Plenarprotokoll 17/145 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 145. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Das Alter hat Zukunft - Forschungsagenda der Bundesregierung für den demografischen Wandel Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Franz Müntefering (SPD) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Tankred Schipanski (CDU/CSU) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Petra Crone (SPD) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Katharina Landgraf (CDU/CSU) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Mechthild Rawert (SPD) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Ewa Klamt (CDU/CSU) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Oliver Kaczmarek (SPD) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Franz Müntefering (SPD) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 17/7901, 17/7922) Dringliche Frage 1 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Etwaige Beteiligung deutscher Kommandostäbe an dem NATO-Angriff auf pakistanische Stellungen in der Nacht zum 26. November 2011 und Auswirkungen der Vorkommnisse auf die Sicherheitslage in Deutschland Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfrage Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfrage Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfrage Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfrage Heidrun Bluhm (DIE LINKE) Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfrage Harald Weinberg (DIE LINKE) Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfragen Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfrage Ulla Jelpke (DIE LINKE) Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfrage Dr. Rolf Mützenich (SPD) Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfrage Andrej Hunko (DIE LINKE) Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfrage Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Mündliche Frage 2 Günter Gloser (SPD) Bemühungen um eine Zustimmung Russlands zu weiteren Sanktionen gegenüber Syrien im UN-Sicherheitsrat Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfragen Günter Gloser (SPD) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Mündliche Frage 5 Johannes Pflug (SPD) Ergebnisse der Afghanistan-Konferenz in Istanbul Anfang November 2011 Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfragen Johannes Pflug (SPD) Mündliche Frage 6 Johannes Pflug (SPD) Wiederaufnahme der abgebrochenen Gespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Aufständischen Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfragen Johannes Pflug (SPD) Mündliche Frage 10 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Verwendung des Begriffs Gestaltungsmächte sowie zugehörige Staaten Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfragen Dr. Rolf Mützenich (SPD) Mündliche Frage 11 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Beurteilung der Umbrüche in Nordafrika als "Gefahr für die Sicherheit" in der Stellungnahme zum Grünbuch der EU-Kommission zum EU-Ausfuhrkontrollsystem von Dual-Use-Gütern Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfragen Dr. Rolf Mützenich (SPD) Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 12 Niema Movassat (DIE LINKE) Äußerungen des deutschen Botschafters in Namibia am 16. November 2011 zur Rückführung von Gebeinen von Opfern des deutschen Kolonialverbrechens nach Namibia Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfragen Niema Movassat (DIE LINKE) Mündliche Frage 13 Niema Movassat (DIE LINKE) Historische Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfragen Niema Movassat (DIE LINKE) Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) Mündliche Frage 16 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Auslegung des Verschlechterungsverbots des EWG-Türkei-Assoziationsrechts Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Mündliche Frage 19 Sabine Stüber (DIE LINKE) Spezialeinsätze kommunaler Feuerwehren in Unfall- und Katastrophenfällen auf Bundesautobahnen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Sabine Stüber (DIE LINKE) Mündliche Frage 20 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Anzahl der in den letzten fünf Jahren vom Bundesamt für Verfassungsschutz in die rechte Szene eingeführten V-Leute Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Ulla Jelpke (DIE LINKE) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Mündliche Frage 21 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Kosten des Einsatzes von V-Leuten in der Szene der extremen Rechten Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Ulla Jelpke (DIE LINKE) Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Mündliche Fragen 30 und 31 Halina Wawzyniak (DIE LINKE) Information der auf der zweiten Namensliste der Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) genannten Betroffenen sowie Existenz weiterer Listen politischer Gegner rechtsextremer Kreise Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Halina Wawzyniak (DIE LINKE) Mündliche Fragen 34 und 35 Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Kürzung bei den Sachmitteln der Bundeszentrale für politische Bildung sowie bei den freien Trägern der politischen Bildung Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Mündliche Frage 40 Sonja Steffen (SPD) Neuregelung des Sorgerechts nichtehelicher Väter Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Sonja Steffen (SPD) Mündliche Frage 41 Sonja Steffen (SPD) Umsetzung der angekündigten Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Sonja Steffen (SPD) Mündliche Frage 42 Burkhard Lischka (SPD) Gründe für die geringe Anzahl positiver Bescheide auf Gewährung von "Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe" Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Burkhard Lischka (SPD) Mündliche Frage 43 Burkhard Lischka (SPD) Rechtliche Haltbarkeit der Einführung einer nachträglichen Therapieunterbringung Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Burkhard Lischka (SPD) Mündliche Frage 44 Stefan Rebmann (SPD) Entwicklung der Anzahl der Anordnungen des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung im Erwachsenstrafrecht Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Stefan Rebmann (SPD) Mündliche Frage 45 Stefan Rebmann (SPD) Etwaige Zusammenführung Verwaltungs- und Sozialgerichte der Länder zu einheitlichen Fachgerichten Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Mündliche Frage 51 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Position der Bundesregierung zur Corporate-Social-Responsibility-Strategie und zur Überarbeitung der Rechnungslegungsrichtlinien Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 54 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung der beschlossenen Verfahrensvereinfachungen des Bildungs- und Teilhabepaket Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 55 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Praktikabilität einer "KinderBildungsStiftung" Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Standort Deutschland sichern - Stuttgart 21 zügig umsetzen und geplante Mehrbelastung für den Mittelstand durch grüne Steuerpolitik verhindern Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) Christian Lange (Backnang) (SPD) Patrick Döring (FDP) Sabine Leidig (DIE LINKE) Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) Florian Pronold (SPD) Dr. Daniel Volk (FDP) Ute Kumpf (SPD) Ulrich Lange (CDU/CSU) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) Steffen Bilger (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 1 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufnahme verletzter Flüchtlinge aus Syrien sowie humanitäre Hilfe für Flüchtlinge und Opfer des syrischen Regimes Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 3 Mündliche Frage 3 Dr. Eva Högl (SPD) Änderungsbedarf bei der Nachrangigkeit von Opferrechten gegenüber dem Immunitätsrecht für Diplomaten Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 4 Mündliche Frage 4 Dr. Eva Högl (SPD) Verbesserung des Schutzes der Hausangestellten bei ausländischen Diplomaten Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 5 Mündliche Frage 7 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Informationsübermittlungen deutscher Sicherheitsbehörden an das Office of Foreign Assets Control der USA Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 6 Mündliche Frage 8 Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) Gesundheitszustand und ärztliche Versorgung der in ukrainischer Untersuchungshaft befindlichen Oppositionspolitikerin Julija Timoschenko Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 7 Mündliche Frage 9 Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) Einhaltung rechtstaatlicher Prinzipien in der Ukraine Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 8 Mündliche Frage 14 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Klärung der Finanzierung des Forschungsreaktors ITER für 2012 und 2013 Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 9 Mündliche Frage 17 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung gemischter Polizei-Mentoring-Teams aus Polizisten und Feldjägern an der Ausbildung afghanischer paramilitärischer Gendarmerie Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 10 Mündliche Frage 18 Andrej Hunko (DIE LINKE) Etwaiger Einsatz von Frontex bei einer vorübergehenden Wiedereinführung von Kontrollen an den Grenzen des Schengen-Raums Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 11 Mündliche Frage 22 Aydan Özoðuz (SPD) Vorfälle fremdenfeindlich motivierter Sachbeschädigung seit Bekanntwerden der Zwickauer Terrorzelle Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 12 Mündliche Frage 23 Aydan Özoðuz (SPD) Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Personen seit Bekanntwerden der Zwickauer Terrorzelle Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 13 Mündliche Frage 24 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Legaler Waffenbesitz von Personen der rechtsextremen Szene Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 14 Mündliche Frage 25 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Erkenntnisse der Bundesregierung über Verstrickungen von Personen der rechtsextremen Szene mit Reservistenkameradschaften und Schützenvereinen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 15 Mündliche Frage 26 Frank Tempel (DIE LINKE) Etwaige Ermittlungen von Sicherheitsbehörden des Bundes von 1997 bis 2011 im Zusammenhang mit dem Thüringer Heimatschutz Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 16 Mündliche Frage 27 Frank Tempel (DIE LINKE) Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz bezüglich des Thüringer Heimatschutzes Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 17 Mündliche Fragen 28 und 29 Jan Korte (DIE LINKE) Nicht vollstreckte Haftbefehle gegen Angehörige der rechtsextremen Szene Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 18 Mündliche Fragen 32 und 33 Jens Petermann (DIE LINKE) Abschaffung der eigenständigen Abteilung zum Rechtsextremismus im Bundesamt für Verfassungsschutz sowie in entsprechenden Landesämtern Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 19 Mündliche Fragen 36 und 37 Christoph Strässer (SPD) Einhaltung der Umsetzungsfrist für die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung; Vorschläge zur Verkürzung der Speicherungsfristen und Verringerung der zu speichernden Datenkategorien Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 20 Mündliche Frage 38 Dr. Edgar Franke (SPD) Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung; Notwendigkeit der Quellen-TKÜ für die Überwachung von Internettelefonaten Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 21 Mündliche Frage 39 Dr. Edgar Franke (SPD) Gesetzliche Grundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung in der Strafprozessordnung; Notwendigkeit der Quellen-TKÜ für die Überwachung von Internettelefonaten Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 22 Mündliche Frage 46 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausstehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für eine Ratifikation des 12. Protokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 23 Mündliche Frage 47 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterbindung des Ankaufs von Bankdaten Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 24 Mündliche Frage 48 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Höhe des steuerlich geförderten Strom- und Energieverbrauchs nach Stromsteuergesetz und Energiesteuergesetz im Jahr 2010 Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 25 Mündliche Frage 49 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Verschiebung der Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte (ELStAM) auf das Jahr 2013 und Kosten bei einer Einführung im Jahr 2012 Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 26 Mündliche Frage 50 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Erleichterung bei der Verlustverrechnung bzw. Abmilderung der Mindestbesteuerung Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 27 Mündliche Fragen 52 und 53 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Anrechnung von im Sozialversicherungsausweis der DDR nachgewiesenen Pflegezeiten bei der Rente Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 28 Mündliche Frage 56 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Schlussfolgerungen aus dem Projekt "Frauenbeauftragte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Wohneinrichtungen" Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 29 Mündliche Frage 57 Sabine Stüber (DIE LINKE) Chancengleichheit aller Jugendlichen und Schulabgänger bei der Berufsberatung Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 30 Mündliche Fragen 58 und 59 Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesetzlicher Handlungsbedarf wegen des defizitären Umgangs mit Lebensmittelkrisen gemäß Gutachten des Bundesrechnungshofes; Pläne für ein bundeseinheitliches Krisenmanagement Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 31 Mündliche Frage 60 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Unterstützung für tierhaltende landwirtschaftliche Betriebe bei Auftreten einer schwerwiegenden Tierkrankheit mit bisher ungeklärter Ursache Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 32 Mündliche Frage 61 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Einrichtung sogenannter Rotwildbezirke Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 33 Mündliche Frage 62 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umstellung von analogen Radaranlagen auf digitale Radaranlagen des Typs ASR-910 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 34 Mündliche Frage 63 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Regelungen für die Bundeswehr betreffend die Versenkung von der Piraterie verdächtigten Schiffen im Rahmen des Atalanta-Mandats Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 35 Mündliche Frage 64 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen für den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Operation Atalanta aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 11. November 2011 sowie Auswirkungen auf entsprechende Justizabkommen der EU mit Drittstaaten Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 36 Mündliche Frage 65 Klaus Ernst (DIE LINKE) Entwicklung der realen Kaufkraft des Mindestelterngeldes seit seiner Einführung Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 37 Mündliche Fragen 66 und 67 Steffen Bockhahn (DIE LINKE) Information der Länder über die angekündigten zusätzlichen Mittel für Beratungsnetzwerke sowie Bedingungen für eine Mittelbewilligung Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 38 Mündliche Frage 68 Harald Weinberg (DIE LINKE) Rechtliche Änderungen zur Herstellung von mehr Transparenz bei den zwischen den Ärzten und Arzneimittelherstellern vereinbarten Anwendungsbeobachtungen Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 39 Mündliche Frage 69 Dr. Marlies Volkmer (SPD) Erkenntnisse aus der Stellungnahme der Arzneimittelhersteller über eine Absenkung der Abschläge gemäß § 130 a Abs. 4 Satz 1 SGB V Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 40 Mündliche Fragen 70 und 71 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Genehmigungskriterien der Versuchsstrecken für den Gigaliner-Feldversuch und Gewährleistung der Verkehrssicherheit auf den Umleitungsstrecken bei Sperrung der Versuchsstrecken Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 41 Mündliche Frage 72 Gustav Herzog (SPD) Im Zusammenhang mit der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Auftrag gegebene Gutachten, Studien und Untersuchungen sowie finanzielle Beteiligung des Bundes an diesen Untersuchungen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 42 Mündliche Frage 73 Gustav Herzog (SPD) Zahl der unbesetzten Stellen in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 43 Mündliche Frage 74 Heidrun Bluhm (DIE LINKE) Notwendigkeit zusätzlichen Wohnungsbaus in Ballungszentren Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 44 Mündliche Frage 75 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Berücksichtigung der Barrierefreiheit im neuen KfW-Programm "Energetische Stadtsanierung" Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 45 Mündliche Frage 76 Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Konsequenzen aus dem Ausgang der kantonalen Abstimmung in Zürich zum Ausbau des dortigen Flughafens Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 46 Mündliche Frage 77 Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Europarechtliche Zulässigkeit einer Verschärfung der Durchführungsverordnung zur Luftverkehrsordnung ab 1. Januar 2012 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 47 Mündliche Frage 78 Sabine Leidig (DIE LINKE) Weitere Nutzung der oberirdischen Bahnanlagen durch die Stuttgarter Netz AG nach der im Rahmen von Stuttgart 21 geplanten Verlegung des Gleisfeldes in den Untergrund Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 48 Mündliche Frage 79 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorteile für den Braunkohlebergbau aufgrund rechtlicher Sonderstellungen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 49 Mündliche Frage 80 Frank Schwabe (SPD) Letztmalige Gelegenheit zur Änderung des europäischen Treibhausgasminderungsziels Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 50 Mündliche Frage 81 Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) Vorlage des Evaluierungsberichts zum Thema Umweltzone Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 51 Mündliche Frage 82 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mindereinnahmen für das EU-Programm NER 300 durch niedrige Preise für CO2-Zertifikate und Auswirkungen auf energiepolitische Projekte in Deutschland Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 52 Mündliche Frage 83 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vollständige Einbeziehung von Flügen zwischen in der EU gelegenen und außerhalb der EU gelegenen Flughäfen in den Emissionshandel ab 1. Januar 2012 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 53 Mündliche Frage 84 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus den europaweiten Stresstests für Atomkraftwerke und weiteres Vorgehen gegenüber der EU; Zeitplan für Stresstests anderer kerntechnischer Anlagen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 54 Mündliche Frage 85 Klaus Hagemann (SPD) Einsatz der vom Bund finanzierten Software für die Hochschulzulassung (dialogorientiertes Serviceverfahren) an Universitäten und Fachhochschulen Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 55 Mündliche Frage 86 Klaus Hagemann (SPD) Stand des Neubauvorhabens für das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie des "Hauses der Zukunft" in Berlin Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 56 Mündliche Fragen 87 und 88 Klaus Barthel (SPD) Politikbereiche im EU-Handelsabkommen mit Kolumbien und Peru in der alleinigen Zuständigkeit der EU-Mitgliedsstaaten; Beteiligung des Deutschen Bundestages bei einer Einordnung als "gemischtes Abkommen" Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWT Anlage 57 Mündliche Fragen 89 und 90 Manfred Nink (SPD) Ausgestaltung des Handelsabkommens zwischen der EU und Kolumbien sowie Peru als "gemischtes Abkommen" Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWT Anlage 58 Mündliche Frage 91 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berücksichtigung sozialer und entwicklungspolitischer Kriterien für die öffentliche Beschaffung in der Neuauflage der zum 14. Januar 2012 auslaufenden Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Produkte und Dienstleistungen Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWT Anlage 59 Mündliche Frage 92 Andrej Hunko (DIE LINKE) Finanzielle Unterstützung des Energieprojekts Desertec; Ausschluss einer Mittelverwendung für den Bau von Kraftwerken in der Westsahara Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWT Anlage 60 Mündliche Frage 93 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verfahrensstand des geplanten Förderprogramms für fossile Kraftwerke Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWT Anlage 61 Mündliche Frage 94 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konkrete Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs im Rahmen der Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWT Anlage 62 Mündliche Fragen 95 und 96 Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beitrag der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie favorisierten Gestaltung der EU-Energieeffizienzrichtlinie für die Entlastung der Stromkunden und die Beschäftigungssituation in Deutschland; Berechnungsmethode des 20-Prozent-Effizienzziels der EU Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWT Anlage 63 Mündliche Frage 97 Günter Gloser (SPD) Weitere Unterstützung des Siemens-Konzerns beim Bau eines Kraftwerks in Syrien Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWT Anlage 64 Mündliche Fragen 99 und 100 Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vermeidung eines Fördergefälles innerhalb der ostdeutschen Länder im Rahmen der Vorschläge der Europäischen Kommission zur Zukunft der Kohäsionspolitik ab 2014 Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWT 145. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsident Eduard Oswald: Ich begrüße Sie sehr herzlich. Die Sitzung ist eröffnet. (Zurufe) - Ich freue mich über den sympathischen und herzlichen Gruß. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Das Alter hat Zukunft - Forschungsagenda der Bundesregierung für den demografischen Wandel. (Heiterkeit) - Für meine Jahrgänge ist es wichtig, dies festzustellen. (Heiterkeit) Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Herr Thomas Rachel. - Bitte schön, Herr Staatssekretär. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages! Das Bundeskabinett hat heute die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung - es ist hier federführend tätig - vorgelegte Forschungsagenda der Bundesregierung für den demografischen Wandel "Das Alter hat Zukunft" - der Herr Präsident hat das bereits zitiert - verabschiedet. Diese Forschungsagenda schließt an den Demografiebericht der Bundesregierung an, der am 26. Oktober im Kabinett beschlossen wurde, und markiert einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Demografiestrategie der Bundesregierung, die voraussichtlich im Frühjahr 2012 vorgestellt wird. Es ist das erste ressortübergreifende Forschungskonzept einer deutschen Bundesregierung zu diesem Thema. Alle bei diesem Thema betroffenen Ressorts waren hier einbezogen. Wir wissen, dass nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts die Bevölkerung in Deutschland, die heute rund 81 Millionen Menschen umfasst, bis zum Jahr 2060 auf 65 Millionen oder 70 Millionen sinken wird. Zugleich wird allerdings das Durchschnittsalter der Bevölkerung zunehmen. Beträgt heute der Anteil der über 65-Jährigen rund 21 Prozent, so wird der Anteil der 65-Jährigen und Älteren im Jahr 2060 bereits bei 34 Prozent liegen. Der Bevölkerungsrückgang auf der einen Seite und die Änderung der Altersstruktur auf der anderen Seite lassen sich natürlich nur wenig beeinflussen. Wir müssen jedoch die Umstände der demografischen Veränderungen aktiv gestalten. Die Politik kann gemeinsam mit Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft die Bedingungen dafür schaffen, dass sich Wohlstand und gesellschaftlicher Zusammenhalt auch unter sich verändernden demografischen Bedingungen positiv entwickeln. Wir bündeln die Aktivitäten in den Ressorts und wollen die Potenziale einer Gesellschaft des längeren Lebens nutzen. Ziel ist es, durch Forschung und Entwicklung neue Lösungen, Produkte und Dienstleistungen voranzutreiben, die die Lebensqualität der Menschen, aber auch die gesellschaftliche Teilhabe älterer Menschen verbessern. Auf diese Weise sollen zum Wohle aller Generationen wertvolle und bislang nur unzureichend genutzte Potenziale gehoben werden, die bisher noch verborgen geblieben sind. Im Mittelpunkt der Forschungsagenda stehen die Handlungsfelder, die für ältere Menschen von besonderer Bedeutung sind und von denen wir glauben, dass Forschung und Innovation hier einen wichtigen Beitrag leisten können: Mobilität und Kommunikation, längere Beschäftigungsfähigkeit, Wohnen, Gesundheit und Pflege, aber auch gesellschaftliches und kulturelles Engagement. Was sind die Kernpunkte? Wir haben bereits im "Rahmenprogramm Gesundheitsforschung" einen Schwerpunkt auf die Verbesserung der Prävention, der Diagnose und der Therapie von Krankheiten gelegt, gerade wenn diese Krankheiten im Zusammenhang mit dem Alter auftreten. Diesen Weg werden wir weiter verfolgen. Darüber hinaus richten wir unser Augenmerk besonders auf demenzielle Erkrankungen sowie auf die Unterstützung von Pflegebedürftigen und die Entlastung von Pflegenden, zum Beispiel mit der Zukunftswerkstatt Demenz und dem Modellprogramm zur Verbesserung der Versorgung Pflegebedürftiger. Wir richten auch das Programm "Informations- und Kommunikationstechnologie 2020" entsprechend aus: Wir wollen diese Techniken nutzen, um die gesellschaftliche Teilhabe gerade älterer Menschen zu unterstützen und die Wohn- und Lebensräume altersgerecht zu gestalten. Schließlich fördern wir die Entwicklung neuartiger Lösungen zur Anpassung kommunaler und sozialer Infrastrukturen. In Forschungsprojekten und Modellversuchen werden Themen wie "öffentlicher Personenverkehr", "Verkehrsinfrastruktur" und "Mobilität im Alter" adressiert. Schließlich werden die Forschungsprogramme zum lebenslangen Lernen, zur Arbeitsplatzgestaltung, zur Produktionstechnologie und zu innovativen Dienstleistungen so weiterentwickelt, dass ältere Menschen künftig ihr Wissen und auch ihre Lebenserfahrung noch besser und länger in die Gesellschaft einbringen können, sei es nun beruflich, privat oder im Ehrenamt. Wir werden das Rahmenprogramm "Geistes- und Sozialwissenschaften" verstärken und hier auch Grundsatzfragen einer älter werdenden Gesellschaft integrieren. Meine Damen und Herren, mit den genannten Maßnahmen will die Bundesregierung einen Impuls für Forschung und Entwicklung, für eine Gesellschaft des längeren Lebens setzen. Dabei spielen technologische Entwicklungen eine Rolle, aber nicht die alleinige: Soziale, ethische, rechtliche und andere gesellschaftliche Aspekte müssen in die Umsetzung innovativer Lösungen eingebettet werden. Wir haben es so vorgesehen, dass die Forschungsagenda zunächst auf einen Zeitraum von fünf Jahren - bis zum Jahr 2016 - ausgerichtet ist. Sie soll am Ende der Förderperiode evaluiert werden. Dann ist zu entscheiden, ob es eine Anpassung der operativen Ziele geben soll und ob die Forschungsagenda über das Jahr 2016 hinaus fortgesetzt werden soll. Herzlichen Dank. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Bevor wir nun mit der Befragung beginnen, erinnere ich an die berühmte Ein-Minuten-Regelung: Ich bitte Sie, sich bei den Fragen und Antworten auf jeweils eine Minute zu beschränken. Nach Ablauf der Minute wird ein Signal daran erinnern, zum Schluss zu kommen. Ich bitte, zunächst die Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. - Ich beginne mit Ihnen, Frau Kollegin Petra Sitte. Bitte schön. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Herr Präsident, ich bin natürlich bestens vorbereitet. Insofern schaffe ich das in einer Minute. - Herr Staatssekretär, danke für den Vortrag. Ich beziehe mich auf den gesamten Bereich der pflegebedürftigen Menschen in diesem Land. Sie haben unter der Überschrift "Demografischer Wandel" vor allem Technologien gefördert, insbesondere technische Unterstützungssysteme. Das ist das eine. Das andere ist aber, dass wir im Alltag einen Pflegenotstand erleben. Wir wissen, dass Fachkräfte fehlen. Wir wissen aber auch, insbesondere aus unserer kommunalpolitischen Arbeit, dass moderne Wohnverhältnisse für ältere Bürgerinnen und Bürger, vor allem für ältere Menschen mit Behinderung oder Handicap, fehlen. Wir wissen ferner, dass es einen großen Bedarf gibt, gute Arbeitsbedingungen für Pflegende im Bereich der Altenpflege zu schaffen. Deshalb halten wir es für notwendig, dass sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung auch der Erforschung sozialer Innovationen widmet. Deshalb frage ich Sie, (Signalton - Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Schlecht vorbereitet, Frau Kollegin!) ob Sie in diesem Bereich investieren und bei den Forschungsaktivitäten auch neue Dienstleistungen in den Blick nehmen wollen. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Staatssekretär. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Danke, Herr Präsident. - Liebe Frau Kollegin Dr. Sitte, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie die Bandbreite der Themen - von Wohnen über Arbeit bis zur Pflege - unterstrichen haben, die wir letztlich gemeinschaftlich adressieren wollen. Wir haben sehr wohl im Blick, dass technologische Assistenzsysteme selbstverständlich Pflegenden und zu Pflegenden helfen können, ihre Situation zu verbessern. Aber es werden auch soziale Gesichtspunkt in unsere Forschungsagenda aufgenommen. Ich darf hier beispielhaft unsere Förderlinie "Forschung an Fachhochschulen" nennen, bei der es insgesamt um Pflegeforschung geht und wir ausdrücklich das Thema "Soziale Innovationen für Lebensqualität im Alter" haben. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Nächster für die Unionsfraktion, Dr. Thomas Feist. Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, Sie haben davon gesprochen, dass in der Forschungsagenda auch soziale und ethische Komponenten eine wichtige Rolle spielen und dass bei sozialer Teilhabe vor allen Dingen auf Kommunikation abgehoben wird. Nun haben wir in diesem Jahr das Jahr der Gesundheitsforschung. Wo gibt es besondere Schwerpunkte, die sich mit diesem Themenbereich überschneiden? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Dr. Feist, das gesamte Themenfeld der Gesundheitsforschung ist eine der ganz großen Säulen der Forschungsagenda. Sie wissen, dass wir ein großes Gesundheitsforschungsprogramm auf den Weg gebracht haben, das unter der Federführung des BMBF läuft und bei dem wir in sachlicher und kollegialer Kooperation mit dem BMG zusammenarbeiten. Die Themenvielfalt ist riesig. Ich will deshalb mit Ihrem Einverständnis ein Beispiel herausgreifen, nämlich die Frage, wie wir Gesundheitsversorgung auch im ländlichen Raum gewährleisten können. Hier haben wir ein Forschungsprojekt, das in Nordbrandenburg, also in den neuen Ländern - Sie kommen aus den neuen Ländern -, im Rahmen der Aktion "Gesundheitsregionen der Zukunft" durchgeführt wird. Anhand der kardiologischen Versorgung im strukturschwachen ländlichen Raum Nordbrandenburgs wird ein neues Betreuungsmodell für Gebiete ohne dort ansässige Fachärzte entwickelt und anschließend wissenschaftlich evaluiert. Ziel ist es natürlich, aus solchen Projekten Erfahrungen zu sammeln, die auch auf andere ländliche Regionen übertragen werden können. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Nächster Fragesteller, Kollege Franz Müntefering. Franz Müntefering (SPD): Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, dass das, was in den einzelnen Ministerien bisher zu Senioren, AuS, Wohnen und Stadtentwicklung, Gesundheit und Pflege, Verbraucherschutz und Verkehrssicherheit unter dem Gesichtspunkt der Interessenlage der Älteren erforscht worden ist, nicht mehr in den einzelnen Ministerien erforscht wird, sondern im Wissenschaftsministerium zusammengefasst wird. Sie sagen, das solle in den nächsten fünf Jahren zu Ergebnissen führen. Sie kündigen für das nächste Frühjahr eine Demografiestrategie an. Daraus ergibt sich für mich die Frage: In welchem Verhältnis steht sie zur Forschungsagenda, die Sie beschrieben haben? Besteht die Agenda der Bundesregierung darin, dass sie in den nächsten fünf Jahren forscht oder forschen will? Falls die Ergebnisse davon noch nicht vorliegen: Wie belastbar und wie aussagestark wird dann die Strategie sein, die im Frühjahr nächsten Jahres auf den Tisch gelegt wird? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Bundestagsabgeordneter Müntefering - - (Signalton) - Darf ich noch antworten? Gut. Vizepräsident Eduard Oswald: Wir machen jetzt die Maschine aus. (Heiterkeit) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Müntefering, die Demografiestrategie, die die Bundesregierung ausgehend von ihrem Bericht, der im Oktober im Kabinett behandelt worden ist, im Frühjahr beraten wird, ist sehr viel breiter angelegt. Sie wird sozialpolitische Themen aufgreifen, was Sie in Ihrem federführenden Ausschuss sicherlich intensiv diskutieren werden. Sie wird sicherlich rechtliche Aspekte sehr viel stärker in den Mittelpunkt rücken. Ich nenne zum Beispiel das Thema Altersdiskriminierung. Was kann bzw. was muss eine Gesellschaft tun, um Altersdiskriminierung zu verhindern? Wo liegen gegebenenfalls Aufgaben des Gesetzgebers? Das Thema unserer Forschungsagenda ist insofern ein wichtiger Baustein, aber wahrlich nicht die gesamte Demografiestrategie. Vielmehr fragen wir, was neben sozialpolitischen und zivilgesellschaftlichen Aktivitäten aus der Forschung an Lösungsansätzen angeboten werden kann, um beispielsweise die Mobilität von Älteren in unserer Gesellschaft zu erhalten. Welche Möglichkeiten können wir für Ältere schaffen, damit sie in ihren vertrauten Wohnräumen bleiben können und trotzdem die Sicherheit haben, dass sie beispielsweise über ein Notrufsystem ärztliche Unterstützung bekommen, falls ihnen etwas passieren sollte? Das sind Fragen, die wir in den Forschungsprojekten untersuchen werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin, Frau Kollegin Tabea Rößner. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, es gibt die EU-Initiative zu Forschungsprogrammen im Bereich "Länger und besser leben - Möglichkeiten und Probleme des demografischen Wandels". Meine Frage bezieht sich darauf: Wie ist es eingebettet, und wie erfolgt die Abstimmung mit den Forschungsergebnissen aus anderen Ländern, um die Fragmentierung der Forschungsanstrengungen der Mitgliedstaaten, wie es dort formuliert ist, zu verhindern? Darüber hinausgehend stellt sich mir die Frage, wie bisherige Erkenntnisse einfließen können. Beispielsweise im Bereich der Gesundheitsprävention muss man Langzeitstudien heranziehen. Wie betten Sie diese ein? Als Letztes noch eine Frage zu dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie. Auch auf diesem Gebiet wollen Sie Forschungsprojekte vorantreiben. Ich nenne die Stichworte "50 plus" und "IT-basierte Dienstleistungskonzepte". Wie soll das erfolgen? Wie sollen sich diese Konzepte angesichts der Tatsache durchsetzen, dass der demografische Wandel sich gerade im ländlichen Raum auswirkt und eine Breitband-Grundversorgung dort nicht gegeben ist? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Kollegin, Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich Ihre Fragen - es waren mindestens vier - nicht in einer Minute beantworten kann. Ich werde mir aber redlich Mühe geben, zumindest einen Teil abzuarbeiten. Sie haben recht: Das, was wir national tun, sollten wir auf internationaler Ebene abgleichen und in die internationale Diskussion einbringen, zumal die Bundesrepublik Deutschland nicht isoliert von den Veränderungen in der Altersstruktur betroffen ist. Ich nenne in diesem Zusammenhang Japan, Kanada und Korea. Das sind drei Länder, die von den demografischen Veränderungen schon sehr viel stärker betroffen sind. Natürlich nehmen wir auf, was in diesen Ländern in diesem Bereich unternommen wird. Konkret heißt das, dass wir in den europäischen Prozess der Fortentwicklung des europäischen Forschungsrahmenprogramms - das 8. EU-Forschungsrahmenprogramm wird "Horizon 2020" heißen - unsere Vorstellungen im Bereich der Forschung für die älter werdende Bevölkerung einbringen werden. Wir werden dafür kämpfen - so steht es auch in einem Papier der Bundesregierung für die EU -, dass dies ein wichtiges Thema wird. (Signalton) - Wenn der Präsident es mir erlaubt, greife ich zumindest noch eine weitere Frage kurz auf. Sie haben gefragt, wie Aspekte wie Prävention aufgenommen werden können. Prävention ist im Rahmen der Gesundheitsforschungsaktivitäten ein eigenes Thema. Wenn ich darf, werde ich ein bisschen konkreter: Wir müssen natürlich Langzeituntersuchungen durchführen, und das tun wir auch. Wir analysieren die biologischen Vorgänge des Alterns und versuchen, die Erkenntnisse mit der Frage in Verbindung zu bringen, ob auch sozioökonomische Faktoren einen Einfluss auf den Alterungsprozess haben. Ganz konkret: Hier in Berlin haben wir die Berliner Altersstudien - "BASE" genannt - auf den Weg gebracht. In dem Rahmen werden sowohl genetische als auch medizinische, aber auch immunologische Fragestellungen untersucht und mit psychologischen und sozioökonomischen Faktoren kombiniert. Daran erkennen Sie, dass wir uns disziplinübergreifend um ein Gesamtbild der Prozesse des Alterns bemühen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Nächster Fragesteller, Kollege Tankred Schipanski. Bitte schön, Kollege Tankred Schipanski. Tankred Schipanski (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin zum einen angedeutet, dass das Programm evaluiert werden soll. Ich möchte gerne wissen, wer diese Evaluierung vornehmen wird. Zum anderen haben Sie uns die Themenfelder vorgestellt, mit denen sich die Forschungsagenda beschäftigt. Mich würde interessieren: Von wem hat sich die Bundesregierung beraten lassen, als es darum ging, die Themenfelder herauszufiltern? Wie ist man auf diese konkreten Themenfelder gekommen? - Vielen Dank. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Schipanski, wir haben erst einmal den Sachverstand aus allen Ressorts der Bundesregierung zusammengebracht, die ja ganz unterschiedliche Forschungsaktivitäten betreiben. Wenn ich die Frage von Herrn Müntefering noch einmal aufgreifen darf: Das wird eingebettet, miteinander besprochen und entwickelt. Das jeweilige Forschungsprogramm oder -projekt wird aber selbstverständlich in der Verantwortung des jeweiligen Ministeriums - ich nenne jetzt einmal das BMAS oder das Bundesministerium für Gesundheit - durchgeführt, es sei denn, es findet in unserem Haus, im BMBF, statt. Darüber hinaus haben wir selbstverständlich die wissenschaftliche Community eingebunden. Das Thema war auch Gesprächs- und Diskussionsgegenstand in der sogenannten Forschungsunion, die, wie Sie als Forschungspolitiker wissen, aus Wissenschafts- und Wirtschaftsvertretern zusammengesetzt ist und die Bundesregierung bei der Weiterentwicklung der Hightech-Strategie insgesamt berät. Wir haben uns vorgenommen, den Prozess zu begleiten. Es wird ja auch nicht alles gleich am ersten Tag gestartet. Am Ende der fünfjährigen Forschungsförderungsphase wird es eine Evaluation geben. Natürlich ist heute noch nicht endgültig entschieden, welche Organisationen mit der Evaluation beauftragt werden. Es entspricht aber unserem Grundverständnis, dass betrachtet wird: Welche Schwerpunkte sind gesetzt worden? Waren sie richtig? Müssen Veränderungen für die Zukunft vorgenommen werden? Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Nächste Fragestellerin, Frau Kollegin Sabine Bätzing-Lichtenthäler. Bitte schön. Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD): Ganz herzlichen Dank. - Herr Staatssekretär, meine Frage bezieht sich auf die Bauforschung. Hier stellt sich mir die Frage: In welcher Form soll die Bauforschung im Bereich der Gestaltung altersgerechter Wohnräume verstärkt gefördert werden? Dies frage ich vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass es bereits sehr gute Programme für den altersgerechten Umbau gab, die aber von der Bundesregierung eingestellt wurden. Das heißt, hier besteht ein Widerspruch: neue Förderung auf der einen Seite, Einstellung gut laufender Programme auf der anderen Seite. Dazu hätte ich gern eine Stellungnahme von Ihnen, und ich wüsste gern, ob so etwas durch die künftige Forschung und Förderung ausgeschlossen werden kann. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ich würde sagen, dass dem Thema "Sicher und unabhängig wohnen" als eigenem Schwerpunkt in der Forschungsagenda ein neues Gewicht gegeben wird. Ich glaube, dass das wichtig ist, weil sich die Menschen fragen, was die Gesellschaft und was der Staat tun können. Wir fragen auch: Was können die Tüftler, die Erfinder, die Wissenschaftler dazu beitragen, dass Menschen, die in ihrer angestammten Wohnung bleiben wollen, tatsächlich möglichst lange dort bleiben können? Um es Ihnen bildhaft und konkret darzustellen: Wir fördern beispielsweise das Projekt "AlterLeben", die "Mitalternde Wohnung". Das sind neue Aktivitäten, aber es ist nicht so, dass deswegen die Förderung für alle anderen Aktivitäten eingestellt wird; das will ich an dieser Stelle sagen. Bei diesem Projekt werden Lösungen für selbstbestimmtes Wohnen in den eigenen vier Wänden im Alter entwickelt. Dazu gehören nicht nur technische Assistenzsysteme, sondern auch bautechnische Maßnahmen. Die Wohnung für Ältere in fünf, sechs oder sieben Jahren wird anders aussehen als heute. Dazu gehören auch Dienstleistungskonzepte. Denn meine grundsätzliche Auffassung ist: Technik kann immer nur unterstützend sein. Die menschliche Zuwendung muss weiterhin im Mittelpunkt stehen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Nächste Fragestellerin, Frau Kollegin Elisabeth Scharfenberg. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, in der Forschungsagenda wird ressortübergreifendes Arbeiten angekündigt. Ich deute das so, dass es unter anderem eine ressortübergreifende Arbeit zwischen dem Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Ministerium für Gesundheit geben soll. Wie wird sich denn da die Zusammenarbeit gestalten, und wer wird sie koordinieren? Wer wird zuständig sein? Wir erleben ja die Arbeit der Ministerien, die ich gerade genannt habe, als sehr konkurrenzbehaftet. Ich denke, ein ressortübergreifendes Vorgehen ist da dringend geboten. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank, Frau Kollegin. - Ihr Erleben deckt sich in dem Fall nicht mit meinem, jedenfalls nicht beim Thema Forschungsagenda. Ich stelle ein sehr gutes Miteinander unserer Ministerien fest. Dies liegt vielleicht auch daran, dass wir bei der Entwicklung der Forschungsagenda - hier hatten wir als BMBF die Federführung - nichts von dem, was in den anderen Ressorts an Sinnvollem verantwortlich gemacht wird, infrage gestellt haben. Vielmehr haben wir die Dinge inhaltlich und konzeptionell verknüpft. Es ging uns dabei auch darum, Doppelförderungen möglichst zu verhindern und insofern einen insgesamt größeren Mehrwert zu erreichen. Ich darf Ihnen beispielhaft aus der Verantwortung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zwei Schwerpunkte nennen, bei denen sich die Kollegen aus dem Ministerium besonders engagieren. Das sind die Bereiche "Zuhause im Alter - Wohnen im Alter" und "Demenz: Lebensqualität verbessern und Pflegende unterstützen". Hier wird sich das Familienministerium auch in Zukunft mit einbringen. Wir begrüßen das. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller Kollege Dr. Stefan Kaufmann. Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU): Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, können Sie schon eine Aussage darüber treffen, wie sich im Rahmen der Forschungsagenda die Verteilung der Fördergelder auf die technologiebezogene Forschung und die sozialwissenschaftliche Forschung gestaltet? Vielleicht können Sie auch ein Wort dazu sagen, inwieweit die Forschungsagenda mit dem EU-Forschungsrahmenprogramm bzw. mit dem geplanten Folgeprogramm "Horizon 2020" abgestimmt ist? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Eine - ich sage einmal - kleinteilige Aufteilung auf die verschiedenen Felder - ob technologie- oder nicht technologieorientiert - ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich und wäre auch nicht sinnvoll. Aber ich kann Ihnen sagen, dass es nach unserer Auffassung ein ausgewogenes Verhältnis geben muss. Der erste Bereich, den wir mit der Forschungsagenda überhaupt adressieren, das Forschungsfeld 1, heißt deshalb "Grundsatzfragen einer Gesellschaft des längeren Lebens". Dabei geht es um ganz grundsätzliche Fragen. Erst einmal geht es darum, dass wir wissen, wie die weitere demografische Entwicklung verlaufen wird. Das Bild von den Älteren hat sich gewandelt. Auch das Selbstbild der Älteren hat sich gegenüber früheren Jahrzehnten deutlich verändert: Sie sind selbstbewusst und wollen Verantwortung wahrnehmen. Daran können Sie schon erkennen, dass wir uns auch sehr stark auf sozialwissenschaftliche und geisteswissenschaftliche Fragestellungen einlassen werden; das ist das ausdrückliche Bekenntnis der Bundesregierung. Daraus abgeleitet ist dann zu klären, welche technologischen Gesichtspunkte von Bedeutung sein könnten, um die aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Petra Crone. Petra Crone (SPD): Danke schön, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, Sie sagten, im Rahmen dieser Forschungsagenda solle auch die Demenzforschung vorangetrieben werden. Ich frage Sie: Ist es nicht viel wichtiger, jetzt erst einmal ein Pflegekonzept vorzulegen und endlich einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, an dem ja nun schon lange gearbeitet wird, auf den Weg zu bringen? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Kollegin, ich möchte Sie gerne dazu ermuntern: Lassen Sie uns das eine debattieren und das andere trotzdem tun! Ohne Zweifel: Die größte Herausforderung, die wir alle, auch persönlich in unseren Familien, erleben werden, ist, dass das Thema Demenz keine Frage sein wird, die nur wenige Menschen betrifft. Vielmehr sind davon bereits heute 1,1 Millionen Menschen in unserem Lande betroffen. Wir wissen, dass wir bis zum Jahr 2050 eine Steigerung auf 2 bis 3,5 Millionen Menschen, die an Demenz erkrankt sind, zu verzeichnen haben werden. Jeder kann sich vorstellen - auch die Zuschauer auf der Tribüne -: Dazu werden auch einige von uns, die wir heute hier im Plenarsaal sind, gehören. Insofern ist es von zentraler Bedeutung - sowohl für die Menschen, die an Demenz erkranken, als auch für ihre Familienangehörigen, die eine erhebliche Aufgabe, nämlich die pflegerische Betreuung, zu bewältigen haben, als auch für die Gesellschaft und die Volkswirtschaft insgesamt, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitskosten, die damit verbunden sind -, die Demenzforschung in den Mittelpunkt zu stellen. Die Bundesregierung hat das gemacht, indem sie erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik ein nationales Demenzzentrum in Bonn gegründet hat. Damit rücken wir dieses Thema - von der Ursachenerforschung bis zur Frage, wie wir pflegerisch und betreuerisch korrekt mit an Demenz Erkrankten umgehen - in den Mittelpunkt. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Katharina Landgraf. Katharina Landgraf (CDU/CSU): Danke schön, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, berücksichtigt Ihre Forschungsagenda auch die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere den Fachkräftemangel? Werden die Kompetenzen des Alters wie Erfahrung und Fachkompetenz, die jetzt womöglich brachliegen, der Kreativität und dem Innovationsdrang junger Menschen gegenübergestellt? Kann man das überhaupt gegeneinander abwägen? Könnte man die Älteren nicht motivieren, länger als bisher im Arbeitsleben zu bleiben? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank, Frau Bundestagskollegin. - Ich glaube, wir alle spüren in Gesprächen, auch in unseren Wahlkreisen, dass sich sehr viele Ältere gerne weiter einbringen wollen, sei es am Arbeitsplatz oder in die Gesellschaft insgesamt. Insofern sprechen Sie ein ganz zentrales Anliegen an: Wir müssen den Erfahrungsschatz und die Bereitschaft der älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger, mitzutun, aufnehmen und ihnen entsprechende Möglichkeiten verschaffen. Das betrifft die Zivilgesellschaft, die Art und Weise, wie wir Diskussionsprozesse in der Gesellschaft insgesamt organisieren, aber natürlich auch die Frage, wie wir Älteren mehr Hilfen und Unterstützung auf dem Weg in den Arbeitsmarkt geben. Wir haben das fest im Blick. Dabei spielt auch eine Rolle, dass wir in Zeiten des Fachkräftebedarfs leben. Wir tun dies aber nicht nur deshalb, sondern auch deshalb, weil wir wissen, dass Ältere aufgrund ihres Tuns über Jahre und Jahrzehnte natürlich Erfahrungen haben, die die Jüngeren noch nicht haben können, und dass das Matching, das Zusammenführen beider Gruppen, einem Unternehmen wie einer Institution einen deutlichen Vorsprung und Vorteil bringt. Ich will abschließend ein Beispiel dafür nennen: Wir führen das Projekt "Personalarbeit im demografischen Wandel" durch, in dem wir mit zwei Branchen, der Gesundheitswirtschaft und der maritimen Wirtschaft, an betriebsspezifischen Weiterbildungskonzepten und Qualifizierungsangeboten für Mitarbeiter in KMU arbeiten wollen, um beispielhaft zu zeigen, dass dies zum Erfolg des Betriebs und der beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beiträgt. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Nächste Fragestellerin unsere Kollegin Frau Mechthild Rawert. Mechthild Rawert (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben dargestellt, wie breit die Forschungsagenda aufgestellt ist und dass das gesamte Spektrum auch unter sozialen, ethischen und rechtlichen Aspekten zu erforschen ist. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Inwieweit stellen Sie mit diesen Forschungsaktivitäten sicher, dass in allen Projekten - auch in speziellen Projekten - der Aspekt der Vielfalt in Deutschland aufgegriffen wird, und wie kann die Forschung dazu beitragen, dass es rechtliche Rahmenbedingungen gibt, die ein würdiges Altern für alle, unabhängig von ihrer Herkunft, gewährleisten? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Kollegin, die rechtlichen Rahmenbedingungen werden ein Thema von Ihnen sein; denn der Deutsche Bundestag muss sich fragen, ob er rechtliche Veränderungen als notwendig erachtet. Das Grundanliegen, das Sie ansprechen - wir haben in der Bundesrepublik Deutschland des 21. Jahrhunderts eine sehr viel heterogenere Gesellschaft mit vielen Tausenden, ja Millionen Menschen, die aufgrund ihrer Migrationsgeschichte andere kulturelle Erfahrungswerte haben und insofern auch in schwieriger Lebensphase, bei schwerster Krankheit oder auch im letzten Lebensjahr, in der Sterbephase, unter Umständen anders betreut und behandelt werden müssen -, ist, wie ich finde, berechtigterweise thematisiert worden. Damit meine ich natürlich nicht die medizinische Behandlung als solche, sondern den kulturellen Umgang und das Eingehen auf diese Menschen. Wir wissen ja, dass es bis hin zur unterschiedlichen Bestattungskultur ganz unterschiedliche Anforderungen in unseren Kommunen gibt. Natürlich muss und wird auch dies immer Teil der Pflegeforschung sein. Hier wird natürlich eine Rolle spielen, dass wir als Gesellschaft ein großes Interesse daran haben müssen, Pflegekräfte zu haben, die sich beispielsweise auch in den Ursprungssprachen derjenigen Menschen verständigen können, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind; denn wir wissen, dass gerade für Ältere, insbesondere wenn sie auf ihre eigenen Ursprünge zurückblicken, die türkische, die italienische oder die griechische Sprache unter Umständen eine größere Rolle spielt als in den 20 Jahren zuvor. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin unsere Kollegin Frau Ewa Klamt. Ewa Klamt (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, meine erste Frage geht in folgende Richtung: Kann man schon sagen, welches Finanzvolumen für diesen Fünfjahreszeitraum vorgesehen ist? Sie sagten, man gehe ressortübergreifend vor. Werden sich auch andere Ressorts an der Finanzierung beteiligen? Meine letzte Frage interessiert bestimmt all jene, die heute davon gehört haben, dass die Forschungsagenda auf den Weg gebracht worden ist: Wer ist dann antragsberechtigt? (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ja, das ist eine Frage, die ich als zentral ansehe!) Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Das waren mehrere Fragen, Frau Kollegin Klamt. Wir haben im Haushalt des BMBF für das Jahr 2012, unter der Voraussetzung, dass der Deutsche Bundestag als Haushaltsgesetzgeber unserem Vorschlag zustimmt, 84 Millionen Euro vorgesehen. Dies wollen wir mit Unterstützung der Abgeordneten in den Folgejahren fortschreiben, sodass sich unser Ressort mit rund 415 Millionen Euro an der Umsetzung der Forschungsagenda beteiligen wird. Zur Frage, wer antragsberechtigt ist. Sie müssen sich vor Augen führen: Die Forschungsagenda an sich ist kein eigenes Programm, sondern es werden Programme, Aktivitäten und auch Rahmenprogramme der verschiedenen Ressorts und der unterschiedlichen Häuser zusammengeführt. Insofern sind die verschiedenen Ministerien natürlich erst einmal die Adressaten. Antragsberechtigt sind, da es sich um eine Forschungsagenda handelt, selbstverständlich die Hochschuleinrichtungen und -institutionen, die Vertreter von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, aber auch Unternehmen. Uns liegt sehr daran, dass wir auch spätere Nutzer und Anwender, wie etwa karitative Einrichtungen, einbeziehen, um anwendungsnahe Lösungen zu finden, beispielsweise die evangelische Diakonie oder die katholische Caritas. Das sind wichtige Kompetenzeinrichtungen, die sich aufgrund ihrer Pflegeerfahrungen mit einbringen können. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller unser Kollege Oliver Kaczmarek. Oliver Kaczmarek (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, ich möchte auf das Gesundheitsforschungsprogramm zurückkommen, das vorhin schon einmal eine Rolle gespielt hat, und möchte Sie fragen, inwiefern das, was Sie als Forschungsagenda im Kabinett beschlossen haben, konkret über das Gesundheitsforschungsprogramm hinausgeht und ob es nicht auch angezeigt gewesen wäre, ein eigenes Aktionsfeld im Gesundheitsforschungsprogramm zu diesem Themenkomplex anzulegen. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ich glaube, dass Sie an dieser Stelle in gewisser Weise einem Missverständnis unterliegen; denn das Thema Gesundheitsforschung wird in einem breiten, mehrere 100 Millionen Euro umfassenden Rahmenprogramm vonseiten der Bundesregierung adressiert und angesprochen, federführend vonseiten des BMBF. Worum es uns gehen muss, ist nicht die Strukturfrage, sondern die Frage, welche Themen dort behandelt werden. Wir sind sehr froh darüber, dass gerade die Aspekte einer älter werdenden Gesellschaft und die Fragen der großen Volkskrankheiten - um zwei Beispiele zu nen-nen - zentrale Bausteine dieses Gesundheitsforschungsprogramms sind. Wir haben hier eine Reihe von Projekten, mit denen wir ganz zielgerichtet Gesundheitsfragen, auch Fragen von Mehrfacherkrankungen, die für Ältere hochrelevant sind, als besondere Herausforderung adressieren. Ich will auf Folgendes hinweisen: Wir wissen, dass Ältere auf Medikamente anders reagieren als Jüngere und dass insofern ein Medikament, das ein Jüngerer einnimmt, sehr wohl hilfreich sein kann, aber bei einem Älteren Gefahren mit sich bringen kann. Auch diese Frage wird intensiv behandelt werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Wir haben jetzt noch drei Fragesteller zu diesem Themenkomplex und eine Frage zu einem anderen Thema der heutigen Kabinettssitzung. Zunächst Frau Kollegin Elisabeth Scharfenberg. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, zu den Handlungsfeldern der Forschungsagenda zählt unter anderem die Verbesserung des Pflege- und Betreuungsangebots. Mich würde im Speziellen interessieren, wie die Bemühungen in diesem Rahmen, konkret auf dieses Thema bezogen, ressortübergreifend gebündelt werden sollen und welche Maßnahmen sich daraus genau entwickeln sollen. Ich bin der Auffassung, dass nur technikgestützte Assistenzsysteme nicht ausreichend sind. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sie haben natürlich vollkommen recht: Technik ist eine Antwort und nicht die Antwort alleine. Deswegen wird das Thema Pflegeforschung als solches inhaltlich-konzeptionell eine ganz wichtige Rolle spielen. Ich habe schon auf das sozialwissenschaftlich ausgerichtete Pflegeprogramm in Zusammenarbeit mit den Fachhochschulen hingewiesen. Die verschiedenen Ressorts nehmen hier ihre ganz unterschiedlichen Verantwortungen wahr. Ich denke an die Aktivitäten im Familienministerium. Ich habe die Themen Demenz und Wohnen im Alter bereits angesprochen, aber auch die Aktivitäten des Gesundheitsministeriums im Bereich der Gesundheitsforschung. Das Bundesministerium für Gesundheit hat darüber hinaus vor, ein Modellprojekt zur Verbesserung der Versorgung Pflegebedürftiger auf den Weg zu bringen. Ich bin mir sicher, dass sich die Kollegen des federführenden Fachausschusses in die Entwicklung und Fortentwicklung dieses Modellprojekts einschalten werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Als nächster Kollege Franz Müntefering und dann Frau Kollegin Petra Sitte. Zunächst Franz Müntefering. Franz Müntefering (SPD): Herr Staatssekretär, ist in Ihrem Forschungspaket auch die Situation älterer Menschen in Dörfern, Kreisen und Regionen mit abnehmender Einwohnerzahl berücksichtigt, in denen es große Probleme mit der ärztlichen und medizinischen Versorgung sowie der Daseinsvorsorge überhaupt gibt? Wollen Sie auf dieses akute Problem im Frühjahr nächsten Jahres mit der Strategie zum demografischen Wandel antworten oder wollen Sie jetzt eine Forschung beginnen, die in einigen Jahren zu Ergebnissen führt? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Müntefering, die Frage der Versorgung des ländlichen Raumes geht offensichtlich weit über den Aspekt der Wissenschaftler und Forscher hinaus; sie betrifft auch Fragen der Gesundheitspolitik, die kommunale Verantwortung und die ortsnahe Zurverfügungstellung entsprechender Aktivitäten. Das muss in den Bereichen verantwortet und diskutiert werden, die dafür zuständig sind. Wir versuchen, Lösungswege mit auf den Weg zu bringen, die Antworten aus der Forschung entwickeln können. Ich habe das Forschungsprojekt "Gesundheitsregionen der Zukunft" angesprochen. Hier spielt der ländliche Raum eine Rolle, der es - im Gegensatz zur Hauptstadt mit der Charité - strukturell sehr schwer hat, ein allumfassendes medizinisches Versorgungsnetz zur Verfügung zu stellen. Ich erinnere an das Projekt, das ich vorhin erläutert habe. Dabei geht es um die kardiologische Versorgung im strukturschwachen ländlichen Raum Nordbrandenburg, wo ganz neue Betreuungsmodelle entwickelt werden. Das ist aber nur ein Projekt. Die Programme haben das Ziel, dass auf der Wegstrecke auch neue, weitergehende Projekte entwickelt werden können. Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Kollegin Petra Sitte. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. - Ihre Forschungsagenda trägt den Titel "Das Alter hat Zukunft" - da fällt einem ein Stein vom Herzen -; dazu gehört auch Bildung. Sie haben 2001 eine Expertenkommission "Finanzierung Lebenslangen Lernens" eingesetzt. 2004 hat diese Expertenkommission ihren Bericht vorgelegt. Man sollte annehmen, dass es seitdem mit der Finanzierung des lebenslangen Lernens aufwärtsgeht. Wir stellen aber fest, dass der Titel seitdem jedes Jahr im Haushalt gekürzt wurde, für 2012 beispielsweise um 40 Millionen Euro. Wäre es nicht notwendig, wenn Sie mit Ihrer Agenda neu ansetzen, dass man gerade in diesem Bereich wissenschaftliche Begleitforschung finanziert und inhaltlich gestaltet? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Kollegin Dr. Sitte, selbstverständlich spielt das Thema "lebenslanges Lernen" auch weiterhin für die Bundesregierung eine wichtige Rolle. Insofern kann ich Ihrer Bewertung an dieser Stelle keineswegs zustimmen, zumal wir wissen, dass gerade auch die Weiterbildung eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft ist. Dabei ist noch keineswegs alles optimal, aber die Weiterbildung und auch die Unterstützung der Weiterbildung spielen eine große Rolle. Ich nenne beispielhaft die von Bildungsministerin Annette Schavan eingeführte Bildungsprämie, mit der ein sehr niedrigschwelliges, unkompliziertes und unbürokratisches Instrument geschaffen worden ist, durch das Menschen gerade aus sozial und finanziell eher schwachen Verhältnissen, Frauen, aber auch Migranten die Möglichkeit haben, sich weiterzuqualifizieren und dafür eine klare, eindeutige, auf die Hand gelegte finanzielle Unterstützung des Staates bzw. der Bundesrepublik Deutschland bekommen. Ich finde, dies ist ein qualitativer Sprung in der Unterstützung der Qualifizierung von Menschen jüngerer, mittlerer, aber auch älterer Altersgruppen in unserer Gesellschaft. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Damit haben wir diesen Themenbereich abgeschlossen. Jetzt gibt es noch eine Frage zur heutigen Kabinettssitzung, gestellt von Frau Kollegin Dagmar Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Präsident! Die Zukunft des Alters ist sicherlich ein wichtiges Thema für uns alle. Aber das Kabinett hat sich heute offenkundig auch mit dem Rüstungsexportbericht beschäftigt. Wie man hört, verzeichnet dieser Bericht eine dramatische Zunahme der deutschen Rüstungsexporte. Ich frage Sie, welche Gründe die Bundesregierung dafür sieht und welche Konsequenzen sie aus dieser Zunahme zieht. Vizepräsident Eduard Oswald: Für die Bundesregierung, bitte schön, Herr Staatsminister. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Frau Kollegin Dr. Enkelmann, der Rüstungsexportbericht stand nicht auf der Tagesordnung der Kabinettssitzung vom heutigen Tage. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Gibt es darüber hinaus weitere Fragen an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall. So rufe ich den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 17/7901, 17/7922 - Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in dieser Fragestunde gilt die Ein-Minuten-Regelung für Fragen und Antworten. Bei der ersten Antwort werden wir das Signal jedoch jeweils nicht auslösen. Dennoch bitte ich darum, auch bei der ersten Antwort die Minute nicht zu überziehen. Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche Frage auf Drucksache 17/7922 auf: Waren deutsche Kommandostäbe an dem NATO-Angriff auf pakistanische Stellungen in der Nacht zu Samstag, dem 26. November 2011, beteiligt, bzw. hatten Deutsche Kenntnis davon, und welche Auswirkungen haben die Vorkommnisse auf die Sicherheitslage in Deutschland, besonders angesichts der nächsten Afghanistan-Konferenz am 5. Dezember 2011 in Bonn, an der Pakistan seine Teilnahme infrage gestellt hat? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich antworte auf Teil eins der dringlichen Frage der Kollegin Daðdelen, inwieweit deutsche Kommandostäbe an dem NATO-Angriff auf pakistanische Stellungen in der Nacht zum Samstag, dem 26. November 2011, beteiligt waren bzw. ob Deutsche Kenntnis davon hatten. An der Operation vom 26. November 2011 waren weder deutsche Stäbe beteiligt, noch hatten deutsche Soldaten Kenntnis davon. Herr Präsident, Teil zwei der Frage beantworte ich mit dem Hinweis, dass dieser Teil in die Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern fällt. Der Kollege Dr. Schröder wird die Antwort darauf übernehmen. Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt zunächst einmal der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schröder. - Bitte schön. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Auf der Grundlage polizeilicher und nachrichtendienstlicher Erkenntnisse muss auch weiterhin von einer intensivierten Gefährdung durch den internationalen islamistischen Terrorismus ausgegangen werden, die sich jederzeit in Form von Anschlägen bzw. Anschlagsversuchen jeglicher Intensität gegen Ziele sowohl mit geringem als auch mit hohem Symbolwert realisieren kann. Aufgrund ihres Symbolcharakters und der hochrangigen Teilnehmer dürfte die Afghanistan-Konferenz ein solches Anschlagsziel darstellen. Hinweise auf eine konkrete Gefährdung der Veranstaltung liegen den Bundessicherheitsbehörden gleichwohl aktuell nicht vor. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Daðdelen. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich nehme zur Kenntnis, dass die Bundesregierung hier behauptet, keine Kenntnis von einer deutschen Beteiligung an dem völkerrechtswidrigen NATO-Angriff gehabt zu haben. Das klingt, angesichts der deutschen Präsenz in den NATO-Stäben wohlgemerkt, höchst unglaubwürdig. Offensichtlich hat aber Pakistan hierzu andere Informationen und hat seine Teilnahme an der Petersberg-II-Konferenz, bei der es auch um die dauerhafte Stationierung von NATO-Soldaten in Afghanistan bis 2024 und darüber hinaus gehen soll, abgesagt. Die Absage der Teilnahme an dieser Konferenz durch Pakistan, zu der auch etliche Kriegsverbrecher nach Bonn eingeladen worden sind, ist offensichtlich durch den Angriff der NATO auf die Stellungen in Pakistan bedingt. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die Absage Pakistans auch mit diesem NATO-Angriff zu tun hat? Ist der Bundesregierung irgendetwas von pakistanischer Seite bekannt, dass dieser Angriff in Pakistan irgendwie zum Thema gemacht worden ist? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, nicht ohne vorher Ihre diversen rechtsbewertenden Unterstellungen in Ihrer Frage zurückgewiesen zu haben, darf ich Ihnen versichern, dass sich natürlich die gesamte Bundesregierung um Ihre Frage bemühen und Antworten geben wird. Was die Zuständigkeit der Ressorts angeht, ist für die Frage der Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg das Auswärtige Amt federführend. Herr Präsident, ich würde deswegen gerne an Herrn Staatsminister Hoyer zur Beantwortung dieser Zusatzfrage weitergeben. Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön, Herr Kollege Hoyer. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Präsident! Frau Kollegin Daðdelen, es ist in der Tat so, dass wir mit Bedauern Medienberichte zur Kenntnis genommen haben, die zum Inhalt haben, dass Pakistan der Afghanistan-Konferenz fernbleibt. Nach diesem Vorgang hat es eine Sitzung sowohl des Defense Committee of the Cabinet als auch der Regierung selbst gegeben, in der diese Frage wie auch andere Konsequenzen, die Pakistan zunächst einmal gezogen hat, eine Rolle gespielt haben. Allerdings haben wir nach intensiven Bemühungen ausdrücklich keine offizielle Absage der pakistanischen Regierung. Solange wir noch einen Hoffnungsschimmer sehen, dass sich Pakistan beteiligen könnte, werden wir auf allen Ebenen der Bundesregierung und auch mit unseren Partnern daran arbeiten, zu versuchen, die Pakistani davon zu überzeugen, dass es Sinn macht, an dieser Konferenz teilzunehmen, welche wiederum selber auf jeden Fall ihren Sinn nicht dadurch verliert, dass Pakistan möglicherweise nicht kommt. Denn Pakistan hat sich ausgesprochen konstruktiv an dem einen großen Bereich, nämlich der Istanbul-Konferenz, bei der es um die regionale Zusammenarbeit geht, beteiligt und wünscht ausdrücklich - auch in der Kommunikation der Regierung, auf die ich eben Bezug genommen hatte - den Erfolg dieser Konferenz in Bonn. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage. Bitte schön, Frau Kollegin. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Lieber Herr Hoyer, Sie wünschen den Erfolg dieser Konferenz. Die Friedensbewegung und auch die Linke wünschen eigentlich keine Konferenz kolonialistischer Manier, die Tausende Kilometer von Afghanistan entfernt über die Menschen und auch die Zukunft dieses Landes nach zehn Jahren noch einmal entscheidet. Die Bilanz nach zehn Jahren ist katastrophal; das sehen wir. Insoweit werden wir natürlich gegen diese Konferenz demonstrieren. Ich komme zu meiner zweiten Frage - Sie selbst haben es schon angesprochen -: Rupert Neudeck und viele andere sprechen nach der Absage Pakistans - Sie sagen, offiziell gebe es noch keine Absage; in Pakistan selber wird verlautbart, dass es eine Absage gibt - davon, dass es nur noch - ich zitiere - eine "halbe Konferenz" ist, da die Hälfte der Akteure, die wichtig sind, überhaupt nicht anreisen wird. (Signalton) Wie beurteilt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund das Ziel, dauerhaft Soldaten in Afghanistan mithilfe Pakistans zu stationieren, das mit der Konferenz verbunden war, und auf der Konferenz Einigung herzustellen, wenn Pakistan nicht anwesend sein wird? (Signalton) Glauben Sie, dass es vor diesem Hintergrund nicht richtig wäre, von dieser Konferenz abzusehen und sie abzusagen? (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Kennen Sie eigentlich die Bedeutung der Glocke? - Gegenruf der Abg. Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Nicht so vorlaut!) Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Frau Kollegin, ich beziehe mich zunächst einmal auf die wunderschöne Formulierung des Kollegen Schmidt zu Beginn seiner Beantwortung Ihrer ersten Nachfrage und distanziere mich von Ihren bewertenden Bemerkungen bezüglich der Konferenz. Wir halten diese Konferenz für ausgesprochen sinnvoll. Deutschland leistet einen großen Beitrag zur Zukunft Afghanistans, und wir tun das mit großem Engagement und mit großem Stolz. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es ist die größte Veranstaltung dieser Art, die in Deutschland jemals organisiert und geschultert worden ist, und die lassen wir uns nicht zerreden. (Sevim Daðdelen [DIE LINKE]: Tausende Zivilopfer!) Wir würden uns freuen, wenn die Pakistani kämen. Ich sage ausdrücklich, dass ich dem von mir sehr geschätzten Rupert Neudeck widersprechen muss, wenn er von einer "halben Konferenz" spricht. Auch die Beteiligung Pakistans an der langfristigen Problemlösung in Afghanistan ist nach dem, was wir bisher wissen, gewährleistet. Nach dem ausdrücklichen Wunsch, den die Pakistanis uns übermittelt haben, nämlich dass sie dieser Konferenz einen großen Erfolg wünschen, gehe ich davon aus, dass wir weiterhin auf die Zusammenarbeit mit Pakistan setzen können. Vizepräsident Eduard Oswald: Nachfragen? - Jetzt Kollegin Katja Dörner, bitte schön. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte wissen, welche Informationen die Bundesregierung zu welchem Zeitpunkt und von wem über den genannten Vorfall erhalten hat. Ich möchte auch wissen, ob die Bundesregierung die Entschuldigung der USA für angemessen und ausreichend erachtet. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Vielen Dank. - Ich betrachte diese Zusatzfrage als von mir zu beantworten. Die Angaben darüber, wann und woher die Informationen über den Vorfall von offizieller Stelle zu uns gekommen sind, möchte ich schriftlich nachreichen. Es gab natürlich Informationen; die ganze Öffentlichkeit war darüber informiert. Ich will aber sagen, dass die weitere Befassung mit dieser Angelegenheit, bei der 25 Menschen ums Leben gekommen sind, was man nur bedauern kann, nicht in der Verantwortung unseres Landes liegt. Ich denke, dass es richtig ist, dass wir alle unser Bedauern ausdrücken. Dass wir das Ganze - ohne die Hintergründe im Einzelnen recherchieren zu können - im Zusammenhang mit der Einladung an Pakistan, sich an der Afghanistan-Konferenz zu beteiligen, betrachten, wie Kollege Hoyer es dargestellt hat, darin liegt ein Angebot zu einer weiter gehenden Zusammenarbeit. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Frage: unsere Kollegin Frau Dagmar Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Dann kommen wir zum Beitrag der deutschen Regierung. Die pakistanische Regierung hat gefordert, dass der Vorfall im UN-Sicherheitsrat verhandelt wird. Deutschland ist Mitglied des Sicherheitsrats. Wird Deutschland dieses Ansinnen unterstützen, und mit welchen Initiativen wird Deutschland in den Sicherheitsrat gehen? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Im Hinblick auf eine Befassung des Weltsicherheitsrates, gegebenenfalls aufgrund einer Initiative Deutschlands, gibt es noch keine Beschlusslage; deshalb kann ich Ihnen davon nicht berichten. Deutschland hat gegenüber den pakistanischen Kollegen in aller Form deutlich gemacht - jenseits des Bedauerns usw.; das versteht sich von selbst -, dass es darauf drängen wird, im Rahmen der NATO für eine vollständige Aufklärung dieser Angelegenheit zu sorgen; denn wir sind zutiefst betroffen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ich werde Sie beim Wort nehmen!) Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Kollegin Heidrun Bluhm. Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Pakistan hat die USA bereits im Juni 2011 aufgefordert, den Luftwaffenstützpunkt Shamsi zu räumen. Shamsi dient den USA für Starts und Landungen sowie für die Wartung der US-Drohnen. Bisher ist diese Räumung aber offensichtlich nicht vollzogen worden. Mittlerweile wurden die USA ein weiteres Mal aufgefordert, binnen 15 Tagen den Stützpunkt zu räumen. Welche Aktivitäten gibt es seitens der Bundesregierung, über die ISAF-Kommandostäbe dahin gehend Druck auf die USA auszuüben, dass sie die Forderungen Pakistans erfüllen? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Keine. (Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Das ist bedauerlich!) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller Kollege Harald Weinberg. Harald Weinberg (DIE LINKE): Herr Staatsminister, Sie haben gerade ausgeführt, dass die Bundesregierung auf jeden Fall darauf drängt, dass es eine vollständige Aufklärung dieses Vorfalls, des Angriffs auf pakistanische Stellungen, gibt. Was mir nicht ganz klar wurde - Deutschland ist ja Mitglied des UN-Sicherheitsrates -, ist, ob es in irgendeiner Form Initiativen geben soll - das habe ich nicht heraushören können -, die Mitgliedschaft im Sicherheitsrat dazu zu nutzen, diesen Vorfall dort zum Thema zu machen. Können Sie dazu bitte noch einmal ganz klar Stellung nehmen? Danke. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Eine Entscheidung über eine solche theoretisch denkbare Initiative gibt es im Rahmen der Bundesregierung nicht. Vizepräsident Eduard Oswald: Nachfrage, Frau Kollegin Katja Keul. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Herr Staatssekretär Schmidt, nachdem Pakistan die USA aufgefordert hat, einen Luftwaffenstützpunkt zu schließen, und bereits zwei Grenzübergänge zwischen Pakistan und Afghanistan geschlossen worden sind: Wie schätzen Sie das im Hinblick auf die Versorgung der ISAF-Truppen ein, und welche Schritte übernimmt die Bundesregierung, um gegebenenfalls Gefährdungen von Bundeswehrsoldaten auszuschließen? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin Keul, um noch einmal die kurze und knappe Antwort meines Kollegen Hoyer zu interpretieren: Wir verstehen das so, dass das eine bilaterale Angelegenheit zwischen Pakistan und den Vereinigten Staaten von Amerika ist und dass wir das dort auch belassen sollten. Zu Ihrer Frage hinsichtlich der Beeinträchtigung der Nachschubmöglichkeiten für ISAF durch die Sperrung des Khaiberpasses und einer anderen Zufahrt: Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre war dies eine aus der Situation heraus zu erwartende Reaktion der pakistanischen Seite, die sich bisher nach einer gewissen Zeit immer wieder in eine Normalität der Abfertigung von Lkws und Fuhrwerken entwickelt hat. Eine solche Entwicklung erhoffen auch wir. Eine Gefährdung der Versorgungslage ist nicht gegeben. Ich darf außerdem ergänzen, dass zwischenzeitlich ISAF dazu eingeladen hat, gemeinsam mit Repräsentanten von Pakistan und afghanischen Behörden die Untersuchung des Vorfalls vorzunehmen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nachfrage unserer Kollegin Frau Ulla Jelpke. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Danke schön, Herr Präsident. - Mit welchen Auswirkungen auf den Afghanistankrieg rechnen Sie, da der Nachschub über Pakistan organisiert wird bzw. - er wird ja zurzeit boykottiert - organisiert wurde? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, Militär und Ziviles ist immer auf Nachschub angewiesen. Das ist natürlich eine Grunderkenntnis. Wie dieser Nachschub zu organisieren ist und organisiert wird, muss dann anhand der örtlichen Gegebenheiten entschieden werden. Sie haben sicherlich auch zur Kenntnis nehmen können, dass ISAF gerade unter dem Eindruck der einen oder anderen Unsicherheit in Afghanistan erhebliche Fortschritte bei der Diversifizierung der Nachschubmöglichkeiten erzielt hat. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Nachfrage unseres Kollegen Dr. Rolf Mützenich. Bitte schön, Kollege Dr. Rolf Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte kurz nachfragen: Auch wenn noch keine offizielle Absage der pakistanischen Regierung im Hinblick auf die Bonner Konferenz vorliegt, so habe ich doch zur Kenntnis genommen, dass die afghanische Regierung weiterhin großen Wert darauf legt, dass die pakistanische Regierung daran teilnimmt, weil auch für Afghanistan Pakistan offensichtlich ein entscheidendes Land ist. Vielleicht könnte die Bundesregierung hier auch darüber Auskunft geben, dass viele wichtige andere Nachbarländer ihre Bereitschaft signalisiert haben, an dem Gelingen der Konferenz mitzuwirken. Wie bewertet die Bundesregierung diese Aussagen? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Vielen Dank, Herr Kollege Mützenich. - Wir sind ausgesprochen erfreut, dass diese Konferenz in der Nachbarschaft Afghanistans auf eine so große, positive Resonanz stößt. Wir haben schon in Istanbul sehen können, mit welch konstruktivem Geist die Nachbarn Afghanistans sich an diesem Prozess beteiligen möchten. Deswegen sind wir erfreut, dass sie kommen werden. Wir geben Pakistan auch nicht auf. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die Pakistani in ihrer unmittelbaren Reaktion anlässlich der Kabinettssitzung gesagt haben: Pakistan looks forward to the success of this conference, but in view of the developments and prevailing circumstances, it has decided not to participate ... Sie sind selber also stark an dem Erfolg dieses Prozesses interessiert. Wir alle sehen doch die Problemlösung für Afghanistan nur im regionalen Kontext. Deswegen ist es wichtig, dass alle Nachbarn Afghanistans an dieser Konferenz teilnehmen; darunter dann am Ende hoffentlich auch Pakistan. Aber das werden wir sehen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Nachfrage durch unseren Kollegen Andrej Hunko. Andrej Hunko (DIE LINKE): Vielen Dank. - Ich habe eine Frage zum Vorfall selbst. Inwieweit hat die Bundesregierung der NATO bzw. den USA für die Kampfhandlung in dem besagten Zeitraum Satellitenaufklärungskapazitäten überlassen, etwa den GeoInformationsDienst der Bundeswehr mit ihrem hochauflösenden Radarsatelliten SAR-Lupe? Wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, haben Sie gesagt: Deutschland war operativ nicht beteiligt. - Können Sie auch ausschließen, dass hier eine Beteiligung über Satellitenaufklärung stattgefunden hat? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Nachdem ich nicht davon ausgehe, aber darüber, Herr Kollege, keine definitiv positive Kenntnis habe, würde ich Ihnen diese Antwort gerne schriftlich nachreichen. Ich will in dem Zusammenhang darauf hinweisen, dass der Einsatz von Close Air Support, also Luftnahunterstützung, wie das in diesem Fall wohl gewesen ist, nicht auf Ebene der betroffenen Einsatzverbände entschieden wird, sondern zentral auf Ebene COMISAF. Das fällt ausschließlich in die Zuständigkeit des COMISAF, also des Kommandeurs der Streitkräfte insgesamt. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine Nachfrage unseres Kollegen Uwe Kekeritz. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, ich möchte kurz auf die Versorgung und Ihre Aussage, dass das eine rein bilaterale Angelegenheit zwischen Pakistan und den USA sein soll, zurückkommen. Ich stelle mir vor: Die Grenze ist dicht, die Versorgung funktioniert nicht mehr. Kann es tatsächlich sein, dass Sie nie mit den Amerikanern oder anderen Verbündeten darüber gesprochen haben und dass dies wirklich eine bilaterale Angelegenheit ist? Wie funktioniert die Versorgung? Sie sagten, die Diversifizierung habe große Fortschritte gemacht; darunter kann ich mir aber relativ wenig vorstellen. Wie also ist das als bilaterale Angelegenheit zu erklären? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Kekeritz, ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor. Der Begriff "bilateral" bezog sich auf die genannten Intentionen und Diskussionen seitens Pakistans, einen Stützpunkt der Amerikaner in Pakistan zu schließen. Der Nachschub liegt natürlich im Interesse aller Staaten, die an ISAF beteiligt sind. Der Begriff "Diversifizierung" hat sich auch nicht auf die Länder, sondern allein auf die Zufahrts- und Transportwege und die Formen des Transports bezogen. Sie wissen ja, dass wir, gerade was den Norden und den Weg über andere Landesteile angeht, durch Abkommen mit benachbarten Staaten im Norden und Nordwesten Afghanistans und durch andere Transportmöglichkeiten die schiere Abhängigkeit vom Khaiberpass reduziert haben. Das ist das, was ich mit "Diversifizierung" gemeint habe. Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem die dringliche Frage aufgerufen und beantwortet worden ist, (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Von Antwort kann keine Rede sein! - Gegenruf von der CDU/CSU: Ausreichend beantwortet!) rufe ich jetzt die mündlichen Fragen auf Drucksache 17/7901 in der üblichen Reihenfolge auf. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Dr. Werner Hoyer zur Verfügung. Frage 1 des Kollegen Volker Beck wird schriftlich beantwortet. Ich rufe Frage 2 des Kollegen Günter Gloser auf: Was hat die Bundesregierung unternommen und was plant die Bundesregierung weiterhin zu unternehmen, um die russische Regierung zur Unterstützung von weiteren Sanktionen gegen Syrien im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu bewegen? Bitte sehr, Herr Staatsminister. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Präsident! Herr Kollege Gloser, die Bundesregierung nutzt alle Kontakte mit der russischen Regierung, um diese von der Notwendigkeit einer klaren Stellungnahme des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zur Lage in Syrien zu überzeugen. Wir werden vor dem Hintergrund des menschlichen Leids der Zivilbevölkerung auch weiter intensiv um die russische Unterstützung werben und dabei insbesondere auch auf die entschiedene Haltung der Arabischen Liga hinweisen. Insoweit hat sich eine qualitative Veränderung der Situation ergeben, die wir sehr ernst nehmen und sehr begrüßen. Die Arabische Liga hat ihrerseits weitere harte Sanktionen angedroht. Von daher ist, denke ich, ein wichtiges Argument weggefallen, das uns immer vorgetragen worden ist, wenn es darum ging, eine Resolution des Sicherheitsrats zu vermeiden. Bundesminister Westerwelle hat zuletzt am 16. November mit seinem russischen Amtskollegen zum Thema Syrien telefoniert. Bundeskanzlerin Merkel hat - ich war selber dabei - beim Besuch des Präsidenten Medwedew das Thema angesprochen und für eine schnelle Verabschiedung einer Syrien-Resolution des Weltsicherheitsrats geworben. Die Haltung Russlands in den Gremien der Vereinten Nationen hat sich auch etwas verändert. Der dritte Ausschuss der Generalversammlung hat sich in der letzten Woche mit einer Syrien-Resolution befasst. Russland hat sich enthalten und nicht mehr dagegen gestimmt. Ich glaube, hier ist etwas in Bewegung gekommen, das wir sowohl im Hinblick auf Russland als auch im Hinblick auf China nachhaltig unterstützen sollten. Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Gloser, Ihre erste Nachfrage. Günter Gloser (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatsminister, ich darf nachfragen? - Welche Schritte unternimmt die russische Regierung selbst, um die Zustände in Syrien positiv zu verändern? Ist das der Bundesregierung bekannt? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Sicherlich nicht umfassend und im Detail. Die russischen Partner haben in den Gesprächen mit uns zum Ausdruck gebracht, dass sie mit dem, was in Syrien passiert, nicht gerade zufrieden sind. Sie haben nur bisher die Hoffnung gehabt, das Regime Assad von seinem verwerflichen Tun abzubringen. Ich glaube, diese Illusion löst sich langsam auf. Von daher glaube ich, dass wir auch mit unseren russischen Partnern ein konstruktives Gespräch hierüber führen können. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Herr Kollege Gloser. Günter Gloser (SPD): Vielen Dank. - Sie haben schon die verschiedenen Initiativen angesprochen. Auch die Volksrepublik China hat ein sehr starkes Gewicht. Ist der Bundesregierung bekannt, was die Volksrepublik China daran hindert, im Sicherheitsrat weitere Schritte gegenüber Syrien mitzutragen? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die Überlegungen Chinas sind den Überlegungen Russlands ähnlich gewesen. Deswegen begrüße ich, dass China sich, was seine Position angeht, geöffnet hat. Ich will aber nicht zu weit gehen; denn ich sehe die Resolution des UN-Sicherheitsrates leider noch nicht. Bis dahin ist es noch ein hartes Stück Arbeit. Wir sehen, dass sich die Situation dramatisch verschärft. Es ist ein gewaltiger Schritt nach vorne, dass sich die Arabische Liga so klar positioniert und nicht nur redet, sondern auch handelt. Ich glaube, das wird seine Wirkung in Beijing und in Moskau nicht verfehlen. (Günter Gloser [SPD]: Danke!) Vizepräsident Eduard Oswald: Nachfrage unseres Kollegen Dr. Rolf Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Danke, Herr Präsident. Dank auch an den Staatsminister für die Beantwortung. - Ich möchte konkret nachfragen. Offensichtlich werden innerhalb der Europäischen Union Überlegungen über eine weitere Runde bei den Sanktionen angestellt. Es ist berichtet worden, dass in diesem Zusammenhang offensichtlich auch eine Einladung gegenüber der Arabischen Liga ausgesprochen worden ist, was ich insbesondere mit Blick auf die Zusammenarbeit sehr begrüßen würde. Können Sie das bestätigen, und können Sie bereits jetzt mitteilen, in welchem Zusammenhang diese Erörterungen stehen werden? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Vielen Dank. - Der Rat für Auswärtige Angelegenheiten der Europäischen Union wird morgen zusammentreten. Die Bundesregierung hat angeregt, den Generalsekretär der Arabischen Liga zu diesen Beratungen hinzuzubitten. Nach meinem gegenwärtigen Kenntnisstand - das muss ich aber mit Vorbehalt sagen - wird das stattfinden. Wir begrüßen es außerordentlich. Es erhöht unsere Glaubwürdigkeit und wahrscheinlich auch die Effektivität unserer Bemühungen, wenn wir uns mit den Vertretern der Arabischen Liga hier auf das Engste abstimmen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. Die Fragen 3 und 4 der Kollegin Dr. Eva Högl werden schriftlich beantwortet. Ich rufe nun die Frage 5 unseres Kollegen Johannes Pflug auf: Welche konkreten Ergebnisse hat die Afghanistan-Konferenz in Istanbul Anfang November 2011 erbracht, die eine konstruktive Einbindung der Nachbarstaaten Afghanistans in den afghanischen Stabilisierungsprozess begünstigen sollen, und wie werden sich die Ergebnisse der Konferenz, nach Einschätzung der Bundesregierung, auf das zukünftige deutsche Engagement in Afghanistan auswirken? Bitte schön, Herr Staatsminister. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Pflug, zum Teil bin ich schon auf Einzelaspekte des Themas eingegangen, das Sie mit Ihrer Frage angesprochen haben. Die Regionalkonferenz "Security and Cooperation in the Heart of Asia" am 2. November in Istanbul hat einen regionalen Annährungsprozess, den sogenannten Istanbul-Prozess, zwischen Afghanistan und seinen unmittelbaren und weiteren Nachbarn in Gang gesetzt. Ziel ist es, die regionalen Kooperationen bei Sicherheits-, Wirtschafts- und Entwicklungsfragen langfristig zu vertiefen und zu systematisieren. Das Fundament bildet eine Reihe von Prinzipien - unter anderem Gewaltverzicht, territoriale Integrität und Nichteinmischung -, die für die Sicherheit und Stabilität der Region als grundlegend angesehen werden und die für die Staaten der Region verpflichtend werden sollen. Dazu zählt auch die Unterstützung des innerafghanischen Versöhnungsprozesses. Als Grundlage für den nunmehr beginnenden Prozess dient ein Katalog von vertrauensbildenden Maßnahmen. Als weiterer Schritt ist ein Treffen auf Ebene der Außenminister im Juni 2012 in Kabul vereinbart worden. Das wird zuvor auf Arbeitsebene vorbereitet, und es werden voraussichtlich vertrauensbildende Maßnahmen im Bereich Sicherheit beraten. Die Einbettung Afghanistans als selbstständiger und souveräner Partner in der Region ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Afghanistan-Politik und ist für die langfristige Stabilisierung des Landes unverzichtbar. Sie ist natürlich auch integraler Bestandteil unseres Konzeptes für die Afghanistan-Konferenz Anfang der nächsten Woche in Bonn. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Kollege Johannes Pflug. Johannes Pflug (SPD): Herzlichen Dank, Herr Staatsminister. - Sind auf der Konferenz in Istanbul irgendwelche Verifizierungsgespräche, Nachfolgekonferenzen oder Institutionalisierungen von Gesprächsformaten vereinbart worden, die von uns auch im Hinblick auf die in Bonn anstehende Konferenz genutzt werden könnten? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ja und nein. Der Prozess soll eine Fortsetzung in der Konferenz von Kabul finden, die aber erst nach der Bonner Konferenz stattfindet. Es macht Sinn, das, was in Istanbul beschlossen worden ist, in die Bonner Konferenz einfließen zu lassen und dann weitere Schlussfolgerungen zu ziehen. Um es etwas flapsig auszudrücken: Die Istanbul-Konferenz ist keine Eintagsfliege. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage. Johannes Pflug (SPD): Herr Staatsminister, an dieser Konferenz hat Pakistan noch teilgenommen. Wie würden Sie die Rolle Pakistans auf dieser Konferenz charakterisieren? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Unter dem Vorbehalt, dass ich selbst nicht dabei war und ich mich auf die Berichte von Bundesminister Westerwelle, der an dieser Konferenz teilgenommen hat, beziehen muss, will ich sagen: Ich fand die Teilnahme und die Art der Teilnahme Pakistans an dieser Konferenz hoffnungsspendend. Deswegen halten wir ja so an dem Wunsch fest, mit Pakistan weiterhin zusammenzuarbeiten. In der Pakistan-Politik gibt es im globalen Maßstab große Fragezeichen und große Probleme. Pakistan ist ein wichtiges Land in der Region und in der Welt. Es ist auch ein Land, das Probleme hat, die im Nuklearzeitalter für uns alle relevant sind. Deswegen müssen wir uns intensiv darum kümmern und müssen sagen, was geht und was nicht geht. Ich warne vor der Dämonisierung eines solchen Partners, der für die Stabilisierung dieser Region und der Welt von herausragender Bedeutung ist. Deswegen sollten wir uns um einen konstruktiven Umgang bemühen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. Wir kommen zur Frage 6 des Abgeordneten Johannes Pflug: Wie beurteilt die Bundesregierung die bisherigen Ergebnisse der Loya Jirga vom November 2011 mit Blick auf die stagnierenden Gespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Aufständischen, und welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen und geplant, um diesen abgebrochenen Gesprächsprozess wieder in Gang zu bringen? Bitte schön, Herr Staatsminister. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die Bundesregierung begrüßt es, dass die Delegierten der Loya Jirga den Prozess einer politischen Einbindung der Aufständischen ausdrücklich unterstützt haben. Nach der Ermordung des Vorsitzenden des Hohen Friedensrates Burhanuddin Rabbani und der aufgeheizten Stimmungslage in den Folgewochen setzten die Delegierten mit ihrer Resolution ein klares Zeichen der Fortsetzung der Friedenspolitik. Die Bundesregierung teilt die Auffassung der afghanischen Regierung, dass eine Lösung letztlich nur politisch gelingen kann. Zwischen der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft besteht Einigkeit, dass der Versöhnungsprozess unter afghanischer Führung stehen muss. Die Bundesregierung ist auf Wunsch der afghanischen Regierung bereit, diesen Prozess im Rahmen des ihr Möglichen zu unterstützen. So wurde unter deutschem Vorsitz im Sanktionsausschuss der Vereinten Nationen die Trennung in ein Al-Qaida- und ein Afghanistan-Taliban-Sanktionsregime bewirkt. Nach ersten bereits erfolgten Entlistungen - also die Streichung von den Listen, wie man das so schön nennt - im Sommer 2011 werden zurzeit weitere Anträge im Sinne von vertrauensbildenden Maßnahmen zur Unterstützung des politischen Prozesses bearbeitet. Wir sind insofern bei diesem überaus komplexen Thema verhalten optimistisch. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Kollege Pflug. Johannes Pflug (SPD): Danke schön, Herr Staatsminister. - Ein wichtiges Ergebnis dieser Loya Jirga ist wohl die Akzeptanz einer dauerhaften amerikanischen Truppenpräsenz in Afghanistan auch nach dem Jahr 2014. Angesichts des dramatisch verschlechterten Verhältnisses zwischen den USA und Pakistan stellt sich natürlich die Frage, wie die Auswirkungen einer dauerhaften Truppenpräsenz in Afghanistan beurteilt werden. Halten Sie es für denkbar, dass die Deutschen bzw. die Europäer gemeinsam mit den Amerikanern versuchen, ihre Interessen in dieser Region Südasiens zu definieren, um vielleicht doch noch zu einer ansatzweisen Stabilisierung zu kommen? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Es ist völlig klar, dass wir mit unseren amerikanischen Freunden in einem sehr engen Dialog stehen und dass wir die Sensibilitäten im Hinblick auf die verschiedenen Truppensteller in der Region - Afghanistan selber, aber auch Pakistan und andere Länder - kennen. Deswegen ist es logisch, dass sich die NATO mit diesen Fragen befasst und wir direkt mit unseren amerikanischen Freunden kommunizieren. Jetzt aber - unmittelbar vor der Bonn-Konferenz und unmittelbar nach diesem furchtbaren Ereignis, das uns vorhin beschäftigt hat - wäre es falsch, einen Schnellschuss zu machen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre nächste Nachfrage, Herr Kollege Pflug. Johannes Pflug (SPD): Herr Staatsminister, können Sie die Hoffnung bestätigen, dass es auch auf der Seite der Aufständischen Gesprächspartner gibt, mit deren Hilfe man vielleicht doch noch zu positiven Ergebnissen in diesem Verhandlungs- und Friedensprozess kommen kann? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Das ist einer der brisantesten Komplexe, die es hier zu bearbeiten gilt. Ich möchte nicht einer Illusionspolitik geziehen werden. Wenn Sie mich aber so persönlich fragen, würde ich sagen: Bei mir ist ein Funken Hoffnung da. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. Die Frage 7 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele sowie die Fragen 8 und 9 des Abgeordneten Dr. h. c. Gernot Erler werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 10 des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich: Welche gemeinsamen Kriterien legt die Bundesregierung dem Begriff der Gestaltungsmächte zugrunde, und welche Länder zählt sie im Einzelnen dazu? Bitte schön, Herr Staatsminister. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die Bundesregierung erstellt derzeit unter Federführung des Auswärtigen Amts ein ressortabgestimmtes Konzept zur Zusammenarbeit mit aufstrebenden Mächten zur Gestaltung deutscher Globalisierungspolitik. Wir befinden uns in einem intellektuellen Findungsprozess, der von einem Abschluss noch weit entfernt ist. Insofern kann ich Ihnen über Ergebnisse noch keinen Bericht erstatten. Ziel des Konzeptes ist es, das Zeitalter der globalen Interdependenzen mit aufstrebenden Mächten durch eine kohärente Globalisierungspolitik aktiv mitzugestalten. Aber wir befinden uns hier in einer relativ frühen Phase. Da das Thema eine solche Dimension hat, muss ich sagen: Man muss etwas wachsen lassen, und die politische Führung muss sich intensiv damit beschäftigen. Da würde ich nicht gleich jeden Referentenentwurf für bare Münze nehmen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Kollege Dr. Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Ich gehe davon aus, dass die Bundeskanzlerin keine Referentenentwürfe in die Kabinettsberatungen einbringt. Es war aber die Bundeskanzlerin, die im Zusammenhang mit der Diskussion über Panzerlieferungen an Saudi-Arabien sehr konkret von der Gestaltungsmacht Saudi-Arabiens gesprochen hat. Deswegen verwundert es mich jetzt schon, dass Sie auf der einen Seite noch in einem offenen intellektuellen Findungsprozess mit aufstrebenden Mächten zur Gestaltung deutscher Globalisierungspolitik sind und auf der anderen Seite bereits Waffenlieferungen in den Nahen Osten genehmigt haben. Wie passt das zusammen? Wie bewerten Sie, wenn Saudi-Arabien zu den Gestaltungsmächten gehört, mit Blick auf die Waffenlieferungen an dieses Land eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik - die Stiftung arbeitet sowohl der Bundesregierung als auch dem Bundestag zu; die Studie ist im Netz abrufbar -, in der insbesondere steht, dass Saudi-Arabien unruhigen Zeiten entgegengeht? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Das geht weit über den Scope Ihrer ursprünglichen Fragestellung hinaus; aber das ist völlig legitim. - Ich bleibe dabei, dass wir in dem Moment, in dem wir das zu einem in der Regierung abgestimmten Konzept erklären, eine Vorlage präsentieren müssen, die weit über die Definition des Begriffs "neue Gestaltungsmacht" hinausgeht. Ein solches globalisierungspolitisches Konzept gibt es aber noch nicht. Ich wäre da sehr vorsichtig. Deswegen würde ich den Begriff nicht auf einen Kontext reduzieren, der ausgesprochen streitig ist und differenziert zu betrachten ist. Der von Ihnen hergestellte Zusammenhang mit Rüstungsexporten führt von vornherein auf eine falsche Spur. Wenn man ein umfassendes Konzept einer aktiveren Globalisierungspolitik erstellen möchte, dann muss man sich mit dieser Frage umfassender beschäftigen. Ansonsten bleibt es dabei, dass es hier um Staaten geht, die im regionalen oder internationalen Bereich eine besondere Wirtschaftskraft aufweisen, einen starken Gestaltungswillen in verschiedenen Politikbereichen haben und denen eine zentrale Bedeutung bei der Gestaltung globaler Ordnungspolitik zukommt. Das wäre der Versuch einer Definition; aber er reicht nicht aus, um ein globalisierungspolitisches Konzept zu entwickeln. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Kollege Dr. Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatsminister, trotz der großen Sympathie sowohl für Ihre Antwort als auch für Ihre Person muss ich noch einmal nachfragen. Sie sagen, es gebe zurzeit einen Abstimmungsprozess im Hinblick auf die Rolle der Gestaltungsmächte in der deutschen Außenpolitik. Wie lange muss der Bundestag nach Ihrer Einschätzung auf die abschließende Bewertung der Rolle der Gestaltungsmächte in der internationalen Politik durch die Bundesregierung warten? Wird eine solche Bewertung bis zum Ende der Legislaturperiode, egal wie lange sie dauert, vorliegen? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Da kann ich Sie beruhigen: Unsere Fachleute sind bei der Behandlung dieser Frage sehr ambitioniert und möchten bald etwas beschlossen sehen. Ich halte die Frage aber für so brisant, dass wir in der politischen Führung sehr genau darüber diskutieren müssen und dass wir unsere, wie ich finde, immer sehr anregenden Begegnungen im Auswärtigen Ausschuss dazu nutzen sollten, einen intellektuellen Diskurs darüber zu führen und dann hoffentlich gemeinsam etwas zustande bringen. Denn das ist die Frage, mit der wir uns in den nächsten Jahren prioritär befassen werden: Wie werden wir die Selbstbehauptung Deutschlands im europäischen Kontext und in der Globalisierung organisieren? Dies ist eine ganz entscheidende Frage. Vizepräsident Eduard Oswald: Wir kommen zur Frage 11 unseres Kollegen Dr. Rolf Mützenich: Warum beurteilt die Bundesregierung die Umbrüche in Nordafrika als "Gefahr für die Sicherheit" (siehe die Stellungnahme der Bundesregierung zum Grünbuch der EU-Kommission zum EU-Ausfuhrkontrollsystem von Dual-Use-Gütern), anstatt die ihnen innewohnenden politischen Chancen dieser gesellschaftspolitischen Entwicklungen für die Nachbarregion Europas aktiv politisch zu nutzen? Bitte schön, Herr Staatsminister. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Hier ist, glaube ich, ein begriffliches Problem entstanden, und zwar dadurch, dass der negativ konnotierte Ausdruck "Gefahr für die Sicherheit" in Zusammenhang mit den Entwicklungen in Nordafrika verwendet worden ist. Es ist natürlich völlig klar, dass die Bundesregierung den Entwicklungen der vergangenen Monate in nordafrikanischen Ländern in Richtung Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit, politischer Teilhabe und Menschenwürde mit großer Sympathie begegnet und sie begrüßt. Die Bundesregierung sieht diese Entwicklungen zunächst einmal als eine große Chance für diese Länder selber, aber eben auch als eine Chance für die Vertiefung der bilateralen und der interregionalen Zusammenarbeit, insbesondere der Zusammenarbeit Nordafrikas mit der Europäischen Union. Die Bundesregierung unterstützt diese Entwicklungen durch konkrete Vorhaben in der Zusammenarbeit, wie sie in den Transformationspartnerschaften, zunächst mit Ländern wie Tunesien und Ägypten, zum Ausdruck kommen. Auch in der Europäischen Union setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass durch eine Neuausrichtung der europäischen Nachbarschaftspolitik insbesondere die reformorientierten Staaten Nordafrikas unterstützt werden und wir somit die Chancen dieser Entwicklungen fördern. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege Dr. Mützenich. Bitte schön. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Herr Staatsminister, ich bin dankbar, dass wir uns darauf verständigen können, dass es ein gewisses - wie Sie es formuliert haben - begriffliches Problem gibt, was die Stellungnahme der Bundesregierung an die Europäischen Kommission betrifft. In der Tat bergen solche Umbruchsituationen auf der einen Seite Risiken, aber sie bieten auf der anderen Seite durchaus auch Chancen für Europa. Das haben Sie eben ausgeführt. Kann es dennoch sein, dass nicht ein begriffliches Problem besteht - diese Stellungnahme wurde unter Federführung des Wirtschaftsministeriums erarbeitet -, sondern dass damit die Begründung für eine Lieferung sowohl von Dual-Use-Gütern als auch möglicherweise von Rüstungsgütern erleichtert wurde? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ich will das nicht auf die Federführung des Wirtschaftsministeriums reduziert wissen. Das ist ein umfassenderes Problem; denn die Entwicklungen in den einzelnen Ländern Nordafrikas sind sehr unterschiedlich. Risiken durch die Umleitung von problematischen Gütern an Dritte sind angesichts teilweise längst noch nicht hinreichend ausgeprägter staatlicher - auch rechtsstaatlich kontrollierter - Strukturen nicht ganz auszuschließen. Deswegen müssen wir uns offenen Auges mit diesem Problem befassen. Auf die möglichen Risiken und Gefahren besonders vor dem Hintergrund der Ausfuhrkontrolle weist die Formulierung der Bundesregierung in der Stellungnahme zum Grünbuch der EU-Kommission hin, ohne einen falschen Verdacht produzieren zu wollen; das wäre sicherlich unangemessen. Nehmen Sie als Beispiel die Risiken im Verhältnis zu anderen fragilen Sahel-Staaten, in denen al-Qaida im islamischen Maghreb seine Aktivitäten ausdehnt. Neulich wurde uns über massive Zuflüsse von Waffen aus libyschen Beständen an al-Qaida in der Region berichtet. Das ist ein Problem, das man nicht einfach wegdiskutieren kann. Ich möchte aber um Himmels willen nicht die demokratischen, rechtsstaatlichen Kräfte, die sich in Nordafrika auf einen großartigen Reformweg begeben, unter Generalverdacht stellen. Das wäre völlig unangemessen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Kollege Dr. Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Danke schön, Herr Präsident. - Herr Staatsminister, da wir von Ihnen gerade gehört haben, dass es sich um ein begriffliches Problem bzw. um eine unzutreffende Zuschreibung handelt, gehe ich davon aus, dass die Bundesregierung in Zukunft vorsichtiger bei der Verwendung solcher Formulierungen sein wird. Ich hoffe, dass das Auswärtige Amt seinen Beitrag dazu leisten wird. Unabhängig davon: Sind Sie mit mir der Meinung, dass - wie es auch in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Grünbuch der Europäischen Kommission heißt - eine Harmonisierung bei EU-Ausfuhren von Dual-Use-Gütern oder Rüstungsgütern nicht mehr beabsichtigt ist? Gibt es in der Bundesregierung einen Paradigmenwechsel, was die Harmonisierung bei der Ausfuhr solcher Güter innerhalb der Europäischen Union betrifft? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Dieser Zusammenhang geht mir jetzt zu weit. Das wäre eine Frage der grundsätzlichen Orientierung, der Neuorientierung der Rüstungsexportpolitik bzw. der Dual-Use-Exportpolitik. Das lässt sich anhand dieses einen Beispiels nicht beantworten. Das wäre leichtfertig. Vizepräsident Eduard Oswald: Nachdem der Kollege Dr. Mützenich seine zwei Nachfragen gestellt hat, hat jetzt Frau Kollegin Katja Keul das Wort. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Nachdem Sie uns erklärt haben, dass die Formulierung "Gefahr für die Sicherheit" eine begriffliche Verwirrung ist, möchte ich Sie fragen, ob Ihnen klar ist, dass nicht nur im Wirtschaftsministerium, sondern auch im Verteidigungsministerium offensichtlich solche Verwirrungen herrschen. Wir haben in der Debatte über eine Verlängerung des Militäreinsatzes Operation Active Endeavour im Mittelmeer das seltsam anmutende Argument gehört, dass es zwar schwierig sei, diesen Einsatz angesichts seiner bisherigen Legitimation zu rechtfertigen, dass aber durch die Umbrüche in Nordafrika jetzt alles so gefährlich sei, dass man die Begründung dieses Militäreinsatz darauf stützen könne. Das scheint mir doch über eine begriffliche Verwirrung hinauszugehen. Wie stehen Sie zu dieser Einschätzung des Verteidigungsministeriums? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ich glaube, wir sprechen hier ein Stück weit unterschiedliche Sprachen. Ich habe gesagt: Dieser Begriff ist problematisch, wenn er mit den gegenwärtigen Reformprozessen in Nordafrika in Zusammenhang gebracht wird. Diese Reformprozesse sind großartig. Sie verdienen unsere Unterstützung, nicht unsere Verdächtigungen. Trotzdem haben wir objektiv betrachtet Probleme mit dem Nachweis des Verbleibs von bestimmten Gütern. Deswegen müssen wir der Sache genau auf den Grund gehen. Wenn Probleme im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit und die Belastbarkeit staatlicher Institutionen bestehen, auch im Kontrollbereich - auf der Konferenz der Körber-Stiftung, die gestern in Berlin stattfand, haben die Menschen aus der Region das nachhaltig unterstrichen -, dann müssen wir diese ernst nehmen, auch mit Blick auf die Gefahren, die aus den Exportaktivitäten resultieren können. Das ist überhaupt keine diskriminierende Äußerung gegenüber den Ländern in der Region. Man muss bei der Formulierung aufpassen. Dass das Wirtschaftsministerium, welches diese Vorlage, wie ich glaube, gemacht hat, darauf hinweist, dass es ein Problem gibt, finde ich vollkommen realistisch. Ich glaube, Sie würden uns als Erste vorwerfen, nicht hinreichend aufgepasst zu haben, wenn ein Rüstungsgut in einem Land auftauchen würde, in das es nicht gehört. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. Wir bleiben in diesem Geschäftsbereich. Ich rufe die Frage 12, gestellt von unserem Kollegen Niema Movassat, auf: Was hat der deutsche Botschafter in Namibia, Egon Kochanke, am 16. November 2011 in Windhuk gemeint, als er anlässlich der Unterzeichnung der bilateralen Vereinbarungen der Entwicklungszusammenarbeit gegenüber der Presse Bezug auf die namibische Delegation in Berlin anlässlich der Rückführung von Gebeinen von Opfern des deutschen Vernichtungsfeldzugs nach Namibia nahm und davon sprach, dass diese "aufgrund ihrer versteckten Agenda" einen "negativen Eindruck" hinterlassen habe (vergleiche The Namibian, 17. November 2011, www.namibian.com.na/index.php?id= 28&tx_ttnews[tt_news]=90164&no_cache=1)? Herr Staatsminister, bitte. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Republik Namibia hat gegenüber der namibischen Presse anlässlich der Unterzeichnung eines Abkommens über die Entwicklungszusammenarbeit zwischen Deutschland und Namibia seine Hoffnung ausgedrückt, dass die bilateralen Beziehungen davon bestimmt sein mögen, zukunftsgerichtet die Entwicklungschancen Namibias zu erkennen und zu fördern, ohne - das möchte ich betonen - die historischen Belastungen aus der gemeinsamen Geschichte zu vernachlässigen. Botschafter Kochanke verwies mit seiner Äußerung darüber hinaus auf den Umstand, dass die namibische Delegation, die zur Entgegennahme von Schädeln von Herero und Nama nach Berlin gereist war, wenn auch nur teilweise, Wiedergutmachungsforderungen erhoben hatte. Der Bundesregierung wurde im Vorfeld des Delegationsbesuchs von der namibischen Regierung wiederholt versichert, dass alleiniger Besuchszweck die Rückführung der Schädel sein sollte. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege. Niema Movassat (DIE LINKE): Danke schön. - Herr Staatsminister, es geht letztlich um die Äußerung des deutschen Botschafters in Namibia, dass die namibische Delegation "aufgrund ihrer versteckten Agenda" einen "negativen Eindruck" hinterlassen habe. Das ist mit Blick auf die diplomatischen Beziehungen eine sehr drastische Äußerung. Insofern stellt sich sehr konkret die Frage - das ist meine Nachfrage -: Welche konkreten Absprachen gab es, die die namibische Delegation angeblich nicht eingehalten hat? Welche Absprachen gab es zwischen dem Auswärtigen Amt, der Botschaft der Republik Namibia und der Charité? Welche davon soll die namibische Delegation verletzt haben, weil sie eine "versteckte Agenda" verfolgt hat? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die namibische Delegation bzw. die namibische Regierung hatte vorher klargestellt - das war Konsens mit der deutschen Regierung -, dass die Frage der möglichen Wiedergutmachungsleistungen nicht Gegenstand dieses Besuchs sein würden. Ich bin sehr vorsichtig damit, den namibischen Partnern hier Vorwürfe zu machen; denn sie sind von Organisationen in Deutschland geradezu aufgestachelt worden. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Genau so ist das gewesen!) Diese Organisationen haben diesen Besuch genutzt, um richtig zuzulangen und um zu erzwingen, dass dieses Thema auf die Tagesordnung kommt. Ich glaube fast, es wäre von den namibischen Partnern zu viel verlangt, wenn man verlangen würde, darauf überhaupt nicht einzugehen. Deswegen sollten wir uns einmal selbst fragen, ob dieser Besuch nicht möglicherweise doch in unangemessener Weise in eine falsche Richtung gelenkt worden ist, nicht von den Namibiern, sondern von denen, die hier als Kogastgeber aufgetreten sind. Im Übrigen waren die Absprachen mit der Bundesregierung in diesem Zusammenhang ausgesprochen schwierig. Der Termin ist mehrfach verschoben bzw. abgesagt worden. Auch die Delegationszusammensetzung ist immer wieder verändert worden. Zum Schluss wurden der Termin und der Ablauf der Veranstaltung von der namibischen Seite einseitig festgelegt. Dennoch hat sich die Bundesregierung eingebracht, auch durch die persönliche Teilnahme und den Redebeitrag der Kollegin Staatsministerin Pieper. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Herr Kollege. Niema Movassat (DIE LINKE): Danke. - Herr Staatsminister, wenn Sie die Kritik nicht an der namibischen Delegation festmachen, sondern an der deutschen Zivilgesellschaft, die in diesem Bereich aktiv ist, dann frage ich mich - das frage ich Sie -: Warum hat die Bundesregierung nicht zumindest die Chance zum Dialog genutzt? Es gab eine konkrete Einladung zu einer Podiumsdiskussion am 28. September 2011. Dort hätte man in einen offenen, transparenten Dialog mit der namibischen Delegation eintreten können. Man hätte auch über die Fragen "Völkermord" und "Wiedergutmachung" in einer transparenten Art und Weise reden und seine Position deutlich machen können. Das wurde versäumt. Warum? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: So laufen internationale Verhandlungen und Gespräche über so komplexe Angelegenheiten nicht. Man begibt sich nicht auf eine Initiativveranstaltung, um dort mit den ausländischen Partnern Verhandlungen zu führen; so läuft das nicht. Vielmehr verabredet man vorher, welche Themen bei einer solchen Reise behandelt werden sollen, welche Abläufe es geben soll und in welchen Formaten diskutiert werden soll. Das wird dann abgearbeitet. Wie gesagt: Den Vorwurf richte ich nicht in erster Linie an die namibischen Freunde, sondern wir müssen selbstkritisch fragen, ob das alles in Deutschland gut gelaufen ist. Wir können eine solche Veranstaltung nicht in einer solch chaotischen Weise durchführen. Es wäre besser gewesen, wenn es über Zeit, Ablauf und Zusammensetzung dieser Besuchsreise eine präzise Absprache mit der Bundesregierung gegeben hätte. Das ist leider nicht der Fall gewesen. Da wir es in der Tat mit einem ganz komplexen und belastenden historischen Thema zu tun haben, sollten wir aufpassen, dass dies in der Zukunft nicht zu weiteren Belastungen des namibisch-deutschen Verhältnisses führt. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Wir kommen nun zu Frage 13, ebenfalls gestellt vom Kollegen Niema Movassat: Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sie dem wiederholt und mit Nachdruck vorgetragenen Bekenntnis zum schweren historischen Erbe, zu der daraus resultierenden moralischen und historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia und der Sonderbeziehung zwischen den beiden Staaten gerecht wird, wie es die Staatsministerin Cornelia Pieper am 30. September 2011 in ihrer Rede in der Berliner Charité betonte, wenn der deutsche Botschafter in Namibia das durch die skandalöse Abfertigung der namibischen Delegation durch die Bundesregierung ohnehin strapazierte Verhältnis zu Namibia durch derartige Aussagen zusätzlich belastet? Bitte schön, Herr Staatsminister. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Wir sind nicht der Auffassung, dass Botschafter Kochanke, der durchaus zu handfesten Äußerungen in der Lage ist und diese auch immer gut begründen kann, die namibische Delegation in irgendeiner Weise beleidigt oder das Verhältnis zu Namibia belastet hätte; das sehe ich nicht. Im Übrigen weise ich auch deutlich den Vorwurf zurück - dies wird in Ihrer Frage insinuiert -, dass die namibische Delegation skandalös abgefertigt worden wäre. Das sind Bewertungen, die ich mir ganz gewiss nicht zu eigen mache. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Kollege. Niema Movassat (DIE LINKE): Danke. - Herr Staatsminister, bei der Beantwortung der Frage einer unangemessenen Abfertigung der namibischen Delegation ist natürlich ein ganz entscheidender Punkt, wie bei der Übergabe der Schädel mit der Delegation umgegangen worden ist. Bei dieser Veranstaltung hat Frau Staatsministerin Pieper nicht die Rede des namibischen Ministers abgewartet, sondern ist nach ihrer Rede sofort gegangen, was, soweit ich weiß, auch unter diplomatischen Gesichtspunkten äußerst problematisch ist; man sollte sich zumindest die Rede des Gastes anhören. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ich muss Ihnen sagen, dass diese Veranstaltung - der Vorwurf wird in diesem Zusammenhang manchmal geäußert - nicht in der Zuständigkeit des Bundes lag, sondern dass es sich um eine Veranstaltung der Charité handelte. Frau Kollegin Pieper ist während der exzellenten Rede, die sie bei dieser Gelegenheit gehalten hat, auf unglaubliche Weise gestört worden, und ihr ist das Wort abgeschnitten worden. Daher hielten es die Sicherheitskräfte der Charité für richtig, sie anschließend aus dieser Veranstaltung herauszubringen. Ich mache da - das sage ich erneut - den namibischen Kollegen keinen Vorwurf, sondern weise darauf hin: Deutsche Teilnehmer dieser Veranstaltung haben dafür gesorgt, dass die Vertreterin der Bundesregierung nicht richtig zu Wort kommen konnte. Bevor wir hier ein internationales Problem produzieren, sollten wir uns an die eigene Nase fassen und darüber nachdenken, dass diese sehr kritische Situation unter Umständen missbraucht wurde, um billiges innenpolitisches Kapital daraus zu schlagen. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben Ihre zweite Nachfrage, Herr Kollege. Niema Movassat (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. - Herr Staatsminister, es ist aber auch so - das muss man zur Kenntnis nehmen -, dass in der namibischen Presse und in der namibischen Gesellschaft das Vorgehen der Bundesregierung kritisiert worden ist. Es gibt den Vorwurf, dass die Äußerungen des Botschafters dazu geeignet sind, die innere Stabilität und den nationalen Versöhnungsprozess in Namibia zwischen den schwarzen Volksgruppen und den Nachfahren der weißen Siedler aus der Kolonialzeit zu gefährden. Wie stehen Sie zu diesem Vorwurf? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ich halte davon nichts. Ich glaube, dass wir uns hier einen Schuh anziehen, der nicht passt. Richtig ist, dass die politische Situation in Namibia kompliziert ist und dass es innerhalb der politischen Kräfte in Namibia in der Frage der Wiedergutmachung und der Frage der Rückführung der Schädel sehr unterschiedliche Positionen gibt. Das hat ja auch die Vorbereitung dieser Übergabe so kompliziert gemacht. Deswegen sind immer wieder Termine abgesagt worden, neu angesetzt worden, und zum Schluss ist diese Angelegenheit, wie ich finde, auf eine unglückliche Art und Weise abgewickelt worden. Das hat die ganze Angelegenheit nicht erleichtert. Aber wir sollten uns nicht einreden, Deutschland, das sich ernsthaft bemüht, mit einer historischen Belastung angemessen umzugehen, würde die Schuld auf sich laden, wenn es darum geht, dass der innenpolitische Prozess in Namibia schwierig ist. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Eine weitere Frage hierzu stellt unser Kollege Hartwig Fischer. Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Herr Präsident! Herr Staatsminister, ist es nicht vielmehr so, dass dieses Thema in den vergangenen Jahren bei Besuchen aller Delegationen angesprochen wurde, dass es mit der Regierung in Namibia Einigkeit in Bezug auf die Auseinandersetzung - ich meine das im positiven Sinne - mit den Herero gegeben hat und dass mit der Rede und der Entschuldigung von Frau Wieczorek-Zeul in Namibia ein Grundkonsens auch mit den damals anwesenden Herero geschaffen wurde? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: In der Tat, Herr Kollege Fischer: Das Problem ist damals in einer würdigen Form erledigt worden. Das heißt nicht, dass wir uns unserer historischen Belastung nicht immer bewusst sein werden und dies auch gegenüber den namibischen Freunden zum Ausdruck bringen sollten. Aber das Thema Wiedergutmachung war damit durch. Man muss schon feststellen, dass es ständig von Kräften innerhalb der Bundesrepublik Deutschland neu aufgemischt wird. Das ist nicht hilfreich für den weiteren Prozess in Namibia selber, und es ist mit Sicherheit nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Danke!) Vizepräsident Eduard Oswald: Die Frage 14 der Kollegin Kotting-Uhl wird schriftlich beantwortet. Die Frage 15 der Kollegin Daðdelen wurde zurückgezogen. Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder zur Verfügung. Ich rufe Frage 16 der Kollegin Daðdelen auf: Wieso sieht die Bundesregierung keinen Anlass, sich mit der niederländischen Regierung über die Frage der Anwendung und Auslegung des Verschlechterungsverbots des EWG-Türkei-Assoziationsrechts auszutauschen (vergleiche Plenarprotokoll 17/138, Seite 16445), obwohl diese ganz im Gegensatz zur Bundesregierung das für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen gültige Assoziationsrecht so auslegt, dass von türkischen Staatsangehörigen zum Beispiel keine Sprachnachweise im Ausland als Voraussetzung für den Ehegattennachzug verlangt werden dürfen, und inwieweit hält die Bundesregierung einen Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2010 noch für tragfähig, nachdem dieses vom Gericht selbst in einer anderen europarechtlichen Frage als überholt bezeichnet wurde (Beschluss 1 V 9.10) und nach diesem Urteil weitere maßgebliche Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs ergangen sind, die damals noch nicht berücksichtigt werden konnten? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 30. März 2010 die Rechtsauffassung der Bundesregierung bestätigt, dass die Regelungen zum Sprachnachweiserfordernis mit europäischem Recht, insbesondere mit Art. 7 Abs. 2 der Familienzusammenführungsrichtlinie und dem Assoziationsrecht EU-Türkei, vereinbar sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem von der Fragestellerin zitierten Kostenbeschluss vom 28. Oktober 2011 im Verfahren lediglich darauf hingewiesen, dass die Europäische Kommission im Mai 2011 in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof eine veränderte Rechtsauffassung vertreten hat. Entgegen der Darstellung der Fragestellerin hat sich das Bundesverwaltungsgericht dabei weder auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs berufen, noch kann man dem Kostenbeschluss entnehmen, dass das Bundesverwaltungsgericht von seiner Auffassung, wonach das deutsche Sprachnachweiserfordernis mit Grundgesetz und europäischem Recht vereinbar ist, abweichen wollte. Die Bundesregierung hält ebenfalls an dieser Rechtsauffassung fest. Unbeschadet der Tatsache, dass die Europäische Kommission in der Frage der Vereinbarkeit der Sprachnachweisregelung mit der Familienzusammenführungsrichtlinie eine andere Rechtsauffassung als die Bundesregierung vertritt, bleibt der EuGH zur abschließenden Auslegung des Gemeinschaftsrechts berufen. Der EuGH hat sich zu dieser Rechtsfrage noch nicht geäußert. Vor diesem Hintergrund besteht aus Sicht der Bundesregierung kein Anlass für Gespräche mit der niederländischen Regierung über die Vereinbarkeit nationaler Sprachnachweisregelungen mit dem europäischen Recht. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Daðdelen. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, man kann es sich natürlich einfach machen, indem man nur das wiederholt, was man bis vor kurzem auch immer behauptet hat: dass das Gericht in seiner Entscheidung vom März 2010 nicht von seiner Auffassung abgerückt ist. Fast alle Expertinnen und Experten in der Fachwelt sagen aber genau das Gegenteil von dem, was Sie hier behaupten. Natürlich ist mir die Rechtsauffassung der Bundesregierung aufgrund der Antworten auf die vielen Kleinen Anfragen, die wir in dieser Sache gestellt haben, seit längerem bekannt. Eines verstehe ich aber nicht: Das Assoziationsabkommen gilt doch für alle EU-Mitgliedstaaten gleichermaßen und mit gleichem Inhalt. Wenn man nun sieht, dass die Niederlande, die, wenn ich das so sagen darf, nicht unbedingt eine migrantenfreundliche Regierung haben - schließlich wird sie vom Rechtspopulisten Wilders gestützt -, zu dem Schluss gekommen sind, dass Gesetzesverschärfungen durch die Einführung von Regelungen bezüglich der Sprachanforderungen mit dem Verschlechterungsverbot des Assoziationsrechts unvereinbar sind, dann darf das der Bundesregierung nicht egal sein. Irgendein Land - entweder Deutschland oder die Niederlande - muss ja bei der Umsetzung dieses Assoziationsrechts im Unrecht sein. Insofern möchte ich gerne wissen: Warum wird seitens der Bundesregierung nicht der Versuch unternommen, sich hier auszutauschen, um eine EU-einheitliche Umsetzung des Assoziationsrechts zu erreichen, bzw. sich wenigstens über die unterschiedlichen Anwendungspraxen und juristischen Argumente auszutauschen? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Für uns ist nicht entscheidend, was ein niederländisches Gericht gesagt hat, sondern für uns ist erstens entscheidend, welche Gesetze der Deutsche Bundestag gemacht hat. Die Rechtslage in Deutschland ist so, dass ein Sprachnachweis erforderlich ist. Das halten wir als Bundesregierung auch für richtig und notwendig, weil das eine wichtige Maßnahme für eine bessere Integration ist. Für die Bundesregierung ist zweitens maßgeblich, was deutsche Gerichte sagen. Das Bundesverwaltungsgericht hat ein entsprechendes Urteil gesprochen, und eine Verfassungsbeschwerde wurde nicht angenommen. Das ist für uns entscheidend. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, Sie irren schon, wenn Sie von einem niederländischen Gericht ausgehen. Es ging nicht um ein niederländisches Gericht, sondern es ging um den EuGH, der einen Einzelfall aus den Niederlanden betrachtet hat und kurz vor der Entscheidung stand. Daraufhin haben die Niederlande die Regelung zurückgezogen und ein Visum erteilt, ohne die Sprachkenntnisse verpflichtend zu machen und festzustellen. Die Regierung hat also sozusagen unter Vorwegnahme eines Entscheides des EuGH gehandelt, weil sie wusste, dass das, was in den Niederlanden geschehen und in Deutschland heute noch immer gültig ist, einfach Unrecht und mit dem Assoziationsrecht unvereinbar ist. Ich frage mich, warum Sie noch immer mit diesem Verweis auf das Bundesverwaltungsgericht agieren, obwohl es von seiner Meinung vom März 2010 ziemlich abgerückt ist, dass diese Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug mit dem EU-Recht vereinbar sind. Da das Bundesverwaltungsgericht von seiner Entscheidung vom März 2010 abgerückt ist, kann sich die Bundesregierung heute doch nicht hier hinstellen und weiterhin genau auf dieses Urteil verweisen. Deshalb noch einmal meine Frage - es geht nicht um die politische Entscheidung -: Inwiefern überprüft die Bundesregierung überhaupt die Einheitlichkeit und die Vereinbarkeit mit dem Assoziationsrecht und dem Verschlechterungsverbot? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das niederländische Zentrale Berufungsgericht hat mit Urteil vom 16. August 2011 entschieden, dass es mit dem Assoziationsrecht EU - Türkei nicht vereinbar ist, von türkischen Staatsangehörigen in den Niederlanden einen Integrationstest zu verlangen. Die niederländische Regierung hat dieses Urteil dann so interpretiert, dass von türkischen Staatsangehörigen auch kein Sprachtest vor dem Ehegattennachzug verlangt werden kann, und die Rechtsanwendung entsprechend angepasst. Der EuGH hat bislang keine Entscheidung zur Vereinbarkeit von Sprachnachweiserfordernissen mit europäischem Recht gefällt. Darauf möchte ich noch einmal hinweisen. Letztendlich ist das auch eine politische Frage. Solange es rechtlich möglich ist, einen solchen Sprachnachweis zu verlangen, werden wir das auch tun, weil wir der Meinung sind, dass es für diejenigen, die nach Deutschland kommen, um sich hier zu integrieren, von großem Vorteil ist, wenn sie wenigstens ein paar Worte Deutsch sprechen können. Das ist eine wichtige vorgelagerte Integrationsmaßnahme. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Die Frage 17 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele und die Frage 18 des Abgeordneten Andrej Hunko werden schriftlich beantwortet. Ich rufe Frage 19 der Kollegin Stüber auf: Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass kommunale Feuerwehren im Zuständigkeitsgebiet von Bundesautobahnen auch in Zukunft Spezialeinsätze in Unfall- und Katastrophenfällen auf Bundesautobahnen sicherstellen können? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich beantworte die Frage wie folgt: Das kommunale Feuerwehrwesen sowie die Organisation des Rettungsdienstes sind ausschließlich Sache der Länder. Den Ländern und Kommunen obliegt die Sicherstellung einer einsatzfähigen Feuerwehr. Der Bund hat diesbezüglich keine Zuständigkeit. Aber ich möchte hinzufügen, dass wir als Bundesregierung natürlich alles dafür tun, damit die Kommunen handlungsfähig sind. Deswegen haben wir sie mit der Übernahme von großen Teilen der Sozialkosten entlastet, nämlich der Grundsicherung. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin. Sabine Stüber (DIE LINKE): Danke schön, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, meiner Kenntnis nach ist die Verantwortung für Rettungsdienste erst Ende der 90er-Jahre an die Länder übertragen worden. Meine Frage ist jetzt: Wenn sich eine Kommune oder ein Land außerstande sieht, für die Anschaffung von Spezialtechnik aufzukommen, gibt es dann Möglichkeiten, dass der Bund dafür Mittel zur Verfügung stellt? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Was wir machen, ist, die Länder im Bereich des Katastrophenschutzes zu unterstützen. Mit der Neukonzeption aus dem Jahr 2008 hat man sich darauf verständigt, dass der Bund insgesamt 5 046 Einsatzfahrzeuge zur Verfügung stellt. Von denen haben wir bisher 3 651 ausgeliefert. Daran sehen Sie schon, dass der Bund seiner Verantwortung gerecht wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage. Sabine Stüber (DIE LINKE): Ich darf noch einmal nachfragen. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie der Meinung sind, dass der Bund seiner Verantwortung gerecht wird? Korrekt? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich fasse zusammen, dass das kommunale Feuerwehrwesen sowie die Organisation des Rettungsdienstes ausschließlich Sache der Länder sind. Nichtsdestotrotz unterstützen wir. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es geht um den Einsatz auf Bundesautobahnen! Da reicht das wahrscheinlich nicht!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Wir kommen nun zu Frage 20 der Kollegin Jelpke: Wie viele V-Leute sind vom Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV, durchschnittlich in den letzten fünf Jahren in der extrem rechten Szene geführt worden (bitte pro Jahr angeben)? Ursprünglich war hier schriftliche Beantwortung erbeten worden. Jetzt aber ist die Fragestellerin anwesend. Ist die Bundesregierung sprechbereit? (Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär: Immer!) - "Immer" wird mir signalisiert. - Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Wir sind davon ausgegangen, dass diese Frage schriftlich beantwortet wird. Deshalb mussten mir erst die Unterlagen gereicht werden. - Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Antwort auf die Frage ließe Rückschlüsse auf den operativen Kernbereich der Nachrichtendienste zu. Die Bundesregierung äußert sich zu solchen Fragen ausschließlich im dafür zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre Nachfrage. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. - Das ist sehr bedauerlich, zumal im Rahmen des Verbotsverfahren bekannt geworden ist, dass mindestens 30 V-Leute in der Führung der NPD tätig gewesen sind. Ich frage Sie: Stimmen denn die Nachrichten in den Medien, dass gegenwärtig mehr V-Leute in den Nazi-Strukturen und in der NPD tätig sind als vor dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich kann nur noch einmal sagen, dass wir dazu in der Öffentlichkeit keine Auskünfte geben, sondern dass dafür das Parlamentarische Kontrollgremium da ist. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Jelpke. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Herr Staatsekretär, sind Sie nicht angesichts der Sicherheitslage vor dem Hintergrund der skandalösen Nazi-Anschläge der Meinung, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf hat, zu erfahren, nicht wie die Sicherheitsbehörden arbeiten, sondern wie viele V-Leute dort im Einsatz sind? (Dr. Peter Röhlinger [FDP]: Natürlich nicht!) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Zahl selbst gibt überhaupt keine Auskunft darüber, inwieweit die Sicherheitsbehörden involviert sind. Ich möchte noch einmal betonen, dass es sich bei V-Leuten nicht um verdeckte Ermittler handelt, sondern um Leute aus der Szene, die Informationen liefern. Das sind wichtige nachrichtendienstliche Quellen der Verfassungsschutzbehörden. Ich bitte noch einmal um Verständnis dafür, dass ich dazu hier in der Öffentlichkeit keine Auskunft geben kann. Vizepräsident Eduard Oswald: Zu dieser Frage eine Nachfrage der Frau Kollegin Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Die ganze Öffentlichkeit spricht inzwischen darüber. Es gibt Zeitungsartikel. Es ist vieles an die Öffentlichkeit gedrungen. Aber hier soll es nicht möglich sein, wenigstens diese Fragen zu beantworten? Das ist schon sehr eigenartig. Meine Frage betrifft Brandenburg. Der dortige Verfassungsschutz hat bereits 1998 Hinweise auf das Trio gegeben, um das es unter anderem geht. Warum sind diese Hinweise vom Bundesamt für Verfassungsschutz damals nicht so bearbeitet worden, dass es nicht noch weiterer 13 Jahre bis zur Aufklärung bedurfte? Das ist auch inzwischen vom Verfassungsschutz Brandenburg öffentlich bestätigt. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Sie können es weiter versuchen, aber ich werde keine Details zur Arbeit des Bundesamts für Verfassungsschutz preisgeben. Vizepräsident Eduard Oswald: Wir kommen damit zur Frage 21: Wie viel Geld wird vonseiten des BfV für den Einsatz von V-Leuten in der Szene der extremen Rechten jährlich ausgegeben (bitte für die letzten fünf Jahre angeben)? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich hatte bereits beide Fragen beantwortet, indem ich darauf hingewiesen habe, dass ich darauf keine Hinweise geben kann. Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Jelpke will es trotzdem nicht unversucht lassen und hat ihre erste Nachfrage. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Ja, genau. Ich meine, dass die Öffentlichkeit ein Recht hat, zu erfahren, wie viel Geld vom Verfassungsschutz gezahlt wird. Es sind schließlich Steuergelder, die dafür ausgegeben werden. (Iris Gleicke [SPD]: So ist das!) Meine Nachfrage bezieht sich darauf, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz verhindern will, dass V-Leute vom Staat Gelder bekommen, die sie dann wieder in die Nazi-Szene investieren. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Der Verfassungsschutz hat hierfür Mechanismen, indem jede einzelne Aussage selbstverständlich kontrolliert und evaluiert wird. Mehr kann ich hierzu aber nicht sagen. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben eine zweite Nachfrage. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Sie können sich vorstellen, Herr Präsident, dass ich mit diesen Antworten nicht einverstanden bin, weil ich meine, dass es gerade in dieser Situation ein öffentliches Interesse besonderer Art gibt. Es gibt Fälle aus der gesamten Republik, in denen sich V-Leute offen dazu bekannt haben, dass sie den Verfassungsschutz ausgespäht und die Gelder, die sie erhalten haben, wieder in die Szene investiert haben, um entsprechende Nazi-Strukturen aufzubauen. Sind Sie bereit, uns darüber Auskunft zu geben? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Was Sie beschreiben, muss unbedingt verhindert werden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat entsprechende Instrumentarien. Ich kann hier aber keine weiteren Auskünfte darüber geben, weil wir in der Öffentlichkeit nicht über die Arbeitsweise der Nachrichtendienste reden. Dafür gibt es das Parlamentarische Kontrollgremium. Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt gibt es Nachfragen. Zunächst der Kollege Uwe Kekeritz. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, ich habe eine Frage zum September 1980. Sie erinnern sich: Das Oktoberfestattentat wurde zuerst als die Tat eines Einzeltäters niedergebügelt. Meine Frage ist: Kommt es jetzt zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens, und wird der Generalbundesanwalt die Ermittlungen führen? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das ist Sache des Generalbundesanwalts. Dazu kann ich keine Auskünfte geben. Denn solche Verfahren werden in einem Rechtsstaat nicht von den Polizeien, sondern von den Staatsanwaltschaften geführt. Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Kollegin Enkelmann, Sie haben die nächste Nachfrage. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Ich frage mich langsam, wozu wir hier sind. (Iris Gleicke [SPD]: Ja! Auskunftsrecht!) Wir befinden uns in der Fragestunde. Wir befragen die Bundesregierung und gehen davon aus, dass die Bundesregierung antwortet. Es gibt so etwas wie eine Auskunftspflicht der Bundesregierung. Daran möchte ich Sie erinnern. Herr Präsident, Sie werden es schon vermuten: Das wird wieder Thema im Ältestenrat sein. Dennoch stelle ich meine Frage. Sie haben gerade festgestellt: Der Verfassungsschutz bekommt Geld. Das wissen wir alle; denn wir haben gerade in der vergangenen Woche den Haushalt beschlossen. Deshalb wissen wir, dass es dafür Gelder gibt. Können Sie wenigstens sagen, wie hoch der Prozentsatz dessen ist, was von diesen Mitteln an V-Leute gezahlt wird? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen. Vizepräsident Eduard Oswald: Die Fragen 22 und 23 der Kollegin Aydan Özoðuz, die Fragen 24 und 25 der Kollegin Sabine Zimmermann, die Fragen 26 und 27 des Kollegen Frank Tempel und die Fragen 28 und 29 des Kollegen Jan Korte werden schriftlich beantwortet. Wir sind immer noch im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Ich rufe die Frage 30 der Kollegin Wawzyniak auf: Wie viele der 10 000 Personen, die sich auf der zweiten Namensliste der Gruppierung Nationalsozialistischer Untergrund, NSU, befinden, wurden über ihre Erfassung durch die Terrorzelle informiert, und wie wurden die Betroffenen unterrichtet? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Lassen Sie mich eingangs deutlich machen, dass wir es mit mehreren Listen des Nationalsozialistischen Untergrunds, NSU, zu tun haben, die sich auf verschiedenen, in der ausgebrannten Wohnung des Zwickauer Trios sichergestellten Datenträgern befinden. Das Bundeskriminalamt hat aus diesen Listen zur Vereinfachung der weiteren Bearbeitung eine umfangreiche Liste mit circa 10 000 Personen und Institutionen erstellt. Alle Daten auf diesen NSU-Listen stammen offenbar aus der Zeit vor dem Jahr 2006 und wurden nach bisherigen Erkenntnissen aus öffentlich zugänglichen Quellen im Internet erhoben. Die Ermittlungsbehörden gehen aktuell nicht davon aus, dass diese Liste einen größeren Verteilerkreis erfahren hat. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags sowie ehemalige Abgeordnete, deren Namen sich in diesen Listen befinden, wurden vom BKA angeschrieben. Ihnen wurde ein Beratungsgespräch angeboten. Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die in der Liste aufgeführten Personen und Objekte Opfer einer Straftat werden sollten oder in anderer Weise gefährdet sind. Im Übrigen haben BKA und Landeskriminalämter vereinbart, dass sie bzw. die örtlich zuständigen Polizeibehörden in eigener präventivpolizeilicher Zuständigkeit mit den im jeweiligen Zuständigkeitsbereich lebenden Personen, sofern es sich nicht um Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes handelt, schriftlich Kontakt aufnehmen. Das ist aber auch schon bereits angelaufen. Dabei wird zugleich darauf hingewiesen, dass Anhaltspunkte für eine Gefährdung dieser Personen und Institutionen nicht festgestellt werden konnten und die Möglichkeit besteht, sich bei gleichwohl bestehenden Bedenken mit der nächsten Polizeibehörde oder dem zuständigen Landeskriminalamt in Verbindung zu setzen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort zu einer Nachfrage hat die Frau Kollegin Wawzyniak. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): In der Erwartung, dass Sie jetzt sagen, dass Sie diese Fragen nicht beantworten werden bzw. können, frage ich nach, ob Ihnen Erkenntnisse vorliegen, nach welchen Kriterien die NSU diese Personen ausgewählt hat. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Da es sich hierbei nicht um den Bereich der Nachrichtendienste handelt, kann ich Ihnen hierüber Auskunft geben. Es ist so, dass es sich hierbei offensichtlich um eine Materialsammlung und nicht um eine Liste derjenigen handelt, die im Visier dieser Terroristen standen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Gibt es weitere Nachfragen? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen dann zur Frage 31: Welche weiteren Zusammenstellungen von politischen Gegnern, die durch Rechtsextreme erstellt wurden, sind der Bundesregierung bekannt? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Auf der Grundlage der Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden des Bundes sind in Bezug auf Ihre Frage im Wesentlichen folgende Initiativen der rechtsextremen Szene, was Zusammenstellungen von Namen der jeweiligen politischen Gegner angeht, zu nennen: Outing-Aktionen, Anti-Antifa-Kampf und die Internetseite Projekt Nürnberg 2.0. Outing-Aktionen stellen im rechten wie übrigens auch im linken Spektrum kein Novum dar. Sie werden seit Jahren genutzt, um Angehörige der anderen Szene als Anhänger des gegnerischen politischen Lagers öffentlich im Internet oder in Szenepublikationen bloßzustellen. Dabei werden in der Regel die politischen Aktivitäten der Personen, ihre Personalien sowie ihre Wohn- und Arbeitsadressen offengelegt. In diesem Zusammenhang wird versucht, die vom Outing betroffenen Personen sozial zu isolieren, indem das soziale Umfeld der Personen - zum Beispiel Arbeitgeber, Familie usw. - über die politische Ausrichtung derselben aufgeklärt wird. Zum Anti-Antifa-Kampf: Bekanntermaßen bezeichnet die linke Szene die Aktivitäten gegen rechtsextremistische, sogenannte faschistische Bestrebungen als Antifa-Kampf. In Reaktion darauf betrachtet die rechte Szene ihre gegenläufigen Aktivitäten als Anti-Antifa-Kampf. Den Bundessicherheitsbehörden liegen hierzu seit Anfang der 90er-Jahre entsprechende Erkenntnisse vor. Seither haben Rechtsextremisten - in der Regel ausgehend von regionalen Konflikten -, Namenslisten, Adressen, Kfz-Daten und Einrichtungen der politischen Gegner veröffentlicht und zum Teil indirekt zu Gewaltaktionen aufgerufen. Seit einigen Jahren propagieren regional aktive Kameradschaften den Kampf gegen die jeweils örtliche Antifa. Schließlich ist in diesem Zusammenhang die den Bundessicherheitsbehörden im Juli dieses Jahres bekannt gewordene Internetseite Projekt Nürnberg 2.0 zu nennen. Auf dieser Webseite wird mit Bezug auf die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse als Ziel angekündigt - ich zitiere -: Aufbau einer Erfassungsstelle zur Dokumentation der systematischen und rechtswidrigen Islamisierung Deutschlands und der Straftaten linker Faschisten zur Unterdrückung des deutschen Volkes. Weiter heißt es wörtlich - ich zitiere -: Aufgabe des Projektes Nürnberg 2.0 ist es, diese Rechtsverstöße zu erfassen, die Verantwortlichen zu benennen und sie zu einem geeigneten Zeitpunkt öffentlich dafür, nach dem Muster des Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunals von 1945, zur Verantwortung zu ziehen. Auf der Unterseite "Verantwortliche" sind nach Erkenntnissen der Bundessicherheitsbehörden Namen von rund 20 Politikern eingestellt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage, Frau Kollegin Wawzyniak. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Liegen Ihnen Anhaltspunkte vor, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus ebenfalls besonders bedroht werden? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Darüber habe ich keine Erkenntnisse. All diejenigen, die auf der 10 000er-Liste stehen, werden benachrichtigt. Diese werden selbst Kenntnis davon haben und können sich dann wiederum an die Sicherheitsbehörden wenden. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Weitere Nachfrage? Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Eine Nachfrage habe ich noch. Wie unterstützt die Bundesregierung diese zivilgesellschaftlichen Projekte in ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das machen wir. Diese Bundesregierung gibt so viel Geld für Projekte gegen Rechtsextremismus aus wie keine Bundesregierung zuvor. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten Jens Petermann werden schriftlich beantwortet. Dann kommen wir zur Frage 34 der Kollegin Daniela Kolbe: Wie begründet es die Bundesregierung, an den gravierenden Kürzungen bei den Sachmitteln der Bundeszentrale für politische Bildung im Haushalt des Bundesministeriums des Innern festzuhalten, während im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Kürzungen bei Projekten gegen Rechtsextremismus teilweise zurückgenommen wurden, und mit welchen Einschränkungen in der Arbeit der Bundeszentrale ist deshalb zu rechnen? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Um die haushaltskonsolidierenden Maßnahmen bei der Bundeszentrale für politische Bildung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern verantwortungsbewusst umzusetzen, wurde in der Bundeszentrale für politische Bildung ein Prozess der Aufgabenkritik initiiert, der in einem ersten Schritt vollzogen ist und fortlaufend erörtert und gegebenenfalls modifiziert werden wird. Es werden alle erforderlichen Anstrengungen unternommen, um die Auswirkungen, insbesondere für das Feld der Bildungsarbeit und der Präventionsmaßnahmen beim Thema Rechtsextremismus, zu neutralisieren bzw. durch andere Maßnahmen aufzufangen. Unter Einbeziehung der seit 2010 von der Bundeszentrale für politische Bildung wahrgenommenen Aufgaben der Regiestelle des Bundesprogramms "Zusammenhalt durch Teilhabe" und der zum 1. April 2011 eingegliederten Geschäftsstelle des Bündnisses für Demokratie und Toleranz werden insgesamt seit 2011 die Maßnahmen gegen Rechtsextremismus verstärkt. Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend waren und sind keine Kürzungen bei Projekten gegen Rechtsextremismus vorgesehen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage, Frau Kolbe? Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Vielen Dank für die Antwort. Sie haben gerade die Höhe der Förderung im Kampf gegen Rechtsextremismus bzw. für Demokratie erwähnt. Stimmen Sie mir zu, dass wir aufgrund der Kürzungen bei der Bundeszentrale für politische Bildung in Höhe von 3,5 Millionen Euro im Haushalt 2012 trotz der Geschehnisse von einem Schrumpfen der Mittel, die für den Kampf gegen Rechtsextremismus und für Demokratie bereitstehen, sprechen müssen? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Davon ist nicht auszugehen, weil es immer darauf ankommt, wie die Mittel innerhalb der Bundeszentrale für politische Bildung ausgegeben werden. Die Haushaltsmittel für politische Bildung wurden nur leicht abgesenkt. Das Gleiche gilt für Zuschüsse auf diesem Gebiet. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine weitere Nachfrage. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Zunächst einmal will ich vehement widersprechen, dass es sich um eine leichte Absenkung handelt. In Bezug auf die Haushaltsjahre 2011/2012 handelt es sich um Kürzungen von insgesamt 5 Millionen Euro. Dieses Geld wäre nur in Sachmittel geflossen, mit denen nur politische Bildung finanziert worden wäre. Mit diesen Kürzungen begeben wir uns auf das Niveau von vor der Wiedervereinigung zurück. Da von geringen Kürzungen zu sprechen, halte ich schon für eine gewagte Aussage. Ich möchte auf einen Brief des Bundesministers des Innern, Herrn Friedrich, zu sprechen kommen. Er hat auf die Frage des Kuratoriums der Bundeszentrale für politische Bildung, das einen einstimmigen Beschluss gegen diese Kürzungen gefasst hat, geantwortet, dass diese Leistung eine freiwillige Leistung sei und man sie deshalb kürzen müsse, weil sonst die innere Sicherheit in diesem Land gefährdet sei; sonst müsse man nämlich Geld aus genau diesem Bereich nehmen. Entspricht es dem Sicherheitsbild der Bundesregierung, dass Prävention nicht dazugehört? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich kann nur noch einmal betonen, dass keine Bundesregierung zuvor so viel Geld für Programme gegen Rechtsextremismus ausgegeben hat wie diese. Wenn man sich einmal die einzelnen Ansätze des Haushalts der Bundeszentrale für politische Bildung anschaut und vergleicht, wie es vor 2005 aussah, dann hat man festzustellen, dass im Jahr 2004 der Sollansatz bei 18 313 000 Euro lag, während er im Jahr 2011 bei 18 686 000 Euro liegt. Insofern, glaube ich, muss man das, was Sie gesagt haben, etwas relativieren. Sie sehen natürlich nur den Gesamtansatz "Bundeszentrale für politische Bildung" und nicht, wofür die Gelder innerhalb der Bundeszentrale für politische Bildung verwandt werden. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dann kommen wir zur Frage 35 der Abgeordneten Daniela Kolbe: Wie begründet die Bundesregierung die Kürzungen bei den freien Trägern der politischen Bildung vor den aktuellen Geschehnissen um das sogenannte Nazi-Trio, und welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung im Kontext der Bekämpfung des Rechtsextremismus in der Arbeit der Bundeszentrale? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die haushalterischen Maßnahmen im Bereich der Trägerförderung der Bundeszentrale für politische Bildung beziehen sich nicht auf einzelne Arbeitsbereiche der Träger. Die freien Träger der politischen Bildung bestimmen ihre Arbeitsschwerpunkte in eigener Verantwortung. Da die Jahresanträge der Träger für 2012 erst im Dezember 2011 gestellt und die Mittelvergabe durch die Bundeszentrale für politische Bildung erst im Januar 2012 abgeschlossen werden, sind gegenwärtig keine entsprechenden Auswirkungen auf einzelne Themenfelder absehbar. Die Bundeszentrale für politische Bildung wird unter Berücksichtigung qualitativer und quantitativer Kriterien über die Förderung entscheiden und wie in den vergangenen Jahren über Schwerpunktthemen Anreize setzen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage, Frau Kollegin Kolbe. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Sie haben in der ersten Antwort selber gesagt, dass Sie darauf hinwirken wollen, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus durch die Bundeszentrale für politische Bildung fortgesetzt wird. Kann ich das so verstehen, dass Sie in der Trägerförderung darauf hinwirken, dass für den Kampf gegen Rechtsextremismus und für Demokratie gleichbleibend Geld zur Verfügung steht und dass dies zulasten anderer Bereiche der politischen Bildung gehen wird? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Sicherlich werden in diesem Bereich Schwerpunkte gesetzt werden. Aber die Träger sind ja sehr frei in dem, was sie dann letztendlich anbieten. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir gerade im Bereich der politischen Bildung - in der Zusammenarbeit mit den freien Trä-gern - immer einen Schwerpunkt auf den Kampf gegen Rechtsextremismus, aber natürlich auch gegen andere Extremismusformen setzen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zweite Nachfrage, bitte. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Ich habe eine letzte Frage. Sie antworten hier als Mitglied der Bundesregierung. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie sich in der Unionsfraktion dafür verwandt haben, die Kürzungen der Mittel im Haushalt der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder, für den Kampf gegen Rechtsextremismus zurückzunehmen. Haben Sie sich auch für die Rücknahme der Kürzungen der Mittel für die Bundeszentrale für politische Bildung, die in Ihrem eigenen Ressort beheimatet ist, verwandt? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Auch im Etat des Familienministeriums war nie eine Kürzung der Mittel für Maßnahmen gegen Rechtsextremismus vorgesehen. Das heißt, die 2 Millionen Euro, die im Haushaltsaufstellungsverfahren jetzt zusätzlich zur Verfügung gestellt wurden, stellen eine Steigerung um 2 Millionen Euro dar. Wir sind damit jetzt bei 24 Millionen Euro. Wir haben nämlich erreicht, dass die Administrierung und Verwaltung der Programme nicht mehr wie bisher extern durchgeführt wird, sondern vom Bundesamt für den Zivildienst. Von daher geben wir jetzt noch mehr Geld für den Kampf gegen Rechtsextremismus aus als zunächst vorgesehen. Noch einmal: Es gab keine Kürzung. Diese Bundesregierung gibt mehr Geld für den Kampf gegen Rechtsextremismus aus als beispielsweise Rot-Grün. Das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall des Abg. Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler zur Verfügung. Die Fragen 36 und 37 des Abgeordneten Strässer sowie die Fragen 38 und 39 des Abgeordneten Dr. Franke sollen schriftlich beantwortet werden. Damit kommen wir zur Frage 40 der Kollegin Sonja Steffen: Hat sich, und wenn ja, wie, die Bundesregierung in Bezug auf die Neuregelung des Sorgerechts nichtehelicher Väter geeinigt, bzw. ist eine Einigung absehbar? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Die Kollegin Steffen fragt nach der Neuregelung des Sorgerechts nichtehelicher Väter. Auf eine schriftliche Frage ihrer Kollegin Ingrid Hönlinger vom 24. Oktober 2011 nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung habe ich eine Antwort gegeben und Folgendes ausgeführt - ich zitiere -: Es trifft zu, dass sich die Koalitionsfraktionen derzeit intensiv im Gespräch befinden, um sich auf einen gemeinsamen Regelungsvorschlag zur Neuregelung der gemeinsamen Sorge bei nicht miteinander verheirateten Eltern zu verständigen. Ein konkreter Termin der Vorlage eines Gesetzentwurfs an das Kabinett ist noch nicht geplant. Diese Darstellung stellt weiterhin den aktuellen Sachverhalt dar. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin Steffen, haben Sie eine Nachfrage? Sonja Steffen (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, vielleicht können Sie Auskunft geben über den Stand der Diskussion. Wir wissen ja, dass es zwei Grundmodelle gibt: ein Antragsmodell und ein Widerspruchsmodell. Können Sie vielleicht etwas genauer erklären, wie der derzeitige Diskussionsstand ist? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Frau Kollegin Steffen, Sie benennen richtig den zentralen Streitpunkt. Es ist ja so, dass wir keinerlei Probleme haben, wenn nicht miteinander verheiratete Elternteile sich auf eine gemeinsame Sorge für das Kind einigen. Es ist ebenfalls klar, dass im Streitfall am Ende eine gerichtliche Entscheidung zu treffen ist und dass diese gerichtliche Entscheidung sich am Kindeswohl zu orientieren hat. Die Diskussion dreht sich, verkürzt dargestellt, hauptsächlich um die Frage, wer eigentlich diesen Streit gegebenenfalls zu Gericht bringen soll, ob die Väter dort einen Antrag stellen sollen oder ob es Sache der Mütter ist, auf eine Sorgerechtserklärung der Väter mit einem Widerspruch zu antworten. Darüber, um nur diesen Hauptpunkt zu nennen, konnte bisher keine Einigung erzielt werden. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine weitere Nachfrage? Sonja Steffen (SPD): Vielleicht können Sie uns einmal ganz grob sagen, in welchem zeitlichen Rahmen wir damit rechnen können, dass wir uns zusammensetzen, wobei wir darauf hoffen, dass wir dann eine gute Lösung finden werden. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Das Bundesministerium der Justiz begleitet die Gespräche der Fraktionen natürlich aktiv. Wir sind selber an einer Lösung interessiert. Derzeit muss sich ja die Praxis auf eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts stützen. Damit kommt die Praxis zwar einigermaßen zurecht, aber trotzdem ist eine gesetzliche Neuregelung wünschenswert. Wir arbeiten daran. Ich kann leider nicht präzise vorhersagen, zu welchem Zeitpunkt eine Einigung erzielt wird. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank. - Dann kommen wir zur Frage 41 der Kollegin Sonja Steffen: Plant die Bundesregierung, weiterhin die von der Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in ihrer Rede zum Insolvenzrechtstag angekündigte Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens umzusetzen, oder hat es in Bezug auf die damals vorgestellten Eckpunkte Positionsänderungen der Bundesregierung gegeben? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Ich darf Ihnen folgende Antwort mitteilen: Frau Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat sich zuletzt am 28. Oktober 2011 auf dem Insolvenzverwalterkongress in Berlin umfassend zur Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens geäußert. Sie hat dort die wesentlichen Eckpunkte für eine künftige Reform dargestellt. Ein Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz wird in Kürze der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage? - Frau Kollegin Steffen. Sonja Steffen (SPD): Können Sie ganz kurz schildern, ob eine Verkürzung der Wohlverhaltensphase vorgesehen ist, und, wenn ja, mit welchen Bedingungen diese verbunden sein wird? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Nach unseren Vorstellungen ist vorgesehen, dass die Wohlverhaltensphase von sechs auf drei Jahre verkürzt werden soll, falls der Schuldner innerhalb dieses Zeitraums eine Mindestbefriedigungsquote von 25 Prozent erfüllt. Eine weitere Verkürzung - von sechs auf fünf Jahre - ist vorgesehen, wenn der Schuldner innerhalb dieses Zeitraums zumindest die Verfahrenskosten begleicht. Wenn keine der beiden Voraussetzungen erfüllt wird, soll die Wohlverhaltensperiode sechs Jahre betragen und dann die Restschuldbefreiung erteilt werden. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine weitere Nachfrage? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zu Frage 42 des Kollegen Burkhard Lischka. Wie erklärt es die Bundesregierung, dass angesichts von 762 rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten im Jahr 2010 - darunter 638 Körperverletzungen - lediglich 68 Anträge auf Gewährung von "Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe" positiv beschieden worden sind und im Jahr 2010 aus dem mit 1 Million Euro ausgestatteten Haushaltstitel 681 01 des Bundesamtes für Justiz insgesamt nur 8 160 Euro für Opfer extremistischer Übergriffe ausbezahlt wurden? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Zu dieser Frage darf ich mitteilen, dass im Jahr 2010 bei dem für die Bearbeitung dieser Anträge zuständigen Bundesamt für Justiz von Opfern rechtsextremistischer Übergriffe insgesamt 97 Anträge auf Bewilligung von Härteleistungen gestellt worden sind. Davon sind 67 Anträge positiv beschieden worden, 22 Anträge abgelehnt worden, und über acht Anträge ist noch nicht entschieden. Die Diskrepanz zwischen der Zahl der erfassten rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten, die ja höher liegt, und der relativ geringen Zahl der gestellten Anträge lässt sich vielleicht teilweise dadurch erklären, dass die jährlichen polizeilichen Statistiken über politisch motivierte Kriminalität weitaus mehr Taten erfassen als jene, bei denen die Opfer Härtefallleistungen erhalten können. Ein weiterer Grund dürfte darin liegen, dass in den Bundesländern ein sehr unterschiedliches Netz von Opferberatungsstellen existiert. In manchen Ländern wird sehr intensiv beraten, in anderen weniger. Gleichwohl sind diese Erklärungen auch für uns nicht völlig ausreichend. Insgesamt sind die Gründe für die geringe Zahl der Antragsstellungen daher nicht genau zu benennen. Wir bemühen uns, die Opfer verstärkt zu informieren. Dafür gibt es verschiedene Maßnahmen, die ich wegen der Ein-Minuten-Regel jetzt nicht im Detail aufzählen kann. Aber das Bundesministerium der Justiz ist mit allen Stellen, die für die Opfer in Betracht kommen, in Kontakt und informiert über die Möglichkeit der Antragstellungen, mehrmals jährlich auch mit Rundschreiben. Es bleibt zu hoffen, dass damit diese Möglichkeit der Ersatzleistungen besser bekannt wird und die Zahl der Anträge, für die ja Mittel zur Verfügung stehen, zunehmen wird. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine Nachfrage, Herr Kollege Lischka? - Bitte sehr. Burkhard Lischka (SPD): Herr Stadler, könnten Sie mir mitteilen, wie viel Gelder im vergangenen Jahr zum einen an die Opfer rechtsextremistischer Gewalttaten und zum anderen an die Opfer linksextremistischer Gewalttaten ausgezahlt wurden? Können Sie vielleicht auch etwas zu der Spannbreite der ausgezahlten Einzelbeträge sagen? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Ich habe, da Sie ja insbesondere nach der Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten gefragt und die Frage gestellt haben, wieso nur ein Teil der Opfer Anträge gestellt hat, in Vorbereitung meiner Antwort auch die Summe, die an Opfer rechtsextremistischer Gewalt ausgezahlt worden ist, notiert. Diese Summe betrug im Jahr 2010 etwa 63 000 Euro. Im Jahr 2011 sind bisher 67 800 Euro zugesprochen worden. Die Summen variieren natürlich im Einzelfall. Sie werden sich erinnern, weil es ja auch veröffentlicht worden ist, dass jetzt für die Angehörigen der Opfer der Nazi-Mordserie Beträge von 10 000 Euro vorgesehen sind. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Weitere Nachfrage. Burkhard Lischka (SPD): Vielen Dank. - Herr Stadler, ich darf den letzten Aspekt, den Sie genannt haben, direkt aufgreifen. Es ist durch die Bundesjustizministerin angekündigt worden, dass die Angehörigen der durch die Zwickauer Terrorzelle Ermordeten eine Pauschalentschädigung in Höhe von 10 000 Euro erhalten sollen. Nun habe ich dem Merkblatt des Bundesamtes der Justiz entnommen, dass darüber hinaus beispielsweise auch Unterhaltsschäden ersetzt werden können, die im Einzelfall natürlich weitaus höher sein können als der Betrag von 10 000 Euro, der jetzt pauschal ausgezahlt werden soll. Haben die Angehörigen - neben dieser Pauschalentschädigung - die Möglichkeit, noch weitere Schäden geltend zu machen, oder sollen diese mit der Pauschalentschädigung abgegolten sein? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Im streng juristischen Sinn kann man bei diesen Leistungen nicht von Entschädigung sprechen. Sie sind vielmehr als eine Art Soforthilfe und als Anerkennung des erlittenen Unrechts gedacht. Daher wird dieses Geld auch pauschal ausgereicht. In jedem Einzelfall wird geprüft, ob besondere Umstände hinzukommen, was zu einer zusätzlichen Entscheidung führen kann. Das kann ich aber nur anhand des Einzelfalls bewerten. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich rufe nun die Frage 43 des Kollegen Lischka auf: Wie begründet die Bundesregierung ihre in der Pressemitteilung vom 9. November 2011 vertretene Position, die Einführung einer nachträglichen Therapieunterbringung würde "vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht bestehen"? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Ich darf dazu aus der Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 9. November 2011 die Passage, auf die Sie sich beziehen, wörtlich zitieren, sonst kann man den Zusammenhang nicht verstehen. Dort heißt es: Die nachträgliche Sicherungsverwahrung, deren Wiedereinführung nun einige Bundesländer fordern, war wenig praxisrelevant, rechtlich kaum handhabbar und hatte negative Auswirkungen auf den Vollzug insgesamt. Ihre Wiedereinführung birgt das Risiko, dass das deutsche Recht vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abermals nicht besteht. Das kann dazu führen, dass erneut Sicherungsverwahrte entlassen werden müssten. Dieses Risiko sollte gerade angesichts des äußerst geringen Anwendungsbereichs der nachträglichen Sicherungsverwahrung unbedingt vermieden werden. Um Ihre Frage mit der hier gebotenen Kürze zu beantworten: Wir haben auf bestehende Risiken hingewiesen. Es kann keine sichere Prognose gestellt werden, wie das von einigen Ländern vorgeschlagene Institut bei den beiden genannten Gerichten letztendlich bewertet würde. Aber wenn man die bisherige Rechtsprechung betrachtet, sehen wir da jedenfalls ein erhebliches Risiko. Darauf haben wir hingewiesen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage, Herr Kollege Lischka? Burkhard Lischka (SPD): Vielen Dank. - Herr Stadler, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, dass Sie es für unmöglich halten, eine verfassungskonforme Regelung im Hinblick auf eine nachträgliche Therapieunterbringung zu entwickeln? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Das habe ich nicht gesagt. Ich darf auf Folgendes hinweisen: Die nachträgliche Sicherungsverwahrung - selbst wenn man jetzt eine andere Bezeichnung wählt, handelt es sich unserer Meinung nach in der Sache um eine nachträgliche Sicherungsverwahrung, die in die Debatte gebracht wird - ist mit der Reform zum 1. Januar 2011 vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat mit den Stimmen der CDU/CSU, der FDP und der SPD zugunsten eines neuen Konzepts abgeschafft worden. Das neue Konzept sieht den Ausbau der sogenannten primären Sicherungsverwahrung und der im Urteil vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vor. Auch die Fraktion der Grünen hat diesen Teil der Reform für richtig gehalten. (Signalton) Wir sind der Meinung, dass man bei der vor etwa einem Jahr politisch getroffenen Entscheidung bleiben sollte, und weisen darauf hin, dass ein hohes Risiko im Hinblick darauf besteht, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom Mai 2011 den Vertrauensgrundsatz bemüht hat. Man sollte daher jetzt hinter die damals gemeinsam getroffene Entscheidung nicht zurückgehen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wir kommen zu einer zweiten Nachfrage des Kollegen Lischka. Burkhard Lischka (SPD): Herr Staatssekretär, vielen Dank. Eine kurze Nachfrage: Zu welchem Ergebnis kommt denn ein Gutachten, das im Bundesjustizministerium zur Frage der Verfassungsmäßigkeit einer nachträglichen Therapieunterbringung gefertigt wurde? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Lischka, ich weiß jetzt offen gestanden nicht ganz genau, worauf Sie sich beziehen. Ich kann nur die Position unseres Hauses vortragen; denn das ist das Entscheidende und nicht die Frage, was in einer Meinungsäußerung dargelegt worden ist. Dazu darf ich Folgendes ausführen: Die Bundesministerin der Justiz hat jetzt einen Entwurf zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung an die Bundesländer versandt; denn im Mai 2011 sind die bisherigen Regelungen hauptsächlich wegen eines Verstoßes gegen das Abstandsgebot zum Strafvollzug aufgehoben worden. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei keineswegs die Konzeption des Reformgesetzes infrage gestellt, das wir im Bundestag gemeinsam mit Ihnen zum 1. Januar 2011 beschlossen haben. Wir haben daher in dem Entwurf, den wir versandt haben, die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht aufgeführt. (Signalton) Wir werden jetzt die Antworten und Stellungnahmen der Bundesländer bekommen und dann darüber diskutieren. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich darf noch einmal auf die Neuregelung mit dem Signalton hinweisen. Den jeweiligen Staatssekretären ist für die Antwort auf die schriftliche Frage etwas mehr Zeit gegeben; Nachfragen und Antworten aber sollen jeweils nur eine Minute dauern. - Ich hätte dem Kollegen Stadler gerne mehr Zeit eingeräumt, weil er regelmäßig so druckreif zu antworten versteht. Ich muss aber alle Staatssekretäre gleich behandeln. Deshalb kann ich keine Ausnahme machen. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Das ist ein alter Rechtsgrundsatz, Herr Präsident. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wir kommen dann zur Frage 44 des Kollegen Stefan Rebmann: Wie verhält sich die Anzahl der Anordnungen des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung im Erwachsenenstrafrecht in den ersten zehn Monaten dieses Jahres im Vergleich zu den ersten zehn Monaten letzten Jahres? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Rebmann, Sie fragen nach den Zahlen der sogenannten vorbehaltenen Sicherungsverwahrung. Darunter versteht man, dass in einem Strafurteil noch nicht die Entscheidung getroffen wird, ob der Verurteilte nach Verbüßung der Strafe in Sicherungsverwahrung kommen wird, dass aber diese Möglichkeit vorbehalten wird und eine Entscheidung darüber später ergeht. Diese im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung wird in den Statistiken der Strafrechtspflege nicht erfasst. Wir werten aber die Einträge im Bundeszentralregister aus, weil sich daraus ein - wenngleich nicht vollständig präzises - Bild ergibt. Dem Register haben wir folgende Zahlen entnehmen können: Im Jahr 2009 sind bisher neun Urteile rechtskräftig geworden, in denen die Sicherungsverwahrung im Urteil vorbehalten worden ist. Im Jahr 2010 war dies erst in einem einzigen Urteil der Fall. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage, Herr Kollege Rebmann? Stefan Rebmann (SPD): Herzlichen Dank. - Herr Staatsekretär Stadler, ich habe eine Nachfrage: Wie beurteilen Sie und die Bundesregierung die Prognose, dass aufgrund des Wegfalls der nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung die Anzahl der Anordnungen der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ansteigen wird? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Rebmann, ich habe darauf hingewiesen, dass die jetzt genannten Zahlen noch kein vollständiges Bild ergeben. In das Bundeszentralregister werden nur rechtskräftige Verurteilungen eingetragen. Das heißt, Urteile aus dem Jahr 2011, nach denen Sie gefragt haben, werden erst nach und nach in dieses Register Eingang finden, nämlich dann, wenn sie rechtskräftig geworden sind. Außerdem gibt es bestimmte Fristen für den Eintrag, sodass das Ganze nur eine Momentaufnahme ist. Ich rechne damit, dass der Anstieg der Zahlen, bei denen von der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung Gebrauch gemacht wird, erst noch bevorsteht. Wir haben jetzt den Vergleich von einem Fall in 2010 zu neun Fällen in 2009. Das ist noch nicht aussagekräftig genug. Ich rechne durchaus noch mit höheren Zahlen von vorbehaltener Sicherungsverwahrung im Urteil, so wie es der Konzeption des von uns gemeinsam verabschiedeten Reformprojekts entspricht. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Weitere Nachfrage? - Nein. Danke schön. Dann kommen wir zur Frage 45 des Kollegen Rebmann: Will die Bundesregierung entsprechend ihrem Koalitionsvertrag vom Oktober 2009 und entsprechend der Forderung der Justizministerinnen und Justizminister der Länder auf ihrer Herbstkonferenz vom 9. November 2011 in Berlin den Ländern die Möglichkeit geben, ihre Verwaltungs- und Sozialgerichte zu einheitlichen Fachgerichten zusammenzuführen, und falls ja, wie weit sind die Pläne fortgeschritten? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege, ich darf Ihnen mitteilen: Das Bundesministerium der Justiz prüft derzeit die Möglichkeit einer gesetzlichen Umsetzung. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass jede Form der Zusammenlegung dieser Gerichte einer Grundgesetzänderung bedarf. Davon wären auch die Bundesratsinitiativen zur Einführung bloß einer Länderöffnungsklausel aus der 15. und 16. Legislaturperiode betroffen gewesen; davon ist der Bundesrat selber ausgegangen. Somit liegt hier eine sehr hohe Hürde für eine Zusammenlegung der Verwaltungs- und Sozialgerichte vor. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage, Kollege Rebmann? - Keine Nachfrage. Die Frage 46 des Kollegen Volker Beck wird schriftlich beantwortet. Vielen Dank, Herr Staatssekretär Stadler. Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 47 des Kollegen Dr. Gerhard Schick, die Frage 48 der Kollegin Lisa Paus sowie die Fragen 49 und 50 der Kollegin Dr. Barbara Höll sollen schriftlich beantwortet werden. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 51 des Kollegen Uwe Kekeritz: Mit welcher Begründung stellt sich die Bundesregierung gegen die von der Europäischen Union am 25. Oktober 2011 veröffentlichte Corporate-Social-Responsibility-Strategie (KOM[2011] 681; vergleiche Brief des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Ernst Burgbacher an den EU-Kommissar Antonio Tajani), und wie wird sich die Bundesregierung bei der Überarbeitung der Rechnungslegungsrichtlinien (78/660/ EWG und 83/349/EWG) im Ministerrat verhalten? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Kekeritz, die Bundesregierung begrüßt grundsätzlich die Bemühungen der Europäischen Kommission, ihre eigene CSR-Strategie fortzuentwickeln und Entwicklungen im internationalen Bereich zu reflektieren. Aus Sicht der Bundesregierung sollte dabei jedoch an einem Verständnis von CSR als freiwillige, über gesetzliche Vorgaben hinausgehende Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung im Kerngeschäft eines Unternehmens festgehalten werden. Die Bundesregierung hat am 6. Oktober 2010 eine Nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschlossen, um CSR in Unternehmen und öffentlicher Verwaltung besser zu verankern. Der Aktionsplan CSR der Bundesregierung basiert auf einer breiten Diskussion und Akzeptanz im deutschen Multi-Stakeholder-Gremium "Nationales CSR-Forum". Gerade der Grundsatz der Freiwilligkeit ist im gemeinsamen Verständnis des Nationalen CSR-Forums deutlich zum Ausdruck gebracht und von der Bundesregierung bei Verabschiedung des Aktionsplans CSR übernommen worden. Die Bundesregierung hat dies in ihren Stellungnahmen gegenüber der Kommission wiederholt betont und darauf hingewiesen, dass eine strategische Abkehr vom Prinzip der Freiwilligkeit mit dem in Deutschland praktizierten Verständnis von CSR nicht vereinbar ist. Die Bundesregierung spricht sich ausdrücklich gegen neue gesetzliche Berichtspflichten zur Offenlegung sozialer und ökologischer Informationen, wie von der Kommission in ihrer CSR-Mitteilung angekündigt, aus. Solche gesetzlichen Berichtspflichten würden eine Abkehr vom Prinzip der Freiwilligkeit bedeuten und wären mit erheblichem Bürokratieaufwand insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland, aber auch für alle anderen Unternehmensgruppen verbunden. Der Vollständigkeit halber sei auf Folgendes hingewiesen: Soweit es um die Erweiterung bereits bestehender Berichtspflichten im Bereich der handelsrechtlichen Rechnungslegung gehen könnte, führt die Kommission derzeit nach eigenen Angaben eine Folgenabschätzung durch, die Grundlage eines entsprechenden Regelungsvorschlags im kommenden Jahr werden könnte. Daher sind die ebenfalls am 25. Oktober 2011 vorgelegten Vorschläge der Kommission zur Überarbeitung der zitierten gesellschaftsrechtlichen Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG von einem entsprechenden neuen Vorschlag zu unterscheiden. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank. - Kollege Kekeritz, Ihre Nachfrage, bitte. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum die Bundesregierung auf das Instrument der freiwilligen Selbstverpflichtung pocht, nachdem wir jetzt seit 30 Jahren Erfahrung mit dem Instrument haben. Ich kann mich an kein Beispiel erinnern, bei dem dieses Instrument tatsächlich die Wirkung erzielt hat, die man sich von ihm erhoffte. Außerdem isoliert sich die Bundesregierung damit wieder im europäischen Kontext; viele andere europäische Länder verabschieden sich inzwischen von der Freiwilligkeit und halten eine verpflichtende Maßnahme für sinnvoll. Mein Thema ist aber Steuerhinterziehung in Steueroasen. Dieses Thema wurde 2008 auf der G-8-Konferenz in London sehr intensiv diskutiert. Damals veröffentlichte die OECD eine Liste der Steueroasen, die nicht bereit waren, mit den internationalen Gremien zusammenzuarbeiten. Seitdem ist leider kaum etwas passiert. Länderbezogene Rechnungspflichten wären ein wichtiges Instrument, um die Verschiebung von Gewinnen transnationaler Unternehmen in Steueroasen zu verhindern. Was gedenken die Bundesregierung, das Finanzministerium, das Wirtschaftsministerium und das BMZ diesbezüglich zu unternehmen? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege, da ich in keinem der von Ihnen genannten Ministerien arbeite und sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht täglich mit Steueroasen beschäftigt, muss ich Ihnen mitteilen, dass ich Ihnen diese Frage nicht beantworten kann. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Fragen 52 und 53 der Kollegin Dr. Martina Bunge sollen schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 54 des Kollegen Markus Kurth auf: Wann wird die Bundesregierung die vom sogenannten Runden Tisch zur Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes in seiner Sitzung am 2. November 2011 beschlossenen Verfahrensvereinfachungen umsetzen, und welche weiteren Informations- und Kommunikationsmaßnahmen sind geplant, um den Anspruch auf Bildung und Teilhabe bekannter zu machen? Bitte schön. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes obliegt nicht der Bundesregierung; denn Träger des Bildungs- und Teilhabepaketes sind die Kreise und kreisfreien Städte. Die Länder üben die Rechts- und gegebenenfalls auch die Fachaufsicht aus. Der Bund hat hierbei keine Regelungs- und Entscheidungskompetenz. Die hohe Nachfrage nach den bereits bestehenden vielfältigen Informationsangeboten bestärkt die Bundesregierung darin, auch im nächsten Jahr weitere Kommunikationsmaßnahmen durchzuführen. So sind für das erste Quartal 2012 Motivationsanzeigen in Verbands- und Vereinszeitschriften der Bereiche Sport, Musik und Kultur geplant. Ziel ist es, die Vereine auf die neuen Möglichkeiten des Bildungspakets hinzuweisen und sie zu motivieren, entsprechende Angebote für diese Zielgruppe zu machen. Im direkten Umfeld von Discount-Supermärkten soll mit Plakaten für das Bildungs- und Teilhabepaket geworben werden. Auf diesen Plakaten wird auf weiterführende Informationsangebote hingewiesen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bevor wir zur Nachfrage kommen, will ich bekannt geben, dass weitere Geschäftsbereiche nicht mehr aufgerufen werden, weil dann die Zeit für die Fragestunde abgelaufen sein wird.1 Deswegen sind diese Kollegen Staatssekretäre, wenn sie nicht an der Aktuellen Stunde teilnehmen wollen, entlassen. Herr Kurth, Ihre Nachfrage. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär Brauksiepe, auch wenn Sie sagen, dass die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes nicht in der Verantwortung der Bundesregierung liegt, so werden Sie mir doch zustimmen, dass die Bundesregierung dafür zu sorgen hat, dass der verfassungsrechtlich garantierte, individuelle Rechtsanspruch auf Bildung und Teilhabe sichergestellt ist. Bei einer Inanspruchnahme von derzeit unter 50 Prozent und einer noch niedrigeren Inanspruchnahme speziell der Bildungs- und Teilhabeleistungen, die über die Pauschale von 10 Euro im Monat gewährt werden, kann man nicht sagen, dass das flächendeckend gewährleistet ist. Ab welchem Prozentsatz der Inanspruchnahme sehen Sie denn den individuell und verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Bildung und Teilhabe sichergestellt? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Kurth, der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts richtete sich zunächst an den Gesetzgeber; das sind Sie. Bundestag und Bundesrat sind, wie Sie wissen, für die gesetzgeberischen Maßnahmen zuständig, um Bildung und Teilhabe und damit ein menschenwürdiges Leben für jedes einzelne Kind zu garantieren. Die gesetzgebenden Organe der Bundesrepublik Deutschland sind diesem Auftrag, der sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben hat, gerecht geworden. Selbstverständlich beteiligt sich die Bundesregierung bzw. das Bundesministerium für Arbeit und Soziales am gesamten Prozess und moderiert ihn. Selbstverständlich sind mit einer solchen Umstellung auf Sach- und Dienstleistungen auch Probleme in der Übergangszeit verbunden. Wir stellen fest, dass die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes mehr und mehr nachgefragt und in Anspruch genommen werden. (Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/ CSU]) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wenn Sie auf eine weitere Nachfrage verzichten, können wir Ihre zweite Frage auch noch abwickeln; sonst ist die Zeit abgelaufen. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann bitte noch die nächste Frage. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich rufe die Frage 55 des Kollegen Markus Kurth auf: Wie erklärt die Bundesregierung den offensichtlichen Widerspruch, wonach das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einerseits behauptet, eine "KinderBildungsStiftung" sei dem Bundesministerium nicht bekannt (siehe Antwort auf meine mündliche Frage 73, Plenarprotokoll 17/138, Seite 16450 A), andererseits aber genau dieses Bundesministerium sowohl ein Rechtsgutachten zur Bewertung der rechtlichen Möglichkeiten für eine "KinderBildungsStiftung" als auch eine Prüfung der Praktikabilität einer solchen Stiftung in Auftrag gegeben hat? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Kurth, es ist richtig, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 zu den Regelleistungen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, auf die ich in der vorherigen Frage schon Bezug genommen habe, hatte prüfen lassen, inwieweit die Möglichkeit besteht, eine bundesunmittelbare Stiftung des öffentlichen Rechts mit der Sicherung des spezifischen soziokulturellen Existenzminimums von Kindern und Jugendlichen zu betrauen. Zu einer entsprechenden Stiftungsgründung ist es aber nicht gekommen. Entsprechende Vorüberlegungen sind bereits im Juni 2010 nicht weiter verfolgt worden, nachdem im Rahmen gutachtlicher Prüfungen erhebliche Gegengründe offenbar geworden waren. Die Überlegungen sind auch später nicht wieder aufgenommen worden. Ob es anderweitig eine Stiftung namens KinderBildungsStiftung gibt, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage? - Keine. Vielen Dank. Damit beende ich die Fragestunde. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Standort Deutschland sichern - Stuttgart 21 zügig umsetzen und geplante Mehrbelastung für den Mittelstand durch grüne Steuerpolitik verhindern Ich eröffne die Aussprache. Als erstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Thomas Strobl von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bürgerinnen und Bürger Baden-Württembergs haben am vergangenen Sonntag bei der Volksabstimmung über den Bahnhof Stuttgart 21 eine sehr klare Entscheidung getroffen. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: So ist es!) 59 Prozent stimmten mit Nein. Sie stimmten gegen den Ausstieg Baden-Württembergs aus diesem Bahnhofsprojekt. Nur 41 Prozent waren für einen solchen Ausstieg, und das bei einer für Volksabstimmungen sehr, sehr hohen Wahlbeteiligung von nahezu 50 Prozent. Das ist eine sehr klare Entscheidung für den Bahnhof Stuttgart 21 und damit auch eine sehr klare Entscheidung für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg und für den Wirtschaftsstandort Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Hier ist auch klar zu sagen, dass diese Entscheidung in Baden-Württemberg sehr konsistent gewesen ist. Die große Mehrheit der Menschen im ländlichen Raum in Baden-Württemberg hat sich für diesen Bahnhof ausgesprochen. Auf der Alb, an der Donau, aber auch am Neckar, im Hochverdichtungsraum und in der Stadt Stuttgart selbst, in der dieses Thema (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vergessen Sie mal Baden nicht, Herr Kollege!) - von Ihnen, Herr Kollege Kuhn, immer wieder befeu-ert - über viele Monate hinweg eine große Rolle gespielt hat, haben die Bürgerinnen und Bürger entschieden, dass sie diesen Bahnhof wollen. In der Region Stuttgart war die Mehrheit sogar noch größer. Das ist eine klare Entscheidung. Jetzt haben wir klare Verhältnisse. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich bin sehr froh darüber, dass dieses ökologisch und ökonomisch wichtige Schienenprojekt (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Jetzt aber!) für Baden-Württemberg, aber auch für ganz Deutschland, jetzt realisiert werden kann, und es sollte schnell realisiert werden. Herr Kollege Kuhn, damit sollten auch die Querschüsse - nicht die Zwischenrufe, aber die Querschüsse - ein Ende haben. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Querschüsse?) Das gilt beispielsweise für Querschüsse aus der Landesregierung Baden-Württembergs. Das gilt für die Querschüsse aus den Reihen der Grünen, und das gilt für weitere Querschüsse. Deswegen fordere ich den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg und seinen Verkehrsminister nachdrücklich dazu auf, zum Stuttgarter Bahnhof zu gehen und mit den Menschen dort zu sprechen, um ihnen das Abstimmungsergebnis zu erklären, um zu erklären, dass der Bahnhof gebaut wird. Die Grünen haben die Menschen dort über Jahre hinweg auf die Bäume gebracht. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Genau!) Sie haben die Stimmung angeheizt. Jetzt holen Sie die Menschen bitte wieder von den Bäumen herunter, und erklären Sie, dass der Bahnhof gebaut wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sie mit Wasserwerfern von den Bäumen runtergeholt!) Diese Entscheidung in Baden-Württemberg ist, so meine ich, auch ein gutes Signal für Deutschland. Warum ist das so? Wir hätten ansonsten in Zukunft bei Projekten in Deutschland ein Problem gehabt, egal ob es sich um einen Kindergarten oder ein Großprojekt gehandelt hätte, weil mit dem Hinweis auf Stuttgart 21 eine Minderheit von Gegnern gesagt hätte: Wenn wir nur laut genug sind und wenn wir nur lange genug dagegen sind, werden wir es verhindern können. - Jetzt kommt von den Bürgerinnen und Bürgern Baden-Württembergs ein klares Signal für die Zukunft. Es wird in Deutschland auch in Zukunft möglich sein, wichtige Infrastrukturprojekte zu planen und durchzusetzen. Das gilt für Straßenprojekte, das gilt für Schienenprojekte, das gilt für Stromtrassen - und das ist wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland, für die Arbeitsplätze in der Zukunft und für unseren Wohlstand. Deutschland hat Zukunft. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich möchte eine letzte Bemerkung machen. Ich glaube, dass dieses Abstimmungsergebnis in Baden-Württemberg auch eine Bestätigung unserer parlamentarischen Demokratie gewesen ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann senken Sie jetzt das Quorum! Runter mit dem Quorum!) - Jetzt hören Sie doch einmal zu; das gehört ebenfalls zur parlamentarischen Demokratie, auch wenn es schwerfällt. - Mit großer Mehrheit hat die Bevölkerung in Baden-Württemberg, das Volk, bestätigt, was in jahrelangen parlamentarischen Prozessen - im Gemeinderat der Stadt Stuttgart, in der Verbandsversammlung der Region Stuttgart, im Landtag von Baden-Württemberg, im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament - beraten und entschieden worden ist. Ich finde, das ist eine Bestätigung unserer parlamentarischen Demokratie. Auch deswegen dürfen wir uns über diese klare Entscheidung der Baden-Württemberger Bürgerinnen und Bürger freuen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Christian Lange von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Patrick Döring [FDP]) Christian Lange (Backnang) (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im September letzten Jahres hat die Bundeskanzlerin von diesem Pult aus erklärt - ich zitiere -: Bei völlig rechtmäßig getroffenen Entscheidungen braucht man keine Bürgerbefragung in Stuttgart. (Patrick Döring [FDP]: Das stimmt!) Vielmehr wird genau die Landtagswahl im nächsten Jahr die Befragung der Bürger über die Zukunft Baden-Württembergs, über Stuttgart 21 und viele andere Projekte sein, die für die Zukunft dieses Landes wichtig sind. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben in Baden-Württemberg alles auf eine Karte gesetzt, und Sie haben alles verloren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU/CSU) Ich sage Ihnen: Stellen Sie sich nur eine Sekunde vor, Sie wären im September letzten Jahres auf den Vorschlag der SPD in Baden-Württemberg, auf den Vorschlag von Nils Schmid eingegangen! (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Von wem?) Sie haben die Landtagswahl verloren, und die Bürgerinnen und Bürger haben jetzt mit 58,8 Prozent für Stuttgart 21 gestimmt. Sie müssen sich doch angesichts dieser Bilanz der CDU-Politik in Baden-Württemberg schwarzärgern. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sollten sich nicht so aufblasen!) Was zeigt uns Stuttgart 21? Erstens. Die Stuttgarter Bürger haben uns darauf hingewiesen, dass die Legitimität eines Verwaltungsverfahrens nicht mehr genügt. Die Konsequenz kann nicht sein, Bürgerproteste mit Wasserwerfern zu stoppen, sondern die Konsequenz muss sein, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen, die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu verkürzen, die Menschen in Baden-Württemberg zu beteiligen. Das ist das Ergebnis des Prozesses von Stuttgart 21. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zweitens. Was zeigt uns Stuttgart 21 darüber hinaus? Wenn es die Menschen umtreibt, dann beteiligen sie sich auch. Das ist das Gegenteil von Politikverdruss. Die Wahlbeteiligung von 48,3 Prozent zeigt dies eindrucksvoll. Das ist ein Beweis, dass direkte Demokratie funktioniert. Das sollte uns ermutigen. Wir sollten dies nicht abstreiten oder relativieren. Drittens. Meine Damen und Herren von der CDU, haben Sie keine Angst! Den Dagegen-Parteien fällt die Mobilisierung nicht zwangsläufig leichter. Im Gegenteil: In Stuttgart bekam das Dagegen-Lager zwar mehr Menschen auf die Straße als das Dafür-Lager, (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: War die SPD dafür oder dagegen?) aber am Tag der Abstimmung war es genau umgekehrt. Genau deshalb sollten wir ermutigt aus der Abstimmung über Stuttgart 21 gehen. (Beifall bei der SPD) Viertens. Wer von der schweigenden Mehrheit spricht, wer davon spricht, dass nicht diejenigen die Mehrheit sind, die am lautesten schreien, wer also der Straße sein Misstrauen ausspricht, der muss Volksentscheide befürworten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deshalb ist es gut und richtig, dass die Landesregierung angekündigt hat, dass die Quoren in Baden-Württemberg abgesenkt werden, dass Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg möglich und üblich wird und dass die so getroffenen Entscheidungen dann auch gelten. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das hätten Sie schon haben können!) Ich will für uns auf Bundesebene sagen: Mut zu mehr Beteiligung heißt auch Mut zu mehr Beteiligung, wenn es darum geht, das Recht auf Volksbegehren und Volksabstimmungen im Grundgesetz zu verankern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Fünftens. Natürlich ist die Landesregierung in der Pflicht. Ministerpräsident Kretschmann hat noch am Sonntagabend unzweifelhaft klargestellt: Stuttgart 21 wird mit der Unterstützung der Landesregierung gebaut. Landesverkehrsminister Hermann wird sich an seinem Umgang mit Stuttgart 21 messen lassen müssen. Kritisch-konstruktiv zu begleiten, reicht nicht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Projektförderpflicht ist angesagt. Insofern steht er unter unserer verschärften Beobachtung. Sechstens. Ja, direkte Demokratie ist anstrengend; aber sie ist auch ein Beitrag zu politischer Kultur. Pro- und Kontrastände in bunter parteipolitischer Färbung konnten wir in den letzten Wochen und Monaten in Baden-Württemberg erleben. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Aber die SPD war nicht so sehr vorhanden!) Mancher Passant war verdutzt und irritiert. Die üblichen Schubladen passten nicht mehr. So zeigt sich Demokratie von ihrer besten Seite, wie ich finde. (Beifall bei der SPD) Deshalb gibt es auch keine Verliererinnen und Verlierer bei der Stuttgart-21-Debatte, sondern die Sache hat gewonnen. Stuttgart 21 wird gebaut. Schließlich: Ja, die Volksabstimmung verlangt auch von den Bürgern, das Ergebnis zu akzeptieren. Das Stuttgarter Ergebnis mit 52,9 Prozent für Stuttgart 21 hilft dabei - davon bin ich fest überzeugt -, eine befriedende Wirkung zu entfalten. Gerade die Projektgegner haben jetzt aber eine große Verantwortung. Trauern - ja. Doch es waren keine Verschwörungen und auch keine finsteren Mächte, die das Ergebnis herbeigeführt haben. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die SPD war aber auch nicht dabei!) Wer so argumentiert, der kann der direkten Demokratie nichts Richtiges abgewinnen. Auch das gehört zur ganzen Wahrheit. Schließen will ich mit einem Zitat von Tissy Bruns. Sie hat gestern im Tagesspiegel geschrieben: In der Volksabstimmung zeigt sich ein erfreulicher Common sense, den öffentliche Debatten in den letzten Jahren so oft vermissen ließen. Das Ergebnis hat nicht nur aufgeräumt mit der Vorstellung einer allmächtigen Bürgerwut. Es entmystifiziert auch die überzogenen Befürchtungen und Beschwörungen einer "Dagegen"-Republik, in der jeder und jede nur noch an den eigenen Vorgarten denkt. Die Energiewende wird schwierig; dass sie aber an den Widerständen doppelmoralischer Bürger scheitert, die keine Atomkraft wollen, aber den Netzausbau blockieren, ist sehr unwahrscheinlich. Die Bürger, hat sich in Stuttgart gezeigt, wollen mitreden, und sie lassen mit sich reden. Das finde ich ermutigend. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD - Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: So kann man sich eine Niederlage schönreden! - Gegenruf der Abg. Katja Mast [SPD]: Welche Niederlage denn?) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Patrick Döring das Wort. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Patrick Döring (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst erlaube ich mir, weil man das der Rede des geschätzten Kollegen Lange nicht so sehr anmerkte, die Bemerkung, dass die Mehrheit der Bevölkerung von Baden-Württemberg bereits bei der vergangenen Landtagswahl überwiegend für die Parteien, die für Stuttgart 21 waren, gestimmt hat; denn die SPD konnte man ja eindeutig dazuzählen. Deshalb war die Wahl als solche keine Abstimmung über dieses Projekt. Aber ich sage auch: Die Mehrheit vom vergangenen Sonntag bestätigt das, was der Kollege Strobl gesagt hat: Stadtrat, Landtag und Bundestag haben in ihren zahlreichen Entscheidungen für Stuttgart 21 nicht gegen den Willen des Volkes agiert, sondern den Geist und den Mut der Menschen ganz offensichtlich getroffen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die deutsche Bevölkerung ist demnach zukunftsfähiger, aufgeschlossener gegenüber Neuem und aufgeschlossener gegenüber Innovationen, als von einigen in diesem Hause gelegentlich der Eindruck erweckt wird. Die deutsche Bevölkerung ist offenbar auch viel mehr bereit, Opfer auf sich zu nehmen - in Stuttgart selbst durch jahrelange Bautätigkeit -, als hier gelegentlich geglaubt wird. Ja, die repräsentative Demokratie hatte bei diesem Thema in den vergangenen 15 Jahren offenbar den richtigen Riecher. Dafür dürfen wir all denjenigen, die daran über Jahrzehnte parlamentarisch beteiligt waren, durchaus auch einmal ein Kompliment machen. Demokratie funktioniert in diesem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich bin sehr dankbar, dass der Kollege Lange auf die Rolle der Landesregierung hingewiesen hat. Es gehört eben mehr zur Projektbeförderung durch einen Vertragspartner als konstruktiv-kritische Begleitung. Der Finanzierungsvertrag gilt. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollten Sie nicht eigentlich über den Standort Deutschland sprechen?) Deshalb erwarte ich, dass auch die Landesregierung ihren Teil dazu beiträgt, die jetzt entstandene zwölfmonatige Verzögerung bei der Realisierung des Projekts durch schnelles Verwaltungshandeln ein Stück weit aufzuholen. Es muss aufhören, dass die von Herrn Minister Hermann in Dienst gestellten früheren Demonstranten in seinem Ministerium Häcksel in die Wurst schneiden. Sie müssen endlich damit anfangen, das Projekt wirklich zu befördern, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na, na! Jetzt reicht es aber! Nicht im Ton vergreifen!) Am letzten für die Grünen in diesem Hause so schmerzlichen Sonntag hat auch ein Bundesparteitag der Grünen stattgefunden. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Oh ja!) Ich will mir, weil wir über Mobilität und Verkehr sprechen, bei dieser Gelegenheit erlauben, dieses Hohe Haus, aber auch die Zuhörerinnen und Zuhörer auf die verkehrspolitisch und mobilitätspolitisch relevanten Entscheidungen hinzuweisen, die dort getroffen wurden. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Hochinteressant!) Sie haben sich in Ihrem Beschluss dazu bekannt, dass Sie mit Steuern steuern wollen. Sie wollen nicht nur in eine ganz andere Richtung steuern, nein, Sie wollen den Menschen in Wahrheit ihr Lebensgefühl und ihre Lebensart diktieren. Dazu sagen wir: Das ist der falsche Weg, um die Menschen mitzunehmen - auch in der politischen Debatte. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Florian Pronold [SPD]: Gilt das auch für das Betreuungsgeld?) Sie haben entschieden, die Pendlerpauschale zu streichen und damit den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte für Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die jeden Morgen viele Kilometer auf sich nehmen, um ihrer Arbeit nachzugehen, ihr Leben schwerer zu machen, deren Steuerlast zu erhöhen und damit leistungsfeindliche Anreize zu setzen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig lesen hilft!) Das ist falsch. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sie haben sich dafür entschieden, die Lkw-Maut zu einer Schwerverkehrsabgabe umzubauen und damit auf allen Straßen in Deutschland für alle Fahrzeuge schwerer als 3,5 Tonnen Gebühren zu erheben. Das ist leistungsfeindlich für die vielen Handwerkerinnen und Handwerker in Deutschland, die Arbeitsplätze schaffen, für den Mittelstand und für das örtliche Gewerbe. Das ist falsch in der sozialen Marktwirtschaft. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Obwohl Deutschland als eines der wenigen Länder auf der Erde bereits eine Luftverkehrsabgabe erhebt, haben Sie sich entschieden, zusätzlich als einziges Land auf der Welt Kerosin zu besteuern. Das ist falsch in einem Land, das vom Export lebt, das international denkt und handelt und das vor allen Dingen ohne Luftfracht nicht existieren könnte. Auch das eine falsche Entscheidung. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Noch viel besser finde ich, dass Sie die tolle Idee geboren haben, die Besteuerung von Mineralöl zukünftig an einen Verbraucherpreisindex zu koppeln. Man muss dazu wissen, dass die Inflation in diesem Bereich seit 1999 etwas höher als insgesamt war. Das würde dazu führen - ich habe das heute einmal ausgerechnet -, dass die Mineralölsteuer für 1 Liter Diesel um etwa 5 Cent und danach jedes Jahr um die Teuerungsrate des Energiepreises steigen würde. Es gibt dann also noch extra einen Anreiz dafür, dass der Staat nicht preismildernd eingreift, zum Beispiel durch die Zerschlagung von Kartellen, sondern preistreibend. (Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Unsozial!) Wer das in der Steuerpolitik tatsächlich realisieren will, ist auf dem falschen Dampfer und handelt wieder leistungsfeindlich und entgegen den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Horrorszenario! - Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und mit Ihrer Politik sind Sie ja auch so beliebt!) Ein Letztes. Sie haben den schönen Satz beschlossen - ich will ihn deshalb hier vorlesen, weil er so unfassbar ist -: Die Bundesregierung muss endlich ihre Blockadepolitik gegen Möglichkeiten aufgeben, Sanktionen nicht nur bei übermäßigen Defiziten, sondern auch bei übermäßigen Leistungsbilanzüberschüssen verhängen zu können, um makroökonomische Ungleichgewichte abzubauen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Aha! - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Das ist eine Verelendungsstrategie für das Exportland Deutschland. Wir müssen uns für die Leistung unserer Wirtschaft nicht entschuldigen - nicht bei Ihnen und bei niemand anderem in Europa. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Entschuldigen Sie sich lieber für die Strategie der FDP! Da ist viel zu tun!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Sabine Leidig von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sabine Leidig (DIE LINKE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir haben in der vergangenen Woche erlebt, wie die Projektbetreiber einen Machtkampf um Stuttgart 21 organisiert haben - Goliath gegen David, sozusagen. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ach je!) Die Freundinnen und Freunde des Kopfbahnhofes sind unterlegen. So ist es. Es würde sich lohnen, sich die Bedingungen, die Irreführungen und die konkreten Ergebnisse dieser Volksabstimmung im Detail anzuschauen. Aber das würde meine Redezeit hier sprengen. Nur so viel: In der Stadt Stuttgart haben über 47 Prozent für den Ausstieg gestimmt. Die Bevölkerung ist tief gespalten. Daran sind die Grünen in der Landesregierung mit schuld, weil sie die offensichtlichen Fehler dieses Projektes nicht zum Ausstieg genutzt haben, sondern auf Koalitionsfrieden mit der SPD setzen. Damit bin ich bei dem Thema, das tatsächlich auf die Tagesordnung des Bundestages gehört: Stuttgart 21 ist zum Scheitern verurteilt, so oder so, weil eine Reihe ganz gravierender Probleme überhaupt nicht gelöst ist. Davon will ich hier nur zwei herausgreifen: Erstens: die Kostenfrage. Bereits am Tag nach der Volksabstimmung hat Bahnchef Grube angedeutet, was alle schon längst wissen: Bereits vor Baubeginn ist die Kostenobergrenze von 4,5 Milliarden Euro überschritten. (Steffen Bilger [CDU/CSU]: Quatsch!) Jeder hier im Plenarsaal weiß, dass bis ins nächste Jahrzehnt hinein 7 Milliarden Euro und mehr für dieses Projekt fällig werden, aber Bund, Land und Stadt haben erklärt, keine Mehrkosten zu tragen, und die DB AG weigert sich, die Kostenübernahme zuzusichern. Was bedeutet das? Wenn angefangen wird, zu graben, könnten Bauruinen entstehen. Die Anlagen können nämlich erst dann in Betrieb genommen werden, wenn sie vollständig fertiggestellt sind. Wir werden etwas Ähnliches erleben wie bei der Hochgeschwindigkeitsstrecke Nürnberg-Erfurt, wo seit Jahren So-da-Brücken in der Landschaft stehen, Brücken, die einfach so da stehen, weil das Bauprojekt nicht fertiggestellt wird. Der Unterschied ist, dass die gigantische Bauruine inmitten der Landeshauptstadt liegen wird. (Patrick Döring [FDP]: Das liegt aber nicht an der Bahn! Das liegt daran, dass Sie die Leute auf die Zinnen bringen!) - Nein, das liegt daran, dass das Geld nicht reicht. (Patrick Döring [FDP]: Das stimmt nicht! Die Planfeststellungsprozesse werden auch verzögert!) Als zweiten Punkt nenne ich den Schaden für die Schiene. Dieser Punkt ist der allergravierendste. Die Argumente dafür, dass dieses Projekt der Schiene schadet, waren von Anfang an der wichtigste Einwand gegen den Tunnelbahnhof. Das hat auch in der Faktenschlichtung eine zentrale Rolle gespielt. Ich erinnere an den Schlichterspruch von Heiner Geißler vor etwa einem Jahr, an den sich alle Projektbeteiligten quasi wie an einen Urteilsspruch gehalten haben. Dort heißt es: Die Deutsche Bahn AG muss dabei den Nachweis führen, dass ein Fahrplan mit 30 Prozent Leistungszuwachs in der Spitzenstunde mit guter Betriebsqualität möglich ist. Im Sommer dieses Jahres hat die Bahn verkündet: Unsere Überprüfung der Simulationsergebnisse hat gezeigt, dass die geforderten 49 Ankünfte im Hauptbahnhof Stuttgart in der am meisten belasteten Stunde ... abgewickelt werden können. Auch dazu haben Sie hier in einer Aktuellen Stunde triumphiert, während das Aktionsbündnis aus guten Gründen gezweifelt hat. Nun ist vergangene Woche bekannt geworden, dass die Ergebnisse dieses Stresstests falsch sind. Die Fakten über die Fälschung sind auf der Internetplattform WikiReal nachzulesen. Sie wurden von Dr. Engelhardt zusammengetragen, der als Sachverständiger an der Stresstestpräsentation teilgenommen hat. Das ist unter anderem im ZDF-Magazin Frontal 21 dokumentiert und durch einen der bekanntesten Verkehrswissenschaftler im deutschsprachigen Raum bestätigt worden, Professor Knoflacher. Demnach hat die Bahn systematisch gegen die Richtlinie verstoßen, die für eine solche Simulation maßgebend ist, nämlich die Richtlinie mit der Bezeichnung "Fahrwegkapazität R 405". Tatsächlich können in der Spitzenstunde nämlich nicht 49, sondern maximal 38 Züge abgefertigt werden. Was bedeutet das? Das sind weniger Züge als im heutigen vernachlässigten Kopfbahnhof und nur 60 Prozent von dem, was ein ertüchtigter Kopfbahnhof leisten könnte. (Zuruf von der LINKEN: Das nenne ich Betrug!) Das ist der Punkt, an dem die Bundesregierung eingreifen muss, Herr Ramsauer. Die Untersuchung zeigt, dass mit Stuttgart 21 faktisch ein Rückbau der Eisenbahninfrastruktur des Bundes geplant ist. (Patrick Döring [FDP]: Quatsch! Sie haben es wieder nicht begriffen! Das ist einfach die blanke Unkenntnis, die Sie hier vortragen!) Da können Sie sich nicht einfach zurücklehnen und sich damit herausreden, dass es sich um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn handelt. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Was interessieren mich die Fakten, wenn ich die Ideologie habe?) Mit Stuttgart 21 wird der entscheidende Bahnknoten in Südwestdeutschland enger gezogen. Es wird ein Nadelöhr geschaffen. Dafür sollen Milliarden Euro an Steuergeldern fließen. Wenn Sie es mit dem Standort Deutschland gut meinen, dann dürfen Sie nicht zulassen, dass die Eisenbahn in ihrer zukünftigen Entwicklung behindert wird. (Beifall bei der LINKEN) Wir werden nicht nachlassen, die Fakten auf den Tisch zu bringen. Die Linke will dazu beitragen, dass Stuttgart 21 aus vernünftigen Gründen scheitert und nicht im Desaster endet. (Steffen Bilger [CDU/CSU]: Nicht nötig!) Ich fordere Sie auf, Herr Ramsauer: Übernehmen Sie die Verantwortung, und wenden Sie Schaden von der Bahninfrastruktur in diesem Land ab! Danke. (Beifall bei der LINKEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das war: Die Partei hat halt immer recht! - Florian Pronold [SPD]: Zu optimistisch, was Ramsauer anbetrifft!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Fritz Kuhn von Bündnis 90/Die Grünen. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Jetzt wird es dialektisch!) Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde heißt: Standort Deutschland sichern - S 21 zügig umsetzen und grüne Pläne zur Belastung des Mittelstands stoppen. - Ich kann nur sagen: Jedem Zehntklässler in Deutschland würde man diese Formulierung um die Ohren hauen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber nur bei grünen Lehrern!) Wenn Sie in Zukunft einmal Formulierungshilfen brauchen, können Sie sich gerne an meine Fraktion wenden. Wir beherrschen so etwas, Herr Kauder. Ich kann zur Abstimmung über Stuttgart 21 nur sagen, Herr Kauder: Damit hat die grün-rote Regierung dem Land und der Demokratie einen großen Gefallen getan. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Was ihr in 17 Jahren nicht geschafft habt - so lange läuft das Ganze schon -, ist jetzt durch einen Volksentscheid entschieden worden. Selbstverständlich werden wir als Grüne - das hat die Landesregierung immer zum Ausdruck gebracht - uns an dieses Votum halten und Stuttgart 21 jetzt umsetzen, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Sie sehen das jetzt demokratieexperimentell! konstruktiv-kritisch, Herr Kauder. Das bedeutet: Es gibt einen vereinbarten Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro. Vor dem Entscheid hat Herr Grube noch gesagt: Es ist kein Problem, ihn einzuhalten. - Seit Montag ist ihm der Kupferpreis eingefallen, wodurch es eventuell doch teurer wird. Aber wir werden auf den Kostendeckel achten: 4,5 Milliarden Euro. Der Landesanteil kann nicht zunehmen; die Bahn muss sich eben darum kümmern, wie sie das finanziert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der FDP: Das ist nicht vereinbart, wie damit umzugehen ist!) Wichtig ist, dass Ihre These "Das ist jetzt gut für den Standort Deutschland" ein bisschen überhöht ist, Herr Strobl. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir werden weiter die Frage stellen: Was ist gut für den Standort Deutschland? Es könnte sein, dass die Milliarden, die jetzt für den unterirdischen Bahnhof verwendet werden - wie gesagt, wir akzeptieren die Entscheidung -, an anderen Stellen auch in Baden-Württemberg fehlen und Schieneninfrastruktur dann nicht mehr gebaut werden wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir sind sehr gespannt, ob Herr Ramsauer die Rheintaltrasse oder die Strecke Frankfurt-Mannheim in den Investitionsplan aufnehmen wird oder ob die Mittel dafür fehlen. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Jetzt kommt ihr mit den alten Geschichten! Schlechte Verlierer seid ihr!) Das werden wir genau verfolgen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ihr seid die Neinsagerpartei! Ihr wollt das doch gar nicht!) Interessant ist jedenfalls, dass Sie auf einmal, obwohl Sie die Volksabstimmung im Landtag immer abgelehnt haben, dies alles toll finden. Wir sind sehr gespannt darauf, ob für CDU/CSU und FDP daraus folgt, Volksbegehren in Zukunft zu erleichtern, und wie Sie dieses Thema auf der Bundesebene verorten wollen. (Patrick Döring [FDP]: Das haben wir doch in der vergangenen Wahlperiode beantragt! - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ihr hättet es längst haben können! Warum habt ihr denn dagegen gestimmt?) Sonst wird Ihre Begeisterung nämlich als taktische Begeisterung in die Geschichte eingehen, die keine fünf Tage lang anhält. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich rate Ihnen, Herr Strobl: Wenn man gewonnen hat, dann muss man souverän sein und sich freuen, statt zu brüllen wie von der Tarantel gestochen. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wenn man verloren hat, aber auch, mein lieber Herr Kuhn! - Volker Kauder [CDU/CSU]: Schlechte Verlierer seid ihr! - Gegenruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr seid schlechte Gewinner!) Seien Sie doch einfach souverän und freuen Sie sich, dass Sie nach der verlorenen Landtagswahl jetzt eine Volksabstimmung gewonnen haben! In dieser Debatte soll es angeblich auch um Wirtschaftspolitik, Belastung des Mittelstands und was auch immer gehen. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Abwürgen des Mittelstands!) Dazu will ich noch wenige Punkte ansprechen. Herr Döring, Sie haben gesagt, wir würden das Fliegen verteuern. Ich kann Ihnen ehrlich sagen: In dem Beschluss, den wir gefasst haben, haben wir in der Tat die Frage gestellt: Wie kann es mit der ökologischen Steuerreform weitergehen? Ich sage Ihnen, warum: Wir finden, dass eine Marktwirtschaft heute eine ökologische Marktwirtschaft sein muss, in der die Preise die ökologische Wahrheit sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir machen uns Gedanken, während von Ihnen nur "Blockade", "Nein", "Nichts", "Wollen wir nicht", "Geht nicht", "Stillstand" usw. kommt. (Patrick Döring [FDP]: Im internationalen Luftverkehr, aber nicht national allein! Sie haben es nicht begriffen!) Sie haben noch gar nicht begriffen - deswegen stehen Sie in Umfragen in Baden-Württemberg und im Bund jetzt bei 3 Prozent -, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: In Berlin 1 Prozent! Das ist die Wahrheit! 1-Prozent-Partei!) dass die Menschen in Deutschland eine ökologische Politik wollen, aber nicht den Murks, den Sie veranstalten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der FDP: Sie wollen die Ökodiktatur!) Herr Strobl, dass hohe Leistungsbilanzüberschüsse ebenso wie hohe Leistungsbilanzdefizite in einem Gemeinschaftsmarkt mit einer gemeinsamen Währung schwierig sind und ein Problem darstellen, können Sie in jedem Volkswirtschaftshandbuch nachlesen. Ich finde es erstaunlich, wie wenig Ahnung die FDP inzwischen bei solchen Fragen an den Tag legt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Patrick Döring [FDP]: Sie wollen den stärksten Teil Europas noch schwächer machen!) Wir haben uns auf dem Parteitag eine Frage gestellt, die bei Ihnen bisher noch fehlt, nämlich: Wie kann man die 40 Milliarden Euro, um die sich Bund, Länder und Gemeinden heute noch verschulden, bewältigen? Wir haben Vorschläge gemacht, zum Beispiel eine einmalige Vermögensabgabe, (Dr. Daniel Volk [FDP]: Steuererhöhungen! Das ist der einzige Vorschlag!) mit der wir 100 Milliarden Euro Schulden, durch die Finanzkrise und die Konjunkturprogramme verursacht, tilgen wollen. Wir sind die erste Partei, die sagt, wie man Schulden tilgen kann. Sie sagen nur immer, wie man sie erhöhen kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die große Kostenexplosion gibt es in den grünen Ministerien in Baden-Württemberg!) Der Haushalt, den Sie vorgelegt haben, hat dies entsprechend dargestellt. Deswegen rate ich Ihnen: Wenn Sie wieder solche depperten Titel für eine Aktuelle Stunde auswählen, denken Sie besser vorher nach. Das hätte sicherlich geholfen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Volker Kauder [CDU/CSU]: Arrogantes Gehabe! Oberlehrer!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Stefan Kaufmann von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss zunächst noch etwas zurechtrücken, lieber Kollege Kuhn. Sie, die Grünen, haben im Herbst 2010 im Landtag die Absenkung des Quorums auf 25 Prozent verhindert. Das muss hier einfach einmal klargestellt werden. (Beifall bei der CDU/CSU - Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Hört! Hört!) Seit Sonntag haben wir Gewissheit: Stuttgart 21 ist nicht nur von den Parlamenten mehrfach demokratisch legitimiert worden, nein, es entspricht auch dem klaren Willen der deutlichen Mehrheit der Bevölkerung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Bürgerinnen und Bürger haben der grün-roten Regierung gezeigt, dass sie ihre Steuergelder lieber in die Zukunftsfähigkeit von Stadt, Region und Land investiert haben wollen als in die Finanzierung von Nostalgie oder die Erfüllung hoher Schadensersatzforderungen. Nun wissen wir auch, dass die Grünen und Teile der Medien Augenwischerei betrieben haben, als sie immer so taten, als ob ganz selbstverständlich eine Mehrheit im Land gegen das Projekt sei. Die sogenannten Wutbürger wurden schlichtweg von der bisher schweigenden Mehrheit überstimmt. Dies scheint der Münchner SPD-Oberbürgermeister Ude genauso zu sehen: Er plant einen Volksentscheid für die dritte Startbahn des dortigen Flughafens mit der Begründung - ich zitiere -: Es soll den Grünen nicht gelingen, wie bei Olympia in Garmisch oder bei Stuttgart 21 viele Monate zu behaupten, sie würden im Namen der Bürger sprechen, und erst am Ende zeigt sich: Es gibt keine Mehrheit! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Er fährt fort: Der Glaubenskrieg um Verkehrsprojekte kann die Grünen die Politikfähigkeit kosten. (Zuruf von der CDU/CSU: Die waren noch nie politikfähig!) Für uns Projektbefürworter gilt es nun, den Kritikern die Hand zu reichen und alle einzuladen, sich konstruktiv einzubringen und das Projekt zu begleiten. Nutzen wir die Chance, in Stuttgart die Spaltung der Stadtgesellschaft zu überwinden und den Konflikt zu befrieden! Möglichkeiten gibt es genug: Auf Initiative von Oberbürgermeister Schuster wird noch im Dezember das erste Bürgerforum starten. Auch die Bahn hat mehrfach erklärt, dass sie den Austausch mit den Bürgern intensivieren wird. Insbesondere bei den anstehenden Planfeststellungsbeschlüssen für die Anbindung des Flughafens muss es einen echten Dialog geben. Ich begrüße es zudem ausdrücklich, dass Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer an einem Gesetz arbeitet, das Verwaltungsverfahren bei Infrastrukturprojekten übersichtlicher gestalten und Bürger noch vor Beginn des Planfeststellungsverfahrens einbinden soll. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch!) Klar ist: Wir müssen Lehren aus den jahrelangen heftigen Diskussionen ziehen und über neue Formen der Bürgerinformation und -beteiligung nachdenken. Aber zur Beteiligung gehört auch, dass sich die Betroffenen selbst frühzeitig einbringen - und nicht erst, wenn die Bagger rollen und die Bäume gefällt werden. Ich selbst habe diese Rede übrigens dazu genutzt, die Bürgerinnen und Bürger im Wahlkreis im Vorfeld über Facebook zu beteiligen, indem ich um Vorschläge zum Inhalt dieser Rede gebeten habe. Die Resonanz auf dieses Demokratie-Experiment war grandios. (Florian Pronold [SPD]: Das hat für die Rede nichts gebracht! Tut mir leid!) So einfach, meine Damen und Herren und meine Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, kann eine Politik des Gehörtwerdens sein. Was Stuttgart 21 angeht, so steht fest: Querschüsse aus der Landesregierung und Irreführungen der Bürger durch den grünen Teil der Regierung sind nicht mehr länger hinnehmbar. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie schaden dem Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg und dem Vertrauen in Deutschland als Rechtsstaat. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht die Wirtschaft komischerweise ganz anders!) Schädlich ist auch, Frau Kollegin Leidig, wenn man nach der verlorenen Volksabstimmung nun fortlaufend monothematisch bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit erklärt, man wolle nicht mehr bezahlen als ursprünglich vereinbart. Im Finanzierungsvertrag ist klar geregelt, dass bei etwaigen Mehrkosten "Gespräche zwischen den Projektpartnern aufzunehmen sind". Nun kann man Verträge gut finden oder schlecht, sie als Vertragspartner zu ignorieren, ist unseriös. (Sabine Leidig [DIE LINKE]: Sie haben die Mehrheit, nicht wir!) Das Projekt wird bis Ende 2019 gebaut werden. Heute über Kostensteigerungen zu streiten, die vielleicht oder vielleicht auch nicht in einem halben Jahrzehnt auftreten, ist einfach nicht produktiv. Überdies scheint den Herren Kretschmann und Hermann nicht ganz klar zu sein, dass Wirtschaftsunternehmen wie die Deutsche Bahn allein schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen ein originäres Interesse daran haben, dass die Kosten im Rahmen bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich will mit einigen Forderungen schließen: Ich rufe die Bahn auf, den Bau nunmehr, wie angekündigt, zügig fortzusetzen und Stuttgart 21 im geplanten Zeitrahmen (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und im Kostenrahmen!) abzuschließen. Die Projektpartner rufe ich auf, sich zum Finanzierungsvertrag zu bekennen und die Bahn zu unterstützen. Das heißt auch: Wer Stuttgart 21 plus will, muss auch Stuttgart 21 plus bezahlen. Ich rufe die Grünen auf, ihre Beteiligung am Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 umgehend zu beenden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Eine Gruppierung, die das Ergebnis der Volksabstimmung - jedenfalls in Teilen - nicht akzeptiert, kann nicht mehr Dach für Handlungen einer Regierungspartei sein. Ich rufe die Grünen des Weiteren auf, nicht mehr alle Infrastrukturprojekte in der Bundesrepublik grundsätzlich abzulehnen, (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie brauchen nicht zu etwas aufzurufen, was wir noch nie getan haben!) sondern im Interesse des Landes auch einmal Ja zum Fortschritt zu sagen. Ich rufe das Aktionsbündnis auf, seine Demonstrationen zum Zwecke der Deeskalation vom Bahnhof weg zu verlagern (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wohin denn nun? Auf den Rasen, oder was? - Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wohin denn? In die CDU-Geschäftsstelle?) und unseren Polizei- und Ordnungskräften, die in den letzten Wochen und Monaten viel gelitten haben, wieder mit Respekt zu begegnen. Rücken Sie von Ihren Verschwörungstheorien ab und gestalten Sie die Zukunft von Stadt und Land mit! (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Daran haben sie kein Interesse!) Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Florian Pronold von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Florian Pronold (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kaufmann, wer Fortschritt organisieren und den Standort sichern will, der, glaube ich, muss für einen neuen Konsens bei Infrastrukturprojekten sorgen. Das bedeutet eine ganze Menge mehr als das, was wir heute in der Debatte bisher gehört haben. Ich freue mich, dass die Begeisterung für direkte Demokratie in der Union und in der FDP nach dem letzten Sonntag auf einmal so gewachsen ist. (Sören Bartol [SPD]: Das hat lange genug gedauert!) Aber vor diesem Sonntag schaute das ganz anders aus. (Patrick Döring [FDP]: Das war bei uns schon immer so!) Sie, die CDU, haben eine Landtagswahl in Baden-Württemberg verloren, (Markus Grübel [CDU/CSU]: 23 Prozent hatte die SPD!) weil Sie Angst vor dem Votum der Bürgerinnen und Bürger hatten. Sie haben ihnen misstraut und nicht geglaubt, dass sie zu vernünftigen Entscheidungen fähig sind. Das ist die Wahrheit. Sie hätten das alles ja nicht zu blockieren brauchen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auch die Grünen hatten große Bedenken bei dem Volksentscheid. Sie sind aber das Risiko wenigstens eingegangen. Das ist, so finde ich, lobenswert. Sie stehen auch in einer anderen Tradition. Sie hatten vielleicht geahnt, dass es keine Mehrheit für die Ablehnung von Stutt-gart 21 gibt, und waren deswegen ein bisschen vorsichtiger. Aber die Schlussfolgerung, die wir daraus ziehen müssen, ist doch: Wie stellen wir einen neuen Konsens bei Infrastrukturprojekten her? Da hilft es nicht, im Nachhinein Volksentscheide zu loben, sondern man muss sagen, was man in Zukunft tun will, um Bürgerinnen und Bürger besser beim Ob und Wie einer Infrastrukturplanung zu beteiligen. Sie selber haben das Planungsbeschleunigungsgesetz, das im Innenministerium erarbeitet wird - jetzt habe ich gehört, es werde neuerdings im Verkehrsministerium weiter bearbeitet; das weiß ich aber nicht -, gestoppt. (Patrick Döring [FDP]: Das ist in der Ressortabstimmung!) Es wäre übrigens ein Fehler, wenn dieses Gesetz diesen Titel behalten würde. Wenn es nämlich nur um Planungsbeschleunigung geht - ich halte es übrigens für wichtig, dass das geschieht -, (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Um beides muss es gehen: Beteiligung und Beschleunigung!) aber das Gesetz keine echte Bürgerbeteiligung, und zwar eine neue Form der Bürgerbeteiligung, beinhaltet, dann werden wir die Planungsbeschleunigung, die wir vielleicht erreichen, zum Schluss wieder verlieren, weil es eine ganze Menge Klagen geben wird. Es braucht einen neuen Konsens für Infrastrukturprojekte, und das heißt echte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Beteiligung und Beschleunigung!) Wir in Bayern haben die Debatte - Herr Kaufmann, Sie haben es angesprochen - über die dritte Startbahn. Da ist es ähnlich wie bei Stuttgart 21. Christian Ude und ich, wir haben bereits im Sommer den Vorschlag gemacht, die bayerische Verfassung zu ändern, um bayernweite Volksentscheide zu ermöglichen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das hat die CSU abgelehnt. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Hört! Hört!) Gestern höre ich, dass auch Horst Seehofer auf einmal dafür ist, aber nach dem Motto "Copy and paste" und ohne Quellenangabe. Guttenberg lässt grüßen. (Beifall bei der SPD - Sören Bartol [SPD]: Das kennen wir aus dem Ramsauer-Ministerium!) - Das kennen wir. - Eine echte Kultur der Bürgerbeteiligung heißt aber, dass man tatsächlich über das Ob reden können muss. Wenn Sie nämlich nur über bessere Information reden, was auch wichtig wäre - in diesem Zusammenhang muss man die Möglichkeiten des Internets nutzen -, es aber keine Möglichkeit gibt, über das Ob zu reden, dann handelt es sich um keine echte Bürgerbeteiligung. Dann fühlen sich die Menschen zu Recht hinter die Fichte geführt. Das darf nicht sein. Wir haben in der SPD-Bundestagsfraktion einen Infrastrukturkonsens auf den Weg gebracht. Wir werden das Planungsbeschleunigungsgesetz begleiten. Aber ich sage Ihnen ganz deutlich: Da muss eine Menge mehr als das passieren, was bisher bekannt ist. Das ist das Entscheidende. Lassen Sie uns doch nicht nach der Entscheidung zu Stuttgart 21 im Nachhinein ein Hickhack veranstalten. Die CDU erweckt allein durch den Titel der Aktuellen Stunde den Eindruck, dass es jetzt darum geht, die letzte Wahlniederlage psychologisch aufzuarbeiten. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ja!) Lassen Sie uns die Aktuelle Stunde vielmehr dafür nutzen, zu überlegen, wie wir die Bürgerinnen und Bürger besser beteiligen können. Dazu gehört die Frage des Monitorings, die Frage der Information und die Frage, wie Bürgerinnen und Bürger auf Augenhöhe mit der Verwaltung beteiligt werden können. Dazu gehört auch die Beantwortung der Fragen: Wie beschleunigen wir das Ganze? Wie können wir dafür sorgen, dass die Prozesse schneller ablaufen? Ich glaube, dass es dann, wenn man die Bürgerinnen und Bürger früher an den Entscheidungen, auch über das Ob, beteiligt, gelingen kann und gelingen muss, im Gegenzug die Verfahren zu beschleunigen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das, was wir in Stuttgart erlebt haben, kann ja nicht richtig sein: dass 17 Jahre, nachdem das Verfahren gestartet worden ist, (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Nach 23 Jahren!) Baubeginn ist. Bürgerfeindlich ist übrigens auch, wenn Verfahren so lange dauern. Es wäre eine wichtige Aufgabe für dieses Haus, jetzt, kurz nach diesem - aus Sicht der Mehrheit gut ausgegangenen - Volksentscheid, nicht nur Lippenbekenntnisse zu äußern und auf einmal das Hohelied der Demokratie zu singen, sondern dafür zu sorgen, dass in einem Bereich, in dem "mehr Demokratie" normalerweise nicht stattfindet, nämlich bei der Planung von Infrastrukturprojekten, künftig mehr Demokratie praktiziert wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Daniel Volk. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Daniel Volk (FDP): Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Pronold, Sie haben mit der Forderung, wir müssten jetzt einen neuen Konsens für Infrastrukturprojekte schaffen, eigentlich unterstellt, dass es zuvor keinen Konsens gegeben habe. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das haben wir ja erlebt!) Ich möchte dem ganz deutlich widersprechen. Ich glaube, wir haben über die mehr als 15 Jahre Planung des Projekts Stuttgart 21 durchgehend einen Konsens gehabt. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 17 Jahre! - Gegenruf des Abg. Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: 23 Jahre!) Es gab auch eine Bürgerbeteiligung: mehr als 3 000 Eingaben. In der Volksabstimmung am letzten Sonntag hat sich dieser Konsens noch einmal deutlich abgebildet. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Insofern sehe ich nicht, dass hier ein neuer Konsens herbeigeführt werden muss, sondern es muss der Konsens, den wir über Jahre hatten, beibehalten werden. (Beifall des Abg. Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]) Ich halte es für vollkommen sinnvoll, dass hier eine Aktuelle Stunde angesetzt wird, in der die beiden Themen, nämlich die Verhinderung von wichtigen Infrastrukturmaßnahmen durch die Grünen und die von den Grünen beabsichtigte Steuerpolitik, behandelt werden. Eines wird klar: Durch die Verhinderung von wichtigen Infrastrukturprojekten einerseits, durch massive, geradezu unverschämte Steuererhöhungen andererseits, die die Grünen für den Fall einer Regierungsbeteiligung ankündigen, wird ein Frontalangriff seitens der Grünen gegen den deutschen Mittelstand, gegen die deutsche Mittelschicht, gegen die Zukunft unseres Landes gefahren. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte Ihnen nur ein paar Punkte aus dem fantastischen Steuerbeschluss der Grünen vom Wochenende darlegen. Sie sagen, der Staat müsse mehr Steuern einnehmen, damit er Schulden abbauen kann. In den Bundesländern, in denen Sie Regierungsverantwortung tragen, fällt auf, dass Sie zusätzliche Steuereinnahmen nicht zum Schuldenabbau verwenden. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Baden-Württemberg machen wir das schon!) Vielmehr stellen Sie in Baden-Württemberg großzügig neue Stellen für Demonstranten gegen Stuttgart 21 zur Verfügung. (Florian Pronold [SPD]: 17 Milliarden neue Verschuldung!) In Nordrhein-Westfalen müssen Sie sich vom Verfassungsgerichtshof schwarz auf weiß erklären lassen, dass Sie einen verfassungswidrigen Haushalt aufstellen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Was reden Sie denn? - Florian Pronold [SPD]: Waren Sie in der Haushaltswoche nicht da?) Ich kann Ihnen nur eines sagen: Mehr Steuereinnahmen werden von den Grünen niemals in den Abbau von Staatsverschuldung gesteckt, sondern immer für eine Ausgabenerhöhung verwendet. Das Schlimmste an dieser Sache ist: Dieses Geld wird in sinnlose Ausgaben gesteckt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Der letzte Demonstrant wird noch eingestellt! - Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht für Hoteliers!) Ich möchte Ihnen hier einfach einmal einen Schlüsselsatz aus Ihrem Beschluss vorlesen: (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Hotelsteuer!) ... Finanz- und Haushaltspolitik ... darf nicht im engen Gewand des strengen Kassenwarts daherkommen. So Ihr O-Ton. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal weiter! Einen Halbsatz weiter!) Das ist genau der Schlüsselsatz, der zeigt: Sie wollen den Bürgern nur noch mehr Geld wegnehmen, damit Sie noch mehr Geld für sinnlose Dinge ausgeben können. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn man sich dann einmal direkt die steuerpolitischen Vorschläge anschaut, so stellt man fest, dass die Grünen die Linkspartei mittlerweile links überholen. Da wird eine Vermögensabgabe und in der Ferne eine Vermögensteuer vorgeschlagen, die allerdings nicht nur private Vermögen, sondern auch betriebliche Vermögen belasten soll. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutsches Recht!) Interessant, dass Sie dies fordern. Die Linkspartei fordert ja mit der Vermögensteuer "nur" die Belastung des privaten Vermögens. Erklären Sie doch bitte einmal dem Mittelstand oder kleinen Handwerksbetrieben, dass sie auf Betriebsfahrzeuge Vermögensteuer zahlen sollen. Das ist doch insgesamt ein Angriff auf die Kapitalbasis des Mittelstandes. Das kann diesem Lande nicht guttun. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das trifft doch keine Kleinen! Lesen können Sie auch nicht!) In der Überschrift wird von einem "solidarischen Finanzkonzept" gesprochen, im Text ist dann aber die Rede von einer "massiven Erhöhung der Grundsteuer". Sie wollen die Grundsteuer massiv erhöhen, indem Sie als Bemessungsgrundlage den Verkehrswert der jeweiligen Immobilie ansetzen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch richtig so!) Das wird zwangsläufig dazu führen, dass sich die Grundsteuer massiv erhöht. Jetzt frage ich mich nur, wie solidarisch es ist, dass der Vermieter, (Patrick Döring [FDP]: Was werden die deutschen Mieter dazu sagen!) der möglicherweise mehrere Wohnungen hat, also ein Vermögender, diese massiv erhöhte Grundsteuer als umlagefähige Nebenkosten seinem Mieter, der sich gerade einmal eine Wohnung zur Miete leisten kann, in Rechnung stellt. Wie solidarisch ist eigentlich Ihr Finanzkonzept? (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Florian Pronold [SPD]: Die FDP als Mieterschutzpartei! Ganz was Neues!) Ich kann nur eines sagen: Das Finanzkonzept der Grünen ist weder solidarisch noch solide. Das Einzige, was es ist: Es ist grün und damit auf jeden Fall zu verhindern. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür müssen Sie erst einmal in den nächsten Bundestag kommen!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Ute Kumpf von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Ute Kumpf (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werter Kollege Dr. Volk, ich glaube, Sie haben am Sonntag gepennt. Wir hatten am Sonntag einen Volksentscheid, und Baden-Württemberg hat entschieden. Erst durch diesen Volksentscheid ist für das Projekt Stutt-gart 21 Klarheit geschaffen worden. Das müssten Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das war vorher schon klar!) Ich kann mich gut erinnern: Wie wurden wir hier vor 15 Monaten mit Häme überschüttet, wie sehr wurden wir als dumm und dusselig dargestellt, als wir diesen Volksentscheid ins Spiel gebracht haben! (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Zu Recht!) Der Kollege Kauder und der Kollege Strobl, auch der Kollege Pfeiffer, auch der Kollege Kaufmann, auch die Frau Maag, Sie alle waren dagegen. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Gegen was?) Wer war denn noch dagegen? Auch der Kollege Kuhn und die Grünen im Landtag waren dagegen. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Landtag nicht!) Auch die FDP war dagegen. (Patrick Döring [FDP]: Das ist schlicht gelogen! Das stimmt nicht! Wir waren nicht dagegen!) Jetzt lassen Sie sich auf einmal feiern, als wären Sie der Urheber des Ganzen und hätten es zum Erfolg geführt. Bitte bleiben Sie einmal bei der Wahrheit! (Beifall bei der SPD - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die Einzigen, die dagegen waren, waren Sie von der SPD!) Es zeigt sich, dass dieser Vorschlag, eine Volksabstimmung durchzuführen, richtig war und dazu beigetragen hat, dass es zu einer Versöhnung der widerstreitenden Parteien gekommen ist, zumindest im Hinblick auf die Frage, die jetzt am Sonntag geklärt wurde. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Zu einer Versöhnung innerhalb der rot-grünen Landesregierung! - Dr. Erik Schweickert [FDP]: Genau so ist es!) Lieber Kollege Strobl, es ist keine Zeit für Triumphgeheul. Sie müssten schon ein bisschen im eigenen Hause kehren und nachschauen, welchen Anteil die CDU an dem Konflikt um Stuttgart 21 hat. Insbesondere Ihr OB hat für Verwirrung gesorgt: Er hat 2004 einen Bürgerentscheid in Aussicht gestellt und ihn dann doch nicht stattfinden lassen, er hat nicht informiert und die Leute nicht, wie es so schön heißt, mitgenommen, und, und, und. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Da hat jemand die letzte OB-Wahl noch nicht verdaut!) Bleiben Sie auf dem Teppich! Ich glaube, es tut uns allen hier gut, aus der Auseinandersetzung um dieses Projekt zu lernen und unsere Lehren daraus zu ziehen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Bei den Grünen, ja!) Ich denke, es ist eher Demut angesagt, schlichtweg Demut. Auch die CDU sollte sich an die Nase fassen. Es wurde uns nämlich mit dieser Entscheidung am Sonntag Verantwortung übertragen und auch Vertrauen geschenkt, dass das, was wir zur Entscheidung vorgelegt haben, auch richtig ist, dass wir das, was wir in der Auseinandersetzung besprochen haben, auch einhalten. Dieses Vertrauen, das uns geschenkt wurde, gilt für uns alle hier im Parlament. Es gilt aber auch für das Verkehrsministerium und für die Bahn. Dieses Vertrauen darf nicht wieder enttäuscht werden, sonst kann dieses Projekt nicht zügig und auch nicht sinnvoll zu Ende geführt werden. (Beifall bei der SPD - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Muss man den Grünen sagen, ja!) Es hat sich auch gezeigt, dass direkte Demokratie nicht zwangsläufig eine Dagegen-Bewegung ist. (Patrick Döring [FDP]: Hat keiner behauptet!) Sie stellt eine große Chance dar, dass Projekte zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern endgültig zu einem guten Abschluss gebracht werden. Ich will gern Tissy Bruns, eine sehr kluge Journalistin, zitieren, die geschrieben hat: Der Wutbürger ist im Licht der Abstimmung klein geworden, viel kleiner als er im Scheinwerferlicht der Medien vor einem Jahr schien. (Patrick Döring [FDP]: Recht hat sie!) Das heißt, Verantwortung haben auch die Medien, und zwar dafür, wie sie solche Projekte begleiten, wie sie für Transparenz und Information sorgen und auch die Kommunikation organisieren. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass man auch dies einmal untersucht und beleuchtet. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das heißt, Kollege Strobl, die CDU wird ja nicht so dumm sein, sich einzuigeln und jetzt so zu tun, als hätte sie alles schon vorher gewusst. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Machen wir nicht!) Ich hoffe, die CDU lernt dazu, nicht zu viel, damit sie in Baden-Württemberg nicht so erfolgreich wird. (Heiterkeit) - Das hat immer Kollege Rommel zu mir gesagt. Er hat gesagt: Frau Kumpf, ich wünsche Ihnen viel Erfolg, aber nicht zu viel. Es hat sich gezeigt, dass die Wirtschaftsbürger keinen Polizeieinsatz im Schlossgarten wollen; denn es könnten ihre Kinder oder ihre Enkel dabei sein. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sicher nicht!) Solche Projekte können also nicht mit der Polizei und mit Knüppeln durchgedrückt werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) - Klatschen, genau. Jetzt kommen die Grünen an die Reihe (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt kriegen wir eins aufs Dach!) und auch die Linken. Viele von uns haben so wie ich maßlos darunter gelitten, wie mit uns Abgeordneten umgegangen worden ist, dass die Grünen und die Linken nicht dagegengehalten haben, als Parlamentarier diffamiert und als Lügenpack und alles Mögliche verschrien wurden. (Zurufe von der FDP: So ist es!) Das heißt, es muss auch wieder eine politische Kultur Einzug halten, sodass man unterschiedliche Positionen sachlich und sauber miteinander diskutiert. Es steht uns an, aus diesem Projekt auch zu lernen. (Beifall bei der SPD und der FDP) Stuttgart hat gezeigt, dass die bisherigen Beteiligungsverfahren nicht ausreichen. Vor 17 Jahren wurde das eben nicht zur Abstimmung gestellt. Wir müssen uns hier weiterentwickeln. Nicht nur das Planungsbeschleunigungsgesetz ist nötig; Beteiligungsformen, ein Pflichtenheft für Beteiligung und vor allem für Information und Kommunikation müssen bei großen Infrastrukturprojekten vorgeschrieben und Standard werden. Alle müssen qualifiziert werden, betroffene Bürger nicht als Gegner, sondern als Zuspieler und Mitspieler zu begreifen, damit wir Infrastrukturprojekte wirklich in eine gute Zukunft führen. Ich will mit einem guten Spruch von Robert Bosch schließen, der gesagt hat: "Lieber Geld verlieren als Vertrauen". Es ist ganz wichtig, dass wir nicht weiter das Vertrauen in dieses Projekt verspielen und dass wir darangehen, es zügig umzusetzen. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Ulrich Lange von der CDU/ CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ulrich Lange (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In Baden-Württemberg wurden die schreienden Wutbürger auf der Straße von der schweigenden Mehrheit, nämlich, wenn man es richtig rechnet, von 80 Prozent, einfach überrollt. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie haben Sie denn das gerechnet?) Oder wie die FAZ sagt: Das Volk hat der Straße gezeigt, wo es langgeht. (Beifall bei der CDU/CSU - Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 25 Prozent!) Jetzt, lieber Kollege Kuhn, beginnt für die grüne Regierung in Baden-Württemberg der echte Stresstest, und den werden wir auch entsprechend begleiten. (Florian Pronold [SPD]: Können wir den anderen Lange wieder haben?) Der vergangene Sonntag hat aber auch gezeigt: Die Bürgerinnen und Bürger sind bei weitem klüger, als wir denken oder als wir es hier manchmal diskutieren. Sie wissen nämlich, wie man mit langfristig notwendigen Investitionsentscheidungen umgehen muss (Florian Pronold [SPD]: Herr Präsident, bitte den anderen Lange wieder! - Heiterkeit bei der SPD) und dass Zukunftsprojekte, die Generationenprojekte sind, umgesetzt werden müssen. Schienenausbauprojekte waren immer schon langfristige Projekte und Projekte für gesamte Regionen. Ich darf aus bayerischer Sicht sagen, dass wir uns im bayerisch-schwäbischen Raum über die Entscheidung besonders freuen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Lieber Kollege Pronold, Sie haben bei der dritten Startbahn des Münchener Flughafens die erste Pirouette gerade hinter sich. Auch Ihnen sei es vergönnt, jeden Tag ein bisschen mehr Einsicht zu gewinnen. Aber wenn ich den Beschluss der bayerischen SPD aus dem Jahr 2009 richtig im Kopf habe, dann waren Sie bis zur "Krönung" von Ude der Meinung, die dritte Startbahn verhindern zu müssen. Jetzt stellen Sie sich hier hin und sagen, dass Sie sich gemeinsam mit uns und mit der Bayerischen Staatsregierung für diese dritte Startbahn einsetzen und sogar ein Ratsbegehren beantragen wollen. (Florian Pronold [SPD]: Weil der Seehofer wackelt bei der dritten Startbahn! Wir müssen ihm helfen!) Lieber Herr Pronold, ich sage Ihnen: Die CSU im Münchener Stadtrat hat bereits ein Ratsbegehren für diese dritte Startbahn beantragt. Sie kommen wieder hinterher. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Auf den Krach in der Koalition im Münchener Rathaus können wir uns heute schon einstellen. Ich verweise nur auf die gescheiterten Koalitionsverhandlungen in Berlin. Die A 100 lässt grüßen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Katja Mast [SPD]: Müder Applaus bei der Koalition!) An die Adresse der Grünen muss ich sagen: Toni Hofreiter hat gestern in der Welt auf die Frage, ob Stuttgart 21 gebaut wird, gesagt: Das ist offen. - Ich kann dem Vorsitzenden des Infrastrukturausschusses, des Verkehrsausschusses, nur raten, er möge jetzt nicht als Trotzkopf durch die Gegend laufen, (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, als Rechner! Er rechnet nämlich!) sondern mit dem Verkehrsausschuss gemeinsam dieses Projekt entsprechend unterstützen. Das hat der Souverän am Sonntag so entschieden. Diese Entscheidung gilt auch für die Mitglieder unseres Ausschusses. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ein herzliches Dankeschön gilt dem Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, der als Infrastrukturminister standhaft war. Ja, Herr Kuhn, auch in der Zeit, als Sie so gekübelt haben, haben wir zu diesem Projekt gestanden. Wir tun dies auch weiterhin. Da können Sie noch so viel den Kopf schütteln: Wir haben bei der A 100, bei der Waldschlösschenbrücke und bei Stuttgart 21 gestanden, und wir stehen bei der dritten Startbahn. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie stehen auch dann noch, wenn alles vorbei ist! - Florian Pronold [SPD]: Milliarden nach Baden-Württemberg und nicht nach Bayern, so, so!) Da können Sie sich winden, wie Sie wollen: Infrastruktur ist unser Markenzeichen. Anders verhält es sich bei den Grünen, wie auf ihrem Parteitag deutlich wurde: (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt bin ich aber gespannt!) für mehr Bahnverkehr, aber gegen den Ausbau von Bahntrassen; für regenerative Energien, aber gegen den Ausbau der Stromnetze. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher haben Sie das denn? - Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsinn!) Herr Kuhn, ich sage Ihnen noch eines: Sie haben beschlossen, die Schulden tilgen zu wollen. Die Koalition in Bayern tilgt bereits Schulden. Sie kommen wieder hinterher. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sonntag war ein Glück für unsere Infrastruktur, aber auch ein Glück für die Demokratie. Die Demokratie braucht nämlich keine Neinsager, die Demokratie braucht keine Wutbürger oder Berufsverweigerer. Was wir brauchen, sind Bürgerinnen und Bürger, die mit einem vernünftigen, transparenten und mutigen Dafür für unseren Wirtschaftsstandort und für unser Land stehen und arbeiten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Volk hat in der Tat am vergangenen Sonntag nicht nur der Straße gezeigt, wo es langgeht. Die übergroße Mehrheit der Baden-Württemberger hat am Sonntag auch all jenen eine Lektion erteilt, die sich angemaßt haben, sie seien das Volk und sie seien im Besitz der alleinigen Wahrheit und Deutungshoheit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Egal ob drittklassige Schauspieler, Berufsquerulanten oder grüne Verkehrsminister: Das Volk hat klar gegen deren Position entschieden, und das ist auch gut so. (Ute Kumpf [SPD]: Es sind 53 Prozent, Herr Kollege Pfeiffer, und nicht 80!) Ich darf jetzt, wo alles klar ist, Winfried Hermann, der in diesem Hause kein Unbekannter ist, zitieren. In den letzten Monaten war ihm als Minister, aber auch schon in der Zeit davor keine Lüge zu dreist und keine Halbwahrheit zu dumm, um gegen Stuttgart 21 vorzugehen und dagegen zu kämpfen. (Florian Pronold [SPD]: Hat er von der CDU gelernt, oder?) Nach dem Ergebnis vom Sonntag hat er gesagt - (Florian Pronold [SPD]: Ist das parlamentarisch zulässige Recht!) - wer gelogen hat, ist im Landtag von Baden-Württemberg festgestellt worden; da hat er nämlich eindeutig die Unwahrheit gesagt -: Die Volksabstimmung gibt keine Legitimation mehr, gegen das Projekt zu kämpfen. Und wo er recht hat, hat er recht. Da kann ich ihm nur vorbehaltlos zustimmen. Ich erwarte jetzt von den Grünen - denen kommt eine besondere Aufgabe zu -, dass sie dafür sorgen, dass sich nicht weiterhin die Straße gegen das Volk stellt, sondern dass jetzt Einsicht waltet und das Ergebnis akzeptiert wird. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt immer noch das Demonstrationsrecht in diesem Land!) Da steht Ihnen eine Aufgabe bevor. Der Herr Lösch - auch so ein Aktivist -, ein Regisseur, ich glaube, sogar der Mann von der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Landtag, (Ute Kumpf [SPD]: Falsch informiert! Falsch informiert!) sprach noch am Montag von einer sogenannten Volksabstimmung, die als scheindemokratisch zu verwerfen und nicht anzuerkennen sei. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Hört! Hört! - Sylvia Kotting-Uhl [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt gilt die Sippenhaft, oder was?) So viel zu dem, was die unter Demokratie verstehen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer "die"? - Gegenruf des Abg. Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die Grünen!) Das Ergebnis stimmt mich aber froh, weil ganz offensichtlich der Wutbürger zwar medial präsent ist, er oft sogar überhöht wird - das sind ja auch viele, kein Zweifel -, er aber Gott sei Dank in diesem Lande nicht die Mehrheit ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Das ist, so glaube ich, die wichtigste Botschaft vom vergangen Sonntag, insbesondere für den Ausbau der Infrastruktur, egal ob im Verkehr, auf der Schiene oder auf der Straße, ob bei Flughäfen oder bei der Energieinfrastruktur. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die schwarz-gelben Wähler sind Gott sei Dank auch nicht mehr die Mehrheit!) Aber in der Tat - ich freue mich, dass das schon angeklungen ist -: Wir können jetzt nicht zum "Weiter so!" übergehen, sondern müssen uns genau überlegen, welche Lehren und Schlussfolgerungen wir daraus ziehen, auch im Hinblick auf Planungsrecht und Planungsverfahren. Ganz offensichtlich liegt es doch schon dort im Argen. Stuttgart 21 beschäftigt mich persönlich - weil ich bei Professor Heimerl studiert habe - seit 1988. Dort wurde vor 23 Jahren die Ursprungsidee entwickelt. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ja ein Trauma! Daraus erklärt sich manches!) 1994 ist das Projekt daraus entstanden. Ein solches zeitliches Auseinanderfallen von Planung und Umsetzung - es vergehen ja noch einmal zehn Jahre, bis das Ganze fertig ist - können wir uns nicht leisten. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alter Käse ist aber gut!) Warum brauchen wir eine solch lange Zeit? Diese Zeit brauchen wir, weil wir immer mehr Bürgerbeteiligungen, immer mehr demokratische Rechtsmittel und was auch immer eingebaut haben. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schrecklich!) Dazu gehören auch Umweltverträglichkeitsprüfungen usw. Aber ganz offensichtlich kommen die bei den Menschen gar nicht an; denn all die Auslegungen in Rathäusern, die Erörterungstermine zu den Einwendungen in Turnhallen oder wo auch immer sie stattfinden, erreichen ganz offensichtlich die Menschen nicht oder erreichen sie dann, wenn es sie nicht interessiert. Fünf oder zehn Jahre später, wenn es dann an den Bau gehen soll, will oder kann sich keiner mehr daran erinnern. Deshalb müssen wir in der Tat etwas ändern. Es genügt nicht, dass wir die bestehenden Prozesse so lassen, wie sie sind, und um eine wie auch immer geartete bessere Beteiligung der Bürger ergänzen. Vielmehr müssen wir die Projektzeiten insgesamt kräftig verkürzen und Mittel und Wege finden, die Bürger direkt am Anfang eines Vorhabens bei der grundsätzlichen Frage nach dem Ob einzubeziehen und sie bei der Frage nach dem Wie in anderer Form zu beteiligen. Das Ganze muss aber auf jeden Fall schneller gehen. Deshalb müssen wir die bestehenden Planungs- und Genehmigungsverfahren umstellen. Lassen Sie mich aber - weil wir ja zwei Teile haben, wie der Kollege Kuhn sehr klug festgestellt hat - abschließend noch etwas zu dem direkten Angriff auf diejenigen, die im Lande den Wohlstand erwirtschaften, sagen. Die Grünen wollen nicht nur Politik gegen Familien machen, das Ehegattensplitting und anderes mehr abschaffen und eine Steuerorgie veranstalten, (Ute Kumpf [SPD]: Die Zeit ist um!) sondern - das will ich noch einmal betonen - auch den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent erhöhen. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unter Kohl war er 53 Prozent!) Das trifft aber nicht nur den normalen Bürger, das trifft vor allem die Unternehmen. 76 Prozent der Unternehmen in diesem Land mit rund 80 Prozent der Beschäftigten sind Personengesellschaften und Einzelunternehmen, und die wollen Sie in dieser Krise mit Ihren Steuererhöhungsorgien überziehen. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie doch mal das Konzept an!) Auch das muss man, glaube ich, den Menschen draußen sagen. Dann wird es gar nicht erst zu Fragen wie bei Stuttgart 21 kommen, denn dann werden Sie, die Grünen, von vornherein überhaupt nicht gewählt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letztem Redner in dieser Aktuellen Stunde erteile ich dem Kollegen Steffen Bilger von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Steffen Bilger (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vergangen Monaten haben wir im Bundestag uns schon vielfach mit dem Projekt Stuttgart 21 beschäftigen müssen. Ich hoffe doch sehr, dass wir uns nach dem Votum der Bürger in Stuttgart und ganz Baden-Württemberg nun auf die positive Begleitung dieses Projekts, vor allem im Verkehrsausschuss, konzentrieren können. Um es einmal deutlich zu sagen: Eine konstruktiv-kritische Begleitung, wie sie Winfried Hermann angekündigt hat, wäre, so wie wir ihn kennen, nach diesem Votum zu wenig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich halte die aktuelle Diskussion über mögliche Kostensteigerungen bei Stuttgart 21 für unangemessen. Das wirkt für mich wie das Nachkarten schlechter Verlierer. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Erik Schweickert [FDP]: Genau so ist es!) Es drängt sich doch der Eindruck auf, die Grünen würden höhere Kosten geradezu herbeisehnen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen, dass sie ausgeschlossen werden! Das ist der Unterschied, ein großer Unterschied!) Das ist für mich nicht kritisch-konstruktiv; das ist schlicht destruktiv. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Einige von Ihnen scheinen die Grundeinstellung zu haben, immer nur das Negative zu erwarten oder zu erhoffen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann schließt es doch aus! Dann kann man es ausschließen!) Aber das ist keine Einstellung, mit der wir die Herausforderungen der Zukunft meistern können. Ja, die Volksabstimmung hat Klarheit gebracht; (Beifall der Abg. Judith Skudelny [FDP]) aber sie hat auch viel Zeit und Geld gekostet, (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War sie doch nicht so gut?) um letztendlich doch die demokratischen Mehrheitsbeschlüsse aller Gremien, von Gemeinderat bis Bundestag, zu bestätigen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also war sie überflüssig, oder was?) Ich kann Sie von den Grünen nur auffordern, endlich damit aufzuhören, Stuttgart 21 teurer machen zu wollen, um so doch noch irgendwie das klare Bürgervotum umgehen zu können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer lässt denn alles offen?) Wer jetzt sagt, bei der Volksabstimmung sei es doch nur um ein Ja oder Nein zum Finanzierungsanteil des Landes gegangen, wie es einige Vertreter der Stuttgart-21-Gegner getan haben, der nimmt den Bürger nicht ernst. Denn das Votum ist ganz klar: Ja zu Stuttgart 21. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig!) Wir alle können sicherlich aus den ganzen Entwicklungen bei Stuttgart 21 lernen. Dazu gehört für mich auch, dass wir von der Union durchaus Versäumnisse im Prozess der Planung von Stuttgart 21 eingestehen und daraus Lehren für die Zukunft ziehen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut! Da sind Sie der Erste!) Es ist gut, wenn sich Bürger mittlerweile mehr für sie betreffende Projekte interessieren. Es sollte sich aber nicht wiederholen, dass ein solches Interesse auf die Art und Weise politisch instrumentalisiert wird, wie es die Grünen in Baden-Württemberg getan haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine Damen und Herren, bei allem Protest und der Berichterstattung darüber wurde lange kaum zur Kenntnis genommen, wie viele Befürworter von Stuttgart 21 es gab und gibt. Umso mehr will ich all den Bürgern, die sich zum Teil trotz Beleidigungen und harter Auseinandersetzungen für Stuttgart 21 einsetzen, an dieser Stelle für ihr Engagement danken. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unter Ihrer Regierung hätte es nie eine Volksabstimmung gegeben!) Mein Dank gilt auch den Polizisten, die seit Jahren am Stuttgarter Hauptbahnhof sehr viel hinnehmen müssen, obwohl sie nur ihren Dienst tun. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dasselbe gilt im Übrigen für die Polizeibeamten, die beim Castortransport im Einsatz waren. Herr Kretschmann sagt: ... Protest macht jetzt eigentlich keinen Sinn mehr. Recht hat er. Aber was fällt Frau Roth dazu ein? Sie sagt: Der Polizeieinsatz ... ist ein Anschlag auf die Demokratie. Eine solche Aussage ist unglaublich. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine Damen und Herren, die Bahnhofsgegner in Stuttgart wurden von unserem früheren Verkehrsausschussvorsitzenden Winfried Hermann massiv unterstützt. Ich muss ehrlich sagen, dass es mich beim Ergebnis der Volksabstimmung mit am meisten gefreut hat, dass die Verunsicherungstaktik von Herrn Hermann nicht aufgegangen ist: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/ CSU]: Da sind die Baden-Württemberger halt gescheiter als der Hermann!) Weder hat das Sichten alter Ministeriumsakten durch seine zahlreichen neuen Mitarbeiter und die gezielte Weitergabe an Journalisten zur Aufbauschung vermeintlicher Skandale etwas bewirkt, noch hat es funktioniert, die Regionen Baden-Württembergs gegeneinander auszuspielen. (Patrick Döring [FDP]: So ist es!) Die Bürger waren zu schlau, um auf all das hereinzufallen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es war gut, dass Minister Ramsauer sich am vergangenen Freitag noch einmal deutlich zu den anderen Schienenprojekten in Baden-Württemberg bekannt hat: Lärmschutz an der Rheintalbahn, Elektrifizierung der Südbahn und Ausbau der Gäubahn. (Florian Pronold [SPD]: Aber er hat nicht gesagt, in welchem Jahrhundert!) Alle diese Projekte verdienen Unterstützung, aber nicht nur hier von uns, sondern endlich auch von der Landesregierung in Stuttgart. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich erwarte endlich Einsatz für die berechtigten Anliegen der Menschen, sei es bei den genannten Bahnprojekten oder bei notwendigen Straßenbaumaßnahmen. Nach einem halben Jahr Kampf gegen Stuttgart 21 wird es endlich Zeit, dass sich Winfried Hermann, wenn er denn im Amt bleiben will, endlich um die eigentliche Arbeit eines Verkehrsministers kümmert. Ich weiß nur nicht, ob der Wille dazu vorhanden ist. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie ihn doch! - Florian Pronold [SPD]: Haben Sie den Ramsauer gemeint oder den Hermann? Oder beide?) Zwei Tage nach der Volksabstimmung gab es bei den Beratungen zwischen Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zur zweiten Rheinbrücke die Gelegenheit dazu. Man hätte darauf wetten können - das Ergebnis war vorhersehbar -: (Florian Pronold [SPD]: Wenn es vorhersehbar war, warum waren Sie dann gegen den Volksentscheid?) Nichts ist passiert. Die Grünen wollen auch hier keine Infrastrukturinvestitionen. Dabei ist das Signal vom Sonntag klar: Die Menschen wollen eine Zukunft, in der wir weiterhin eine führende Wirtschaftsnation mit Innovationsgeist und dem Mut zur Veränderung sind. Dazu sollten wir alle unseren Beitrag leisten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 1. Dezember 2011, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 16.56 Uhr) Sevim Daðdelen Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.11.2011 Dittrich, Heidrun DIE LINKE 30.11.2011 Dyckmans, Mechthild FDP 30.11.2011 Edathy, Sebastian SPD 30.11.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 30.11.2011 Funk, Alexander CDU/CSU 30.11.2011 Granold, Ute CDU/CSU 30.11.2011 Hoff, Elke FDP 30.11.2011 Höger, Inge DIE LINKE 30.11.2011 Dr. h. c. Kastner, Susanne SPD 30.11.2011 Kolbe, Manfred CDU/CSU 30.11.2011 Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 30.11.2011 Kurth (Quedlinburg), Undine BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.11.2011 Lindemann, Lars FDP 30.11.2011 Dr. de Maiziére, Thomas CDU/CSU 30.11.2011 Möller, Kornelia DIE LINKE 30.11.2011 Nahles, Andrea SPD 30.11.2011 Niebel, Dirk FDP 30.11.2011 Nietan, Dietmar SPD 30.11.2011 Ortel, Holger SPD 30.11.2011 Petermann, Jens DIE LINKE 30.11.2011 Pieper, Cornelia FDP 30.11.2011 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 30.11.2011 Reiche (Potsdam), Katherina CDU/CSU 30.11.2011 Rupprecht (Weiden), Albert CDU/CSU 30.11.2011 Schlecht, Michael DIE LINKE 30.11.2011 Dr. Schwanholz, Martin SPD 30.11.2011 Seiler, Till BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.11.2011 Tempel, Frank DIE LINKE 30.11.2011 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.11.2011 Wolff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 30.11.2011 Anlage 2 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 1): Plant die Bundesregierung - angesichts der Zusage, 150 verletzte libysche Kämpfer in Deutschland aufzunehmen; vergleiche Antwort auf meine schriftliche Frage 55 auf Bundestagsdrucksache 17/7584 -, auch verletzte Flüchtlinge aus Syrien, die es schaffen, in Flüchtlingslager außerhalb Syriens zu gelangen, in Deutschland aufzunehmen, und in welcher Form erteilt sie ansonsten humanitäre Hilfe zugunsten syrischer Flüchtlinge und oppositioneller Kämpferinnen und Kämpfer? Die Lager syrischer Flüchtlinge befinden sich vorrangig an der syrisch-türkischen Grenze auf türkischem Territorium. Auf Hilfsangebote der Bundesregierung, die Betreuung der Flüchtlinge zu unterstützen, wurde von türkischer Seite bisher nicht eingegangen. In Syrien selbst unterstützt die Bundesregierung die Tätigkeit des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Dieses leistet im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten, die von der syrischen Regierung einräumt werden, im medizinischen Bereich insbesondere auch Hilfe für Opfer staatlicher Gewalt. Anlage 3 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage der Abgeordneten Dr. Eva Högl (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 3): Wie bewertet das Bundesministerium der Justiz, BMJ, das Verhältnis zwischen dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch von Personen, die Opfer von Ausbeutung, Missbrauch und anderen Rechtsverletzungen durch ausländische Diplomaten bzw. Diplomatinnen geworden sind und der internationalen diplomatischen Immunität, die die Diplomaten bzw. Diplomatinnen von der deutschen Gerichtsbarkeit nach § 18 des Gerichtsverfassungsgesetzes befreit (siehe unter anderem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. November 2011 - Aktenzeichen 17 Sa 1468/11), und welche Gründe vermögen nach Ansicht des BMJ die nach gegenwärtiger Rechtslage bestehende Nachrangigkeit der Durchsetzung der Opferrechte zu rechtfertigen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Ausbeutung von Hausangestellten um ein internationales Problem handelt? Der nach deutschem nationalen Recht grundsätzlich bestehende allgemeine Justizgewährungsanspruch wird im Falle von Personen, die beklagen, Opfer von Rechtsverletzungen durch ausländische Diplomaten geworden zu sein, durch das Völkerrecht überlagert. Nach § 18 Gerichtsverfassungsgesetz, GVG, sind die Mitglieder der diplomatischen Missionen nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über Diplomatische Beziehungen, WÜD, vom 18. April 1961 von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Im Übrigen sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts und gehen den nationalen Gesetzen vor - Art. 25 Grundgesetz. Bei der diplomatischen Immunität handelt es sich um eine historisch gewachsene, völkergewohnheitsrechtlich etablierte und in Art. 31 WÜD kodifizierte allgemeine Regel des Völkerrechts. Die diplomatische Immunität ist eine essenzielle Voraussetzung bei der Pflege zwischenstaatlicher Beziehungen und muss von allen Staaten geachtet werden. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage der Abgeordneten Dr. Eva Högl (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 4): Welche der in der Studie "Domestic Workers in Diplomats' Households" des Deutschen Instituts für Menschenrechte vom Juni 2011 enthaltenen Elemente guter Praxis beurteilt das BMJ als Verbesserung zur Durchsetzung der Rechte von Hausangestellten, und welche konkreten Schritte plant das BMJ in Deutschland, um Betroffenen künftig Zugang zum Recht zu verschaffen und sie vor Ausbeutungen durch vom Immunitätsrecht geschützte Diplomaten bzw. Diplomatinnen zu schützen? Viele der in der Studie "Domestic Workers in Diplomats' Households" des Deutschen Instituts für Menschenrechte von Juni 2011 enthaltenen Elemente guter Praxis werden von der Bundesregierung bereits seit Jahren angewandt. Hierzu zählen neben klaren Rahmenbedingungen für die Einstellung von privaten Hausangestellten auch die Durchführung diplomatischer Kontrollmaßnahmen, um einer Ausbeutung von vorne herein entgegenzuwirken. Bei Verstößen vermittelt die Bundesregierung zwischen den Parteien, um die Rechte der privaten Hausangestellten zu wahren, oder ergreift Sanktionsmaßnahmen, die bis hin zu einer Erklärung zur Persona non grata reichen können. Um private Hausangestellte noch stärker gegen Ausbeutung zu schützen, wird die Bundesregierung mit Wirkung vom 1. Januar 2012 verschärfte Kontrollmaßnahmen einführen. Die Bundesregierung thematisert den Schutz der privaten Hausangestellten im EU-Rahmen und stimmt sich zu dem Thema bilateral mit EU-Partnern ab. Anlage 5 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 7): Was weiß die Bundesregierung über die Gründe, weshalb B. A. S., seine deutsche Ehefrau Ö. S. sowie deren Münchener Unternehmen I. B. GmbH in eine schwarze Liste des US-Office of Foreign Assets Control, OFAC, eingetragen wurden, kurz nachdem sich das Unternehmen gegen US-amerikanische Konkurrenten um einen Auftrag für ein Energieprojekt in Afghanistan beworben hatte, sowie über diesbezügliche Informationsübermittlungen deutscher Sicherheitsbehörden an das OFAC oder andere US-Behörden, und was hat die Bundesregierung auf Ersuchen der Betroffenen bisher zur Klärung dieser Angelegenheit unternommen, auch um jene vor dem drohenden wirtschaftlichen Kollaps hierzulande infolge dieses Eintrags zu bewahren? Der Bundesregierung ist eine Firma namens "I. B. GmbH" nicht bekannt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass eine Firma, die mit dem Wort "Intercontinental" beginnt, mit Sitz in München gemeint ist. Der Bundesregierung ist bekannt, dass Herr B., seine deutsche Ehefrau Ö. sowie die in ihrem Besitz befindliche Firma "I." am 28. April 2011 vom Amt für die Kontrolle von Auslandsvermögen des Finanzministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika, OFAC, als Rauschgifthändler, "Specially Designated Narcotics Trafficker" unter dem "Foreign Narcotics Kingpin Designation Act, Kingpin Act" gelistet wurde. Konsequenz dieser Listung ist unter anderem, dass es amerikanischen Staatsangehörigen verboten ist, finanzielle oder kommerzielle Transaktionen mit den gelisteten Personen bzw. Firmen durchzuführen. Zudem wird das sich unter US-amerikanischer Jurisdiktion befindliche Vermögen der gelisteten Personen bzw. Firmen eingefroren. Der Bundesregierung liegen über die in der Presseerklärung des OFAC gemachten Ausführungen hinaus keine weiteren Erkenntnisse darüber vor, welcher konkrete Sachverhalt dazu führte, dass das Unternehmen auf die Liste der OFAC aufgenommen wurde. Die Presseerklärung ist im Internet abrufbar. Bezüglich des Herrn B. hat ein Informationsaustausch durch deutsche Sicherheitsbehörden mit US-amerikanischen Dienststellen in der Form stattgefunden, dass mitgeteilt wurde, dass ein gegen B. laufendes Ermittlungsverfahren in Deutschland eingestellt wurde. Deutsche Sicherheitsbehörden haben darüber hinaus keine Informationen zur Listung der Person des B., seiner Ehefrau oder des gemeinsamen Unternehmens an das OFAC oder andere US-Behörden übermittelt. Die Bundesregierung hat den Betroffenen empfohlen, sich mithilfe eines amerikanischen Rechtsanwaltes an das OFAC zu wenden, um entlastende Umstände vorzutragen. Der Bundesregierung ist bekannt, dass das OFAC in einem rechtsstaatlichen Verfahren die von Betroffenen vorgetragenen entlastenden Beweise prüft und bei entlastenden Umständen auch wieder von der Listung ausnimmt. Darüber hinaus steht die Bundesregierung im Kontakt mit dem von der Firma "I." bestellten Rechtsanwalt und einem weiteren Berater der beiden genannten Personen. Diesen wurde mit mehreren Schreiben seit Mai 2011 die nach US-amerikanischem Recht bestehende Möglichkeit eines "requests for consideration" aufgezeigt, aber auch mitgeteilt, dass das Auswärtige Amt hierbei keine weitere Rechtsberatung leisten kann. Anlage 6 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des Abgeordneten Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 8): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Gesundheitszustand der in Untersuchungshaft befindlichen ukrainischen Oppositionspolitikerin Julija Timoschenko, die sich nach Angaben der Menschenrechtsbeauftragten des ukrainischen Parlaments, Nina Karpatschowa (FAZ vom 22. November 2011), in einem "äußerst ernsten" Zustand befindet, und was hat die Bundesregierung bislang unternommen, damit die ukrainischen Behörden Julija Timoschenko eine angemessene ärztliche Versorgung gewährleisten? Die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Nina Karpatschowa, hat nach einem unangekündigten Gefängnisbesuch bei der inhaftierten ukrainischen Oppositionsführerin Julija Timoschenko am 21. November 2011 eine angemessene ärztliche Untersuchung Timoschenkos außerhalb der Haftanstalt gefordert, da Frau Timoschenko während des Besuchs über Schmerzen geklagt habe und nicht aufstehen konnte. Staatspräsident Wiktor Janukowitsch hat am 23. November 2011 eine Untersuchung Timoschenkos in einem Kiewer Krankenhaus veranlasst. Deren Ergebnisse sind bisher nicht öffentlich. Es wurde lediglich mitgeteilt, dass Timoschenko an keiner lebensgefährlichen Krankheit leide. Ich habe am 22. November 2011 gefordert, dass Frau Timoschenkos medizinische Behandlung über jeden Zweifel erhaben sein muss und Vertreter der EU endlich Zugang zu Julija Timoschenko und den anderen inhaftierten ukrainischen Oppositionspolitikern erhalten müssen. Die Bundesregierung hat darüber hinaus im EU-Kreis eine Demarche angeregt mit dem Ziel, auf eine angemessene Versorgung Timoschenkos, aber auch der anderen Inhaftierten ihrer ehemaligen Regierung zu drängen. Diese wird derzeit vorbereitet. Die Beauftragte des Auswärtigen Amts für Osteuropa, den Kaukasus und Zentralasien, Dr. Patricia Flor, ist am 24./25. November 2011 nach Kiew gereist. Sie hat sich dort mit Julija Timoschenkos Anwalt getroffen und gegenüber der Regierung unsere Sorge über die Verfahren gegen Frau Timoschenko und weitere inhaftierte Oppositionelle ausgedrückt. Anlage 7 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des Abgeordneten Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 9): Welche Schritte hat die Bundesregierung bislang unternommen bzw. beabsichtigt sie zu unternehmen, um die Ukraine auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien in der innenpolitischen Auseinandersetzung zu drängen, und wie steht die Bundesregierung vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse zur geplanten Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Ukraine am 19. Dezember 2011? Ohne Zweifel werfen der Prozess und das Urteil gegen die ehemalige Ministerpräsidentin Julija Timoschenko, die neuen Ermittlungen gegen sie sowie der Umgang mit zahlreichen weiteren Mitgliedern der ehemaligen Regierung ein sehr negatives Schlaglicht auf die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine. Wir stehen darüber in einem engen Dialog mit der ukrainischen Führung und haben ihr gemeinsam mit unseren europäischen Partnern unsere Erwartungen wiederholt sehr deutlich kommuniziert - so zum Beispiel bei politischen Gesprächen des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, am 2. und 3. März 2011, in Gesprächen mit Vizeministerpräsident Serhij Tihipko am 10. August 2011 und Vizeaußenminister Pavlo Klimkin am 5. September 2011 mit den beiden Staatssekretären im Auswärtigen Amt, in den Gesprächen der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper, am 11. November 2011 in Kiew sowie in Gesprächen zwischen Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundespräsident Christian Wulff mit Präsident Wiktor Janukowitsch. Wir erwarten von der ukrainischen Führung klare Fortschritte in Richtung Demokratie und Rechtsstaat und die Sicherstellung fairer, rechtsstaatlicher Verfahren. Auch um dies deutlich zu machen, haben wir in der EU gemeinsam entschieden, einen für Ende Oktober 2011 geplanten Besuch von Präsident Janukowitsch in Brüssel bis auf Weiteres zu verschieben. Gleichzeitig haben wir kein Interesse daran, die Beziehungen mit der Ukraine in dieser für die künftige Entwicklung der Ukraine entscheidenden Phase abzubrechen. Wir wollen und brauchen eine demokratische, europäisch ausgerichtete Ukraine. Vor diesem Hintergrund werden wir weiterhin deutlich kritische Signale an die Ukraine senden, ohne ihr jedoch den Weg in Richtung einer Annäherung an die EU auf längere Zeit zu verbauen. Die Frage nach der Unterzeichnung des EU-Ukraine-Assoziierungsabkommens auf dem für den 19. Dezember 2011 geplanten EU-Ukraine-Gipfel stellt sich aktuell nicht. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen; und selbst wenn dies vor Mitte Dezember noch gelingen würde, würde sich zuerst die Frage stellen, wann und wo die technische Paraphierung erfolgen kann. Erst dann wird es um die Frage der Unterzeichnung gehen können. Ob und wann diese dann erfolgen kann, wird im Lichte der dann aktuellen Entwicklungen zu beurteilen sein. Anlage 8 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 14): Welche letzten Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Vorschläge zur Finanzierung des internationalen Fusionsexperimentes ITER für die Jahre 2012 und 2013 vor - bitte detailliert nach Rubriken und Programmen aufschlüsseln -, und welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu den Vorschlägen, Mittel für die ITER-Finanzierung aus den Vorhaben ARTEMIS, Clean Sky, ENIAC, SESAR und IMI Joint Undertakings abzuziehen (bitte um differenzierte Erläuterung für jedes Vorhaben)? Die Europäische Kommission hat in der Sitzung des Haushaltsausschusses des Rates am 24. November 2011 einen neuen Vorschlag zur Finanzierung des Mehrbedarfs von ITER vorgestellt: Dieser enthält zum einen eine Revision des Mehrjährigen Finanzrahmens, indem die Obergrenze von Rubrik 1 a um 840 Millionen Euro angehoben werden soll. Zusätzlich sollen Mittel aus der Rubrik 1a in Höhe von 460 Millionen Euro verfügbar gemacht werden. Im Einzelnen sieht der Vorschlag vor: Erstens. Im Haushalt 2012 sollen 160 Millionen Euro bereitgestellt werden. Zweitens. Der Mehrjährige Finanzrahmen soll bis Ende 2011 geändert werden, und zwar mit einer Erhöhung der Obergrenze von Rubrik 1a für 2012 um 590 Millionen Euro und für 2013 um 250 Millionen Euro. Korrespondierend sollen für das Jahr 2011 die Obergrenzen folgender Rubriken gesenkt werden: Rubrik 2 - um 572 Millionen Euro -, Rubrik 3a - um 25 Millionen Euro -, Rubrik 5 - um 243 Millionen Euro. Im Haushalt 2013 sollen - entgegen bisheriger Planungen - Umschichtungen in Höhe von 300 Millionen Euro vorgenommen werden, davon 100 Millionen Euro aus den Programmen, die Sie in Ihrer mündlichen Frage genannt haben - ARTEMIS, Clean Sky, ENIAC, SESAR, IMI Joint Undertakings. Eine differenzierte Erläuterung zum Kommissionsvorschlag, 100 Millionen Euro aus den Programmen ARTEMIS, Clean Sky, ENIAC, SESAR, IMI Joint Undertakings bereitzustellen, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, da die Kommission nicht offengelegt hat, in welcher Höhe und in Bezug auf welche Teile die einzelnen Programme betroffen sein sollen. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 17): In welchem Umfang hat sich die Bundesregierung seit Januar 2009 mit gemischten Polizei-Mentoring-Teams aus Polizisten und Feldjägern an der Ausbildung afghanischer paramilitärischer Gendarmerie - Afghan National Civil Order Police, ANCOP - im Rahmen des von der US-Armee entwickelten Focused District Development beteiligt - bitte aufgliedern nach eingesetzten Kräften und Finanzmitteln, bisher ausgebildeten Gendarmen sowie Zahl der Trainingsstandorte -, und wie stellt das federführende Bundesministerium des Innern sicher, dass die je 16-wöchige Ausbildung den Paramilitärs die hierzulande für Polizisten gängigen rechtsstaatlichen Maßstäbe und Vorgehensweisen sowie die Achtung der Menschenrechte nahebringt? Die Bundesrepublik Deutschland beteiligte sich im Rahmen des Focused-District-Development-(FDD)-Programms nicht mit gemischten Polizei-Mentoring-Teams aus Polizisten und Feldjägern an der Ausbildung der afghanischen Bereitschaftspolizei ANCOP. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 18): Welche Informationen hat die Bundesregierung über die geplante Rolle der Grenzschutzagentur Frontex bei der Etablierung eines Mechanismus zur Regelung der vorübergehenden Wiedereinführung von Kontrollen an Binnengrenzen des Schengen-Raums, und wie steht die Bundesregierung zu einem möglichen Einsatz von Frontex an EU-Binnengrenzen? Die Europäische Kommission hat nach Aufforderung durch den Europäischen Rat im Juni dieses Jahres am 16. September die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Wahrung des Schengen-Systems - Stärkung des Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen begleitet von zwei Legislativvorschlägen zur Änderung des Schengener Grenzkodex und für "eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Evaluierungs- und Überwachungsmechanismus für die Überprüfung der Anwendung des Schengen-Besitzstands" vorgelegt. Der Vorschlag zur Einführung eines Schengen-Evaluierungs- und Überwachungsmechanismus sieht in Art. 14 eine Unterstützung der betroffenen Mitgliedstaaten durch FRONTEX an den EU-Außengrenzen vor. Die Rechtsaktvorschläge sehen einen Einsatz von FRONTEX an den Binnengrenzen nicht vor. Der Legislativvorschlag wird derzeit auf Ebene der Ratsarbeitsgruppen beraten. Im Übrigen schließt das Mandat der Agentur aufgrund der FRONTEX Verordnung (EG) 2007/2004 einen Einsatz von FRONTEX an den Binnengrenzen aus. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Aydan Özoðuz (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 22): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele offensichtlich rechtsextremistische bzw. fremdenfeindliche Schmierereien, Sachbeschädigungen oder wie viel Vandalismus bei Privatpersonen und Institutionen seit Bekanntwerden der sogenannten Zwickauer Terrorzelle vorgefallen sind? In der Zeit zwischen dem 11. November 2011 - dem Zeitpunkt, als die Bundesanwaltschaft wegen des dringenden Verdachts einer terroristischen Vereinigung die Ermittlungen gegen die rechtsextremistische Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund", NSU, übernahm - und dem 20. November 2011 sind dem Bundeskriminalamt, BKA, im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität, KPMD-PMK, für den Phänomenbereich der PMK-rechts bundesweit 78 Sachbeschädigungen (davon 64 Propagandadelikte) gemeldet worden, von denen zwölf (davon sieben Propagandadelikte) als fremdenfeindlich bewertet wurden. Diese Zahlen haben - darauf weise ich ausdrücklich hin - nur vorläufigen Charakter und können sich durch Nach- und Änderungsmeldungen noch verändern, zumal davon ausgegangen werden kann, dass noch nicht alle in diesem Zeitraum begangenen Delikte an das BKA gemeldet worden sein dürften. Zu beachten ist ferner auch, dass bei dieser Abfrage nicht zwischen einem Begründungszusammenhang zu den aktuellen Ermittlungen um den NSU und sonstigen Tatmotivationen unterschieden werden konnte. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Aydan Özoðuz (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 23): Welche zusätzlichen Maßnahmen mussten seither für die Sicherheit besonders gefährdeter Personen ergriffen werden? Keine. Wie bekannt, wurden im Rahmen der aktuellen Ermittlungen der Bundesanwaltschaft und des Bundeskriminalamts in der ausgebrannten Wohnung des Zwickauer Trios mehrere Datenträger gefunden, die verschiedene Listen mit Namen und Anschriften von Personen und Institutionen aus dem gesamten Bundesgebiet enthalten. Alle Daten auf diesen Listen stammen offenbar aus der Zeit vor dem Jahre 2006 und wurden nach bisherigen Erkenntnissen aus öffentlich zugänglichen Quellen im Internet erhoben. Beim jetzigen Stand der Ermittlungen sind jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass gegen die aufgeführten Personen/Objekte Straftaten begangen werden sollen oder sie in anderer Weise gefährdet sind. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 24): Wie beurteilt die Bundesregierung den legalen Waffenbesitz von Personen der rechtsextremen Szene vor dem Hintergrund des jüngst aufgedeckten Falls des Rechtsterrorismus und der Auskünfte der sächsischen Landesregierung, wonach allein im Bundesland Sachsen mindestens 38 Personen der rechtsextremen Szene legal 156 Waffen besitzen, und welche Erkenntnisse hat sie über die Zahl der Personen der rechtsextremen Szene, die in Deutschland legal Waffen besitzen (bitte nach Bundesländern und, wenn möglich, nach Zahl und Art der Waffen aufgliedern)? Der Vollzug des Waffengesetzes, WaffG, liegt in der Zuständigkeit der Länder. Die Länder sind gesetzlich nicht verpflichtet, über den Vollzug des Waffengesetzes statistische Daten zu erheben oder dem Bund zu berichten. Der Bundesregierung liegen daher keine Zahlen über Personen der rechtsextremen Szene vor, die in Deutschland legal Waffen besitzen. Wer in Deutschland eine Waffen- oder Munitionserlaubnis besitzen möchte, muss das 18. Lebensjahr vollendet haben, die erforderliche Zuverlässigkeit und die persönliche Eignung besitzen, die erforderliche Sachkunde, ein Bedürfnis und eine Haftpflichtversicherung nachgewiesen haben. Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit wird von der zuständigen Behörde bei der erstmaligen Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis und danach in regelmäßigen Abständen, mindestens jedoch nach Ablauf von drei Jahren, erneut geprüft. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 25): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Straftatbestände, Gesetzesverstöße, Gewalttaten etc., die gegenüber Personen der rechtsextremen Szene mit legalem Waffenbesitz vorliegen, und welche Erkenntnisse hat sie über Verstrickungen dieser Szene zu Reservistenkameradschaften und Schützenvereinen? Konkrete Erkenntnisse zur Zugehörigkeit von Reservistenkameradschaften und Schützenvereinen zur rechtsextremistischen Szene liegen nicht vor. Dies schließt nicht aus, dass sich in Einzelfällen Mitglieder der Szene in diesen Organisationen bewegen. Jedoch lässt die Mitgliedschaft eines Rechtsextremisten in einer Reservistenkameradschaft oder einem Schützenverein noch nicht auf eine rechtsextremistische Ausrichtung der- oder desselben schließen. Dementsprechend unterliegen die Reservistenkameradschaften und Schützenvereine als solche auch nicht der Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Was die polizeiliche Sicherstellung von Waffen bei Rechtsextremisten und die damit verübten Straftaten betrifft, die ja im Übrigen Gegenstand der Antworten der Bundesregierung auf die regelmäßigen Schriftliche Fragen sind (so zuletzt unsere Antwort vom 28. November 2011 auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Jelpke), so muss deutlich hervorgehoben werden, dass insofern nicht zwischen illegalen und legal besessenen Waffen unterschieden werden kann. So sind für die Jahre 2009 und 2010 406 bzw. 405 sichergestellte Waffen und 289 bzw. 253 mit diesen Waffen begangene Straftaten im Bereich der PMK-rechts gemeldet worden. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage des Abgeordneten Frank Tempel (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 26): Haben Sicherheitsbehörden des Bundes zwischen 1997 und 2011 zu irgendeinem Zeitpunkt im Zusammenhang mit dem Thüringer Heimatschutz ermittelt, und gegen wen richten sich diese Ermittlungen? Das Bundeskriminalamt hat im genannten Zeitraum keine Ermittlungen gegen den Thüringer Heimatschutz oder gegen die Kameradschaft Jena geführt. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage des Abgeordneten Frank Tempel (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 27): Welche Art der Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz gab es zwischen 1997 und 2011 bezüglich des Thüringer Heimatschutzes? Das Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV, hat im Zeitraum von 1998 bis etwa 2000/2001 das Landesamt für Verfassungsschutz, LfV, Thüringen mit Observationsmaßnahmen und bei der Anwerbung von Quellen im Bereich des Rechtsextremismus in Thüringen, auch im Hinblick auf den "Thüringer Heimatschutz", THS, unterstützt. Aufgrund der überwiegend regionalen Aktivitäten der Gruppierung lag die Zuständigkeit für die Beobachtung gleichwohl beim LfV Thüringen. Entsprechend der gängigen Praxis wurden in diesem Zusammenhang anfallende Erkenntnisse mit bundesweiter Relevanz dem BfV sowie möglicherweise ebenfalls betroffenen Landesämtern übermittelt. Ob und inwieweit eine Erkenntnis bundesweite Relevanz aufweist, obliegt der Einschätzung der für die jeweilige Beobachtung zuständigen Behörde. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Fragen des Abgeordneten Jan Korte (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Fragen 28 und 29): Wie viele Haftbefehle gegen Angehörige der rechtsextremen Szene gibt es, die nicht vollstreckt werden können, weil die Gesuchten sich dem Zugriff der Polizei entzogen haben? Um welche konkreten Fälle handelt es sich, und seit wann sind die gesuchten Rechtsextremisten untergetaucht? Zu Frage 28: Eine Aussage über den gesamten bundesweiten Bestand von Haftbefehlen wegen einer politisch rechts motivierten Straftat ist in der Kürze der für die Beantwortung einer Mündlichen Frage zur Verfügung stehenden Frist nicht möglich. Dazu wäre eine Abfrage bei den Ländern erforderlich, die ihrerseits wiederum bei den für die Ausstellung der Haftbefehle zuständigen Justizbehörden entsprechende Erhebungen vornehmen müssten. Aus vom Bundeskriminalamt, BKA, geführten Ermittlungsverfahren ergibt sich derzeit ein offener Haftbefehl wegen einer politisch rechts motivierten Straftat. Darüber hinaus wird auf Folgendes hingewiesen: Ein genereller automatisierter Datenabgleich aller NADIS-gespeicherten Rechtsextremisten mit den INPOL-Fahndungsausschreibungen wäre zwar technisch möglich, doch ist dies rechtlich nicht zulässig. Rechtlich zulässig sind nur Einzelabfragen des Verfassungsschutzbundes bei der Polizei, ob und gegebenenfalls welcher Haftbefehlsstatus zu einer in NADIS gespeicherten Personen vorliegt. In den sogenannten Personenakten des Verfassungsschutzes können, soweit entsprechende Informationen vorliegen, im Einzelfall Aussagen zum Haftbefehlsstatus enthalten sein. Zu Frage 28: Im betreffenden Fall aus dem Ermittlungsverfahren des BKA handelt es sich um einen offenen Haftbefehl gegen Frau Dr. Ingrid Rimland wegen Volksverhetzung, § 130 StGB. Frau Rimland ist die Ehefrau des bekannten Holocaustleugners Ernst Zündel. Sie hält sich nach hiesigen Erkenntnissen in den USA auf. Der Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Mannheim ist aufgrund des nur für Deutschland spezifischen Tatbestandes der Volksverhetzung nur national ausgestellt und besteht seit dem 30. Oktober 2007. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Fragen des Abgeordneten Jens Petermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Fragen 32 und 33): Seit wann gibt es keine eigenständige Abteilung zum Thema Rechtsextremismus im Bundesamt für Verfassungsschutz mehr, und was waren die Gründe für diese Entscheidung? Welche Landesämter, die nach der Gesetzeslage zur Zusammenarbeit mit dem BfV verpflichtet sind, sind dem organisatorischen Beispiel des Bundes gefolgt? Zu Frage 32: Im Jahr 2006 wurde im Rahmen der Optimierung organisationsinterner Abläufe eine Änderung der Organisationsstruktur des Bundesamts für Verfassungsschutz im nachgefragten Sinn vorgenommen. Zu Frage 33: Die Bundesregierung nimmt zu aufbauorganisatorischen Fragen der Landesämter für Verfassungsschutz keine Stellung. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Christoph Strässer (SPD) (Drucksache 17/7901, Fragen 36 und 37): Beabsichtigt die Bundesregierung, die im Vertragsverletzungsverfahren gesetzte Umsetzungsfrist der EU-Kommission von zwei Monaten zur Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung einzuhalten, oder muss die EU-Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen? Wie beurteilt die Bundesregierung die im Bewertungsbericht vom 18. April 2011 zur Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung erklärte Absicht der Europäischen Kommission, eine Überarbeitung der Richtlinie vorzuschlagen und dabei auch eine "Verkürzung der obligatorischen Speicherungsfristen" und eine "Verringerung der Zahl der Kategorien von auf Vorrat zu speichernden Daten" zu prüfen, und welche konkreten Vorschläge hierzu hat die Bundesregierung bisher bei der EU-Kommission eingebracht? Zu Frage 36: Die Europäische Kommission stellt in ihrem Schreiben vom 28. Oktober 2011 fest, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung im deutschen Recht teilweise umgesetzt sind. Unbeschadet der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010, mit der bestimmte Vorschriften, die der Umsetzung dieser Richtlinie in das nationale Recht dienen sollten, für nichtig erklärt worden sind, gibt es demnach gültige deutsche Rechtsvorschriften zur teilweisen Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG. Der Umsetzung der Zielsetzung weiterer Vorgaben der Richtlinie 2006/24/EG soll der von der Bundesministerin der Justiz im Ressortkreis vorgelegte und dort derzeit erörterte Diskussionsentwurf zur Sicherung vorhandener Verkehrsdaten und Gewährleistung von Bestandsdatenauskünften im Internet dienen. Gegenstand der Erörterungen im Ressortkreis sind dabei derzeit insbesondere Fragen im Zusammenhang mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Datensicherheit, zur Verwendungsregelung, zur Zweckbegrenzung, zur Transparenz und zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes. Aspekte der technischen Umsetzbarkeit der Vorgaben zum Einsatz eines besonders sicheren Verschlüsselungsverfahrens, der von anderen Daten getrennten und vom Internet entkoppelten Speicherung sowie der Beschränkung des Zugangs zu den Daten auf besonders ermächtigte Personen bedürfen in diesem Zusammenhang ebenso wie die konkrete rechtliche Ausgestaltung der Benachrichtigungspflichten und der Verwendungsregelung für die gespeicherten Daten einer sehr sorgfältigen Analyse und Lösung. Neben diesen - im Rahmen der Umsetzung bestimmter Vorgaben der Richtlinie - zu diskutierenden, sehr komplexen Fragen widmet sich der Diskussionsentwurf insbesondere der Regelung eines Quick-freeze-Verfahrens (Data Preservation). Dazu hat die Bundesregierung mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, dass die Europäische Kommission derzeit dabei ist, im Rahmen der von ihr angekündigten Folgenabschätzung ein Sachverständigengutachten zu diesem Verfahren einzuholen. Zu Frage 37: Es trifft zu, dass die Europäische Kommission unter dem 18. April 2011 ihren Bewertungsbericht zur Richtlinie 2006/24/EG vorgelegt und angekündigt hat, eine Folgenabschätzung durchzuführen und auf dieser Grundlage Änderungsvorschläge für die Richtlinie vorzulegen. Die Erkenntnisse aus diesem Bericht sowie damit verbundene europarechtliche Fragen sind nach Auffassung der Bundesregierung ebenso wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 und die daraus zu ziehenden Konsequenzen in die Gesamtbewertung zum Inhalt und Umfang des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs sowohl auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene einzubeziehen, um abzuschätzen, welche Maßnahmen konkret zur Verwirklichung der Ziele der Richtlinie 2006/24/EG eingeleitet werden sollten. Die Bundesregierung steht dabei auch in fortwährendem Kontakt mit Vertreterinnen und Vertretern der Europäischen Kommission und beteiligt sich an der Diskussion zu den vielfältigen und sehr komplexen Aspekten, die mit der Thematik verbunden sind. Konkrete Regelungsvorschläge der Kommission, zu denen eine Stellungnahme der Bundesregierung veranlasst wäre, liegen bislang nicht vor. Die Kommission hat vielmehr angekündigt, entsprechende Vorschläge im ersten Halbjahr 2012 vorlegen zu wollen. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Dr. Edgar Franke (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 38): Hält die Bundesregierung § 100 a der Strafprozessordnung, StPO, als Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung, TKÜ, für ausreichend, oder ist eine gesonderte gesetzliche Grundlage in der StPO erforderlich? Bei einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung besteht für den Betroffenen - anders als bei der herkömmlichen Telekommunikationsüberwachung - das Risiko, dass über die Inhalte und Umstände der Telekommunikation hinaus weitere, insbesondere auch persönlichkeitsrelevante Informationen erhoben werden. Den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung zur Onlinedurchsuchung vom 27. Februar 2008, 1 BvR 370/07, entsprechend, muss daher durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt werden, dass sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt. Die aktuellen Entscheidungen der Amts- und Landgerichte gehen, jedenfalls soweit die entsprechenden Beschlüsse bekannt geworden sind, inzwischen einheitlich davon aus, dass die § 100 a und § 100 b der Strafprozessordnung diesen Vorgaben genügen und deshalb Grundlage für die Anordnung einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung sein können. Diese in richterlicher Unabhängigkeit getroffene Auslegung des geltenden Strafprozessrechts wird von der Bundesregierung respektiert. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Dr. Edgar Franke (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 39): Bedarf es bei der Überwachung von Internettelefonaten, zum Beispiel über Skype, der Quellen-TKÜ, oder ist sie - in allen Fällen - über die herkömmliche TKÜ möglich? Eine Telekommunikationsüberwachung kann sich grundsätzlich auch auf Telefonate erstrecken, die über das Internet geführt werden. Die Firma Skype verweist in einem Informationsblatt (Responding to Law Enforcement Record Requests) darauf, dass es ihr auf entsprechende Anordnung ausschließlich möglich ist, bestimmte Bestandsdaten (zum Beispiel E-Mail-Adresse und Rufnummer des Teilnehmers) sowie Verkehrsdaten (Zielrufnummer) für Gespräche in öffentliche Telefonnetze bereitzustellen. Gesprächsinhalte werden danach von Skype nicht zur Verfügung gestellt. Ob es für die Überwachung von Telefonaten, die über das Internet geführt werden, einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung bedarf, weil die zu übermittelnden Gesprächsinhalte vor der Übertragung verschlüsselt werden, oder die Überwachung von Internettelefonaten mittels einer herkömmliche Telekommunikationsüberwachung möglich ist, ist Gegenstand einer umfassenden Überprüfung durch die Bundesregierung. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 46): Auf welche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, EGMR, die eine Entscheidung über die Ratifikation des 12. Protokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, EMRK, ermöglichen soll (vergleiche die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf meine mündliche Frage 84, Plenarprotokoll 17/116, Anlage 55), wartet die Bundesregierung konkret, und welche Erkenntnisse für ihren Prüfungsvorgang erwartet bzw. erhofft sie sich daraus? Es liegen weiterhin keine Entscheidungen vor, in denen der EGMR sich mit dem Protokoll Nr. 12 und den angesprochenen Fragen auseinandersetzt, sodass die Haltung der Bundesregierung unverändert abwartend ist. Damit steht die Bundesrepublik Deutschland auf europäischer Ebene bekanntermaßen bei weitem nicht allein. Von den insgesamt 47 Mitgliedstaaten des Europarats haben 28 Staaten das Protokoll Nr. 12 bisher nicht ratifiziert. Zu diesen Staaten gehören neben Deutschland unter anderem auch Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Lichtenstein, Schweiz und Schweden. Viele Staaten haben - im Gegensatz zu Deutschland - das Protokoll Nr. 12 bereits nicht gezeichnet (zum Beispiel Frankreich, Vereinigtes Königreich, Dänemark, Schweden, Schweiz und Polen). Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass die geltende deutsche Rechtsordnung Diskriminierungen bereits umfassend verbietet, insbesondere durch Art. 3 des Grundgesetzes, an den Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung unmittelbar gebunden sind. Im Arbeits- und Zivilrecht gewährleistet das am 18. August 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz einen weitgehenden Diskriminierungsschutz. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 47): Ist es der Bundesregierung möglich, Bankdatenkäufe eines Bundeslandes zu verhindern (vergleiche "Es braucht wohl ein Machtwort Schäubles" in: Neue Zürcher Zeitung vom 19. November 2011), und, wenn ja, gibt es Erwägungen in der Bundesregierung, dies in Bezug auf beabsichtigte Steuerdatenkäufe von Landesregierungen zu tun? Der Bundesregierung ist es grundsätzlich nicht möglich, Bankdatenkäufe eines Bundeslandes zu verhindern. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 48): Wie hoch war 2010 der Verbrauch von Strom und Energieprodukten, der steuerlich nach den §§ 9 a, 9 b und 10 des Stromsteuergesetzes und den §§ 51, 54 und 55 des Energiesteuergesetzes gefördert wurde (bitte Angaben aufschlüsseln nach der jeweiligen Art der Steuervergünstigung und nach dem Verbrauch der einzelnen Energieträger in jeweils üblichen Maßeinheiten)? Für die energiesteuerlichen Entlastungen nach den §§ 51 und 54 des Energiesteuergesetzes, EnergieStG, werden zu den im Jahr 2010 entlasteten Mengen in der Energiesteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes folgende Zahlen ausgewiesen: Für die Steuerentlastung nach § 51 EnergieStG (Steuerentlastung für bestimmte Prozesse und Verfahren): Schweröle: 687 577 Kubikmeter, Heizöle: 457 495 Tonnen, gasförmige Kohlenwasserstoffe: 790 137 Megawattstunden, Flüssiggase: 66 396 Tonnen, Kohle: 7 222 388 Gigajoule, Petrolkoks: 8 624 761 Gigajoule, Erdgas: 97 746 736 Megawattstunden. Für die Steuerentlastung nach § 54 EnergieStG (allgemeine Steuerermäßigung für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes und der Land- und Forstwirtschaft): Schweröle: 1 641 221 Kubikmeter, gasförmige Kohlenwasserstoffe: 1 495 087 Megawattstunden, Flüssiggase: 79 426 Tonnen, Erdgas: 135 148 252 Megawattstunden. Die vorgenannten Verbrauchsmengen beziehen sich auf die angegebenen Energieerzeugnisse sowie auf nach § 2 Abs. 4 EnergieStG jeweils gleichgestellte Energieerzeugnisse. Für die auf den Spitzenausgleich nach § 55 EnergieStG entfallenden Mengen werden keine gesonderten statistischen Auswertungen geführt. Diese Mengen sind aber systembedingt in den für § 54 EnergieStG ausgewiesenen Mengen mit enthalten. Entsprechende statistische Auswertungen für die §§ 9 a, 9 b und 10 StromStG werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht geführt. Durch die Umstellung des Verfahrens zur Gewährung der Stromsteuerbegünstigung im Haushaltsbegleitgesetz 2011 können diese Zahlen künftig erfasst werden. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 49): Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Deutschen Steuerberaterverbandes e. V., DStV, wonach die Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale, ELStAM, um ein Jahr auf 2013 verschoben werden sollte, um Finanzverwaltung, Unternehmen und Steuerpflichtige vor dem Aufwand von millionenfachen Korrekturen zu schützen, und in welchem Umfang entstehen zusätzliche Bürokratiekosten bei Verwaltung, Unternehmen und Steuerpflichtigen durch eine unterjährige Einführung von ELStAM in 2012? Die Umstellung von Papier auf Elektronik bewirkt bei den Beteiligten immer einen entsprechenden Umstellungsaufwand. Dieser Aufwand ist grundsätzlich unabhängig vom Zeitpunkt der Umstellung. Das gilt auch für die von Ihnen angesprochenen Korrekturen von falsch gespeicherten ELStAM-Daten aufgrund von Änderungsanträgen der Arbeitnehmer. Würde das ELStAM-Verfahren wie geplant zum anstehenden Jahreswechsel gestartet, dann hätten diese Korrekturen ebenfalls erfolgen müssen. Daran ändert auch eine Verschiebung des Verfahrensstarts - ob nur um wenige Monate oder um ein ganzes Jahr - nichts. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die von den Arbeitnehmern gestellten Änderungsanträge nicht ausschließlich fehlerhaft gespeicherter Daten in der ELStAM-Datenbank betreffen. Vielmehr hat jede Beantragung eines Freibetrages, wie sie jährlich wiederkehrend in den Finanzämtern gegen Jahresende vermehrt anfällt, auch eine Korrektur der ELStAM zur Folge. Daher lässt sich keine verlässliche Aussage treffen, wie viele Korrekturanträge allein aufgrund fehlerhaft gespeicherter Daten erfolgt sind und noch erfolgen werden. Bund und Länder haben sich auf Maßnahmen verständigt, die für den Übergangszeitraum ab dem 1. Januar 2012 bis zum erstmaligen Abruf der ELStAM durch die Arbeitgeber den zutreffenden Lohnsteuerabzug sicherstellen. Ein Teil dieser Maßnahmen ist bereits umgesetzt. So werden zum Beispiel inzwischen allen Arbeitnehmern, bei denen Korrekturen der ELStAM von den Finanzämtern vorgenommen werden, entsprechende Bescheinigungen zur Vorlage beim Arbeitgeber ausgestellt. Die für den Übergangszeitraum erforderlichen Verwaltungsregelungen sind bereits erarbeitet worden und werden zügig mit einem gesonderten BMF-Schreiben veröffentlicht. Mit diesen Maßnahmen für den Übergangszeitraum wird der bürokratische Aufwand für alle Beteiligten gering gehalten. Grund dafür, dass der ursprünglich geplante Start zum Jahresbeginn 2012 nicht mehr gehalten werden konnte, waren technische Probleme im Zusammenhang mit dem Abruf der ELStAM Daten durch die Arbeitgeber. Aufgrund der zeitlichen Verzögerungen war die zwingend notwendige Pilotierungsphase nicht mehr sichergestellt. Der neue Starttermin ist noch nicht festgelegt. Die Abstimmung zwischen Bund und Ländern ist noch nicht abgeschlossen. Mit einem Abschluss ist kurzfristig zu rechnen. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 50): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem nun vorgelegten Bericht der Facharbeitsgruppe "Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung", und plant die Bundesregierung insbesondere vor dem Hintergrund des enormen Verlustverrechnungspotenzials eine Erleichterung bei der Verlustverrechnung bzw. Abmilderung der Mindestbesteuerung? Die Ergebnisse des Berichts der Facharbeitsgruppe "Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung" fließen in die weitere Arbeit einer gemeinsam von Frankreich und Deutschland gegründeten Projektgruppe ein, in der die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Systemen der Unternehmensbesteuerung beider Länder betrachtet werden. Zu den Zielen dieser deutsch-französischen Zusammenarbeit gehört es, unter Konvergenzgesichtspunkten Maßnahmen zu untersuchen und vorzuschlagen, die die Kompatibilität des deutschen und französischen Körperschaftsteuerrechts in Richtung einer einheitlichen europäischen Bemessungsgrundlage stärken. Die Bundesregierung möchte den Ergebnissen der Projektgruppe nicht vorgreifen. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE ) (Drucksache 17/7901, Fragen 52 und 53): Inwieweit werden bei der Rente wegen voller Erwerbsminderung, Altersrenten und Altersrenten für Schwerbehinderte Pflegezeiten aus der DDR für die Pflege von schwerstbehinderten Kindern berücksichtigt, wenn diese Zeiten im Sozialversicherungsausweis der DDR dokumentiert sind? Welche Berücksichtigung finden die im Sozialversicherungsausweis der DDR nachgewiesenen Zeiten der Pflege von Angehörigen auf die ab 2012 zu gewährende Altersrente für besonders langjährig Versicherte, die es Versicherten mit 45 Jahren an Pflichtbeitragszeiten - wozu auch Zeiten der Pflege und Zeiten der Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr zählen sollen - ermöglicht, künftig weiterhin mit 65 Jahren ohne Abschläge in Rente zu gehen? Zu Frage 52: Nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI) werden Pflegezeiten, die seit 1992 erbracht wurden, unter bestimmten Voraussetzungen rentenrechtlich berücksichtigt. Pflegezeiten vor 1992 werden nach dem SGB VI nicht berücksichtigt. Für Bestandsrenten und Rentenzugänge aus den neuen Ländern mit Rentenbeginn in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1996 war eine Anrechnung im Rahmen von Vertrauensschutzregelungen möglich. Zu Frage 53: Pflegezeiten, die vor 1992 erbracht wurden, werden nach dem SGB VI für die Wartezeit von 45 Jahren für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht berücksichtigt. Dies gilt unabhängig davon, wo die Pflegeleistungen erbracht wurden. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 56): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen des dreijährigen Projektes "Frauenbeauftragte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Wohneinrichtungen" insbesondere im Hinblick auf eine gesetzliche Verankerung von Frauenbeauftragten in Werkstätten, zum Beispiel in der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung sowie bei der Finanzierung von notwendigen Fortbildungsmaßnahmen? Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat durch das abgeschlossene dreijährige Modellprojekt "Frauenbeauftragte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und den Wohneinrichtungen" gezeigt, dass Frauen mit Lernschwierigkeiten erfolgreich als Frauenbeauftragte geschult werden können. Ihre Tätigkeit in den Werkstätten und Wohneinrichtungen für behinderte Menschen trägt nicht nur dazu bei, dass sie die Mitbewohnerinnen und Kolleginnen gegen sexuelle Übergriffe und Gewalt besser schützen können, sondern führt auch darüber hinaus zu Verbesserungen in den Einrichtungen. Die aktuelle repräsentative Studie zur Gewalt gegen behinderte Frauen der Universität Bielefeld hat die durch vielfache Benachteiligungen gekennzeichnete Lebenssituation behinderter Frauen in den Einrichtungen der Behindertenhilfe und das große Ausmaß von Gewalt verdeutlicht und gravierenden Handlungsbedarf aufgezeigt. Die Bundesregierung wird daher die Implementierung von Frauenbeauftragten in den Einrichtungen unterstützen. In diesem Zusammenhang wird auch geprüft, ob eine gesetzliche Verankerung, zum Beispiel in der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung, die Bestellung von Frauenbeauftragten befördern kann. Auch die Frage der notwendigen Fortbildungsmaßnahmen für die Tätigkeit der Frauenbeauftragten wird die Bundesregierung im Rahmen ihrer Finanzierungskompetenz prüfen. Die Bundesregierung hat in ihrem Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention angekündigt, mit den Werkstatträten und den Werkstätten für behinderte Menschen in einen Dialog über ihre Erfahrungen mit der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung einzutreten. Dabei wird es auch darum gehen, welche Schlüsse für die Implementierung von Frauenbeauftragten im Rahmen der Mitwirkung der in den Werkstätten beschäftigten behinderten Menschen aus dem Modellprojekt zu ziehen sind. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Sabine Stüber (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 57): Wie will die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass das Jobcenter automatisch für jeden Schulabgänger/jede Schulabgängerin zuständig ist und diese dadurch nicht automatisch die Berufsberatung der Bundesagentur für Arbeit nutzen können, die Chancengleichheit aller Jugendlichen bei der Berufsberatung sichern? Es ist richtig, dass die Jobcenter die Prozessverantwortung für die Kunden ihres Rechtskreises haben. Berufsberatung ist jedoch eine Pflichtleistung der Agentur für Arbeit für alle Ratsuchenden. Sie steht also auch Kunden des Jobcenters zur Verfügung. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Gerd Mü ller auf die Fragen der Abgeordneten Nicole Maisch (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Fragen 58 und 59): Welche konkreten Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den aktuellen Vorwürfen und Ergänzungen aus dem Gutachten des Bundesrechnungshofs zum defizitären Umgang der Bundesregierung mit Lebensmittelkrisen, und zieht sie - wie vom Bundesrechnungshof vorgeschlagen - eine Änderung des Grundgesetzes oder des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs in Erwägung, um für Rechtsklarheit hinsichtlich der Vollzugszuständigkeiten des Bundes im Krisenfall zu sorgen? Wann werden die Vorschläge, einen bundeseinheitlichen Notfallplan, einen nationalen Krisenstab mit echten Befugnissen, gesetzliche Kompetenzen für ein Krisenmanagement des Bundes und ein permanentes Monitoring der Länderarbeit einzuführen, umgesetzt, und welche weiteren Maßnahmen sind konkret geplant? Zu Frage 58: Bundesministerin Aigner hatte den Präsidenten des Bundesrechnungshofs gebeten, die Strukturen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes in Deutschland grundlegend zu überprüfen. Den unmittelbaren Anlass hierfür gab die Dioxinkrise Anfang 2011. Das Gutachten hat sich auch eingehend mit der EHEC-Epidemie befasst. Ziel der Untersuchung war es, das umfangreiche Überwachungssystem für Lebensmittel und Futtermittel in Deutschland auf Schwachstellen zu prüfen und Lücken zu identifizieren, um die Sicherheit der Lebens- und Futtermittel weiter zu verbessern. Das Gutachten zeigt, dass Handlungsbedarf besteht. Vertreter des BMELV werden zusammen mit der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz das Gutachten im Hinblick auf seine Umsetzbarkeit auswerten. Dabei wird, soweit erforderlich, auch die Notwendigkeit neuer oder geänderter Rechtsgrundlagen erörtert werden. Zu Frage 59: Die meisten Empfehlungen des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung können nur gemeinsam mit oder von den Bundesländern umgesetzt werden, da die Länder laut Grundgesetz für die Lebensmittel- und Futtermittelkontrollen zuständig sind. Das Gutachten zur Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird im Rahmen der nächsten Sitzung der Verbraucherschutzministerkonferenz im Herbst 2012 erörtert. Zur Vorbereitung dieser Diskussion werden Vertreter des BMELV zusammen mit der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz das Gutachten im Hinblick auf seine Umsetzbarkeit auswerten. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Gerd Mü ller auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 60): Welche Unterstützungsmöglichkeiten können tierhaltende landwirtschaftliche Betriebe erhalten, in denen eine schwerwiegende Tierkrankheit mit bislang unklarer Ursache - zum Beispiel chronischer Botulismus - aufgetreten ist, und welche konkreten Vorschläge hat die Bundesregierung, um Landwirtschaftsbetriebe in solchen existenzbedrohenden Situationen besser unterstützen zu können? Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass es sich bei dem "viszeralen Botulismus", auch "chronischer Botulismus" genannt, nach derzeitigem Kenntnisstand um ein in einzelnen Rinderbeständen beobachtetes Geschehen handelt, bei dem die Ursache unklar ist; eine Beteiligung von Clostridium botulinum und dessen Toxinen am Geschehen ist wissenschaftlich nicht gesichert. Insoweit kommt es der Bundesregierung zunächst darauf an, den Sachverhalt aufzuklären. Ein jüngst von der BLE an die Tierärztliche Hochschule Hannover vergebenes Forschungsvorhaben soll dem Rechnung tragen. Eine öffentliche Unterstützung von Betrieben durch den Bund scheidet nach Auffassung der Bundesregierung aufgrund der nach wie vor unklaren Genese, der unsicheren Diagnostik und zudem aufgrund der fehlenden Zuständigkeit des Bundes aus. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Gerd Mü ller auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 61): Wie ist aus Sicht der Bundesregierung die Einrichtung sogenannter Rotwildbezirke mit den internationalen Vereinbarungen - zum Beispiel UN-Konventionen - der Bundesrepublik Deutschland zu vereinbaren, und in welchen anderen EU-Mitgliedstaaten gibt es solche Rotwildbezirke oder ähnliche Regelungen? Die Rotwildbewirtschaftung in Deutschland, sei es in ausgewiesenen Rotwildbezirken oder ohne behördliche Einschränkungen, liegt in der Zuständigkeit der Länder. Die Entwicklung der Rotwildjahresstrecken zeigt deutlich, dass die Bejagung nachhaltig erfolgt und damit nicht gegen internationale Vereinbarungen verstößt. Inwieweit in anderen EU-Mitgliedstaaten Rotwild aufgrund ähnlicher Regelungen bejagt wird, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 62): Wie viele Millionen Euro sieht die Finanzplanung im Einzelplan 14 für die Umstellung von analogen Radaranlagen auf digitale Radaranlagen des Typs ASR-910 der Bundeswehr vor - bitte jeweils sowohl die vorgesehenen Barmittel als auch die Verpflichtungsermächtigungen und die mittelfristige Finanzplanung der einzelnen Jahre bis 2015 darstellen -, und was kostet die Umstellung einer Radaranlage auf den Typ ASR-910? Der Typ ASR-910 ist nicht die neue digitale Radaranlage der Bundeswehr. ASR-910 ist die seit 1979 in Betrieb befindliche Radaranlage, die nach und nach durch den Typ ASR-S ersetzt wird. Die Beschaffung der Anlage ASR-S ist erforderlich, da die ASR-910 nicht mehr den Erfordernissen zur Erfassung moderner, mit Verbundwerkstoffen hergestellter Luftfahrzeuge entspricht. Zudem wäre sie wegen veralteter Technik nur mit einem erheblichen personellen und finanziellen Aufwand weiter zu betreiben. Der Vertrag über die Beschaffung, Installation und Inbetriebnahme der Radaranlagen ASR-S wurde am 4. Juli 2008 nach der Billigung durch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages geschlossen. Dazu wurden Verpflichtungsermächtigungen aus dem Haushalt 2008/ 41. Finanzplan in Anspruch genommen. Folgerichtig sind im Entwurf des Haushalts 2012/45. Finanzplan keine Verpflichtungsermächtigungen mehr für dieses Vorhaben berücksichtigt. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 63): Welche Regelungen gibt es im Rahmen des Atalanta-Mandates für die Bundeswehr betreffend die Versenkung von Schiffen und Booten, deren Besatzung in Verdacht steht, an Akten der Piraterie beteiligt zu sein, und wie ist in diesem Zusammenhang der Einsatz vom 29. September 2011 zu beurteilen, bei dem ein angebliches Mutterschiff von einem Hubschrauber versenkt wurde, von dem die Einsatzkräfte ohne Boarding nach mehrmaligem Überfliegen annahmen, dass sich keine Personen mehr an Bord befanden? Ausweislich der Gemeinsamen Aktion 2008/851/ GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008 in der Fassung der Beschlüsse 2009/907/ GASP vom 8. Dezember 2009, 2010/437/GASP und 2010/766/GASP des Rates der Europäischen Union gehört es zum Auftrag der Operation Atalanta, erforderliche Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt zur Abschreckung, Verhütung und Beendigung von seeräuberischen Handlungen oder bewaffneten Raubüberfällen durchzuführen. Der Schwerpunkt von Atalanta liegt in der Prävention und Verhütung von seeräuberischen Handlungen oder bewaffneten Raubüberfällen. In diesem Zusammenhang sehen der Operationsplan und die Einsatzregeln im Einklang mit dem internationalen Seerecht und den entsprechenden Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Pirateriebekämpfung vor der Küste Somalias vor, dass Ausrüstung, einschließlich Boote und Schiffe, von der Piraterie verdächtigen Personen zerstört, versenkt oder unbrauchbar gemacht werden kann, um deren künftige Nutzung zu Zwecken der Piraterie zu verhindern. Bei der Versenkung des Piratenversorgungsbootes, Whaler, am 29. September 2011 durch einen Bordhubschrauber der deutschen Fregatte Köln wurde demgemäß verfahren. Das verankerte Piratenversorgungsboot, Whaler, war mit Kraftstofffässern und Material zum Entern von Schiffen beladen worden. Nach mehrfachem Überfliegen des offenen Bootes wurde festgestellt, dass sich keine Personen an Bord oder in der Nähe des Bootes befanden, die hätten gefährdet werden können. Daraufhin wurde das Piratenversorgungsboot, Whaler, versenkt. Es gab keine Personenschäden. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 64): Welche Konsequenzen für den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen des Atalanta-Einsatzes plant die Bundesregierung aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 11. November 2011 (Az. 25 K 4280/09) zu ziehen, nach dem die Übergabe eines der Piraterie Verdächtigen an Kenia rechtswidrig war, und welche Auswirkungen hat dieses Urteil in Bezug auf Justizabkommen der Europäischen Union mit Drittstaaten im Rahmen der internationalen Pirateriebekämpfung, wie mit den Seychellen? Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 11. November 2011 ist noch nicht rechtskräftig. Es betrifft einen Einzelfall aus dem Jahre 2009. Die Urteilsbegründung wird derzeit geprüft und ausgewertet. Im Rahmen dieser Prüfung wird zu entscheiden sein, ob gegen das Urteil der Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt wird. Ich darf an dieser Stelle allerdings betonen, dass durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln die Ingewahrsamnahme mutmaßlicher Piraten durch deutsche Einheiten der Operation Atalanta und die Übergabe an zur Strafverfolgung bereite Drittstaaten nicht grundsätzlich infrage gestellt wird. Das Urteil stützt sich vielmehr auf die Einschätzung des Gerichts, wonach die tatsächlichen Haftbedingungen in Kenia zum Zeitpunkt der damaligen Übergabe noch nicht den von Kenia gegenüber der EU gegebenen Zusicherungen entsprochen haben sollen. Abkommen, die von der Europäischen Union zur Überstellung mutmaßlicher Piraten, zum Beispiel mit den Seychellen, geschlossen wurden, sind dadurch ersichtlich nicht berührt. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Frage des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 65): Wie hat sich die reale Kaufkraft des sogenannten Mindest-elterngeldes (§ 2 Abs. 5 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit) seit seiner Einführung am 1. Januar 2007 entwickelt? Die Regelungen zum Mindestbetrag in Höhe von 300 Euro für das Elterngeld waren in dem Gesetz zur Einführung des Elterngeldes enthalten, das zum 1. Januar 2007 eingeführt wurde. Legt man die jährlichen Veränderungen der Verbraucherpreise sowie eine durchschnittliche Inflationsrate zugrunde, ergibt sich, dass 300 Euro am 1. Januar 2007 derzeit etwa einem Wert von circa 275 Euro entsprechen. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Fragen des Abgeordneten Steffen Bockhahn (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Fragen 66 und 67): Wann wird das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BMFSFJ, die Länder über die Bereitstellung der von der Bundesministerin Dr. Kristina Schröder in ihrer Rede am 24. November 2011 im Deutschen Bundestag angekündigten zusätzlichen Mittel für die Beratungsnetzwerke in Höhe von 800 000 Euro informieren, und woher stammen diese Mittel? An welche inhaltlichen Bedingungen war die Bewilligung von Mitteln aus den 800 000 Euro, die das BMFSFJ im Sommer dieses Jahres für die Beratungsnetzwerke zusätzlich bereitgestellt hat, geknüpft? Zu Frage 66: Die jeweils für die Beratungsnetzwerke zuständigen 16 Landesministerien wurden bereits mit Schreiben vom 24. November 2011 über die Möglichkeit der Bewilligung von zusätzlichen Mitteln informiert. Das mit der administrativen Umsetzung des Bundesprogramms beauftragte Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben hat gleichzeitig begonnen, mit den einzelnen Landeskoordinierungsstellen telefonisch Kontakt aufzunehmen, um Unterstützung bei der Antragstellung zu leisten. Die Bereitstellung der Mittel erfolgt aus Restmitteln des Einzelplans 17 Titel 684 14. Zu Frage 67: Die Bewilligung von Bundesmitteln im Programm Toleranz fördern - Kompetenz stärken erfolgt auf der Grundlage von Leitlinien für die einzelnen Programmbereiche. Die inhaltlichen Bedingungen gehen entsprechend aus der Leitlinie zum Programmbereich "Förderung und Unterstützung qualitätsorientierter Beratungsleistungen in den landesweiten Beratungsnetzwerken" hervor. Die Leitlinie ist auf der Programmhomepage www.toleran-fördern-kompetenz-stärken.de abrufbar. Alle Aktivitäten, die aus zusätzlich bereitgestellten Mitteln gefördert werden, müssen dem Leitziel der Beratung im Themenfeld entsprechen. Das besteht darin, gemeinsam mit lokalen Akteuren Handlungskonzepte für eine demokratische Stärkung des Gemeinwesens zu entwickeln und Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus eine lebendige Zivilgesellschaft entgegenzustellen. Es wird davon ausgegangen, dass sich für die Landeskooordinierungsstellen und Erstkontaktstellen der landesweiten Beratungsnetzwerke aufgrund der aufgedeckten Straftaten der rechtsterroristischen sogenannten Zwickauer Zelle ein vermehrter Beratungsbedarf besorgter Bürgerinnen und Bürger ergibt. Dieser gegebenenfalls zusätzliche Beratungsaufwand soll durch die Bereitstellung weiterer Mittel gefördert werden. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Frage des Abgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE ) (Drucksache 17/7901, Frage 68): Wäre mehr Transparenz bei den zwischen den Ärzten und Arzneimittelherstellern vereinbarten Anwendungsbeobachtungen aus Sicht der Bundesregierung wünschenswert, und bedürfte es, um dies verbindlich zu erreichen - angesichts der Klage von Transparency Deutschland gegen die Kassenärztliche Bundesvereinigung -, rechtlicher Änderungen? Transparenz bei Anwendungsbeobachtungen ist wünschenswert. Bereits jetzt gibt es Vorschriften im Arzneimittelgesetz, AMG, mit dieser Zielsetzung, die noch ergänzt werden sollen. Für Anwendungsbeobachtungen mit zugelassenen und registrierten Arzneimitteln besteht nach § 67 Abs. 6 Satz 1 AMG eine Anzeigepflicht gegenüber der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie der zuständigen Bundesoberbehörde. Dabei sind Ort, Zeit und Ziel der Anwendungsbeobachtung und seit der letzten Novellierung des AMG im Jahr 2009 auch der Beobachtungsplan anzugeben. Gegenüber der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen sind die beteiligten Ärztinnen und Ärzte zusätzlich namentlich zu benennen. Sofern beteiligte Ärztinnen und Ärzte Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen, sind bei Anzeigen nach § 67 Abs. 6 Satz 1 AMG auch die Art und die Höhe der an sie geleisteten Entschädigungen anzugeben sowie jeweils eine Ausfertigung der mit ihnen geschlossenen Verträge zu übermitteln. Im Beobachtungsplan ist darzulegen, welches Ziel die Anwendungsbeobachtung verfolgt. Die Vorlage des Beobachtungsplans ermöglicht eine effektivere Überwachung. Anwendungsbeobachtungen sind nichtinterventionelle Prüfungen im Sinne von § 4 Abs. 23 Satz 3 AMG. Für nichtinterventionelle Unbedenklichkeitsstudien unterscheidet die Pharmakovigilanzrichtlinie 2010/84/EU zwischen behördlich angeordneten und freiwillig durchgeführten Studien und sieht weitere Regelungen vor. Die europäischen Vorgaben werden mit der anstehenden AMG-Novelle ins Arzneimittelgesetz umgesetzt. Es wird durch ergänzende Regelungen ausdrücklich bestimmt, dass keine Studien mit "Werbecharakter" durchgeführt werden und kein Anreiz für eine besondere Verschreibung oder Empfehlung für ein bestimmtes Arzneimittel entstehen darf. Ferner ist beabsichtigt, dass die bisher geltenden Regelungen über Anwendungsbeobachtungen im AMG auch auf andere Personen als pharmazeutische Unternehmer erstreckt werden, wie zum Beispiel nichtkommerzielle Initiatoren. Die bestehenden Regelungen zu Anwendungsbeobachtungen und die geplanten Änderungen bieten einen hinreichenden Regelungsrahmen. Anlage 39 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ulrike Flach auf die Frage der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 69): Welche Erkenntnisse erhofft sich die Bundesregierung, wenn sie im Zuge der Überprüfung der Herstellerzwangsabschläge gemäß § 130 a Abs. 4 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch die Arzneimittelhersteller zur Stellungnahme über eine Absenkung der Abschläge auffordert? Das Bundesministerium für Gesundheit ist gesetzlich verpflichtet, die Erforderlichkeit der Herstellerabschläge nach § 130 a SGB V regelmäßig zu überprüfen. Diese Verpflichtung besteht aufgrund der sogenannten europäischen Transparenzrichtlinie, Richtlinie 89/105/EWG, die mit der Vorschrift des § 130 a Abs. 4 Satz 1 SGB V in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Nach Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit kann dies nur sachgerecht durchgeführt werden, wenn alle relevanten Informationen umfassend einbezogen werden. Hierzu gehört auch die Auffassung der maßgeblichen Verbände und Institutionen. Diese haben mit Schreiben vom 17. November 2011 die Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten. Es ist erforderlich, auch die Verbände der Arzneimittelhersteller einschließlich der Importeure dabei einzubeziehen, da diese von der Regelung betroffen sind. Weitere Adressaten dieses Schreibens sind der GKV-Spitzenverband, das Bundesversicherungsamt, der Verband der privaten Krankenversicherung, die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, die Verbraucherzentrale Bundesverband, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und das Wissenschaftliche Institut der AOK. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Fragen 70 und 71): Welche Kriterien lagen bei der Genehmigung der Versuchsstrecken für den Gigaliner-Feldversuch zugrunde, und weshalb wurden Genehmigungen für Bundesstraßen und untergeordnete Straßen nicht nur zum nächstmöglichen Autobahnanschluss eines Gewerbegebiets ausgesprochen, sondern zu Autobahnabfahrten, die bis zu 85 Kilometer vom jeweiligen Gewerbegebiet entfernt liegen? Welche Umleitungsstrecken dürfen die Gigaliner nutzen, wenn eine Versuchsstrecke, beispielsweise unfallbedingt, gesperrt ist, und wie kann die Sicherheit auf diesen Strecken gewährleistet werden, wenn sie nicht zum Streckennetz des Feldversuchs gehören? Zu Frage 70: Die Bundesregierung wird keinen Feldversuch mit Gigalinern durchführen. Es wurden auch keine Strecken für einen Gigaliner-Feldversuch genehmigt. Sollte sich die Frage auf den Feldversuch mit Lang-Lkw beziehen, gilt Folgendes: Gegenstand der Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften für Fahrzeugkombinationen mit Überlänge ist ein Streckennetz, auf welchem die Lang-Lkw mit einer Länge von bis zu 25,25 Meter in den nächsten fünf Jahren verkehren dürfen. Dieses Positivnetz wurde fast ausnahmslos auf der Grundlage von Meldungen der an dem Feldversuch teilnehmenden Bundesländer gefasst. Die Bundesländer haben entweder in eigener Zuständigkeit infolge ihrer Baulastträgerschaft oder im Rahmen der Auftragsverwaltung hinsichtlich der Bundesfernstraßen Strecken auf ihre Geeignetheit für das Befahren mit überlangen Lkw geprüft. Dies auch vor dem Hintergrund, dass eine Prüfung des geeigneten Fahrtweges im Rahmen eines Erlaubnisverfahrens für einen Großraumtransport ebenfalls in der alleinigen Zuständigkeit der Länder liegen würde und die Bundesländer über entsprechende Erfahrungen verfügen. Bei der Prüfung konnten die Bundesländer davon ausgehen, dass die Lang-Lkw die Kurvenlaufeigenschaften des § 32 d der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung einhalten. Im Übrigen wurden seitens der Bundesregierung zusätzliche Parameter für die Geeignetheit einer Strecke vorgegeben: Zum Beispiel sollte das Befahren von Bahnübergängen nur im Ausnahmefall in Betracht gezogen werden, auch ein Befahren der Innenstädte sollte grundsätzlich vermieden werden. Zu Frage 71: Ein Lang-Lkw mit einer Länge von bis zu 25,25 Metern ist auf das ausgewiesene Positivnetz festgelegt. Außerhalb dieses Netzes darf der Lang-Lkw grundsätzlich nicht verkehren. Sollte infolge eines Unfalls ein Polizeibeamter das Verlassen der festgelegten Strecke anweisen, so greift § 36 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Ordnung, von dem in der Verordnung keine Ausnahme getroffen wurde. Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten sind dann zu befolgen. Sie gehen allen anderen Anordnungen und sonstigen Regeln vor, entbinden den Führer des Lang-Lkw aber nicht von seiner Sorgfaltspflicht. Insoweit besteht zum Beispiel die Möglichkeit, an geeigneter Stelle die Freigabe der Strecke abzuwarten oder im abgekoppelten Zustand die Fahrt fortzusetzen. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 72): Welche Gutachten, Studien und Untersuchungen, die im Zusammenhang mit der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, WSV, in Auftrag gegeben wurden, sind der Bundesregierung bekannt, und wie hoch ist die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Gesamtkosten dieser Untersuchungen? Im Zusammenhang mit der WSV-Reform wurde bisher lediglich - gemeinsam mit den Ländern - die Überprüfung der Netzkategorisierung in Auftrag gegeben. Der Kostenanteil des Bundes beläuft sich auf 15 000 Euro. Die Ergebnisse weiterer Untersuchungen, die unabhängig von der WSV-Reform beauftragt wurden, zum Beispiel Förderung des Wassertourismus, alternative Betriebsmodelle, werden im laufenden Reformprozess lediglich genutzt. Untersuchungen zur Nutzerfinanzierung sind beabsichtigt. Sie wurden aber noch nicht beauftragt. Zur Höhe der Kosten können deshalb noch keine Angaben gemacht werden. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 73): Wie erklärt die Bundesregierung die von der Gewerkschaft Verdi veröffentlichten Zahlen, dass etwa 700 Stellen innerhalb der WSV unbesetzt seien, und wie bringt sie diese Zahlen in Verbindung mit den von der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage auf Bundestagsdrucksache 17/7902 angegebenen 257 unbesetzten Stellen? Die von Verdi genannte Anzahl von unbesetzten Plan-/ Stellen ergibt sich vermutlich aus dem Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2012. Die Angaben aus dem gedruckten Haushalt (wie hier Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2012) und den von der Bundesregierung ermittelten Zahlen basieren auf unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen. Das vermeintlich unterschiedliche Ergebnis resultiert aus folgenden abweichenden Berechnungsgrundlagen: Berech nungs grund lage Verdi Bundesregierung Basis alle im Haushalt aus gebrachten Plan-/ Stellen inklusive Ersatzplan-/Stellen alle im Haushalt aus gebrachten Plan-/ Stellen - ohne Ersatzplan-/ Stellen - ohne Einsparplan-/ Stellen (Haushalte 2011, 2012) Auswer tungsge genstand besetzte Stellen ent sprechend des Beset zungsgrades (Umrechnung auf Vollzeitäquivalente) unbesetzte Stellen (Besetzungsgrad = 0) Stichtag 01.06.11 01.11.11 Entsprechend der parlamentarischen Anfrage wurden die unbesetzten Plan-/Stellen ermittelt. Die Auswertungsparameter der Bundesregierung wurden schriftlich aufgezeigt. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Heidrun Bluhm (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 74): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Erkenntnis, dass insbesondere in Ballungszentren zusätzlicher Wohnungsbau erforderlich ist, für ihre im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP angekündigte Entscheidung zur Wohnraumförderung nach 2013? Die Bundesregierung hat in ihrem Wohngeld- und Mietenbericht 2010 festgestellt, dass im Zuge der positiven Konjunkturentwicklung die Wohnungsnachfrage in vielen Städten und Regionen anzieht und die Zahl der Kreise mit hohen Mitpreissteigerungen zunimmt. Zur Behebung der regionalen Wohnungsmarktengpässe sind die zuständigen Länder gefordert, Mittel der sozialen Wohnraumförderung gezielt einzusetzen. Sie erhalten hierfür aus dem Bundeshaushalt bis 2013 jährlich 518,2 Millionen Euro Kompensationsmittel, die zweckgebunden für die Wohnraumförderung einzusetzen sind. Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, führt die Bundesregierung bereits Verhandlungen mit den Ländern über die Frage, in welcher Höhe die Kompensationsmittel zur Aufgabenerfüllung der Länder für den Zeitraum 2014 bis 2019 noch angemessen und erforderlich sind. Im Übrigen unterstützt der Bund den Wohnungsneubau auch durch das KfW-Programm "Energieeffizient Bauen". 2010 wurden rund 50 Prozent aller neu gebauten Wohnungen in diesem Rahmen gefördert. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 75): Welche Rolle spielen Fragen der Schaffung der Barrierefreiheit in dem vom Bundesminister Dr. Peter Ramsauer gestarteten neuen KfW-Förderprogramm "Energetische Stadtsanierung" (siehe Pressemitteilung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 14. November 2011 zur Pilotphase für integrierte energetische Quartierskonzepte ab dem 15. November 2011)? Das neue KfW-Programm unterstützt die Erstellung von integrierten Quartierskonzepten insbesondere zur Wärmeversorgung. Damit sollen im Quartier umfassende Maßnahmen in die Energieeffizienz der Gebäude und der Infrastruktur angestoßen werden, unter anderem um erneuerbaren Energien breitere Einsatzmöglichkeiten in innerstädtischen Altbauquartieren zu bieten und weitere Investorengruppen in den Sanierungsprozess einzubeziehen. Die Finanzierung erfolgt aus dem Energie- und Klimafonds. Die Quartierskonzepte sollen - sofern bereits vorhanden - aus integrierten Stadtentwicklungskonzepten, aus wohnungswirtschaftlichen Konzepten oder Klimaschutzkonzepten der Kommune abgeleitet werden. Bei der Erarbeitung der Quartierskonzepte sollen städtebauliche, baukulturelle und denkmalpflegerische, wohnungswirtschaftliche und soziale Belange und Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang spielt die Nutzbarkeit der Gebäude und der Infrastruktur für Menschen mit Behinderungen oder Mobilitätseinschränkungen selbstverständlich eine Rolle. Die investiven Maßnahmen zur alters- bzw. behindertengerechten Verbesserung von Gebäuden bzw. der städtischen Infrastruktur können aus den KfW-Infrastrukturprogrammen, den Programmen der Städtebauförderung bzw. aus dem KfW-Programm "Altersgerecht Umbauen" gefördert werden. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 76): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Ausgang der kantonalen Abstimmung in Zürich am 27. November 2011 zu den Anträgen, die den Ausbau des Flughafens Zürich-Kloten verhindern wollen, und wann wird das nächste Treffen zwischen dem Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, und der schweizerischen Bundesrätin Doris Leuthard stattfinden? Aus dem Ergebnis der kantonalen Abstimmung ist ein grundsätzlicher Willen der Schweizer Bevölkerung zum Ausbau des Flughafens Zürich-Kloten erkennbar. Das nächste Treffen zwischen Bundesminister Dr. Ramsauer und Bundesrätin Leuthard ist für den 1. Dezember 2011 geplant. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 77): Wie lautet das Ergebnis der Prüfung durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, welche Verschärfung der DVO zur Luftverkehrs-Ordnung ab dem 1. Januar 2012 europarechtlich standhalten würde, und schätzt es die Begrenzung von 80 000 Anflügen über Deutschland oder die Ausweitung der Schutzzeiten als zulässig ein? Ein abschließendes Ergebnis der Prüfung liegt bei diesem äußerst komplexen Sachverhalt noch nicht vor. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Sabine Leidig (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 78): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung für das Projekt Stuttgart 21 und die damit verbundenen Pläne, das oberirdische Gleisfeld ganz in den Untergrund zu verlegen und die bisherigen Gleisflächen bebauen zu wollen, aus der Tatsache, dass die Stuttgarter Netz AG jüngst mitteilte, dass sie nach der Ausschreibung der oberirdischen Bahnanlagen diese kaufen und dann an private Bahnanbieter vermieten wolle? Bei Stuttgart 21 handelt es sich nicht um ein Projekt des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes, sondern um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn AG. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind Vorhabenträger und Bauherr. Das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und die Flughafen Stuttgart GmbH beteiligen sich als Aufgabenträger an der Finanzierung. Der Bund übernimmt mit einem Festbetrag in Höhe von 563,8 Millionen Euro für das Projekt Stuttgart 21 den Anteil, der für die Einbindung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm in den Knoten Stuttgart auch ohne Verwirklichung von Stuttgart 21 erforderlich gewesen wäre. Der Tiefbahnhof wird unter Weiterbetrieb des jetzigen, zu diesem Zweck modifizierten Kopfbahnhofs gebaut. Somit wäre auch die Absicht der Stuttgarter Netz AG, wenn sie diese denn tatsächlich realisieren kann, kein Hindernis für den Betrieb des Tiefbahnhofs. Anlage 48 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 79): In welchem Umfang profitiert der Braunkohlebergbau von rechtlichen Sonderstellungen (bitte getrennt darstellen nach Erneuerbare-Energien-Gesetz-Umlage, Kraft-Wärme-Kopplung-Umlage, Stromsteuer, Konzessionsabgabe, Netzentgelte - ab 2012, Emissionshandel -, Schätzung für 2013, Wasserabgaben)? Die Zahlen liegen der Bundesregierung in der geforderten Gliederung nicht vollständig vor. Aus den vorliegenden Daten ergibt sich aber folgendes Bild: Von der Besonderen Ausgleichsregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, EEG, profitiert der Braunkohlebergbau derzeit in einer Größenordnung von 40 Millionen Euro pro Jahr. Zu der Frage, inwieweit der Braunkohlebergbau darüber hinaus auch von der Befreiung des eigen erzeugten Eigenverbrauchs von der EEG-Umlage profitiert, liegen der Bundesregierung keine Daten vor. Im Rahmen der Abrechnung der KWK-Umlage bestehen keine spezifischen Vergünstigungen für den Braunkohlebergbau. Bei der Energie- und Stromsteuer werden statistische Auswertungen für eine Zuordnung von begünstigten Unternehmen zu einzelnen Wirtschaftszweigen - schon aus Datenschutzgründen - nicht durchgeführt. Aussagen zur Höhe der Energie- und Stromsteuerbegünstigungen, die speziell Unternehmen des Braunkohlebergbaus gewährt werden, können deshalb nicht getroffen werden. Daten zur Höhe der Entlastung von Unternehmen des Braunkohlebergbaus bei der Konzessionsabgabe liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Konzessionsabgaben sind Einnahmen der Kommunen, die diese als Gegenleistung aus dem Abschluss von Konzessionsverträgen mit den Energieversorgungsunternehmen erhalten. Unternehmen des Braunkohlebergbaus zahlen unter bestimmten Voraussetzungen reduzierte Netznutzungsentgelte. Der Bundesregierung liegen keine Daten über die Entlastung einzelner Unternehmen vor, sondern nur über die voraussichtlichen Gesamtentlastungsvolumina nach § 19 Abs. 2 Satz 1 der Stromnetzentgeltverordnung ("atypische Netznutzung") und nach § 19 Abs. 2 Satz 2 der Stromnetzentgeltverordnung ("gleichmäßige Netznutzung durch stromintensive Unternehmen"). Es wird auf die Antwort zur Kleinen Anfrage 17/7450 verwiesen. Im EU-Emissionshandel ab 2013 gibt es keine Sonderregelungen zugunsten des Braunkohlebergbaus. Von den vier Ländern mit Braunkohleförderung erheben drei (Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Brandenburg) ein Wasserentnahmeentgelt nach Landesrecht. Von den Braunkohleunternehmen durch Rohstoffgewinnung entnommenes Grundwasser unterliegt, soweit es vor der Einleitung genutzt wird, dort einem reduzierten, jeweils aber unterschiedlichen Abgabesatz. Entnommenes, aber nicht genutztes Grundwasser wird mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen nicht von den Wasserentnahmeentgelten erfasst. Daten über die Höhe dieser Ermäßigungen bzw. Befreiungen liegen der Bundesregierung nicht vor. Anlage 49 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Frank Schwabe (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 80): Wann ist aus Sicht der Bundesregierung die letztmalige Gelegenheit, das europäische Treibhausgasminderungsziel zu verändern, ohne gleichzeitig eine Rechtsunsicherheit in Bezug auf bereits zugeteilte Emissionsberechtigungen zu schaffen? Derzeit gibt es keine Entscheidung auf EU-Ebene zur Frage, wann und in welchem Maße das EU-Klimaziel erhöht wird. Dementsprechend gibt es auch keine Entscheidung darüber, wie eine entsprechende Umsetzung ausgestaltet würde. Die Antwort auf die Frage, ob eine mögliche Erhöhung des EU-Klimaziels Auswirkungen auf bereits zugeteilte Emissionsberechtigungen hätte, hängt davon ab, in welchen Bereichen und gegebenenfalls Sektoren eine Erhöhung umgesetzt würde. Die Beantwortung auf diese Frage ist spekulativ, solange keine konkreten Vorschläge auf EU-Ebene diskutiert werden. Davon unabhängig setzt sich die Bundesregierung für höchstmögliche Rechtssicherheit für zugeteilte Emissionsberechtigungen ein. Anlage 50 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU ) (Drucksache 17/7901, Frage 81): Welche Gründe führen dazu, dass der Abstimmungsprozess innerhalb der Bundesregierung, der Voraussetzung für die Erstellung des Evaluationsberichts zum Thema der Umweltzone ist, noch nicht abgeschlossen werden konnte, und hält es die Bundesregierung für zumutbar, den Deutschen Bundestag weiter auf das Erscheinen des Berichts, das ursprünglich für Herbst 2009 und dann für Frühjahr 2010 vorgesehen war, warten zu lassen? Der Abstimmungsprozess zur Evaluierung der Verordnung zur Kennzeichnung emissionsarmer Kraftfahrzeuge, 35. BImSchV, konnte noch nicht abgeschlossen werden, weil die Bundesregierung prüft, in welcher Weise eine bundesweite Vereinheitlichung der Ausnahmeregelungen von Verkehrsverboten in Umweltzonen, die die Interessen der Beteiligten ausgewogen berücksichtigt, am besten umgesetzt werden kann. Aufgrund dessen, dass die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag zu Umweltzonen, die auf der Grundlage der 35. BImSchV eingerichtet worden sind, berichtet hat, zuletzt in der Bundestagsdrucksache 17/5651 vom 20. April 2011, sieht die Bundesregierung es als vertretbar an, wenn der Bericht erst später vorgelegt werden kann. Anlage 51 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 82): Mit welchen Mindereinnahmen ist angesichts des niedrigen Kohlenstoffpreises bei dem aus der Versteigerung von CO2-Zertifikaten finanzierten Programm NER 300 der Europäischen Union zu rechnen, und welche Auswirkungen hat dies für energiepolitische Projekte in Deutschland? Die Versteigerung der 200 Millionen Zertifikate für die erste Tranche des NER300-Calls durch die Europäische Investitionsbank wird voraussichtlich im Dezember 2011 beginnen und sich bis zum September 2012 erstrecken. Der Preisverlauf in diesem Zeitraum ist nicht eindeutig prognostizierbar. Zum jetzigen Zeitpunkt geht die Bundesregierung nicht von Auswirkungen auf Auswahl und Umfang von NER300-Projekten aus Deutschland aus. Anlage 52 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 83): Soll es aus Sicht der Bundesregierung bei der vollständigen Einbeziehung von Flügen zwischen in der EU gelegenen und außerhalb der EU gelegenen Flughäfen in den Emissionshandel zum 1. Januar 2012 bleiben, oder tritt die Bundesregierung für eine Verschiebung oder Änderung dieser Regelung ein? Die Position der Bundesregierung ist unverändert: Die Richtlinie ist geltendes europäisches Recht, das Deutschland mit dem Treibhausgasemissionshandelsgesetz in nationales Recht umgesetzt hat - wie alle anderen Mitgliedstaaten. Aus Klimaschutz- wie Wettbewerbsgründen war die Einbeziehung aller Flüge, die einen EU-Flughafen berühren, unabhängig von der Herkunft der Fluggesellschaft, eine zentrale deutsche Forderung bei der Entscheidung über die Richtlinie. Der Vollzug läuft bereits und die wettbewerbsneutrale Einbeziehung der Emissionen aller Flüge von, nach und innerhalb der EU erfolgt wie vorgesehen ab 1. Januar 2012. Um bei Drittstaaten auf eine positive Haltung zur Einbeziehung ihrer Fluggesellschaften hinzuwirken, führen die EU-Kommission und viele Mitgliedstaaten Gespräche mit Drittstaaten und weisen dabei insbesondere auf die in der Richtlinie vorgesehene Möglichkeit der Ausnahme vom EU-Emissionshandelssystem für Flüge aus Drittstaaten in die EU hin, sofern in diesen Staaten gleichwertige eigene Maßnahmen zur Begrenzung der Emissionen dieser Flüge ergriffen werden. Anlage 53 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Fra-ge 84): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den aktuellen Erkenntnissen der europaweiten Stresstests für Atomkraftwerke, AKW, für ihr weiteres Vorgehen in der EU sowie der Verschärfung der deutschen AKW-Sicherheitsstandards - bitte mit Angabe des dafür vorgesehenen Zeitplans nationaler Aktivitäten inklusive Beratungen der Reaktor-Sicherheitskommission -, und wie sieht der aktuelle Zeitplan der Bundesregierung für die versprochenen Stresstests anderer kerntechnischer Anlagen als AKW wie beispielsweise Zwischenlager, Uranfabriken etc. aus (bitte ebenfalls inklusive Beratungen der Reaktor-Sicherheitskommission und etwaiger Auftragsvorhaben)? Bei den europaweiten Stresstests liegen aktuell nur erste Zwischenergebnisse vor. Gegenwärtig werden von den Sicherheitsbehörden in den beteiligten Staaten die ihnen von den Betreibern vorlegten Berichte ausgewertet, um die Nationalberichte fristgerecht zum 31. Dezember 2011 an die Europäische Kommission zu übermitteln. Die Bundesregierung wird weiterhin gemäß den Vorgaben des Europäischen Rates und des in der ENSREG, European Nuclear Safety Regulators Group, beschlossenen Arbeitsprogramms vorgehen und sich im ersten Halbjahr des Jahres 2012 an den themenspezifischen und länderspezifischen Überprüfungen der Nationalberichte und öffentlichen Informationsveranstaltungen beteiligen. Die Ergebnisse der Stresstests werden nach diesen Überprüfungen von der ENSREG zusammengefasst und der Europäischen Kommission für die abschließende Berichterstattung an den Europäischen Rat im Juni 2012 übermittelt. Nach Vorliegen der Ergebnisse der Stresstests wird auch über weitere nationale Aktivitäten - einschließlich der Beratungen der Reaktorsicherheitskommission - zu entscheiden sein. Der Bundestag hat am 17. März 2011 die Bundesregierung aufgefordert, nicht nur eine neue Risikoanalyse der deutschen Kernkraftwerke sondern auch aller anderen kerntechnischen Anlagen vornehmen zu lassen. Die Bundeskanzlerin hat nach ihrem Gespräch mit den Ministerpräsidenten am 22. März 2011 angekündigt, dass diese nach der vorrangigen Überprüfung der Kernkraftwerke stattfinden wird. Im Rahmen dieses nationalen Stresstests haben die zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder inzwischen die Überprüfungen der Forschungsreaktoren mit einer thermischen Dauerleistung von mehr als 50 Kilowatt vorgenommen und der Reaktor-Sicherheitskommission, RSK, vorgelegt. Die RSK plant, ihre Beratungen zu der Sicherheitsüberprüfung der Forschungsreaktoren mit einer Stellungnahme bis zum Frühjahr 2012 abzuschließen. Die Entsorgungskommission, ESK, wurde am 22. Juni 2011 mit der Entwicklung von Prüfkonzepten für in Betrieb oder in Errichtung befindliche Einrichtungen zur Behandlung, Zwischenlagerung und Endlagerung bestrahlter Brennelemente, Wärme entwickelnder und anderer Arten radioaktiver Abfälle sowie am 18. Juli 2011 entsprechend für die Urananreicherungsanlage in Gronau und die Brennelementherstellung in Lingen beauftragt. Die Ergebnisse der Reaktor-Sicherheitskommission sollen dabei berücksichtigt werden. Das entsprechende Konzept der ESK wird voraussichtlich Anfang des Jahres 2012 vorliegen, das Ergebnis des in Anlehnung an die Prüfungen der Kernkraftwerke sogenannten Stresstests wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2012 vorliegen. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 85): Wie viele Hochschulen sind aktuell jeweils stabil an die vom Bund finanzierte Software für die Hochschulzulassung - dialogorientiertes Serviceverfahren - angeschlossen bzw. haben sogenannte Konnektoren bestellt, und wie viele Universitäten und Fachhochschulen waren an dem vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages auf Ausschussdrucksache 16(8)5942 geforderten ersten erfolgreichen Probelauf des Systems beteiligt? Sowohl die Firma Datenlotsen als auch die HIS GmbH entwickeln derzeit technische Lösungen für die Anbindung der lokalen Hochschulsoftware an die vom Bund finanzierte und einsatzbereite Software für das dialogorientierte Serviceverfahren, DoSV. Im Oktober 2011 haben beide Firmen auf einer von der Stiftung für Hochschulzulassung, SfH, organisierten Tagung den Hochschulen ihre jeweiligen Lösungsvorschläge präsentiert, die in den derzeit bis in den Dezember hinein geplanten intensiven Prozesskettentests mit ausgewählten Hochschulen getestet werden. Entscheidend für die Realisierung des DoSV wird sein, dass die Hochschulen in der noch laufenden Bestellphase das Angebot von HIS oder den Datenlotsen annehmen. Die Forderung des Haushaltsausschusses in der genannten Drucksache bezieht sich darauf, über die Resultate eines ersten Probelaufs direkt unterrichtet zu werden. Ein solcher Probelauf hat bislang nicht stattgefunden. Wie bereits in der Antwort auf Ihre Berichtsbitte vom 11. Oktober 2011 mitgeteilt wurde, beabsichtigt der Stiftungsrat der SfH, am 15. Dezember 2011 auf der Grundlage der bis dahin vorliegenden Testergebnisse zu entscheiden, in welchem Umfang das DoSV zum Wintersemester 2012/2013 starten wird. In dieser Antwort war ebenfalls darauf hingewiesen worden, dass nach dem Zeitplan der SfH im Februar 2012 ein Simulationsbetrieb mit möglichst vielen Hochschulen erfolgen soll. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 86): Wie ist der aktuelle Stand des in Medien ("Bundesbildungsfestung am Strand", Berliner Morgenpost vom 19. August 2011) kritisierten Neubauvorhabens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in der Bundeshauptstadt, insbesondere in Bezug auf den Bebauungsplan, gegebenenfalls noch erforderliche Schritte für dessen Rechtsgültigkeit, sowie den vorgesehenen Baubeginn, und wie ist der aktuelle Planungsstand für das gleichfalls auf diesem Gelände vorgesehene "Haus der Zukunft" - unter Angabe der aktuell geschätzten Gesamtkosten dieses Vorhabens, der vorgesehenen jährlichen Betriebskosten, der erwarteten Beteiligung der Wirtschaft und der prognostizierten Besucherzahl? Die Zuschlagserteilung im Öffentlich-Privaten-Partnerschafts-Verfahren, ÖPP-Verfahren, zum Neubauprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Berlin und der Vertragsabschluss erfolgten am 3. August 2011. Am 18. November 2011 wurde der Bauantrag bei der Senatsverwaltung Berlin als Baugenehmigungsbehörde eingereicht. Nach Auskunft der zuständigen Senatsverwaltung ist der von ihr abschließend aufgestellte Entwurf des Bebauungsplans in das parlamentarische Verfahren eingebracht worden. Eine parlamentarische Billigung liegt wegen der gegenwärtig laufenden Senatsbildung noch nicht vor. Die Senatsverwaltung hat die Zusicherung gegeben, den Antrag so rechtzeitig zu bescheiden, dass die Baugenehmigung bis Mitte Januar 2012 erteilt werden kann. Dabei hat sie auch ausdrücklich auf die planungsrechtlichen Regelungen des BauGB hingewiesen, nach denen die Erteilung einer Baugenehmigung auch vor der Rechtskraft eines Bebauungsplanes möglich ist. Für das geplante Haus der Zukunft wurde inzwischen ein offener, zweiphasiger, internationaler Realisierungswettbewerb mit interdisziplinärer Ausrichtung vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, BBR, für die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, BImA, mit einer Kostenobergrenze von 45,7 Millionen Euro Baukosten bei einem Gesamtvolumen von 59 Millionen Euro veröffentlicht. Die Kostenvorgabe von 45,7 Millionen Euro enthält - wie üblich - nur die für den Wettbewerb relevanten Baukosten einschließlich Außengestaltung und umfasst nicht die Kosten für das Grundstück, die Erschließungskosten, die Kosten der Erstausstattung und Nebenkosten wie zum Beispiel Architektenhonorare. Diese Kostenvorgabe wird nach der 1. Phase des Wettbewerbs gegebenenfalls aktualisiert und für die 2. Phase festgeschrieben. Ebenfalls im Lichte des Wettbewerbsergebnisses und der weiteren Konzeptvertiefung sind die Kosten für die Erstausstattung der Ausstellung zu prüfen. Für den Betrieb und die Bespielung des Hauses der Zukunft lassen sich aus der Machbarkeitsstudie vom November 2011 - ausgehend von aktuellen Preisen, inflationsangepasst - in einem durchschnittlichen Betriebsjahr Kosten von circa 7,6 Millionen Euro ableiten. Darin sind die zu erwartenden eigenen Einnahmen der zu gründenden Trägerorganisation des Hauses aus Eintritten - durchschnittlich erwartete Besucherzahl von 185 000 Personen per anno allein im Ausstellungsbereich -, Vermietung und Verpachtung sowie Beiträge von Wissenschaft, Industrie und Stiftungen noch nicht berücksichtigt. Mit der Allianz der Wissenschaftsorganisationen sowie mit dem vom Bundesverband der Deutschen Industrie, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft eingerichteten Industriekreis für das Haus der Zukunft wird derzeit ein Beteiligungsmodell entwickelt. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Fragen des Abgeordneten Klaus Barthel (SPD) (Drucksache 17/7901, Fragen 87 und 88): Welches sind die Politikbereiche im Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union einerseits und Kolumbien und Peru andererseits, die nach Auffassung der Bundesregierung in der alleinigen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegen (vergleiche Ressortbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 5. Oktober 2011)? In welcher Form ist der Deutsche Bundestag nach Auffassung der Bundesregierung zu beteiligen, wenn es sich bei dem Handelsabkommen um ein "gemischtes Abkommen" handelt, und wie beabsichtigt die Bundesregierung diese Beteiligung sicherzustellen? Zu Frage 87: Die im Berichtsbogen unter dem Punkt Subsidaritätsprüfung genannte Kategorie "alleinige mitgliedstaatliche Zuständigkeiten" entspricht der im Berichtsbogen im Anschluss genannten Kategorie "geteilte mitgliedstaatliche Zuständigkeiten". Soweit durch die unterschiedliche Formulierung ein Missverständnis entstanden sein sollte, wird um Entschuldigung gebeten. Zu Frage 88: Die Beteiligung des Bundestages erfolgt gegebenenfalls in der Form eines Vertragsgesetzes, wenn das Abkommen Gegenstände der Bundesgesetzgebung berührt und damit die Voraussetzungen des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG erfüllt sind. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Fragen des Abgeordneten Manfred Nink (SPD) (Drucksache 17/7901, Fragen 89 und 90): Hält die Bundesregierung weiterhin an ihrer Beurteilung fest, wonach das Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kolumbien sowie Peru "als gemischtes Abkommen ausgestaltet werden müsste, da es neben Politikbereichen in der Zuständigkeit der EU auch Bereiche enthält, die in der alleinigen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegen" (Ressortbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 5. Oktober 2011)? Wie beurteilt die Bundesregierung die Erfolgsaussichten, dass bei den anstehenden ratsinternen Beratungen des Europäi-schen Rates das Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kolumbien sowie Peru - entsprechend der Bewertung des Juristischen Dienstes des Rates und der Beurteilung von 13 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, darunter Frankreich und Deutschland - als gemischtes Abkommen eingestuft wird, das aufgrund der geteilten Zuständigkeit zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten der Zustimmung durch die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten bedarf, und wann rechnet sie voraussichtlich mit dem Beschluss des Rates? Zu Frage 89: Die Bundesregierung hat bisher ihre Auffassung nicht verändert, dass aufgrund der im Abkommen enthaltenen Bereiche Verkehrsdienstleistungen nach Art. 91, Art. 100 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 Buchstabe g AEUV, patentrechtlicher Regelungen sowie des im Abkommen enthaltenen Verbots von Massenvernichtungswaffen das Abkommen als gemischtes ausgestaltet werden müsste. Zu Frage 90: Die Bundesregierung unterstützt auf der Grundlage der erzielten Ergebnisse den inhaltlichen Abschluss der Verhandlungen nachdrücklich und setzt sich daher für eine schnelle und positive Beschlussfassung ein. Aufgrund der noch zu führenden juristischen Diskussion mit der Europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament, das dem Abkommen nach Art. 218 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zustimmen muss, können keine verlässlichen Aussagen zur voraussichtlichen Beschlussfassung getroffen werden. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 91): Um welche sozialen und entwicklungspolitischen Kriterien für die öffentliche Beschaffung - beispielsweise die Beachtung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation in der Produktion - wird die Bundesregierung die Neuauflage der zum 14. Januar 2012 auslaufenden Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Produkte und Dienstleistungen ergänzen, um diese damit zu einer Verwaltungsvorschrift zur ökosozialen Beschaffung zu machen, und falls die Bundesregierung dies nicht plant, gegen welche aktuell erdenklichen sozialen und entwicklungspolitischen Kriterien bestehen Vorbehalte? Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Produkte und Dienstleistungen, AW eneff Besch, verpflichtet bis zu ihrem Außerkrafttreten am 23. Januar 2012 öffentliche Auftraggeber des Bundes, bei ihren Beschaffungen den Energieverbrauch in der Nutzungsphase bei der Erstellung der Vergabeunterlagen zu berücksichtigen, für die abschließende Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes nach dem Lebenszykluskostenprinzip die Abschreibungs- und Entsorgungskosten zu berücksichtigen und zur angemessenen Berücksichtigung von Umweltschutz- und insbesondere Energieeffizienzaspekten darüber hinaus bestimmte Umweltzeichen zu beachten. Die Bundesregierung beabsichtigt zum gegenwärtigen Zeitpunkt, die AW eneff Besch mit dem bisherigen Inhalt über den 23. Januar 2012 hinaus für ein weiteres Jahr in Kraft zu belassen. Dieser Absicht der Bundesregierung liegt Folgendes zugrunde: Aktuell wird in der Ratsarbeitsgruppe Energie der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Energieeffizienzrichtlinie verhandelt. Art. 5 dieses Richtlinienvorschlages sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen sollen, dass nur Produkte und Dienstleistungen beschafft werden, welche eine hohe Energieeffizienz aufweisen. Für EU-weit auszuschreibende öffentliche Aufträge sieht die Vergabeverordnung, VgV, in Deutschland bereits seit Sommer 2011 vor, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge grundsätzlich Produkte und Dienstleistungen beschafft werden sollen, die im Hinblick auf die Energieeffizienz das höchste Leistungsniveau haben und zur höchsten Effizienzklasse gehören. Um für öffentliche Aufträge oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte identische Regelungen zu installieren, wird die Bundesregierung die Ratsarbeitsgruppenverhandlungen zur Energieeffizienzrichtlinie sowie die im Anschluss daran von der Europäischen Kommission vorzulegende Richtlinie abwarten. Eine Neufassung der AW eneff Besch wird sich an der entsprechenden Formulierung in der Energieeffizienzrichtlinie orientieren. Dies dient nicht zuletzt der Rechtssicherheit der Vergabepraxis. Die Bundesregierung hat keine Vorbehalte gegen die Berücksichtigung sozialer und entwicklungspolitischer Kriterien, sondern prüft im Rahmen der "Allianz für eine nachhaltige Beschaffung" gemeinsam mit Ländern und Kommunen, auf welchem Wege die Einhaltung sozialer Standards bei der Beschaffung stärker berücksichtigt werden kann. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/7901, Frage 92): Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass das Energieprojekt Desertec, das maßgeblich von deutschen Firmen getragen wird, den Bau von Kraftwerken auch in der von Marokko völkerrechtswidrig okkupierten Westsahara vorsieht, und für den Fall, dass die Bundesregierung beabsichtigt, Desertec finanziell zu unterstützen (laut aktuellen Presseberichten laufen darüber derzeit Gespräche mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie; http://nachrichten.rp-online.de/wissen/schon-2014-strom-aus-der-sahara-1.2611704), wie möchte sie sicherstellen, dass die Gelder nicht für den Bau von Kraftwerken in der Westsahara verwendet werden? Nach Wissen der Bundesregierung verfolgt die Desertec-Industrieinitiative, Dii, keine Projekte in der Westsahara. Die Bundesregierung hat ihrerseits deutlich gemacht, dass sie keine Investitionen in der Westsahara fördert. Hierzu wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 28 und 31 der Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke vom 25. März 2011, Bundestagsdrucksache 17/5275 verwiesen. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 93): In welchem konkreten Verfahrensstand befindet sich das von der Bundesregierung geplante Förderprogramm für fossile Kraftwerke - auf nationaler und EU-Ebene -, welches von 2013 bis 2016 fossile Kraftwerksneubauten fördern soll, und welche Vorgaben für dieses Förderprogramm hat die EU-Kommission der Bundesregierung bisher im laufenden Notifizierungsprozess gemacht bzw. mit welchen Vorgaben rechnet die Bundesregierung? Die Ausgestaltung des für die Jahre 2013 bis 2016 geplanten Kraftwerksförderprogramms der Bundesregierung hängt von der Ausgestaltung der erforderlichen EU-beihilferechtlichen Rechtsgrundlage für diese Art der Förderung ab. Die Europäische Kommission wird nach eigenen Aussagen spätestens im Dezember 2011 einen Entwurf vorlegen. Dieser Entwurf bleibt abzuwarten. Mangels konkreter beihilferechtlicher Regeln für diese Art der Förderung wurde das deutsche Programm bislang nicht notifiziert. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 94): Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung im Rahmen der Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie in Deutschland, um das Energieeinsparziel von 1,5 Prozent pro Jahr sowie das Ziel, den Energieverbrauch bis 2020 um 20 Prozent zu senken, zu erreichen? Über den Vorschlag der EU-Kommission für eine EU-Energieeffizienzrichtlinie wird derzeit verhandelt. Auf welche konkreten Inhalte sich Europäisches Parlament und Rat einigen werden, ist offen, ebenso der Zeitpunkt der Verabschiedung der Richtlinie. Die Frage nach konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der EU-Energieeffizienz-Richtlinie kann daher derzeit nicht beantwortet werden. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Fragen der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Fragen 95 und 96): Welchen Beitrag leistet die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie präferierte Gestaltung der EU-Energieeffizienzrichtlinie für die Entlastung der Stromkunden - in Milliarden Euro vermiedene Importe und vermiedene Energiekosten für die Wirtschaft und privaten Endverbraucher - und die Beschäftigungssituation in Deutschland? Wie soll das 20-Prozent-Effizienzziel der Europäischen Union genau berechnet werden, wenn die Bundesregierung die Berechnungsgrundlage für dieses Ziel - anders als in der Vergangenheit vorgesehen - auf Energieproduktivität beziehen will, und würde unter Annahme eines Wirtschaftswachstums, wie es in der bisherigen Berechnung der Baseline in Primes 2007 unterstellt wurde, das gleiche Effizienzziel von 1 474 Megatonnen Öleinheiten, Mtoe, gelten? Die darin aufgeworfenen Fragen sind noch Gegenstand der Prüfung innerhalb der Bundesregierung und können daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Dies gilt insbesondere für die in Frage 96 angesprochenen Modalitäten zur Berechnung und Bestimmung des 20-Prozent-Effizienzzieles der EU, über die auch in der Ratsarbeitsgruppe Energie noch beraten wird. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Günter Gloser (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 97): Unterstützt die Bundesregierung weiterhin die Fortführung des Engagements des Siemens-Konzerns für den Bau eines Kraftwerks in Syrien, obwohl die vergangenen Wochen eher eine Verschärfung der Lage in Syrien gezeigt haben und weitere Sanktionen gegen Syrien gefordert werden? Der Ausbau eines Gaskraftwerks in Syrien fällt nicht unter die derzeit geltenden güterbezogenen Sanktionen, die von der Europäischen Union, EU, im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 442/2011 gegen Syrien verhängt wurden. Dessen ungeachtet müssen Unternehmen prüfen, ob durch den Ausbau des Gaskraftwerks Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen an Personen bereitgestellt würden, die in der Verordnung (EU) Nr. 442/2011 mit Finanzsanktionen belegt wurden (sogenannte gelistete Personen). Gegenüber diesen Personen ist die Bereitstellung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 442/ 2011 verboten. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Fragen des Abgeordneten Stephan Kühn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/7901, Fragen 99 und 100): Wie bewertet die Bundesregierung das aus den Legislativvorschlägen der Europäischen Kommission zur Zukunft der Kohäsionspolitik ab 2014 resultierende Fördergefälle innerhalb der ostdeutschen Länder, da innerhalb der neu zu schaffenden Kategorie der Übergangsregionen, unter die alle ostdeutschen Länder fallen werden, bei den Fördersätzen zwischen Regionen, die bis 2013 die Höchstförderung erhalten, dem sogenannten Sicherheitsnetz, und anderen Regionen unterschieden wird? Wird sich die Bundesregierung in den Verhandlungen im Europäischen Rat und mit dem Europäischen Parlament dafür einsetzen, dass ein Fördergefälle innerhalb der ostdeutschen Länder vermieden wird, und, wenn ja, mit welchen konkreten Vorschlägen? Die Bundesregierung wird sich auf der Grundlage der gemeinsamen Bund-Länder-Stellungnahme zum 5. Kohäsionsbericht in die europäischen Verhandlungen zum Legislativpaket der EU-Kommission zur Reform der EU-Strukturpolitik nach 2013 einbringen. Hier enthalten ist die Forderung nach einem Sicherheitsnetz in Höhe von zwei Dritteln der bisherigen Förderung für Regionen, die in der laufenden Förderperiode im Konvergenz-ziel gefördert werden, deren BIP pro Kopf aber künftig auf mehr als 75 Prozent des EU-Durchschnitts ansteigen wird und die deshalb ihren Status als Höchstfördergebiete verlieren werden. Die Kommission hat dieser deutschen Forderung eines Sicherheitsnetzes für die aktuellen Konvergenzregionen entsprochen, jedoch nicht für die derzeitigen Phasing-Out-Regionen. Die Bundesregierung wird sich weiterhin im Rahmen der europäischen Verhandlungen dafür einsetzen, dass auch die Phasing-Out-Regionen in das Sicherheitsnetz aufgenommen werden. Anlagen 1Die Antwort auf Frage 98 lag bei Redaktionsschluss nicht vor und wird zu einem späteren Zeitpunkt abgedruckt. ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ II Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 145. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 145. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 V Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 17324 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 145. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 145. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 30. November 2011 17323