Privatisierungspolitik der 90er-Jahre? Bleibt der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor erhalten, oder vergeben die Jobcenter wieder nur noch 1-Euro-Jobs? Bleibt das Sozialticket zum halben Preis der Umweltkarte, oder werden künftig S-Bahn-Strecken für Privatunternehmen ausgeschrieben? Bleiben die öffentlichen Gemeinschaftsschulen, in denen die Schüler von der ersten Klasse bis zum Abitur lernen können, oder setzt der neue Senat wieder auf Privatschulen und Gymnasien? (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das sind die Fragen, auf die die Berlinerinnen und Berliner gerne eine Antwort bekommen hätten. Ehrlich gesagt, es wäre schön gewesen, wenn die Spitzenkandidatin wenigstens heute noch demonstriert hätte, dass sie sich ein bisschen für Berliner Landespolitik interessiert, und auf diese Fragen eine Antwort gegeben hätte. Ich bedanke mich. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat der Kollege Dr. Anton Hofreiter für das Bündnis 90/Die Grünen. (Kai Wegner [CDU/CSU]: Jetzt wird es spannend! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Doppelsalto!) Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Liebich, Ihre Rede war die beleidigte Rede von jemandem, der die Wahl verloren hat. Es geht hier nicht darum, was in dem Koalitionsvertrag ausgehandelt wird, sondern es geht um die A 100 und darum, wie in der Bundesrepublik im Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern überhaupt Verkehrswege geplant, gebaut und unterhalten werden. Es wurde gesagt, der Bund vollziehe selbstverständlich Bundesgesetze. Bei dem konkreten Beispiel wäre ich ganz vorsichtig. Schauen wir uns einmal die Realitäten an: Wir haben nach Aussage dieser Bundesregierung allein im Bereich Straße noch Projekte mit einem Volumen von 47 Milliarden Euro im Vordringlichen Bedarf. In diesem Jahr stehen Bedarfsplanmittel in Höhe von 1,2 Milliarden Euro plus 100 Millionen Euro für Grunderwerb zur Verfügung. Das ergibt 1,3 Milliarden Euro. Sind wir großzügig und runden wir auf, dann sind wir bei 1,5 Milliarden Euro. Der Bundesverkehrswegeplan soll noch bis 2015 gelten. Aufgrund der Finanzkrise und der Entscheidungen, die wir noch zu treffen haben, kann man davon ausgehen, dass nicht mehr Geld zur Verfügung stehen wird. 1,5 Milliarden Euro mal 4 ergibt 6 Milliarden Euro. Ziehen wir von 47 Milliarden Euro 6 Milliarden Euro ab, dann kommen wir auf eine Summe von 41 Milliarden Euro, die für Projekte fehlt. Schauen wir uns an, was im Rest der Bundesrepublik los ist. In der vorletzten Sitzung des Verkehrsausschusses hat der Herr Minister seinen Haushalt vorgestellt und erläutert, dass allein 80 Projekte mit einem Volumen von 2,6 Milliarden Euro bundesweit baureif seien, die nicht finanziert seien. (Patrick Döring [FDP]: Die A 100 ist aber finanziert!) – Im Haushalt für das nächste Jahr ist sie nicht aufgeführt. (Patrick Döring [FDP]: Das stimmt nicht! Du weißt es!) Heute haben wir im Ausschuss mit dem Staatssekretär darüber diskutiert, dass viel zu wenig Geld für den Unterhalt vorhanden und vollkommen ungeklärt ist, wie Ersatzinvestitionen für die Autobahnen aus den 70er-Jahren getätigt werden können. Hier findet nun aber eine rein parteipolitisch motivierte Debatte statt, obwohl jetzt endlich ein Bundesland Vernunft zeigt. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Es gibt eine ganze Reihe von Bundesländern, die eine gigantische Liste – da brauchen Sie nicht zu lachen; das wissen alle Fachpolitiker im Ausschuss – von Projekten haben, die wir nicht finanzieren können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE] – Patrick Döring [FDP]: Berlin hat nur das eine Projekt!) Wir alle im Ausschuss wissen, dass wir eigentlich noch mehr Geld für den Unterhalt des Straßennetzes brauchten als die 2,4 Milliarden Euro. Fachleute gehen davon aus, dass 3,5 Milliarden Euro benötigt werden. Anstatt sich zu freuen, dass wir ein erstes Bundesland haben, das Einsicht zeigt und es für sinnvoller hält, das vorhandene Netz zu unterhalten und zu sichern, anstatt es auszubauen, (Kai Wegner [CDU/CSU]: Der regierende Bürgermeister will doch bauen! – Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Die SPD will doch bauen!) wird Kritik geübt, und zwar nur, um eine künftige rot-grüne Landesregierung in Schwierigkeiten zu bringen. Dabei sind sich die Fachpolitiker doch völlig einig, dass wir mehr Geld für den Unterhalt des Straßennetzes brauchen. So herum ist es nämlich richtig: Unterhalt muss vor Neubau und Ausbau des Netzes gehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE]) Angesichts der Tatsache, dass der Bund noch nicht einmal in Ansätzen in der Lage ist, das vorhandene Netz zu unterhalten, ist es unerträglich, dass jetzt auf die auf Landesebene eingehackt wird, die Vernunft zeigen und klar erkannt haben, dass es sinnvoller ist, das vorhandene Netz auszubauen und auf Lärmschutz zu setzen, anstatt immer wieder neue Projekte zu planen, die nicht finanziert sind. Statt diesen Leuten Danke zu sagen und zuzugeben, dass das genau das ist, was fachlich notwendig ist und eigentlich auch der eigenen Konzeption entspricht, wird aus rein parteipolitischen Gründen dagegengeschossen. (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Aber die SPD will die Autobahn!) Das ist armselig. Das ist der Fachdebatte nicht angemessen. Angemessen wäre es, zu sagen: Wunderbar, ihr habt vollkommen recht. Wir erhöhen die für euch vorgesehenen Unterhaltsmittel – im Haushaltsentwurf sind ja auf 2,4 Milliarden Euro erhöhte Unterhaltsmittel veranschlagt –, und Berlin bekommt sogar noch einen Bonus, weil es im Gegensatz zu den anderen Bundesländern so viel Vernunft gezeigt hat. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich kann dem Verkehrsministerium nur raten: Stellen Sie dies gegenüber anderen Landesverkehrsministern als vorbildlich dar und bedanken Sie sich dafür. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Patrick Schnieder hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Patrick Schnieder (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das, was wir hier in Berlin bei den sich anbahnenden Koalitionsverhandlungen im Zuge der Diskussion um die A 100 erleben, ist bestenfalls eine Posse, und Sie führen diese Posse hier kräftig fort, lieber Herr Kollege Hofreiter. Ihr zukünftiger Koalitionspartner hier in Berlin möchte dieses Projekt. Sie haben hier gerade die besten Voraussetzungen dafür geliefert, dass die Koalitionsverhandlungen sehr honorig ablaufen werden. Sie führen diese Posse nicht nur in Bezug auf die Erklärungen der Grünen vor der Wahl, dass es eine Koalition nur ohne die A 100 geben werde, fort, sondern auch dahin gehend, dass Sie genau wissen, dass der Bund baut. Ich darf Aussagen von Herrn Ratzmann, und zwar von vor der Wahl zitieren: Die Koalition – gemeint ist die rot-rote in Berlin – versucht die Stadt für dumm zu verkaufen. Wenn die Planfeststellung steht, dann wird auch die Baugenehmigung erteilt, und dann wird der Bund die Bagger losschicken. Das ist schon eine Dreistigkeit, so zu tun, als könnte man dieses Projekt noch aufhalten. Damit verkauft man die Leute für dumm. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Das Ergebnis dieser vollmundigen Ankündigungen, widerstreitend von Rot und von Grün hier in Berlin, ist ein fauler und substanzloser Formelkompromiss. Sie sollten zugeben: Hier geht es nur um die Machtfrage. Hier geht es nur darum, Senatorensessel zu besetzen. Sachfragen spielen überhaupt keine Rolle. (Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das ist bei Ihnen aber üblicherweise genauso!) Im Übrigen: Dieses Theater um die A 100, das hier in Berlin inszeniert wird, ist zugleich ein verkehrspolitischer Offenbarungseid von Rot und von Grün. Das ist Realsatire. Mit Realpolitik hat das überhaupt nichts gemein. (Mechthild Rawert [SPD]: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?) Dafür gibt es ganz offensichtlich Vorbilder, verehrte Frau Kollegin. Ich nenne den Hochmoselübergang in Rheinland-Pfalz. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Schon wieder! – Gustav Herzog [SPD]: Der wird gebaut!) – Natürlich tut das weh, Herr Kollege Herzog. – Die SPD war dafür. Der Landtag in Mainz hat das Projekt mit 100 Prozent bestätigt. Die Grünen haben im Wahlkampf gesagt: Wir werden es verhindern. – Dieser Übergang wird heute gebaut. Die Kröte musste also geschluckt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Genauso wird man in Berlin – sagen Sie das doch bitte ehrlich – die Kröte A 100 schlucken müssen. (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Haben sie ja schon! – Gustav Herzog [SPD]: Sorgen Sie für das Geld!) Das, was dort inszeniert wird, ist nichts als Theater. Ein weiteres Beispiel ist Stuttgart 21. Das ist nichts anderes, nur sind dort die Vorzeichen umgekehrt: Da gibt es einen Ministerpräsidenten, der vor der Wahl gesagt hat: Wir werden dieses Projekt stoppen. Ich prophezeie Ihnen: Die dortige Volksabstimmung, die man mit einer Trickserei auf den Weg gebracht hat, wird zu einer krachenden Niederlage dieser grün-roten Koalition führen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Uwe Beckmeyer [SPD]: Wie bitte? Da blenden Sie alles aus, was Ihnen unangenehm ist!) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir stellen fest: Rot-grüne Verkehrspolitik heißt, dass Straßenneubau selbst da, wo Bedarf besteht, nicht mehr stattfinden soll. (Gustav Herzog [SPD]: Das ist doch Unsinn, was Sie reden! – Mechthild Rawert [SPD]: Was sagt denn Ihr Minister?) Das soll in Berlin in Zukunft so sein. Das steht im Koalitionsvertrag der Regierung in Baden-Württemberg, das steht im Koalitionsvertrag der Regierung in Rheinland-Pfalz. Ich zitiere, was der Genosse Buschkowsky zu diesen Verhandlungen wörtlich sagt: Hier siegt Ideologie vor Stadtgestaltung. Ich füge hinzu: Bei Ihnen geht in der Verkehrspolitik Ideologie vor vernünftiger Sachpolitik. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Rot-grüne Verkehrspolitik heißt auch – das müssen die Menschen wissen –: Die Belange von Wirtschaft, von Klima- und Umweltschutz – es geht dabei übrigens auch um die Menschen, die an solchen Straßen wohnen –, aber auch die Arbeitsplätze haben bei Ihnen keinen Stellenwert. Deshalb sollten die SPD-Genossen hier in der Stadt bei dem, was sie angehen, ganz vorsichtig sein. Es gibt Vorbilder für das, was passieren kann, wenn man knappe Mehrheiten mit gefährlichen Fragen verknüpft. Man sollte Frau Ypsilanti und Frau Simonis einmal fragen, was dabei herauskommen kann. Rot-Grün für Berlin, aber auch weit darüber hinaus heißt: Das ist das Ende einer vernünftigen und verlässlichen Verkehrspolitik. (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Ja, vorher war es besser!) Das darf es nicht geben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Wer ist denn Minister?) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Michael Groß hat das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Michael Groß (SPD): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Schnieder, durch Ihre Rede ist noch einmal klar geworden, dass die Beantragung der Aktuellen Stunde eigentlich die Fortsetzung Ihres Wahlkampfs ist. Sie betreiben weiter Wahlkampf und akzeptieren das Ergebnis in Berlin nicht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie versuchen, die Koalitionsgespräche zu beeinflussen, weil Sie nicht die erste Wahl sind. Darüber, dass Sie es nicht sind, können Sie traurig sein, aber so ist es nun mal. Es ist richtig: Der Ausbau der A 100 wurde in der aktuellen Bedarfsplanüberprüfung des Bundes als Maßnahme des Vordringlichen Bedarfs bestätigt. Es ist laut Pressemitteilung das einzige neue Bauprojekt für das Land Berlin im Investitionsrahmenplan bis 2015. Dabei ist die Frage, ob es diesen Plan überhaupt gibt. In der letzten Woche wurde seine Existenz durch den Parlamentarischen Staatssekretär vehement bestritten, obwohl die Presse aus dem Plan zitiert hat. (Gustav Herzog [SPD]: So ist das!) Nach verlorenen Wahlen für die Union, zum Beispiel in NRW, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, ist ein deutlich erkennbares Muster, dass der Verkehrsminister Millionen für Verkehrsinfrastrukturprojekte streichen will. Die Schlagzeile „Ramsauer droht … mit Geldentzug“, so im Spiegel, wiederholt sich ständig. So wundert es auch niemanden mehr, dass in Berlin sofort die Gelder für den Ausbau der A 100 gestrichen werden sollen, falls man Ihren Wünschen nicht nachkommt. (Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Es soll gebaut werden! Was erzählen Sie denn da? – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Nicht ganz im Thema!) Dabei haben die Koalitionsverhandlungen von Rot und Grün noch nicht einmal begonnen. Die Bundesregierung streicht gern, wo Rot-Grün regiert. In NRW ist es angeblich der RRX, in Baden-Württemberg stehen gleich alle Verkehrsinfrastrukturprojekte auf dem Prüfstand, (Patrick Döring [FDP]: Weil es im Koalitionsvertrag steht!) und in Berlin sind es wichtige Infrastrukturmittel. In Bayern wollen Sie 29 Bauvorhaben beginnen – in Berlin nur eines. (Patrick Döring [FDP]: Es ist auch nur eines im Vordringlichen Bedarf!) Darf ich Sie daran erinnern, dass Herr Ramsauer Bundesminister ist? Sie sind bundesweit zuständig und sollten bundesweit die Verantwortung für die Verkehrsinfrastruktur übernehmen und bundespolitische Entscheidungen treffen. Die Zuständigkeit des Bundesverkehrsministers für Koalitionsgespräche auf Landesebene ist mir bisher entgangen, aber ich bin ja erst seit zwei Jahren dabei und lerne natürlich gerne dazu. (Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Das kann noch werden!) Mir fehlt allerdings eindeutig, dass der Bundesminister schlicht und ergreifend, wie vollmundig angekündigt, Verantwortung für sein Ressort übernimmt. Der Verkehrsetat ist gnadenlos unterfinanziert. Bereits aus dem letzten Investitionsrahmenplan wurden 213 Maßnahmen nicht abgearbeitet. Der Erhaltungsbedarf wird nur zu etwa zwei Dritteln finanziert; Aus- und Neubau werden nur zur Hälfte finanziert. Mit Investitionen in das Straßennetz in Höhe von circa 130 Euro pro Einwohner liegt Deutschland im europäischen Vergleich auf den hintersten Plätzen. Herr Ramsauer selbst fordert 14 Milliarden Euro vom Finanzminister – so war letztens zu lesen –, um die notwendigen Verkehrsprojekte aus dem Bundesverkehrswegeplan umzusetzen. Im Verkehrsausschuss hat die Regierung jetzt erklärt, dass die Mittelbindung durch laufende Vorhaben in den nächsten Jahren grundsätzlich keine Neubeginne erlaubt. Im Straßenbauplan 2012 ist der Ausbau der A 100 gar nicht enthalten. Setzen Sie sich dafür ein und sorgen Sie dafür, dass die Infrastrukturmittel in den Bundeshaushalt eingestellt werden und Berlin zur Verfügung stehen! (Beifall bei der SPD – Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Das hat er doch gesagt! – Patrick Döring [FDP]: Stehen sie doch!) Anstatt verkehrspolitische Verantwortung zu übernehmen, Gespräche zu führen und über Alternativen nachzudenken, die umweltpolitische und verkehrspolitische Lösungen darstellen, verweigern Sie sich in der Koalition; dasselbe gilt für den Minister. Es fehlen der Bundesregierung Mobilitätskonzepte, die Probleme lösen. Die Arbeit an pragmatischen Lösungen ist aber notwendig, um beispielsweise Verkehr aus den Städten und Ballungszentren wie Berlin hinauszuführen. (Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: So ist es!) Herr Ramsauer ruft nur nach mehr Geld und nach einer Pkw-Maut oder streicht Projekte. Das ist keine Bundesverkehrspolitik. Fangen Sie endlich mit Fachpolitik an! Akzeptieren Sie das Ergebnis in Berlin und führen Sie endlich lösungsorientierte Gespräche! Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Patrick Döring hat das Wort für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Patrick Döring (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihr Beitrag, geschätzter Herr Kollege Groß, gibt mir Gelegenheit, einmal darauf hinzuweisen, dass wir vor folgender Situation stehen: In den Koalitionsverträgen, die in den letzten Monaten Rote und Grüne abgeschlossen haben, ist eine konsequente Verweigerung gegenüber der Fortsetzung von Straßenbauprojekten niedergelegt. Wenn man ein Anhänger der föderalen Ordnung und der Auftragsverwaltung der Länder ist, dann muss man das durchaus hinterfragen. Denn es ist so, dass die Länder im Auftrag des Bundes Bundesfernstraßen planen, bauen und bewirtschaften. Es gibt von Rot und Grün regierte Länder, die sich diesem Auftrag verweigern. Vor dieser politischen Situation stehen wir. Das ist offensichtlich auch in Berlin der Fall. Man kann daher dem Bundesverkehrsminister nicht vorwerfen, er realisiere Projekte nicht; denn die jeweiligen Landesregierungen blockieren diese Projekte konsequent. Das ist nun wirklich verkehrte Welt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Das ist falsch! Wir wollen eine leistungsfähige Infrastruktur in Berlin!) Ich hätte schon erwartet, Frau Kollegin Rawert und Herr Kollege Groß, dass Sie sich einmal vor Ihren Spitzenkandidaten und wahrscheinlich wiedergewählten Regierenden Bürgermeister stellen, der immerhin gesagt hat: Es gibt keinen faulen Kompromiss im Klein-Klein, die Trasse ist frei, der Bund zahlt. Es kann gebaut werden. Da gibt es nichts zu verhandeln. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Das Geld ist noch gar nicht da! Wo ist denn Ihr Geld?) Es ist eigentlich Ihre Aufgabe, diese Position hier vorzutragen, und nicht die Aufgabe eines Abgeordneten der Freien Demokraten. Ich muss schon sagen: Diese Art der Verhandlung, die wir hier erleben, zeigt deutlich, dass man es schon vor der Wahl mit der Durchführung der Kampagne nicht ernst gemeint hat. Immerhin haben die Grünen im Rahmen einer Kleinen Anfrage in der 16. Wahlperiode sehr viele Fragen gestellt. Am 16. März 2010 wurde sie von der neuen Bundesregierung beantwortet. Darin steht zum Beispiel: Der Bedarfsplan, in dem die Verlängerung der A 100 enthalten ist, bedeutet einen Planungsauftrag an die Auftragsverwaltung, die Planung an dem Vorhaben aufzunehmen und durchzuführen. Genau das ist passiert. Obwohl Sie wussten, dass die Planfeststellung abgeschlossen wird und Baurecht bestehen könnte, wenn nicht Sie und Ihre Büchsenspanner den Planfeststellungsbeschluss beklagen würden, haben Sie hier Plakate mit einem Versprechen geklebt, das nicht zu halten ist. Das muss man Ihnen vorhalten dürfen, auch deswegen, weil wir gerade Haushaltsplanberatungen haben. (Zuruf des Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE]) Noch abenteuerlicher ist allerdings die Vorlage, die Sie Ihren eigenen Delegierten zu Ihrer Landesdelegiertenkonferenz vorlegen. Da steht allen Ernstes in Zeile 117: Bislang sind die Mittel für den Weiterbau der A 100 im Bundeshaushalt … gar nicht eingestellt. Zumindest die hier anwesenden Mitglieder des Deutschen Bundestages wissen, dass das die Unwahrheit ist. Ich verweise auf die Tabelle 4 im Straßenbauplan des Einzelplans 12, Land: Berlin, laufende Nr.: 51, Straße: A 100. Für „Bauliche Vorleistungen im S-Bahnhof Bln-Ostkreuz“ sind Gesamtkosten von 16,5 Millionen Euro vorgesehen, davon in 2012 5 Millionen Euro. – Sie wissen, dass der Satz in dem Antrag, den Sie Ihren Delegierten vorlegen, gelogen ist. So kann man die Demokratie nicht stärken, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Hier den Eindruck zu erwecken, der Bund stehe nicht zu seinen Verpflichtungen, ist nun wirklich abenteuerlich. Der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium hat deutlich gemacht: Der Bund will das einzige Projekt für Berlin aus dem Bundesverkehrswegeplan im Vordringlichen Bedarf realisieren. Dieser Bundesverkehrswegeplan ist von Rot-Grün beschlossen. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Ist gut zu hören! Das freut uns ja!) Er muss unbedingt umgesetzt werden. Der wiederzuwählende Regierende Bürgermeister möchte ebenfalls dieses Projekt umsetzen. Inmitten von Haushaltsplanberatungen, den Eindruck zu erwecken, man könne als Partei, die in Umfragen zweifellos außerordentlich gut dasteht, hier Wünsch-dir-was spielen und Bundesmittel mal eben in die eine oder andere Richtung schieben, wie es einem gerade passt, geht aber zu weit. Deshalb kann ich nur sagen: Dieses Verhandlungsergebnis wird dazu führen, dass die A 100 gebaut wird. Sie werden wie bei Moorburg, bei der Hochmoselbrücke und wie bei vielen anderen Infrastrukturprojekten wieder einmal Ihre Wähler betrogen haben. Ich sage Ihnen: Diese werden es merken. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Stefanie Vogelsang hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die A 100 – ein wichtiges, ein wesentliches Infrastrukturprojekt für die Stadt Berlin. Die A 100 – nicht erst im letzten Wahlkampf das wesentliche Thema, das die Auseinandersetzungen zwischen den Parteien beherrscht hat. Die A 100 – nicht bloß eine Autobahn, nicht bloß 3,2 Kilometer, sondern ein weiterer Bestandteil des Lückenschlusses des Stadtringes in Berlin, der vor allen Dingen den Ostteil der Stadt mit dem Westteil der Stadt verbindet. Es ist damit eines der großen Projekte, das nach Fertigstellung die komplette Wiedervereinigung dieser Stadt auch im Straßenbild widerspiegelt. Ich glaube, dass es darauf ankommt, dies hier und heute deutlich zu sagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gestern habe ich habe den Kollegen Liebich im Radio gehört. Er hat mit stolzer Stimme gesagt: In der letzten Wahlperiode – obwohl in der Koalitionsvereinbarung klar vereinbart war, die A 100 zu bauen – hätte die Linke das Projekt totgemacht, (Beifall der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE]) und er hätte jetzt alle Hoffnungen auf die Grünen gesetzt, dass nunmehr auch sie dieses Projekt totmachen würden. Mehr als die Hälfte der Berlinerinnen und Berliner haben Parteien gewählt, die sich ganz klar und deutlich für den Weiterbau der A 100 eingesetzt haben. Das war auf der einen Seite ganz klar die CDU, und das war auf der anderen Seite ganz klar die SPD mit ihrem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Daran gibt es doch nichts zu deuteln! Hat der Regierende Bürgermeister gesagt!) Frau Rawert, Sie haben sich hier hingestellt und gesagt, es sei für die SPD doch mal an der Zeit, sich bei den Wählerinnen und Wählern für den Wahlausgang am 18. September zu bedanken. Glauben Sie nicht, Frau Kollegin, dass der eine oder andere Wähler dabei war, der Klaus Wowereit und Ihrer SPD das Vertrauen geschenkt hat, weil er darauf setzte, dass man bald nicht mehr von Friedrichshain aus 35 Minuten braucht, um irgendeine Autobahnanschlussstelle zu erreichen, dass man eben nicht mehr stundenlang in Staus stehen muss, wenn man vom Ostteil, zum Beispiel von Treptow, nach Neukölln fahren möchte, (Sabine Leidig [DIE LINKE]: S-Bahnen! U-Bahnen! Straßenbahnen! – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie einmal auf den Stadtplan!) dass man nicht mehr lange Planungen vornehmen muss, wenn man von Neukölln aus in einen anderen Bereich fahren will? Es waren bestimmt viele Menschen, die auf Klaus Wowereit vertraut haben (Uwe Beckmeyer [SPD]: Und das auch weiter können!) und gesagt haben: Er setzt sich für die Autobahn ein, und das ist uns wichtig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Frau Vogelsang, nicht so beleidigend!) Doch, ich denke, schon. Mehr als die Hälfte der Berlinerinnen und Berliner haben bei einem zentralen Wahlkampfthema in dieser Wahl, dem Weiterbau der A 100 als Symbol für Infrastrukturfähigkeit und Zukunftsfähigkeit dieser Stadt, gesagt: Ja, genau das wollen wir haben. – Und jetzt finde ich in dieser Vereinbarung nichts als unehrliches Hin- und Hergeschummel. Sie vertrauen darauf, es aussitzen zu können. Sie vertrauen darauf, dass sich die Berlinerinnen und Berliner nicht direkt von Ihnen geohrfeigt fühlen, wenn sie bei den Grünen schwammig dies und bei der SPD schwammig das erkennen können. Aber so dämlich sind wir Berlinerinnen und Berliner nicht. (Mechthild Rawert [SPD]: Deshalb haben sie ja auch SPD gewählt!) Das entdeckt jeder. Frau Kollegin Rawert, ich möchte Ihnen genauso, wie das der Staatssekretär Mücke vorhin getan hat, eine Zusage machen: Wenn Sie ganz schnell eine klare und deutliche Aussage der Koalition bzw. des Senats von Berlin zum Weiterbau der A 100 bringen, sorgen wir, sobald das Baurecht vorliegt, dafür, dass dieses Projekt umgehend finanziert und bezahlt wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Es gibt also doch kein eigentliches Bundesrecht! Es ist Parteitaktik! Sie haben gerade Ihre eigene Regierung entlarvt! Frau Vogelsang, Frau Vogelsang!) Ich glaube, dass es für Klaus Wowereit einen verlässlichen und starken Partner gibt. Er sollte aber nicht eine einzige Sekunde darauf vertrauen, dass wir ihm angesichts der Unzuverlässigkeit der Grünen aus der Patsche helfen. Frau Kollegin, Sie müssen das doch selber gemerkt haben, als Sie die Rede von Herrn Hofreiter gehört haben. Ich kann nur sagen: Bei einer Stimme Mehrheit in einer Regierungskoalition wäre ich sehr vorsichtig, mit wem ich ins Bett stiege. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris Gleicke [SPD]: War das jetzt ein Angebot? – Gegenruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD]: Das weiß ich nicht!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat Uwe Beckmeyer für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Uwe Beckmeyer (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Mit dem, was Sie hier treiben, wollen Sie etwas kaschieren, und zwar dergestalt: Machen wir es denen in Berlin einmal richtig schwer! (Zuruf von der FDP: Ihr macht es euch selber schwer!) Sie tun das vor dem Hintergrund einer politischen Situation, in der Merkels Macht zerbröselt. (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der FDP – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Da lachen ja die Hühner!) Sie verlieren ein Bundesland nach dem anderen. Ihre Macht im Bundesrat wird immer geringer. Einer der Koalitionspartner ist inzwischen unter „ferner liefen“. Aber Sie treiben dieses Thema wie bisher voran. Worum geht es eigentlich? Der Regierende Bürgermeister hier in Berlin hat klar gesagt: Die Sozialdemokraten wollen das Projekt, wollen all das, was die A 100 ausmacht. (Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Sehr gut! Ist in Ordnung!) Bei den Grünen dagegen ist folgende Position erkennbar: Wir brauchen auch Mittel für Lärmschutz, Flüsterasphalt und andere wichtige Projekte in diesem Land. (Kai Wegner [CDU/CSU]: Das ist ja alles bei der A 100 schon dabei! Deswegen ist es ja so teuer! – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Anstatt! Nicht „auch“!) – Hören Sie zu! (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Es stimmt nicht, was Sie sagen!) Da merkt man doch, was momentan mit dem Verkehrshaushalt los ist: Es ist die pure Not. Für viele wichtige Projekte ist zu wenig Finanzmasse vorhanden; da hat der Kollege Anton Hofreiter völlig recht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wir haben heute im Verkehrsausschuss über den Haushalt des Jahres 2012 gesprochen. Wir haben von der Koalition keinen einzigen Antrag zur Ausweitung des Haushaltes bekommen. (Gustav Herzog [SPD]: Peinlich war das!) – Richtig, ein absolut peinlicher Vorgang. Keine einzige weitere Initiative aus der Koalition für eine Anhebung der Mittel! (Patrick Döring [FDP]: Eure Initiativen wollt ihr nicht gegenfinanzieren!) – Hören wir einmal zu. Heute höre ich an diesem Pult vom zuständigen Staatssekretär, dass das Geld für die A 100 bereitgestellt wird. Ich sage „Wunderbar!“ und klatsche Beifall. (Mechthild Rawert [SPD]: Wo ist der Titel?) Es freut mich, dass Sie eine solche stramme Aussage machen können. Die Frage ist nur: Wo haben Sie die entsprechenden Mittel tatsächlich eingestellt? (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Herr Döring, es ist nicht ganz richtig, wenn Sie sagen, das Geld komme automatisch, wenn es an der Stelle, die Sie vorhin genannt haben, eingestellt ist. Die definitive Aufnahme in den Straßenbauplan und damit die Darstellung der Finanzierung im Bundeshaushalt findet entsprechend den Regularien des BMVBS nach dem Vorliegen eines rechtskräftigen Planfeststellungsbeschlusses statt. (Mechthild Rawert [SPD]: So ist das!) Der entsprechende Planfeststellungsbeschluss wird momentan in Leipzig beklagt. Es wird damit gerechnet, dass im Frühjahr 2012 eine gerichtliche Entscheidung dazu vorliegt. Das ist die aktuelle Lage. (Patrick Döring [FDP]: Deshalb stehen 5 Millionen Euro im Bundeshaushalt!) Nun kommt aus Berlin der Wunsch, Gespräche zu führen. Im politischen Bereich ist das Gespräch eigentlich ein übliches Mittel der Kommunikation. Da können Sie doch nicht einfach sagen: Wir führen keine Gespräche. (Jan Mücke, Parl. Staatssekretär: Habe ich auch nicht gesagt! Keine Verhandlungen!) Führen Sie doch einmal Gespräche! Auf der anderen Seite gibt es bei der grünen Fraktion die Erwartung, dass die Gespräche zu einem anderen Ergebnis führen als zu dem, worauf zurzeit noch die Planungen beruhen. Ich habe die persönliche Einschätzung – ich bin kein Berliner und auch kein Abgeordneter des Berliner Abgeordnetenhauses –, dass das Umwidmen von Mitteln im Bundesverkehrswegeplan und die Verwendung für andere Projekte nicht so einfach geht. Ich kenne wenige Beispiele dafür; in Bezug auf die aktuelle Situation kenne ich eigentlich gar keine Beispiele dafür. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Patrick Döring [FDP]: So ist es, Uwe! Der kennt sich aus, der Mann!) – Klatschen Sie nicht zu früh. – Nur, meine Damen und Herren, das, was hier in Berlin, im Brennpunkt unserer Republik, passiert, macht doch exemplarisch klar: Es geht nicht nur um die A 100, sondern auch um Lärmschutz, den Schutz der Bevölkerung vor Verkehrsemissionen und vieles andere mehr. Darauf hat diese Koalition überhaupt keine Antwort. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wir haben heute Anträge zum Lärmschutz gestellt. (Patrick Döring [FDP]: Ohne Gegenfinanzierung! Das Geld fällt bei euch vom Himmel!) Wir haben heute gefordert und dafür gestimmt, dass zugunsten dieser Bereiche zusätzliche Anstrengungen bei der Infrastrukturfinanzierung unternommen werden. Wir haben einen entsprechenden Deckungsbeitrag geleistet, den Sie von der FDP aus dem Haushalt gekegelt haben. (Patrick Döring [FDP]: Nein! – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Wiedereinführung der Vermögensteuer!) Wir haben gesagt: Wir wollen eine Rücknahme der von Ihnen durchgesetzten Streichung der Mauterhöhung. Da geht es locker um einen dreistelligen Millionenbetrag im Haushalt. Setzen Sie Ihre Beschlüsse zur Bundesstraßenmaut, die Sie im Deutschen Bundestag gefasst haben, endlich um. (Patrick Döring [FDP]: So rechnen Sozis: 1 Milliarde ausgeben und 100 Millionen einnehmen!) Wir haben keinen Anlass, Ihnen zu trauen, weil Sie nicht in der Lage sind, Ihren Haushalt auf der Einnahmeseite ordentlich in Gang zu setzen. (Patrick Döring [FDP]: Unseriöse Haushaltspolitik!) Auf der anderen Seite hoffen wir natürlich, dass die Koalition in dieser Legislaturperiode vielleicht noch einmal die Kraft hat – es wäre ein letztes Aufbäumen –, ein biss-chen Geld für die Verkehrsinfrastruktur zusammenzubringen. Dann habe ich auch die Hoffnung, dass Herr Mücke seine Versprechungen einhalten kann. (Kai Wegner [CDU/CSU]: Das hoffen wir auch!) Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat Dr. Martin Lindner für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Es gibt in Deutschland eine Partei, die uns immer erzählt, es gehe ihr nur um Inhalte – nie um Minister- oder Senatorenposten, sondern immer nur um ihre grünen Inhalte. Ich bin beglückt, Ihnen heute ein Zitat des geschätzten Regierenden Bürgermeisters von Berlin aus der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 1. September 2011 zum Thema „Grüne Inhalte“ vortragen zu können. Ich zitiere: Ich bin hocherfreut darüber, dass Herr Ratzmann – das ist der Fraktionsvorsitzende – (Gustav Herzog [SPD]: Alles schon mal gehört!) und neulich auch Frau Künast den inhaltlichen Wahlkampf angekündigt haben. Zehn Punkte sind dort benannt worden, und es hieß: Wenn diese zehn Punkte nicht akzeptiert werden, dann werden die Grünen gar nichts mitmachen. – So lautete die Parole. Herr Ratzmann! Das ist heute eingedampft worden. Von Ihren zehn Punkten haben Sie nur noch einen zum harten Kern gemacht, nämlich die A 100. Sie haben gesagt: Wenn das nicht erfüllt wird und wenn der Wowereit da nicht einknickt, dann – – Ja, was ist denn dann, Herr Ratzmann? Dann bleibt Ihr Anzug wieder im Schrank hängen wie beim letzten Mal, oder was? (Heiterkeit bei der FDP) Dann setzt der Regierende Bürgermeister seine Rede fort und sagt: Das müssen Sie sich doch einmal klarmachen. Sie sitzen doch auf einem hohen Ross, das Ihnen längst weggeschossen ist. Herr Ratzmann, – das ist Ihr zukünftiger Koalitionspartner, sehr martialisch – dass Sie noch meinen, Bedingungen für Koalitionsverhandlungen stellen zu können! Wo leben wir denn eigentlich? Wo leben Sie denn eigentlich? Ich wünsche Ihnen weiterhin großartige Verhandlungen mit diesem wirklich fairen Partner! (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Stefan Liebich [DIE LINKE]: So ist das!) Dann kam Ratzmann, sitzengeblieben auf diesem einzelnen Punkt, und sagt in der Berliner Morgenpost: A-100-Ausbau wird es mit den Grünen nicht geben Er führt weiter aus: Wenn Wowereit die A 100 bauen will, muss er das mit der CDU machen. Jetzt haben Sie einen großartigen Kompromiss gefunden. Sie sagen: Jetzt verhandeln wir erst einmal mit dem Verkehrsminister, und zwar ganz ergebnisoffen. – Was glauben Sie denn eigentlich, was der Verkehrsminister jetzt tut? Meinen Sie, er sagt: „Wir schmeißen alle Pläne, die damals von Rot-Grün beschlossen wurden, über den Haufen, um euch zu helfen, eure schon vor Abschluss des Vertrages bestehende Koalitionskrise zu lösen“? (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht mit Ihnen, Herr Lindner! – Mechthild Rawert [SPD]: Sie sind ja nur neidisch! 1,8 Prozent!) Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Es ist lächerlich, wenn Sie glauben, dass der Bau aufzuhalten ist. Das Ding wird gebaut, und der dann amtierende Innen, Verkehrs- oder Wirtschaftssenator Ratzmann wird in dem Moment das rote Band durchschneiden, in dem der Ministerpräsident von Baden-Württemberg das rote Band bei Stuttgart 21 durchschneidet. (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU) So wird es kommen. Ich freue mich auf die Einladung zum Abschluss dieses wirklich exzellenten Projekts. (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie geht es eigentlich der FDP?) Das einzig Überraschende ist doch, wie schnell der Genickbruch erfolgt. Das ist doch das einzig Spannende. Bei den Linken, Herr Liebich, war der Regierende Bürgermeister so anständig und hat gewartet, bis er zum Regierenden Bürgermeister gewählt wurde. Anschließend hat er mit den Linken das Blindengeld gekürzt, 30 000 Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut, die Wohnungsbaugesellschaften und die Landesbank privatisiert. So viel zu Ihren Versprechungen, Herr Liebich. – Aber bei euch wartet er noch nicht einmal! (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das ist sensationell dreist, (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Aber die FDP ist raus! Das wollen wir nicht vergessen! Raus!) und Sie sind sensationell devot; das muss man hier feststellen. (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt einer mit 1,8 Prozent!) Ich wünsche Ihnen weiterhin gute Verhandlungen mit diesem wunderbaren Regierenden Bürgermeister. Wir werden in der Bundesregierung, in dieser Koalition, dafür sorgen, dass das vernünftige Projekt A 100 in Berlin weiter gebaut wird. Ratzmann heißt jetzt Ypsilanti. Herzlichen Dank. (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: So weit sind wir noch nicht!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Arnold Vaatz hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Arnold Vaatz (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind am Ende der Aktuellen Stunde angelangt. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre super!) Das ist eine gute Gelegenheit, noch einmal die Fakten zusammenzutragen. Die Rechtslage ist eindeutig – das haben direkt oder indirekt eigentlich alle Redner bestätigt –: Es gibt einen Bundesverkehrswegeplan, der im Jahr 2003 unter Rot-Grün beschlossen wurde. Es gibt eine gesetzliche Grundlage zur Umsetzung, den Bundesfernstraßenbedarfsplan. Das entsprechende Gesetz ist 2004 beschlossen worden, auch unter Rot-Grün. Damit ist der unverbindliche Bundesverkehrswegeplan in ein verbindliches Gesetz überführt worden. (Mechthild Rawert [SPD]: Was war denn jetzt unverbindlich?) In dem Bundesfernstraßenbedarfsplan haben wir den Abschnitt 16 der A 100 – Dreieck Neukölln bis Treptower Park – als vordringlichen Bedarf eingeordnet. Das Land Berlin hat daraufhin den Planungsauftrag des Bundes umgesetzt. Wir haben gerade gehört, wie hoch die eigenen Kosten waren. Der Planfeststellungsbeschluss ist Ende 2010 ergangen. Er ist beklagt worden. Sobald die Gerichtsentscheidungen gefällt sind und der Planfeststellungsbeschluss umgesetzt werden kann, wird der Bund das dafür erforderliche Geld bereitstellen. Wir haben heute die verbindliche Zusage des Ministers bzw. des Ministeriums gehört. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Aha! Hoffentlich weiß er das dann auch noch! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vom Minister? Das war der Staatssekretär!) Herr Kollege Beckmeyer, die Voraussetzungen für die Finanzierung, die Sie eingefordert haben, sind, sobald der Rechtsstreit beendet ist, gegeben. Insofern sind Ihre Einwände gegenstandslos. Ich habe mich ein bisschen über Ihre Argumentation gewundert. Sie haben so getan, als bekämen Sie das Geld zweimal. Erst habe ich mich gewundert, aber dann fiel mir ein, dass Sie der größten Schuldenfabrik, die es in dieser Republik gibt, entsprungen sind, dem Senat von Bremen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Die die CDU eingerichtet hat!) Deshalb weiß ich, dass es Ihnen leichtfällt, Geld zu fordern, ohne irgendeine Ahnung zu haben, wo es herkommen soll. (Mechthild Rawert [SPD]: Da müssen Sie hinsehen! Das sind die Schuldenmacher! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bankenskandal! – Lachen des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP] – Gegenruf des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn er von Schulden spricht! Woher kommen die denn?) Auch politisch ist die Situation vollkommen klar. Der Kompromiss, über den in der Zeitung geschrieben wurde, ist nur angeblich ein Kompromiss. Es ist auffällig, dass Sie eine Volksbefragung zu diesem Thema gemieden haben. Warum haben Sie sie gemieden? Weil es repräsentative Umfragen gibt, die den Feststellungen der Linken widersprechen, Herr Liebich. Die Linken glauben immer, besser zu wissen, was die Menschen brauchen, als die Menschen selber. Sie sagen: Die Autobahn braucht keiner. Die Berliner sagen zu 52 Prozent: Wir brauchen sie. (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Und was ist mit den 48?) In Ostberlin, wo die Betroffenen leben – ihre Fahrzeit wird deutlich verkürzt –, sagen 63 Prozent, dass sie die Autobahn brauchen. (Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Aha!) Das halte ich für ein ganz wichtiges Votum. Aus diesem Grund muss von Rot-Grün ein anderer Weg zur Verhinderung beschlossen werden, damit das böse Autobahngeld in gutes, grünes Lärmschutzgeld verwandelt werden kann. Dazu braucht man aber das Einverständnis des Bundes. Deshalb soll mit dem Bund verhandelt werden, und wenn das nicht fruchtet, wird, sagt Herr Wowereit, die A 100 gebaut. Weil wir wissen, dass eine Umwidmung der 420 Millionen Euro nicht infrage kommt, ist das Ergebnis völlig klar: Die Verlängerung der A 100 bis zum Treptower Park wird gebaut. Das ist die Aussage. Sie haben sich ganz offensichtlich selbst Bedingungen gestellt, die Sie nicht erfüllen können. Sie müssen die Konsequenzen ziehen und die Autobahn bauen. Die Frage ist nur, ob die Berliner Unterhändler der Grünen wirklich so naiv waren, zu glauben, man könne dem Bund eine solche Umwidmung abhandeln. Ich persönlich meine, dass sie das nicht glauben. Sie sind nicht so naiv. Sie wissen ganz genau, dass das nur ein Placebo ist, mit dem sie ihre eigene Basis beruhigen und Herrn Ratzmann den Weg in den Senat ebnen wollen. Das ist das Ziel. Aber das – da bin ich mir sicher – wird selbst Ihre grüne Klientel in Berlin merken. Sie haben ja vorhin mit dem Finger auf andere gezeigt. Aber auch mit Ihnen wird es schnell bergab gehen. Bei Ihnen wird der Lack genauso schnell ab sein, wenn Sie Ihre Wählerklientel weiter so betrügen. Den Berlinern können wir von diesem Platz aus sagen: Die A 100 wird gebaut. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann?) Das Geld dafür wird bereitstehen, (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann?) sobald der Rechtsstreit beendet ist. Die CDU im Berliner Abgeordnetenhaus wird den Regierenden Bürgermeister Herrn Wowereit auch aus der Oppositionsposition heraus, wenn es so kommen sollte, dabei unterstützen, die Autobahn zu bauen. Diese Zusicherung haben Sie. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich schließe die Aussprache. Wir sind am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 29. September 2011, 9 Uhr, ein. Genießen Sie den restlichen Abend und die gewonnenen Einsichten. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 17.41 Uhr) Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Binder, Karin DIE LINKE 28.09.2011 Dr. Geisen, Edmund Peter FDP 28.09.2011 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.09.2011 Homburger, Birgit FDP 28.09.2011 Dr. Jochimsen, Lukrezia DIE LINKE 28.09.2011 Dr. Lehmer, Max CDU/CSU 28.09.2011 Lutze, Thomas DIE LINKE 28.09.2011 Nahles, Andrea SPD 28.09.2011 Nord, Thomas DIE LINKE 28.09.2011 Dr. Ott, Hermann E. BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.09.2011 Pieper, Cornelia FDP 28.09.2011 Pronold, Florian SPD 28.09.2011 Scheel, Christine BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.09.2011 Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 28.09.2011 Strothmann, Lena CDU/CSU 28.09.2011 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.09.2011 Wolff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 28.09.2011 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 28.09.2011 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 28.09.2011 Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7083, Frage 1): Seit wann werden im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, Ministervorlagen und Schreiben der Hausspitze dergestalt erfasst, dass sich im BMU nachträglich, also auch heute, IT-basiert eruieren lässt, welche Ministervorlagen und Schreiben der Hausspitze es zu einem Themenbegriff, Sachverhalt, Standort oder Ähnlichem und/oder in einem bestimmten Zeitraum gab? In der Leitungsregistratur des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, werden seit 1995 Betreff, Absender, Aktenzeichen, Eingangsdatum und Absendedatum eingehender Briefe und Vorlagen digital erfasst. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7083, Frage 2): Wann soll nach derzeitigem Planungsstand das Treffen der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder zur Frage einer Endlagerstandortsuche bzw. Suche von zu Gorleben alternativen Standorten stattfinden – falls noch kein Termin feststeht, wird gebeten, derzeit ins Auge gefasste Terminmöglichkeiten anzugeben –, und wie sieht der aktuelle Zeitplan des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit für die Erarbeitung des Entwurfs eines Endlagersuchgesetzes aus (bitte mit Angabe wesentlicher Zwischenetappen, Meilensteine etc.)? Die Bundesregierung bekräftigt, dass die Generationen, die die Kernenergie nutzen, auch für die Lagerung der anfallenden radioaktiven Abfälle Sorge tragen müssen. Dies schließt die ergebnisoffene Weitererkundung des Salzstocks in Gorleben ebenso ein, wie ein Verfahren zur Ermittlung allgemeiner geologischer Eignungskriterien und möglicher Entsorgungsoptionen. Die Bundesregierung wird dazu bis Ende des Jahres einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung unterbreiten. Die Bundesregierung wird alle Bundesländer, die ja teilweise einen Meinungswechsel und Verantwortungsbereitschaft bekundet haben, einladen und zu Gesprächen bitten und damit die Möglichkeit der Mitwirkung schaffen. Die Modalitäten und der Zeitpunkt zur Gesprächseinladung sind derzeit noch nicht endgültig geklärt. Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Ute Vogt (SPD) (Drucksache 17/7083, Frage 3): Welche Maßnahmen zur Vorbereitung der Stilllegung und des Rückbaus der am 6. August 2011 außer Betrieb genommenen Kernkraftwerke sind der Bundesregierung bekannt, die von den jeweiligen Betreibern geplant bzw. bereits durchgeführt werden, und welche Stilllegungskonzepte liegen diesen Planungen an den jeweiligen Standorten zugrunde? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, welche Maßnahmen zur Vorbereitung der Stilllegung und des Rückbaus der am 6. August 2011 außer Betrieb genommenen Kernkraftwerke von den jeweiligen Betreibern geplant werden und welche Stilllegungskonzepte diesen Planungen an den jeweiligen Standorten zugrunde liegen. Anlage 5 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Ute Vogt (SPD) (Drucksache 17/7083, Frage 4): Wann wird der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf das Schreiben des niedersächsischen Ministerpräsidenten, David McAllister, antworten, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der in dem Schreiben enthaltenen Forderung der Rückholbarkeit von Atommüll bezüglich der Endlagersuche und bezüglich weiterer potenzieller Endlagerstandorte? In dem Antwortschreiben an Herrn McAllister wurde zur Rückholbarkeit Folgendes ausgeführt: Die Frage, ob die Lagerung rückholbar gestaltet werden kann, sollte zwischen dem möglichst schnellen Abschluss der Abfälle von der Biosphäre und einer späteren Korrekturmöglichkeit abgewogen werden. Hier ist eher die Frage der Ausgestaltung des Einlagerungskonzepts bestimmend als die Auswahl des Endlagermediums. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dirk Becker (SPD) (Drucksache 17/7083, Frage 11): Wie schätzt die Bundesregierung jüngste Presseberichte ein, denen zufolge mit einem neuerlichen Anstieg der EEG-Umlage im kommenden Jahr zu rechnen ist, obwohl diese für das laufende Jahr um 0,8 Cent pro Kilowattstunde deutlich zu hoch berechnet wurde? Die Erneuerbare-Energien-Gesetz(EEG)-Umlage 2012 wird spätestens am 15. Oktober auf Grundlage wissenschaftlicher Gutachten von den Übertragungsnetzbetreibern festgelegt. Dabei fließt auch der Saldo des EEGKontos zum 30. September 2011 ein. Die Bundesnetzagentur hat in dem Verfahren eine Überwachungsfunktion. Sie prüft die von den Übertragungsnetzbetreibern vorzulegenden Daten. Die Ermittlung der Daten und deren Prüfung sind noch nicht abgeschlossen und sollten abgewartet werden. Ob die Umlage für 2011 zu hoch prognostiziert war, kann erst am Ende des Jahres 2011 beurteilt werden. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dirk Becker (SPD) (Drucksache 17/7083, Frage 12): In welchem Umfang wird die privilegierte Strommenge, das heißt die Strommenge, die von der Zahlung der EEG-Umlage befreit ist, im Zuge der EEG-Novelle 2012 zunehmen, und welchen Einfluss hat die zunehmende EEG-Umlagebefreiung von Unternehmen auf die Entwicklung der EEG-Umlage für nicht privilegierte Verbraucher? Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG, 2012 hat auf die im Jahr 2012 im Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung privilegierte Strommenge keinen Einfluss, da für das Jahr 2012 die Privilegierung auf der Grundlage des EEG 2009 erfolgt. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Gerd Bollmann (SPD) (Drucksache 17/7083, Frage 13): Aus welchen Gründen erlaubt die Bundesregierung die Überschreitung der Grenzwerte der 17. BImSchV, Bundes-Immissionsschutzverordnung, bei der Mitverbrennung von Abfällen in Anlagen – Zementwerken –, die zu mehr als die Hälfte Müll verbrennen, und ist sie der Meinung, dass dies ökologisch risikolos ist? Im § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, BImSchG, ist der Vorsorgegrundsatz formuliert. Die Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen, insbesondere durch Maßnahmen, die dem Stand der Technik entsprechen, sind für die Abfallverbrennung in der 17. BImSchV, Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen, konkretisiert. Die Anforderungen der 17. BImSchV gelten auch bei der Mitverbrennung von Abfällen in Kraftwerken und Zementwerken. Bei der Mitverbrennung von Abfällen ist bei der Festlegung der emissionsbegrenzenden Anforderungen auch der anlagenspezifische Stand der Technik der Emissionsminderung zu berücksichtigen. Deshalb besteht hier zunächst keine absolute Übereinstimmung mit den Werten, die für eine Abfallmonoverbrennung gelten. Wird jedoch bei der Mitverbrennung von Abfällen eine prozentuale Obergrenze des genutzten Abfallanteils an der Feuerungswärmeleistung überschritten, gelten dieselben Emissionsbegrenzungen wie für die Abfallmonoverbrennung. Die prozentuale Obergrenze ist in Kraftwerken bei einem Abfallanteil von 25 Prozent und in Zementwerken bei 60 Prozent festgelegt. Um im Einzelfall unverhältnismäßige Härten beim Betreiber zu vermeiden, enthält die 17. BImSchV in § 19 außerdem eine Ausnahmeregelung. Diese räumt der zuständigen Vollzugsbehörde die Möglichkeit ein, abgeschwächte Emissionsgrenzwerte zuzulassen. Hierbei sind dann die im Vergleich zu den deutschen Vorgaben etwas schwächeren EU-rechtlichen Emissionsbegrenzungen einzuhalten. Die Ausnahmereglung wird im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen in nationales Recht geprüft. Insgesamt stellen die Anforderungen der 17. BImSchV und die sachgerechte Anwendung der Ausnahmeregelung den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt sicher. Anlage 9 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Gerd Bollmann (SPD) (Drucksache 17/7083, Frage 14): Welches Gefährdungspotenzial haben die Abfallgemische, die in Kraftwerken und Zementwerken mit verbrannt werden, insbesondere in Bezug auf anorganische Chlorgasverbindungen, Salzsäure, Kohlenmonoxid, Dioxine und Furane? Die Betreiber von Kraftwerken und die Zementindustrie sind an schadstoffarmen Abfällen interessiert, um die anspruchsvollen Emissionsgrenzwerte der 17. BImSchV leichter einhalten zu können. Darüber hinaus verwendet die Zementindustrie im Hinblick auf die Produktanforderungen für die Zemente besonders schadstoffarme Abfälle, deren Eigenschaften durch Ersatzbrennstoffhersteller wie Zementwerkebetreiber, insbesondere hinsichtlich des Heizwertes, sowie der Wasser-, Chlor-, Quecksilber- und Schwefelgehalte ständig güteüberwacht werden. Unabhängig von der Art und Zusammensetzung der Abfälle oder Abfallgemische dürfen die Emissionsgrenzwerte der 17. BImSchV nicht überschritten werden. Das gilt auch für die genannten Schadstoffe. Anlage 10 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Ulrich Kelber (SPD) (Drucksache 17/7083, Frage 15): Wie stellt die Bundesregierung im Regime des EU-weiten CO2-Zertifikatesystems sicher, dass die kostenlose Zuteilung von CO2-Zertifikaten an Unternehmen im Luftverkehr nach deren Einbeziehung in das System nicht dazu führt, dass der Marktwert dieser Zertifikate im Wege der Opportunitätskostenwälzung auf die Ticketpreise aufgeschlagen wird? Die Möglichkeit der Überwälzung der (tatsächlichen und der Opportunitäts-)Kosten der CO2-Zertifikate hängt entscheidend vom bestehenden Wettbewerbsdruck ab. Bei einem hohen Preiswettbewerb der Tickets – das heißt bei schwacher Nachfrage – sowie bei Interkontinentalflügen, wenn ausländische Konkurrenten weniger Zertifikate für Strecken über außereuropäische Drehkreuze vorweisen müssen, wird eine Überwälzung schwerfallen. Für innereuropäische Flüge und Interkontinentalflüge auf gleicher Strecke ist die Einführung des Emissionshandels wettbewerbsneutral, da alle Fluggesellschaften gleich belastet werden sollen. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass in diesem wachsenden Markt eine vollständige oder teilweise Überwälzung der tatsächlichen und Opportunitätskosten nicht ausgeschlossen werden kann. Einen korrigierenden Eingriff in diesen Marktmechanismus sieht die Bundesregierung nicht vor. Es ist vorgesehen, dass die Luftverkehrsbetreiber – unter anderem wegen des in der Emissionshandelsrichtlinie festgelegten Versteigerungsanteils – einen nicht unerheblichen Teil der CO2-Zertifikate ersteigern müssen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Fragen der Abgeordneten Ulla Burchardt (SPD) (Drucksache 17/7083, Fragen 16 und 17): Wie viele in Österreich und den Niederlanden studierende Deutsche belegen ein Fach, das in Deutschland mit einem zentralen bzw. einem lokalen Numerus clausus belegt ist, und welches sind die bevorzugten Fächer? Aus welchen Bundesländern stammen die in Österreich und in den Niederlanden deutschen Studierenden überwiegend? Zu Frage 16: Im Jahr 2009 studierten 23 706 Deutsche in Österreich – 20,5 Prozent aller Auslandsstudierenden. In den Niederlanden waren 20 805 deutsche Studierende – 18,0 Prozent aller Auslandsstudierenden – eingeschrieben. Für 2010 werden für die Niederlande nach vorläufigen Angaben 23 831 Studierende gemeldet. Von den deutschen Studierenden in Österreich waren im Jahr 2009 10 525 oder 44,4 Prozent in Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften eingeschrieben. Sprach- und Kulturwissenschaften studierten 3 160 bzw. 13,3 Prozent und Medizin oder Gesundheitswissenschaften 2 679 oder 11,3 Prozent. In den Niederlanden waren Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit 11 415 Studierenden oder 47,9 Prozent ebenfalls die beliebteste Fächergruppe für Deutsche. An zweiter Stelle folgen Medizin und Gesundheitswissenschaften mit 2 761 Studierenden – 11,6 Prozent. Kunst und Kunstwissenschaft wurden von 4 838 deutschen Studierenden – 7,3 Prozent – belegt. Eine Aufteilung nach Fächern, die in Deutschland mit Numerus clausus belegt sind, liegt nicht vor. Zu Frage 17: Zur Aufteilung nach Bundesländern liegen keine Angaben vor. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/7083, Frage 18): Aus welchen Gründen plant die Bundesregierung eine erhebliche Reduktion der Projektfördermittel für die Meeres- und Polarforschung, und welche Projekte sollen über die Erhöhung der Mittel für die Hightech-Strategie für den Klimaschutz gefördert werden? Der Mittelansatz unter Titel 685-40 Erläuterungsziffer 3 für die Meeres- und Polarforschung wurde für das HH-Jahr 2012 von 4 Millionen Euro auf 3,5 Millionen Euro reduziert. Die Kürzung berücksichtigt an dieser Stelle einen reduzierten Mittelbedarf durch die Verschiebung eines geplanten internationalen Kooperationsprojekts im Bereich der Permafrostforschung. Was die Erläuterungsziffer 1 „High-Tech-Strategie für den Klimaschutz“ (Titel 685-40) betrifft, so werden im Jahr 2012 Projekte im Bereich klimarelevante Meeres- und Polarforschung mit 12,347 Millionen Euro gefördert. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/7083, Frage 19): Wie hoch waren die Abflüsse der im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellten Mittel zur Förderung der Forschung an Fachhochschulen seit 2007, und wie viele Anträge wurden von 2007 bis heute – nach Jahren unterteilt – für diese Förderung eingereicht? Die zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel für das Programm „Forschung an Fachhochschulen“ stiegen von 28 Millionen Euro im Jahr 2007 über 30 Millionen Euro im Jahr 2008 und 34 Millionen Euro in 2009 auf 37 Millionen Euro in den Jahren 2010 und 2011 an. Vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2010 wurden stets rund 100 Prozent der vom Bundeshaushalt zur Verfügung gestellten Mittel verausgabt. Eine weitere Erhöhung des Etats um 10 Prozent auf 40,7 Millionen Euro ist für das Haushaltsjahr 2012 vorgesehen. Für alle vier Förderlinien des Programms „Forschung an Fachhochschulen“ wurden im Jahr 2007 insgesamt 417 Anträge eingereicht. Die Zahl der eingereichten Anträge stieg im Jahr 2008 auf 451. Im Jahr 2009 wurden 530 Anträge eingereicht und im Jahr 2010 waren es 511. Im aktuellen Haushaltsjahr 2011 wurden bisher 596 Anträge eingereicht. Bei der Förderlinie ProfilNT des Programms „Forschung an Fachhochschulen“ ist eine Antragstellung laufend möglich, ein gesondertes Ausschreibungsverfahren erfolgt nicht, sodass sich die Zahl der eingereichten Anträge für das Jahr 2011 noch erhöhen könnte. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7083, Frage 27): Aus welchen Gründen verzögert sich die in der Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage 47 auf Bundestagsdrucksache 17/1918 angekündigte und in § 12 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, KWK-Gesetz, festgeschriebene Zwischenüberprüfung zur Wirksamkeit des KWK-Gesetzes für das Jahr 2011, und welche Auswirkungen hat dies auf den Zeitplan der noch für das Jahr 2011 angekündigten Novelle zum KWK-Gesetz? Nach § 12 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes ist 2011 eine Zwischenüberprüfung des Gesetzes durchzuführen. Hierzu hat BMWi einen Forschungsauftrag an Prognos/Berliner Energieagentur vergeben, dessen Ergebnisse nunmehr vorliegen. Auf Basis dieser Studie wird BMWi wie im Gesetz vorgesehen, in 2011 gemeinsam mit BMU einen Bericht zur Zwischenüberprüfung zeitnah vorlegen. Parallel dazu laufen die Vorbereitungen für eine Gesetzesnovelle. Eine Verzögerung im Zeitplan ist in beiden Punkten derzeit nicht zu erkennen. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7083, Frage 28): Wie lautet der konkrete Untersuchungsauftrag – inklusive welcher energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die dem Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln, EWI Köln, vorgegeben wurden –, den das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie laut dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages auf Ausschussdrucksache 17(9)609 an das EWI Köln zu Kapazitätsmärkten im Strombereich erteilt hat? Der genannten Untersuchung liegt folgende Kurzbeschreibung zugrunde: „In einem umfassenden Gutachten zum zukünftigen Strommarktdesign sollen die sich aus dem notwendigen Systemumbau ergebenden Auswirkungen auf den Strommarkt und auf das Investitionsverhalten der Marktteilnehmer untersucht werden. Es sollen Empfehlungen für ein Marktdesign, das auch in Zukunft ausreichend Investitionen in die Bereitstellung gesicherter Erzeugungsleistung gewährleistet, erarbeitet und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Konkret geht es auch um die Frage, ob sogenannte Kapazitätsmärkte notwendig werden und wie diese ausgestaltet und finanziert werden könnten. Erfahrungen aus anderen Ländern – Europa und möglichst USA – sowie anderen Märkten, zum Beispiel der Regelenergiemarkt, sollen mitbetrachtet werden. Bei Vorschlägen für ein zukunftsfähiges Marktdesign zur Sicherung der Stromversorgung sollen speziell auch die energiepolitischen Ziele der Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit mit berücksichtigt werden. Insbesondere sollen hierbei Optionen für eine weitere Stärkung des Wettbewerbs vorgestellt werden.“ Da es sich um eine wissenschaftliche Untersuchung handelt, ist es Sache des Auftragnehmers, energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen zugrunde zu legen. Allerdings wurde der Auftragnehmer darum gebeten, bisherige Studien mit zu berücksichtigen und sich zusätzlich zu den Energieszenarien auch an dem Versorgungssicherheitsbericht zu orientieren. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7083, Frage 29): Trifft es nach Erkenntnissen der Bundesregierung zu, dass das EEG-Konto im Mittelwert der ersten acht Monate dieses Jahres mit durchschnittlich 62 Millionen Euro im Plus war, mit welcher Entwicklung rechnet die Bundesregierung für die verbleibenden Monate, und erachtet die Bundesregierung eine Liquiditätsreserve für die Übertragungsnetzbetreiber für erforderlich? Der monatliche Saldo des EEG-Kontos wird im Internet veröffentlicht (www.eeg-kwk.net). Während der monatliche Saldo in den ersten vier Monaten des Jahres 2011 im Plus war, werden für die Monate Mai bis August negative Kontostände ausgewiesen. Aus den veröffentlichten Daten lässt sich allerdings kein aussagekräftiger Durchschnittswert berechnen, da der Kontostand auch innerhalb eines Monats starke Schwankungen aufweist. Über die Liquiditätsreserve, die mögliche Finanzierungsrisiken aufgrund negativer Kontostände reduzieren soll, ist im Rahmen der Festlegung der EEG-Umlage zu entscheiden. Im Übrigen ist für die Höhe einer etwaigen Liquiditätsreserve der erwartete Kontoverlauf eines Folgejahres maßgeblich. Die Festlegung der EEG-Umlage obliegt den Übertragungsnetzbetreibern. Die Bundesnetzagentur hat in dem Verfahren eine Überwachungsfunktion. Sie prüft die von den Übertragungsnetzbetreibern vorzulegenden Daten. Die Ermittlung der Daten und deren Prüfung sind noch nicht abgeschlossen und sollten abgewartet werden. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7083, Frage 30): Beabsichtigt die Bundesregierung, ein Speichergesetz vorzulegen, und, falls ja, bis wann soll der Regierungsentwurf vorliegen? Die Bundesregierung plant kein Speichergesetz. Sie weist darauf hin, dass es erheblichen Forschungsbedarf zu neuen Speichertechnologien gibt. Entsprechende Forschungs- und Entwicklungsprojekte von Unternehmen können im Rahmen der Forschungsförderung des Bundes substanziell unterstützt werden. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Ernst Burgbacher auf die Fragen der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7083, Fragen 33 und 34): Welche Fortschritte hat die Bundesregierung bei der Umsetzung der im Rahmen des Energiekonzepts vom 28. September 2010 beschlossenen Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz gemacht, insbesondere bezüglich des Pilotvorhabens zu Energiesparzertifikaten? Hat die Bundesregierung inzwischen ein Verfahren für das Monitoring festgelegt, ob und inwieweit die Ziele des Energiekonzepts vom 28. September 2010 erreicht werden, und wann wird der erste Monitoringbericht vorliegen? Zu Frage 33: Die Bundesregierung hat die im Energiekonzept beschlossenen Maßnahmen umgehend in Angriff genommen und nach den Ereignissen von Fukushima noch intensiviert. Beispielhaft seien die Novellierung der Vergabeverordnung vom 19. August 2011, mit der Energieeffizienz als wichtiges Vergabekriterium Kriterium bei der öffentlichen Vergabe verankert wurde sowie die Verlängerung und Aufstockung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms genannt. Die Modalitäten eines Pilotvorhabens zu Energiesparzertifikaten werden im Rahmen eines Gutachtens geprüft. Ziel ist eine ergebnisoffene Kosten-Nutzen-Analyse der Einführung eines Systems „Weißer Zertifikate“ oder anderer übergeordneter Instrumente. Bestandteil des Gutachtens ist auch eine Untersuchung möglicher Ausgestaltungsvarianten für das Pilotprojekt. Basierend hierauf wird über die Einrichtung und Ausgestaltung entschieden. Zu Frage 34: Die Bundesregierung hat am 28. September 2010 das Energiekonzept vorgelegt. Am 6. Juni 2011 hat die Bundesregierung ein umfangreiches Gesetzespaket beschlossen. In diesem Zusammenhang wurde auch ein jährliches Monitoring verabredet. Die Einzelheiten des Verfahrens für das Monitoring werden derzeit ausgearbeitet. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/7083, Frage 37): Wann beabsichtigt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der bestehenden Berichtspflicht, wonach in regelmäßigen Abständen zu informieren ist, einen weiteren tourismuspolitischen Bericht vorzulegen, nachdem der letzte Bericht im Februar 2008 veröffentlicht wurde und der Deutsche Bundestag 2009 eine Erweiterung der Berichtspflicht auf den Bauernhof- und Landtourismus beschlossen hat? Die Bundesregierung beabsichtigt einen weiteren tourismuspolitischen Bericht Ende 2012 vorzulegen. Bundesregierung ein umfangreiches Gesetzespaket beschlossen. In diesem Zusammenhang wurde auch ein jährliches Monitoring verabredet. Die Einzelheiten des Verfahrens für das Monitoring werden derzeit ausgearbeitet. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Ernst Burgbacher auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7083, Frage 38): Wann hat die Bundesregierung zuletzt Munitionslieferungen der Firma Fritz Werner nach Birma genehmigt, und welche Erkenntnisse hat sie über den Verbleib dieser Munition? Seit dem Jahr 1993, frühestes Datum der EDV-mäßigen Erfassung, sind durch die Bundesregierung keine Ausfuhren von Munition durch das Unternehmen Fritz Werner Industrie-Ausrüstungen GmbH, 65366 Geisenheim nach Myanmar genehmigt worden. Weiterführende Informationen liegen nicht vor. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Ernst Burgbacher auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache 17/7083, Frage 39): Welche Bundesbehörde hat das Waffenexportverbot für die Firma Heckler & Koch – bitte mit Angabe von Grund und Datum – für die vier mexikanischen Bundesstaaten Chiapas, Chihuahua, Guerreo und Jalisco ausgesprochen, und handelt es sich dabei um ein allgemeines Waffenexportverbot oder um eine spezifische Ausfuhrbegrenzung für die Firma Heckler & Koch? Das unterstellte Waffenexportverbot in die vier mexikanischen Bundesstaaten wurde weder von einer Bundesbehörde ausgesprochen noch besteht oder bestand es. Nach geltender Praxis werden Exportverbote für Rüstungsgüter in der Regel im Falle von Sanktionen aufgrund von Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen oder Beschlüssen des Rates der Europäischen Union verhängt. Entscheidungen zu Rüstungsexporten werden grundsätzlich nur als Einzelfallentscheidungen getroffen. Bezüglich der Erteilung von Genehmigungen für Ausfuhren für Polizeieinheiten mexikanischer Bundesstaaten möchte ich Sie auf die Antwort der Bundesregierung auf Frage 6 der Kleinen Anfrage Ihrer Fraktion, Bundestagsdrucksache 17/6432, vom 5. Juli 2011 verweisen. Anlage 22 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/7083, Frage 40): Welche Informationen hat die Bundesregierung über den gegenwärtigen Aufenthaltsort und die Aktivitäten der nahezu 1 000 mit ihrer Hilfe in Äthiopien ausgebildeten somalischen „Polizisten“, unter denen sich auch Minderjährige befanden und die sich anschließend in der Provinz Gedo einer Äthiopien nahestehenden und mit der somalischen Übergangsregierung verbündeten Miliz angeschlossen hatten, und kann sie eine Beteiligung dieser an den Gefechten ab dem 11. September 2011 im Gebiet Eil Waq ausschließen, vor denen nach Angaben von IRIN (www.irinnews.org/report.aspx?reportID=93787) über 34 000 Menschen geflohen sein sollen, darunter viele, die bereits zuvor auf der Flucht vor der Hungerkatastrophe waren? Wie bereits in den Antworten auf Ihre schriftlichen Fragen zu diesem Thema vom Oktober 2010 (Frage Nr. 1 auf Bundestagsdrucksache 17/3565) bzw. März 2011 (Frage Nr. 3 auf Bundestagsdrucksache 17/5876) sowie in der Fragestunde vom 26. Januar 2011 von Herrn Staatsminister Dr. Werner Hoyer ausgeführt, halten sich nach Kenntnis der Bundesregierung die genannten Polizisten in der somalischen Grenzregion zu Äthiopien, das heißt in den somalischen Regionen Gedo und Bakool (Südwest-Somalia) auf. Der Bundesregierung liegen keine Informationen über den von Ihnen behaupteten „Anschluss“ der Polizisten an eine mit der somalischen Übergangsregierung verbündete Miliz vor. Ebenso verfügt die Bundesregierung nicht über weitergehende Erkenntnisse zu den in Ihrer Fragestellung erwähnten Gefechten. Anlage 23 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7083, Frage 41): Mit welchem Betrag beteiligt sich die Bundesregierung an dem Zivilgesellschaftsfonds, der laut dem Dritten Bericht über die Umsetzung des EU-Aktionsplans für Afghanistan und Pakistan, Ratsdok. 10170/11 vom 16. Mai 2011, Seite 38, von Dänemark, Norwegen, Schweden und Großbritannien initiiert wurde, und in welchem Verhältnis steht dieser Fonds zum Europäischen Instrument für Demokratie und Menschenrechte, EIDHR? Die Bundesregierung beteiligt sich nicht am „Nordic+ Civil Society Fund“, an dem sich ausschließlich die nordischen Staaten Dänemark, Norwegen, Schweden sowie Großbritannien beteiligen. Die Bundesregierung stellt für den Kapazitätsaufbau der afghanischen Zivilgesellschaft in den Jahren 2009 bis 2013 rund 15 Millionen Euro zur Verfügung. Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung den innerafghanischen zivilgesellschaftlichen Prozess durch einen von den deutschen politischen Stiftungen geförderten Dialog mit verschiedenen Konferenzen in Afghanistan, sowie ein Forum der Zivilgesellschaft, 2. bis 3. Dezember 2011, im unmittelbaren Vorfeld der Internationalen Afghanistan-Konferenz in Bonn, 5. Dezember 2011. Dieser innerafghanische Prozess hat seit Sommer 2011 an Fahrt gewonnen. In welchem Verhältnis der Fonds zum Europäischen Instrument für Demokratie und Menschenrechte, EIDHR, steht, ist der Bundesregierung als nicht beteiligtem Staat nicht bekannt. Eine Ko-Finanzierung bei Einzelprojekten ist nicht auszuschließen. Anlage 24 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7083, Frage 42): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Auswirkungen der geplanten Etatkürzungen beim US-amerikanischen Verteidigungsministerium in Höhe von bis zu 850 Milliarden US-Dollar (vergleiche www.freitag.de/politik/ 1132-sparen-sparen-...-abruesten) auf die Standorte der US-Armee in Deutschland und insbesondere auf die Standorte in Ansbach und Grafenwöhr, und wie schätzt sie vor diesem Hintergrund die auf der Internetplattform DoD Buzz (www.dodbuzz.com/2011/08/01/what-could-austerity-americas-defense-posture-look-like) geäußerten Vermutungen ein, wonach die US-Armee alle in Deutschland bzw. Europa befindlichen Standorte bis auf Ramstein und Landstuhl schließen könnte? Der US-Kongress hat den Verteidigungshaushalt der Vereinigten Staaten von Amerika für das Fiskaljahr 2012 noch nicht verabschiedet. Im Rahmen der beabsichtigten US-Haushaltskonsolidierung sind auch Einsparungen bei den Verteidigungsausgaben Gegenstand der Überlegungen. Diesbezüglich sind auf US-Seite aber nach Kenntnis der Bundesregierung bislang keine Entscheidungen gefallen. Daher liegen noch keine Erkenntnisse über mögliche Auswirkungen von Kürzungen im Verteidigungshaushalt der USA auf Standorte der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland vor. Anlage 25 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache 17/7083, Frage 43): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Gründe, Umstände und Haftbedingungen von den, nach Angaben von Human Rights Watch, 12 000 verhafteten Personen, die in Ägypten in den vergangenen Wochen vor ägyptische Militärtribunale gestellt und verurteilt wurden, und welche Unterstützung hat die Bundesregierung dem Obersten Militärrat bzw. der durch diesen eingesetzten Regierung bislang angeboten und in Aussicht gestellt? Die Bundesregierung liegen zu den von Ihnen erwähnten Verfahren keine detaillierten Informationen vor. Konsularischer Zugang und Einblick in die Haftbedingungen besteht nur für deutsche Staatsangehörige, die von diesen Fällen nicht betroffen sind. Schätzungen von Human Rights Watch und anderen Nichtregierungsorganisationen, NRO, zufolge betreffen ungefähr 5 Prozent der Verfahren die angebliche Beleidigung und Verunglimpfung des Militärs. Gegenstand der restlichen Verfahren ist zumeist allgemeine Kriminalität, hauptsächlich Gewaltdelikte. Das Militär rechtfertigt sein Vorgehen mit der Überlastung der zivilen Gerichtsbarkeit und der Notwendigkeit, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Von ägyptischen NRO wird jedoch beklagt, dass das Militär die Verfahren nutze, um gegen legitime Forderungen des Protests vorzugehen. Der noch geltende Ausnahmezustand aus dem Jahr 1981 bildet den rechtlichen Rahmen für die Militärverfahren. Die Bundesregierung hat sich wiederholt für die Aufhebung des Ausnahmezustandes eingesetzt und betont, dass Militärgerichtsverfahren gegen Zivilisten nicht dem deutschen Rechtsstaatsverständnis und auch nicht den ägyptischen internationalen Selbstverpflichtungen entsprechen. Dieses Thema wurde auch bei dem Gespräch des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, mit seinem ägyptischen Amtskollegen Kamel Amr am vergangenen Freitag in New York angesprochen. Anlage 26 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/7083, Frage 44): Welche Behörden und Ministerien der NATO-Mitgliedstaaten – insbesondere Italiens, der USA, Frankreichs und Deutschlands – sowie Institutionen der Europäischen Union wurden von EU-Kapazitäten zur Satellitenaufklärung – etwa der Programme G-MOSAIC und SAFER des Global Monitoring for Environment and Security und des European Union Satellite Centre – ab dem 15. Februar 2011 mit Satellitenbildern unter anderem aus den libyschen Städten Bengasi und Tripolis versorgt, und welchen Beitrag zur Aufbereitung und Nutzung der jeweiligen Bilder leisteten das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Neustrelitz sowie dessen Zentrum für Satellitengestützte Kriseninformation? Zu den Nutzern der vom EU-Satellitenzentrum, EUSC, erstellten Produkte gehören der Europäische Auswärtige Dienst, EAD, die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten. Im Rahmen der vorgesehenen Krisenbeobachtung wurde dieser Empfängerkreis auch nach dem 15. Februar 2011 unter anderem zur Lage in Libyen mit Informationen beliefert. In Deutschland ist das Auswärtige Amt der nationale Ansprechpartner für das EUSC. Weiter ist es auch internationalen Organisationen – wie den Vereinten Nationen, der OSZE oder der NATO – möglich, Produkte anzufordern, wenn dies im Interesse der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, GSVP, liegt. Im Übrigen wird auf Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke auf Bundestagsdrucksache 17/5281 vom 28. März 2011 verwiesen. Die Generaldirektion „Humanitäre Hilfe und Zivilschutz“ der EU-Kommission hat im Rahmen des von Ihnen erwähnten Forschungsprojektes „SAFER“ um satellitengestützte Kartierungen von Libyen gebeten. Diese sollten bei Bedarf als ergänzende Information für die Planung von möglichen humanitären Hilfsmaßnahmen dienen. Zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, DLR: Das DLR hat als Großforschungseinrichtung grundsätzlich keine operativen Aufgaben in der Satellitenaufklärung. Mit seinem „Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation“ hat das DLR als einer der Partner in dem EU-Projekt „SAFER“ die Aufgabe übernommen, satellitengestützte Kartierungen unter anderem von Gebieten in Libyen für humanitäre Zwecke anzufertigen. Auf der Grundlage von Archivdaten wurden im Februar 2011 Basiskarten für die Gebiete Tubruq, Derna (Libyen) und Ost-Malta sowie Salum (Ägypten) erstellt. Diese Karten sind öffentlich im Internet verfügbar. Zu Tripolis und Bengasi wurde kein Kartenmaterial seitens des DLR erstellt. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/7083, Frage 45): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, HRW, vom 21. September 2011, wonach die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX in Griechenland „Migranten wissentlich Bedingungen aussetzt, die eindeutig gegen internationale Menschenrechtsstandards verstoßen“, und kann die Bundesregierung ausschließen, dass deutsche Beamte, die im Rahmen von FRONTEX in Griechenland eingesetzt werden, aufgegriffene Migrantinnen und Migranten mittelbar oder unmittelbar in griechische Auffanglager übergeben, in denen die von HRW aufgezeigten menschenverachtenden Zustände anzutreffen sind? Die Bundesregierung hat den Bericht am 22. September 2011 in einem konstruktiven Gespräch mit Vertretern der Organisation Human Rights Waten intensiv erörtert. Die Kerninhalte des Berichts sind deckungsgleich mit eigenen Erkenntnissen und werden insofern nicht infrage gestellt. Herauszustellen ist aber, dass der Bericht nicht die grenzpolizeilichen Maßnahmen der Bundespolizisten unter Koordination von FRONTEX kritisiert; bei der Wahrnehmung grenzpolizeilicher Maßnahmen zum Schutz der EU-Außengrenze werden die Menschen rechte laut Bericht respektiert und beachtet. Der FRONTEX-koordinierte Einsatz trägt dazu bei, dass europäische Werte und Interessen gewahrt werden. Beispielhaft dafür sind die Berichte der Bundespolizisten über Missstände vor Ort vom Herbst letzten Jahres, die zu erheblichen Druck auf die griechischen Behörden geführt haben und zeitnah das Einhalten von Standards in der unmittelbaren Grenzüberwachung erwirkt haben. Bei der Überlegung, weiterhin vor Ort vertreten zu bleiben und die Situation – soweit es Mandat und Verantwortlichkeiten ermöglichen – zu entspannen, oder sich zurückzuziehen und damit gegebenenfalls den Druck auf die griechischen Behörden zu erhöhen, handelt es sich um ein klassisches Dilemma. Aus Sicht der Bundesregierung wäre die Situation der Migranten ohne die Anwesenheit von FRONTEX und der zahlreichen „Gast-Beamten“ noch besorgniserregender. Es wäre daher unverantwortlich, die FRONTEX-Operation POSEIDON Land auszusetzen oder zu beenden. Zu dieser Einschätzung kamen im Übrigen auch parteiübergreifend die Mitglieder des Innenausschusses des Bundestags, die in der Sitzung vom 21. September 2011 über die Eindrücke ihrer Reise in die griechisch-türkische Grenzregion berichteten. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7083, Frage 46): Wie steht die Bundesregierung zu dem am 21. September 2011 veröffentlichten Bericht von Human Rights Watch „The EU’s Dirty Hands: FRONTEX Involvement in Ill-Treatment of Migrant Detainees in Greece“ und den darin geäußerten Vorwürfen, dass alle Staaten, die sich an FRONTEX-Operationen an der griechisch-türkischen Grenze beteiligen, Verantwortung tragen und haftbar sind für Menschenrechtsverletzungen, da im Rahmen der FRONTEX-Mission Flüchtlinge in griechische Haftanstalten überstellt werden, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21. Januar 2011 als unmenschlich und erniedrigend verurteilt hat, und erwägt die Bundesregierung, der Empfehlung von Human Rights Watch nachzukommen und deutsche Beamte aus der FRONTEX-Mission Poseidon abzuziehen? Der Bericht stellt Umstände dar, denen die Bundesregierung bereits auch schon zuvor große Bedeutung beigemessen hat und einer sehr ernsthaften und besorgten Betrachtung unterzogen hat. Die Bundesregierung hat den Bericht am 22. September 2011 in einem konstruktiven Gespräch mit Vertretern der Organisation Human Rights Watch intensiv erörtert. Die Kerninhalte des Berichts sind deckungsgleich mit eigenen Erkenntnissen und werden insofern nicht infrage gestellt. Herauszustellen ist aber, dass der Bericht nicht die grenzpolizeilichen Maßnahmen der Bundespolizisten unter Koordination von FRONTEX kritisiert; bei der Wahrnehmung grenzpolizeilicher Maßnahmen zum Schutz der EU-Außengrenze werden die Menschenrechte laut Bericht respektiert und beachtet. Der FRONTEX-koordinierte Einsatz trägt dazu bei, dass europäische Werte und Interessen gewahrt werden. Beispielhaft dafür sind die Berichte der Bundespolizisten über Missstände vor Ort vom Herbst letzten Jahres, die zu erheblichen Druck auf die griechischen Behörden geführt haben und zeitnah das Einhalten von Standards in der unmittelbaren Grenzüberwachung erwirkt haben. Bei der Überlegung, weiterhin vor Ort vertreten zu bleiben und die Situation – soweit es Mandat und Verantwortlichkeiten ermöglichen – zu entspannen, oder sich zurückzuziehen und damit gegebenenfalls den Druck auf die griechischen Behörden zu erhöhen, handelt es sich um ein klassisches Dilemma. Aus Sicht der Bundesregierung wäre die Situation der Migranten ohne die Anwesenheit von FRONTEX und der zahlreichen „Gast-Beamten“ noch besorgniserregender. Es wäre daher unverantwortlich, die FRONTEX-Operation POSEIDON Land auszusetzen oder zu beenden. Zu dieser Einschätzung kamen im Übrigen auch parteiübergreifend die Mitglieder des Innenausschusses des Bundestags, die in der Sitzung vom 21. September 2011 über die Eindrücke ihrer Reise in die griechisch-türkische Grenzregion berichteten. Bei der Entwicklung auch aus Sicht der Bundesregierung dringend notwendiger Lösungsansätze zur Verbesserung der humanitären Situation in den griechischen Aufnahmelagern ist zu akzeptieren, dass die Rolle von FRONTEX und der unterstützenden Grenzpolizeibeamten der EUMittgliedstaaten exklusiv auf die Maßnahmen zum Schutz der Außengrenzen, also auf die eigentliche Grenzüberwachung beschränkt ist. Eine Verantwortung für die Abläufe und Zustände in den Aufnahmelagern geht damit nicht einher. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/7083, Frage 47): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass auch die EU-Kommission der Auffassung ist, dass das assoziationsrechtliche Verschlechterungsverbot nach Art. 13 des Assoziationsratsbeschlusses ARB 1/80 bereits dann gilt, wenn Betroffene ihre Absicht bekundet haben, von der Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch zu machen, ohne zuvor in einem Arbeitsverhältnis gestanden zu haben – vergleiche Stellungnahme der EU-Kommission vom 29. Juli 2011 in der Rechtssache C-256/11 des Europäischen Gerichtshofs, insbesondere die Nrn 7, 54 und 58 –, und was bedeutet das beispielsweise für die Bereiche Verlängerung der Mindestehebestandszeit zur Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts, Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug oder längerfristiges Aufenthaltsrecht nur beim Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse? Die Bundesregierung zieht aus der zitierten Stellungnahme der Kommission keine Schlussfolgerungen und weist darauf hin, dass Meinungsverschiedenheiten zwischen Kommission und Bundesregierung vor dem Gerichtshof der Europäischen Union nichts Ungewöhnliches sind. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) (Drucksache 17/7083, Frage 53): Auf welcher Grundlage erfolgte die Bemessung der Umsatzsteuer für die Wärmeabgabe aus einem vorrangig auf die Stromerzeugung und nicht auf die Wärmeproduktion ausgerichteten Biogas-Blockheizkraftwerk an das private Wohnhaus oder den landwirtschaftlichen Betrieb mit einem resultierenden Wertansatz von zu versteuernden 10 bis 15 Cent je Kilowattstunde Wärme, obwohl am Markt lediglich zwischen 2 und 6 Cent je Kilowattstunde Wärme gezahlt werden und die Selbstkosten der Bioenergieproduktion sich nicht gleichmäßig hälftig auf die Wärme und den Strom aufteilen lassen? Bei der Wärmeabgabe aus einem von einem Unternehmer betriebenen Biogas-Blockheizkraftwerk ist zu unterscheiden: Findet die produzierte Wärme im landwirtschaftlichen Betrieb des Unternehmers Verwendung, so hat dies keine steuerlichen Folgen. Weder liegt ein steuerbarer Umsatz vor, noch ergeben sich Auswirkungen auf den Vorsteuerabzug des Unternehmers, da Biogas-Blockheizkraftwerk und landwirtschaftlicher Betrieb umsatzsteuerlich ein einheitliches Unternehmen bilden. Dient die produzierte Wärme dagegen der Heizung des privaten Wohnhauses, verwirklicht der Unternehmer eine umsatzsteuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe, da eine Verwendung für nicht unternehmerische Zwecke gegeben ist. Die Bemessungsgrundlage ergibt sich hier aus § 10 Abs. 4 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz, UStG. Der Umsatz bemisst sich nach den Selbstkosten, da der Unternehmer die Wärme selbst erzeugt hat und mithin ein Einkaufspreis nicht vorhanden ist. Dies entspricht der langjährigen Auslegung dieser Vorschrift durch die Verwaltung, die auch in allen anderen Fällen von Wertabgaben Anwendung findet. Auf einen fiktiven Marktpreis kommt es dabei nicht an. Für die Berechnung der Selbstkosten werden die gesamten Kosten des Biogas-Blockheizkraftwerkes entsprechend der erzeugten Mengen an Strom und Wärme aufgeteilt und ein einheitlicher Nettopreis je Kilowattstunde Wärme/Strom gebildet. Die zu versteuernde Wertabgabe wird demnach durch Multiplikation der für nicht unternehmerische Zwecke entnommenen Wärmemenge mit dem Preis je Kilowattstunde ermittelt. Hierauf ist die Umsatzsteuer mit 19 Prozent zu berechnen. In Anbetracht der hiergegen geäußerten Bedenken wird die Bundesregierung die Frage der Zuordnung der Selbstkosten auf die Produkte Wärme und Strom als Bemessungsgrundlage für die Umsatzubesteuerung einer unentgeltlichen Wärmeabgabe noch einmal an die obersten Finanzbehörden der Länder herangetragen. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/7083, Frage 54): Aus welchem Grund weicht Deutschland in dem Doppelbesteuerungsabkommen mit der Türkei in Art. 18 Abs. 2 – Ruhegehälter – vom OECD-Musterabkommen ab, wonach Deutschland Renten besteuern kann, die aus Deutschland bezogen werden und Personen zufließen, die nicht in Deutschland, sondern in der Türkei leben, und wie viele Personen sind von dieser Regelung nach Schätzungen der Bundesregierung betroffen? Es trifft zu, dass das OECD-Musterabkommen für die Besteuerung von Ruhegehaltszahlungen aufgrund einer früheren nicht selbstständigen Arbeit die ausschließliche Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des Empfängers vorsieht. Hiervon abweichend enthält allerdings der OECD-Kommentar zum Musterabkommen auch zahlreiche Vorschläge für ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates. Im Zuge des Übergangs im nationalen Steuerrecht zu einer nachgelagerten Besteuerung der Alterseinkünfte werden die zum Aufbau der entsprechenden Altersvorsorge geleisteten Beiträge schrittweise von der Besteuerung freigestellt. Im Gegenzug wird der steuerpflichtige Anteil der entsprechenden Bezüge nachgelagert besteuert. Wegen der Steuerfreistellung der Beiträge in der Ansparphase durch das nationale Recht besteht ein Interesse Deutschlands, sich in den Doppelbesteuerungsabkommen, DBA, ein Besteuerungsrecht für die spätere Auszahlungsphase zu sichern, sodass im Falle des Wegzugs des Empfängers in einen DBA-Staat die Besteuerung realisierbar bleibt. Die Bundesregierung hat bei den Beratungen des Alterseinkünftegesetzes im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages entsprechend erklärt, bei der Revision oder bei Neuabschlüssen von DBA ein entsprechendes Besteuerungsrecht des Quellenstaates anstreben zu wollen. Dies wurde nunmehr auch im Verhältnis zur Türkei umgesetzt. Nach Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, BMAS, kann man von rund 43 000 Personen in der Türkei ausgehen, die in 2010 eine Rente aus Deutschland bezogen haben. Das jedoch von der individuellen Rentenhöhe abhängig ist, ob das Besteuerungsrecht des Quellenstaates überhaupt wahrgenommen werden kann, ist eine Angabe über die Zahl der von der Regelung tatsächlich betroffenen Personen nicht möglich. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/7083, Frage 55): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28. Juli 2011 (VI R 5/10), wonach vorweggenommene Werbungskosten durch Berufsausbildungskosten bei später auch im Ausland ausgeübter Tätigkeit zugelassen werden, und stimmt die Bundesregierung der Aufforderung des Bundesfinanzhofs zu, dass die Häufung von gegen die Verwaltungsmeinung ausfallenden Urteilen des Bundesfinanzhofs bei der Berücksichtigung von Berufsausbildungskosten zum Anlass genommen werden soll, die Problematik gesetzlich und nicht per Verwaltungsschreiben zu klären? Der Bundesfinanzhof, BFH, hat am 28. Juli 2011 in insgesamt drei Verfahren (Az. des BFH: VI R 7/10, VI R 38/10 und VI R 5/10) zu den Kosten eines Erststudiums und einer beruflichen Erstausbildung überraschend entschieden, dass das vom Gesetzgeber für den Bereich der Werbungskosten und Betriebsausgaben gewollte Abzugsverbot nicht greife, wenn die Aufwendungen im Ausbildungsjahr in einem konkreten Veranlassungszusammenhang mit der späteren (in- oder ausländischen) Berufstätigkeit stehen. Das Abzugsverbot sei unzureichend normiert worden. Im Ergebnis könnten die Berufsausbildungskosten nach der Auffassung des BFH deshalb als (vorweggenommene) Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden. Der BFH wendet sich mit der Rechtsprechung nicht gegen eine Verwaltungsmeinung sondern explizit, gegen die Auffassung des Gesetzgebers. Im Gesetzgebungsverfahren des „Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze“ war im Ausschussbericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, Drucksache 15/3339, Seite 10 f. vom 16. Juni 2004, der klare Wille geäußert worden, die Kosten des Erststudiums oder der ersten Berufsausbildung der privaten Lebensführung und damit den Sonderausgaben zuzuordnen. Die Bundesregierung prüft derzeit die Schlussfolgerungen aus allen drei Urteilen. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, ob ein später – gegebenenfalls erst nach Ausbildungsabschluss – erkennbarer Zusammenhang mit ausländischen Einkünften eine geänderte Beurteilung zulassen könnte. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise eine gesetzliche Reaktion erfolgen wird, bleibt abzuwarten. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/7083, Frage 56): Zu welchen Ergebnissen ist die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur Harmonisierung der unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze bei der Frage der Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Flusskreuzfahrten über den 31. Dezember 2011 hinaus gekommen, und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung konkret daraus? Es ist vorgesehen, dass die vom Koalitionsausschuss eingesetzte Kommission zur Überprüfung der ermäßigten Umsatzsteuersätze die verschiedenen Vorschläge zur Reform des ermäßigten Umsatzsteuersatzes umfassend und ergebnisoffen prüfen soll. Dazu gehört auch die Thematik des Umsatzsteuersatzes für die Personenbeförderung mit Schiffen. Die konstituierende Sitzung dieser Kommission musste aus terminlichen Gründen vertagt werden. Eine Verlängerung der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Übergangsreglung würde der ergebnisoffenen Prüfung der Mehrwertsteuerkommission zuwider laufen und dem Ergebnis der Kommission vorgreifen. Die Bundesregierung wird daher dem Gesetzgeber keinen Vorschlag für eine weitere Verlängerung der Übergangsregelung unterbreiten. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Steffen Kampeter auf die Fragen des Abgeordneten Manfred Kolbe (CDU/CSU) (Drucksache 17/7083, Fragen 57 und 58): Würde aus Sicht der Bundesregierung das aktuell der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, EFSF, noch zu Verfügung stehende Bürgschaftsvolumen – auch unter Berücksichtigung der beabsichtigten Erweiterung – bzw. das geplante Bürgschaftsvolumen des Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM, ausreichen, um auch Hilfsprogramme für Spanien und/oder Italien aufzulegen? Kann die Bundesregierung ausschließen, dass das Volumen der EFSF von geplanten garantierten 750 Milliarden Euro und das geplante Volumen des ESM ab 2013 in Höhe von 700 Milliarden Euro künftig noch weiter erhöht werden müssen? Zu Frage 57: Die im März 2011 und Juli 2011 beschlossenen Maßnahmen zur Ertüchtigung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, EFSF, und Flexibilisierung der Instrumente von EFSF/ESM sind Teil einer Gesamtstrategie zur Sicherstellung der Finanzstabilität und Stärkung der Konvergenz, Wettbewerbsfähigkeit und Steuerung im Euro-Währungsgebiet. Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass diese Gesamtstrategie zur Lösung des Schuldenproblems ausreicht und weitere Rettungspakete somit nicht erforderlich sind. Italien und Spanien haben das Vertrauen der Bundesregierung, ihre jeweiligen Probleme selbst zu lösen. Beide Länder haben bereits umfangreiche Maßnahmen sowohl in haushalts- als auch wirtschaftspolitischer Hinsicht auf den Weg gebracht. Zu Frage 58: Die Bundesregierung geht davon aus, dass es mit den durch die Staats- und Regierungschefs der Eurozone im März 2011 sowie Juli 2011 beschlossenen Maßnahmen zur Ertüchtigung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, EFSF, und Flexibilisierung der Instrumente von EFSF und dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus gelingt, Gefahren für die Finanzstabilität im Euro-Währungsgebiet wirksam abzuwehren. Mit dem Änderungsgesetz zum Stabilisierungsmechanismusgesetz werden derzeit die nationalen Voraussetzungen für die Ertüchtigung und weitere Flexibilisierung des Rettungsschirms EFSF geschaffen. Nach Abschluss der parlamentarischen Verfahren können der geänderte EFSF-Rahmenvertrag in Kraft treten und die neuen Instrumente zum Einsatz kommen. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Steffen Kampeter auf die Fragen des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) (Drucksache 17/7083, Fragen 59 und 60): Trifft es zu, dass bei einem Ausfall der KfW-Darlehen in Höhe von 13,5 Milliarden Euro im Rahmen des ersten Hilfspaketes für Griechenland der Bundeshaushalt zusätzlich belastet wird, und mit welchen Belastungen – bitte mindestens angeben, mit welcher Belastung minimal und maximal gerechnet wird – ist für die Haushaltsjahre 2012 und 2013 zu rechnen? Wie hoch läge der daraus resultierende kumulierte fiskalische Anpassungsdruck für die folgenden Haushaltsjahre? Die Bundesregierung geht nicht von einem Ausfall der KfW-Darlehen aus. Griechenland erhält derzeit Hilfen aus dem im Frühjahr 2010 vereinbarten bilateralen EU-/IWF-Hilfsprogramm. Der Anteil der Euromitgliedstaaten umfasst 80 Milliarden Euro. Für den deutschen Anteil in Höhe von 22,4 Milliarden Euro – gemäß deutschem EZB-Anteil ohne Berücksichtigung Griechenlands – fungiert die KfW als Kreditgeberin. Ihr gegenüber hat die Bundesregierung entsprechend dem Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität in der Währungsunion erforderlichen Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik (Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz – WFStG) vom 7. Mai 2010 eine Gewährleistung in dieser Höhe übernommen. Im Rahmen des Griechenland-Programms wurden bisher fünf Tranchen ausgezahlt, davon rund 13,5 Milliarden Euro von Deutschland. Würde der Bund aus dieser Gewährleistung – entgegen der Erwartung der Bundesregierung – in Anspruch genommen, müsste er die entsprechenden Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag Griechenlands mit der KfW erfüllen. Hiervon entfallen beim jetzigen Auszahlungsstand auf die Jahre 2012 und 2013: 2012 0,23 Milliarden Euro 2013 0,77 Milliarden Euro. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen der Abgeordneten Elke Ferner (SPD) (Drucksache 17/7083, Fragen 62 und 63): Wie viele der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales genannten 17 000 Personen, die im Jahr 2013 die Anspruchsvoraussetzungen für die „Zuschussrente“ erfüllen würden, erfüllen diese ausschließlich durch Beitragszeiten nach § 55 SGB VI? Soll die Zahlung der „Zuschussrente“ an das Erreichen einer Altersgrenze oder den Bezug einer vollen Rente wegen Alters gebunden sein, und wie würden in dem Fall, dass das Erreichen der Regelaltersgrenze entscheidend ist, die Renten derjenigen berücksichtigt, die aufgrund eines vorzeitigen Rentenzugangs eine Rente mit Abschlägen beziehen? Zu Frage 62: Beitragszeiten im Sinne des § 55 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch, SGB VI, sind nicht identisch mit den zu den Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der „Zuschussrente“ zählenden Zeiten aus Beschäftigung, Kindererziehung und Pflege. Zeiten der Arbeitslosigkeit oder freiwillige Beiträge ohne Erwerbstätigkeit zählen nicht zu den für den Bezug der „Zuschussrente“ erforderlichen Zeiten aus Beschäftigung, Kindererziehung und Pflege. Zu Frage 63: Ziel der „Zuschussrente“ ist, die Lebensleistung – Arbeit, Kindererziehung oder Pflege sowie zusätzliche Altersvorsorge – zu honorieren. Deshalb sieht das Konzept vor, die „Zuschussrente“ mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze – nach dem Abschluss der regelmäßigen Erwerbsphase – zu leisten, langfristig also nach Vollendung des 67. Lebensjahres. Die „Zuschussrente“ soll zielgenau bei den Personen ankommen, die trotz langjähriger Anstrengungen im Alter nicht über ein angemessenes Auskommen verfügen. Die „Zuschussrente“ wird dann geleistet, wenn die vollen Ansprüche aus der eigenen Alterssicherung nicht ausreichen. Wer wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme eine Rente mit Abschlägen bezieht, kann ab dem Erreichen der Regelaltersgrenze eine „Zuschussrente“ erhalten, wenn er die Voraussetzungen erfüllt. Durch die „Zuschussrente“ sollen allerdings die Abschläge nicht kompensiert werden. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) (Drucksache 17/7083, Fragen 64 und 65): Wie bewertet die Bundesregierung die gemachten Erfahrungen bei der Umsetzung des Teilhabepakets in Bezug auf den bürokratischen Aufwand, der bei den zuständigen Stellen einerseits und in den Kindertagesstätten und Schulen andererseits in der Abwicklung der vereinbarten Leistungen in den Bereichen der Mittagsverpflegung, der schulischen Unterstützung, der Bezuschussung von Klassenfahrten und der Gutscheine zur Teilhabe bei Sportvereinen, Musikschulen, Jugendfreizeiten etc. anfällt? Welche Veränderungen im bürokratischen Ablauf werden von der Bundesregierung aufgrund der vorliegenden Erfahrungsberichte betrieben oder sind geplant? Zu Frage 64: Der Bund ist für die Umsetzung der Regelungen zum Bildungs- und Teilhabepaket (im Folgenden: Bildungspaket) nicht zuständig. Träger der Leistungen sind die Kreise und kreisfreien Städte; diese sind auch für die Entscheidung über die konkreten Erbringungswege – Ausgabe von Gutscheinen an die Berechtigten oder Direktzahlungen an die Leistungsanbieter wie zum Beispiel Vereine – verantwortlich. Die Rechts- und gegebenenfalls die Fachaufsicht obliegt den Ländern. Auch die Abwicklung der Antragsbearbeitung (an einer zentralen Stelle des kommunalen Trägers oder zusätzlich je nach Leistungsart unter Einbeziehung der Schulen, Kindertagesstätten oder Anbieter oder nur über die genannten Einrichtungen) bestimmen die kommunalen Träger. Der Bund hat insoweit weder eigene Erfahrungswerte noch eine Weisungs- oder Entscheidungsbefugnis. Zu Frage 65: Da der Bund für die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets nicht zuständig ist, hat die Bundesregierung keine Entscheidungskompetenz über die entsprechenden Verfahrensabläufe. Die Umsetzung des Bildungspakets wurde in den Bund-Länder-Ausschuss nach § 18 c des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, SGB II, überführt. Dieser Ausschuss beobachtet und berät die zentralen Fragen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und Fragen der Aufsicht. Dort wurde eine spezielle Arbeitsgruppe, BLAG, eingerichtet. Ihr gehören das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Bundesagentur für Arbeit, BA, alle Länder sowie die kommunalen Spitzenverbände an. Den Vorsitz hat derzeit das Land Niedersachsen inne. Beraten werden zum Beispiel Fragen der Rechtsauslegung und des Verwaltungsvollzugs. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/7083, Frage 56): Wie hat der Hauptausschuss im Rahmen des Mindestarbeitsbedingungengesetzes seine Ablehnung des Antrags auf einen Callcenter-Mindestlohn konkret begründet, und auf welche vorliegenden amtlichen Daten hat sich der Hauptausschuss bei seiner Einschätzung berufen, es gebe in der Callcenterbranche keine sozialen Verwerfungen (bitte anders als in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 2 auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/7132 tatsächlich auf die konkrete Begründung eingehen und konkret entsprechendes Datenmaterial nach verwandter Statistik etc. nennen sowie ausschlaggebende Werte)? Der Hauptausschuss nach dem Mindestarbeitsbedingungengesetz ist ein autonomes Gremium, das in seiner Geschäftsordnung die Vertraulichkeit seiner Verhandlungen beschlossen hat. Der Hauptausschuss hat nach Sichtung der vorliegenden amtlichen Daten und in Würdigung des Antrags und der Erläuterungen des Antragstellers entschieden, dass in der Callcenterbranche keine sozialen Verwerfungen vorliegen. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/7083, Frage 67): Wie hoch ist der Anteil der sogenannten Aufstocker – Erwerbstätige mit Bezug von Arbeitslosengeld II – in der Gesamtwirtschaft und in der Callcenterbranche – bitte anders als in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 19 auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/7132 entsprechende Quote nennen , und wie hat sich die Zahl der Beschäftigten in der Callcenterbranche seit 2000 entwickelt (bitte nach Bund und Bundesländern aufführen und wenn möglich den Beschäftigungsanteil der jeweiligen Bundesländer)? Eine Aussage zu den sogenannten Aufstockern in der Callcenterbranche ist mithilfe einer integrierten Auswertung von Beschäftigungsstatistik und Grundsicherungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit möglich. Auf die methodischen Einschränkungen, die bei der Interpretation der Daten zu berücksichtigen sind, hat die Bundesregierung bereits in ihrer Antwort auf Frage 19 der Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke „Niedriglöhne in der Callcenterbranche und das gescheiterte Mindestlohnverfahren“ (Drucksache 17/6777) hingewiesen. Aufgrund verbesserter Hochrechnungsverfahren können die aktuellen Ergebnisse etwas von den früheren Angaben abweichen. Die Zahl der Aufstocker, also der Arbeitslosengeld-II-Bezieher mit einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis und zeitgleichem Zufluss von Bruttoerwerbseinkommen lag im Dezember 2010 in der Callcenter-Branche bei rund 4 600; das waren etwa 4,9 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigen in dieser Branche. Zudem gab es rund 600 Arbeitslosengeld-II-Bezieher, die in der Callcenterbranche ausschließlich geringfügig beschäftigt waren und tatsächlich Einkommen aus Erwerbstätigkeit erhielten; dies entspricht 9,3 Prozent aller ausschließlich geringfügig Beschäftigen in dieser Branche. Insgesamt über alle Branchen lag der Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitslosengeld-II-Bezieher mit Einkommen aus Erwerbstätigkeit an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Dezember 2010 bei 2,0 Prozent. Der Anteil der Arbeitslosengeld-II-Bezieher, die ausschließlich geringfügig beschäftigt waren und zeitgleich Einkommen aus Erwerbstätigkeit erhielten, lag wirtschaftszweigübergreifend bei 11,7 Prozent. Soweit Sie nach der Entwicklung der Zahl der Beschäftigten in der Callcenterbranche seit dem Jahr 2000 fragen und auch bitten, diese nach Bundesländern differenziert darzustellen, will ich zunächst auf die Antwort der Bundesregierung auf die Fragen Nr. 11 und Nr. 13 der Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke „Niedriglöhne in der Callcenter-Branche und das gescheiterte Mindestlohnverfahren“ (Drucksache 17/6777) hinweisen. In der Antwort auf Frage Nr. 11 ist ausgeführt, dass zum Stichtag 31. Dezember 2010 die Statistik der Bundesagentur für Arbeit für die Callcenterbranche rund 93 600 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und rund 7 100 ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigte ausweist. Das waren rund 0,3 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und rund 0,1 Prozent aller ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigten in Deutschland. Für die Erstellung einer Zeitreihe seit dem Jahr 2000 – nach Bundesländern differenziert – bedarf es einer umfassenderen Auswertung der Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7083, Frage 68): Welche konkreten Aufgaben übernimmt das deutsche Unterseeboot U 34 im Rahmen der Operation Active Endeavour, OAE? Das Unterseeboot U 34 trägt im Rahmen der OAE zur Erstellung eines Lagebildes im Mittelmeer bei. Dazu sammelt das Boot Informationen über Standorte, Bewegungen und Identität von Schiffen im überwachten Seegebiet und übermittelt diese an das Allied Maritime Command in Neapel, MC Naples. Die Meldungen aller an OAE beteiligten Einheiten werden im MC Naples zu einem Gesamtlagebild zusammengeführt. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/7083, Frage 69): Wie bewertet die Bundesregierung Informationen (vergleiche Kölner Stadt-Anzeiger vom 22. September 2011), laut denen – entgegen den bisherigen Vorschlägen des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière – Bonn Hauptsitz des Bundesministeriums der Verteidigung bleiben soll, und bis zu welchem Zeitpunkt wird die Bundesregierung in dieser Frage eine definitive Entscheidung treffen? Medienberichte werden durch das Bundesministerium der Verteidigung grundsätzlich weder bewertet noch kommentiert. Zu Ihrer Information kann ich jedoch sagen, dass über die örtliche Ausgestaltung des Ministeriums noch keine Grundsatzentscheidung getroffen worden ist. Dies wird voraussichtlich bis Ende Oktober geschehen. Anlage 42 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Annette Widmann-Mauz auf die Frage der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/7083, Frage 70): Aus welchen Gründen verzögert sich die ursprünglich für den Monat September 2011 angekündigte Vorlage der Eckpunkte der Pflegereform – nach den vorliegenden Informationen – bis Ende Oktober 2011, und ist die Bundeskanzlerin bereit, das Gesetzesvorhaben zu ihrem persönlichen Anliegen zu machen, um das geplante Inkrafttreten der Reform zum 1. Januar 2012 zu sichern? Die Bundesregierung nimmt sich die für die Erarbeitung der Pflegereform notwendige Zeit, um zu guten, langfristig tragfähigen Ergebnissen im Sinne der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen zu kommen. Die Bundeskanzlerin unterstützt dieses Anliegen. Anlage 43 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Annette Widmann-Mauz auf die Fragen der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN) (Drucksache 17/7083, Fragen 71 und 72): Wie sieht angesichts der erneuten Verschiebung der ursprünglich für den September 2011 angekündigten Vorstellung von Eckpunkten zur Pflegereform nunmehr der Zeitplan der Bundesregierung für diesen Gesetzgebungsprozess aus, und auf welche Art und Weise gedenkt die Bundesregierung dabei die erheblichen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Bundesregierung über die Finanzreform der Pflegeversicherung zu lösen? Wie sieht der genaue Arbeits- und Zeitplan des Expertenbeirats aus, den die Bundesregierung für die Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs erneut eingesetzt hat bzw. erneut einzusetzen gedenkt, und welche Auswirkungen hat dies auf die Planung des Gesetzgebungsverfahrens zur Pflegereform insgesamt? Zu Frage 71: Die Vorlage von Eckpunkten wird nach Einigung schnellstmöglich erfolgen. Daran wird sich umgehend das Gesetzgebungsverfahren anschließen. Die Vorstellungen der Beteiligten werden wie üblich diskutiert und einer sachgemäßen Entscheidung zugeführt. Zu Frage 71: Die Einsetzung des Beirats und die Schaffung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sind Bestandteile der Reform der Pflegeversicherung, für die ein Eckpunktepapier vorbereitet wird. Anlage 44 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Annette Widmann-Mauz auf die Frage des Abgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE ) (Drucksache 17/7083, Frage 73): Wie positioniert sich die Bundesregierung zu den Aussagen von Professor Dr. Bert Rürup in seinem Interview mit der taz vom 22. August 2011, die Kapitaldeckung komme zu spät und sei zu teuer, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass der geplante monatliche Beitrag für den Aufbau einer kapitalgedeckten Säule in der Pflegeversicherung nach Aussage von Professor Dr. Bert Rürup „in keinem Verhältnis zu den Verwaltungs- und Anlagekosten stünde, die auf monatlich 3 Euro geschätzt werden“, mit dem zusätzlichen Widerspruch, dass der Beitrag zur ergänzenden Kapitaldeckung trotzdem niedrig gehalten werden müsste, weil sonst ein Sozialausgleich nötig ist, damit aber ebenfalls bei niedrigen Beiträgen die von Professor Dr. Bert Rürup bezifferten Verwaltungskosten im Verhältnis zu den Ergebnissen zu hoch sind? Für eine Gesellschaft mit anhaltend niedriger Geburtenrate kommt eine ergänzende Kapitaldeckung keineswegs zu spät, sondern stärkt die intergenerative Gerechtigkeit. Die Höhe der Verwaltungskosten für eine kapitalgedeckte Ergänzung der sozialen Pflegeversicherung hängt maßgeblich von den Einzelheiten ihrer Ausgestaltung ab. Durch effiziente Kooperation der an ihr beteiligten Stellen kann sie auf ein Mindestmaß begrenzt werden, das in einem vernünftigen Verhältnis zum Zusatzbeitrag insgesamt steht. Anlage 45 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Annette Widmann-Mauz auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) (Drucksache 17/7083, Frage 75): Wann wird der angekündigte neue Pflegebeirat unter dem Vorsitz von Dr. Jürgen Gohde offiziell einberufen, und wie setzt sich dieser Beirat zusammen? Der Beirat wird zeitnah seine Arbeit aufnehmen. Es ist sachgerecht, auf die Mitglieder des seinerzeitigen Beirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs zuzugehen, um Kontinuität zu gewährleisten und schnell zu Ergebnissen zu kommen. Anlage 46 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Annette Widmann-Mauz auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) (Drucksache 17/7083, Frage 76): Wie viele der Menschen in Deutschland, die nach dem Vorschlag des Beirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs anspruchsberechtigt wären, haben heute keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch, da der enge Pflegebegriff diese von vornherein von der Leistungsgewährung ausschließt, und wie viele Menschen in Deutschland benötigen Unterstützung im Alltag und bei der häuslichen Versorgung, ohne dass sie Leistungen der Pflegeversicherung erhalten? Der Beirat hat nicht einen, sondern mehrere Vorschläge gemacht. Je nachdem variiert auch die Zahl der Versicherten, die nach dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff anders als heute einen Anspruch auf Leistungen hätten. Anlage 6 des Umsetzungsberichtes des Beirats, Mai 2009, Seite 59 ff., enthält entsprechende Szenarien. Anlage 47 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Annette Widmann-Mauz auf die Fragen der Abgeordneten Bärbel Bas (SPD) (Drucksache 17/7083, Fragen 77 und 78): Wie beurteilt die Bundesregierung die fehlende zeitliche wie räumliche Abstimmung zwischen dem Apothekennotdienst und der ärztlichen Notfallpraxis speziell in ländlichen Gebieten, insbesondere in Bezug auf § 23 Abs. 2 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken, ApBetrO? Plant die Bundesregierung eine Änderung der ApBetrO mit dem Ziel einer Koppelung zwischen den ärztlichen Notfallpraxen und den Apothekennotdiensten, und wie würde sich eine solche Änderung auf die Versorgung in Regionen mit einer geringen Versorgungsdichte auswirken? Zu Frage 77: Die Apothekenbetriebsordnung legt in § 23 als Grundsatz fest, dass Apotheken ständig dienstbereit sein müssen. Ausnahmen von der Dienstbereitschaft bestehen für bestimmte Nebenzeiten sowie für Zeiten, in denen eine Befreiung von der zuständigen Behörde erteilt wird, weil die Arzneimittelversorgung durch eine andere Apotheke sichergestellt ist. Dies sind insbesondere die Zeiten des Nacht- und Notdienstes. Die Aufstellung und Ausgestaltung von Notdienstplänen für Apotheken sowie die Regelung des ärztlichen Notfalldienstes obliegen nach den landesrechtlichen Heilberufs- bzw. Kammergesetzen den Ländern in eigener Zuständigkeit. Für den Bereich des vertragsärztlichen Notdienstes gilt nach § 75 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V, dass der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten, Notdienst, umfasst. Die Einzelheiten der Organisation des Notdienstes sind daher im Rahmen der Satzungsautonomie der Kassenärztlichen Vereinigungen zu regeln. Eine zeitliche und räumliche Abstimmung mit dem Apothekennotdienst ist danach grundsätzlich möglich. Zu Frage 78: Eine etwaige Regelung mit dem Ziel einer Koppelung zwischen dem ärztlichen Notdienst und den Apothekennotdiensten könnte nicht in der Apothekenbetriebsordnung erfolgen. Die Verordnung dient dazu, einen ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheken zu gewährleisten. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen des Abgeordneten Alexander Ulrich (DIE LINKE ) (Drucksache 17/7083, Fragen 79 und 80): Wie hoch wird der finanzielle Beitrag des Bundes sein, vor dem Hintergrund, dass das Volumen für den Neubau des Militärkrankenhauses für die US-Airbase Ramstein in der Gemarkung Weilerbach rund 1,2 Milliarden Euro betragen soll, und auf welcher vertraglichen Grundlage bzw. Beschlussfassung beruht er? Ist vor dem Hintergrund, dass auch Infrastrukturanbindungen außerhalb der US-amerikanischen Liegenschaft notwendig sein werden, mit weiteren Kosten zu rechnen? Zu Frage 79: Grundlage für die Durchführung der Baumaßnahmen der US-Streitkräfte in Deutschland ist das zwischen dem Bund und den US-Streitkräften vereinbarte Verwaltungsabkommen „Auftragsbautengrundsätze 1975 (ABG 75)“. Hier ist auch die von den US-Streitkräften zu leistende finanzielle Entschädigung für die Tätigkeit der Deutschen Bauverwaltung bei der Durchführung der US-Baumaßnahmen festgelegt. Diese Entschädigung entspricht nicht den tatsächlichen Kosten, die der Bund für die Tätigkeit der organgeliehenen Bauverwaltung der Länder und die von ihr beauftragten freiberuflichen Planer zu entrichten hat. Die Differenz, rund 75 Prozent der Planungskosten, wird vom Bund aus Mitteln des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung finanziert. Auf Basis der von den US-Streitkräften genannten Baukosten für den Neubau der US-Klinik in Weilerbach, rund 750 Millionen Euro, ist hierfür im Bundeshaushalt ein Finanzierungsbeitrag von rund 125 Millionen Euro erforderlich. Zu Frage 80: Die Höhe der für die Erweiterung der Infrastrukturanbindungen erforderlichen Kosten ist noch nicht bekannt. Der Bund geht davon aus, dass diese Kosten von den US-Streitkräften getragen werden. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Anette Kramme (SPD) (Drucksache 17/7083, Frage 81): Trifft die Aussage des stellvertretenden tschechischen Verkehrsministers Ivo Toman zu, dass das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung die bislang im Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans enthaltene Elektrifizierung der Strecke Nürnberg–Marktredwitz nicht weiter verfolgen wird, und, wenn ja, was sind die Gründe dafür? Diese Aussage hat der tschechische Vizeminister Toman nach Informationen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nicht gemacht. Die Aussage trifft auch nicht zu. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7083, Frage 82): Hat die Finanzplanung des Entwurfs zum Investitionsrahmenplan 2011 bis 2015 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Auswirkungen auf den Bundesanteil zur Finanzierung der B 50 (neu) mit Hochmoselübergang, und wird das Kosten-Nutzen-Verhältnis dieses Neubauvorhabens neu berechnet angesichts erwarteter Mehrkosten und geringerem Verkehrsnutzen wegen geänderter Verkehrsströme und sinkender Fahrgastzahlen des Flughafens Hahn? Mit der Aufstellung des Investitionsrahmenplans 2011 bis 2015, IRP, kommt der Bund unter anderem seiner in § 5 Abs. 1 Fernstraßenausbaugesetz festgelegten Verpflichtung nach, Fünfjahrespläne aufzustellen. Dieser Plan ist kein Finanzierungsplan, sondern legt fest, welche Vorhaben des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen im kommenden Fünfjahreszeitraum realisiert werden sollen. Insofern hat der IRP keine Auswirkung auf die Finanzierung der B 50 neu zwischen dem Autobahnkreuz Wittlich, A 1/A 60, und Longkamp, B 50 alt, einschließlich Hochmoselübergang. Bei dem 2010 ermittelten Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,8 wurde eine eher zurückhaltende Entwicklung des Flughafens Frankfurt Hahn und somit auch eine entsprechende Verkehrsentwicklung zugrunde gelegt. Ein Absinken des Nutzen-Kosten-Verhältnisses des in Bau befindlichen Projektes infolge von Kostensteigerungen oder geringeren Verkehrsströmen auf einen Wert, der die Bauwürdigkeit gefährden würde, ist nicht zu befürchten. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7083, Frage 83): Wie will die Bundesregierung den Widerspruch zwischen dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bezüglich der Änderungsnotwendigkeit des § 35 Abs. 1 Nr. 4 des Baugesetzbuchs und der damit verbundenen Privilegierung von Tierhaltungsanlagen im Außenbereich lösen, und welche inhaltlichen Gründe führen zu den unterschiedlichen Auffassungen beider Bundesministerien? Die Ressortabstimmung zum zweiten Teil der Bauplanungsrechtsnovelle ist am 19. September 2011 eingeleitet worden. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und das Bundesministerium für Ernähung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz arbeiten entsprechend den Vorgaben des § 19 Abs. 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung zusammen, um die Einheitlichkeit der Maßnahmen der Bundesregierung zu gewährleisten. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen des Abgeordneten Werner Dreibus (DIE LINKE ) (Drucksache 17/7083, Fragen 84 und 85): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um den Fluglärm im Main-Kinzig-Kreis, Hessen, schnellstmöglich auf ein erträgliches Maß zurückzufahren, insbesondere die Verlegung und Absenkung der Flugrouten rückgängig zu machen? Wie gedenkt die Bundesregierung auf die DFS Deutsche Flugsicherung Einfluss zu nehmen, um mit der Inbetriebnahme der neuen Start- und Landebahnen am Flughafen Frankfurt am Main das lärmärmere Anflugverfahren CDA einzuführen, wie dies auf dem Flughafen Köln/Bonn bereits praktiziert wird? Zu Frage 84: Seit Jahren weist die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH im Rahmen von Stellungnahmen zum Ausbau des Flughafens Frankfurt darauf hin, dass die heute implementierten Verfahren für die Steigerung der Kapazität am Flughafen Frankfurt benötigt werden. Dazu gehören auch die Verfahren im Raum des Main-Kinzig-Kreises. Die Flugverfahren wurden in der Fluglärmkommission nach § 32 b Luftverkehrsgesetz beraten und vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung festgesetzt. Im Rahmen einer Sachverhaltsaufklärung in der Sitzung der Frankfurter Fluglärmkommission am 31. August 2011 hat die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH dargestellt, dass Optimierungen der Flugverfahren erst analysiert werden können, wenn ein Erfahrungszeitraum von sechs Monaten mit dem Betrieb der Landebahn Nordwest vorhanden ist. Der Betrieb der Landebahn Nordwest beginnt am 21. Oktober 2011. Untersuchungen für Optimierungen sind frühestens im 2. Quartal 2012 geplant. Die Bundesregierung hat Verständnis für den berechtigten Wunsch nach möglichst geringer oder gar keiner Verkehrslärmbelastung. Die isolierte Anforderung, an einer bestimmten Örtlichkeit eine Flugroutenplanung auszuschließen, verstieße aber gegen die Verpflichtung zur gesamtheitlichen Betrachtung aller relevant betroffenen Bereiche und zur Abwägung aller zu berücksichtigenden Belange. Dabei ist auch die Genehmigung des Flughafens zu berücksichtigen. Zu Frage 85: Am Flughafen Frankfurt/Main gibt es bereits zwei CDA-Anflugverfahren für die Nacht: Ein bereits seit mehreren Jahren verfügbares CDA-Verfahren baut auf einen kontinuierlichen Sinkflug ausgehend von Radarvektoren durch die Lotsen auf. Seit Februar 2010 gibt es ein CDA-Verfahren, das von der Konstruktion her identisch ist mit dem Verfahren am Flughafen Köln-Bonn. Es handelt sich dabei um den „Segmentierten RNAV (GPS)-Anflug“. Dieses Verfahren führt zu Lärmentlastungen für Mainz und Offenbach. Derzeit sind allerdings Klagen neu betroffener Gemeinden gegen dieses CDA-Verfahren anhängig. Grundsätzlich wird ein CDA-Verfahren nur angewandt, wenn keine Sicherheitsgründe, zum Beispiel Staffelung, dagegen sprechen, wenn das Wetter keine Einschränkungen fordert und wenn aufgrund der Verkehrsdichte nicht damit zu rechnen ist, dass es zu Verzögerungen des nachfolgenden Verkehrs kommt. Beim gegenwärtigen Stand der Technik ist diese Voraussetzung insbesondere aufgrund der Verkehrsdichte sowie der komplexen Verfahren im Fall Frankfurt tagsüber nicht gegeben. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) (Drucksache 17/7083, Frage 86): Wie schätzt die Bundesregierung die Chancen ein, bis spätestens Ende dieses Jahres eine Lösung des Fluglärmstreits gemäß der Stuttgarter Erklärung mit der Schweiz herbeizuführen, und wird sie im Falle eines Scheiterns die Durchführungsverordnung zum 1. Januar 2012 verschärfen? Die Bundesregierung plant, die Gespräche mit der Schweiz über die Regelungen zum An- und Abflugverkehr des Flughafens Zürich, gemäß Absprache mit der Schweiz, bis zum Jahresende abzuschließen. Dies beinhaltet die Möglichkeit, bei Scheitern der Gespräche im Anschluss Anpassungen an der 220. Durchführungsverordnung vorzunehmen. Eine Änderung der bestehenden Regelungen müsste jedoch vorab bei der EU-Kommission notifiziert werden. Es war und ist Anliegen der Bundesregierung, zu diesem seit Jahrzehnten anhängigen Thema die bestmögliche Kompromisslösung im Interesse aller zu erreichen. Im Herbst 2009 wurde vor dem Europäischen Gericht in 1. Instanz eine Klage der Schweiz gegen eine Entscheidung der EU-Kommission verhandelt, die keine Einwände gegen die derzeit erlassenen deutschen Verordnungen erhoben hat. Das Gericht hat die Klage der Schweiz am 9. September 2010 abgewiesen. Die EU-Kommission ließ in der Verhandlung allerdings erkennen, dass veränderte Bedingungen in der Zukunft zu einer veränderten Beurteilung führen könnten. Überzogene Forderungen und deren Umsetzung könnten damit Gefahr laufen, als Diskriminierung bewertet zu werden. Der Schweizer Bundesrat hat inzwischen Klage vor dem Europäischen Gerichtshof eingereicht. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/7083, Fragen 87 und 88): Unter wessen Federführung wurde der deutsche Vorschlag für die Working Group on Noise of the United Nations Economic Commission for Europe, UNECE, erarbeitet, der diese Woche in Genf als deutsche Position für die Regulation No. 51 – „Noise of M and N categories of vehicles“ – vorgelegt wurde, und auf welcher Rechtsgrundlage verhandelt die deutsche Delegation Grenzwerte für langfristig geltende Lärm-emissionen von Pkw, die Fahrzeugen Lärmentwicklungen von bis zu 82 dB(A) zugestehen, statt den dringend notwendigen Lärmschutz der Bevölkerung zu gewährleisten? Wie gedenkt die Bundesregierung ihre Lärmschutzziele zu erreichen, wenn sie in Genf für Lärmgrenzwerte von bis zu 82 dB(A) – zuzüglich weiterer 2 dB(A) für Offroad-Pkw der Klassen N3 und M3 – eintritt, obwohl selbst führende Automobilhersteller für Sportwagen mitteilen, dass sie ohne Weiteres 10-dB(A)-leisere Pkw bauen könnten, wenn der Gesetzgeber die Grenzwerte anpassen würde, und wie vereinbart die Bundesregierung ihr Vorgehen mit den gesundheits- und sozialpolitisch dringend gebotenen Lärmschutzinteressen der Bevölkerung? Zu Frage 87: Bei dem Vorschlag handelt es sich um eine zwischen dem federführenden Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie abgestimmte Position. Ein Vertreter des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat den Vorsitz der Arbeitsgruppe. Die deutsche Delegation, bestehend aus Vertretern des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Umweltbundesamt und Kraftfahrtbundesamt, verhandelt auf Grundlage des UNECE-Abkommens, das Deutschland ratifiziert hat. Zu Frage 88: Der Bundesregierung sind keine Äußerungen führender Sportwagenhersteller bekannt, die ein Reduktionspotenzial von 10 dB(A) beinhalten. Der vorgeschlagene Grenzwert für leistungsstarke Kraftfahrzeuge, umgangssprachlich „Sportwagen“, liegt bei 75 dB(A). Der Anteil dieser Kraftfahrzeuge beträgt weniger als 0,2 Prozent der in Deutschland zugelassenen Pkw. Die in der Frage genannten Klassen N3 bzw. M3 sind keine Pkw, sondern schwere Nutzfahrzeuge bzw. große Busse. Der Vorschlag der Bundesregierung sieht vor, dass die Grenzwerte in drei Stufen wesentlich reduziert werden. In der ersten Stufe, die zwei Jahre nach Veröffentlichung in Kraft treten soll, sollen die Grenzwerte mit einfachen Veränderungen am Kraftfahrzeug erreicht werden können. Zugrunde gelegt wurde, dass circa 10 Prozent der heute genehmigten Kraftfahrzeuge technisch verändert werden müssen. In der zweiten Stufe wurden circa 50 Prozent und in der dritten Stufe circa 90 Prozent zugrunde gelegt. Lärmminderungsmaßnahmen werden für alle Fahrzeugkategorien und -klassen gleichermaßen erforderlich sein. Somit tragen die vorgeschlagenen Grenzwerte für Kraftfahrzeuge wesentlich zum Erreichen der Ziele des Nationalen Verkehrslärmschutzpakets II bei. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen des Abgeordneten Stephan Kühn (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7083, Fragen 89 und 90): In welcher Höhe wird die ehemalige Gemeindeverkehrsfinanzierung – Fortführung der Kompensationsleistungen nach dem Entflechtungsgesetz ab 2014, Festlegung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP – bis 2019 mit finanziellen Mitteln ausgestattet, und welche Ergebnisse brachten bisher die Verhandlungen mit den Ländern? Konnte mit den Ländern Einvernehmen über den jährlichen Bedarf – 2014 bis 2019 – hergestellt werden, und welcher Bedarf ergibt sich aus Sicht der Bundesregierung? Zu Frage 89: Mit der Föderalismusreform I sind einige der bisherigen Bund-Länder-Mischfinanzierungen entflochten worden. Dazu gehört – neben der sozialen Wohnraumförderung, dem Hochschulbau und der Bildungsplanung – auch die Gemeindeverkehrsfinanzierung, die im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz geregelt war. Ziel der Reform war es, die Zuweisung von Verantwortung an Bund und Länder klarer zu gestalten und die Handlungsautonomie zu erhöhen. Die Höhe der Ausgleichszahlungen, die die Länder für den Wegfall der Beträge aus den sogenannten Landesprogrammen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes aus dem Haushalt des Bundes erhalten, ist im Grundgesetz und im Entflechtungsgesetz nur bis zum 31. Dezember 2013 festgelegt. Ab 2014 entfällt die auf die alten Aufgaben – Gemeindeverkehrsfinanzierung, soziale Wohnraumförderung, Hochschulbau und Bildungsplanung – bezogene bereichsspezifische Zweckbindung. Bestehen bleibt nur eine investive Zweckbindung des Mittelvolumens. Ungeachtet des Wegfalls der gesetzlichen gruppenspezifischen Zweckbindung können die Mittel jedoch weiterhin entsprechend der Zweckbindung eingesetzt werden. Mehrere Länder haben bereits ihre Absicht hierzu erklärt. Die Sicherung der Finanzierung des ÖPNV und des kommunalen Straßenbaus ist eine wichtige Zukunftsaufgabe. Um den Ländern, Gemeinden und Verkehrsunternehmen die erforderliche Planungssicherheit zu geben, muss zwischen Bund und Ländern rechtzeitig Einvernehmen darüber erzielt werden, in welcher Höhe die Finanzierungsmittel für den Zeitraum 2014 bis 2019 zur Aufgabenerfüllung der Länder noch angemessen und erforderlich sind. Die Koalitionsvereinbarung sieht aus diesem Grund vor, über die Höhe der Finanzausstattung bereits in der Mitte dieser Legislaturperiode zu entscheiden. Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern wurden im Mai 2011 aufgenommen. Es konnte bislang jedoch noch keine Einigung erzielt werden. Zu Frage 90: Für die Bemessung der Leistungen gilt nach dem Grundgesetz ein prospektiver, also auf die Zukunft gerichteter Maßstab. Weil sich – abhängig von den gesetzten Zielen und Annahmen – künftige Bedarfe grundsätzlich in jeglicher Höhe ableiten lassen, können die Einschätzungen, wie sie von den Fachministerkonferenzen der Länder vorgelegt wurden, nur Anhaltspunkte bieten. Zu berücksichtigen sind unter anderem auch die folgenden Gesichtspunkte: Die durch die verfassungsrechtlichen Verschuldungsregeln vorgegebene Rückführung der Nettokreditaufnahme von Bund und Ländern, sogenannte Schuldenbremse, erfordert in den Jahren bis 2020 eine enge Begrenzung der Staatausgaben und beeinflusst damit auch das angemessene Niveau der Aufgabenerfüllung in allen Bereichen. Ziel der Föderalismusreform I ist nicht eine dauerhafte Mitfinanzierung früherer Gemeinschaftsaufgaben bzw. Bereitstellung von Finanzhilfen durch den Bund, sondern im Endergebnis ein vollständiger Rückzug des Bundes aus diesen Gebieten. Das Grundgesetz regelt insofern finanzielle Übergangsbestimmungen. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen der Abgeordneten Heidrun Bluhm (DIE LINKE ) (Drucksache 17/7083, Fragen 91 und 92): Wie ist der aktuelle Stand der Einnahmen und der Abruf der Mittel im Energie- und Klimafonds, EKF, für das Jahr 2011 für die energetische Gebäudesanierung der KfW-Förderung – aufgeschlüsselt nach Plan und Ist zum 30. September 2011 –, und sind für das Jahr 2012 Beschränkungen bei der Auszahlung aus dem EKF zu erwarten? Bereitet die Bundesregierung einen Ausgleich aus dem Bundeshaushalt für den Fall vor, dass die erwarteten Einnahmen des EKF nicht erreicht werden, um die geplanten Maßnahmen – energetische Stadtsanierung, CO2-Gebäudesanierung, Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Elektromobilität – dennoch durchführen zu können? Zu Frage 91: Im Energie- und Klimafonds sind 2011 bislang 75 Millionen Euro vereinnahmt worden. Im Wirtschaftsplan des Energie- und Klimafonds für 2011 sind für die im Rahmen des CO2-Gebäudesanierungsprogramms aufgelegten KfW-Förderprogramme Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro ausgebracht worden. Die KfW hat zum 31. August 2011 Zusagen erteilt mit einem Gesamtkreditvolumen in Höhe von 813 Millionen Euro. Zu Frage 92: Für 2012 sind im Energie- und Klimafonds Mittel in Höhe von rund 780 Millionen Euro vorgesehen. Rund 420 Millionen Euro entfallen auf die von Ihnen angesprochenen Maßnahmen in den Bereichen energetische Stadtsanierung, CO2-Gebäudesanierung, Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu erneuerbaren Energien und Energieeffizienz sowie Weiterentwicklung der Elektromobilität. Dieser Betrag wird, wie auch die Beträge für die anderen geplanten Maßnahmen, vorbehaltlich der Entscheidung des Parlaments zum Haushalt und zum Wirtschaftsplan des EKF 2012, in voller Höhe zur Verfügung stehen. Sollten die Einnahmen des Sondervermögens in einem Wirtschaftsplanjahr unter den Erwartungen liegen, kann der EKF unter den Voraussetzungen von § 4 Abs. 4 Satz 2 EKFG n. F. ein Liquiditätsdarlehen aus dem Bundeshaushalt erhalten. 15190 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 129. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 28. September 2011 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 129. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 28. September 2011 15191 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 15202 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 129. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 28. September 2011 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 129. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 28. September 2011 15201