Plenarprotokoll 17/147 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 147. Sitzung Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 I n h a l t : Zusatztagesordnungspunkt 7: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zum Europäischen Rat am 9. Dezember 2011 in Brüssel Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) Rainer Brüderle (FDP) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) Volker Kauder (CDU/CSU) Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hermann Otto Solms (FDP) Joachim Poß (SPD) Dr. Michael Meister (CDU/CSU) Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 34: a) Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Monika Lazar, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN: Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen umsetzen (Drucksache 17/7953) b) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Renate Künast, Ekin Deligöz, Monika Lazar, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten (Drucksache 17/3296) - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 17/6527) c) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Christel Humme, Caren Marks, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände gesetzlich festschreiben (Drucksachen 17/4683, 17/6527) Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) Dr. Eva Högl (SPD) Nicole Bracht-Bendt (FDP) Yvonne Ploetz (DIE LINKE) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) Christel Humme (SPD) Marco Buschmann (FDP) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dorothee Bär (CDU/CSU) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Elke Ferner (SPD) Rita Pawelski (CDU/CSU) Dagmar Ziegler (SPD) Rita Pawelski (CDU/CSU) Namentliche Abstimmungen Ergebnisse Tagesordnungspunkt 33: - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation (Drucksache 17/7374) - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Drucksache 17/7993) Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV Elvira Drobinski-Weiß (SPD) Dr. Erik Schweickert (FDP) Caren Lay (DIE LINKE) Dr. Erik Schweickert (FDP) Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mechthild Heil (CDU/CSU) Ulrich Kelber (SPD) Josef Rief (CDU/CSU) Ulrich Kelber (SPD) Josef Rief (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 36: a) Antrag der Fraktion der SPD: Recht auf ein Guthabenkonto einführen - Konto-pfändungsschutz sichern (Drucksache 17/7823) b) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbraucherrecht auf Basisgirokonto für jedermann gesetzlich verankern (Drucksache 17/7954) Dr. Carsten Sieling (SPD) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) Caren Lay (DIE LINKE) Dr. Daniel Volk (FDP) Dr. Carsten Sieling (SPD) Caren Lay (DIE LINKE) Dr. Daniel Volk (FDP) Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Peter Aumer (CDU/CSU) Sonja Steffen (SPD) Tagesordnungspunkt 35: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Neunter Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen (Drucksachen 17/2840, 17/3110 Nr. 2, 17/7941) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu der Unterrichtung: Menschenrechte und Demokratie in der Welt - Bericht über die Maßnahmen der EU - Juli 2008 bis Dezember 2009 - Ratsdok. 8363/10 - (Folgedokument) (Drucksachen 17/315 Nr. A.4, 17/4522) Marina Schuster (FDP) Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) Michael Brand (CDU/CSU) Annette Groth (DIE LINKE) Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pascal Kober (FDP) Ullrich Meßmer (SPD) Jürgen Klimke (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 38: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Harald Koch, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Zinssätze für Dispositions- und Überziehungskredite verbrauchergerecht deckeln - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbraucherinnen und Verbraucher vor überhöhten Überziehungszinsen schützen (Drucksachen 17/2913, 17/3059, 17/3586) Dr. Erik Schweickert (FDP) Caren Lay (DIE LINKE) Ansgar Heveling (CDU/CSU) Caren Lay (DIE LINKE) Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nächste Sitzung Berichtigungen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sibylle Laurischk (FDP) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten (Tagesordnungspunkt 34) Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichen Abstimmungen: - Entwurf eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten - Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände gesetzlich festschreiben (Tagesordnungspunkt 34) Dorothee Bär (CDU/CSU) Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Christine Aschenberg-Dugnus, Gudrun Kopp und Dr. Birgit Reinemund (alle FDP) zu den namentlichen Abstimmungen: - Entwurf eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten - Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände gesetzlich festschreiben (Tagesordnungspunkt 34) Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ingrid Fischbach, Frank Heinrich, Ewa Klamt, Katharina Landgraf und Sabine Weiss (Wesel I) (alle) CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmungen: - Entwurf eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten - Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände gesetzlich festschreiben (Tagesordnungspunkt 34) Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-Neuordnungsgesetz - LSV-NOG) (Tagesordnungspunkt 37) Gitta Connemann (CDU/CSU) Marlene Mortler (CDU/CSU) Josip Juratovic (SPD) Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) Alexander Süßmair (DIE LINKE) Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zu den Anträgen: - Zinssätze für Dispositions- und Überziehungskredite verbrauchergerecht deckeln - Verbraucherinnen und Verbraucher vor überhöhten Überziehungszinsen schützen (Tagesordnungspunkt 38) Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Kerstin Tack (SPD) Anlage 8 Amtliche Mitteilungen 147. Sitzung Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 Beginn: 9.01 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich und darf Ihnen zu Beginn unserer Sitzung gleich die erfreuliche Mitteilung machen, dass der Zusatzpunkt 8, die von der Fraktion Die Linke ursprünglich verlangte Aktuelle Stunde zu deutschen Rüstungsexporten, von der Tagesordnung abgesetzt wird. Können Sie damit leben? (Jörg van Essen [FDP]: Schwer, Herr Präsident!) - Schwer, aber ich stelle dazu Einvernehmen fest. Dann ist das so beschlossen. Dann kommen wir gleich zu dem vereinbarten Zusatzpunkt 7: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 9. Dezember 2011 in Brüssel Hierzu liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 90 Minuten vorgesehen. - Auch dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Beginn der Krise im Euro-Raum tritt die Bundesregierung dafür ein, die akute Krise zu bewältigen und gleichzeitig die notwendigen Lehren für die Zukunft zu ziehen. Dabei geht es um nicht mehr und nicht weniger als um eine Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion. Genau dies, die nachhaltige Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion, wird das zentrale Thema des Europäischen Rates in der kommenden Woche sein. Dazu wird Herman Van Rompuy als Präsident des Europäischen Rates Vorschläge vorlegen. Natürlich können wir heute diese Vorschläge nicht debattieren. Wir können ihm nicht vorgreifen. Das wird auch jeder verstehen. Aber ich glaube, wir können trotzdem sehr klar sagen: Was werden die Leitlinien, was werden die Ziele sein, die wir in der nächsten Woche verfolgen? Die Leitlinien und die Ziele, mit denen die Bundesregierung und auch ich persönlich in den Rat gehen, können wir heute Morgen ausführlich und konkret beraten. Die Bundesregierung hat stets deutlich gemacht, dass die europäische Schuldenkrise nicht mit einem einzigen Befreiungsschlag über Nacht zu lösen ist. Es gibt diesen einen Befreiungsschlag, den einen Paukenschlag nicht. Es gibt keine einfachen und schnellen Lösungen, schon gar nicht, wie manche vor jedem Gipfel sagen, den angeblich letzten Schuss. Weder ist das meine Sprache noch mein Denken. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Bewältigung der Staatsschuldenkrise ist ein Prozess. Dieser Prozess wird Jahre dauern. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Weg ist das Ziel!) Wie ist die Lage heute, eine Woche vor dem nächsten Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs? Einerseits haben wir es mit der schwersten Krise seit Einführung des Euros, wenn nicht sogar in der Geschichte der europäischen Einigung zu tun. Wir können das in den täglichen Nachrichten verfolgen. Andererseits ist es nicht übertrieben, festzustellen, dass wir bereits außerordentlich viel geschafft haben. Der Blick dafür scheint in diesen Tagen angesichts der täglichen Meldungen etwas verstellt, aber ich bin zutiefst davon überzeugt. Erstens. Es herrscht in ganz Europa Einigkeit über die Ursachen der Krise. Das war bei weitem nicht immer so. Heute gibt es darüber überhaupt keine Diskussionen mehr. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!) Zweitens. Es herrscht in ganz Europa Einigkeit, dass genau diese Ursachen bekämpft werden müssen, um die Krise zu überwinden und nicht von einer Krise in die nächste zu kommen, die dann noch schlimmer wäre als die davor. An dieser Stelle ist es mir wichtig, dass wir uns einmal vor Augen führen, was schon alles passiert ist. Das bedeutet natürlich auch, dass wir uns vor Augen führen, welche Aufgaben die Menschen in Spanien, in Portugal und vor allem in Griechenland zu lösen haben. Ich füge allerdings hinzu - das wird noch weniger beachtet -: auch diejenigen, die zum Teil nicht zum Euro-Raum gehören, die baltischen Staaten, Bulgarien und Rumänien, wenn man bedenkt, welche Opfer dort von den Menschen verlangt werden. Ich glaube, wir machen uns oft keine Vorstellung davon - das können wir vielleicht auch gar nicht -, welchen Beitrag die Menschen in den Ländern, die ich genannt habe, dazu leisten, dass der Euro eine dauerhafte und stabile Währung wird. Deshalb möchte ich heute noch einmal meine absolute Hochachtung vor diesen Bemühungen ausdrücken. Denn das ist ein Beitrag zu einem zukunftsfähigen Europa, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Drittens. Auf dem Weg, die Ursachen der Krise zu bekämpfen und sie damit auch überwinden zu können, sind wir in Europa bereits extrem weit vorangekommen. Wer vor einigen Monaten gesagt hätte, dass wir Ende des Jahres 2011 sehr ernsthafte und sehr konkrete Schritte auf dem Weg zu einer europäischen Stabilitätsunion, einer europäischen Fiskalunion und Durchgriffsrechten in Europa einleiten, der wäre damals noch für verrückt gehalten worden. Jetzt steht genau dies auf der Tagesordnung. Wir stehen kurz davor. Es gibt noch Schwierigkeiten zu überwinden, keine Frage. Aber die Notwendigkeit ist weitgehend anerkannt. Wir reden nicht mehr nur über eine Fiskalunion, sondern wir fangen an, sie zu schaffen. Ich glaube, das ist nicht hoch genug einzuschätzen. Marathonläufer erzählen oft, dass ein Marathonlauf ungefähr ab Kilometer 35 besonders anstrengend und schwer werde. Aber sie sagen auch, dass die ganze Strecke geschafft werden kann, wenn man sich von Beginn an der Größe der Aufgabe voll bewusst ist und die ganze Aufgabe entsprechend angeht. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Nicht der, der am schnellsten beginnt, ist zwangsläufig der Erfolgreichste, sondern der, der weiß, was insgesamt, also für die ganze Strecke, zu beachten ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Aber wenn man am Anfang stehen bleibt, kann man es auch nicht schaffen! Man muss mindestens starten!) Wir haben bereits so viel geschafft, wie wir uns das noch vor einigen Monaten nicht haben vorstellen können. Um jetzt noch weiter voranzukommen, müssen wir uns dem Kern der Krise stellen: der Einsicht, dass wir es im Euro-Raum zwar mit einer Staatsschuldenkrise zu tun haben, vor allem aber auch mit einer Vertrauenskrise. Es gibt zwei Institutionen, in die das Vertrauen in dieser ganzen Zeit weitestgehend unangetastet geblieben ist, deren Glaubwürdigkeit unverändert hoch ist. Das sind zum einen die Gerichte - in Deutschland das Bundesverfassungsgericht, in Europa der Europäische Gerichtshof - und zum anderen die Notenbanken, die nationalen Notenbanken sowie die Europäische Zentralbank. Es ist höchstes Gut unserer Demokratie, die Glaubwürdigkeit und die Vertrauenswürdigkeit dieser beiden Institutionen, der Gerichte wie der Notenbanken, zu schützen und zu wahren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das geht, indem man ihr Wesen, also ihre Unabhängigkeit, achtet, und zwar in jede Richtung. (Lachen des Abg. Jürgen Trittin [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) Deshalb werde ich auch in Zukunft nichts von dem kommentieren, was nationale wie auch europäische Gerichte und nationale Notenbanken wie auch die Europäische Zentralbank tun oder lassen. Allerdings ist es natürlich wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen: Die Aufgabe der Europäischen Zentralbank ist eine andere als die der Fed in den Vereinigten Staaten von Amerika und beispielsweise der Bank of England. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Aha, doch! - Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/ CSU]: Ist das für Sie neu?) - Da brauchen Sie gar nicht "aha" zu sagen. Das ist in den Verträgen festgeschrieben. Die Aufgabe heißt, die Geldwertstabilität zu sichern. Genau das tut die Europäische Zentralbank; davon bin ich zutiefst überzeugt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Den Gerichten und der Zentralbank steht ein Bereich gegenüber, bei dem in dieser Krise offenkundig geworden ist, dass er leider nahezu jedes Vertrauen verspielt, verwirkt und fast zerstört hat, und zwar über Jahre hinweg. Das ist - das müssen wir so schonungslos sagen - die Politik. Das begann erstens mit der Gründung der Wirtschafts- und Währungsunion selbst, als Konstruktionsfehler zugelassen wurden, die die Euro-Gruppe erst schleichend und dann immer offenkundiger eingeholt haben und jetzt mit voller Wucht einholen. Das geschah gewiss nicht mit böser Absicht, aber es ist eine Tatsache, die nicht zu leugnen ist. Zweitens hat die Politik über die Jahre Vertrauen verspielt, weil sie schon seit Gründung der Wirtschafts- und Währungsunion die Prinzipien, die im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehen waren, nicht oder nicht vollständig angewandt oder gar aufgeweicht hat. Dass wir alle in Europa uns jetzt entschlossen haben, endlich damit aufzuhören, das ist die wichtige, ermutigende Zwischenbilanz, die wir heute ziehen können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Denn, meine Damen und Herren, wir streiten und ringen in Europa um Einzelheiten, aber nicht mehr um das Ganze, nicht mehr darum, dass die Politik zur dauerhaften Überwindung der Schuldenkrise das wiederherstellen muss, was sie selbst infrage gestellt hat: ihre Glaubwürdigkeit und ihre Vertrauenswürdigkeit. Sie muss das tun, indem sie zum einen endlich Wege findet, bereits beschlossene Maßnahmen einzuhalten und umzusetzen, und indem sie zum anderen über Veränderungen der Grundlagen der Zusammenarbeit, zum Beispiel Vertragsänderungen, bereit ist, in Europa eine Fiskalunion mit starken Durchgriffsrechten zu schaffen, zumindest im Euro-Raum. Die Einhaltung bereits beschlossener Maßnahmen gilt aktuell für die Gipfelbeschlüsse vom 26. Oktober 2011. Ziel des Ende Oktober 2011 im Deutschen Bundestag mit großer Mehrheit geschnürten Pakets ist es, eine tragfähige Lösung für Griechenland zu schaffen und zu verhindern, dass die Krise auf andere Euro-Staaten übergreift. Die Finanzminister konnten dabei Anfang der Woche wichtige Fortschritte erzielen. Die neue Regierung in Griechenland hat sich parteiübergreifend dazu verpflichtet, das vereinbarte Reformprogramm umzusetzen. Damit war der Weg für die Auszahlung der sechsten Tranche frei geworden. Jetzt geht es darum, möglichst bis Ende des Jahres das neue Programm auch wirklich zu verhandeln. Das schließt die Beteiligung des Privatsektors mit ein. Ich will daran erinnern, dass wir in der Sitzungswoche vor den Sommerferien zum ersten Mal im Grundsatz darüber abgestimmt haben, dass wir ein neues Griechenland-Programm brauchen. Jetzt nähern wir uns der letzten Sitzungswoche vor Weihnachten, und ich finde, es ist nicht zu viel verlangt, dass jetzt endlich alle Akteure versuchen, dieses neue Programm zu verhandeln. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Auch Italien packt die großen Herausforderungen an und stellt sich damit als drittgrößte Wirtschaftsnation Europas seiner Verantwortung für seine eigene gute Zukunft genauso wie für die Zukunft der Euro-Zone insgesamt. Auf dem Europäischen Rat am 26. Oktober 2011 haben wir außerdem beschlossen, dass systemrelevante Banken mehr Eigenkapitalpuffer vorhalten müssen. Das ist notwendig, um das Vertrauen in die Stabilität des europäischen Bankensektors zu stärken. Auch hier hoffe ich, dass die europäische Bankenaufsicht die Entscheidung jetzt schnell verkündet, damit auch in diesem Bereich Sicherheit entsteht. Vorgestern haben die EU-Finanzminister darüber hinaus Grundsätze einer koordinierten Vergabe von Liquiditätsgarantien für Banken beschlossen; denn nur wenn die Refinanzierung von Banken sichergestellt ist, kann der Bankensektor die Wirtschaft auch ausreichend mit Krediten versorgen. Die Verabschiedung der Leitlinien für die EFSF einschließlich ihrer Schlagkraft ermöglicht es uns, die Wirksamkeit des Euro-Rettungsschirms deutlich zu erhöhen. Auch hier sage ich: Ich rate uns nicht, die EFSF schlechtzureden, sondern wir sollten mit realistischem Blick mit der EFSF das machen, was möglich ist, und dazu haben wir hier in diesem Hause ausführlich beraten. Weil die gegenwärtige Krise im Euro-Raum vor allem eine Vertrauenskrise ist, müssen wir neben der Bekämpfung der Ursachen dieser Krise - zu hohe Staatsverschuldung, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger Euro-Staaten - die grundlegenden Mängel in der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion beseitigen. Wenn wir das machen, dann zeigen wir im Übrigen, dass wir nicht nur die Mühen der Krise sehen, sondern diese Krise vor allem als eine Wende zum Guten, als eine Chance zur Umkehr begreifen und dass wir tatsächlich aus ihr lernen. Das sind ja ganz einfache Lehren: Regeln müssen eingehalten werden; ihre Einhaltung muss kontrolliert werden; ihre Nichteinhaltung muss Konsequenzen haben. Nationale Eigenverantwortung und europäische Solidarität bedingen einander. Meine Damen und Herren, um dies alles vorzubereiten, findet in diesen Tagen eine Vielzahl von Gesprächen statt. Heute Mittag ist der österreichische Bundeskanzler bei mir. Mit nahezu allen Kollegen werde ich telefonieren, natürlich genauso mit dem Präsidenten des Rates und dem Präsidenten der Kommission. Der französische Präsident hat gestern eine wichtige Rede gehalten. Wir werden uns Montag abstimmen, mit welcher Haltung wir zum Rat fahren. Wir haben vieles erreicht. Wir haben das Defizitverfahren verbessert, soweit dies im Rahmen der geltenden Verträge möglich war. Sie erinnern sich an das sogenannte Sixpack, das wir hier beschlossen haben. Aber wir müssen, um wirklich Vertrauen zu bekommen, darüber hinausgehen. Dort, wo wir heute Referenzwerte haben, brauchen wir künftig rechtsverbindliche Grenzwerte. Politischen Spielraum, wenn es darum geht, festzustellen, ob diese Grenzwerte verletzt worden sind oder nicht, darf es nicht mehr geben. Es muss wirkliche Automatismen geben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nur so kann Vertrauen, das sechzigmal verletzt wurde, wiedergewonnen werden. Euro-Staaten sollen bei der Überwindung ihrer Schwierigkeiten künftig enger begleitet und wirkungsvoller unterstützt werden. Gleichzeitig brauchen wir effektive Antworten auf fortgesetzte Regelverstöße, damit wir im Interesse aller eine verantwortungsvolle Haushaltsführung durchsetzen können. Dabei müssen die europäischen Institutionen, vor allem die Europäische Kommission und der Europäische Gerichtshof, eine wichtige Rolle spielen. Das geht, ohne dass der Deutsche Bundestag seine Haushaltshoheit verliert. Denn es geht darum, Regeln, die wir uns selbst gegeben haben, einzuhalten. Die automatischen Sanktionen bzw. die automatischen Durchgriffsrechte wirken nur dann, wenn genau diese Regeln verletzt werden. Was innerhalb des gemeinsam vereinbarten europäischen Rahmens geschieht, wird natürlich auch weiterhin jedem Mitgliedstaat selbst vorbehalten sein. Glaubwürdige Durchgriffsrechte sind von einer gemeinsamen europäischen Kontrolle über nationale Einnahmen und Ausgaben zu unterscheiden; ich will das hier ausdrücklich sagen. Solange das so ist, ist im Übrigen auch eine gemeinsame Haftung für die Schulden anderer nicht denkbar. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Genau deshalb erledigt sich jetzt auch eine Diskussion über sogenannte Euro-Bonds. Denn wer immer noch nicht verstanden hat, dass Euro-Bonds jetzt nicht als Rettungsmaßnahme gegen die Krise eingesetzt werden können, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also später!) der hat genau das Wesen dieser Krise nicht verstanden. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das schon der CSU erklärt?) - Herr Trittin, vielleicht darf ich es wiederholen: Wir haben nicht die Absicht, und wir sind davon auch entfernt. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben "nicht die Absicht"! Diese Formulierung kenne ich!) Es ist auch nach unserem Grundgesetz gar nicht möglich, die Einnahmen und die Ausgaben eines Haushaltes über eine europäische Institution kontrollieren und bestimmen zu lassen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Solange genau dies nicht der Fall ist, haben wir die Situation, dass eine gemeinsame Haftung dem nicht entsprechen würde. Deshalb erübrigt sich die Diskussion über Euro-Bonds. Stellen wir uns einmal vor, dass es so etwas gäbe, dass wir Euro-Bonds gar nicht mehr einzuführen brauchten, weil sie von allein entstehen. Das ist ja gerade das Interessante daran. (Lachen des Abg. Jürgen Trittin [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) Deshalb ist die Diskussion jetzt kein Beitrag zur Überwindung der Krise. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN) - Für die Grünen scheint das unglaublich lustig zu sein. Für mich ist es absolut logisch. Aber das ist eben der Unterschied. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es geht also darum - das ist ein großer Schritt im Rahmen der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion -, die Autorität der Institutionen so zu stärken, dass sie die vereinbarten europäischen Grenzwerte, konkret die Obergrenze von 3 Prozent und den Abbaupfad bei einem Schuldenstand von über 60 Prozent, tatsächlich durchsetzen können, und zwar ohne Wenn und Aber. Neben der Forderung nach wirksamen Durchgriffsrechten tritt die Bundesregierung dazu auch für ein Klagerecht beim Europäischen Gerichtshof ein. Dies ist umso wichtiger, als die Gerichte - ich sagte es zu Be-ginn - neben den Notenbanken die Institutionen sind, deren Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit wegen ihrer Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme zu jeder Zeit über jeden Zweifel erhaben waren und sind. Zentrales Element der neuen Stabilitätsunion, der Fiskalunion, soll also eine neue europäische Schuldenbremse - so kann man es nennen - für die Mitglieder der Euro-Zone werden. Weitere Elemente müssen hinzukommen: Wir müssen stärkere und besser verzahnte Strukturen in der Euro-Zone schaffen. Fehlentwicklungen müssen frühzeitig erkannt und korrigiert werden, damit Krisen gar nicht entstehen. Mit dem dauerhaften Krisenbewältigungsmechanismus ESM müssen wir ein schlagkräftiges Instrument schaffen, das in Notsituationen hilft, Gefährdungen der Stabilität der Euro-Zone insgesamt abzuwenden. Außerdem müssen wir durch weitere Strukturreformen insbesondere auch im Arbeitsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten gemeinsame Maßnahmen einleiten, damit wir wieder zu mehr Wachstum kommen. Denn natürlich werden die Menschen den Erfolg unserer Bemühungen auch daran messen, ob die Arbeitslosigkeit zurückgeht. Die Jugendarbeitslosigkeit in Europa ist eines der drängendsten Themen. Deshalb ist Wachstum auch zum Zwecke der Schaffung von Beschäftigung eines der wichtigen Ziele, allerdings nicht auf Pump, sondern durch die notwendigen Strukturreformen und vernünftige Investitionen in die Zukunft. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine Damen und Herren, mit einem Wort: Wir müssen die Fundamente der Wirtschafts- und Währungsunion nachhaltig stärken, wir müssen die Konstruktionsfehler, die sich bei der Gründung der Wirtschafts- und Währungsunion eingeschlichen haben, überwinden und die Wirtschafts- und Währungsunion vollenden. Das Ziel ist eine Fiskalunion. Zu ihr gehört beides: eine mit Durchgriffsrechten durchsetzbare Haushaltsdisziplin ihrer Mitglieder und ein wirksames Instrumentarium für Krisenfälle. Deshalb führt kein Weg daran vorbei, die europäischen Verträge zu ändern oder - das wäre die zweitbeste Lösung - neue Verträge innerhalb der Euro-Gruppe zu schaffen. Aber wir gehen - ich will das ausdrücklich sagen - mit dem Ziel nach Brüssel, Vertragsänderungen durchzusetzen, und zwar in dem Geist, dass wir eine Spaltung zwischen Euro-Mitgliedstaaten und Nicht-Euro-Mitgliedstaaten vermeiden wollen. Das heißt, wir werden es jedem Nicht-Euro-Mitgliedstaat freistellen, sich den stärkeren Verbindlichkeiten der Euro-Zone anzuschließen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Denn eine Spaltung kann niemand wollen. Mehr noch: Auch die Euro-Gruppe muss offen bleiben für jeden, der mitmachen will. Danken wir zum Beispiel Polen, das immer wieder deutlich gemacht hat: Auch wenn wir den Euro noch nicht haben, wollen wir an dieser Stelle trotzdem mehr Verpflichtungen eingehen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Polen ist zum Beispiel auch Mitglied des Euro-Plus-Pakts und hat in Gesprächen, die wir kürzlich geführt haben, wieder deutlich gemacht, dass es sich genau auf diesen Weg der Stabilitätsunion hinbewegen will. Unsere Leitlinien für den Rat in der nächsten Woche sind also klar. Aber - das ist mir heute Morgen auch wichtig zu sagen - sie haben nichts mit manchen Ängsten, Sorgen oder Vorhaltungen zu tun, die man momentan lesen oder hören kann, dass Deutschland Europa dominieren oder Ähnliches wolle. Das ist abwegig. Wir treten - das ist allerdings richtig - für eine bestimmte Stabilitäts- und Wachstumskultur ein, aber wir tun dies im europäischen Geiste Konrad Adenauers und Helmut Kohls. (Joachim Poß [SPD]: Ob Kohl das nicht anders gemacht hätte?) Deutsche und europäische Einigung waren und sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das werden wir nie vergessen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herr Präsident, meine Damen und Herren, in diesen Tagen, in denen der Euro fast täglich im Mittelpunkt der Debatte steht, geraten andere europäische Fragen leider allzu oft in den Hintergrund. Dies gilt zum Beispiel für die Erweiterungspolitik, die traditionell auf der Tagesordnung eines Dezemberrates steht, so auch nächste Woche. Die Bundesregierung steht zur EU-Perspektive aller Staaten des westlichen Balkans. Am Rande des Europäischen Rates werde ich für die Bundesrepublik Deutschland den Beitrittsvertrag mit Kroatien unterzeichnen. Zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Montenegro hat der Bundestag seine Stellungnahme abgegeben. Für uns von entscheidender Bedeutung sind hier weitere Fortschritte Montenegros bei der Festigung von Rechtsstaatlichkeit und der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität. Wir werden sie einfordern, aber wir werden Montenegro auch dabei unterstützen, die Dinge, die zu verbessern sind, wirklich verbessern zu können. Der Europäische Rat entscheidet über den Kandidatenstatus von Serbien. Gute nachbarschaftliche Beziehungen und regionale Zusammenarbeit sind über die Kopenhagener Kriterien Teil der EU-Erweiterungspolitik. Wir möchten langfristig nicht nur Serbien, sondern auch Kosovo an die EU heranführen und die EU voll funktionsfähig halten. Daher führt der Weg Serbiens in die EU nur über eine Normalisierung seiner Beziehung zum Kosovo. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) EU und Bundesregierung haben hierzu frühzeitig Erwartungen in Form von konkreten Schritten formuliert. Ich bedaure sehr, dass Serbien diesen Erwartungen bislang nicht ausreichend gerecht geworden ist und somit die Voraussetzungen für die Verleihung des Kandidatenstatus bislang nicht gegeben sind. Serbien muss sich darüber hinaus vorwerfen lassen, in den letzten Tagen zu einer Atmosphäre beigetragen zu haben, in der deutsche KFOR-Soldaten im Norden des Kosovo mit Schusswaffen angegriffen und verletzt worden sind. Ich sage: Das ist nicht akzeptabel. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Unsere Soldaten leisten dort einen großartigen Dienst, und für diesen Dienst sind wir ihnen dankbar. Europa befindet sich mitten in seiner wohl schwersten Bewährungsprobe. Als deutsche Bundeskanzlerin werde ich, genauso wie die ganze Bundesregierung, alles dafür tun, dass Europa stärker aus dieser Bewährungsprobe hervorgeht, als es in sie hineingegangen ist. Zu viel steht auf dem Spiel, gerade für Deutschland und die Deutschen. Trotz aller Turbulenzen, die wir in jüngster Zeit erlebt haben: Der Euro hat sich bewährt. Er ist stabil, er ist wertbeständiger, als es die D-Mark war, und als Exportnation profitiert Deutschland in besonderem Maße vom Euro. Aber der Euro ist eben auch weit mehr als nur eine Währung; denn mit der Wirtschafts- und Währungsunion haben wir eine neue Stufe der Integration in Europa erklommen. Der Euro steht für den Willen Europas, seine innere Entwicklung zu festigen und sich den Herausforderungen der heutigen Zeit und der Globalisierung gemeinsam zu stellen. Die Zukunft des Euro ist deshalb untrennbar mit der europäischen Einigung verbunden. Der vor uns liegende Weg ist noch lang, und er ist auch alles andere als einfach. Aber ich bin überzeugt: Es ist der richtige Weg. Es ist der richtige Weg, um unser gemeinsames Ziel zu erreichen: ein starkes Deutschland in einer starken Europäischen Union zum Wohle der Menschen in Deutschland und in Europa. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Dr. Frank-Walter Steinmeier für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundeskanzlerin, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Ich sage Ihnen bei allem Verständnis, das dieses Parlament in der bisher schwersten Krise in Europa der Regierung zugebilligt hat: Sie haben heute wieder über vieles geredet, auch über Montenegro, am Kern der Sache aber haben Sie vorbeigeredet. Das war bestenfalls die halbe Wahrheit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich weiß nicht, zum wievielten Mal, aber Sie haben heute wieder gesagt, dass nun eine "tragfähige Lösung" für die akute Finanzkrise vorbereitet wird. Sie wissen es doch selbst: Noch nie in den letzten 18 Monaten hat das gestimmt; jedes Mal haben Sie den Menschen in Deutschland Sicherheit vorgegaukelt, die am Ende keine war. Keiner, Frau Merkel, wirft Ihnen vor, dass es die Krise gibt; aber wie Sie mit ihr umgehen, das geht auf keine Kuhhaut. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sie reden von "Stabilität" - das ist auch notwendig -, aber die Bilanz der vergangenen Monate sieht doch völlig anders aus: Nichts ist stabiler geworden. Sie haben eben in Ihrer Regierungserklärung gesagt: "Wir sind weit gekommen", das stimmt leider; die Krise Europas hat sich dramatisch zugespitzt. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass das Endspiel für die Währung angebrochen ist. Nicht die Opposition, nicht wir, sondern die Finanzaufsicht in London und große deutsche Unternehmen bereiten sich ganz offensichtlich auf Alternativen vor. Sie, Frau Merkel, und diese Regierung sind nicht die Ursache; aber Wankelmütigkeit und Entscheidungslosigkeit haben dazu beigetragen. Ihre Taktiererei macht die Lage in Europa nicht stabil. Im Gegenteil: Diese schwarz-gelbe Koalition, die sich in nichts, aber auch rein gar nichts einig ist, gefährdet die Stabilität in Europa. Das ist die Wahrheit; darüber täuschen auch Fernsehbilder nicht hinweg. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Frau Bundeskanzlerin, wahr ist doch auch: Bisher haben Sie noch jede Bastion geräumt, die Sie vorher für uneinnehmbar erklärt haben. Die Halbwertszeit Ihrer roten Linien ist doch immer kürzer geworden. Zuletzt gab es hier in diesem Haus - wir erinnern uns gut - das Tabu gemeinsamer europäischer Anleihen; wir alle haben das noch gut im Ohr. Aber wen überrascht es denn eigentlich noch, dass ein paar Tage nach der Debatte im Parlament auf einmal der Testballon steigt, auf dem "Elite-Bonds" steht! Der Testballon war in der Luft, und die Koalition war ganz offensichtlich überrascht. Den Kollegen Brüderle hat das zu ganz großer Kunstfertigkeit veranlasst: (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Er war am Montagmorgen für die Elite-Bonds; am Montagnachmittag war er gegen die Elite-Bonds. Das ist liberale Offenheit, wie wir sie kennen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Aber das ist mir - ich sage es Ihnen ganz offen - immer noch lieber als das, was Ihr Generalsekretär in einer solchen wirklich ernsten Situation in Europa sagt; ihm fiel nichts anderes ein, als zu sagen, er sei überhaupt gegen alle Bonds, auch gegen "James Bonds". (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) So kann man Politik lächerlich machen, meine Damen und Herren. Das verstehen die Menschen nicht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Was ich Ihnen sagen will - ich glaube, Sie merken das selbst -: So wird das nicht weitergehen, nicht mit diesem Wankelmut und auch nicht mit einer Strategie "Jeder gegen jeden" in Europa. Das wird nicht helfen; ich befürchte, das wird uns eher noch weiter in die Sackgasse führen. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wankelmeier!) Wir sind jedenfalls tief überzeugt: Europa kann sich nur gemeinsam aus diesem Schlamassel wieder herauskämpfen, Griechen, Spanier, Franzosen, Luxemburger, Holländer, Deutsche, alle gemeinsam, viele andere dazu. Aber weil Sie das nicht akzeptieren, eskaliert die Krise. Aus einer kleinen griechischen Schuldenkrise ist eine vollwertige europäische Seuche geworden. Das sind nicht meine Worte, sondern die von Joe Nocera in der New York Times. Er fragt: Verstehen die Deutschen nicht, dass ein Zusammenbruch der Eurozone, der vor einem Jahr undenkbar war und jetzt vielleicht unvermeidlich ist, die Deutschen mehr treffen wird als Griechenland? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Meine Damen und Herren, wir Deutsche retten nicht die Griechen oder die Italiener; wir retten vor allem uns selbst, unsere Banken, unser Vermögen, unsere Exportwirtschaft und unsere Arbeitsplätze. Darum geht es in diesen Tagen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Das auszusprechen, verlangt nun wahrhaftig keinen Heldenmut; denn es ist die Wahrheit. Ich bin davon überzeugt: Das von Anfang an zu sagen, Frau Merkel, hätte auch Ihnen manches einfacher gemacht. Stattdessen haben Sie selbst noch die einsichtigsten, die freundlichsten und die wohlmeinendsten Nachbarn gegen uns aufgebracht durch penetrante und, wie ich finde, doppelzüngige Schulmeisterei. (Widerspruch bei Abgeordneten der FDP - Otto Fricke [FDP]: Das ist für Sie Doppelzüngigkeit?) - Sie waren doch selbst beteiligt. Deutschland hat es doch früher gekonnt, europäische Meinungsbildung zu prägen. Sie haben eben auf Adenauer und Kohl hingewiesen. Ich sage: Auch Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder gehören dazu. (Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Das ist die Wahrheit! Genau das! - Volker Kauder [CDU/CSU]: Es war Gerhard Schröder, der die Haushaltsdisziplin gerissen hat!) Sie hatten miteinander gemein, dass sie ihre historische Aufgabe in Deutschland so verstanden, andere ohne tägliche öffentliche Belehrungen zu überzeugen und die kleineren Staaten mit auf den Weg zu nehmen. (Otto Fricke [FDP]: Gerade Schröder!) Das ist die Aufgabe, die wir in der Vergangenheit in Europa erfüllt haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das ist Teil einer Regierungskunst - das muss ich leider sagen -, die der deutschen Regierung in diesen Tagen und Monaten offenbar verloren gegangen ist. Herr Kauder, in Europa wird jetzt deutsch gesprochen. Ich weiß, dass Sie die Kritik an diesem Satz nicht besonders ernst nehmen. Aber ich sage Ihnen: Wer Lehrmeister sein will, wer andere zum Sparen auffordert, der muss wenigstens sein eigenes Haus in Ordnung halten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Kauder - auch wenn Sie mir nicht zuhören -, Sie können nicht den Rest der Welt zum Sparen und zum Senken von Schulden auffordern und gleichzeitig im eigenen Land überflüssige Steuersenkungen (Jan Mücke [FDP]: NRW! - Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: NRW!) und sozial schädliches Betreuungsgeld auf den Weg bringen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und am Ende hierzulande die Neuverschuldung erhöhen, während die anderen sie vermindern sollen. Das fällt doch überall in Europa auf. Wir führen doch keine Selbstgespräche. Ganz Europa spricht davon. Ich sage Ihnen auch, was die anderen Länder davon halten, und wie sie das nennen: Sie nennen das Heuchelei, Herr Kauder. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Jetzt kommt angeblich die Verschärfung des Stabilitätspaktes. Frau Merkel, ich bin wirklich gespannt, was dieses Mal herauskommt. Ich sage "dieses Mal", weil jedenfalls ich mich noch gut daran erinnern kann, wie Sie vor einem Jahr hier in diesem Haus zu gleicher Sache gesprochen haben. Nur für den Fall, dass das von den Regierungsfraktionen irgendjemand vergessen hat: Im September 2010, also vor mehr als einem Jahr, hat Kommissionspräsident Barroso ein Maßnahmenpaket zur wirtschaftlichen Steuerung vorgelegt. In diesem Maßnahmenpaket wurde eine Regelung zur haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Raum festgelegt. Was sollte das heißen? Das sollte heißen, dass es nach Feststellung eines übermäßigen Defizits durch die Kommission zu quasiautomatischen Sanktionen kommen soll. Jetzt fragen wir alle uns doch einmal: Haben Sie das vor 14 Monaten in diesem Hause unterstützt? (Zurufe von Abgeordneten der SPD: Nein! - Ulrich Kelber [SPD]: Eben nicht! Unglaublich!) Es kam der Strandspaziergang von Deauville, der ganz Europa in Empörung versetzt hat. Frau Merkel, Sie und Präsident Sarkozy waren es doch - und nicht irgendwelche Hallodris -, (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn jetzt los?) die im Handstreich die automatischen Sanktionen beseitigt haben. So war das, und daran erinnern wir uns. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Jetzt stehen Sie ein Jahr später hier an diesem Mikrofon und rufen laut: Haltet den Dieb! Von Stabilisierung keine Spur: Italien infiziert, Frankreich strauchelnd, der Euro am Abgrund. Ein Jahr später kommen jetzt ausgerechnet Sie heute hierher, um schärfere Sanktionen für Schuldensünder zu fordern. Glauben Sie denn wirklich, die Erinnerung ist so kurz? Glauben Sie wirklich, keiner merkt, was Sie hier für Kapriolen schlagen? Das ist keine Politik, das ist aus meiner Sicht Schauspielerei. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bei allem guten Willen, den wir haben, in der europäischen Sache zu helfen, müssen wir sagen: Es gibt kein schwarz-gelbes Europa, und es gibt kein rot-grünes Europa, sondern wir alle zusammen tragen Verantwortung für dieses Europa. Weil das so ist, finde ich, dürfen wir die Menschen und darf man auch dieses Parlament nicht hinters Licht führen. Sie werben jetzt für irgendwelche Veränderungen im EU-Vertrag. Einverstanden. Auch über die Einschaltung des EuGH bei Verstößen gegen Haushaltsvorgaben reden Sie. Ich habe gar nichts dagegen. Aber Sie können doch nicht so tun, als könnten Sie damit eine Lösung für akute, buchstäblich täglich, stündlich dramatisch eskalierende Krisensituationen liefern. Das steckt doch da nicht drin. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deshalb glaube ich: Ihr Kalkül ist eigentlich etwas ganz anderes. Sie warten ab. Sie wollen eigentlich nicht im Kern der Sache entscheiden. Sie servieren uns so etwas wie Ersatzhandlungen. Im Stillen setzt diese Regierung darauf, dass nicht sie, sondern jemand anders handelt. Sie stehen sozusagen vor dem europäischen Haus. Das europäische Haus brennt lichterloh, und Sie haben Angst, sich die Finger zu verbrennen. Sie scheuen die politische Verantwortung, die Sie tatsächlich haben, und schieben andere vor, die jetzt Verantwortung tragen müssen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich kann meine Vermutung, wenn Sie wollen, auch noch etwas zugespitzter formulieren. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Dann mal zu! - Dagmar G. Wöhrl [CDU/CSU]: Bringen Sie eine Lösung!) Ich kann sie zugespitzter formulieren und sagen: In den hellen Tagesstunden kritisieren Sie die anderen Europäer, die als letzte Rettung stärkere Aktivitäten der Europäischen Zentralbank fordern, und wenn es dunkel wird, dann beten Sie, dass die EZB weiter Anleihen kauft. Ich glaube, das steckt im Grunde genommen dahinter. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Und während das so ist, fluten auch noch zusätzlich die Notenbanken den Markt mit billigem Geld, um den Absturz abzuwenden. Noch jemand anderes, der handelt. Herr Altmaier, ich habe Sie heute Morgen im Morgenmagazin erlebt. (Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Da hätten Sie etwas lernen können!) Es geht doch nicht, dass wir uns als Politiker über Kursfeuerwerke an den Börsen freuen. Das geht doch nicht. Wir müssen doch sagen, was es heißt, wenn solche Kursfeuerwerke durch Geld mal eben ausgelöst werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir reden hier nichts herbei. Alle Welt redet darüber - nur wir hier in diesem Hohen Hause reden nicht da-rüber -, dass diese Politik des billigen Geldes natürlich auch Inflationsgefahren steigert. Wir haben die Inflation nicht, aber die Gefahr wird gesteigert. Wenn wir über die EZB reden, dann müssen wir den Menschen doch auch sagen - jetzt ganz ehrlich -: Wenn die EZB Anleihen kauft, haftet am Ende nicht irgendwer, sondern es gibt eine gemeinsame europäische Haftung. Daran kommen wir doch nicht vorbei. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wissen Sie, Frau Merkel, deshalb verstehe ich einfach nicht, warum Sie sich hier hinstellen und sagen: Mit uns kommt Gemeinschaftshaftung nicht infrage. Sie findet statt durch Anleihenaufkäufe der EZB, jeden Tag mehr. Fast 300 Milliarden Euro stehen mittlerweile in der Bilanz. Das ist in dieser Lage ja sogar unvermeidbar. Aber geben Sie doch endlich zu, dass Sie das heimlich und nachdrücklich betreiben. Ich finde es einfach nicht in Ordnung, wenn Sie das leugnen; denn das geht meilenweit an der Wahrheit vorbei. (Beifall bei der SPD) Ich weiß, dass das, was wir von der Opposition zu sagen haben, Sie nicht sonderlich kümmert. Sie haben die Mehrheit hier im Hause. Wenn Sie die Opposition nicht kümmert, dann vielleicht der Teil der Presse, der Ihnen politisch näher steht. (Lachen bei der FDP - Zuruf von der CDU/CSU: Machen Sie doch einmal Vorschläge!) - Ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt. Früher waren Sie sehr kreativ beim Vortrag von Zeitungslektüre. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Da kann ich mir die Presseschau sparen, wenn Sie vorlesen!) Ich zitiere einen Kolumnisten der Financial Times Deutschland auf Spiegel Online: Die Chance auf eine bezahlbare Euro-Rettung ist vertan - und schuld ist die Bundeskanzlerin. Angela Merkel wird uns alle ruinieren, weil sie mit ihrem Zaudern die Krise verschärft. Das sagt nicht die Opposition, sondern die deutsche Presse, und das sollte Ihnen zu denken geben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Rainer Brüderle ist der nächste Redner für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Rainer Brüderle (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat, manche Medien im Ausland sehen die Euro-Zone vor dem Endspiel. Man hat fast den Eindruck, dass da eine gewisse Lust am Untergang herrscht. Bei manchen Äußerungen der Opposition habe ich den gleichen Eindruck. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ja, es ist Aufgabe der Opposition, die Regierung kritisch zu begleiten. Aber das, was hier seit einigen Wochen zum Teil abläuft, stellt Parteitaktik über das Schicksal Europas. Das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Joachim Poß [SPD]: Das müssen Sie gerade sagen!) Ich habe Verständnis dafür, dass die drei möglichen Kanzlerkandidaten vor dem SPD-Parteitag nervös wie Rennpferde sind. (Zurufe von der SPD: Oh!) Aber dass sie sich europapolitisch wie Ackergäule benehmen, das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Joachim Poß [SPD]: Das muss die FDP gerade sagen!) Selbst Frau Nahles, wie sie uns im Spiegel offenbart, nervt diese - so nennt sie es - K-Show, die Kanzlerkandidaten-Show der SPD. (Thomas Oppermann [SPD]: Reden Sie mal über den Euro!) Herr Gabriel machte Anfang der Woche einen Brüning-Vergleich und warnte die Bundeskanzlerin. Das hat mit Seriosität und Anstand nichts zu tun; das ist unangebracht. Diese Kanzlerin kämpft engagiert um Europas Zukunft. Wir stehen hinter ihr. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Zuruf der Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD]) Der europäische Gipfel muss und wird den Weg zu einer Stabilitätsunion weisen. Es heißt in manchen Kommentaren: So deutsch war Europa noch nie. Diese Aussage zeigt Respekt, aber auch Vorbehalt vor deutscher Dominanz. Es geht jedoch nicht darum, ein deutsches Europa, sondern ein gutes Europa zu schaffen. Das ist europäischer Patriotismus. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Europäische Union ist das größte Friedensprojekt aller Zeiten. Der Historiker Michael Stürmer hat die Errungenschaften Europas auf eine ganz einfache Formel gebracht. Er sagte: Nach dem Krieg machte sich Deutschland auf den Weg, wieder ruhig zu schlafen, gut zu essen und nie mehr allein zu sein. - Das ist Axiom deutscher Politik. Deutschland darf sich nie wieder singularisieren bzw. isolieren. Deshalb ist es gut, dass die Bundeskanzlerin und der französische Präsident gemeinsam Vorschläge für einen Stabilitätspakt II machen. Sie müssen das reparieren, was andere deutsche und französische Regierungen leichtfertig beschädigt haben. Darum geht es jetzt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Gipfel wird die Ausgestaltung der EFSF beschließen. Der Haushaltsausschuss hat die Leitlinien gebilligt. Wolfgang Schäuble hat gute Ergebnisse bei den Finanzministern erreicht. Das ist eine gute Grundlage für die Kanzlerin. Der Gipfel wird Vertragsänderungen in Angriff nehmen. Haushaltsdisziplin in allen Mitgliedstaaten besser zu kontrollieren und notfalls Sanktionen zu verhängen, das muss das Ziel sein. Das ist der richtige Weg. Wir, die christlich-liberale Koalition, leben das vor. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Die OECD hat uns dies wieder bestätigt. Das Wachstum ist intakt, der Arbeitsmarkt ist robust, die Schulden sind tragfähig. Das ist gelebte Stabilitätskultur. Das ist ein erfolgreicher Weg. Wenn auch Europa diesen Weg eingeschlagen hätte, dann hätten wir die aktuellen Probleme nicht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Opposition will den Euro mit einem links-keynesianischen Programm stabilisieren. Sie setzt auf Umverteilung in Deutschland und Vergemeinschaftung der Schulden Europas. Die Grünen haben ihren Steuererhöhungsparteitag hinter sich, die SPD hat ihren Steuererhöhungsparteitag vor sich. Mir ist ein Rätsel, wie man einerseits vor einer Rezession warnen kann und andererseits die Steuern um 30 Milliarden Euro erhöhen will. Das passt nun überhaupt nicht zusammen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das senkt die Sparquote!) Das trifft nicht die Superreichen, das trifft den Mittelstand in Deutschland. Sie wissen nicht, dass für weite Teile des deutschen Mittelstands die Einkommensteuer Unternehmensteuer ist und dass eine Vermögensabgabe in die Substanz der Mittelstandsbetriebe eingreift. Ihre Steuerpolitik ist ein Anschlag auf den deutschen Mittelstand und die deutschen Personengesellschaften. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Quatsch!) Die Grünen wollen vorbehaltlos Euro-Bonds. Sie lassen außer Acht, dass die gegen deutsches und europäisches Recht verstoßen. Normalerweise sind die Grünen für das Verursacherprinzip. Nur hier bei den Euro-Bonds setzen sie das völlig außer Kraft. Es sollen nicht diejenigen haften, die keine nachhaltige Haushaltspolitik gemacht haben, sondern es sollen diejenigen haften, die es richtig gemacht haben. Da soll einmal einer verstehen, wie das eine kluge Politik sein soll. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir hatten einmal nahezu einheitliche Zinssätze in Europa. Nur: Die Peripherie - die südeuropäischen Länder - hat sie nicht genutzt. Diese Länder haben weiter die Schulden erhöht, keine Haushaltsdisziplin geübt. Jetzt gibt es keine Abwertung nach außen mehr, sondern nur noch eine innere Abwertung. Das ist schmerzhaft, aber notwendig. Nur so kann man wettbewerbsfähig werden. Griechenland etwa braucht realwirtschaftliche Aufbauhilfe. Hier hat der Bundeswirtschaftsminister erste Schritte eingeleitet. Der Rösler-Plan (Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) setzt Schwerpunkte bei erneuerbaren Energien, bei Tourismus und bei der Informationstechnologie. Italien ist in einer ganz anderen Situation, hat eine andere realwirtschaftliche Stärke. Mit den Vorstellungen von Herrn Monti, der als EU-Kommissar sehr wohl den Binnenmarkt vorangetrieben hat und für Wettbewerb stand, hat es beste Aussichten. Beim Thema Euro-Bonds eiert die SPD. Mal springt sie auf, mal springt sie ab. Man kann auch sagen: Die SPD "sigmar-gabrielt" sich von Woche zu Woche - mal rauf, mal runter, nichts ist dabei klar. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es können nicht alle so klar sein wie die FDP! - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich finde den Gabriel in Ordnung, aber dass er so eiern kann wie die Bundeskanzlerin? Das kann er nicht!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Brüderle, darf Ihnen eine Kollegin eine Zwischenfrage stellen? Rainer Brüderle (FDP): Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. Andere in der SPD setzen auf eine entfesselte Geldpolitik mit allen Inflationsgefahren. Das sind die Genossen Gerhard Schröder und Peer Steinbrück. Sie wollen, dass die EZB alles öffnet und "in die Vollen" geht. Aber das kann nur in Notsituationen geschehen (Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) und muss zeitlich begrenzt sein, wie gestern auch Präsident Draghi zu Recht klargestellt hat. (Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CDU/CSU) Eine aktivistische Geldpolitik mit grenzenlosen Aufkäufen wäre fatal und falsch. (Thomas Oppermann [SPD]: Kommt der Wahrheit schon näher!) Die Europäischen Verträge untersagen der EZB langfristige Staatsfinanzierungen. Die Europäischen Verträge verpflichten die EZB zur Preisstabilität, und die Europäischen Verträge gewährleisten die Unabhängigkeit der EZB. Das ist das Erbgut der Deutschen Bundesbank und unsere Mitgift für die europäische Zukunftsentwicklung. Sie können in Japan beobachten, wo es hinführt, wenn man allzu großzügig, breit und langfristig angelegt die Geldmenge vermehrt. Sie haben ein Jahrzehnt und jetzt schon fast die zweite Dekade verloren, in der sie keinen Aufschwung hatten. Auch die USA kommen nicht richtig auf die Beine, obwohl die amerikanische Notenbank, die Fed, fast per Helikopter das Geld in die amerikanische Landschaft bringt. Greenspan hat 10 oder 15 Jahre lang auf jede Anspannung und jedes Krisenphänomen mit einer sehr lockeren Geldpolitik reagiert. Das hat möglicherweise nicht die Probleme der Finanzmärkte ausgelöst, aber erheblich begünstigt und verschärft. Hier muss Solidität und eine klare Linie herrschen. Noch eines ist mir aufgefallen: Es gibt jetzt eine große Ratingagentur in den USA, die den USA in ihrer Einstufung ein Jahr Bewertungspause gibt. Wenn ich mir das "Rating-Stakkato" der amerikanischen Ratingagenturen zu europäischen Ländern vor Augen führe, dann kann ich nur sagen: Diese Zahlenkonzerne haben offenbar eine patriotische Ader oder einen politischen Knick in der Optik. Deshalb ist es höchste Zeit, dass Europa eine eigenständige Ratingagentur bekommt. Diese Einflussnahme, nur weil man einen Verdacht hat, ist nicht in Ordnung und nicht fair. Sie muss endlich auch ein Gegengewicht in Europa bekommen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zitieren: Die Bundesregierung muss endlich ihre Blockadepolitik gegen Möglichkeiten aufgeben, Sanktionen nicht nur bei übermäßigen Defiziten, sondern auch bei übermäßigen Leistungsbilanzüberschüssen verhängen zu können, um makroökonomische Ungleichgewichte abzubauen. Das ist ein Beschluss des Parteitages der Grünen. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Sehr vernünftig!) Sie setzen konsequent auf die Drosselung deutscher Exportanstrengungen. Sie wollen Deutschland schlechter und nicht die anderen besser machen. Es war konsequent, dass Sie Herrn Papandreou nach Kiel eingeladen haben. Das war eine runde Sache. (Beifall bei der FDP) Sie wollen, dass deutsche Arbeitnehmer weniger Autos bauen, dass deutsche Arbeitnehmer weniger Chemieprodukte herstellen und dass deutsche Arbeitnehmer beim Maschinenbau weniger erreichen. Der ökonomische Sachverstand der Grünen, Herr Trittin, passt in eine Plastiktüte. Dafür wollen Sie noch eine Zwangsabgabe in Höhe von 22 Cent haben. Nichts haben Sie verstanden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Klar muss sein: Wer Wachstum schwächt, schwächt Deutschland. Wer Deutschland schwächt, schwächt Europa. - Wenn Sie das wollen, müssen Sie Ihre Politik weiter so betreiben. Wir wollen etwas anderes: Wir wollen Wachstum, Arbeitsplätze und eine gute Zukunft für die europäische Entwicklung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen 2 Prozent so wie Sie!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also, gelegentlich wird man hier überfordert. (Zuruf von der CDU/CSU: Das glauben wir!) - Ja, das will ich Ihnen gleich begründen. Ich muss Ihnen sagen, Herr Brüderle: Wenn Sie den Begriff "Genosse" in den Mund nehmen, klingt das widernatürlich. (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN - Rainer Brüderle [FDP]: Das ist auch widernatürlich!) Obwohl ich sehr fantasievoll bin, fällt es mir auch sehr schwer, mir Frau Merkel bei einem Marathonlauf vorzustellen. (Heiterkeit bei der LINKEN und der SPD) Zum Ernst der Situation zurück: Die Diktatur der Finanzmärkte hat sich verschärft. Sie ist doch nicht abgebaut worden, ganz im Gegenteil. Die Ursachen schildern Sie falsch, Frau Bundeskanzlerin. Nicht die Staatsverschuldung ist die Ursache der Krise, sondern die Macht der Banken, der Versicherungen, der Fonds und ihre weltweiten Spekulationen sind die Ursachen der Krise. Genau das führt zu der hohen Staatsverschuldung. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der LINKEN) Wenn man hier nicht mitgeht, dann kann man die Ursachen nicht wirksam bekämpfen. Ich sage auch: Frau Merkel, Sie finden keinen Weg aus der Krise heraus. Im Gegenteil: Schon die EU-Gipfelbeschlüsse vor sechs Wochen sind doch überholt. Inzwischen wird auch gegen Italien, Belgien, selbst gegen Österreich und Finnland spekuliert. Frankreich muss höhere Zinsen auf seine Staatsanleihen zahlen. Deutschland versuchte, Staatsanleihen für 6 Milliarden Euro zu verkaufen. Was erreichte der Bundesfinanzminister? Staatsanleihen in Höhe von 2 Milliarden Euro wurden gekauft, die restlichen 4 Milliarden Euro wollte niemand haben, weil die Zinsen zu niedrig sind. Es geht um eine andere Konstruktion. Herr Steinmeier, in einem Punkt widerspreche ich Ihnen. Die Kanzlerin macht schon etwas. Sie gestaltet Europa um - aber völlig falsch. Im Vertrag von Lissabon gibt es zum Beispiel eine Bestimmung, die die Kontrolle des Kapitalverkehrs verbietet. Vielleicht sollte man diese Bestimmung einmal aufheben, wenn man den Vertrag ändert. (Beifall bei der LINKEN) Aber nun haben die Zentralbanken aus den USA, Japan, der Schweiz, Kanada und übrigens auch die EZB eingegriffen, und zwar, indem sie den Banken Geld zu ganz niedrigen Zinssätzen angeboten haben. Das haben sie natürlich ganz einfach gedruckt. Darauf haben sie auch hingewiesen. Aber das macht die EZB mit, wenn ich darauf verweisen darf. Das Problem ist: Die Börsen jubeln, aber den Menschen in Griechenland und Italien nutzt das überhaupt nichts. Mit den Interessen von 99 Prozent der Bevölkerung in diesen Ländern hat das alles gar nichts zu tun. Im Kern geht es um drei Wege, die beschritten bzw. diskutiert werden. Es ist interessant, diese Wege genau zu betrachten und Vergleiche anzustellen. Der erste Weg ist der - Herr Brüderle, hier sind Sie beleidigt, aber hier hat Herr Gabriel recht -, den Reichskanzler Heinrich Brüning gegangen ist, nämlich durch drastischen Sozialabbau die Probleme angeblich zu lösen. Genau diesen Weg geht für ganz Europa Frau Merkel. Das ist ein einziger Skandal. (Beifall bei der LINKEN) Das ist eine verschärfte Agenda 2010, die dort angewandt wird. Die Investitionen werden in Europa zurückgefahren. Ihre Hoffnung ist - jetzt will ich einmal Ihrer Theorie folgen -: Wenn man Sozialabbau betreibt, die Renten kürzt, weitere Schikanen gegenüber der Bevölkerung durchführt und sogar noch die Investitionen abbaut, dann werden auch die Staatsschulden geringer. Wenn die Staatsschulden geringer werden, dann entsteht wieder Vertrauen bei den lieben großen privaten Banken, und dann kaufen sie wieder zinsgünstiger Staatsanleihen auf. - So Ihre Theorie. Das hat mit der Realität allerdings nichts zu tun. Wie sieht das Ergebnis aus? Das Wirtschaftswachstum in Griechenland ist um 5,5 Prozent gesunken. Fast überall herrscht Rezession. Nun kommt das Entscheidende - schauen wir uns einmal die Schuldenlast Griechenlands an, lieber Herr Brüderle -: Im Jahre 2010 betrug die Staatsverschuldung Griechenlands 140 Prozent der Wirtschaftsleistung. Nun beträgt sie 200 Prozent der Wirtschaftsleistung. Sie ist also um 60 Prozentpunkte gestiegen. Das ist das Ergebnis Ihres angeblichen Schuldenabbaus. Das Gegenteil kommt dabei heraus, weil der Weg falsch ist. (Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie das Vertrauen der großen privaten Banken in die Staaten zurückgewinnen wollen, kann ich Ihnen nur sagen: Auch das schaffen Sie nicht. Die Banken besorgen sich Geld bei der Europäischen Zentralbank und zahlen dafür 1,25 Prozent Zinsen. Dann sagen sie gegenüber Italien: Italienische Staatsanleihen kaufen wir nur, wenn ihr über 7 Prozent Zinsen zahlt. - So verdienen sie dickes Geld und ruinieren die Bevölkerung Italiens. Das alles ist nicht hinnehmbar. Ihr Weg ist rundum und vollständig gescheitert. Aber Sie halten an Ihrem Irrsinnskurs fest. Herr Kauder, Sie haben gesagt: Der Weg, den wir gehen, ist ein Weg zu einem deutschen Europa. - Außerdem sagten Sie auf dem CDU-Parteitag: Man spricht jetzt deutsch. - Gerade in Anbetracht unserer Geschichte sollten wir solche Sätze wirklich vermeiden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Dieser Weg ist politisch, moralisch, historisch, steuerpolitisch und sozial falsch. Außerdem führt das Ganze zu einem dramatischen Demokratieabbau; dazu haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, und auch Sie, Herr Steinmeier, keinen Satz gesagt. Das ist doch nicht mehr hinnehmbar: In Italien und Griechenland werden Technokraten eingesetzt - ohne Wahlen, ohne Veränderung. Man schickt Regierungen, die man nicht mehr haben will, einfach nach Hause und setzt irgendwelche Leute ein, die der EU willkommen sind. Der ehemalige Ministerpräsident Griechenlands sagte zu seiner Bevölkerung, er wolle sie über den Grundkurs der Politik abstimmen bzw. sie in einem Volksentscheid darüber entscheiden lassen. Dafür musste er seine Sachen packen. Das hat mit Demokratie nichts zu tun. Das ist ein dramatischer Demokratieabbau, den wir hier erleben. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Rüdiger Veit [SPD]) Dieser erste Weg ist also falsch und gescheitert. Aber es gibt einen zweiten Weg; er beschreibt sozusagen das US-amerikanische Vorgehen, aber nicht nur das US-amerikanische, sondern auch das britische. Hier geht es um die Euro-Bonds. Nun habe ich ja gehört, dass die Frau Bundeskanzlerin sagte: Jetzt sind Euro-Bonds falsch. - Sie hat plötzlich das Wort "jetzt" eingeführt. (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Ja! Das ist eine Rückzugsmöglichkeit!) Ich bin gespannt, ob das nächste Woche noch gilt. (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Genau! - Zuruf von der LINKEN: Das kennen wir ja! Wie bei der Atomkraft!) Herr Brüderle hingegen sagt: Das geht überhaupt nicht, weil das Prinzip von Ursache und Wirkung falsch angewandt wird. Wir können doch nicht dafür haften, dass andere Staaten Fehler gemacht haben. - Herr Brüderle, erklären Sie der Bevölkerung doch einmal Folgendes: (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Nein! Lieber nicht!) Wenn die Europäische Zentralbank jetzt Staatsanleihen aus Italien, Spanien, Griechenland und anderen Ländern im Wert von 200 Milliarden Euro hat, die nichts mehr wert sind, und wenn die Europäische Zentralbank den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern der Euro-Zone, also vornehmlich den deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, gehört, wer haftet dann für diese Staatsanleihen? Wir alle zusammen. Sie sagen also, dass Sie etwas, das längst existiert, nicht wollen. So kann man die Bevölkerung nicht an der Nase herumführen. Das sage ich Ihnen ganz klar. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die zweite Variante bedeutet natürlich, dass man Geld drucken muss. Sie haben völlig recht: Das war schon immer US-Politik. Das machen die auch heute. Das macht auch Großbritannien. Dieser Weg ist nicht ganz so unsozial und nicht ganz so unmenschlich wie der erste. Aber er führt zu Inflation, also zu Geldentwertung, und damit letztlich auch zu mehr Armut. Deshalb ist auch dieser Weg falsch. Es gibt einen dritten Weg; das ist der, den wir vorschlagen. Sie fürchten ihn aus verschiedensten Gründen; aber er ist der einzige Weg, der funktionieren könnte. Es passt Ihnen nicht; aber dieser Weg führt aus der Krise, und zwar ohne Deflation und ohne Inflation. Was ist zu tun? Die bedrohten Staaten müssen aus ihrer Abhängigkeit von den großen privaten Banken, Fonds und Versicherungen befreit werden. Das ist der einzig mögliche Weg. (Beifall bei der LINKEN) Sie allerdings geben den Banken ständig nach. Sie erkennen nicht - oder wollen nicht erkennen -, dass der Weg, den wir vorschlagen, die einzige Möglichkeit ist. Wir brauchen eigentlich eine europäische Bank, die das Geld der Europäischen Zentralbank nehmen und den bedrohten Staaten zinsgünstige Kredite geben müsste. Das wäre deshalb eine Lösung, weil die amerikanischen Ratingagenturen dann machen könnten, was sie wollen. Sie könnten Griechenland sogar ein "Z" geben - was es nicht gibt -, also komplett herabstufen. Wenn Griechenland von dieser europäischen Bank weiterhin zinsgünstige Kredite bekäme - und Italien, Spanien, Portugal genauso -, könnten die Ratingagenturen erzählen, was sie wollten. Wir hätten dadurch endlich die Unabhängigkeit dieser Staaten von den großen privaten Banken hergestellt, und genau das brauchen wir. (Beifall bei der LINKEN) Daneben brauchen wir - das ist wahr - einen Schuldenschnitt, aber nicht nur für Griechenland. Übrigens: Die Banken haben doch einmal etwas von einem Schuldenschnitt von 50 Prozent erzählt. Man hört gar nichts mehr davon, Frau Bundeskanzlerin. Wie weit ist es denn eigentlich damit? Beim letzten Mal war das ein großes Thema, heute sagt keiner ein Wort dazu. Ich will nur sagen: Das fällt auf. Das alles reicht aber noch nicht. Die großen privaten Banken sind einfach zu mächtig. Frau Kohl, die in der ARD immer über die Börse berichtet und bei Herrn Jauch neben mir saß, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erzählen wir jetzt alle unsere Fernseh-erlebnisse?) sagte dort interessanterweise Folgendes: Banken wie die Deutsche Bank sind so groß, dass keine Regierung es sich leisten könnte, sie pleitegehen zu lassen, weder eine linke noch eine rechte Regierung. Das sei gar nicht möglich, sagt sie. Was heißt das denn? Das heißt, wir sind erpressbar. Das heißt, die Deutsche Bank kann machen, was sie will. Sie würde immer gerettet werden, ganz egal, ob sich die Regierung rechts oder links nennt oder es auch ist. (Thomas Oppermann [SPD]: Klingt so, als würden Sie sie auch retten!) - Ja, und genau das ist nicht akzeptabel, Herr Oppermann. - Deshalb muss man diese Banken verkleinern und dann öffentlich-rechtlich gestalten. Es gibt keinen anderen Weg. (Beifall bei der LINKEN) "Öffentlich-rechtlich gestalten" heißt, sie wie die Sparkassen, die ARD oder das ZDF zu gestalten. Das heißt nicht, dass der Finanzminister direkt Weisung geben kann. Eine öffentlich-rechtliche Einrichtung könnte das Ganze sehr viel besser regeln. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Die Nummer würde Ihnen in der Volkshochschule keiner abnehmen!) Die Sparkassen sind nicht unser Problem, sondern die großen Privatbanken. Deshalb müssen wir einen anderen Weg gehen. Dann könnten die Banken endlich wieder Dienstleister der Realwirtschaft und der Bürgerinnen und Bürger werden und würden sie nicht mehr beherrschen. Die großen Konzerne, die noch etwas herstellen, also die Realwirtschaft, müssten jetzt eigentlich dazu aufrufen, die Linke zu wählen, weil wir die Einzigen sind, die wollen, dass die Banken ihnen wieder dienen und nicht bestimmen, was sie zu tun haben. Das ist ja immerhin ein Schritt in eine vernünftige Richtung. (Beifall bei der LINKEN) Das reicht aber auch noch nicht. Wir müssen natürlich auch eine drastische Regulierung der Finanzmärkte herbeiführen - das gilt auch für öffentlich-rechtliche Banken -, indem wir Hedgefonds, Leerverkäufe etc. verbieten. Ich fand das Interview, das Herr Soros, Multimilliardär und König der Hedgefonds, dem Stern gegeben hat, sehr interessant. Er ist dort gefragt worden, wer eigentlich schuld sei. Das geht auf die Frage der Frau Bundeskanzlerin zurück. Sie haben ja gesagt, die Politik sei schuld. Er hat das auch gesagt, aber er hat das anders begründet. Er wurde gefragt: Sind Sie nicht schuld? Sie haben doch mit Ihren Leuten weltweit spekuliert. Sie haben das doch herbeigeführt. - Er sagte: Ja, das stimmt; aber wir sind trotzdem nicht schuld. Schuld ist die Politik; denn die hat es uns ja erlaubt. Der Mensch ist von Natur aus gierig; dann sind wir halt, wie wir sind. Wenn sie es uns verboten hätten, dann hätten wir es ja nicht gemacht. - Ich finde, das ist das beste Plädoyer dafür, endlich eine Regulierung der Finanzmärkte herbeizuführen. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Gysi. Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Ich bin gleich fertig, Herr Präsident. Daneben brauchen wir unbedingt eine Vermögensteuer. Es ist nicht mehr zu akzeptieren, dass die Vermögenden in der Euro-Zone noch nicht einmal mit einem halben Euro zur Finanzierung der Krise herangezogen werden. Lassen Sie mich nur ein Beispiel nennen: 2 000 griechische Familien besitzen 80 Prozent des Vermögens Griechenlands. Die besagte Frau Kohl sagt dazu: Die kann man aber nicht heranziehen, weil sie ihr Vermögen schon ins Ausland gebracht haben. - Abgesehen davon, dass das bei Grundstücken nicht geht, sage ich: Dann führen wir eben US-amerikanisches Recht ein. Jeder Staatsbürger und jede Staatsbürgerin haftet für die Steuern in diesem Land, egal wohin sie das Vermögen verschieben. Das wäre doch nicht zu viel verlangt. (Beifall bei der LINKEN) Herr Bofinger, der Wirtschaftsweise der Regierung, hat gesagt: Ihr Weg führt ins Desaster. - Das stimmt, Frau Bundeskanzlerin. Sie müssen den Mut haben, endlich die Unterordnung unter die Banken aufzugeben. Sie müssen den Mut haben, die Banken diesbezüglich zu entmachten. Nur so kann man übrigens einen Markt und etwas Soziales herstellen. Die Priorität der Banken muss endlich überwunden werden. Dann - und nur dann - bekommen wir ein Europa für die Menschen. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Volker Kauder für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Volker Kauder (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir sind in einer wirklich außergewöhnlichen Situation. Wir alle müssen uns anstrengen, um Europa aus dieser Krise und durch diese Krise zu führen. Da hat das deutsche Parlament seine eigenen Positionen und seine eigenen Rechte; denn wir haben miteinander beschlossen - das wurde nicht von anderen oder von außen durchgesetzt -, dass der Deutsche Bundestag zu beteiligen ist. Dafür gibt es ganz hervorragende Beispiele. Vor dem letzten Gipfel haben wir in diesem Haus gemeinsame Positionen formuliert, Herr Kollege Steinmeier. Wir haben gemeinsam der Bundesregierung den Rücken gestärkt, und wir haben gemeinsam die Bundeskanzlerin ermutigt, die richtigen Positionen durchzusetzen. Was ich aber heute von Ihnen gehört habe, ist davon meilenweit entfernt. Sie haben das Rednerpult im Deutschen Bundestag mit der Bühne auf dem SPD-Parteitag verwechselt, Herr Steinmeier. Das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich muss Ihnen schon sagen: Sie können den früheren Bundeskanzler Schröder nicht einfach kritiklos in eine Linie mit den großen Europäern stellen. Schauen wir uns doch einmal an, was da passiert ist. Bundeskanzler Schröder sprach 2003 im Ehrenhof des Élysée-Palastes von einer Achse Berlin-Paris-Moskau. Einen größeren Schlag als mit dieser Formulierung konnte man gegen die Einheit in Europa gar nicht machen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dann wurden locker vom Hocker mit fröhlichem Gesicht die Stabilitätskriterien gebrochen. Weil es einem parteipolitisch in den Kram passte, wurde ein Mitgliedsland, nämlich Österreich, auf unanständige Weise in die Pfanne gehauen. Das hat mit europäischen Positionen überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch bei der SPD) - Immer langsam! Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Ich war es nicht, der den früheren Bundeskanzler als großen Europäer eingeführt hat; das waren Sie. Wenn Sie das machen, dann müssen Sie auch mit den Punkten leben, an denen offenkundig wird, dass er sich selber und einige parteipolitische Interessen vertreten hat, aber nicht die Interessen Europas und schon gar nicht die Interessen Deutschlands. Das muss hier gesagt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Thomas Oppermann [SPD]: Und Sie nehmen das für sich in Anspruch?) Auf Ihrem Parteitag können Sie solche Sprüche machen; da sind wir nicht dabei. Aber hier lassen wir Ihnen das - damit das ganz klar ist - nicht durchgehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zu Europa. Die Bundeskanzlerin hat heute hier ganz klar formuliert, dass das, was notwendig ist, um Europa zu stabilisieren, mit dem bisherigen Instrumentarium nicht geht. Wir waren uns in unserer gemeinsamen Erklärung einig, dass es einige Dinge gibt, die sich ändern müssen. Die Position war, dass wir die Europäische Kommission in die Lage versetzen müssen, Haushalte zu begutachten und daraufhin Empfehlungen auszusprechen. (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das ist doch nichts Neues!) Wir waren uns doch einig, dass wir einen Automatismus brauchen, damit genau der Fall nicht mehr eintritt, dass durch politische Entscheidungen Verfehlungen einfach unter den Tisch gekehrt werden. Dazu braucht man eine Änderung in den europäischen Verträgen. Wir waren uns auch darin einig, dass es Sanktionen geben muss, deren Durchsetzung wir vor dem Europäischen Gerichtshof einklagen können. Dies alles, was auch Sie richtig finden und was wir in unserer gemeinsamen Erklärung gesagt haben, ist doch nur die Folge davon, dass wir von Anfang an einen festen Grundsatz verfolgt haben: Wir sind solidarisch, aber Hilfe gibt es nur, wenn die notwendigen Gegenleistungen erbracht werden. - Glauben Sie, irgendjemand in Europa hätte auch nur einen entscheidenden Schritt gemacht, wenn das gemacht worden wäre, was Sie von Anfang an verlangt haben? Sie wollten Euro-Bonds und wollten Geld geben; damit wäre für Sie die Sache erledigt gewesen. (Joachim Poß [SPD]: Das hat kein Mensch gesagt!) Aber das hätte uns überhaupt nicht weitergebracht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Frau Bundeskanzlerin, der Weg, den Sie beschritten haben und den wir von der Koalition immer begleitet haben, ist richtig. Wir sagen: Es gibt Hilfe und Unterstützung, aber es sind auch notwendige Schritte zu gehen. Ich glaube, dass der bevorstehende Gipfel entscheidende Möglichkeiten bietet. Ich weiß sehr wohl, dass wir im deutschen Parlament in einem gewissen Zielkonflikt sind. Die Bundeskanzlerin hat uns gesagt, welche zentralen und wichtigen Punkte auf dem Gipfel besprochen werden sollen. Da unterstützen wir die Bundesregierung. Aber klar ist auch, dass wir im Vorfeld nicht jedes Detail, über das verhandelt wird, bis auf Punkt und Komma festlegen können. Rainer Brüderle hat völlig recht, wenn er sagt: Wir sorgen für die Leitplanken - diese haben wir formuliert -, zwischen denen sich die Regierung bewegt, und dann unterstützen wir die Regierung, damit sie das erfolgreich zu Ende bringt. - Bislang sagt uns die Erfahrung: Angela Merkel ist dies immer gelungen. Wir wünschen ihr viel Erfolg und Glück für den kommenden Freitag. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dass wir die notwendigen Veränderungen durchsetzen können, zeigt, glaube ich, die Entwicklung in der letzten Zeit. Herr Gysi, man kann leicht daherreden und sagen: Da stürzen ganze Regierungen. - Heute lese ich in den Zeitungen - das mag Sie vielleicht sogar bedrücken -, dass nicht mehr die Opposition entscheidet, ob eine Regierung im Amt bleibt oder nicht, sondern die Finanzmärkte. Bei uns entscheiden weder die Finanzmärkte noch Sie; das ist ein Glücksfall für uns. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erledigen Sie selber! - Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Elke Ferner [SPD]: Das macht die FDP!) Es ist doch völlig klar: Wenn eine Regierung ein Land in eine solche Situation bringt, wie es im Fall Griechenland geschehen ist, dann muss es eine Veränderung geben, dann muss eine andere politische Richtung eingeschlagen werden. Das wurde weder von der Europäischen Kommission noch vom Europaparlament, sondern vor Ort entschieden. Zu Herrn Papandreou: Wenn man in einer so schwierigen Situation etwas miteinander vereinbart, dann kann man nicht überfallartig und über Nacht etwas anderes machen und alles durcheinanderbringen. Das war das Problem. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Genau!) Dazu hätte ich mir eine kritische Anmerkung der Grünen auf ihrem Parteitag gewünscht. Aber da wird so getan, als ob ein Held habe gehen müssen. Nein, hier hat sich jemand nicht an Vereinbarungen gehalten. (Elke Ferner [SPD]: Das stimmt doch nicht!) Schon früher bestand das Problem in Europa darin, dass man sich nicht an Vereinbarungen gehalten hat. Das muss sich grundlegend ändern. An Vereinbarungen, an gemeinsame Regeln müssen wir uns alle halten, weil es sonst, wie wir gesehen haben, schiefgeht. Das ist die Erfahrung aus unserer Geschichte. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir werden in der nächsten Zeit sicherlich immer wieder über die Situation in Europa reden. Wir stellen aber auch fest: Obwohl es Schwierigkeiten gibt und wir immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert sind - da widerspreche ich dem einen oder anderen -, kommen wir Schritt für Schritt voran. Wir müssen vor allem das Grundübel beseitigen; wir müssen die Schuldenpolitik beenden. Da, Herr Steinmeier, kann ich mich nur wundern. Wo waren Sie während der Haushaltsberatungen in der letzten Woche? (Manfred Zöllmer [SPD]: Wie sieht das denn mit Ihren Schulden aus?) Wie kann man von diesem Rednerpult aus - wohl wissend, dass die ganze Welt zuschaut - den Satz sagen, dass wir in Deutschland bei der Haushaltskonsolidierung nicht vorankommen? (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Sie haben die Neuverschuldung erhöht!) Sie müssen woanders gewesen sein. Sie haben wahrscheinlich noch an die Zeit der rot-grünen Politik gedacht. Damals ist es nicht gelungen, bei der Konsolidierung Fortschritte zu machen. Aber wir sind bei der Haushaltskonsolidierung wirklich hervorragend vorangekommen und geben damit ein Beispiel, wie man es machen muss. Deswegen sind wir in einer so guten Situation. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich kann zu den Grünen nur sagen - das habe ich auch in der Haushaltsdebatte getan -: Es ist abenteuerlich, dass unsere heimische Wirtschaft, also genau diejenigen, die dazu beigetragen haben, dass wir in Deutschland erfolgreich sind, nämlich der Mittelstand, aber auch Großindustrie, Automobilindustrie, Maschinenbau, auf Ihrem Parteitag besonders ins Visier geraten ist. Ich sage es noch einmal: Mit Ihren Fahrradläden werden Sie das Wirtschaftswachstum nicht ankurbeln, sondern nur mithilfe der mittelständischen Industrie und der Automobilindustrie in unserem Land. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wäre froh, ich hätte einen Fahrradladen! Räder werden gebraucht!) Im Hinblick auf Europa haben wir einiges erreicht. Eines sollten wir klar und deutlich sagen - schauen wir uns einmal die Zahlen auch im Verhältnis zum Dollar an -: Wir haben zwar eine Staatsschuldenkrise: aber wir können wirklich froh darüber sein, dass der Euro noch immer stabil ist. Wer meint, der Euro stehe am Abgrund, redet Unsinn. Der Euro ist stabil. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo leben Sie denn?) Europa wird sich in Zukunft gut entwickeln, wenn wir so weitermachen, wie wir das getan haben. Die Verschuldung muss allerdings zurückgeführt werden; das muss erreicht werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie können auch mithelfen, dass die Schuldenbremse überall eingeführt wird. Das ist ein gutes Instrument, um auf den rechten Weg zu kommen. (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Reden Sie doch mal mit Ihrem Finanzminister! Der weiß es besser!) Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Jürgen Trittin ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kauder, bleiben wir einfach bei den Fakten. Sie haben hier letzte Woche einen Haushalt verabschiedet, der eine höhere Neuverschuldung vorsieht, als wir sie im letzten Jahr gehabt haben. Sie erzählen dem Rest Europas öffentlich, es solle sparen. Aber Sie selber sind dazu nicht in der Lage. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Damit noch nicht genug. Sie erklären auch noch: Wir wollen so weitermachen. Auf diese zusätzlichen Schulden für das nächste Jahr setzen Sie noch Steuersenkungen auf Pump. Das ist Ihre solide Finanzpolitik. - Das hat mit Solidität gar nichts zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich hätte mir gewünscht, lieber Herr Kauder, Sie hätten hier Ihre unseligen Äußerungen vom Parteitag zurückgenommen. Das hat es lange nicht gegeben, dass jemand, der für Deutschland in der Verantwortung steht - das tun Sie als Vorsitzender einer Koalitionsfraktion -, in dieser Art und Weise arrogant in Europa herumholzt. Das geht nicht. Das schwächt Deutschland, das erschwert eine Politik in Europa. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich hätte mir, Frau Bundeskanzlerin, wenn Herr Kauder dazu nicht in der Lage ist, wenigstens von Ihnen gewünscht, dass Sie klargestellt hätten, dass diese Art und Weise des Umgangs mit unseren Partnern in Europa nicht die Position der Bundesregierung bzw. der Bundesrepublik Deutschland ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ihre Regierungserklärung, Frau Bundeskanzlerin, war wieder sehr stark von dem Grundprinzip charakterisiert: Der Weg ist das Ziel. Um das ein bisschen zu bemänteln, haben Sie das Bild des Marathonläufers bemüht. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sehr gut! Da kenne ich mich aus!) Lassen Sie uns einmal bei diesem Bild bleiben. Das Wichtigste, was man bei einem solchen Lauf berücksichtigen muss, ist: (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Die Kräfte einteilen!) Man sollte sich vorher über die Strecke kundig machen. Ansonsten geht es Ihnen wie Ihrem Wirtschaftsminister, der erst in die falsche Richtung rennt und sich dann immer nur im Kreis bewegt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Na, na!) Wenn man einen Marathon laufen will, dann muss man ihn nicht nur zu Ende bringen, sondern man muss auch anfangen, zu laufen. Das ist aber genau das, was Sie zurzeit nicht machen. Sie sagen: Wir werden nichts unternehmen, bevor nicht Vertragsänderungen und Ähnliches vorgenommen werden. Das heißt, Ihr Marathonlauf hat noch gar nicht begonnen. Dies ist in der jetzigen Situation schlicht und ergreifend fahrlässig. Die Botschaft, beispielsweise in Richtung Italien, lautet: Bevor überhaupt etwas passiert, soll das Land erst einmal sparen. Ich will nur kurz darauf hinweisen, was Italien bevorsteht. Italien muss im nächsten Jahr 370 Milliarden Euro refinanzieren. Das ist mehr als der Bundeshaushalt. Im Jahr darauf werden es 200 Milliarden Euro sein. Italien muss zurzeit auf dem Markt 8 Prozent Zinsen für seine Refinanzierung zahlen. Glauben Sie, dagegen könnte man mit irgendeiner staatlichen Sparpolitik ansparen? Das ist schlicht und ergreifend unmöglich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das sage nicht nur ich, sondern das hat Ihnen auch Ihr eigener Sachverständigenrat ins Stammbuch geschrieben. Er hat ausgerechnet, was Italien erwirtschaften müsste, wenn es die Maastricht-Kriterien innerhalb von 20 Jahren einhalten wollte. Italien müsste jedes Jahr einen Primärüberschuss von 8 Prozent erwirtschaften. Nein, das, was Sie dem Rest Europas predigen, praktizieren Sie nicht nur selber nicht, sondern es ist auch eine Auflage, die das Problem nicht lösen wird. An deren Ende steht das Zerbrechen der Euro-Zone und damit des gemeinsamen Europas. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Darüber mache ich mir Sorgen. Wollen wir dabei tatenlos zugucken? Der Kollege Kauder hat sich nicht entblödet, den Vergleich mit der Fahrradproduktion zu bringen. Ich würde Ihnen raten, lieber Herr Kollege Kauder, die Firma Daimler zu besuchen und Herrn Zetsche zu fragen, was er glaubt, was mit seinem Unternehmen passiert, wenn die Euro-Zone auseinanderbricht und es in der Kern-Euro-Zone zu einer Aufwertung um 20, 30 oder 50 Prozent kommt. Dann wären die Arbeitsplätze in Untertürkheim und Sindelfingen aber sehr akut in Gefahr. Das nehmen Sie mit Ihrem Nichthandeln zurzeit billigend in Kauf. Das ist das Problem, das der Industriestandort Deutschland hat: Sie sind fahrlässig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Widerspruch bei der FDP) Hören Sie auf, das deutsche Volk zu belügen! Es ist eine Lüge, wenn Sie sagen: Sie haften nicht für Anleihen anderer. Herr Gysi hat recht. Bei der EZB liegen 200 Milliarden Euro Staatsanleihen, für die Deutschland mit 54 Milliarden Euro haftet. Bei der EZB liegt aber noch mehr: Sie hat Kredite an die südeuropäischen Banken vergeben. Wir haften zurzeit für 460 Milliarden Euro davon. - Ich könnte das weiter fortsetzen. Nehmen Sie nur die Verbindlichkeiten, die diese Staaten bei deutschen Banken haben: 525 Milliarden Euro. (Widerspruch bei der CDU/CSU) Das ist die finanzielle Dimension, um die es hier geht. Wir reden von einer dramatischen Situation, und Frau Merkel sitzt auf ihrem Stuhl und überlegt sich, ob sie irgendwann die Turnschuhe aus dem Schrank holen soll. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Nein, jetzt muss gehandelt werden. Das heißt, Italien, Spanien und die anderen betroffenen Länder müssen sich refinanzieren können. (Jan Mücke [FDP]: Sie müssen sparen!) Wenn es mit dem Hebel nicht klappt, dann wird man etwas anderes machen müssen. Frau Merkel ist inzwischen sehr interessiert, was die Euro-Bonds angeht. Eben hat sie gesagt: Darüber muss man sich jetzt nicht streiten; sie kommen sowieso. (Dagmar G. Wöhrl [CDU/CSU]: Das hat sie doch gar nicht gesagt!) Aber wenn sie kommen, dann wird es zu spät sein. Also müssen wir etwas anderes machen. Selbstverständlich müssen wir das Volumen für die EFSF vergrößern. Wenn es mit der Hebelung nicht klappt, geht dies nur über eine Banklizenz. Dann kann man das politisch steuern. Das ist vernünftig. Ich sage Ihnen in aller Ruhe: Es ist die bessere Alternative zu dem, was sonst bleibt, (Zuruf von der FDP: Es wird immer schlimmer!) nämlich die direkte Finanzierung durch die EZB ohne jede Sparauflage. Deswegen muss das jetzt kommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie brauchen auch einen verlässlichen Pfad zur Tilgung der europäischen Schulden. (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Wie ein Blinder von der Farbe!) Wir müssen mit dem Schuldenabbau Ernst machen. Ich rate Ihnen: Lesen Sie das Gutachten Ihrer eigenen Sachverständigen! Da findet sich ein sehr lesenswerter Vorschlag. Herr Schäuble hat gesagt: Ich übernehme Teile davon. - Aber er übernimmt das Wesentliche nicht. Das Wesentliche, um die Finanzmärkte von Europa und von diesem gemeinsamen Euro zu überzeugen, ist, dass klargestellt wird: Dieses Europa steht füreinander ein. Dann muss auch klargestellt werden, dass jedes Land seinen Schuldentilgungsverpflichtungen nachkommt. Dafür hat der Sachverständigenrat mit dem Schuldentilgungsfonds ein richtiges, ein kluges, ein gutes Modell vorgestellt. So kommt man aus der Krise heraus, so spart man Geld, so stellt man finanzielle Solidität wieder her. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Und schließlich, meine Damen und Herren: Ja, wir brauchen Vertragsänderungen, aber nicht anstelle jetzigen Handelns, sondern zusätzlich zu diesem Handeln. Frau Bundeskanzlerin, es war übrigens nicht die Politik, die die Währungsunion geschaffen hat, das war nicht eine anonyme Macht, sondern das war der Bundeskanzler Helmut Kohl - ich meine mich zu erinnern, Sie waren damals in seinem Kabinett -, es war eine Mehrheit im Bundesrat, die aus A-Ländern bestand, und es war auch die grüne Partei. Wir alle haben uns für diese gemeinsame Währung ausgesprochen. Wir haben dies gemeinsam in dem Wissen getan, dass es Defizite gibt. Denn wir haben gesagt: Nach der deutschen Einheit wollen wir diesen wichtigen Schritt gemeinsam gehen. Nun geht es darum, diesen Schritt tatsächlich zu gehen und von der Währungs- zu einer Wirtschaftsunion zu kommen. Nur, Sie haben nichts zum Inhalt gesagt. Was ist eigentlich mit den Vorschlägen von Nicolas Sarkozy, der gestern verkündet hat, dieses neue Europa soll kein institutionelles, kein gemeinschaftliches Europa sein, (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Das hat er nicht gesagt! Das stimmt doch gar nicht!) sondern es soll das Europa der Regierungen sein? Er will sogar das Schengen-Abkommen aufheben, das heißt, er will die europäische Freizügigkeit abschaffen. Wenn Sie denn unbedingt über Vertragsänderungen reden wollen, dann hätte ich dazu ein klares Wort von Ihnen erwartet. Das, was er vorgeschlagen hat, ist kein gemeinsames Europa. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie müssen jetzt handeln. Spanien und Italien müssen sich refinanzieren können. Wir brauchen einen tatsächlichen Schuldenabbau durch einen gemeinsamen Schuldentilgungsfonds. Wir brauchen Schritte hin zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion. Damit müssen wir klarmachen: Dieses Europa steht zusammen, es hält zusammen. Das müssen wir in aller Deutlichkeit sagen, und das müssen wir nicht nur auf Deutsch sagen, das müssen wir auch auf Griechisch, auf Italienisch und in allen anderen Sprachen sagen. - So viel zum Abschluss zu Herrn Kauder. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Hermann Otto Solms für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Man muss zunächst noch einmal daran erinnern, was die Ursache für die Krise war. Ursache für die Krise (Caren Marks [SPD]: Ist Frau Merkel!) ist die unmäßige Verschuldungspolitik der Staaten - übrigens Deutschlands genauso wie anderer Staaten -, und nichts anderes. (Zuruf der Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD]) Wer die Krise bekämpfen will, muss die Ursache bekämpfen. Der kann sich nicht nur Gedanken über die Finanzierung dieser Situation machen, wie das eben der Kollege Trittin gemacht hat. Noch vor kurzem hat er von Euro-Bonds gesprochen. Dann ist ihm widersprochen worden; es ist gesagt worden, dass Euro-Bonds zu einer gesamtschuldnerischen Haftung der deutschen Steuerzahler führen würden. Er hat gemerkt, das ist nicht so sehr populär. Jetzt redet er von einer Banklizenz. Das ist aber nichts anderes. Das heißt nämlich, dass die Funktion der Europäischen Zentralbank zur Finanzierung auf den Fonds übertragen wird, und dann wird eben wieder Geld geschöpft und so finanziert. Ich sage noch einmal: Es geht nicht um die Finanzierung der Krise, es geht um die Lösung der Krise. Das ist das Entscheidende. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Es ist doch klar, dass die Länder mit hoher Schuldenproblematik nach Rettungsankern suchen und hoffen, die Deutschen werden das bezahlen. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung und die Kanzlerin Angela Merkel in Europa wie ein Fels in der Brandung steht und das ablehnt. Die ganze Koalition lehnt das ab. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das sind wir dem deutschen Steuerzahler schuldig, um ihn zu schützen. Eine andere Alternative gibt es überhaupt nicht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Solms, darf Ihnen der Kollege Ernst eine Frage stellen? Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Nein, ich habe nur drei Minuten. Ich möchte jetzt nicht unterbrochen werden. (Caren Marks [SPD]: Sie wissen wohl nicht, dass das nicht angerechnet wird!) Die Schulden der Unionsstaaten haben heute ein Niveau von etwa 8,3 Billionen Euro, also 8 300 Milliarden Euro, erreicht. Das sind im Durchschnitt 90 Prozent des gemeinsamen Bruttoinlandsproduktes; (Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist doch nicht wahr!) zulässig sind eigentlich 60 Prozent. Wenn Sie sich diese Volumina, diese Dimensionen anschauen, erkennen Sie, dass Sie dieses Problem nicht in ein oder zwei Jahren lösen können; (Thomas Oppermann [SPD]: Aber mit Steuersenkungen doch wohl auch nicht!) vielmehr müssen diese Schulden auf einem langen Weg abgebaut werden. Entscheidend ist - das ist wie beim Marathonlauf -: Sie müssen anfangen, zu laufen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Dieses Anfangen - zu laufen - war die Verabschiedung der Ertüchtigung der EFSF, der Sie ja zugestimmt haben. Da beginnt der Prozess der Entschuldung, der für die Staaten bedingt abläuft - das ist nicht wie bei den Euro-Bonds; da wäre es unbedingt -; das heißt, sie werden gezwungen, für Hilfsleistungen Gegenleistungen zu geben, nämlich ihre Ausgaben einzuschränken und ihre Wirtschaft zu ertüchtigen. (Thomas Oppermann [SPD]: Sagen Sie mal was zum Rösler-Plan!) Darauf kommt es an. Wenn das gelingt und dieser Weg Schritt für Schritt, Jahr um Jahr konsequent fortgesetzt wird - das ist die Aufgabe -, dann wird das Problem gelöst werden und dann wird das Vertrauen der Märkte ganz schnell zurückkommen. Einen schnellen, kurzfristigen Weg - das sage ich auch den Kritikern in den eigenen Reihen; Frank Schäffler war ja gerade noch da - gibt es nicht. Wer einen solchen Weg gehen will, der riskiert den schnellen Zusammenbruch der Märkte. Das würde eine weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise auslösen. Dieses Risiko darf man auf keinen Fall eingehen. Wir müssen den geordneten Weg des Abbaus der Schulden und der Stabilität der Finanzen in den europäischen Staaten gehen. Dann wird das Vertrauen der Märkte auch wieder zurückkehren. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Joachim Poß ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Joachim Poß (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kauder - er verlässt gerade den Saal -, (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Nein, das macht er nicht! - Holger Krestel [FDP]: Fragen Sie sich mal, woran das liegt!) Ihre Äußerung, dass Deutsch gesprochen wird, ist ein Beleg dieser Krise. Sie zeigt nämlich die Angst vor den Wählerinnen und Wählern. Aber was nützen Ihnen solche nationalen Töne, wenn Sie damit überhaupt keine europäische Lösung erreichen können? (Beifall bei der SPD) Was nützt Ihnen das? Die totale Verengung des Blickfeldes auf die Innenpolitik ist das Kennzeichen dieser Koalition. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das betreibt die SPD!) - Nein, nein. Das wird weltweit festgestellt: Es gibt eine totale Verengung auf die Innenpolitik. - Wer sich so verhält, wird dem Ausmaß dieser Krise nicht gerecht. (Beifall bei der SPD) Sie starten Angriffe auf die Opposition und wollen von der katastrophalen eigenen Situation ablenken; denn Sie in der Koalition stehen ja kurz vor dem Auseinanderbrechen. (Patrick Döring [FDP]: Zerbrechen Sie sich mal nicht den Kopf!) Wenn der Mitgliederentscheid in der FDP nicht so ausfällt, wie es Herr Rösler und die Führung gern hätten, was ist denn dann mit der Bundesrepublik Deutschland? Ist dieses Land, das wegen des Zustandes der Koalition schon jetzt nicht voll handlungsfähig ist, dann in der größten europäischen Krise gänzlich handlungsunfähig? Darum geht es auch. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Dann muss die FDP die Koalition verlassen!) Bevor Sie gegen uns polemisieren, sollten Sie wirklich überlegen, wie Sie mit gemeinschaftlichem Handeln Beiträge leisten, diese Krise zu bewältigen. Dazu gab es in der heutigen Debatte viele kluge Anmerkungen, die ich aus Zeitgründen gar nicht wiederholen kann. Sie haben also überhaupt keinen Anlass, Herr Kauder, Herr Brüderle - auch die Kanzlerin -, solche Töne anzuschlagen. Das Spiel, das Sie jetzt spielen, gefährdet letzten Endes Hunderttausende von Arbeitsplätzen hier in der Bundesrepublik Deutschland. Das gefährdet eventuell die Zukunft der Euro-Zone. Darum geht es, wenn Sie sich nur noch parteitaktisch orientieren. Frau Merkel hat heute nicht erkennen lassen, dass sie gewillt ist, weiterzudenken und auch Türen zum Nachdenken zu öffnen. Sie hat wieder nur den Stabilitätskurs betont, den auch wir für richtig halten; aber er reicht nicht aus. Wo war denn die Wachstumskomponente? Das war ja quasi nur als Nachklapp dabei. Das reicht für die größte Volkswirtschaft in Europa und für die politische Führung dieses Landes lange nicht aus. Frau Merkel, Sie spielen mit den Interessen der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und darauf müssen wir hier hinweisen. (Beifall bei der SPD) Die Krise, mit der wir es zu tun haben, kennen Sie selbst, und es geht ja weiter. Die Menschen stellen sich die Frage, ob die Politik der Probleme noch Herr werden kann. Wir müssen alle aufpassen, dass die Staatsfinanzierungs- und Finanzkrise nicht zu einer Krise von staatlicher Legitimation und der Demokratie wird. Insoweit wäre es wichtig, dass auch Sie überlegen, wie es gerechter in diesem Lande zugehen kann, als das derzeit der Fall ist. Das gilt nicht nur für Griechenland, wo die Frage der Ungerechtigkeit mit Händen zu greifen ist, sondern auch für die Bundesrepublik Deutschland. Auch da vergeben Sie Tag für Tag Chancen, die Krise in richtiger Weise anzugehen. Mich hat mit größter Sorge erfüllt, dass Frau Merkel hier schon wieder dieselben taktischen Spiele treibt und aus den letzten zwei Jahren nichts gelernt hat. (Beifall bei der SPD - Erich G. Fritz [CDU/ CSU]: Und Poß schwingt immer die gleichen Reden! - Gegenruf von der CDU/CSU: Stimmt!) - Nein, diese Rede ist gerechtfertigt, weil von Frau Merkel keine neuen Signale kommen, und wenn, dann dienen diese Signale nur dem Selbstschutz. Sie tastet nicht die Unabhängigkeit der EZB an. Wie edel! Aber das ist ja ihr Selbstschutz. Deswegen schaut sie zu, wie die EZB jetzt handelt. Das ist nämlich der Hintergrund dieser Äußerung von Frau Merkel. (Beifall bei der SPD - Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Sehr wahr!) Es besteht die Gefahr einer Politik der verbrannten Erde, in Europa wie auch bei Ihren eigenen Leuten, bei Ihren Anhängern und in der eigenen Koalition. Die eigenen Leute wissen eben auch immer weniger, wofür Sie stehen, Frau Merkel, und was Ihre Überzeugungen sind. Unbestritten ist bei Ihnen die Stabilitätsunion, und darüber hinaus kommt von Ihnen überhaupt nichts mehr. Wenn Sie auf Helmut Kohl verweisen: Bei aller Kritik an Helmut Kohl glaube ich, dass sich Helmut Kohl in dieser Krise anders, angemessener verhalten hätte, als Sie das tun. (Beifall bei der SPD) Ein Letztes. Herr Kauder, Sie haben Gerhard Schröder angesprochen. Gerhard Schröder hat die Aktion damals gemacht, um das Aufkommen des Rechtsradikalismus hier in Europa zu bekämpfen. Dass das dringend notwendig ist, können wir in diesen Tagen beobachten. (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Michael Meister für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen vor einer einmaligen Herausforderung in der Weltgeschichte: Das Problem, dass wir eine Währungsunion hatten, die in Turbulenzen kam, dass dabei Landesgrenzen überschritten wurden und dass es dabei keine Zentralregierung an der Spitze gab, ist noch nicht vorgekommen. Deshalb gibt es auch kein Drehbuch zur Bewältigung dieser Krise, und deshalb möchte ich zunächst seitens meiner Fraktion der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung ein riesiges Kompliment dafür machen, dass wir uns bisher auf diesem Neuland so gut bewegt haben und dass wir einen klaren Plan haben, wie wir diese Krise bewältigen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es ist schon merkwürdig, Herr Steinmeier, dass Sie hier von Ihrem rot-grünen Expertentum sprechen. Rot-Grün ist nicht die Lösung, sondern eine wesentliche Ursache dieser Krise. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Griechenland ist unter Ihrer Zustimmung gegen jegliche ökonomische Vernunft beigetreten. Der Stabilitätspakt wurde von Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier und Hans Eichel gegen jegliche Vernunft aufgeweicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Deregulierung der Finanzmärkte, die in Spanien und Irland ins Elend geführt hat, wurde von der rot-grünen Regierung betrieben und befürwortet. Sie sind die Ursache, aber nicht die Lösung des Problems. Mit Ihren Behauptungen machen Sie hier reine Innenpolitik. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir stehen vor einem historischen Einschnitt, weil wir zum ersten Mal öffentlich darüber diskutieren, dass Staaten in Zukunft ein Risiko darstellen. Bisher wurde die Philosophie vertreten: Staaten sind immer solvent, Staaten zahlen immer ihre Schulden, und Staatsanleihen sind kein Risiko. Wir ändern das jetzt und kommen dazu, dass Märkte Staatsanleihen richtig bepreisen sollen. Damit beginnt eine neue Zeitrechnung. Wir müssen diesen Übergang vernünftig gestalten. Wir müssen aufpassen, dass wir bei dem Übergang von der alten zu der neuen Philosophie, die die richtige ist, nicht verunglücken. Deshalb ist es richtig, dass wir uns in Zukunft nicht mehr abhängig machen. Aber allen Rednern der linken Seite des Hauses sei gesagt: Unser Problem ist nicht die Abhängigkeit von Banken, unser Problem ist die Abhängigkeit von zu vielen Schulden. Deshalb brauchen wir eine andere Schuldenkultur. Wir brauchen weniger Schulden und damit weniger Abhängigkeit der Menschen. Das zu ändern, muss das Ziel unserer Politik sein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) An der Stelle geht die Bundesregierung richtig voran. Wir sparen auf der Ausgabenseite - keine höheren Ausgaben -, und wir haben, was die Einnahmen betrifft, unsere Erwartungen für das nächste Jahr gesenkt. Dazu will ich sagen: Auch das zeugt von einer anderen Kultur. Unter Rot-Grün hatten Sie einen Finanzminister, der jeden seiner Haushalte auf Kante genäht und uns dann am Jahresende erklärt hat, dass es leider schiefgegangen ist und die Schulden gestiegen sind. Mir ist ein Finanzminister Wolfgang Schäuble, der am Anfang konservativ plant und dann seine Planungen positiv übertrifft, lieber als jemand, der uns erklären muss, dass es schiefgegangen ist. Deshalb machen wir weiter mit dieser richtigen Kultur. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Auf europäischer Ebene sollte man die möglichen Alternativen kennen und abwägen. Herr Kollege Poß hat eben kritisiert, wir würden zu viel Innenpolitik machen, und dann hat er eine innenpolitische Rede gehalten. Wir stehen klar zu Europa, wir wollen Europa. Wir stehen klar zum Euro, und wir wollen den Euro nicht nur dauerhaft, sondern wir wollen ihn auch als stabile Währung. Dafür treten wir ein. Dafür begeben wir uns nicht in innenpolitische Scharmützel, sondern wir stellen die richtigen Weichen für die Zukunft Europas und für die Zukunft eines stabilen Euro. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wie sehen denn die Alternativen aus? Wir glauben nicht, dass wir unter den jetzigen Rahmenbedingungen eine gemeinsame Haftung für die Schulden aller Mitgliedsländer verantworten können. Das setzt die falschen Anreize, weil dann diejenigen, die seit jeher das Schuldenmachen gewohnt waren, auch in Zukunft auf Kosten anderer leben werden. Deshalb würde das - da hat die Kanzlerin recht - die Krise nicht lösen. Das wäre eine Scheinlösung und würde die Krise über die Zeit verschlimmern. Deshalb Nein zu einer Haftungsgemeinschaft. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wenn ich einen stabilen Euro auf Dauer will, dann ist die absolute Grundlage dafür eine unabhängige Zentralbank. Wer das Postulat einer unabhängigen Zentralbank vertritt, der kann als Politik nicht andauernd Entscheidungen der Zentralbank kommentieren, kluge Aufforderungen an sie richten und dergleichen mehr tun. (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Was sagt denn die Kanzlerin? Die sagt: Keine Notenpresse anwerfen!) Wer Unabhängigkeit will, darf sie nicht nur fordern, sondern muss sie auch leben. Das heißt, Frau Merkel, wir müssen uns an der Stelle der Kommentare enthalten und akzeptieren, dass die Notenbank auf gesetzlich klar geregelter Grundlage ihre Aufgabe für einen dauerhaft stabilen Euro wahrnimmt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) An der Stelle will ich auch klar sagen: Ich verstehe nicht, was Herr Gysi formuliert hat. Er hat gesagt, dass, wenn die Zentralbank aktiv würde, das zu Armut führen würde. Das verstehe ich. Er hat aber auch gesagt, das wäre die weniger unsoziale Lösung. Ich aber bin der Meinung: Wenn die Zentralbank so massiv intervenieren würde und am Ende das die Lösung wäre, dann wäre das die unsozialste Lösung, die es gibt; denn die Menschen, die sich nicht wehren können, würden von der Inflation getroffen. Deshalb müssen wir auch dieses verhindern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Wie denn?) Was ich vom kommenden Freitag erwarte, ist Folgendes: dass wir eine klare Definition bekommen, wie die Integration der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa ausschauen soll. Dabei muss nicht jeder das Gleiche tun. Wir wollen nicht die Kultur von 2 000 Jahren in Europa egalisieren, sondern wir wollen uns auf gemeinsame Ziele verständigen und diese dem Subsidiaritätsgedanken entsprechend umsetzen. Das Umsetzen muss aber beaufsichtigt werden - Stichwort: Monitoring -, und es muss geprüft werden, ob die Ziele erreicht werden. Ich hoffe, dass wir uns miteinander am kommenden Freitag auf einen solchen Satz von Vertragsänderungen klar und deutlich verständigen können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wir haben gelernt, dass es nicht reicht, sich inhaltlich einig zu sein. Wir müssen uns auch darüber im Klaren sein: Wie sieht der Fahrplan aus? Dieser Fahrplan muss im Verfahren unumstößlich eingehalten werden. Nur so können wir Vertrauen schaffen, das wir dringend brauchen, um langfristig an den Märkten tatsächlich wieder anleihefähig zu sein. Ein kleiner Einschub, Herr Trittin. Sie haben erwähnt, dass sich die Italiener und Spanier momentan nicht die hohen Zinsen leisten können. Ich halte dieses Argument für absolut unsinnig. (Beifall des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/ CSU]) Wichtig ist, dass wir dauerhaft langfristige Stabilität erreichen. Wenn einer einmal einen Tag ein bisschen höhere Zinsen zahlt, ist das doch kein Problem. Die Frage ist, wo der Zinssatz dauerhaft liegt. Deshalb müssen wir uns um nachhaltige Stabilität bemühen. Kurzfristige Aktivitäten helfen nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das hat Trittin noch nicht kapiert!) Ich würde mir wünschen - schon seit zwei Jahren -, dass die Europäische Kommission an dieser Stelle eine viel stärkere Rolle spielt und in diesem Sinne aktiv wird. Ich bedauere, dass wir von dieser Stelle sehr oft Vorschläge hören, die eigentlich nicht dem klaren Kurs für mehr Stabilität und mehr gemeinsame europäische Zukunft entsprechen. Ich habe hier den Wunsch, dass wir nicht nur auf unsere Bundeskanzlerin blicken, sondern vielleicht auch eine etwas stärkere, richtigere Rolle der EU-Kommission einfordern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Man möge mir nachsehen, dass ich kein Mitglied der Exekutive, sondern Parlamentarier bin. Ich möchte, dass das stärker integrierte Europa auch ein demokratisches Europa ist. Wir haben darum gekämpft, dass es bei allen Maßnahmen, die wir zur Stützung der Währung und der Gemeinschaft eingeleitet haben, eine starke Beteiligung des Deutschen Bundestages gab. Wenn wir Europa stärker integrieren, müssen wir jetzt auch darum kämpfen, dass Parlamente und Abgeordnete eine demokratische Legitimierung und Kontrolle der neuen Prozesse sicherstellen können, und zwar nicht nur mit Blick auf Karlsruhe, sondern mit Blick darauf, dass das Ganze, was wir tun, Akzeptanz in der Bevölkerung unseres Landes finden muss. In diesem Sinne hoffe ich, dass unsere Bundeskanzlerin am kommenden Freitag erfolgreich ist, nicht nur für die Regierung und die Koalition, sondern für Deutschland und eine gute Zukunft Europas. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort hat nun Stefan Müller für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es schadet nicht, wenn man diese Debatte nach einer Regierungserklärung auch einmal dazu nutzt, darauf hinzuweisen, dass es beim Euro - bei allem, über das wir im Augenblick im Zusammenhang mit dem Euro diskutieren - nicht nur um unsere gemeinsame Währung geht, sondern um ein ganz zentrales Projekt der europäischen Integration. Von den Römischen Verträgen bis zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zur Europäischen Union, vom einheitlichen Binnenmarkt bis zu dieser gemeinsamen Währung ist die europäische Integration eine Erfolgsgeschichte, auf die wir alle, die in diesem Haus einen Beitrag dazu geleistet haben, zu Recht stolz sein können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Die europäische Integration hat sich auch deswegen als Erfolgsgeschichte erwiesen, weil sie die Grundlage dafür war, diesen alten Kontinent neu zu ordnen. Wenn die europäische Integration früher die Antwort auf die Geschichte war, auf das, was über Jahrhunderte auf diesem Kontinent passiert ist, dann muss man heute feststellen, dass die europäische Integration die Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft ist, die uns noch bevorstehen. Denn die aktuelle Krise zeigt, dass angesichts einer zunehmenden Zahl grenzüberschreitender Probleme die klassischen Nationalstaaten an ihre Grenzen stoßen. Wir nutzen die Euro-Krise, die Staatsschuldenkrise, zu Recht dazu, uns Gedanken zu machen: Was sind denn die Aufgaben der europäischen Ebene? Was müssen die Aufgaben der europäischen Ebene sein? Was aber sind Aufgaben, die die Mitgliedstaaten auch in Zukunft alleine lösen können? Die wirtschaftliche und politische Globalisierung zwingt geradezu zu mehr Zusammenarbeit und stellt uns vor die Frage, wie wir Wohlstand und soziale Sicherheit auch in Zukunft aufrechterhalten können. Sie stellt uns auch vor die Frage, ob wir in Europa, damit auch Deutschland, einfach nur einen Sitzplatz auf der Tribüne haben oder ein aktiver Mitspieler in der internationalen Politik sein wollen. Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass die europäische Integration immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt worden ist. Es ist in der Vergangenheit immer gelungen, diese Herausforderungen, diese Krisen zu bewältigen. Es ist in der Vergangenheit immer dann am besten gelungen, wenn Deutschland als größtes Mitgliedsland die Impulse gesetzt hat. Deswegen bin ich davon überzeugt, dass wir auch diese Krise meistern können, weil Deutschland vorangeht, weil Deutschland gemeinsam mit Frankreich Impulse setzt und weil diese Bundesregierung an dieser Stelle Verantwortung zeigt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Es ist darauf hingewiesen worden: Bei dieser Krise geht es eben nicht um eine Krise des Euro. Es ist keine Euro-Krise, sondern es ist eine Staatsschuldenkrise. Diese Staatsschuldenkrise ist nicht einfach so über Nacht entstanden, sondern sie ist über Jahrzehnte entstanden, weil alle Euro-Länder über Jahrzehnte mehr Geld ausgegeben haben, als sie vorher eingenommen hatten, und weil die Defizite mit immer neuen Schulden finanziert worden sind. Erst dadurch ist die Abhängigkeit von Investoren und den Finanzmärkten entstanden. Genauso wenig wie die Staatsschuldenkrise über Nacht entstanden ist, genauso wenig lässt sie sich von einem Tag auf den anderen lösen. Damit befassen wir uns seit nunmehr fast zwei Jahren. Wir sorgen auf der einen Seite dafür, dass die Länder, die Hilfe brauchen, auch Hilfe bekommen - wir haben gemeinsam Hilfspakete geschnürt und Rettungsschirme aufgespannt -, auf der anderen Seite müssen wir dafür sorgen, dass die Grundprobleme, die überhaupt erst zu dieser Staatsschuldenkrise geführt haben, beseitigt werden. Das Grundproblem dieser Krise ist nun einmal die zu hohe Staatsverschuldung. Ein weiteres Grundproblem ist das mangelnde Vertrauen der Finanzmärkte und der Investoren, auf deren Geld wir angewiesen sind, um unseren Staat aufrechtzuerhalten. Dieses Vertrauen ist verloren gegangen. Mit den Hilfsmaßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben, stellen wir die Zahlungsfähigkeit der Krisenländer sicher - das ist richtig -, aber wir leisten mit den Hilfsmaßnahmen noch sehr viel mehr: Wir verhindern damit eine flächendeckende Ansteckung anderer Länder. Wir sorgen mit unseren Maßnahmen dafür, dass dem Ausfall eines Landes nicht der Ausfall mehrerer Länder nachfolgt und dass am Ende - wir sprechen von Staatsinsolvenzen - die Euro-Zone insgesamt nicht auseinanderbricht. Gerade das ist in deutschem Interesse, und deswegen übernimmt Deutschland Verantwortung. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir tun ein Weiteres: Wir stellen nicht nur die Zahlungsfähigkeit der Krisenländer sicher und verhindern nicht nur eine flächendeckende Ansteckung, sondern wir sorgen auch dafür, dass das europäische Bankensystem nicht zusammenbricht. Vor wenigen Jahren standen wir vor der Situation, dass Banken kurz vor dem Zusammenbruch waren. Wir waren uns weitgehend darüber einig, was das für Deutschland bedeuten würde. Nur, eines muss deutlich gemacht werden: Wir retten nicht die Banken, wir retten nicht Organisationen, sondern wir retten die Spareinlagen der Anleger und Kunden der Banken. Auch deswegen übernimmt Deutschland Verantwortung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Krisenbewältigung kann nur gelingen, wenn wir das verlorengegangene Vertrauen der Finanzmärkte zurückgewinnen. Es geht nicht um Spekulanten und Zocker, sondern es geht in erster Linie um Institutionen, die Geld von Kleinanlegern einsammeln und dieses Geld international anlegen. Die Rückgewinnung dieses Vertrauens wird nur gelingen, wenn die Märkte und die Investoren von der Glaubwürdigkeit der Konsolidierungsprogramme überzeugt sind. Es wird nur gelingen, wenn sie davon überzeugt sind, dass die Haushaltspolitik solide und auch nachhaltig ist. Wir werden ferner das Vertrauen nur zurückgewinnen, wenn die Investoren von der Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Zone überzeugt sind. Zur Rückgewinnung dieses Vertrauens gehört, dass die europäische Ebene Überwachungsrechte bekommen muss, dass es Durchgriffsrechte, Sanktionsrechte und ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof geben muss. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum bei allerlei Vertragsverletzungen Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof eingeleitet werden können, aber wenn es darum geht, solide Finanzen zu gewährleisten, ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH verwehrt ist. Deswegen muss man an dieser Stelle etwas verändern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Das Vertrauen werden wir dann zurückgewinnen, wenn auch andere Länder dem deutschen Beispiel folgen und eine Schuldenbremse verfassungsrechtlich verankern. Das Ziel ist nicht, einfach nur weniger Schulden zu machen, sondern das Ziel ist, irgendwann keine Schulden mehr aufzunehmen, und das Ziel ist, irgendwann von den Schulden wieder etwas zurückzubezahlen. Deswegen muss Schluss sein mit der Verschuldungskultur der vergangenen Jahrzehnte. Wir brauchen eine europäische Stabilitätskultur. Dazu werden Euro-Bonds nicht wirklich einen Beitrag leisten können. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Euro-Bonds lösen für Europa kein Problem. Euro-Bonds würden aber für Deutschland neue Probleme schaffen. Sie würden den Konsolidierungsdruck auf die Länder der Euro-Zone eher vermindern. Im Ernstfall würde das auch die Finanzkraft Deutschlands übersteigen, und es würde zu einer gesamtschuldnerischen Haftung führen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines geht nicht: dass in Europa alle feiern bis zum Umfallen und Deutschland die Zeche bezahlt. Da werden wir nicht mitmachen. Deswegen lehnen wir diese gesamtschuldnerische Haftung ab. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das ist typisch! Das sind die Sprüche, die Europa wirklich gebraucht hat!) Die Staats- und Regierungschefs werden Ende nächster Woche über weitere Schritte entscheiden. Frau Bundeskanzlerin, wir haben volles Vertrauen in Sie. Sie haben unsere Unterstützung bei Ihrer harten Haltung gegen Gemeinschaftsanleihen und bei der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Wir sind auf dem richtigen Weg, um den Euro, diese gemeinsame Währung, wieder zu stabilisieren. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kollegen Andreas Schockenhoff für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will zum Schluss der Debatte etwas zum Thema Erweiterung sagen. Die Bilder, die uns seit Tagen aus Nordkosovo über Unruhen, Barrikaden und verletzte NATO-Soldaten erreichen - zuletzt 19 Bundeswehrsoldaten einschließlich des Kommandeurs -, zeigen beispielhaft, welche Herausforderungen auf dem Weg, die Situation im gesamten westlichen Balkan zu stabilisieren, noch vor uns liegen. Wir werden dieses Ziel mit Entschiedenheit und Geduld erreichen, wenn wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Das beste Beispiel dafür ist Kroatien. Der Beitrittsvertrag mit Kroatien wird beim EU-Gipfel unterzeichnet werden. Das macht deutlich, dass die Westbalkanländer die Standards der EU erfüllen können, das heißt insbesondere Rechtsstaatlichkeit, eine funktionierende Justiz, Pressefreiheit usw. Unter diesen Voraussetzungen liegt die Integration weiterer Staaten des westlichen Balkans in europäische Strukturen in unserem Interesse, wenn dies zu einem Mehrwert für die Stabilität der Europäischen Union führt und wenn zum anderen die Handlungsfähigkeit der EU nicht beeinträchtigt wird. Das sind zwei unverzichtbare Voraussetzungen. Aber wir müssen auch sehen: Es gibt eine klare Erweiterungsmüdigkeit und gar den Ruf: "Nach Kroatien ist Schluss mit der Erweiterung!" Dass wir heute diese Skepsis, diese Ablehnungshaltung haben, hat viel mit drei krassen europapolitischen Fehlentscheidungen von Rot-Grün zu tun. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ach! - Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Jetzt kommt die Leier wieder!) - Ja, leider muss man das immer wieder sagen. Erstens war die Erweiterung der Euro-Zone um Griechenland die falsche Entscheidung. (Joachim Poß [SPD]: Das hat doch Rot-Grün nicht entschieden! - Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das hat das Europäische Parlament beschlossen! So ein Quatsch!) Ja, diese Fehlentscheidung, die wir damals bekämpft haben, hat viel mit der Erweiterungsmüdigkeit zu tun. Die Menschen sagen doch: Nun kümmert euch erst einmal um den Euro, und denkt nicht schon wieder an die nächste Erweiterung! Das hat etwas mit dieser krassen Fehlentscheidung zu tun. (Joachim Poß [SPD]: Die hat aber nicht Rot-Grün getroffen! - Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Sondern das Europäische Parlament!) - Wie bitte? Wer war denn damals gegen die Aufnahme Griechenlands? Natürlich hat Rot-Grün das im Rat in Brüssel und hier im Deutschen Bundestag durchgesetzt, und jetzt wollen Sie sich einen schlanken Fuß machen, indem Sie sagen, Sie haben nichts damit zu tun. So kurz ist das Gedächtnis bei Ihnen inzwischen geworden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die CDU-Abgeordneten haben doch zugestimmt im Europäischen Parlament! Erzählen Sie einmal den Leuten, warum die CDU-Abgeordneten im Europäischen Parlament zugestimmt haben! Erklären Sie das einmal!) Zweitens war die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eine falsche Entscheidung. (Beifall des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/ CSU]) Heute sehen wir, dass wir in derselben Zeit, in der wir mit Kroatien 35 Verhandlungskapitel abgeschlossen haben, mit der Türkei nur ein einziges Kapitel vorläufig beenden konnten. Der Fehler war, dass Rot-Grün nicht sehen wollte, dass die Türkei wichtige Kriterien des EU-Vertrages nicht erfüllen kann oder nicht erfüllen will. Klar war das aber schon damals. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Jetzt stehen wir vor dem Dilemma, dass die Türkei ab Juli nächsten Jahres, wenn Zypern die EU-Präsidentschaft übernimmt, den Verhandlungsraum verlassen wird; so jedenfalls hat es Präsident Erdogan angekündigt. Das aber wird zu einer massiven Entfremdung in unserem Verhältnis zur Türkei führen. Das kann in einer Situation, in der wir aufgrund von Entwicklungen im nördlichen Afrika, im Nahen Osten, aber auch mit Blick auf den Iran eine deutlich engere und abgestimmte Zusammenarbeit mit der Türkei brauchen, nun wirklich nicht in unserem Interesse sein. (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Dann müssen Sie einmal etwas dafür tun!) Drittens hat die verfrühte Aufnahme von Bulgarien und Rumänien, die von Rot-Grün damals durchgedrückt wurde, zu einem grundsätzlichen Misstrauen geführt, ob die Länder dieser Region die Standards insbesondere im Rechtsstaatsbereich überhaupt erfüllen wollen und ob die EU ihnen das abverlangt, ehe sie beitreten. Dieses Misstrauen muss ausgeräumt werden. (Joachim Poß [SPD]: Hatte Kohl das nicht versprochen? Bulgarien und Rumänien! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das war Helmut Kohl!) Ich halte jede Diskussion über einen Schengen-Status für Bulgarien und Rumänien für völlig verfrüht. Ehe die Rechtsstaatssituation in diesen beiden Ländern nicht wesentlich besser geworden ist, kann es keinen Schengen-Status und auch keinen Schengen-Teilstatus für diese Länder geben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: War das nicht ein Versprechen von Helmut Kohl?) Deshalb ist es gut, dass ab sofort die Beitrittsverhandlungen mit künftigen Mitgliedsländern wie beispielsweise Montenegro nicht erst mit den einfacheren Kapiteln, sondern mit den schwierigsten Kapiteln begonnen werden, nämlich mit den Fragen der Rechtsstaatlichkeit und des Justizsystems. Zudem haben wir gestern Abend beschlossen, dass diese Kapitel bis zum Ende der Verhandlungen nicht geschlossen werden und dass keine neuen Kapitel geöffnet werden, ehe nicht grundlegende Voraussetzungen im Bereich von Rechtsstaatlichkeit und Justiz geschaffen wurden. Das sind wichtige Lehren und Konsequenzen aus den Fehlern der Vergangenheit. Ein Wort zu Serbien: Wir sind entschieden dagegen, dass Serbien jetzt den Kandidatenstatus erhält. Jeder weiß, dass Belgrad erheblichen Einfluss auf die Serben in Nordkosovo hat. Wir kennen die deutlichen Appelle von Präsident Tadic an die Serben dort, die Gewalt zu beenden und die Barrieren abzubauen, aber wir müssen feststellen, dass dies nicht geschieht, dass sich die Situation sogar zuspitzt. Ein Zweites. Im Februar 2008 wurde im Zusammenhang mit der Anerkennung des Kosovo ein Brandanschlag auf die deutsche Botschaft verübt. Bis heute, also fast vier Jahre danach, ist dieser Vorgang nicht aufgeklärt, gibt es keine Gerichtsverfahren oder gar Urteile. Das können wir als Deutscher Bundestag nicht ignorieren. Wenn nicht einmal grundlegende rechtsstaatliche Verpflichtungen eingehalten werden, dann können wir einem Land doch nicht einen Kandidatenstatus geben. Das ist nicht nur eine Frage unserer Glaubwürdigkeit, sondern auch eine Frage, wie weit wir in der Bevölkerung Akzeptanz für eine verantwortliche Erweiterungspolitik gewinnen. Ich sage abschließend für meine Fraktion: Ja zur Unterzeichnung des Beitrittsvertrages mit Kroatien, Nein zu einem Schengen-Status für Rumänien und Bulgarien, ehe dort nicht die rechtsstaatlichen Bedingungen erfüllt sind, Ja zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Montenegro unter den gestern beschlossenen Voraussetzungen und Nein zu einem Kandidatenstatus für Serbien zum jetzigen Zeitpunkt. Ich wünsche der Bundesregierung beim Europäischen Rat viel Erfolg. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge der Fraktion Die Linke. Entschließungsantrag auf Drucksache 17/8017. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen?- Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von vier Fraktionen gegen die Stimmen der Linken abgelehnt. Entschließungsantrag auf Drucksache 17/8018. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor abgelehnt. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 34 a bis c auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Künast, Monika Lazar, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen umsetzen - Drucksache 17/7953 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Renate Künast, Ekin Deligöz, Monika Lazar, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten - Drucksache 17/3296 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksache 17/6527 - Berichterstattung: Abgeordnete Andrea Astrid Voßhoff Elisabeth Winkelmeier-Becker Dr. Eva Högl Marco Buschmann Jens Petermann Ingrid Hönlinger c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Christel Humme, Caren Marks, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände gesetzlich festschreiben - Drucksachen 17/4683, 17/6527 - Berichterstattung: Abgeordnete Andrea Astrid Voßhoff Elisabeth Winkelmeier-Becker Dr. Eva Högl Marco Buschmann Jens Petermann Ingrid Hönlinger Über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie über die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Renate Künast für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 60 Jahre Grundgesetz, und wir haben noch immer keine Gleichstellung erreicht. Wir haben nicht einmal erreicht, dass die Reihen heute bei dieser Debatte bei allen Fraktionen voll besetzt sind. (Marco Buschmann [FDP]: Bei Ihrer auch nicht! - Zuruf von der SPD: Kernzeit!) - Schauen Sie einmal, bei uns sind die Reihen bis ganz nach hinten besetzt. Da sind fast alle da. Das ist nicht allen Fraktionen gelungen. 60 Jahre Grundgesetz - damals im Parlamentarischen Rat waren von 61 Mitgliedern 4 Frauen: Elisabeth Selbert, Frieda Nadig, Helene Weber und Helene Wessel. Die haben durchgesetzt, dass es im Grundgesetz heißt: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Im Übrigen - das will ich einmal lobend erwähnen - hat sich damals auch Helene Weber von der CDU, die anfangs sehr skeptisch war, mit eingesetzt und ihre eigene Fraktion von diesem Gleichberechtigungssatz überzeugt. (Zuruf von der CDU/CSU: Gute Frau!) Man kann also sagen: Frauen haben den Anstoß gegeben und den Mut gehabt, bei der Gleichberechtigung tatsächlich weiter voranzugehen. Es waren übrigens auch die Frauen und niemand sonst, die dann erkämpft haben, dass im Arbeitsrecht oder im Familienrecht eine Gleichstellung eingeführt wurde. Denken Sie einmal daran: Es hat bis Ende der 70er-Jahre gedauert, bis der Mann nicht mehr automatisch Haushaltsvorstand war; und es hat ungefähr genauso lange gedauert, bis ein Mann nicht mehr einfach den Arbeitsvertrag seiner Frau kündigen konnte. Das alles hat nicht gereicht. Wir brauchten nach der deutschen Einheit eine Grundgesetzänderung, die dazu geführt hat, dass jetzt nach dem Gleichberechtigungssatz folgender Satz im Grundgesetz steht: Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. " ... und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin"! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Darum geht es jetzt. Was vor 60 Jahren 6,8 Prozent Frauen durchgesetzt haben, müsste doch heute im Bundestag, in dem die 204 Frauen - wenn alle anwesend wären - 32,3 Prozent ausmachen, möglich sein. Alle reden von Hebelung. Vielleicht sollten 204 Frauen des Deutschen Bundestags auch einmal eine Hebelung bewirken, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und Abgeordneten der LINKEN) zum Beispiel bei der Gleichstellung in Aufsichtsräten oder auch in Vorständen, was dann erst der Anfang wäre. Ich meine, wir sollten unsere Stärke nutzen. Die Männer dürfen und sollen natürlich mitstimmen. Wir müssen unsere zahlenmäßige Stärke als Frauen aber auch nutzen, um jetzt die nötigen Schritte für eine echte Gleichstellung hinzubekommen. Wir müssen Vorbild sein. Es wird nicht von alleine gehen. Wenn man einen Brief an die Vorstände und Aufsichtsräte der DAX-Unternehmen schreibt, fällt einem beim Durchblättern der Adressen und Anreden auf, dass man überhaupt nur eine Frau findet - bei Henkel. Vielleicht ist es morgen oder nächste Woche schon wieder anders, dann kommt eine neue und die andere ist wieder gegangen. Das ist kein Schneckentempo, das ist Faultiertempo! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Das dreifingrige Faultier ist auf dem Boden noch langsamer als die Schnecke. Es würde ungefähr noch einmal ein halbes Jahrhundert dauern, bis die Frauen in allen Wirtschaftsbereichen gleichberechtigt vertreten wären. Wir können heute sagen: Es hat jahrelang viele Treffen und Termine gegeben, und die deutsche Wirtschaft und die Wirtschaftsbosse haben im Oktober dieses Jahres ihre Chance verpasst. Wer eine Vorlage erstellt, deren Umsetzung freiwillig ist und die von Frauen im Management handelt, dabei aber vergisst, die Aufsichtsräte und Vorstände überhaupt zu erwähnen, den kann man an dieser Stelle definitiv nicht ernst nehmen. Das ist ein Affront. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn Josef Ackermann sagt, mehr Frauen würden das Leben schöner und bunter machen, wenn er über solche Dinge diskutiert, (Zuruf von der SPD: Dann stimmt das!) - das stimmt -, könnten wir ihm zurufen: Herr Ackermann, jetzt, wo Sie sich nicht mehr trauen, für den Aufsichtsrat zu kandidieren, ist ja ein Platz für eine Frau frei. Dann wird auch dieser Aufsichtsrat schöner und bunter. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Bettina Hagedorn [SPD]: Und besser!) - Und besser! - Das könnte die Deutsche Bank auch vertragen. Wenn Daimler-Chef Zetsche davor warnt, er müsse Männer entlassen, damit dann Frauen zum Zuge kommen, kann man nur sagen: beschämend. Wir haben es als Frauen doch nicht nötig, zu erklären, warum es zum Beispiel für die Aufsichtsräte eine Frauenquote oder besser eine Geschlechterquote geben muss, die besagt, dass mindestens 40 Prozent aller Funktionen von Frauen oder Männern besetzt werden müssen. Warum haben wir es nicht nötig? Weil erstens das Grundgesetz sagt, dass wir vom Bundestag her aktiv darauf hinwirken müssen, und weil ich zweitens keinen einzigen Mann kenne - auch nicht in der Wirtschaft -, der es für nötig befindet, uns zu erklären, warum es in diesen Jobs eine Männerquote von 99 Prozent gibt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Insofern sollte Gleichheit herrschen. Herr Fuchs von der CDU ist gerade dabei, durch ein Schreiben - das offensichtlich an alle Koalitionsabgeordneten ging - berühmt zu werden, in dem er den schönen Satz formuliert hat, die Unternehmen sollten bei der Besetzung von Posten nicht dazu gezwungen werden, aus sachfremden Kriterien zu entscheiden und die Qualifikation der Bewerber außer Acht zu lassen. Dem kann man nur entgegnen: Erstens. Die Umsetzung des Grundgesetzes von der Theorie in die Realität ist nie ein sachfremdes Kriterium. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Zweitens. Bei den Bewerbern die Qualifikation außer Acht lassen? Anders herum ist es doch ein Problem! Warum stellen die Unternehmen in Führungspositionen immer noch überproportional Männer ein, wo doch die Frauen einen viel höheren Prozentsatz an Uniabschlüssen haben und dazu bessere Noten? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Die Zukunft heißt: Nach Qualifikation einstellen, und nicht einfach immer nur Männer finden. Wir wissen: Auch die Bundesgremien müssen ran. Dass die Bundesagentur für Arbeit einer der letzten Orte reiner Männerherrlichkeit ist, ist auf Dauer auch nicht mehr zu erklären. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Die Frauen, die wir brauchen, sind da. Wir haben eine überfraktionelle Fraueninitiative, wozu ich nur sage: Ich wünsche, dass daraus etwas erwächst. Wir haben Aktionärinnen, die auf Hauptversammlungen gehen und dort ihre Rechte einfordern. Wir haben einen Unternehmerinnenverband, der eine Datenbank mit 500 hervorragend qualifizierten Frauen führt. Wir haben so viele Organisationen. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns jetzt nicht die Zeit verplempern. Der Großteil der Aufsichtsräte wird im Frühjahr 2013 neu bestellt. Wir müssen also vor diesem Zeitpunkt die Herren zwingen, Frauen für die Aufsichtsräte und andere Gremien zu finden. Deshalb bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf und unserem Antrag zu. Wann, wenn nicht jetzt? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Stephan Harbarth für die CDU/ CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute in der Tat mit einem Thema von großer gesellschaftspolitischer Tragweite. Es geht um die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft. Das ist ein Thema, das gemeinhin unter dem Schlagwort Frauenquote in Aufsichtsräten und Vorständen geführt wird. Wir in unserer Fraktion - nach meiner Überzeugung alle Fraktionen im Deutschen Bundestag - sind uns im politischen Ziel einig: Wir möchten den Anteil von Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft ausbauen. Dass Frauen in den Führungsgremien der deutschen Wirtschaft heute unterrepräsentiert sind, ist leider traurige Tatsache. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir sind uns deshalb einig, dass wir die erforderlichen Weichen stellen müssen, um mehr Frauen in verantwortliche und führende Positionen unserer Wirtschaft zu bringen. Ich bin im Übrigen sehr dafür, dass der Staat in seinem Bereich, etwa im Bereich öffentlicher Unternehmen, mit gutem Beispiel vorangeht, um den Frauenanteil zu erhöhen. Ich nenne Unternehmen wie beispielsweise die Deutsche Bahn, die Deutsche Post und viele andere mehr. Hier können wir als Staat, wie ich meine, ein positives, ein vorbildhaftes Zeichen setzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP) Gerade in Zeiten des demografischen Wandels können wir es uns, auch unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Vernunft, weniger denn je leisten, auf so hervorragende Potenziale unserer Gesellschaft zu verzichten. Wir beobachten weltweit einen Kampf der Unternehmen, der Wirtschaftseinheiten um die besten Köpfe. Deshalb müssen wir auch aus ökonomischer Klugheit alles tun, um den oft schwierigen Spagat zwischen Familie und Beruf bzw. Karriere besser bewältigen zu können. Hier stehen sowohl Politik als auch Wirtschaft in der Pflicht, vor allem die Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter voranzutreiben. Vieles ist hier in der Vergangenheit unter unionsgeführten Bundesregierungen seit 2005 vorangebracht worden. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden heute über Frauen in Führungspositionen!) So sind zahlreiche familienpolitische Maßnahmen, etwa das Elterngeld, der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen oder die bessere steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten, durchgesetzt worden. All dies erleichtert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch ein ganz anderes Thema!) Wie sieht die Situation heute aus? Obwohl Frauen heute in vielen Bereichen sogar häufiger als Männer ein Studium absolvieren und hervorragende Noten erzielen und obwohl sie ebenso hochqualifiziert sind wie Männer, sind sie in den Führungspositionen der deutschen Wirtschaft und vor allem im Topmanagement, in Aufsichtsräten und Vorständen, deutlich unterrepräsentiert. So ist der Frauenanteil im Management von Unternehmen mit mehr als 20 Millionen Euro Jahresumsatz in den letzten 15 Jahren lediglich von 3 Prozent auf 6 Prozent gestiegen. In Unternehmen mit mehr als 1 Milliarde Euro Jahresumsatz liegt der Frauenanteil im Topmanagement aktuell bei nur 3,5 Prozent. Im Management von DAX-Unternehmen beträgt der Frauenanteil 9,5 Prozent, in ihrem Topmanagement gar nur 3 Prozent. Es ist allerdings nicht so, Frau Kollegin Künast, dass nur Henkel weibliche Vorstände vorweisen kann. Es gibt noch einige weitere Unternehmen wie BASF und Daimler. (Elke Ferner [SPD]: Ja! Aber nur wenige, Herr Kollege!) Aber es sind uns noch immer entschieden zu wenige. Dass Handlungsbedarf besteht, liegt auf der Hand. Deshalb sind wir nicht verschiedener Meinung, wenn es um die Frage geht, ob gehandelt werden muss. Auch wir in der Unionsfraktion sind der klaren Überzeugung: Auch Art. 3 des Grundgesetzes, in dem der Gesetzgeber verpflichtet wird, auch in tatsächlicher Hinsicht auf die Beseitigung von Ungleichbehandlungen zwischen Männern und Frauen hinzuweisen, gebietet ein Tätigwerden. Es geht um die Frage: Wie werden wir tätig? Die Vorlagen der Opposition, der Antrag der SPD, der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen, setzen auf eine gesetzlich vorgegebene starre Quotenregelung. Wir als christlich-liberale Koalition wollen hingegen, wie in der Koalitionsvereinbarung festgelegt, über den von der Bundesregierung vorgelegten Stufenplan mit flexibler Quote das Ziel eines höheren Frauenanteils in Führungspositionen erreichen. (Dr. Eva Högl [SPD]: Wachsweich!) Wir setzen mit dem Stufenplan auf ein abgestuftes Verfahren, das ohne gesetzgeberische Überregulierung auskommt. (Christel Humme [SPD]: Nein! Ganz ohne Regulierung! Das ist das Problem!) SPD und Grüne setzen dagegen auf staatlichen Zwang. Nach unserer Überzeugung macht nur der Stufenplan den erfolgversprechenden Versuch, zu einer gesamthaft angelegten Konzeption zu kommen, die die Ursachen der Unterrepräsentierung von Frauen in Führungsgremien der deutschen Wirtschaft bekämpft, die maßgeschneiderte und passgenaue Lösungen anbietet, die ohne umfassende staatliche Eingriffe auskommt und die deshalb am Ende auch zu besseren Ergebnissen führen wird. Die erste Stufe zielt auf die Schaffung der Voraussetzungen und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen im Erwerbsleben und speziell in Führungspositionen ab. Dazu zählt die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, beispielsweise durch die Einführung flexiblerer Arbeitszeiten. (Dagmar Ziegler [SPD]: Und wie lange dauert diese Phase?) Die zweite Stufe setzt auf die Implementierung von transparenten freiwilligen Selbstverpflichtungen für die deutsche Wirtschaft, (Elke Ferner [SPD]: Na ja! Darauf haben wir ja jetzt schon zehn Jahre gewartet!) um öffentlichen Druck zu entfalten und die Tätigkeit von Frauen in Führungspositionen weiter voranzutreiben. Gerade damit unterscheiden wir uns von dem unverbindlichen Plänchen, das Rot-Grün im Jahr 2001 verabschiedet hatte und das von vornherein zum Scheitern verurteilt war. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Erst in der dritten Stufe wird die gesetzliche Verpflichtung zur Selbstverpflichtung, die sogenannte Flexiquote, eingeführt. Sie ist auf die Förderung von Frauen in Leitungsgremien in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst ausgerichtet. Sie greift erst dann, wenn die Unternehmen selbst es bis zu einem bestimmten Stichtag im Jahr 2013 nicht geschafft haben, den Anteil von Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen zu verdreifachen. Die dann vorgesehene flexible Quote für Unternehmen soll so ausgestaltet sein, dass sich die Unternehmen selbst eine quantifizierbare Zielvorgabe für die Aufsichtsrats- und Vorstandsbesetzung setzen, die innerhalb einer bestimmten Frist erreicht werden soll. Mithilfe einer solchen Regelung können die Unternehmen auf die spezifische Situation ihrer jeweiligen Branche und ihres jeweiligen Unternehmens wesentlich flexibler reagieren als mit dem starren Instrument, das die Opposition vorschlägt. Wenn die Politik mit der Betrachtung der Wirklichkeit beginnt, dann müssen Sie feststellen, dass der Frauenanteil in vielen Bereichen sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Im Dienstleistungsbereich liegt der Frauenanteil unter allen Beschäftigten bei 57 Prozent, im verarbeitenden Gewerbe bei nur 25 Prozent. Ist es dann wirklich sachgerecht, in beiden Bereichen genau den gleichen Schwellenwert vorzusehen? Ist es wirklich sachgerecht, dass ein Unternehmen mit einem Frauenanteil von 70 Prozent in der Belegschaft im Aufsichtsrat die gleiche Quote haben muss wie eines mit einem Frauenanteil von 10 Prozent? Das wird sich wohl schwerlich sagen lassen. Wer den Anteil von Frauen in Führungspositionen etwa im Bereich Maschinenbau, aber auch in vielen anderen Bereichen langfristig erhöhen möchte, der kann nur Erfolg haben, wenn der Anteil an Frauen auch unter den Maschinenbaustudenten zunimmt. Deshalb brauchen wir auch insoweit ein gesamthaftes Konzept und die richtigen Weichenstellungen in der Wissenschafts- und in der Schulpolitik. Mit der Flexiquote setzen wir auf Transparenz, auf Flexibilität und auf öffentlichen Rechtfertigungsdruck für Unternehmen. Dies schafft man mit einer starren Quote, wie sie die Opposition möchte, nicht. So unzufrieden wir mit dem Status quo sind, so sehr stellen wir fest, dass sich einiges in die richtige Richtung entwickelt hat. In der ersten und in der zweiten Führungsebene von rund 300 000 Unternehmen hat sich der Frauenanteil in den letzten acht Jahren von 10 Prozent auf 20 Prozent verdoppelt. Die Personalplanung in vielen Unternehmen macht deutlich, dass ein positiver Trend, ein Umdenken, in Gang gekommen ist, von dem wir uns häufig erhoffen würden, dass es noch wesentlich schneller funktionieren würde. Wir haben positive Beispiele erlebt, zum Beispiel bei der Deutschen Telekom. Die Liste ließe sich fortsetzen, etwa, um Unternehmen ohne öffentliche Beteiligung zu nennen, um Merck und ThyssenKrupp. Die Anträge, die uns heute vorliegen, sind aber nicht nur in ihrer grundsätzlichen Anlage - staatlicher Zwang statt flexibler, passgenauer Lösung -, sondern auch in ihren Einzelheiten falsch. Der Antrag der SPD zielt beispielsweise auf eine Regelung für alle Aktiengesellschaften ab. In Deutschland gibt es 16 000 Aktiengesellschaften. Nur 1 000 Aktiengesellschaften in Deutschland sind überhaupt börsennotiert. Die meisten dieser börsennotierten Aktiengesellschaften sind übrigens kleine Unternehmen. Aktien-gesellschaften mit fünf oder zehn Mitarbeitern sind in Deutschland keine Seltenheit. Häufig haben Aktiengesellschaften nicht fünfköpfige Vorstände, sondern ihre Vorstände bestehen aus einer einzigen Person. Hier zu sagen, alle Aktiengesellschaften müssten eine Frauenquote einführen, geht auch in der handwerklichen Umsetzung sicherlich über das Ziel hinaus. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn Sie sich den Antrag der Grünen ansehen, dann stellen Sie fest: Er ist in der handwerklichen Ausarbeitung dem der SPD sicherlich deutlich überlegen. (Beifall des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr schön, danke! - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie immer!) Er orientiert sich sehr stark an den Schwellenwerten im Bereich der Mitbestimmung. Wenn man eine Frauenquote einführen möchte, dann ist das aus meiner Sicht der richtige Ansatz. Im Mitbestimmungsrecht gibt es abgestufte Kategorien zur Abgrenzung von großen, mittleren und kleinen Unternehmen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu welchem Thema reden Sie gerade? - Gegenruf des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU]: Zu eurem Antrag, und zwar sehr sachkundig! Vielleicht lesen Sie Ihren Antrag auch einmal! Dann können Sie auch der Rede folgen!) Deshalb ist es im Kern richtig, an die Schwellenwerte des Mitbestimmungsrechts anzuknüpfen. Ich halte es im Antrag der Grünen allerdings für nicht richtig, dass man börsennotierte Aktiengesellschaften generell erfassen möchte. Ist es eigentlich sachgerecht, eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit 50 Mitarbeitern strenger zu behandeln (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Mitarbeiterinnen!) als ein nicht börsennotiertes Unternehmen mit 300 oder 400 Mitarbeitern? Wohl kaum! Es ist richtig: Als Konsequenz einer Börsennotierung muss es bestimmte Zusatzpflichten geben. Sie sind aber sicherlich primär im Bereich der Rechnungslegung und im Bereich "zusätzliche Informationen für Anleger" und nicht im Bereich "zusätzliche gesellschaftpolitische Pflichten" angesiedelt. Deshalb appelliere ich, dass man sich in der künftigen Diskussion - wir werden die Diskussion fortsetzen - noch stärker an den etablierten Schwellenwerten im Bereich der Mitbestimmung orientiert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir dürfen festhalten: Die vorgelegten Entwürfe sind in ihrer Grundanlage "staatlicher Zwang statt flexibler Lösungen" falsch. (Zurufe von der SPD: Oh!) Sie sind in ihren Details nicht überzeugend und deshalb nicht zustimmungsfähig. Meine Fraktion wird sie daher ablehnen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alle?) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Eva Högl für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Eva Högl (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir haben hier vor fast genau einem Jahr, am 3. Dezember 2010, den Gesetzentwurf der Grünen in erster Lesung beraten. Was ist in diesem einen Jahr eigentlich geschehen? Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben nichts, aber auch gar nichts dafür getan, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen erhöht wird. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deswegen war es ein verlorenes Jahr für die Frauen in Deutschland und in der privaten Wirtschaft. Hier geht es heute nicht um die Details, Herr Harbarth. Darüber können wir uns in einer zweiten Runde unterhalten. Heute geht es vielmehr um die Frage, ob wir verbindliche, gesetzlich festgelegte Frauenquoten in großen deutschen Unternehmen wollen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte Ihnen einige gute Gründe für die Quote darlegen und auch ein paar fürchterliche Vorurteile widerlegen. Stichwort "Freiwilligkeit". Wir überlegen im Deutschen Bundestag vor der Verabschiedung eines Gesetzes jedes Mal sehr genau und sehr gründlich, ob es wirklich erforderlich ist. Wir wollen keine Regelung aller staatlichen Bereiche. Es kann auch keine Rede davon sein, dass es hier nur um staatlichen Zwang geht. Wir haben 2001 unter Rot-Grün eine freiwillige Vereinbarung mit der deutschen Wirtschaft mit dem Ziel der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen in Führungspositionen geschlossen. Wir haben ernsthafte und klare Festlegungen getroffen. Aber wir stellen fest: Es hat nichts, aber auch gar nichts gebracht. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich sage es ganz deutlich: Unsere Geduld ist jetzt am Ende. Im Deutschen Bundestag haben wir den klaren Handlungsauftrag, als Gesetzgeber tätig zu werden. In Art. 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes steht: Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Dieser Tatbestand ist hier gegeben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Noch eines ist mir ganz wichtig. Wir haben im Bundestag ganz häufig notwendige Entscheidungen zu treffen, die wir zwar für richtig halten, die aber unbequem sind. Wir können nicht immer auf die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung hören. Aber bei diesem Thema schadet es nicht, wenn wir einmal hören, was die Bürgerinnen und Bürger dazu sagen. Dann können wir nämlich feststellen, dass eine große Mehrheit, insbesondere der Jüngeren und der Frauen, ganz ausdrücklich für gesetzliche Vorgaben in Form von Frauenquoten für die Wirtschaft ist. Sollte uns das nicht zu denken geben? (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das dümmste Argument, welches mir in der Debatte immer unterkommt, ist, dass mit Frauenquoten ungeeignete Frauen auf Spitzenpositionen kommen. (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Rita Pawelski [CDU/CSU]) Das ist wirklich das allerdümmste Argument. Angesichts der Tatsache, dass 85 Prozent der Aufsichtsratsposten und 97 Prozent der Vorstandsposten mit Männern besetzt sind, kann man doch nicht ernsthaft glauben, das habe irgendetwas mit der Qualifikation der betreffenden Person zu tun. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die Auswahl bei der Besetzung dieser Positionen erfolgt einzig und allein nach dem Geschlecht. Das sind alles Quotenmänner. Ich will noch eines dazu sagen: Wenn jemand ernsthaft der Auffassung ist, es handele sich um ein Ergebnis der Bestenauswahl, dann muss ich fragen: Was ist das für ein verheerendes Signal an alle Frauen in unserem Land? (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Genauso dumm ist die Auffassung, Frauen wollten nicht in Führungspositionen. Wir wissen alle ganz genau, wie das läuft: Frauen werden überhaupt nicht in den Blick genommen, Frauen werden in ihrer Karriere nicht unterstützt, Frauen werden nicht gefragt. Ja, manchmal ist es für Frauen auch unangenehm und nicht attraktiv, die Einzige in einem Männergremium zu sein. Es stimmt auch, dass manchmal die Frauenkarrieren an der Vereinbarkeit von Familie und Beruf scheitern. Auch das ist richtig. Daraus kann man aber nicht den Schluss ziehen, die Frauen wollten keine Führungspositionen einnehmen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ebenso wenig kann man sagen, Frauen wollten keine Quotenfrauen sein, sondern nur wegen ihrer Leistung befördert werden. Was heißt das im Umkehrschluss? Worauf ist der geringe Anteil von Frauen in Führungspositionen zurückzuführen, etwa darauf, dass die Frauen nicht gut genug sind? Das wollen wir im Deutschen Bundestag doch nicht ernsthaft behaupten. Gleichzeitig wird damit unterstellt, dass 97 Prozent der Männer um ein so Vielfaches besser sind als die Frauen. Das ist großer Quatsch. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Frauen wollen Führungspositionen. Frauen können es. Eine Quote sorgt dafür, dass die exzellenten Frauen, die es überall in unserem Land, in allen Bereichen unserer Gesellschaft gibt, endlich auf die Plätze kommen, die ihnen zustehen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir brauchen genau dieses Signal an die Frauen. Wir brauchen das Signal: Liebe Frauen, da sind Plätze in der deutschen Wirtschaft, auf die ihr kommt. Ihr werdet in den Blick genommen. Ihr könnt es schaffen. - Wir brauchen das Signal an die Betriebe: Schaut euch die Frauen an. Gebt ihnen eine Chance! - Die Betriebe werden aufgefordert, sich stärker als bisher anzustrengen, sich zu öffnen und Frauen in den Blick zu nehmen; das tun sie bisher nicht. Das halte ich für ganz entscheidend bei der Diskussion über die Frauenquote. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf; Herr Harbarth, Sie haben das angesprochen. Wir kennen die Argumentation: Wir verbessern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und dann läuft das schon. - So läuft das überhaupt nicht. Erstens tut die Bundesregierung überhaupt nichts für eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Bedingungen für Frauen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU/CSU) Mit dem Betreuungsgeld - das muss an dieser Stelle auch gesagt werden - werden Signale sogar in die falsche Richtung und falsche Anreize gesetzt. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zweitens. Wir wissen ganz genau: Wenn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein entscheidendes Problem darstellte, dann säßen in den Toppositionen unseres Landes viele kinderlose Frauen. Das ist aber nicht der Fall. Frauen werden nicht diskriminiert, weil sie Kinder haben oder Probleme mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben. Vielmehr werden bestimmte Positionen nicht mit Frauen besetzt, egal ob sie Kinder haben oder nicht. Das ist das Problem. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drittens. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eher verbessert, je mehr Frauen in Spitzenpositionen tätig sind. Dann wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein ganz entscheidendes Kriterium sein. Frauen in Spitzenpositionen werden dazu beitragen, dass wir da den Turbo einschalten und sich alles zum Besseren verändert. Das alles sind gute Gründe für Frauenquoten in Vorständen und Aufsichtsräten. Ich möchte noch etwas anderes ansprechen, das ich persönlich für den Tiefpunkt der frauenpolitischen Debatte halte, nämlich den Vorwurf an all diejenigen, die sich für Frauenquoten einsetzen, sie wollten Rollenbilder vorschreiben, und das im 21. Jahrhundert. In dem angekündigten Buch Danke, emanzipiert sind wir selber von Bundesministerin Schröder soll es um diese Rollenbilder gehen. (Rita Pawelski [CDU/CSU]: Haben Sie es schon gelesen?) Ich persönlich bin der Auffassung, dass es zynisch ist, denjenigen, die sich für Frauenquoten in der Wirtschaft und insbesondere in Vorständen einsetzen, zu unterstellen, dass sie Frauen ein bestimmtes Rollenbild vorschreiben wollen. Was wir wollen, ist Wahlfreiheit, und zwar für alle Männer und für alle Frauen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich sage bewusst: Wir haben keine Wahlfreiheit, wenn 97 Prozent der Vorstände und 85 Prozent der Aufsichtsräte mit Männern besetzt sind. Das ist keine Wahlfreiheit. Das hat mit Rollenbildern überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir, der Gesetzgeber, sind gefordert, Wahlfreiheit zu ermöglichen. Wir müssen die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass alle Männer und alle Frauen Wahlfreiheit haben, egal ob sie Kinder haben oder nicht, egal welchen individuellen Lebensentwurf - mit oder ohne Beruf und Karriere - sie haben. Wir wollen Wahlfreiheit. Dafür brauchen wir jetzt - das haben die letzten zehn Jahre gezeigt - verbindliche, gesetzliche Frauenquoten für die deutsche Wirtschaft. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, ich rate Ihnen: Geben Sie bitte Ihr ideologisch motiviertes Nein, das nicht von Sachargumenten gegen die Frauenquote getragen ist, auf. Sie wissen, wie das mit der Aufgabe von Positionen geht. Wir haben es bei der Atomkraft erlebt. Wir erleben es in der Euro-Krise, wo gute Vorschläge erst abgelehnt und dann doch umgesetzt werden. Wir kennen das von den Mindestlöhnen. Ich fände es ganz toll, wenn Sie jetzt auch in diesem Punkt unsere Vorschläge übernehmen würden. Ich bin da ganz uneitel: Wenn Sie gute Vorschläge von der SPD übernehmen, dann ist es mir ganz egal, von wem die Vorschläge im Endeffekt kommen. Entscheidend ist, dass wir hier gute Politik machen. Wenn Sie sich entscheiden können, heute dem Gesetzentwurf der Grünen und dem Antrag der SPD für eine Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände zuzustimmen, dann wäre das sicherlich ein gutes Signal. Ich fordere Sie auf: Geben Sie sich heute einen Ruck! Stimmen Sie in der namentlichen Abstimmung für Quoten in Vorständen und Aufsichtsräten. Es gibt viele gute Argumente dafür. Sie sind in der bisherigen Debatte schon deutlich geworden. Stimmen Sie mit uns! Seien Sie mutig: Für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern! Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Nicole Bracht-Bendt für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nicole Bracht-Bendt (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin nicht bei Ihnen, Frau Högl. Was Sie eben gesagt haben, hat mich nicht überzeugt. (Beifall bei der FDP - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie sind ja auch Ideologin! - Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie überzeugt gar nichts!) Zum wiederholten Male sprechen wir heute über die Frage, was die Politik tun kann, damit mehr Frauen in Aufsichtsräte und Vorstände einziehen. Am Mittwoch gab es auf Initiative von Frauen aus allen Fraktionen zum ersten Mal eine gemeinsame Veranstaltung mit Expertinnen von außen. Dieser gemeinsame Vorstoß war wichtig. Wir Frauen hier im Plenum haben alle das gleiche Ziel: Wir wollen gleiche Karrierechancen für Frauen wie Männer. Allerdings gehen wir Liberale einen anderen Weg als Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Fraktion und bei den Bündnisgrünen. Wir Liberale halten eine starre Quote für nicht geeignet und für unverhältnismäßig. Eine Quote greift zu kurz. Für diese Mammutaufgabe ist viel mehr nötig. (Zurufe von der SPD) - Hören Sie doch bitte einmal zu. Sie behandeln jede Aktiengesellschaft wie ein Großunternehmen. Dabei sind nur 800 bis 1 000 davon börsennotiert. Mehr als 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind mittelständisch. Diese Betriebe haben ein echtes Problem mit Ihrer Quotenforderung. (Elke Ferner [SPD]: Wieso?) Gleiches gilt für die vielen Familienunternehmen, die wir haben. Es kann doch nicht vom Geschlecht der Nachkommen abhängen, ob ein traditioneller Familienbetrieb weiter aufrechterhalten werden kann. (Rita Pawelski [CDU/CSU]: Das will doch keiner!) Im Übrigen stehen gerade Familienunternehmen mit rund 20 Prozent Frauen in Führungspositionen gut da. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Elke Ferner [SPD]: Dann haben sie kein Problem damit!) Auf der anderen Seite haben große Unternehmen vor allem im technischen Bereich schon heute Nachwuchssorgen. Das können Sie nicht ignorieren. Wir können jedenfalls feststellen, dass der Wandel auch ohne staatlich verordnete Zwangsquote schon im Gange ist, und zwar in allen Bereichen. In der Wirtschaft und in der Industrie sind alle unter Druck, sich ein frauenfreundliches Image zu geben. In einer Pressemitteilung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie vom Juni dieses Jahres heißt es: Aus demographischen und wirtschaftlichen Gründen liegt eine stärkere Beteiligung von Frauen in der Unternehmensführung im ureigenen Interesse der Unternehmen. Die daraus resultierenden vielfältigen Maßnahmen von Unternehmen zur Steigerung des Frauenanteils zeigen bereits deutliche Erfolge: Der BDI nennt konkrete Zahlen. Demnach ist ein neuer Höchststand von weiblichen Chefs mit 27,7 Prozent erreicht. In Betrieben mit bis zu 49 Mitarbeitern sind 35 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt. Der Frauenanteil bei Führungskräften bis 39 Jahre liegt bei 38 Prozent. Aber auch bei den DAX-30-Unternehmen gibt es Fortschritte. Knapp 40 Prozent der von Aktionären bei Einzelwahlen von DAX-30-Unternehmen in der Hauptversammlungssaison 2011 gewählten Aufsichtsräte waren Frauen. (Beifall bei der FDP) Der Frauenanteil auf der Kapitalseite der DAX-30-Aufsichtsräte hat sich von 2009 bis 2011 von 4,8 Prozent auf 10,9 Prozent im Jahr 2011 mehr als verdoppelt. Eine letzte Zahl: Mit einem Frauenanteil von 15,4 Prozent in den Gesamtaufsichtsräten der DAX-30-Unternehmen liegt Deutschland über dem europäischen Durchschnitt der Frauenanteile in Boards von nur 11 Prozent. Diese Bilanz ist noch nicht befriedigend - darin sind wir uns einig -, doch ein erkennbarer Schritt in die richtige Richtung. Es ist dringend notwendig, gemeinsam die gesellschaftlichen, politischen und betrieblichen Rahmenbedingungen so zu verändern, dass Führungsaufgaben auch tatsächlich von Frauen und Männern in gleicher Weise wahrgenommen werden können. Hierfür sind der fortgesetzte Wandel der Unternehmenskulturen, die Steigerung des Frauenanteils in MINT-Studienfächern und der bedarfsgerechte Ausbau der Kinderbetreuung für alle Altersklassen notwendig. Das sehen Sie ja anders. Ich möchte noch etwas zu Norwegen sagen. Das ist ja immer noch Ihr großes Vorbild. Sie behaupten, die Zwangsmaßnahme habe den Frauenanteil in Führungspositionen insgesamt gestärkt. Das ist eine Illusion. Eine Sozialstudie der London School of Economics kommt zu dem ernüchternden Schluss, dass Norwegens 40-Prozent-Quote keinen Einfluss auf den Frauenanteil gehabt hat. Der Erfolg dieser Maßnahme ist rein symbolisch. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch nicht!) Quotenbefürworterinnen tun immer so, als wäre die Bundesregierung in Sachen Frauenförderung bisher tatenlos gewesen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Selbst die EU-Kommissarin Viviane Reding spricht immer von den Ländern, die eine Quote eingeführt haben, und den Ländern, die auf den Governance Kodex setzen. Voriges Jahr wurde bei uns der Governance Kodex geändert und die angemessene Berücksichtigung von Frauen in Aufsichtsräten und Führungspositionen aufgenommen. Das ist viel mehr, als Sie immer behaupten. Damit hat die Bundesregierung unter Beweis gestellt, dass es ihr mit der Gleichstellung von Frauen in Führungspositionen ernst ist. Natürlich hat das auch Sanktionswirkungen. Die Justizministerin nimmt die Wirtschaft in die Pflicht. Ich bin sicher, dass der politische Druck auch ohne Zwangsquote die Wirtschaft zum Handeln gebracht hat. Eon, Karstadt oder Daimler haben im Zuge der Selbstverpflichtung im Oktober interessante Frauenförderprogramme vorgelegt. Kluge Programme ändern aber nichts an der Tatsache, dass wir ein Umdenken in Verbindung mit anderen Strukturen in Gesellschaft und Arbeitsprozessen brauchen. Ich denke, darin sind wir uns einig. Ein Stichwort ist die viel zitierte Präsenzpflicht. Wir müssen wegkommen von der Meinung, nur in den Büros, in denen bis spätabends Licht brennt, wird effizient gearbeitet. Frauen brauchen sich nicht zu verbiegen; denn die frauenspezifischen Eigenschaften wie Flexibilität und Teamorientierung sind in Führungspositionen gefragt. Das haben wir auch vorgestern Abend gehört. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist und bleibt ein ganz wesentlicher Baustein auf dem Weg zu einer veränderten Kultur ohne Quote. Ich halte mich da an die renommierte Daniela Weber-Rey, die für eine Kultur - hören Sie bitte zu! - aus Kindern, Krippe und Karriere wirbt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der CDU/CSU klatscht kaum jemand! Die Frauen sind alle erschüttert!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Yvonne Ploetz für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Yvonne Ploetz (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen wir uns kurz vor, in Deutschland wären Männer und Frauen tatsächlich gleichgestellt. Dann wäre es möglich, Kinder zu erziehen und trotzdem problemlos Karriere zu machen. Wenn es um Führungspositionen geht, würden Frauen nicht mehr gesagt bekommen: Ihr wollt ja eigentlich gar nicht in die oberen Etagen. - Nein, es wäre selbstverständlich, dass Frauen auf dem Chefsessel Platz nehmen statt im Vorzimmer. Erzieherinnen würden am Ende des Tages gemeinsam mit ihren männlichen Kollegen den Kindergarten zusperren und wären zufrieden, weil sie angemessen bezahlt würden und ihr Beruf gesellschaftlich angesehen wäre. Nun wissen wir alle: Der Alltag in Deutschland sieht ein bisschen anders aus. Aber zum Glück gibt es sehr viele mutige Frauen, die tagtäglich für ihre Rechte kämpfen. Sie können sich auf das deutsche Grundgesetz berufen. Es kann hier nicht oft genug zitiert werden. Darin heißt es seit 1949 in Art. 3 Abs. 2: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Elke Ferner [SPD]) Dazu gehört all das, was ich gerade gesagt habe, und noch viel mehr. Wenn wir jetzt über die Quote und die Initiativen von SPD und Grünen reden, sollten wir im Hinterkopf behalten, dass Gleichstellung nicht nur bedeutet, Frauen den Weg in die Führungsetagen zu ebnen, sondern Frauen und Männern überall, in allen gesellschaftlichen und sozialen Bereichen, die gleichen Rechte zuzugestehen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Quote ist für uns ein wichtiges Mittel; sie ist nicht das Ziel. Sie kann aber ein Türöffner zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft sein. Diese wird von Frauenministerin Schröder und der von ihr vorgeschlagenen Flexiquote nicht erreicht. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: So ist es! Aber sie versteht es halt nicht!) Diese Quote lauert bereits im Hintergrund, während wir hier debattieren. Kurz zur Erläuterung: Die Flexiquote ist eine Selbstverpflichtung der DAX-Unternehmen. Die Höhe legen die Männer in den Chefetagen selbst fest. Was ist das Ergebnis der bisherigen Selbstverpflichtung? "DAX-Konzerne bremsen Regierung aus", hat die Süddeutsche Zeitung im Oktober dieses Jahres treffend zur Frauenquote getitelt. Es gibt einige positive Beispiele, die auch schon genannt wurden, wie Allianz, Bayer, die Commerzbank und die Deutsche Telekom. Andere Unternehmen möchten sich gerne fünf Jahre Zeit lassen und eine Quote von 20 Prozent oder weniger erreichen. Das wird mit uns nicht funktionieren. (Beifall bei der LINKEN) Wir wissen, dass der Frauenanteil in den vergangenen zehn Jahren in den Vorständen der DAX-Unternehmen gerade einmal von 2,5 auf 3,7 Prozent gestiegen ist. Das ist eine Verbesserung um 1 Prozentpunkt in zehn Jahren. Das kann für uns für die Zukunft nur heißen: Wir geben den Unternehmen nicht noch einmal zehn Jahre Zeit, nicht zu handeln, sondern wir brauchen jetzt eine gesetzlich festgelegte Frauenquote. (Beifall bei der LINKEN) Ihre Flexiquote ist ein Symbol für die Biegsamkeit und die Flexibilität des politischen Rückgrats dieser Regierung in der Frauenfrage. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Es geht auch anders. Das hat das Beispiel Norwegen gezeigt. Ich möchte ganz kurz darauf hinweisen, dass dort die Quote am Anfang genauso leidenschaftlich umkämpft war wie bei uns - mit ähnlichen Argumenten. Heute, zehn Jahre später, ist sie absolut unstrittig. Sie ist gesellschaftlich akzeptiert, und die Unternehmen sind damit erfolgreich. Dieser Blick auf Norwegen zeigt uns in Bezug auf die vorliegenden Initiativen Folgendes: SPD und Grüne haben recht: Die Quote muss auch über die 30 DAX-Unternehmen hinaus gelten und natürlich nicht nur für die Privatwirtschaft, sondern selbstverständlich auch für den öffentlichen Dienst. Das schließt auch die Bundesbehörden mit ein. Frau Schröder, die Selbstverpflichtung scheint noch nicht einmal in Ihrem eigenen Haus zu funktionieren. Es gibt in Ihrem Ministerium nicht eine Staatssekretärin, und nur eine von fünf Abteilungsleiterstellen ist mit einer Frau besetzt. Gerade Sie sollten doch mit einem positiven Beispiel vorangehen! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ja, es muss eine festgeschriebene Quote geben. Über die Höhe sind wir uns allerdings noch nicht einig. Wir finden, es gibt keinen Grund, sie bei 30 oder 40 Prozent festzusetzen, da der Anteil der Frauen in der Gesellschaft doch 50 Prozent und mehr beträgt. Außerdem haben wir gerade jetzt die am besten ausgebildete Frauengeneration aller Zeiten in der Bundesrepublik. Wenn die Quote wirklich eine Abbildung der Gesellschaft sein soll, wenn sie den Rechten der Frauen Geltung verschaffen soll, dann muss die Hälfte aller Posten den Frauen gehören. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Dennoch, selbst wenn die Hälfte aller Spitzenpositionen mit Frauen besetzt wäre, bedeutet das noch lange nicht, dass die Frauen dann auch den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit erhalten würden. Das ist derzeit nicht der Fall. Ich finde, das ist einer der wunden Punkte in dieser Diskussion. Denn hier setzt sich das fort, was auf den unteren Ebenen beginnt: die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern, die ungleich verteilte Arbeit bei Frauen und Männern und auch die ungleiche Wertschätzung der Arbeit von Frauen und Männern. Wir müssen all diese Ungleichheiten zusammen angehen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Eine emanzipatorische Frauenpolitik muss sich um die Frauen in Chef- und Führungsetagen bemühen, und sie muss auch und insbesondere die Frauen im Blick haben, die in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, die keine Erwerbsarbeit haben, die arm sind trotz Arbeit und die auch im Alter arm sein werden. Es gibt eine ausreichende Zahl von Lösungsvorschlägen vonseiten der Linken, von den deutschen Frauenverbänden. Eigentlich müssen Sie diese Vorschläge nur aufnehmen. Wir jedenfalls sind weiterhin an der Seite all der Frauen, die für ihre Rechte kämpfen, und werden gemeinsam mit ihnen für ihre Rechte kämpfen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Elisabeth Winkelmeier-Becker für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die Anträge der Opposition führen wir jetzt seit vielen Monaten, fast schon seit einem Jahr, eine angeregte parlamentarische Diskussion. Wir führen eine öffentliche Diskussion unter Beteiligung vieler Verbände. FidAR, der Deutsche Juristinnenbund und der Verband deutscher Unternehmerinnen haben sich an die Spitze der Bewegung gesetzt. Das hat Druck erzeugt; das Thema wurde in den Unternehmen auf die Tagesordnung gesetzt. Es wird jetzt nicht mehr unter "Verschiedenes" behandelt, sondern die Unternehmen widmen sich dem mit einem ganz anderen Ernst. Von den Headhuntern hören wir, dass es inzwischen keinen Vorschlag mehr geben darf, in dem nicht mindestens ein oder zwei qualifizierte Frauen enthalten sind. Die eine oder andere Erfolgsmeldung hören wir auch. Mir ist wichtig, dabei darauf hinzuweisen, welchen Beitrag die Koalition, besonders auch die Unionsfraktion, in dieser Diskussion leistet. Dieses Thema ist in unserem Koalitionsvertrag an prominenter Stelle verankert. Wir haben eine Frauenministerin, die sich um dieses Thema jedenfalls mit großem Engagement kümmert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Mussten Sie das jetzt sagen?) - Ich will hier das Spektrum der Diskussionen in meiner Fraktion darstellen. Wir haben schon öfter darüber gesprochen, und ich habe hier schon vorgestellt, was die Gruppe der Frauen der Unionsfraktion dazu konkret entwickelt hat. In Summe zeigt das meines Erachtens deutlich, dass auch die Union dieses Thema ernsthaft angeht. Wer glaubt, dass wir bis zum Ende dieser Legislaturperiode abwarten, ohne dass sich an dieser Stelle etwas tut, der hat den Schuss nicht gehört. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich habe die Vorstellungen der Gruppe der Frauen schon öfter präsentiert, und ich habe auch keinen Hehl daraus gemacht, dass das auch meine Wunschvorstellungen sind. Wir stellen uns im Hinblick auf die Aufsichtsräte in mitbestimmten Unternehmen eine Regelung mit einem verbindlichen Zeitrahmen vor, die einen Mindestanteil von Frauen und Männern - das nur zur Beruhigung einiger Kollegen - in Höhe von 30 Prozent festlegt. Auch für die Vorstände wäre es ganz wichtig, etwas zu tun. Da steht das operative Geschäft im Vordergrund. Allerdings hat man da stärker den Konflikt mit dem Eigentumsschutz auszutragen. Ich glaube, an dieser Stelle wäre die Flexiquote ein sehr guter Ansatz. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir reden über einen Mindestanteil von 30 Prozent. Das ist nicht als Ziel zu verstehen, sondern als die Größenordnung, mit der sich die Strukturen, die den momentanen Zustand zementieren, ändern können. Wird diese Größenordnung erreicht, können wir ein anderes Klima herstellen. Diese Quote ist moderater, und sie ist letztlich konsensfähiger. Daher vertreten wir an dieser Stelle diese Linie. Ich möchte diese Diskussion noch nutzen, um diejenigen, die Vorbehalte gegen eine Quote haben, ein bisschen aus der Reserve zu locken. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich glaube, wir brauchen einen mehr oder weniger sanften Druck. Ich weiß, dass nicht jeder Skeptiker ein Problem damit hat, wenn Frauen in Führungspositionen stehen. Das erschließt sich mir aus Gesprächen mit meinen Kollegen. Viele denken - teilweise auch junge Frauen -, dass sich das Ganze von allein regelt. Man sagt: Wir sehen die zunehmende Karriereorientierung der Frauen; wir sehen den hohen Anteil an Akademikerinnen - davon war schon die Rede -; die Strukturprobleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die sicher eine Rolle spielen, gehen wir an. Und dann wird gesagt: Zum Teil kämen im geringen Anteil an Frauen in Führungspositionen die Lebensentscheidungen der Frauen selbst zum Ausdruck. Ich selbst bin in diese Diskussion nicht mit einer festgefügten Meinung gegangen. Wenn man sich schlichtweg mit den Fakten auseinandersetzt, dann sieht man: Sie sprechen für sich. Man kommt nicht daran vorbei, zu konstatieren, dass es Strukturen sind, die den Frauen hier entgegenstehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Auch wenn wir unterschiedliche Lebensentwürfe, unterschiedliche Schwerpunkte haben, auch wenn ein Ungleichgewicht in einem gewissen Maße unvermeidlich erscheint, darf es bei den Aufsichtsräten keinen Frauen-Männer-Anteil von 10 : 90 und bei den Vorständen von 3 : 97 geben. Das ist durch nichts zu rechtfertigen, egal was an landläufigen Argumenten vorgebracht wird. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Wird sich das von allein regeln? Schauen wir, welche Erfahrungen wir in den vergangenen zehn Jahren mit freiwilligen Regelungen gemacht haben: Es gab eine Steigerung im unteren einstelligen Bereich. Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, dann dauert es in der Tat noch an die 50 Jahre, bis wir bei akzeptablen Größenordnungen sind. Lassen Sie mich noch auf die Ursachen eingehen. Wählen Frauen die falschen Berufe? Wählen sie die falschen Studienfächer? Das anzunehmen, hat eine gewisse Plausibilität. Wenn man genau hinschaut, dann erkennt man aber: Die Bedeutung der MINT-Berufe wird an dieser Stelle grob überschätzt. 25 Prozent der Mitglieder von Vorständen und Aufsichtsräten der DAX-Unternehmen sind in MINT-Berufen ausgebildet worden. Circa 60 Prozent ihrer Mitglieder kommen aus den Bereichen Jura, Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft. Gerade in den Führungsgremien der Banken, in denen genau dies die richtige Qualifikation ist, sind besonders wenige Frauen vertreten. Das zeigt: Frauen besuchen seit Jahren und Jahrzehnten die relevanten Ausbildungsgänge und sind in den relevanten Berufsgruppen vertreten; dennoch tut sich an dieser Stelle nichts. Ich selbst habe vor 30 Jahren Jura studiert. Daher weiß ich, dass damals genauso viele Frauen wie Männer angefangen haben. Sie haben auch mindestens genauso gute Examina gemacht. Aber auf dieses Reservoir ist bei der Besetzung von Vorständen nicht zurückgegriffen worden. Das spricht schlichtweg für sich. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wieso brauchen wir nun mehr Frauen in Führungspositionen? Dies ist zum einen gut für die Unternehmen, und es ist zum anderen gerecht, wenn Frauen gleiche Zugangsmöglichkeiten zu verantwortungsvollen, interessanten und lukrativen Positionen haben. Beide Aspekte haben nicht nur unmittelbar Auswirkungen auf die Akteure, also auf die Frauen, die in die Vorstände kommen, und auf die Unternehmen, die diese Positionen haben, sondern damit einher geht auch eine Vorbildfunktion mit Ausstrahlungswirkung auf alle Ebenen und Bereiche unserer Wirtschaft. Zur wirtschaftlichen Seite: Es gibt genügend Studien, auch ganz aktuell eine McKinsey-Studie, die zeigen, dass gerade in den Jahren der Krise die Unternehmen mit Frauen in Führungspositionen signifikant bessere wirtschaftliche Ergebnisse erzielt haben, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nicht - das wäre vermessen - weil Frauen grundsätzlich besser sind. (Rita Pawelski [CDU/CSU]: Ein bisschen besser sind sie manchmal schon!) - Gut. Man kann es auch so stehen lassen. - Vielmehr bringen sie einen anderen, ausgewogenen Ansatz hinein. Das macht das Team insgesamt erfolgreicher, und das darf man sich doch nicht entgehen lassen. Hinzu kommt - davon war schon die Rede - der demografische Wandel. Angesichts dessen ist es doch dumm, wenn sich ein Unternehmen auf die Hälfte des Talentpools beschränkt und nicht überall nach den besten Köpfen schaut. Aber wenn wir uns die Auswahlmechanismen anschauen, müssen wir konstatieren, dass es gar nicht die Möglichkeit gibt, sich zu qualifizieren, somit auch keine Möglichkeit, sich zu bewerben und zu reüssieren. Berufungen erfolgen nämlich schlichtweg durch die Aufsichtsräte. Da liegt es in der Natur der Sache, dass sich die immer gleichen Auswahlmechanismen perpetuieren. Die Aufsichtsräte wählen die Vorstände, die Aufsichtsräte schlagen der Hauptversammlung passgenau die Kandidaten für das nächste Mal vor. Thomas Sattelberger, Personalvorstand bei der Telekom, hat in einem Interview gegenüber dem Spiegel auf die Frage, ob sich denn Qualität durchsetze, gesagt: Die Entscheidungen fallen ebenso durch Seilschaft, Treuebonus, Netzwerke, strategisches Platzieren von Vertrauten und Vitamin B wie durch Qualität. Ich will ganz gewiss niemandem, der in einer solchen Position sitzt, die Qualifikation absprechen. Aber solche Strukturen schließen Frauen und genauso auch Männer aus, die nicht ins Schema passen; diese sind schlicht gleichheitswidrig. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Unternehmen, um die es hier geht, haben Bedeutung für die ganze Volkswirtschaft und für viele Menschen, seien sie Anteilseigner, Mitarbeiter oder Kunden. Deshalb haben wir als Politiker auch die besondere Verantwortung, das nicht nur dem eigenen Geschmack der Unternehmen zu überlassen, sondern auch gestaltend einzuwirken, Vorgaben zu machen und die Verbindlichkeit mit sanftem Druck zu erhöhen. Die Frauen, die sich qualifizieren, die diese Verantwortung übernehmen wollen, die in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen, haben das verdient. Es gibt den Pool beim Verband der Unternehmerinnen; es gibt also wirklich genügend Talente, die diese Positionen einnehmen könnten. Wir brauchen jetzt schnell eine Regelung. Deshalb bin ich froh, wenn bald vom zuständigen Familien- und Frauenministerium eine Diskussionsgrundlage vorgelegt wird. (Christel Humme [SPD]: Große Frage! - Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich denke, dass wir eine Zielvorgabe von 30 Prozent in einem angemessenen Zeitrahmen brauchen. 30 Prozent bis 2018 - das wäre realistisch. Dies ist ein Vorschlag, mit dem wir uns auseinandersetzen sollten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir brauchen diese Vorgabe jetzt. Das wäre fair gegenüber den Unternehmen; denn im Jahr 2013 steht eine Vielzahl an Aufsichtsratswahlen an. Wir müssen den Unternehmen jetzt sagen, worauf sie sich einrichten müssen, damit sie die Vorbereitungen treffen. Wer bis 2018 30 Prozent Frauen in den Gremien haben will, der muss sich jetzt sputen und die Suche beginnen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das mal der Frau Ministerin! Die hört ja nicht einmal zu!) Deshalb geht mein Appell, meine Ermunterung und meine Zusage dahin, alle Schritte, die in diese Richtung gehen, zu unterstützen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Christel Humme für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Christel Humme (SPD): Frau Winkelmeier-Becker, das war eine mutige Rede. Leider konnte ich von meinem Platz aus sehen, dass die Ministerin in keiner Weise zugehört, sondern ihre Akten bearbeitet hat. Das ist die Realität. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE] - Markus Grübel [CDU/CSU]: Wenn ihr Frauen euch nur gegenseitig einig wäret!) Dabei haben wir alle - das haben wir heute in allen Reden gehört - dasselbe Ziel, nämlich die Zahl der Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Ich denke mir, es ist Zeit, endlich auch gesetzliche Regelungen zu treffen. Unser Antrag ist an dieser Stelle sehr klar. Wir wollen eine gesetzliche 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte und Vorstände festlegen, und wir wollen auch wirksame Sanktionen. Das ist unser Konzept. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen von den Grünen, wir stimmen auch Ihrem Gesetzentwurf zu; denn Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf diese verbindliche Quote und wirksame Sanktionen vorgesehen. Sie haben außerdem einen Antrag gestellt - den finde ich sehr gut -, mit dem Sie diesen Gesetzentwurf noch um eine Regelung für die Vorstände erweitern. Das ist wunderbar. Damit können wir in der parlamentarischen Debatte vielleicht dem Ziel näher kommen, das wir heute alle formuliert haben, und ein gutes Gesetz weiterentwickeln. Ich glaube, das ist ein guter Ansatz. Darum bitte ich heute alle, dem zuzustimmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Frau Högl hat es schon gesagt: Dieses Jahr ist ein verlorenes Jahr. Es ist nicht nur ein verlorenes Jahr, sondern es ist auch ein Jahr der Gipfel, nicht nur der europäischen Gipfel, sondern auch der Quotengipfel. Den ersten Quotengipfel hatten wir im März 2011. Damals hatte die Ministerin von der Leyen noch eine verbindliche Quote gefordert. Sie ist total gescheitert, und zwar an der FDP, an dem Streit mit ihrer Kollegin Frau Schröder und letztlich an dem Veto der Kanzlerin. Ein zweiter Gipfel musste her. Im Oktober dieses Jahres - das ist noch nicht so lange her - gab es den zweiten Gipfel. (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Bei Ihnen gab es gar keinen Gipfel!) - Nein, aber von uns gibt es gute Vorschläge. Wir brauchen keinen Gipfel. - Auf dem zweiten Gipfel wollte die Ministerin Schröder den Vertretern der DAX-Unternehmen ihre Flexiquote erklären und schmackhaft machen. Das Ergebnis war niederschmetternd. Die am Spitzengespräch beteiligten Personalvorstände der Unternehmen verpflichteten sich - man muss jetzt genau hinhören -, lediglich ihren jeweiligen Frauenanteil an Führungspositionen anhand eigener unternehmensspezifischer Vorgaben zu erhöhen. Was Führungspositionen sind, definieren sie aber nicht. Das bestätigt auch eine Antwort der Bundesregierung. Ich lese sie vor und bitte, genau hinzuhören: Die Zielvorgaben unterscheiden sich dabei sowohl nach Höhe als auch nach Basisgröße. Es fehlt ... an einer einheitlichen Definition des Begriffs "Führungsposition". Das heißt doch übersetzt, dass die Führungsmänner in den Unternehmen jetzt machen können, was sie wollen. Das ist meiner Ansicht nach nicht das, was wir als SPD uns unter Fortschritt vorstellen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Caren Marks [SPD]: Das ist der Gipfel!) Schauen wir uns doch einmal genauer an, was in diesem Papier "Frauen in Führungspositionen" steht. Einige Unternehmen sagen, sie legen sich auf überhaupt keine Zielgröße fest. Andere Unternehmen wollen eine Quote irgendwo zwischen 12 und 35 Prozent. Unklar ist, was sie damit meinen. Meinen sie eine Quote, eine Zuwachsrate, deutschlandweit oder weltweit, im ganzen Konzern? Niemand weiß es genau. Aber was wir genau wissen, ist: Die Vorstände und die Aufsichtsräte kommen nicht vor und sind nicht gemeint. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Frau Ministerin, ich sage es eigentlich ungern, aber es ist tatsächlich so: Sie haben sich ganz schön an der Nase herumführen lassen. Denn wie wollen Sie die Einhaltung so ungenauer Zielvorgaben eigentlich hinterher kontrollieren und die Ergebnisse vergleichen? Wer nichts Konkretes fordert, bekommt auch nichts Konkretes vorge-legt - das war die nüchterne Kritik Ihrer Kollegin und Ministerin Frau von der Leyen. Dem ist nichts hinzuzufügen, dem stimmen wir zu. (Beifall bei der SPD) Der letzte Freitag zeigt eigentlich, dass Sie es nicht wirklich ernst meinen. Am letzten Freitag gab es im Bundesrat eine Initiative der rot-grünen Landesregierung Nordrhein-Westfalens, ein Gesetz in den Bundestag einzubringen. Sie haben mit Ihren Stimmen dieses Gesetz von Rot-Grün abgelehnt. Wo ist da das ernsthafte Bemühen, für die Frauen etwas nach vorne zu bringen? Ich sehe es nicht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Aber was erwarten Sie von der Koalition?) Es ist klar, dass wir eine verbindliche gesetzliche Regelung brauchen; wir brauchen eine verbindliche Quote. Darum werden wir, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, zu gegebener Zeit ein entsprechendes Gesetz vorlegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich gehe davon aus, dass wir dann da auch Ihre Zustimmung erhalten. Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, richtig ist aber auch, dass wir nicht nur in der Privatwirtschaft eine Quote bzw. eine verbindliche Regelung brauchen, sondern auch in den Unternehmen, die vom Bund geleitet werden, oder auch in den Gremien der Politik. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Yvonne Ploetz [DIE LINKE]) Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion vom 24. November - so alt ist sie noch nicht - hat ganz eindeutig gezeigt, dass es keine paritätische Besetzung der Gremien gibt; es gibt sogar Gremien, in denen nur Männer vertreten sind. Ich glaube, auch hier müssen wir darüber diskutieren, ob wir nicht eine verbindliche Quote brauchen, sowohl für Bundesunternehmen als auch für Gremien der Politik. Frau Schröder, Sie haben angekündigt, dass Sie ein Gesetz vorlegen wollen. Heute steht im Ticker, dass es noch in der Schublade liegt. (Caren Marks [SPD]: Das Buch hat Vorrang!) Wir sind gespannt, wann das Gesetz, das auch die Bundesunternehmen einschließt, das Licht der Welt erblicken wird. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht ja nichts drin! - Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben den Schlüssel verloren!) Wir wissen nur, dass die FDP bisher verhindert, dass dieses Gesetz die Schublade verlässt. Ich denke, wir haben viel zu tun. Wenn uns die Festschreibung einer verbindlichen Quote wichtig ist, können wir heute Solidarität zeigen, indem wir alle dem Gesetzentwurf der Grünen sowie unserem Antrag zustimmen. Ich fordere Sie dazu auf. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Marco Buschmann für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Marco Buschmann (FDP): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt seit zwei Jahren Mitglied dieses Hohen Hauses. (Caren Marks [SPD]: Zwei Jahre zu viel!) Wir sprechen nun zum vierten Mal im Plenum über die Zwangsquote. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir doch schon!) Ich würde Sie bitten, einfach zu akzeptieren, dass uns das Ziel eint, gleiche Karrierechancen für Frauen und Männer zu schaffen, und dass wir uns alle dafür einsetzen. (Dr. Eva Högl [SPD]: Das glaube ich nicht!) Es geht einzig und allein um die Frage, ob Sie ein taugliches Instrument vorschlagen. (Dr. Eva Högl [SPD]: Sie schlagen gar nichts vor!) Sie schlagen heute wieder ein untaugliches Instrument vor. Das wissen Sie auch; sonst hätten Sie dieses ja während Ihrer eigenen Regierungszeit umgesetzt. Das Instrument, zu dessen Umsetzung Sie uns hier wieder drängen wollen, ist auch deshalb untauglich, weil es sich auf eine ganz kleine Gruppe beschränkt. (Dagmar Ziegler [SPD]: Fangen wir erst mal an!) Sie reduzieren nämlich den Begriff Führungskraft auf die Organe von Kapitalgesellschaften und die Geschäftsleitungen mitbestimmter Unternehmen. (Dr. Eva Högl [SPD]: Sie machen doch gar nichts!) In Anbetracht dieses Befundes frage ich Sie ernsthaft: Glauben Sie, mit diesem Minielitenprojekt irgendetwas an der gesellschaftlichen Realität in diesem Land ändern zu können? (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn plötzlich gegen Eliten?) Das möchte ich Sie ernsthaft fragen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Zurufe von der SPD) Glauben Sie denn wirklich, mit aggressiver Konfrontation würde mehr erreicht als mit intelligenter Kooperation? Ich möchte Sie bitte einmal mit dem zahlenmäßigen Befund hinsichtlich des Gipfels vom 17. Oktober dieses Jahres konfrontieren. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie vorher eine Zwischenfrage des Kollegen Beck? Marco Buschmann (FDP): Weil ich keine neuen Aspekte erwarte, mache ich das nicht. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr souverän! - Zurufe von der SPD) - Hören Sie bitte einmal zu! Sie behaupten ja immer, wir hätten nichts erreicht. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie erzählen so viel Unsinn!) Vertreter der Regierung haben mit den DAX-Konzernen am 17. Oktober 2011 im Wege der freiwilligen Selbstverpflichtung mehr erreicht, als Sie mit Ihren Zwangsquotenvorschlägen erreichen können. (Elke Ferner [SPD]: Sie haben noch gar nichts erreicht!) Demnach wird der Anteil von Frauen in Führungspositionen bis 2020 bis auf 35 Prozent steigen: bei Adidas auf bis zu 35 Prozent, bei der Lufthansa auf bis zu 30 Prozent. (Elke Ferner [SPD]: Das wissen Sie doch gar nicht genau!) Da kann man doch nicht sagen, es sei nichts passiert. Das gilt vor allen Dingen deshalb, weil der Begriff Führungskraft viel weiter gefasst ist und sich nicht auf das Placebo "Organe von Kapitalgesellschaften" beschränkt. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum wollen denn alle Männer dorthin, wenn es da so langweilig ist?) Das ist nämlich das Erfreuliche an dieser Vereinbarung. So sagt zum Beispiel Volkswagen, dass die eigenen Zielvorstellungen nicht nur für die paar Personen im Vorstand und im Aufsichtsrat gelten, sondern für die untere, mittlere und obere Führungsebene gleichermaßen. (Caren Marks [SPD]: Ihre Rede ist unterstes Niveau!) Infineon will seine Vorgaben auf oberer und mittlerer Führungsebene verwirklichen. Auch Henkel hat sich das Ziel gesetzt, die eigenen Zielvorgaben im gesamten Managementbereich umzusetzen. Das geht viel weiter, als wenn man sich nur auf ein paar Personen im Vorstand und im Aufsichtsrat kapriziert. Ich erwähne das deshalb so ausdrücklich, weil den gut qualifizierten Frauen in Deutschland eben nicht geholfen ist, wenn man nur ein paar Dutzend Topmanagerinnen mit einer Zwangsquote für Organe von Kapitalgesellschaften beglückt. Vergleichen wir einmal Ihren Vorschlag mit unseren Erfolgen: Was wäre die Folge, wenn man Ihr Modell auf die DAX-30-Gesellschaften übertragen würde? Die Zahl der Vorstandsmitglieder und Aufsichtsräte in den DAX-30-Konzernen beträgt rund 480 Personen. Selbst wenn man die Hälfte dieser Positionen per Zwangsquote mit Frauen besetzen würde, hätte man gerade einmal etwas für die Karriere von 240 Frauen in Deutschland getan. (Dr. Eva Högl [SPD]: Damit fangen wir mal an! Mit den 240 Frauen!) Setzt man das in Bezug zu den etwa 15 Millionen weiblichen Erwerbstätigen in Deutschland, dann ergibt sich ein Anteil von 0,0016 Prozent. Sie verändern so nichts an der gesellschaftlichen Realität. (Beifall bei der FDP - Widerspruch bei der SPD - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Dino des Jahres! Ich schlage Sie vor!) Nimmt man dann noch an, dass es zu Doppel- und Triplemandaten in Aufsichtsräten kommen wird - wie die Erfahrungen mit der Zwangsquote in Norwegen zeigen -, sinkt dieser kaum messbare Anteil noch weiter. Ihr Vorschlag geht damit an den Chancen Millionen gut ausgebildeter Frauen in unserem Land vorbei. Sein Effekt ist eine Quantité négligeable. Sie betreiben nur Symbolpolitik, um sie ins Schaufenster zu stellen, aber ändern nichts. (Caren Marks [SPD]: Ihre Rede ist so flach, da kann man die Füße auf dem Teppich lassen!) Nicht einmal den Lucky Few, die von Ihrem homöopathischen Instrument profitieren können, wird das wirklich etwas bringen. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das eine Kabarettveranstaltung oder was?) Wir wissen doch schon heute, was passiert, wenn die Zwangsquote aggressiv und konfrontativ gegen die Unternehmen durchgedrückt wird: Keine einzige Gesellschaft wird erfolgreiche Vorstände und Aufsichtsräte feuern, nur weil sie Männer sind. Man wird die Quote dann über die Aufblähung von Gremien erfüllen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was sagt denn Ihre Mutter zu dem Unsinn?) Plötzlich gibt es dann Vorstandspositionen für Corporate Social Responsibility oder Ähnliches, die mikroskopische Budgetverantwortung tragen werden. Das ist kein Beitrag für eine Gleichberechtigung bei den Karrierechancen von Männern und Frauen in unserem Land. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Diese Fakten erkennen Sie im Grunde doch auch an. Daher sprechen auch Sie immer von einem Hebeleffekt. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Der Hebel liegt bei Ihnen!) Als ob automatisch etwas nach unten durchsickern würde, nur weil man oben an der Spitze etwas getan hat! Ihr Argument lautet: (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was sagt denn Ihre Mutter dazu?) Seien erst einmal genug Frauen in den wenigen Top-positionen, würden diese schon dafür sorgen, dass alles besser wird. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Pronold? Marco Buschmann (FDP): Auch da erwarte ich keinen Erkenntnisgewinn. - Ein solcher Hebeleffekt ist jedoch bloß ein Mythos; denn die sozialwissenschaftliche Forschung hat ihn widerlegt. Meine Kollegin Bracht-Bendt hat auf die Forschungsergebnisse von Catherine Hakim von der London School of Economics hingewiesen. Frau Hakim hat untersucht, was in Norwegen passiert ist. Haben die Frauen in Top-positionen dafür gesorgt, dass in nachgeordneten Führungsebenen mehr Frauen verantwortliche Positionen bekommen? Frau Hakim hat es wissenschaftlich untersucht und festgestellt, dass nichts dergleichen passiert ist. (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das ist ja unglaublich!) Der Anteil der Frauen in diesen Positionen unterhalb des Vorstands ist sogar gesunken. Laut der Forschungsergebnisse von Frau Hakim steht Norwegen diesbezüglich heute sogar schlechter da als Deutschland. Lange Rede, kurzer Sinn: (Lachen und Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die jüngste Selbstverpflichtung der DAX-30-Unternehmen bewirkt deutlich mehr; denn wegen des in diesem Konzept enthaltenen weiten Begriffs von Führungskraft werden Tausende von Führungspositionen erfasst. Das Beispiel zeigt: Die Mehrheit aus Union und FDP hat in den letzten zwei Jahren mehr konkrete Erfolge erzielt als Sie zu den Zeiten, in denen Sie Regierungsverantwortung getragen haben. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts gelernt!) Das ist es, was Ihnen so wehtut. Das ist es, was Sie so aggressiv macht. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bürgerrechtspartei ergreift das Wort! Da klatscht ja nicht einmal mehr die CDU! - Zurufe von der SPD) Wir sind auf einem guten Weg in Richtung Gleichberechtigung bei den Karrierechancen. Durch Ihren Vorschlag einer Zwangsquote werden wir uns davon nicht abbringen lassen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Durchgefallen!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Barbara Höll für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Buschmann, viel konnte man von Ihnen ja nicht erwarten. Das wird klar, wenn man sich Ihre Fraktion im Bundestag anschaut: Mit Mühe und Not hat man einen Frauenanteil von 25 Prozent erreicht. Bei der CDU sind es nicht einmal 20 Prozent. Sie sollten erst einmal in Ihren eigenen Reihen anfangen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt ja auch einen männlichen Fraktionsvorsitzenden!) Man hat den Eindruck, da ist so etwas wie ein Männerbündnis, das nach dem Motto arbeitet: Wir verhindern das bei uns und helfen euch in der Wirtschaft, damit das genau so weitergeht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich bin - das muss ich wirklich sagen - ein bisschen enttäuscht, dass die Frau Ministerin in dieser Debatte gar nichts zu sagen hat. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie hat inhaltlich eben nichts zu sagen, und deshalb schweigt sie lieber. (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Wir wollten reden!) Gestern Abend habe ich den Taxifahrer, der mich nach Hause gefahren hat, gefragt, ob er etwas von der Diskussion über eine Quote für Frauen in Führungsetagen gehört hat. Er sagte: Nein. - Ich fragte ihn, was er davon hält. Er sagte: Klar können die Frauen das machen, die können es doch. - Ich: Was denken Sie denn, woran es liegt? - Er: Die Kerle sind einfach zu verbohrt. Drei klare Antworten! (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube, der Mann hat recht. Aber man muss es noch ein bisschen aufdröseln: Sicher, ganz viele Menschen in unserem Land bewegt die Lage der Frauen. Sie bewegt der Umstand, dass Frauen in Minijobs weggedrückt werden, dass Frauen wenig verdienen - sie würden am meisten von einer Mindestlohnregelung profitieren -, dass insbesondere Alleinerziehende von Armut bedroht sind und dass Frauen wissen, dass sie im Alter ganz geringe Renten erhalten werden. Das bewegt ganz viele Menschen. Viele Menschen sagen aber auch, dass wir in der Wirtschaft etwas tun müssen. So wie von unten etwas getan werden muss, muss auch von oben gedrückt werden, damit sich etwas verändert. Deshalb ist es notwendig, dass wir hier darüber reden. (Beifall bei der LINKEN) Es ist inzwischen unstrittig und nachgewiesen - das wurde hier schon gesagt -, dass unter betriebswirtschaftlichen Aspekten die Unternehmen am besten funktionieren, die eine geschlechtergemischte Führung haben, die also weder reine Frauenführungen noch reine Männerführungen haben, sondern in etwa gleich viele Frauen und Männer in Führungspositionen haben. Dafür gibt es verschiedene Ursachen: Es gibt unterschiedliche Strategien zur Konfliktlösung. Es gibt unterschiedliche Blicke auf das, was für ein Unternehmen wichtig ist. Ich formuliere es einmal ein bisschen drastisch: Sie erinnern sich vielleicht alle noch daran, dass es vor etwa einem Jahr einen ziemlich großen Skandal gab. In der Bild stand ganz groß: Extra-Vergütung der Mitarbeiter einer deutschen Versicherung in Ungarn in Form eines Sexurlaubs. Stellen Sie sich einmal vor, auch in diesem Unternehmen wären auf allen Ebenen Positionen mit Männern und Frauen gleichermaßen besetzt gewesen. Glauben Sie, dann wäre das zustande gekommen? (Zuruf von der FDP: Das weiß man nicht!) Glauben Sie, die Frauen hätten es als Auszeichnung empfunden, dass sie in ein Bordell gehen sollen? Glauben Sie, dass die Frauen im Vorstand einer solchen Art und Weise der Vergütung zugestimmt hätten? Niemals, sage ich Ihnen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich habe natürlich nachgeschaut: Auch in diesem Unternehmen sind nur drei Frauen im Aufsichtsrat, bei 20 Mitgliedern; eine Frau ist im Vorstand, eine einzige. Aber ich sage Ihnen: Eine Frau alleine ist nicht in der Lage, die Verhältnisse zu ändern. Bei solchen Verhältnissen wird eher diese Frau verändert. Viele Frauen zusammen können aber die Verhältnisse ändern. Deshalb brauchen wir die Quote. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Die freiwillige Selbstverpflichtung ist offenkundig gescheitert. Das bringt nichts. Sie fordern immer mal wieder: Mehr Frauen in die Politik! Das bringt nichts. Es passiert nichts. Auch in der Wirtschaft passiert nichts. Der Taxifahrer gestern sagte: Die Männer sind zu verbohrt. Worum geht es denn? Interessanterweise bekommen die wenigen Frauen, die es geschafft haben, die in den Führungsetagen sitzen, im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen weniger Gehalt, weniger Sonderzahlungen, weniger Boni. In erster Linie geht es schlicht und ergreifend um Geld, Prestige, Einfluss und Macht. Die Männer sind nicht bereit, all dies abzugeben. Sie werden das nicht freiwillig abgeben. Wir können nur gesetzlich dagegen vorgehen. Wir haben aktuell die Situation, dass wir die bestausgebildete Generation von Frauen haben, diese aber an eine gläserne Decke stoßen. Das ist ein wichtiger Aspekt. Wir müssen über Arbeitszeiten, über fehlende frauenspezifische Weiterbildungsmöglichkeiten, über absurde Mobilitätsanforderungen und über die absurde Anforderung, im Arbeitsleben ständig verfügbar zu sein, reden. Wir brauchen eine menschlichere Arbeitswelt. Diese menschlichere Arbeitswelt kommt Männern wie Frauen entgegen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Dafür brauchen wir tatsächlich, angefangen bei den Führungsebenen, eine 50-Prozent-Quote. Wir brauchen, nebenbei gesagt, auch viel mehr Männer in den derzeit typischen Frauenberufen. Dann bekommen wir eine Gesellschaft und eine Arbeitswelt, die allen Menschen zugutekommt und in der alle ihr Leben wesentlich besser gestalten können. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage Ihnen: Auch wenn Sie heute die beiden vorliegenden Anträge - wir unterstützen sie - ablehnen, ist ein weiterer Antrag im parlamentarischen Gang, nämlich unser Antrag "Geschlechtergerechte Besetzung von Führungspositionen der Wirtschaft". Das wird die nächste Etappe; denn wir werden nicht aufgeben, an dieser Sache gemeinsam zu arbeiten. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Ekin Deligöz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir heute über die Frauenquote diskutieren, ist ja kein Selbstzweck. Es geht hier nicht nur um Rollenbilder. Klar ist: Es gibt Herausforderungen in dieser Gesellschaft, die wir meistern müssen, zum Beispiel den Fachkräftemangel oder - darüber haben wir heute Morgen geredet - die Finanzkrise. Diese Herausforderungen können wir nur bewältigen, wenn Männer und Frauen gemeinsam Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen. Weil wir Entscheidungen gemeinsam treffen wollen, diskutieren wir heute über die Frauenquote. Sie werden jetzt sagen: Dann sollen die Frauen sich doch beteiligen, wenn sie es wollen. Das ist doch ganz klar und einfach. - Wenn wir uns die Besetzung der Vorstände und der Aufsichtsräte anschauen, stellen wir aber fest, dass das, was in dieser Gesellschaft eigentlich selbstverständlich sein sollte, eben nicht selbstverständlich ist. Es ist nicht klar, es ist nicht so einfach. Deshalb diskutieren wir hier heute über die Frauenquote. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Es geht nicht nur darum, dass der weibliche Blick auf die Dinge berücksichtigt wird - Frau Höll, ich gebe Ihnen recht; das sollte so sein -, sondern es geht auch darum, dass die Herausforderungen so kompliziert sind, dass wir die Besten der Besten in dieser Gesellschaft brauchen, um die entsprechenden Entscheidung zu treffen. Wir brauchen Sachverstand, wir brauchen die Kapazitäten, und wir brauchen die Kenntnisse. Im Moment ist es so, dass in den Entscheidungsgremien nur Männer, möglicherweise die besten, ausgesucht werden (Caren Marks [SPD]: Wenn überhaupt!) und nicht die Besten der Gesellschaft. Zu den Besten der Gesellschaft gehören nun einmal Frauen dazu. Sie stellen die eine Hälfte der Bevölkerung. Erst, wenn tatsächlich die Besten der Besten gesucht werden, können wir davon reden, dass die Potenziale in diesem Land genutzt werden. Ehrlich gesagt: Wenn wir das nicht tun und wir uns nur auf die eine Hälfte der Gesellschaft beschränken, dann werden nicht die Besten ausgewählt, sondern nur die Zweitbesten. Das, was Herr Buschmann hier in seiner Rede vorgetragen hat, bestätigt genau diese These. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Wenn wir Frauen in verantwortungsvollen Positionen haben wollen, dann bringt dies mit sich, dass Frauen sich behaupten müssen. Gerade wir Politikerinnen wissen doch, was es heißt und wie schwierig es ist, sich in einer männerdominierten Welt zu behaupten. Umso wichtiger ist es, dass sich die Abgeordneten hier im Bundestag zusammen für eine Quote einsetzen und diese durchsetzen. Das ist unser Auftrag. Ich fände es sehr schade, wenn die Entscheidung heute von parteipolitischen Überlegungen bestimmt würde. Frau Winkelmeier-Becker, Sie kennen die Argumente. Sie haben mit ihrer Argumentation absolut recht. Es sollte eine Frage des Gewissens sein, sich für die andere Hälfte der Gesellschaft zumindest genauso stark einzusetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Ich lade Sie dazu ein, mit uns genau das zu tun und diese Frage nicht unter die parteipolitischen Räder kommen zu lassen. Womöglich entspricht der jetzt vorliegende Vorschlag nicht Ihren Vorstellungen. Ich und meine Fraktion sind aber gerne bereit, mit Ihnen an einem Kompromiss zu arbeiten. Warum? Wir haben jetzt ein Zeitfenster bis zum Jahre 2013. Wenn wir etwas in dieser Gesellschaft bewegen und verändern wollen, müssen wir dieses Zeitfenster nutzen. Wenn es sich schließt, werden wir die nächsten zehn Jahre hier sitzen und abwarten müssen, bis sich womöglich wieder eine Möglichkeit ergibt. Das dauert mir zu lange. Das dauert auch für diese Gesellschaft zu lange. Wir müssen deshalb jetzt handeln und nicht später. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Ich denke, es wäre wieder einmal an der Zeit, dass Frauen gemeinsam Verantwortung im Parlament übernehmen. Frauen haben in diesem Parlament vieles bewegt, angefangen bei dem Gewaltschutzgesetz bis hin zum Embryonenschutzgesetz und zur Patientenverfügung. Wir haben es immer geschafft, einen anderen Blick auf die Dinge zu werfen. An dieser Stelle ist es wieder an der Zeit, wenn sie nicht fast schon wieder vorbei ist. Deshalb eilt es. Lassen Sie uns uns gemeinsam an einen Tisch setzen und gemeinsam ein Gesetz machen! Lassen Sie uns in diesem Land etwas bewegen! Eine Alternative dazu haben wir nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Michaela Noll [CDU/CSU]: Reden Sie mal mit der SPD!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Dorothee Bär für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Dorothee Bär (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mich persönlich ärgert es sehr, dass wir diese Debatten im Deutschen Bundestag immer noch führen müssen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN) Mich ärgert es auch deswegen, weil wir das Jahr 2011 schreiben und ich es nicht für möglich gehalten habe, dass wir uns 2011 noch über solche eigentlich selbstverständlichen Dinge unterhalten müssen, wie dass wir mehr Geschlechtergerechtigkeit in diesem Land brauchen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN) Wir hatten in dieser Woche eine gemeinsame Aktion aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. Es waren Kolleginnen aller sechs Parteien sowie Journalistinnen und Mitarbeiterinnen da. Es herrschte eine sehr positive und sehr angenehme Stimmung. Es hat mich dazu gebracht, zu erkennen, dass wir gemeinsam zu Ergebnissen kommen können, wenn wir versuchen, es konsensual zu lösen. Liebe Kollegin Högl, ich fand den Anfang Ihrer Rede ganz hervorragend. Ich fand es etwas schade, dass Sie gegen Ende verbal so aufgerüstet haben. Sie sind bei Twitter charmanter als im Plenum. Ich hätte mich einfach gefreut, wenn wir so konsensual gemeinsam hätten arbeiten können, wie das zum Beispiel mit Ihrer Kollegin Ziegler der Fall ist, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Caren Marks [SPD]: Dann können Sie doch zustimmen!) weil es wichtig ist, dass wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen und uns überlegen, diese Schritte zu gehen. Wir sind weiter als noch vor einigen Jahren. Ich glaube, dass sich keiner unserer männlichen Kollegen - egal von welcher Partei hier im Bundestag - irgendwo hinstellen und bestreiten kann, dass die Zustände, die wir hier beklagen, so sind, wie sie sind. (Dr. Eva Högl [SPD]: Buschmann!) Da sind wir auf jeden Fall weiter. Man kann sagen, dass es noch nicht reicht. Da bin ich bei Ihnen. Ich sage aber zumindest für meine Fraktion, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass einer meiner Kollegen mit einer anderen Einstellung zu Hause in seinem Wahlkreis oder auch bei der Frauen-Union einen Stich machen könnte. Das gilt vielleicht nicht für die Piraten. Der Vorsitzende hier in Berlin hat gesagt, dass es bei den Piraten deswegen so wenige Frauen gebe, weil die sich nicht trauten, vor vielen Menschen zu reden. Ich glaube, da sind wir insgesamt schon wesentlich weiter. Es ist mehrfach zitiert worden, dass wir Bildungsgewinnerinnen und Karriereverliererinnen sind. Selbstverständlich, lieber Kollege Buschmann, muss man diesen Mangel an weiblichen Vorbildern gerade an der Spitze deswegen beheben, weil weibliche Vorbilder wichtig sind, weil diese talentierte Frauen nachziehen müssen, die wiederum selbst Vorbilder sein müssen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN - Monika Lazar [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ob das der Herr Buschmann versteht?) Die Zahlen und Fakten für das 21. Jahrhundert sind ungeheuerlich. Ich werde heute Abend bei einem Jubiläum der Frauen-Union sprechen dürfen. Sieht man sich an, was die Frauen in meiner Partei, in der CSU, schon 1981 festgeschrieben haben, muss man sich schon fragen, was in den letzten 30 Jahren eigentlich passiert ist. Hier geht es nicht nur um die letzten zehn Jahre, in denen es nicht so gelaufen ist, wie wir uns das vorgestellt haben. Da gebe ich Ihnen recht. Leider Gottes kann man auch die Reden von vor 30 Jahren eins zu eins heute noch halten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte nicht, dass wir diese Potenziale weiter vergeuden, sondern dass wir unser Bewusstsein schärfen. Mittlerweile haben viele meiner Kolleginnen, aber auch Kollegen - das haben Sie heute mitbekommen, Kollegin Winkelmeier-Becker hat schon gesprochen, die Kollegin Rita Pawelski wird gleich im Anschluss noch sprechen -, auch innerhalb meiner eigenen Arbeitsgruppe, in der ich übrigens mehr männliche als weibliche Mitglieder habe, die klare Auffassung: Wir sehen keine Lösung mehr, die ohne Gesetze auskommt. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Wir müssen uns, auch das ist angesprochen worden, fairerweise auch selbst beim Wort nehmen. Wir müssen im öffentlichen Dienst wesentlich besser werden. Wir müssen uns bei der Novellierung des Bundesgremienbesetzungsgesetzes damit auseinandersetzen. Den Beschluss der Gruppe der Frauen hat die Kollegin Winkelmeier-Becker auch schon zitiert. Danach soll der Frauenanteil in Führungspositionen und Aufsichtsräten 30 Prozent betragen. Dass wir uns über die Details noch austauschen wollen - wie es auch von der Kollegin Humme angesprochen wurde -, das ist klar. Ich glaube, dass die vielzitierte gläserne Decke zwar vorhanden, aber nicht unüberwindbar ist. Wenn wir uns gemeinsam an diese Aufgabe machen, dann ist sie überwindbar, weil wir gemeinsam etwas bewirken können. Ich habe einem meiner Kollegen versprochen, ihn zu zitieren, nämlich den Kollegen Josef Göppel von der CSU. Er wird nicht direkt mit Frauenpolitik in Verbindung gebracht, ist aber bei jeder Debatte anwesend und steht voll hinter uns. Der Kollege hat gesagt: "Ich bekomme lieber von der Fraktionsspitze einen Anpfiff als von meinen vier Töchtern." (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause - Zuruf von der SPD: Wunderschön!) Lieber Josef, ich finde das ganz hervorragend. Das ist der richtige Weg. Ich wünsche allen ganz viele Töchter, Mütter, Tanten und Cousinen; denn es ist wichtig, den Menschen zu sagen, dass es im Jahr 2011 nicht mehr so weitergeht wie bisher. Der Druck muss aufrechterhalten werden. Ich persönlich wünsche mir einen starken Druck. Elisabeth Winkelmeier-Becker hat von sanftem Druck gesprochen. Ob er sanft sein muss, weiß ich nicht. Er muss aber auf jeden Fall so beschaffen sein, dass er zielführend ist. Ich hätte mir gewünscht - das ist keine Kritik, sondern nur die offene Bitte - dass die SPD-Spitze es genauso wie die Grünen heute geschafft hätte, eine namentliche Abstimmung zu vermeiden. Das wäre für uns alle wesentlich leichter gewesen. Vielleicht hätte man den Kollegen Oppermann kurz herausholen und mit ihm reden können, ob er seinem Herzen nicht noch einen Stoß geben kann. Es wäre nämlich schön gewesen, wenn Sie gesagt hätten: Okay, wir bringen nicht die Kolleginnen in Schwierigkeiten, die eigentlich eine gemeinsame Lösung anstreben. Ich möchte nicht, dass ich Ihre beiden Anträge heute ablehnen muss. Das tut mir im Herzen weh, weil ich nicht möchte, dass am Schluss nur aus formalen Gründen keine gemeinsame Lösung zustande kommen kann. Mir geht es wirklich um die Sache. (Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin. Dorothee Bär (CDU/CSU): Einen Moment, Herr Präsident! (Heiterkeit) Mir geht es wirklich um die Sache. Deswegen hätte ich mich einfach darüber gefreut. - Jetzt freue ich mich, wenn der Kollege Beck meine Redezeit verlängert. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Bitte schön. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nur eine Bemerkung zur Klarstellung: Wenn Sie gewollt hätten, dass Sie nicht in diese vertrackte Lage kommen, wäre es Ihnen möglich gewesen, die Anträge zurückzuüberweisen. Das wäre aber natürlich nur gegangen mit einem klaren Signal, dass wir zwischen den Fraktionen gemeinsam an einer gesetzlichen Lösung arbeiten. Das hätten Sie haben können. Davon haben Sie keinen Gebrauch gemacht. (Rainer Brüderle [FDP]: Frage! Frage!) - Die Geschäftsordnung sieht vor, dass man Zwischenbemerkungen machen und Zwischenfragen stellen kann. Herr Brüderle, Sie sind lang genug hier im Haus. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Lesen ist manchmal hilfreich!) Ich will nur klarmachen, dass wir zu gemeinsamen Gesprächen über eine gesetzliche Lösung bereit sind. Das setzt aber voraus, dass ein Verhandlungsauftrag von Ihrer Fraktionsführung vorliegt. Wir können auch einen Gruppenantrag stellen. Ich glaube, im Haus hat die Position, die wir als Grüne vorschlagen, längst eine Mehrheit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Dorothee Bär (CDU/CSU): Herr Kollege Beck, vielen Dank für Ihre Zwischenbemerkung. Das wäre meines Erachtens aber nicht notwendig gewesen, weil ich Ihnen von hier aus meine Mitarbeit anbiete. Wir wollen gemeinsam zu einer Lösung kommen. Das hätte man heute vielleicht etwas eleganter machen können. (Dr. Eva Högl [SPD]: Machen müssen!) Das heißt aber nicht, dass dieser Auftrag nicht klar erkannt ist. Ich freue mich, wenn wir jetzt weitermachen und mit vielen Kolleginnen und Kollegen interfraktionell eine Berliner Erklärung erarbeiten, in der wir unser gemeinsames Ziel festlegen. Denn ich möchte nicht, dass sich die Töchter von Josef Göppel - sollten sie eines Tages Bundestagskolleginnen von uns sein - noch mit diesen Themen auseinandersetzen müssen. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Elke Ferner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Elke Ferner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Zunächst möchte ich Frau Winkelmeier-Becker und Frau Bär für ihre Redebeiträge danken, (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) weil ich denke, dass wir auf dieser Basis - auch wenn Sie heute wegen des Fraktionszwangs nicht so abstimmen können, wie Sie vielleicht gerne abstimmen möchten - vielleicht doch noch in dieser Wahlperiode wenigstens zu einem Einstieg in eine gesetzliche Regelung kommen, die den Namen auch verdient hat. Dass Frauen in deutschen Führungs- und Aufsichtsgremien auch im 21. Jahrhundert Mangelware sind, ist kein Naturgesetz. Dagegen können Mann und Frau etwas tun. Man muss das nur wollen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die Wirtschaft hat in den letzten zehn Jahren ihre Chance gehabt. Ich verhehle nicht, dass ich vor zehn Jahren zu denjenigen in meiner Fraktion gehört habe, die gegen eine freiwillige Vereinbarung waren. Es ist leider das eingetreten, was wir damals befürchtet haben: Sie hat null bewirkt. Ich finde, das waren zehn vergeudete Jahre und zehn Jahre zu viel, in denen viele Platzhirsche in den Chefsesseln sitzen geblieben sind und in denen viele junge, qualifizierte Frauen nicht dahin gekommen sind, wo sie hingehören, nämlich an die Spitze bzw. in die Aufsichtsräte von Unternehmen. Daran müssen wir jetzt etwas ändern. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich denke, dass die letzten zehn Jahre eigentlich allen die Augen geöffnet haben müssten, dass Freiwilligkeit nicht zu mehr Gleichstellung führt. Dass wir uns im internationalen Vergleich schämen müssen, ist leider auch wahr, weil sich in den letzten zehn Jahren nichts bewegt hat. Andere Länder sind viel weiter. Das Beispiel Norwegen kennen wir alle. Es gibt dort verbindliche gesetzliche Regelungen, und sie wirken. Sie haben die Gleichstellung von Frauen und Männern nicht nur in den Unternehmen bzw. Aufsichtsräten, sondern auch in der Gesellschaft insgesamt verbessert. Ich sage Ihnen: Wer nach diesen Erfahrungen immer noch der Meinung ist, man könne es den Unternehmen selber überlassen, für Frauenförderung zu sorgen, der ist nicht von dieser Welt, Frau Schröder. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das müssten Sie eigentlich gelernt haben. Wenn Sie den Oppositionsrednerinnen schon nicht zuhören, dann sollten Sie wenigstens Ihren eigenen Fraktionskolleginnen zuhören. Ich fand es ziemlich ungehörig, (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wie demonstrativ desinteressiert Sie eben auf der Regierungsbank gesessen haben, als Ihre Fraktionskolleginnen geredet haben. (Dr. Eva Högl [SPD]: Ganz ungehörig war das!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gleichstellung musste immer erkämpft werden; das ist leider auch heute noch so. Deshalb dürfen wir es nicht den Blockierern überlassen, die Blockade zu beseitigen, sondern wir müssen das selbst in die Hand nehmen. Wir im Deutschen Bundestag müssen dafür sorgen, dass wir den Einstieg in die Gleichstellung von Frauen und Männern hinbekommen, nicht nur was die Führungspositionen in der Wirtschaft betrifft, sondern auch im Hinblick auf die Führungspositionen in Forschung und Lehre, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) in der Verwaltung, in Körperschaften des öffentlichen Rechts und in Gremien, die der Bund zu besetzen hat. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube, wir haben eine parlamentarische Mehrheit für dieses Anliegen. (Dr. Eva Högl [SPD]: Ja!) Dieses Anliegen wird auch von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt. Ich appelliere daher an die Fraktionsführungen von Union und FDP - in Ihrer Fraktion gibt es ja wahrscheinlich auch die eine oder andere vernünftige Kollegin -: Heben Sie den Fraktionszwang auf, (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wie wir es auch bei anderen Gelegenheiten schon gemacht haben, und lassen Sie uns aus der Mitte des Parlaments eine Regelung erarbeiten, mit der wir den Einstieg in die Verbesserung der Gleichstellung zwischen Männern und Frauen hinbekommen! Ich finde - das kann ich Ihnen leider nicht ersparen, Frau Schröder -, die Art und Weise, wie Sie sich als zuständige Ministerin verhalten, ist wirklich ein Trauerspiel. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie sind die für Frauen zuständige Ministerin. Sie sind die zuständige Ministerin, die dieses Thema eigentlich in Angriff nehmen müsste. Aber was machen Sie? Sie stehen auf der Seite der Blockierer in der Wirtschaft. Sie blockieren, anstatt Gas zu geben, Sie sitzen im Bremserhäuschen, und Sie erweisen den Frauen in diesem Land einen Bärendienst. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Bettina Hagedorn [SPD]: Und dann schreibt sie noch Bücher!) Wir haben unsere Eckpunkte vorgelegt. Es wird ein Gesetzentwurf folgen. Das heißt, wir werden noch weitere Gelegenheiten haben, über dieses Thema hier im Parlament zu diskutieren. Vielleicht haben sich bis dahin auch die Fraktionsführungen von Union und FDP dazu durchgerungen, den Fraktionszwang an dieser Stelle endlich aufzuheben, damit wir aus der Mitte des Parlament zu einer Lösung kommen können, die die Frauen in unserem Land weiterbringt. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat Kollegin Rita Pawelski für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Rita Pawelski (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein deutsches Sprichwort lautet: Mit Zank und Streit kommt man nicht weit. - Das gilt auch im Hinblick auf das Anliegen, mehr Frauen in Führungspositionen bzw. in Aufsichtsräte und Vorstände zu bringen. Zank und Streit haben wir eigentlich nicht mehr nötig, weil wir uns in so vielen Punkten einig sind; das dachte ich zumindest bis Mittwochabend. Da führten wir ein Gespräch, an dem Frauen aus allen Fraktionen und aus der Wirtschaft, Journalistinnen bzw. Frauen, die in den Medien arbeiten, und Vertreterinnen anderer Bereiche teilgenommen haben. Wir haben eine Linie dafür abgesteckt, wie wir überfraktionell und überparteilich in Verbindung mit Frauen aus der Wirtschaft, aus den Medien, aus den Verbänden, eben mit allen Frauen, in dieser Frage weiterkommen wollen. Diese Basis wurde von den Frauen der SPD leider verlassen. Das tut mir leid. (Rainer Brüderle [FDP]: So sind sie!) Ich bin enttäuscht darüber, dass Sie für heute eine namentliche Abstimmung durchgesetzt haben, wohl wissend, dass Sie uns damit zwingen, in eine Richtung zu stimmen, in die wir eigentlich nicht wollen. Sie verstehen das Geschäft gut; Sie wissen, was das bedeutet. Was bedeutet das aber für die Frauen, die eigentlich mit Ihnen zusammenarbeiten wollen? Sollen wir morgen oder übermorgen dann sagen: Wir haben zwar so gestimmt, aber nun reden wir wieder anders? Das schadet der Sache. Sie haben damit der Sache geschadet. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wir glauben, dass Ihnen der Streit und persönliche Eifersüchteleien wichtiger sind als die gemeinsame Sache. Sie haben uns damit sehr geschadet. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Meine Damen und Herren, wir alle sind uns doch eigentlich darin einig - ich versuche jetzt, die Gemeinsamkeiten zusammenzufassen -, dass die Chefetagen in den Unternehmen - vor allem in den Unternehmen mit staatlicher Beteiligung -, in den Behörden und auch die Gremien weiblicher werden sollen. Die jetzige Situation ist nicht akzeptabel. Ich glaube, hier stimmen uns sogar sehr viele Kollegen zu. Wir wollen und wir werden es nicht länger hinnehmen, dass Frauen in den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen gerade einmal zu 3 Prozent und in den Aufsichtsräten zu rund 11 Prozent vertreten sind. Es ist richtig: Wir reden seit über einem Jahr darüber. Ich habe viele Gespräche mit Vorständen zu diesem Thema geführt. Dabei habe ich immer wieder "Wir haben keine Frauen" oder "Die Frauen wollen diese Verantwortung nicht übernehmen" gehört. Was ist das für eine Arroganz, wenn man sagt: Von den vielen gut ausgebildeten Frauen sind nur sieben Frauen in der Lage, in dem Vorstand eines deutschen DAX-Unternehmens mitzuarbeiten? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN) Ich muss sagen: Eine solche Überheblichkeit, die sich hier einige leisten, ist schlimm und frauenfeindlich. So etwas dürfen wir uns nicht leisten. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bei mir hat sich der Eindruck verstärkt, dass Frauen sehr konkret aus diesem Personalkarussell herausgehalten werden: aus den Chefetagen, aus den Vorständen, aus den Aufsichtsräten. Das verstößt eindeutig gegen unser Grundgesetz. Dort heißt es in Art. 3 Abs. 2: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt". Ich wundere mich, dass noch keine Frau dagegen geklagt hat; denn an dieser Stelle wird das Grundgesetz mit Füßen getreten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich betrachte jetzt einmal nicht die oberste Führungsebene, sondern die Ebenen zwei und drei. Dort beobachte ich einen zarten Prozess des Umdenkens. Das zeigt mir: Der politische Druck der letzten Jahre hat Wirkung gezeigt. Auf Veranlassung unserer Ministerin Kristina Schröder haben sich erstmalig die Personalvorstände der DAX-30-Unternehmen getroffen. Das gab es noch nie; das muss man deutlich sagen. Es ist grundsätzlich gut, wenn sich die Personalvorstände unserer DAX-30-Unternehmen Gedanken über die Frauen in ihren Unternehmen machen. Es ist doch eigentlich klar: Sie brauchen die Frauen in ihren Unternehmen. Die demografische Entwicklung ist katastrophal. Wir brauchen Fachleute, und zwar nicht nur im unteren Bereich, sondern auch oben. Das hat man anscheinend erkannt, und man hat angeboten, dass man sich Ziele steckt. Diese Ziele erfüllen aber nicht alle. Manche bleiben hinter den Erwartungen zurück, die ich in sie gesetzt habe. Das Wichtigste ist aber: Bei dem Gespräch wurde nicht über Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen gesprochen. Es ist klar: Personalvorstände können darüber nicht beschließen; denn darüber entscheiden die Aufsichtsräte und die Hauptversammlungen. Das ist nicht ihre Sache, also müssen wir auf der anderen Ebene weiterarbeiten. Jetzt rede ich einmal in Richtung der rechten Seite des Hauses. In unserem Koalitionsvertrag haben wir, die christlich-liberale Koalition, vereinbart, den Anteil von Frauen in Führungspositionen im Rahmen eines Stufenplans maßgeblich zu erhöhen. Das begrüße ich ausdrücklich. Alle drei Parteien haben ihre Unterschrift unter den Koalitionsvertrag gesetzt. Aber zu einem Stufenplan gehört, dass man auch irgendwann die erste Stufe in Angriff nimmt und darlegt, wie sie aussehen soll. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Da helfen die Versprechen der Unternehmen nicht weiter. Wir sind hier der Gesetzgeber, und wir müssen handeln. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich bitte Sie: Trauen Sie sich! Auch andere Länder in Europa haben sich getraut. Ich nenne noch einmal Norwegen. Mit Blick auf die hier schon zitierte Untersuchung muss man allerdings fragen, wer sie in Auftrag gegeben hat. Der damalige norwegische Wirtschaftsminister, der die Quotenregelung umgesetzt hat und mit dem ich vor kurzem gesprochen habe, erklärte mir seine Beweggründe, warum er diesen Schritt für notwendig hielt. Seine Antwort war: Das war kein feministischer Schlachtruf. Auch die Fairness gegenüber Frauen hat weniger eine Rolle gespielt. Es waren knallharte wirtschaftspolitische Interessen. Das zeigt auch die Studie von McKinsey, die ganz aktuell veröffentlicht wurde. - Herr Präsident, ich bin sofort fertig. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, ich wollte Sie nur fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen wollen, mit der Sie Ihre Redezeit verlängern können? Rita Pawelski (CDU/CSU): Nein, wir wollen jetzt abstimmen. Entschuldigung. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Dann kommen Sie bitte zum Schluss. Rita Pawelski (CDU/CSU): Nach dieser Studie erzielen Firmen mit der größten Vielfalt im Vorstand - also mit Frauen und jüngeren Männern - 53 Prozent höhere Kapitalrenditen und 14 Prozent höhere Betriebsergebnisse als Firmen mit geringerer Vielfalt. Das zeigt ganz klar: Mit Frauen in der Spitze lässt sich ein Unternehmen noch viel erfolgreicher führen. Das sind Argumente, die eigentlich auch unseren Wirtschaftspolitikern einleuchten müssen. Frauen sorgen für mehr Umsatz und für mehr Kapitalzufluss. Also müssten Frauen doch dringend und sofort eingestellt werden. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen. Rita Pawelski (CDU/CSU): Meine Damen und Herren, Politik ist das Bohren dicker Bretter; das wissen wir. Wenn es um Frauenpolitik geht, sind die Bretter aber besonders dick. Ich habe immer den Eindruck: Männer bohren mit einer Black & Decker, und wir Frauen bekommen nur einen rostigen Handbohrer. Aber wir bohren weiter. Das verspreche ich Ihnen. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegin Ziegler. Dagmar Ziegler (SPD): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Pawelski, ich wollte an Sie vorhin eine Frage stellen. Ich mache das jetzt im Rahmen einer Kurzintervention. Wir waren uns auf dem Weg, den Sie beschrieben haben, alle sehr einig. Ich war froh darüber, dass wir es über die Fraktionsgrenzen hinweg geschafft haben, das Ziel zu formulieren, das uns eint, auch wenn die Wege unterschiedlich sind. Die FDP zieht einen anderen Weg vor. Die Mehrheit der Frauen im Parlament sagt jedenfalls, dass wir eine gesetzliche Regelung brauchen. Könnten Sie vielleicht Ihre Kritik an dem Verfahren, sprich an der namentlichen Abstimmung, überwinden? Sie könnten doch sagen: Es läuft, wie es läuft, aber angesichts des Ziels, dem wir uns als Frauen verpflichtet fühlen, schauen wir über diese Schwierigkeiten hinweg. So verhindern Sie, dass die Männer sagen: Seht einmal, die Frauen bekommen es einfach nicht hin. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollegin Pawelski, bitte. Rita Pawelski (CDU/CSU): Kollegin Ziegler, wir waren in der Tat auf einem guten Weg. Ich war sehr froh, dass es auch außerhalb der Politik genug vernünftige Menschen gibt, die gemeinsam und überparteilich an einem Ziel arbeiten wollen. Durch diese namentliche Abstimmung zwingen Sie uns aber in eine Position, die wir eigentlich nicht vertreten. Wir haben darüber gesprochen, und wir haben uns auf Sie verlassen. Ich bin daher doppelt enttäuscht, dass alles, was Sie zugesagt haben, nicht eingehalten wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Marina Schuster [FDP]) Ich danke da auch Herrn Beck, der sich dafür eingesetzt hat, dass die namentliche Abstimmung heute entfällt. Wir werden an dem Ziel weiterarbeiten; denn das Ziel ist für uns wichtiger als der Streit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/7953 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchsta-be a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/6527, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/3296 abzulehnen. Wir stimmen nun über den Gesetzentwurf auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen namentlich ab. Bitte denken Sie daran, dass wir anschließend eine weitere namentliche Abstimmung durchführen werden. Zu Tagesordnungspunkt 34 liegt eine ganze Reihe schriftlicher Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor.1 Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen. - Das ist offensichtlich erfolgt. Dann eröffne ich die erste namentliche Abstimmung. Ich stelle pflichtgemäß die Frage: Haben alle anwesenden Mitglieder des Hauses ihre Stimme abgegeben? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das offensichtlich so. Damit schließe ich die erste namentliche Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.2 Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel "Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände gesetzlich festschreiben". Der Ausschluss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/6527, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/4683 abzulehnen. Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung auf Verlangen der Fraktion der SPD namentlich ab. Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die zweite namentliche Abstimmung. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarte für die zweite namentliche Abstimmung eingeworfen? - Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen werden Ihnen später bekannt gegeben.3 Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation - Drucksache 17/7374 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - Drucksache 17/7993 - Berichterstattung: Abgeordnete Mechthild Heil Elvira Drobinski-Weiß Dr. Erik Schweickert Caren Lay Nicole Maisch Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Weiterhin liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Bundesministerin Ilse Aigner das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sicherheit gewährleisten und Selbstbestimmung ermöglichen - das ist die Zielrichtung meiner Verbraucherpolitik, die Zielrichtung der christlich-liberalen Verbraucherpolitik. Wer Verbraucherinnen und Verbraucher stärken und sie nicht bevormunden will, der sollte neben dem Schutz vor allem für eines sorgen, nämlich für Transparenz. Das Ziel ist vorgegeben. Wir gehen entschlossen Schritt für Schritt voran. Einen wesentlichen Schritt in diese Richtung gehen wir mit der Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes. Bürgerinnen und Bürger erhalten Auskunft über das, was die Behörden und Ämter wissen; insbesondere erhalten sie Informationen über Rechtsverstöße bei Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs. Das ist der Kern des Gesetzes. Die SPD hat das in der Großen Koalition damals mit beschlossen. Wir haben damals gemeinsam beschlossen, das Gesetz zu evaluieren. Weniger als ein Jahr nach Abschluss der Evaluierung haben wir heute, am 2. Dezember 2011, die zweite und dritte Lesung. Durch die Novellierung macht die christlich-liberale Koalition das Verbraucherinformationsgesetz noch besser, und zwar zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es soll einfacher, wirksamer (Ulrich Kelber [SPD]: Und teurer!) und noch bürgerfreundlicher werden. Wir machen es einfacher, (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: An welchen Stellen?) indem wir die Antragstellung per E-Mail erleichtern, (Zurufe von der SPD: Oh!) Fristen streichen und das Antragsverfahren verkürzen. Kurz und unbürokratisch - das ist das Motto. Wir machen es wirksamer, indem wir den Anwendungsbereich ausdehnen; denn für Verbraucher ist es schlicht nicht einzusehen, warum sie über Produkte wie Lebensmittel und Textilien Auskunft erhalten sollen, über Produkte wie Haushaltsgeräte, Möbel oder Spielzeug aber nicht. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Was ist mit den Finanzdienstleistungen?) Auch das sind Gegenstände des täglichen Lebens. (Beifall der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Hier soll das Verbraucherinformationsgesetz künftig wirken. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich gebe Ihnen ein zeitgemäßes praktisches Beispiel. Jetzt steht Weihnachten vor der Tür. Es werden sehr viele Lichterketten verkauft. Die Gewerbeaufsichtsämter überprüfen solche Lichterketten zum Beispiel darauf, ob Kabel überhitzt sind oder Brände ausgelöst werden können. Über die Erkenntnisse sollen die Verbraucher informiert werden, wenn sie bei den Behörden nachfragen. Das ist ein weiterer Fortschritt in diesem Bereich. Wir können und wollen auch nicht alle Bereiche ins VIG einbeziehen. Bei Finanzprodukten etwa gibt es keine Messwerte, die objektiv feststellbar sind. Bei Finanzprodukten ist das Risiko häufig die zweite Seite der Medaille; die erste sind die höheren Zinsen. Wer will in welchem Bereich wie davor warnen? Manche Menschen sind bereit, ein höheres Risiko einzugehen. Umso wichtiger sind eine gute, individuelle Beratung und eine gute Verbraucherbildung. Deshalb verpflichten wir gerade die Banken zu dem sogenannten Beipackzettel und den Beratungsprotokollen. Vorgestern haben wir im Kabinett den Beschluss zur Umsetzung des europäischen "Bruders", der Prospektrichtlinie, in nationales Recht gefasst, und zwar genau in unserem Sinne. Das sind keine Fragen des VIG, sondern des Anlegerschutzes. Auch hier setzen wir auf Transparenz und Information. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Schließlich machen wir das VIG auch bürgerfreundlicher, indem wir die Kosten für die Bürgerinnen und Bürger senken. Schon im heutigen System entstehen keine hohen Kosten. Interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens, dass Frau Künast seinerzeit in ihrem ersten Entwurf für alle Anfragen - für die kleinen und für die großen - die volle Kostendeckung vorgeschlagen hat. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Hört! Hört! - Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Da gab es gar kein VIG!) Bei uns sind künftig alle Anfragen bis 250 Euro kostenfrei. Aber wir ziehen natürlich auch irgendwo eine Grenze, die sich am Verwaltungsaufwand orientiert. Ich denke, das ist nur gerecht. Denn sonst muss der Steuerzahler die Rechnung zahlen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das VIG ist auch ein Teil meines Aktionsplanes, mit dem wir die Konsequenzen aus dem Dioxinskandal zu Anfang des Jahres ziehen und die gesamte Kette vom Futtertrog bis ins Ladenregal auf den Prüfstand gestellt haben. Wir stellen mit dem VIG klar: Grenzwertüberschreitungen sind kein Geheimnis. Messergebnisse bei Stoffen wie Dioxin, für die es Grenzwerte gibt, sind kein Geheimnis. Auch die Lieferkette ist bei Rechtsverstößen kein Geheimnis. Mir ist wichtig, dass die Verbraucher auf der Basis des VIG künftig schnell und möglichst umfassend informiert werden müssen. Rezepturen hingegen sind ausdrücklich ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. Sie müssen nicht offengelegt werden. Das haben wir auch klar im Gesetzentwurf verankert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Unser Aktionsplan ist übrigens zu weiten Teilen umgesetzt. Es waren zehn Punkte. Alles, was vom Bund geregelt werden konnte, ist erfolgreich geregelt worden. Wo der Bund federführend war und die Möglichkeit dazu hatte, haben wir dies gemeinsam mit den Ländern zügig abgehandelt. Gemeinsam handeln: Das will ich auch bei den Vorschlägen des Bundesrechnungshofes zur Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes. Dieser Bericht wurde übrigens von mir in Auftrag gegeben. Ich werde Vorschläge machen, wie wir gemeinsam mit den Ländern Fortschritte machen können, etwa bei den einheitlichen Standards, der einheitlichen Überwachung und beim Krisenmanagement. Ich appelliere an die Länder, sich zu beteiligen, und ich gehe davon aus, dass mich auch die Opposition in diesem Hohen Haus dabei nachdrücklich unterstützt. Ich appelliere an die Oppositionsparteien, bei ihren zuständigen Länderministern um Unterstützung zu werben. Die ersten Äußerungen dazu waren nicht sehr erfolgversprechend. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine Damen und Herren, wir haben mit dem VIG gute Erfahrungen gemacht. Sicher, es gab im Vorfeld auch Bedenken vonseiten der Wirtschaft. Aber in der Realität haben sich diese nicht bewahrheitet. Das breite Heer der seriös wirtschaftenden Unternehmen in Deutschland braucht keine Sorgen zu haben. Im Gegenteil: Es kann vielmehr damit rechnen, letztendlich vom Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu profitieren. Die christlich-liberale Koalition setzt nach wie vor verstärkt auf Transparenz zugunsten der Verbraucher. Wir stärken die Unternehmen durch größeres Verbrauchervertrauen. Wir machen das VIG mit Augenmaß noch schlagkräftiger. Das VIG ist ein gutes Gesetz, und wir machen es heute noch besser. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, gebe ich Ihnen die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen bekannt. Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Entwurf eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten -: abgegebene Stimmen 525. Mit Ja haben gestimmt 236, mit Nein haben gestimmt 281, Enthaltungen 8. Der Gesetzentwurf ist abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 524; davon ja: 235 nein: 281 enthalten: 8 Ja SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Lothar Binding (Heidelberg) Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groschek Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Manfred Nink Thomas Oppermann Aydan Özoðuz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Dr. Martina Bunge Roland Claus Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Harald Koch Jan Korte Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Dorothée Menzner Cornelia Möhring Wolfgang Neškovic Thomas Nord Petra Pau Richard Pitterle Yvonne Ploetz Paul Schäfer (Köln) Raju Sharma Dr. Petra Sitte Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Kathrin Vogler Johanna Voß Halina Wawzyniak Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Klaus-Peter Flosbach Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Hartmut Koschyk Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Kristina Schröder Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Thomas Strobl (Heilbronn) Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Klaus-Peter Willsch Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Heinz Golombeck Miriam Gruß Dr. Christel Happach-Kasan Manuel Höferlin Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sebastian Körber Holger Krestel Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Christian Lindner Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Enthalten CDU/CSU Dr. Maria Flachsbarth Josef Göppel Monika Grütters Rita Pawelski Nadine Schön (St. Wendel) Elisabeth Winkelmeier-Becker FDP Sylvia Canel Helga Daub Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses: abgegebene Stimmen 524. Mit Ja haben gestimmt 286, mit Nein haben gestimmt 236, Enthaltungen 2. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 524; davon ja: 286 nein: 236 enthalten: 2 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Hartmut Koschyk Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Thomas Strobl (Heilbronn) Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Heinz Golombeck Miriam Gruß Dr. Christel Happach-Kasan Manuel Höferlin Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sebastian Körber Holger Krestel Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Christian Lindner Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Nein CDU/CSU Josef Göppel SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Lothar Binding (Heidelberg) Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groschek Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Manfred Nink Thomas Oppermann Aydan Özoðuz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Dr. Martina Bunge Roland Claus Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Harald Koch Jan Korte Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Dorothée Menzner Cornelia Möhring Wolfgang Neškovic Thomas Nord Petra Pau Richard Pitterle Yvonne Ploetz Paul Schäfer (Köln) Raju Sharma Dr. Petra Sitte Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Kathrin Vogler Johanna Voß Halina Wawzyniak Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Enthalten FDP Sylvia Canel Helga Daub Wir setzen die Aussprache fort. Das Wort hat die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Aigner, Sie gestatten - und erwarten wahrscheinlich auch -, dass ich heute einiges Wasser in den von Ihnen eben dargebotenen Wein gieße. (Zuruf von der CDU/CSU: Sie müssen das nicht!) Denn wenn wir heute Ihren Vorschlägen zum sogenannten Verbraucherinformationsgesetz zustimmen würden, dann hätten wir eine Chance vertan. Das heißt, Sie hätten sie vertan. (Christoph Poland [CDU/CSU]: Sie haben die Chance verpasst, was zu tun!) Sie hätten die Chance vertan, mehr Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher in dieser Legislaturperiode zu erreichen. Das ist fatal. So werden nun also die Verbraucherinnen und Verbraucher bis zum Jahr 2013 warten müssen, bis wir dann unter einer SPD-geführten Bundesregierung endlich ein Verbrauchergesetz auf den Weg bringen, das diesen Namen auch verdient. (Beifall bei der SPD - Dr. Gerd Müller [CDU/ CSU]: Rot-Grün hat sieben Jahre lang nichts hingebracht!) Mit dem von uns initiierten Entschließungsantrag vom Jahr 2006 haben wir eine Überprüfung des Gesetzes nach zwei Jahren festgeschrieben. Die in der Praxis gemachten Erfahrungen sollten ausgewertet und zur Verbesserung des VIG genutzt werden. Das ist ein Verbrauchercheck, den wir grundsätzlich für alle politischen Vorhaben fordern. Die Überprüfung hat eindeutig gezeigt: Das VIG, das Sie hier so preisen, ist überhaupt nicht verbraucherfreundlich. Das ist sogar noch freundlich formuliert. Wir denken, Verbraucher müssen leicht, verständlich und schnell erfahren können, was in und hinter Angeboten auf dem Markt steckt. Das VIG hätte dafür ein wichtiger Baustein sein können. Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und von der FDP, sind leider die notwendigen Änderungen nicht angegangen. Weiterhin gibt es keinen Auskunftsanspruch für Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber den Unternehmen. Weiterhin gilt das VIG nicht für Dienstleistungen. Ich denke, gerade in einer Zeit, in der Finanzdienstleistungen eine wichtige Rolle spielen, ist das ein großes Manko. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Kostenregelung bringt sogar Verschlechterungen gegenüber dem alten VIG. Bisher waren nämlich alle Anfragen zu Rechtsverstößen kostenfrei, und jetzt sollen kostendeckende Gebühren verlangt werden können, wenn der Verwaltungsaufwand für Anfragen zu Rechtsverstößen 1 000 Euro überschreitet. Damit werden natürlich wichtige Multiplikatoren abgeschreckt, beispielsweise die Umwelt- und die Verbraucherverbände, (Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Die haben die 1 000 Euro, keine Sorge!) aber auch kritische Journalisten. Behörden können die Bearbeitung von Auskunftsanliegen verweigern, wenn dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben beeinträchtigt würde. Welche Spielräume sich dadurch auftun, das überlasse ich Ihrer Fantasie. Proben - hören Sie bitte zu - müssen nun von mindestens zwei unabhängigen Laboren untersucht werden. Das wird doch ganz gewiss nicht dazu führen, dass die Bekanntgabe von Ergebnissen beschleunigt wird. Das alles ist nicht nur zu kurz gesprungen, sondern geht auch noch in die falsche Richtung. Aber die Regierungskoalition scheint sich heute sowieso auf diesem Weg zu befinden: auf dem Weg in die falsche Richtung. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir brauchen also eine neue Transparenzkultur in Deutschland. Wir brauchen alltagstaugliche und verbrauchergerechte Informationsmaßnahmen. Diese müssen als Chance begriffen und zur Selbstverständlichkeit werden und dürfen nicht länger als Behinderung, als Pranger oder gar als eine Gefahr für den Markt bezeichnet werden. Egal ob es um Nährwertampeln, um Offenlegungspflichten für Unternehmen, um ein Restaurantbarometer oder um die Veröffentlichung aller amtlichen Überwachungsergebnisse geht: Das VIG könnte - könnte! - zu dieser Transparenzkultur einen wichtigen Beitrag leisten. Doch das, was Frau Aigner hier vorlegt, verfehlt dieses Ziel. Aber, werte Kolleginnen und Kollegen, Frau Ministerin, noch haben Sie eine Chance. Wir haben Ihnen mit unserem Entschließungsantrag Vorschläge vorgelegt, wie das VIG doch noch verbraucherfreundlich gestaltet werden kann. Sie müssen einfach nur zustimmen. Wir wollen die Behörden nämlich verpflichten, Untersuchungsergebnisse von sich aus zu veröffentlichen. Wir wollen eine gesetzliche Grundlage für das sogenannte Restaurantbarometer und die verstärkte Nutzung aktiver Informationsmöglichkeiten. Wir fordern die Bundesregierung auf, ein Gesamtkonzept für Verbraucherinformationen vorzulegen und dabei sicherzustellen, dass Informationspflichten verständlich, nützlich und auch anwendbar sind. Wir wollen die Anbieter zur Information der Verbraucher verpflichten und den Auskunftsanspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher auf sämtliche Produkte und Dienstleistungen ausweiten. Wir wollen die Ausschluss- und Beschränkungsgründe im VIG eingrenzen. Wir wollen dieses Gesetz verbraucherfreundlich reformieren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wir freuen uns auf Ihre Unterstützung. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Erik Schweickert. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Erik Schweickert (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Elvira Drobinski-Weiß, du hast vorhin gesagt, ihr trätet dafür ein, dass 2013 - euer Wahlerfolg vorweggenommen - die nötigen Korrekturen vorgenommen würden. Du hast am 11. Mai 2006 in deiner Rede zur Einbringung des VIG gesagt - darf ich dich einmal daran erinnern? -: Wir wollen dafür sorgen, dass dieser Wagen namens Verbraucherinformation Räder bekommt, damit er fahren kann. (Ulrich Kelber [SPD]: Ja! Klasse!) Verbraucher und Verbraucherinnen müssen Zugang zu allen Informationen haben, die ihnen eine bewusste Auswahl von Produkten und Dienstleistungen ermöglichen und eine eigenverantwortliche Marktteilnahme gewährleisten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Was ist daran falsch?) Wenn das so ist, dann frage ich mich schon, warum ihr es uns überlassen habt, den an euch selbst gestellten Anspruch zu erfüllen. Ihr seid als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet; denn man hat noch nicht einmal die Produktinformation geregelt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Ulrich Kelber [SPD]: Da klatschen die, die dagegen waren! - Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist aber weit aus dem Fenster gelehnt!) Wir brauchen Verbraucherinformationen, die unbürokratisch und transparent sind. Denn nur ein aufgeklärter Verbraucher ist auch ein mündiger Verbraucher. Wenn ein Verbraucher eine Entscheidung für oder gegen einen Kauf treffen muss, dann braucht er ausreichende Informationen. Dabei geht es um Produkte und auch um Inhaltsstoffe von Lebensmitteln. Die Lebensmittelkrise - Stichwort: Dioxinvorfälle, Ehec - hat gezeigt: Wir müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher schnell warnen können. Mehr Transparenz, bessere und schnellere Informationen sowie wirklich weniger Bürokratie, das waren die Ziele bei unserer Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes. Meine Damen und Herren, liebe Verbraucherinnen und Verbraucher, die christlich-liberale Koalition hat hier wieder einmal geliefert. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Der vorliegende Gesetzentwurf trägt diesen Zielen nämlich umfassend Rechnung. Wir haben dieses Relikt aus vergangenen Tagen - ich bin gerade darauf eingegangen - überarbeitet. Die Evaluierung des alten Gesetzes hat gezeigt, dass es ein Gesetz von gestern war. Lassen Sie mich vier Punkte anführen, die belegen, welche Schwachstellen es gab. Erstens. Es gab nur sehr wenige Anfragen: 487; ich war einer derjenigen, die eine solche Anfrage gestellt haben. 66 Prozent dieser Anfragen kamen nicht einmal von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sondern von Journalisten und Fachverbänden. Zweitens. Die Antragstellung war außerordentlich bürokratisch. Man wusste nicht, ob die Antragsbearbeitung etwas kostet. Es wurden zwar 80 Prozent aller Anfragen kostenfrei bearbeitet, aber ich wusste es vorher nicht. Drittens. Dazu kam, dass der Anwendungsbereich des VIG auf den Bereich der Lebensmittel beschränkt blieb, obwohl man wohl etwas anderes wollte. Viertens. Das VIG hat sich in der Praxis im Hinblick auf die aus den verschiedenen Lebensmittelskandalen - Dioxinvorfälle, Ehec-Ausbreitung - zu ziehenden Konsequenzen nicht als tauglich erwiesen. Wir gestalten dieses Gesetz jetzt umfassender, transparenter, bürgernäher und unbürokratischer; denn wir weiten den Informationsanspruch aus. Für den Verbraucher ist es wichtig, möglichst viel zu wissen. Wenn ihm der Föhn am Kopf explodiert oder wenn er feststellt, dass ein Lebensmittel ungenießbar ist, dann hat er künftig die Möglichkeit, die nötigen Informationen zu bekommen. Wir fördern auch die schnelle Verbraucherinformation bei Grenzwertüberschreitungen und Verstößen gegen das Lebensmittelgesetzbuch. Das heißt, die Behörden haben mit dem VIG jetzt endlich die Grundlage, künftig zeitnah zu veröffentlichen und bei Verstößen für Verbraucherschutz zu sorgen. Das ist insbesondere dann relevant, wenn Gefahren für die menschliche Gesundheit bestehen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Ulrich Kelber [SPD]: Die Abwägungsklausel ist doch gar nicht rausgenommen!) - Zu der komme ich gleich, Herr Kelber. - Wir machen es unbürokratischer, weil die Anträge künftig per Telefon oder per E-Mail gestellt werden können. Es entsteht mehr Transparenz bezüglich der Gebühren; denn ich weiß künftig, ob es mich etwas kostet. Seien wir einmal ehrlich: Ein Verwaltungskostenaufwand bis zu 250 Euro ist grundsätzlich kostenfrei, und für bestimmte Informationen besteht sogar Kostenfreiheit bis zu einem Verwaltungsaufwand von 1 000 Euro. Damit machen wir dem herrschenden Gebührenwirrwarr ein Ende. Auch den Unternehmen, die sich übrigens in der vergangenen Woche mit großer Verärgerung über den Gesetzentwurf an mich gewandt haben, möchte ich sagen: Das Gesetz ist ein fairer Ausgleich zwischen dem berechtigten Anspruch der Verbraucher auf schnellere Informationen und auf Transparenz und dem ebenso berechtigten Interesse der Unternehmen, dass sie nicht an den Pranger gestellt werden, nicht fälschlicherweise verdächtigt werden bzw. ihre Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse nicht verletzt werden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir schützen dadurch die redlich arbeitenden Unternehmer, da bei einer Veröffentlichung das öffentliche Interesse gegenüber dem Schutz des Betriebsgeheimnisses klar überwiegen muss. Außerdem ziehen wir eine Bagatellgrenze ein, damit nicht jeder lapidare Verstoß veröffentlicht wird. Sie liegt bei einer Forderung von 350 Euro. Das wird in jeder Kommune so gehandhabt. Wir sorgen ebenfalls dafür, dass es zwei amtliche Proben geben muss, die den Verstoß bestätigen, bevor eine Behörde veröffentlichen darf. Somit gehen wir gegen Messfehler vor, und wir tragen zu einer gestärkten Rechtssicherheit für die Unternehmen, aber auch für die Behörden bei. Das heißt, die verfassungsrechtlichen Grundsätze sind gewahrt. Die Informationen müssen valide sein. Denn Hysterie hilft keinem Verbraucher, sondern nur tatsächliche und wahre Information. (Ulrich Kelber [SPD]: Informationen nach dem Verzehr nützen auch niemandem!) Auch der effektive Rechtsschutz ist gewahrt; denn selbstverständlich steht es den Unternehmen weiterhin frei, vor einem ordentlichen Gericht zu klagen. Aber wir verkürzen das Widerspruchsverfahren bei der Behörde auf maximal 14 Tage. Das ist auch nicht ungewöhnlich; denn in § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung steht schon heute, Herr Kelber, dass die Länder im Bereich der landeseigenen Verwaltung auf Widerspruchsverfahren ganz verzichten können. Anders als die Opposition lehnen wir eine Ausdehnung der Informationspflicht auf Unternehmen ab und sehen dies bei der Novellierung des VIG auch nicht vor. Denn redlich arbeitende Unternehmer stehen bereits heute im Austausch mit ihren Kunden; das interessiert sie, und sie nehmen diesen Austausch auch wahr. (Ulrich Kelber [SPD]: Die nicht redlichen wollen wir verpflichten! Genau darum geht es!) Außerdem bieten die Unternehmen umfassende Informationen auf den Produkten und zum Beispiel auch auf ihren Webseiten an. Ein gesetzlich fixierter Auskunftsanspruch mit Fristen usw. würde zu keiner Verbesserung der bisherigen Auskunftsmöglichkeiten führen, (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Lassen Sie sich doch mal darauf ein!) dafür aber zu einer bürokratischen Überfrachtung (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Ja, ja! Das Totschlagargument!) insbesondere kleiner und mittelständischer Unternehmen. Deswegen halten wir einen weitergehenden Auskunftsanspruch gegenüber den Unternehmen direkt für entbehrlich. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Ulrich Kelber [SPD]: Bei Ihnen sind die Funktionstasten mit diesen Phrasen belegt!) Meine Damen und Herren, mehr Transparenz statt Bürokratie, einfachere, aber dafür für die Verbraucher verständliche und im Alltag anwendbare Informationen - dafür stehen wir als Freie Demokraten, und dafür haben wir uns als christlich-liberale Koalition bei der Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes eingesetzt. Durch die Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes wird es nun das, was es schon immer hätte sein sollen: ein Transparenzgesetz. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Schön wär's! Chance vertan!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die Linken hat jetzt die Kollegin Caren Lay das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Caren Lay (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Menschen, die Verbraucherinnen und Verbraucher, machen sich sehr viele Sorgen, und sie stellen sich viele Fragen. Beispielsweise fragen sie, was in den Lebensmitteln steckt, die sie essen, und welche Dienstleistungen sie wirklich kaufen, zum Beispiel: Hält die Aufschrift auf der Käseverpackung, was sie verspricht? Ist der mir angebotene Kredit optimal, oder wird er mir nur deswegen angeboten, weil die Gewinnspanne für das Unternehmen besonders groß ist? Ist der Handyanbieter durch versteckte Kosten aufgefallen? Häufen sich bei einem Energieversorger die Beschwerden? Kann ich der Hygiene in der Imbissbude vertrauen? Auf die meisten dieser Fragen bietet der vorliegende Gesetzentwurf leider keine ausreichende Antwort. Denn auch künftig werden Verbraucherrechte eingeschränkt bleiben. Das schwarz-gelbe Verbraucherinformationsgesetz bietet keine Auskunftsmöglichkeit für Dienstleistungen, obwohl dies gerade bei den Finanzdienstleistungen das Gebot der Stunde wäre. Verbraucherinnen und Verbraucher verlieren jährlich zweistellige Milliardenbeträge allein durch Falschberatung. Hier haben Sie erneut die Chance verpasst, dieser Abzocke endlich einen Riegel vorzuschieben. Auch in der Telekommunikations- und der Energie-branche sieht es nicht besser aus. Auch hier häufen sich die Beschwerden der Verbraucherinnen und Verbraucher. Ausgerechnet an dieser Stelle kneift die Regierung. Das ist für uns als Linke einfach nicht hinnehmbar. (Beifall bei der LINKEN) Auch zukünftig muss der Umweg über die Behörden gegangen werden. Viel einfacher wäre es in der Tat, direkt von den Unternehmen Auskunft zu verlangen, und wenn die Unternehmen dies nicht freiwillig tun, dann muss man sie dazu verpflichten. Auch hier beugt sich die Koalition den Unternehmensinteressen. Wir als Linke stellen dem konsequent Verbraucherrechte entgegen. Dann das leidige Thema der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse: Statt konsequent Verbraucherrechte durchzusetzen, verzettelt sich die Regierung in Einschränkungen, um die sogenannten Geheimhaltungsinteressen von Unternehmen zu schützen. Ich kann nur sagen: Der vorliegende Gesetzentwurf wird an der Geheimniskrämerei in Amtsstuben und in Vorstandsetagen wenig ändern. (Beifall bei der LINKEN) Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bezahlen auch die Arbeit der Behörden. Ich denke, es ist ihr gutes Recht, dass die Informationen, die den Behörden vorliegen, proaktiv veröffentlicht werden. Das können die Steuerzahler erwarten. Meine Damen und Herren, was müsste ein modernes Verbraucherinformationsgesetz leisten, damit es seinen Namen tatsächlich verdient? Der Entschließungsantrag der Linken macht einige gute Vorschläge. Wir finden, ob Futtermittel oder Finanzdienstleistungen, alle Informationen müssen zugänglich sein. Wir wollen also, dass das Verbraucherinformationsgesetz für alle Produkte und Dienstleistungen gilt. Das hat in der letzten Wahlperiode übrigens nicht nur die Linke, sondern auch die FDP gefordert. Ich teile Ihre Kritik, dass der Gesetzentwurf, den die SPD mitgetragen hat, nicht das Gelbe vom Ei war. Ich muss aber auch sagen, verehrter Herr Schweickert: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. (Florian Toncar [FDP]: Das macht der Schweickert nicht!) Sie haben am Anfang der Debatte im Verbraucherausschuss angekündigt, dass Sie den ganz großen Wurf planen. Sie wollten das VIG sogar mit dem Informationsfreiheitsgesetz verknüpfen und dadurch den Auskunfts-anspruch weiter ausbauen. Jetzt ist aus meiner Sicht ein lächerliches Gesetz herausgekommen, das im Endeffekt kaum Verbesserungen bringt. Wir als Linke fordern deswegen einen direkten Auskunftsanspruch gegenüber Unternehmen. (Beifall bei der LINKEN) Der Behördenweg ist einfach viel zu bürokratisch. Wenn es so sein sollte, dass die redlichen Unternehmen ohnehin zu Auskünften bereit sind, dann sollten wir heute den Mut haben, die unredlichen Unternehmen dazu zu zwingen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schweickert? Caren Lay (DIE LINKE): Aber selbstverständlich. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Schweickert, bitte schön. Dr. Erik Schweickert (FDP): Frau Kollegin Lay, herzlichen Dank für das Zulassen meiner Zwischenfrage. Caren Lay (DIE LINKE): Gerne. Dr. Erik Schweickert (FDP): Sie haben die Zusammenlegung von VIG, IFG und UIG, wie sie auch im Koalitionsvertrag steht, angesprochen. Ich stelle die Frage: Ist Ihnen bekannt, dass wir als Bundesgesetzgeber - das hat die Evaluierung dieses Vorhabens ergeben - keine Kompetenz für die Schaffung eines einheitlichen Informationszugangsgesetzes für Bund und Länder haben? Ist Ihnen bekannt, dass das IFG insbesondere in der Kompetenz der Länder liegt und dass die Bereitschaft der Länder zur Übernahme der geltenden Modellgesetze des Bundes nicht zu erkennen war? Das war der Grund, warum es nicht geschehen ist. Ist Ihnen weiterhin bekannt, dass der Verbraucher, wenn er Informationen über Finanzdienstleistungen möchte, diese trotzdem einholen kann, dann zwar nicht über das Verbraucherinformationsgesetz, aber über das Informationsfreiheitsgesetz? Das ist zwar ein anderes Gesetz, aber der Verbraucher hat die gleichen Auskunftsansprüche. Caren Lay (DIE LINKE): Ja, verehrter Herr Kollege, das ist mir selbstverständlich bekannt. Vielleicht erinnern Sie sich daran, dass ich zu Beginn dieser Debatte skeptisch war, ob man diese Gesetze tatsächlich zusammenlegen sollte. Ich kann Sie aber nur an Ihren Worten und Ihren Taten messen. Sie waren es, der diesen Vorschlag am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens gemacht hat. Ich muss feststellen: Vieles von dem, wofür Sie gekämpft haben, wofür Sie sich zu Recht eingesetzt haben, ist am Ende leider nicht in dem Gesetzentwurf gelandet. Ich muss Sie hier also tatsächlich an Ihren Taten messen. Wenn Sie anderen vorwerfen, dass sie ihren ursprünglichen Versprechungen nicht nachgekommen sind, dann müssen Sie sich diese Kritik leider auch umgekehrt gefallen lassen. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, ein weiterer Gedanke. Verbraucherinformation darf natürlich keine Frage des Geldbeutels sein. Deswegen sagen wir als Linke: Die Anfragen an Behörden müssen kostenfrei sein. Wie gesagt: Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben dafür gezahlt, dass die Behörden diese Informationen sammeln. Deswegen sagen wir: Die Behörden müssen von sich aus, proaktiv, informieren. Ich finde es sehr bedauerlich, dass es in dieser Debatte häufig so dargestellt wird, als würde das VIG von Verbraucherverbänden sowie Journalistinnen und Journalisten ausgenutzt. Ich denke, sie leisten eine gute Arbeit im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher; das müssen wir anerkennen. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Das Verbraucherinformationsgesetz ist das zentrale Verbrauchergesetz. Insofern sollte es gewissermaßen das Meisterstück der Verbraucherministerin sein. Gemessen an dem Ergebnis, das Sie uns heute vorgestellt haben, kann ich nur sagen: durchgefallen! (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen die Ablehnung des Gesetzentwurfes. Dieses Verbraucherinformationsgesetz verdient seinen Namen nicht. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Nicole Maisch vom Bündnis 90/Die Grünen. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Die Debatte um das Verbraucherinformationsgesetz steht exemplarisch für Ilse Aigners Verbraucherpolitik. Nur wenige Tage nach Veröffentlichung des - so kann man es nennen - verheerenden Gutachtens über die Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes in Deutschland, das der Präsident des Bundesrechnungshofes erstellt hat, beweisen Sie mit diesem Gesetzentwurf wieder einmal: Wir haben es mit einer Ministerin zu tun, die wenig will und noch weniger erreicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich will Ihnen das an zwei Beispielen deutlich machen: Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Der Kabinettsentwurf war in diesem Bereich ein kleiner Schritt in die richtige Richtung: mehr Abwägung sowie die Feststellung, dass Rechtsverstöße keine Betriebs- und Unternehmensgeheimnisse darstellen. Aber die Mehrheitsfraktionen haben den zarten Vorstoß der Ministerin kassiert: Sie haben dem Entwurf mit einem Änderungsantrag die Zähne gezogen. Der Ausschlusstatbestand der "sonstigen wettbewerbsrelevanten Informationen", der zu Recht aus dem alten VIG gestrichen wurde, wird jetzt durch "sonstiges geheimnisgeschütztes technisches oder kaufmännisches Wissen" ersetzt. Konsequenz: Es ist alles so schlecht wie zuvor. Wir haben hier eine Ministerin, die nicht für mehr Verbraucherschutz kämpft, sondern auch die kleinsten Verbesserungen mehr oder weniger kampflos kassieren lässt. Ich finde, das ist für eine Verbraucherschutzministerin sehr dürftig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Widerspruch bei der CDU/CSU) Nehmen wir das zweite Beispiel: Hygienekennzeichnungen an Restaurants. Ich zitiere das Hamburger Abendblatt vom Herbst 2010: Aigner will bundesweit einheitliche Smileys für Restaurants Im Mai dieses Jahres stand im Focus: Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) sagte zu, die rechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass das Kontrollbarometer bundesweit einheitlich eingeführt werden kann. Nur leider steht das nicht im Gesetzentwurf: Dieses Verbraucherinformationsgesetz enthält keine rechtlichen Grundlagen für ein bundesweit einheitliches Hygienesiegel. Wer, wie der grüne Stadtrat in Pankow, einen Smiley einführen will, der muss das mit erheblichen Rechtsunsicherheiten auf Eigeninitiative tun. Wir haben Ihnen aber hier einen grünen Entschließungsantrag zur Abstimmung gestellt. Dem können Sie zustimmen. Damit ist die Lösung des Problems zumindest auf den Weg gebracht. Wir haben von Ilse Aigner gar keine mutigen Schritte zu mehr Informationsfreiheit erwartet. Nehmen wir die Ausweitung der Informationsansprüche auf Unternehmen. Das ist ein dringend notwendiger Schritt. Niemand hat diese Notwendigkeit besser begründet als Staatssekretär Peter Bleser. Ich zitiere, was er an diesem Mittwoch im Ausschuss gesagt hat: Es zeugt von Naivität, zu glauben, dass ein Unternehmen freiwillig darüber Auskunft geben wird, wo ein Fehler besteht. Das entspricht nicht der Lebenswirklichkeit. - Wahre Worte aus berufenem Mund, gesprochen an diesem Mittwoch. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Wo er recht hat, hat er recht!) Dem muss man nicht mehr viel hinzufügen. Stimmen Sie unserem Änderungsantrag auf Informationsansprüche gegenüber Unternehmen zu und folgen Sie den wahren Worten des Staatssekretärs. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Peter Bleser [CDU/CSU]: Richtig!) Meine Damen und Herren, mit unseren Anträgen wollen wir nicht weniger als eine neue Informationskultur gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern erreichen. Es geht um größtmögliche Transparenz und um einfache, rechtlich abgesicherte Informationen für Verbraucher, aber auch für Medien und für die Verbände, die im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher agieren. Ehrlich gesagt halte ich die Kostenregelung - auch die Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace und Foodwatch verweisen darauf - für einen Schritt zurück. Das hätte man sich sparen können. Wir möchten einen Informationsanspruch gegenüber Verwaltung und Unternehmen - Herr Bleser hat sehr wortreich und sehr gut begründet, warum das notwendig ist -, und wir wollen Informationen zu allen verbraucherrelevanten Bereichen, zu Produkten und zu Dienstleistungen. Wir wollen einen Smiley, ein Kontrollbarometer oder was auch immer. Wir wollen aktive Informationen durch die Behörden und handhabbaren Vollzug, damit die Behörde vor Ort nicht ständig Angst haben muss, beklagt zu werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dies alles wird die Märkte verändern und echte Wahlfreiheit ermöglichen. Dass Sie das nicht wollen, zeigt, dass Sie wieder einmal Wirtschaftskompetenz mit Lobbyismus für Unternehmensinteressen verwechselt haben. Das ist ziemlich schade. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat die Kollegin Mechthild Heil von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Mechthild Heil (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem neuen Verbraucherinformationsgesetz werden wir das Recht der Bürger und Bürgerinnen auf Information und auch auf selbstbestimmte Kaufentscheidung stärken. Das Gesetz wird den Verbrauchern, die sich dafür interessieren, umfassende, einfache, schnelle und kostengünstige Informationen bringen: umfassende Informationen, weil ihnen neben Informationen zu Lebensmitteln und Kosmetika auch Auskunft über Spielzeug, Haushaltsgeräte und technische Produkte gegeben wird; einfachere Informationen, weil in Zukunft eine formlose E-Mail oder ein Anruf ausreichen werden, um eine Anfrage beantwortet zu bekommen; schnelle Informationen, weil wir die Einspruchsmöglichkeiten und -fristen für Unternehmen optimieren. Hierbei nutzen wir die verwaltungsrechtlich vorgesehenen Instrumente zur Beschleunigung der behördlichen Verfahren und übernehmen die seit Jahren bewährten Regelungen aus dem Umweltinformationsrecht. Unser Gesetz wird zu kostengünstigeren Informationen führen, weil erstmals alle Anfragen bis 250 Euro vollständig kostenfrei sind - darüber haben wir schon gesprochen -, bei Anfragen zu Rechtsverstößen sogar bis 1 000 Euro. Kein Verbraucher wird sich in Zukunft von hohen Verwaltungskosten abschrecken lassen. Allerdings wird es in Zukunft nicht mehr möglich sein, umfangreiche Recherchen kostenlos bei den Verwaltungen in Auftrag zu geben, die deren Arbeitskraft auf Tage, Wochen und - wie es leider bei manchen Anfragen in der Vergangenheit im Einzelfall geschehen ist - auf Monate binden. Diese Kosten werden in Zukunft nicht mehr von der Allgemeinheit getragen, und das ist richtig so. Mit dem runderneuerten Entwurf des Verbraucherinformationsgesetzes ist ein guter Balanceakt zwischen Verbraucherinteressen auf der einen Seite und Wirtschaftsinteressen auf der anderen Seite gelungen. Warum ist das für uns als christlich-liberale Koalition so wichtig? Joseph Stiglitz, der Wirtschaftsnobelpreisträger aus dem Jahre 2001 und frühere Ökonom der Weltbank, hat gesagt: Der informierte Verbraucher ist kein Feind der Produzenten, sondern ein wichtiger Partner im Marktgeschehen. Anders ausgedrückt: Der Verbraucher ermöglicht durch eine ausgewählte Kaufentscheidung erst den Wettbewerb. Ist der Kunde gut informiert, kann er Akteure am Markt belohnen und schwarze Schafe aus dem Markt verdrängen. Dieses Verhältnis von Verbrauchern und Herstellern ist Bedingung dafür, dass sich gute Produkte auf unseren Märkten durchsetzen können und dass Unternehmer weiterhin innovativ sein können. Die Bedeutung von guter Information und freier Kaufentscheidung wird auch in der Öffentlichkeit wieder hohes Ansehen erlangen, wenn der nächste Lebensmitteleklat oder der nächste Gammelfleischskandal die Schlagzeilen beherrschen sollte. Wie war das in der Ehec-Krise? Täglich verloren sorgsam und verantwortlich arbeitende Bauern gutes Geld, weil ein einzelner Biobetrieb mit Keimen verseuchte Sprossen aus Ägypten eingeführt hat. Genauso beim Dioxingeschehen: Ein Produzent panscht, eine ganze Branche leidet, verliert Millionen und muss das kriminelle Fehlverhalten eines Einzelnen ausbaden. Das ändern wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Mit diesem Gesetz wird es uns leichter gelingen, Probleme möglichst frühzeitig zu benennen und dann die Öffentlichkeit, aber vor allen Dingen auch die Unternehmen in der Branche zu informieren und damit letztlich den Verbraucher zu schützen. Verbraucher und Wirtschaft begegnen sich aufgrund des VIG zunehmend auf Augenhöhe. So soll es sein. Der Gegenentwurf der SPD ist recht simpel. Verbraucherschutz ist Sozialpolitik. Das ist das neue Credo. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das ist nicht das neue Credo! Das ist selbstverständlich! Das haben Sie nur nicht begriffen!) Das haben Sie, Frau Drobinski-Weiß, die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, gegenüber Hauptstadtjournalisten verkündet. Noch einmal: Verbraucherschutz ist für Sie Sozialpolitik. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Etwa nicht?) Das SPD-Prinzip heißt salopp formuliert: Super-Nanny statt Information und Entscheidungsfreiheit, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben ein komisches Verständnis von Sozialpolitik!) keine Begegnung auf Augenhöhe, kein Wettbewerb, aber eine Entmachtung der Verbraucher zugunsten des Staates, eine Reduzierung auf ihre angebliche Hilflosigkeit. Diesem Verbraucherbild werden wir uns nicht anschließen. (Beifall bei der CDU/CSU - Ulrich Kelber [SPD]: Mein Gott, haben Sie ein Verständnis von Sozialpolitik! Das ist ja nicht aus dem letzten, das ist aus dem vorletzten Jahrhundert! Das ist Bismarck!) Wären Sie ehrlich, Frau Drobinski-Weiß, würden Sie heute hier keine Kritik an unserem Gesetzentwurf üben, sondern Ihre Kritik an den A-Ländern, an den SPD-geführten Ländern, formulieren. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das hatten wir schon, Frau Heil! Das ist schon so alt!) Vielleicht wollen Sie Ihre Kritik noch einmal wiederholen. Ich kann aus einem Brief zitieren. Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich zitieren: (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das hatten wir schon!) Wir haben die Situation, dass die Bundesregierung verbraucherfreundlicher agiert als die A-Seite. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das Ding ist schon uralt! Das zitieren Sie jedes Mal!) Für die Zuhörer: Die A-Seite sind die SPD-regierten Länder. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Eine CSU-Ministerin hat einen verbraucherfreundlichen Gesetzentwurf durchgesetzt, den die A-Länder zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher verwässern. Sehr geehrte Kollegin, es wäre anständig gewesen, wenn Sie das auch heute, an dieser Stelle, gesagt hätten. Ihr Kollege hat aber gleich noch Gelegenheit, das zu sagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Oh, da gäbe es noch viel mehr zu sagen, Frau Heil!) Unsere Alternative zur Bevormundung der Verbraucher ist die Information und Stärkung der Souveränität der Verbraucher. Uns geht es bei der Novellierung des VIG um eine Kultur der Transparenz - für die Wirtschaft und für die Behörden. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das sieht man Ihrem Gesetzentwurf an!) Die Internetseite www.lebensmittelwarnung.de war ein erster Schritt. Das novellierte VIG wird ein weiterer Baustein dieser Kultur sein. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Ulrich Kelber von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Ulrich Kelber (SPD): Die Reden der Kollegin Heil sind immer ein besonderes Erlebnis. Heute haben wir zusammengefasst lernen dürfen: Sozialpolitik ist Entmündigung der Menschen. (Mechthild Heil [CDU/CSU]: Reduzierung auf die Hilflosigkeit, um genau zu sein!) Vielen Dank für diese Erkenntnis, für die es tosenden Beifall Ihrer Fraktion gegeben hat. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer über Verbraucherinformation spricht, sollte am Anfang über Grundsätze sprechen. Der erste Grundsatz ist: Alle Informationen, alle Daten, über die der Staat verfügt, gehören den Bürgerinnen und Bürgern. Das ist die Auffassung der SPD. Das gilt natürlich gerade für verbraucherrelevante Informationen wie Ergebnisse von Hygieneprüfungen, wie Informationen über Verstöße gegen das Lebensmittelrecht, über Datenmissbräuche, über Gift in Spielzeug, aber auch über die Ergebnisse von Sicherheitsüberprüfungen. Solange nicht unbeteiligte Dritte betroffen sind und solange nicht wirklich wichtige Geschäftsgeheimnisse betroffen sind - teilweise ist es lächerlich, was als Geschäftsgeheimnis deklariert wird -, gelten drei einfache Regeln: volle Transparenz aller öffentlichen Daten, einfacher, möglichst kostenloser und schneller Zugriff - schneller Zugriff, Herr Schweickert, (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das machen wir doch!) nicht zwei Wochen Einspruchsrecht, doppelte Prüfung etc. - (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das kann doch verkürzt werden!) und als Regelfall die aktive Information durch die Behörden. Man darf die Daten nicht einheimsen und hoffen, dass sich keiner danach erkundigt, damit man auf den Daten sitzen bleiben kann. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Keines dieser drei Ziele wird mit dem Gesetzentwurf von Schwarz-Gelb zur Änderung des Verbraucherinformationsgesetzes erreicht. Frau Aigner, in der Tat - diesbezüglich ist richtig zitiert worden - haben wir uns in der Großen Koalition gemeinsam für die erste Novelle des Verbraucherinformationsgesetzes - das ist das, was heute ansteht - sehr viel mehr Punkte vorgenommen. Das kann man in den Unterlagen von 2006 nachlesen. Wo ist denn Ihr Schneid in dieser Frage abgeblieben? Sie haben es sich in der PR-Ecke der Verbraucherpolitik sehr gemütlich gemacht. Warum beschränken Sie das VIG weiterhin auf Produkte? Das ist ein großer Fehler. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das ist ein großer Fortschritt, dass wir das machen!) Die Menschen erwarten doch auch Informationen über Dienstleistungen, Finanzprodukte und, um ein anderes Beispiel zu nennen, über Testergebnisse bei Indoorspielplätzen. Es kann doch nicht Ihrem Verständnis entsprechen, dass die Bürgerinnen und Bürger jedes Mal, bevor sie einen Indoorspielplatz besuchen, mit Hinweis auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes bei einer Behörde anfragen müssen, ob dort Erkenntnisse über Sicherheitsmängel bei dem Indoorspielplatz vorliegen, zu dem sie mit ihren Kindern fahren wollen. Warum dieser Rückzieher gegenüber den Plänen der Großen Koalition? Dazu haben Sie, Frau Aigner, nichts gesagt und auch die Rednerinnen und Redner der Koalition nicht. (Beifall bei der SPD) Nach wie vor wird die aktive Information nicht der Regelfall werden. Nach wie vor ist die Abwägungsklausel enthalten. Nach wie vor ist aus "sollen" nicht "müssen" geworden. Haben die Verbraucherinnen und Verbraucher etwa kein Recht, zu wissen, wer Haltbarkeitsdaten verändert hat, wer Gammelfleisch weiterverkauft hat? Sind Täuschungen wirklich ein Geschäftsgeheimnis, Frau Aigner? (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das sind sie doch nicht! - Mechthild Heil [CDU/CSU]: Kommen Sie doch einmal in den Ausschuss, um zu diskutieren!) Diese Einstellung kann ich nicht nachvollziehen. Wer austeilt, muss auch einstecken können. Das gilt auch für die Unternehmen. Es geht gar nicht um einen allgemeinen Auskunftsanspruch der kleinen und mittleren Unternehmen, der diese vielleicht überfordern würde, (Mechthild Heil [CDU/CSU]: Man sollte nicht nur lesen, was andere einem vorlegen!) sondern es geht darum, dass Unternehmen, die für ihre Dienstleistungen oder Produkte werben, indem sie auf eine besondere Eigenschaft hinweisen, die zum Beispiel sagen, sie hätten das beste oder sauberste Produkt, einen Auskunftsanspruch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern erfüllen müssen. Das ist doch normal: Wer etwas verspricht, muss prüfen lassen, ob er sein Versprechen auch einhält. Wer das verweigert, verweigert Fairness zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern und Unternehmen, Frau Aigner. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das macht jedes Unternehmen von sich aus, dass es Informationen nach vorne stellt!) Schwarz-Gelb will Journalisten und Nichtregierungsorganisationen die Arbeit erschweren. Ich komme noch einmal auf das Beispiel des Indoorspielplatzes zurück. Ist es wirklich Ihr Verständnis, dass jeder einzelne Besucher eine Anfrage bezüglich des Indoorspielplatzes stellen muss - jedenfalls wenn es einmal im Verbraucherinformationsgesetz stehen wird; jetzt ist es im Informationsfreiheitsgesetz - und dass er hoffen muss, dass die Kosten unter 250 Euro bleiben? Ist es nicht vielmehr normal, dass eine örtliche Zeitung, die über Ausflugsziele informiert, eine entsprechende Abfrage zum Beispiel bei der Stiftung Warentest vornimmt, (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Die Stiftung Warentest informiert doch!) und zwar über alle Indoorspielplätze, und diese dann veröffentlicht? Sie sagen: Das würde mehr Geld kosten, ihr müsstet dafür zahlen. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Abonnieren Sie es doch!) Das heißt, sie wollen die schnelle Information der Bürgerinnen und Bürger durch die Zivilgesellschaft erschweren. Ich empfinde das als unanständig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Frau Heil - ich erläutere dies, damit Sie es ver-stehen -, Sie sprechen ja gerne über Anreize. Wenn eine Behörde alle Kosten, die ihr entstehen, auch dadurch, dass sie ihre Daten schlecht organisiert hat, den anfragenden Bürgerinnen und Bürgern oder Journalisten aufs Auge drücken darf, wo ist dann der Anreiz, diese Daten in eine neue, moderne und schnell abrufbare öffentlich transparente Form zu übertragen? Schließlich müssen die Bürgerinnen und Bürger die Kosten tragen. Das geht so nicht. (Beifall bei der SPD - Dr. Erik Schweickert [FDP]: Sollen jetzt alle EDV einführen?) Wir haben Ihnen in der Tat ein umfangreiches Paket mit ganz konkreten Änderungsvorschlägen vorgelegt. Die Hälfte davon war übrigens bereits zwischen CDU/ CSU und SPD vereinbart, auch mit dir, lieber Peter Bleser; damals warst du Sprecher, heute bist du Staatssekretär. Aber man hat schon damals gemerkt, dass es nicht ehrlich gemeint war. Das musste auch Herr Schweickert für die FDP feststellen, als er seine Vorschläge zurücknehmen musste. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das war rechtssystematisch!) Ein solches neues Verbraucherinformationsgesetz würde eine Gesamtkonzeption für den Verbraucherschutz bilden. Derzeit wird eine Gesamtkonzeption durch die Ministerin, ihr Themen-Hopping und ihre Kamerasucht verhindert. Man kann Wetten darauf abschließen: Wenn morgens der Verbraucherzentrale Bundesverband eine Forderung erhebt, dann gibt es am Nachmittag eine Pressemitteilung von Frau Aigner, in der sie Kollegen, Bundesländern oder Unternehmen einen Vorschlag macht, was diese tun sollen. Wir warten darauf, dass Sie das tun, was in Ihrem eigenen Schwerpunktbereich liegt. Sie sollten keine Ankündigungsministerin sein, sondern eine Tatenministerin. (Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU/ CSU: Oh!) Auch diese Novelle führt in die falsche Richtung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Josef Rief [CDU/CSU]: So ein Unsinn!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat jetzt das Wort der Kollege Josef Rief von der CDU/ CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Josef Rief (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der hier vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Verbraucherinformationsgesetzes und zu Weiterentwicklungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches zeigt die Handlungsfähigkeit der Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben nur ein Jahr gebraucht für kaum Veränderung! Das ist super!) Der Verbraucherschutz in Deutschland ist ein emotional sehr geladenes Thema. Emotionen ersetzen aber keine fachliche Kompetenz. Wir haben eine erkenntnisorientierte Politik in der Sache zu machen. Die Opposition gibt sich Extremforderungen von einem hoch aufgeheizten Teil einzelner Interessengruppen hin. Wir unterscheiden - anders als manche von Ihnen - nicht zwischen guten und schlechten Lobbyisten, sondern wir nehmen Verbraucherschutz sehr ernst und gehen mit dem Informationsbedürfnis der Verbraucher konstruktiv um. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ulrich Kelber [SPD]: Dass wir diese extremistischen Organisationen wie die Stiftung Warentest unterstützen, ist ganz schlimm! Ich schäme mich dafür!) Mit diesen Verbesserungen im Lebensmittel- und Futtermittelrecht - die Ministerin hat es ausgeführt - ziehen wir die Lehren aus der Dioxinproblematik, die uns zu Beginn des Jahres beschäftigt hat. Wir setzen damit den Dioxin-Aktionsplan vom Januar und die Erklärung der Verbraucherschutz- und Agrarminister von Bund und Ländern um. Der Umgang der Opposition mit der Situation war wieder einmal typisch. Statt zur Aufklärung über die Belastung beizutragen, wurde einfach auf die Pauke gehauen. Es war damals schon eine Unverschämtheit - heute wissen wir es genau -, in diesem Zusammenhang den Rücktritt der Ministerin zu fordern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Nicht der Einzelfall - und es war ein Einzelfall - wurde diskutiert, sondern Panik verbreitet. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Welcher Einzelfall? Dioxin: 45 Tote!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Rief, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kelber? Josef Rief (CDU/CSU): Ich glaube, der Erkenntnisgewinn ist am Ende des Gesetzgebungsverfahrens nicht so hoch. Vielleicht sage ich noch das, wonach Sie fragen möchten. (Christoph Poland [CDU/CSU]: Sehr gut!) Man könnte sich als Bürger die Hände reiben und dem Schauspiel vergnügt zusehen, wären nicht den deutschen Landwirten und dem vor- und nachgelagerten Bereich Schäden in Höhe von rund 0,5 Milliarden Euro entstanden. Allein in meinem Wahlkreis Biberach waren es mehrere Millionen Euro aufgrund von Schäden, die durch Preisverfall, etwa bei Fleischprodukten, hervorgerufen wurden. Diese Schäden lassen sich auf die Panikmache der Opposition zurückführen. Das geht so nicht! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Meine Damen und Herren von den Grünen, (Ulrich Kelber [SPD]: Heute teilen Sie aber aus!) hier bestand zu keiner Zeit auch nur eine geringe Möglichkeit, dass Menschen gefährdet sein könnten. Man kann nur hoffen, dass die Auswirkungen von Ehec etwas Demut gelehrt haben. Hier sind bedauerlicherweise Menschen zu Schaden gekommen, und wir mussten sogar Todesopfer beklagen. Mir tut auch dieser biologisch wirtschaftende Betrieb leid. Nach allem, was wir wissen, trifft ihn keine Schuld. An diesen Auswirkungen sehen Sie, wie unglaublich daneben Ihre Kampagne im Dioxinfall war. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dioxin ist ungefährlich, oder was? - Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Da wird applaudiert? Der ist ja menschenverachtend, euer Applaus!) Mit den heutigen Änderungen stellen wir die Futtermittelbranche nicht unter Generalverdacht. Wir kommen vielmehr den berechtigten Informationswünschen der Endverbraucher nach. Denn eines ist sicher: Ein Unternehmer, der vorsätzlich gesetzwidrig handelt, wird dies niemals freiwillig preisgeben. Wir haben aber Mechanismen geschaffen, die es schwarzen Schafen künftig sehr viel schwerer machen. Es ist niemandem gedient und es schadet auch dem Ansehen dieses Hauses, wenn Verbraucherschutz für parteitaktische Spielchen missbraucht wird. (Zurufe von der SPD: Oh! - Ulrich Kelber [SPD]: Davon sind Sie natürlich weit entfernt! Reine Unschuld am Rednerpult!) Beim Verbraucherschutz ist schlichtes Abwägen gefordert und nicht immer weitergehende Forderungen, wenn der Verbraucherschutz gerade erst weiter verbessert wurde. Auch die Forderungen der SPD sind hier nicht sachgerecht. (Zuruf von der SPD: Noch nicht mal gelesen!) Ich sehe schon den Tag, an dem in jeder kleinen Bäckerei an jedem Brötchen ein Zettel hängt, auf dem der CO2-Fußabdruck, eine Ampel und ein Smiley stehen und zusätzlich, wer den Weizen angebaut und wer das Mehl transportiert hat. Der Zettel ist dann so groß, dass man das Brötchen mehrfach einpacken könnte, und teurer als das Produkt selbst. Das wird es mit uns nicht geben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Christoph Poland [CDU/CSU]: Sehr gut! Das war ein gutes Beispiel!) Verbraucherinformation ist gut und richtig. Sie muss aber praxistauglich und marktgerecht sein sowie vom Kunden und nicht nur von einzelnen Interessengruppen nachgefragt werden. (Ulrich Kelber [SPD]: Das ist keine Bierzeltrede! Da muss auch mal ein Argument dazu!) Dem trägt unsere Politik mit diesem Gesetz Rechnung. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Der Herr Kollege Kelber möchte eine Kurzintervention machen, weil ihm eine Zwischenfrage abgelehnt worden ist. Bitte schön, Herr Kelber. Ulrich Kelber (SPD): Die Zwischenfrage wollte ich vorhin nur stellen, weil gesagt wurde, wir hätten damals in dem Dioxinskandal für Hysterie gesorgt. Es ging um direkte Ansprache. - Ich mache einen kurzen Faktencheck: Am ersten Werktag nach Bekanntwerden des Dioxinskandals ist sowohl die SPD mit einem Vorschlag an die Öffentlichkeit getreten als auch die Ministerin. Der Vorschlag der Ministerin - der erste, Frau Aigner, es gab ja noch mehrere danach - besagte, sie möchte eine neue Selbstverpflichtung der Industrie. (Ilse Aigner, Bundesministerin: Das ist falsch!) Ein Punkt abgeschlossen. Die SPD hat in Absprache mit den Bundesländern ein 15-Punkte-Paket vorgeschlagen. Von diesen 15 Punkten finden Sie 14 zum Teil wortgleich in dem Beschluss der Länder mit dem Bund wieder, weil diese Punkte natürlich von unseren Ländern dort eingebracht wurden. Wenn aber alle beschlossenen 14 Punkte ursprünglich von der SPD vorgeschlagen worden waren - (Zurufe von der CDU/CSU: Hä?) alle 14 Punkte, die Länder und Bund später beschlossen haben, waren am ersten Werktag nach Bekanntwerden des Dioxinskandals Teil von 15 Punkten der SPD -, dann möchten Sie mir doch bitte erklären, wo wir für Hysterie gesorgt haben sollen, wenn Sie unsere Vorschläge beschließen. Dann hätten Sie ja unsere Hysterie übernommen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kollege Rief, Sie können erwidern. Josef Rief (CDU/CSU): Herr Kelber, ich habe mich auf das bezogen, was am Abend des 11. Januar in einer Sondersitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Ulrich Kelber [SPD]: Mit unserem 15-Punkte-Plan!) von Teilen der Opposition gefordert wurde: der Rücktritt der Ministerin. Das war nicht hinnehmbar, das war hoffnungslos daneben, das war weit überzogen, weil die Ministerin sich keinerlei Schuld aufgeladen hatte. Darauf habe ich mich bezogen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ulrich Kelber [SPD]: Sie sind doch noch nicht fertig, oder? - Gegenruf von der CDU/CSU: Doch! Für diese Frage reicht das!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation. Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-schutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/7993, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/7374 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir zuerst abstimmen. Änderungsantrag auf Drucksache 17/8019. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt. Änderungsantrag auf Drucksache 17/8020. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken. Änderungsantrag auf Drucksache 17/8021. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist wiederum abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit gleichem Stimmenverhältnis angenommen. Wir stimmen jetzt über die Entschließungsanträge ab. Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/8022. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Zustimmung der SPD und der Linken und Enthaltung der Grünen. Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/8023. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt. Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/8024. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 36 a und b auf: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Recht auf ein Guthabenkonto einführen - Kontopfändungsschutz sichern - Drucksache 17/7823 - Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Rechtsausschuss (f) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Federführung strittig b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verbraucherrecht auf Basisgirokonto für jedermann gesetzlich verankern - Drucksache 17/7954 - Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Rechtsausschuss (f) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Federführung strittig Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Dr. Carsten Sieling von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Dr. Carsten Sieling (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor, mit dem wir Sozialdemokraten erreichen wollen, dass die Menschen in unserem Lande gleichberechtigt die Möglichkeit haben, am Geldverkehr teilzunehmen und Bankdienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Man muss wissen, dass insgesamt 670 000 Menschen in diesem Land keine Möglichkeit haben, ein Girokonto zu bekommen, und damit von vielem ausgeschlossen sind. Das ist etwas, das wir ändern wollen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Dieses Thema ist nicht neu - keineswegs. Seit 1995 gibt es Versuche, hier eine Veränderung herbeizuführen. Ende Dezember dieses Jahres wird die Bundesregierung zum Girokonto für jedermann, wie es heißt, den mittlerweile sechsten Bericht seit 2002 vorlegen. 1995 haben sich die Banken selbst verpflichtet, allen Menschen, die dies wollen, ein solches Konto anzubieten. Die Lage ist ernüchternd; die Zahlen, wie viele Menschen von dieser Möglichkeit nach wie vor ausgeschlossen sind, habe ich genannt. Es wird schlicht verweigert, den Menschen ein solches Konto einzurichten. Natürlich wird dieses Recht vor allem Leuten, die überschuldet sind, verwehrt. Man muss sich die Situation vor Augen führen: Wenn Weihnachten vor der Tür steht, stehen auch Weihnachtseinkäufe vor der Tür. Ich vermute, die meisten, die in diesem Raum sitzen, verfügen über eine Kreditkarte und haben beim Einkauf, auch wenn sie kein Bargeld bei sich haben, gar keine Probleme. Wahrscheinlich hat jeder von Ihnen die Möglichkeit, mit seiner EC-Karte Geld an einem Automaten abzuheben und Rechnungen online zu bezahlen. Das ist für einen großen Teil unserer Bevölkerung nicht möglich. Diese Menschen müssen mit Bargeld ausgestattet einkaufen gehen. Wenn sie eine Rechnung bekommen, müssen sie in einer Bank eine Überweisung vornehmen. Das Problem, das im Zusammenhang mit Überweisungen und Einzahlungen in Banken besteht, ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn Menschen kein Konto haben, bedeutet dies für sie, dass sie keine Zeitung abonnieren können, dass ihre Miete nicht automatisch eingezogen wird und dass es für sie - das betrifft die Vertragsebene - praktisch unmöglich ist, einen Handyvertrag abzuschließen oder andere Dinge, die im heutigen Leben, wie ich glaube, ganz normal sind, anzuschaffen. Warum ist das alles so schwierig, und wodurch wird die Situation zusätzlich erschwert? Jeder, der schon einmal eine Einzahlung vorgenommen hat, ohne über ein Konto zu verfügen, weiß, dass pro Überweisung 10, manchmal sogar 20 Euro Gebühren anfallen. Ich will deutlich machen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Gerade den Menschen, die kein oder wenig Geld haben, entstehen dadurch Extrakosten. Das muss geändert werden. Deshalb schlagen wir vor, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das ist ein Prozess, bei dem schon viele Wege beschritten wurden und der schon sehr lange andauert. Man ist der Kreditwirtschaft sehr weit entgegengekommen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es schon 1995 eine freiwillige Vereinbarung gegeben hat. Passiert ist aber wenig bzw. nichts. Bestenfalls die Sparkassen haben reagiert. Man hat daher einen zweiten Versuch unternommen und die Verabredung getroffen, das sogenannte Pfändungsschutzkonto einzuführen. Damit möchte man für eine Kostenreduktion sorgen und dazu beitragen, dass sich - quasi im Gegenzug - auf freiwilliger Basis etwas bewegt. Aber es hat alles nichts genützt. Es hat keine Änderung gegeben. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, gesetzlich zu reagieren. Das ist der Vorschlag, den wir in unserem Antrag machen. (Beifall bei der SPD) Es ist nicht etwa so, dass wir hier über ein rein deutsches Problem reden. Die EU-Kommission hat gerade eine Mitteilung zu diesem Thema auf den Weg gebracht. Das ist nämlich ein europaweites Problem. Es wäre gut, wenn wir in Deutschland eine klare Regelung treffen und auf diesem Gebiet voranschreiten würden. Dazu gehört, dass wir zu dem, was auf europäischer Ebene erarbeitet wird, Stellungnahmen abgeben und entsprechende Botschaften formulieren. Wir als SPD legen Ihnen mit diesem Antrag als Erste ein umfassendes Konzept zu diesem Thema vor. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Übertreiben Sie mal nicht!) Drei Punkte daraus möchte ich nennen: Erstens. Jeder muss die Möglichkeit haben, ein Girokonto einschließlich der Basisfunktionen zu bekommen. Zweitens. Der Preistreiberei bei den Pfändungsschutzkonten, den sogenannten P-Konten, indem gerade von den Menschen, die die größten Schwierigkeiten haben, erhöhte Gebühren verlangt werden, muss gesetzlich Einhalt geboten werden. Drittens brauchen wir natürlich auch eine funktionierende und aktive Schuldnerberatung; das wird in den Ländern umgesetzt werden müssen. - Diese drei Dinge gehören zusammen, um einem großen Teil der Menschen in diesem Lande eine Perspektive zu geben. Ich hoffe, dass wir mit unserem Antrag die Probleme lösen können, und werbe um Ihre Unterstützung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE]) Ich sage das natürlich insbesondere in Richtung der Koalition, weil es wichtig ist, dass wir an diesem Punkt nicht in Attentismus verharren. Es muss gehandelt werden; denn alle Menschen in diesem Lande sollen wissen - vielleicht gerade auch in den letzten Wochen dieses Jahres -, dass es uns darum geht, die Menschen gleichzubehandeln. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Rührend, Herr Sieling!) - Herr Brinkhaus, da Sie so fröhlich dazwischenrufen: Sie sind ja bekannt als jemand, der bei seinen Reden zwei Herzen in der Brust hat. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Auf der einen Seite ist es Ihnen durchaus gegeben, sachlich, an den Fakten orientiert zu argumentieren. Selten treten Sie hier mit eher - ich darf das einmal salopp formulieren - ideologiegeschwängerten Reden auf. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ist das jetzt das Wort zum Jahresende, Herr Sieling? - Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Herr Kollege, ich würde mir wünschen, dass Sie heute - Sie haben gleich die Gelegenheit dazu - Ihre sachliche Ader entfalten (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Jetzt provozieren Sie mich aber! - Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Er ist immer sachlich! - Dr. Daniel Volk [FDP]: Ich habe den Kollegen Brinkhaus niemals anders als sachlich erlebt!) und gerade vor Weihnachten deutlich machen, dass Ihre Koalition diesen richtigen Weg unterstützt. Vielleicht können Sie dann fröhlich - mit dem Gedanken an ein Girokonto für alle - "Es ist ein Ros entsprungen" singen. Es wäre gut, wenn wir heute, kurz vor dem 2. Advent, den Anfang machen würden. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Caren Lay [DIE LINKE]) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Damit hat der Kollege Ralph Brinkhaus das Wort, der ja schon die inhaltlichen Vorgaben geliefert bekommen hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident! Ich werde Ihnen einen Gefallen tun: Ich werde garantiert nicht singen. Ich glaube, das wäre das Schrecklichste, was ich Ihnen antun könnte. Meine Damen und Herren! Es ist tatsächlich ein ernstes Thema. Wenn man in der heutigen modernen Welt nicht bargeldlos zahlen kann, ist das schlecht. Man hat an bestimmten Dingen keine Teilhabe, und - Herr Sieling, Sie haben das erwähnt - es macht das Leben ziemlich umständlich. Dementsprechend ist es schon legitim, zu fordern, dass die Menschen, wenn irgendwie möglich, Zugang zu einem Girokonto haben. Man kann nun schauen, wie das im KWG, im Kreditwesengesetz, geregelt ist. Im Bürgerlichen Gesetzbuch gibt es dazu keine Regelung; in einigen Sparkassengesetzen - in genau acht - gibt es dazu eine Regelung. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Genau!) Man sollte sich eigentlich die Frage stellen: Warum nicht in allen? Ist es nicht Teil der Legitimation der Sparkassen, allen Menschen ein entsprechendes Konto zur Verfügung zu stellen? Dementsprechend kann man durchaus einmal nachfragen, ob hier alles richtig läuft. Wir haben eine Rechtsprechung zu diesem Thema. Es gibt Urteile, die den Kontrahierungszwang bestätigen: Banken müssen diese Konten eröffnen, wenn es zumutbar ist. - Auf europäischer Ebene gibt es die Empfehlung, kontolosen Menschen ein Girokonto zur Verfügung zu stellen. Die Europäische Kommission arbeitet an einer Initiative, so etwas gesetzlich auf den Weg zu bringen. Darüber hinaus - Sie haben es angesprochen - hat der Zentrale Kreditausschuss eine Empfehlung abgegeben. Es gibt auch eine entsprechende Bundesratsinitiative. Wo ist das Problem? Das Problem ist, dass die Bundesregierung in ihrem Bericht von 2008 attestiert hat - die Veröffentlichung des nächsten Berichts wird sich übrigens wegen der Problematik des Pfändungsschutzkontos verzögern -, dass es in Deutschland eine sechsstellige Zahl von Menschen gibt, die gegen ihren Willen - das ist ganz wichtig - kein Konto haben. Man muss realistischerweise sagen, dass nicht alle Menschen gegen ihren Willen kein Konto haben; es gibt durchaus auch andere Gründe, kein Konto zu haben. Insofern sollte man die Zahlen entsprechend bewerten. Wir haben durchaus den Anspruch, das, was dieser Bericht enthält, parlamentarisch umzusetzen und gegebenenfalls in gesetzliche Initiativen münden zu lassen. Sie haben diesem Verfahren vorgegriffen; das ist Ihr gutes Recht als Opposition. Sie haben - das gilt nicht nur für die SPD, sondern auch für die Grünen - Ihre Positionen aufgeschrieben. Diese Positionen werden von uns in einem erheblichen Umfang geteilt; das ist überhaupt keine Frage. Wir werden sie auch in das parlamentarische Verfahren einbeziehen, und wir hoffen, dass wir da zu einem guten Ende kommen. Was sind Ihre Positionen im Einzelnen? Die SPD möchte, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzt, dass jedermann unter zumutbaren Bedingungen Zugang zu einem Girokonto hat. Sie möchte eine europäische Harmonisierung dieser Regelung. Die Grünen fordern in Ergänzung dazu mehr Transparenz in diesem Prozess und die Offenlegung der maßgeblichen Zahlen. Das ist alles gut und richtig. Ich will unsere Bewertung dazu relativ kurz ausführen. Erstens. Ein Gesetz zu erlassen, wenn irgendetwas nicht klappt, ist immer die Ultima Ratio. Wir sollten also schauen, ob es tatsächlich notwendig ist, diesen Bereich auf eine gesetzliche Ebene zu hieven. Die Antwort auf diese Frage haben wir noch nicht gegeben. Das heißt, wir werden das im parlamentarischen Verfahren prüfen. Zweitens. Auch wir sind immer dafür, das, was sich auf europäischer Ebene entwickelt, möglichst auch in Deutschland zu übernehmen. Es wäre also nicht klug, zwei Dinge auf einmal zu machen. Dies gilt es meines Erachtens zu beachten. Ein weiterer Punkt, den Sie angesprochen haben, betrifft das Pfändungsschutzkonto. Dies haben wir noch in der Großen Koalition auf den Weg gebracht. Wir haben dabei den Sachverhalt aufgegriffen, dass gerade die Menschen, denen ein Konto gepfändet wird, oftmals ein Problem damit haben, ihr Konto zu behalten. Auch bei ihnen besteht die Gefahr, ihr Konto zu verlieren. Also hat man die Möglichkeit zur Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos geschaffen. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das war ja auch gut!) Das war erst einmal gut. Es gibt aber zwei Probleme, die uns das Leben ein wenig schwer machen könnten. Das erste Problem ist, dass die Pfändungsschutzkonten - diesbezüglich haben uns einige Informationen erreicht; es ist allerdings empirisch nicht flächendeckend nachgewiesen - teilweise mit zu hohen Entgelten belegt worden sind. Das geht nicht; denn Menschen, die kein Geld haben, können in dieser Situation keine Entgelte für ihr Konto zahlen. Das zweite Problem ist, dass die Information über diese Pfändungsschutzkonten vielleicht etwas besser hätte sein können. Auch das hat die SPD in ihrem Antrag - die Grünen haben es nicht getan - adressiert. Sie haben deswegen vorgeschlagen, dass man eine Entgeltbegrenzung für diese Pfändungsschutzkonten auf den Weg bringt und dass man durch eine verstärkte Schuldnerberatung besser informiert. Auch dazu will ich eine Bewertung abgeben: Erstens. Auch hier warten wir den Bericht der Bundesregierung ab. Wir verfolgen sehr genau, wie sich die Entgeltpolitik im Bereich der Pfändungsschutzkonten entwickelt. (Kerstin Tack [SPD]: So lange regieren Sie nicht mehr!) Zweitens. Wir sehen mit großer Skepsis, dass - so die entsprechende Rechtsprechung - solche Konten mit einem angemessenen Entgelt belegt werden dürfen. Da müssen wir gesetzlich eingreifen. Aber auch da muss man abwarten, was passiert. In einem Punkt besteht Dissens. Sie fordern die Länder auf, die Schuldnerberatung weiter zu verstärken. Es ist die sozialdemokratische Art der Problembewältigung, mehr Menschen im sozialen Bereich zu beschäftigen und so mehr Kapazitäten zu schaffen. (Kerstin Tack [SPD]: Was ist denn Ihr Vorschlag?) Das lehnen wir prinzipiell ab. Im Übrigen sind wir für die Länder nicht zuständig. Herr Sieling, ich komme jetzt zum emotionalen Teil meines Beitrags; das muss ich hier auch noch einpflegen. Es gehört zu Ihrer Klientelpolitik, möglichst viel Beschäftigung im sozialen Raum zu schaffen. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: So ein Quatsch!) Ich halte das aber für untauglich. Insgesamt gesehen, kann man sagen, dass wir in vielen Punkten übereinstimmen. Wir werden das Vorhaben verantwortungsvoll begleiten und werden ein gut verlaufendes parlamentarisches Verfahren aufsetzen, das die Bundesregierung unterstützen wird. Lassen Sie mich im Vorgriff auf die noch folgenden Beiträge sagen: Ich halte den Versuch der Opposition, Deutschland verbraucherschutzpolitisch immer wieder als Entwicklungsland darzustellen, für untauglich. Sie zeichnen ein Bild von der Verbrauchersituation in Deutschland, das der Realität in keiner Weise entspricht. Sie sprechen verharmlosend in Ihren Anträgen davon, das alles sei notwendig. Nein, Sie machen Parteipolitik und versuchen, ein Feld aufzumachen (Burkhard Lischka [SPD]: Fragen Sie doch mal die Betroffenen!) und dort Probleme zu generieren, wo es keine gibt. Die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland - das gilt auch für den Finanzdienstleistungs-bereich - sind mit dem, was sie haben, zufrieden. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Aber natürlich!) Es ist schlichtweg eine Mär, dass die Bundesregierung auf diesem Feld nichts macht. Wir haben allein im letzten halben Jahr zwei Gesetze dazu auf den Weg gebracht; ich möchte auch die Umsetzung der OGAW-IV-Richtlinie nennen. Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Die christlich-liberale Koalition und die von ihr getragene Bundesregierung haben im Bereich Verbraucherschutz mit Blick auf den Finanzdienstleistungsbereich mehr getan als viele Regierungen zuvor. Das gilt es hier und heute am Freitagnachmittag anzuerkennen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort die Kollegin Caren Lay. (Beifall bei der LINKEN) Caren Lay (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist in der Tat der Nachmittag des Verbraucherschutzes. Die Koalition hat heute insgesamt dreimal die Möglichkeit, die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich zu stärken. Beim vorangegangenen Tagesordnungspunkt hat sie ihre Chance leider vertan. Wir hoffen, dass sie bei diesem und beim übernächsten Tagesordnungspunkt klüger agieren wird. Meine Damen und Herren, können Sie sich ein Leben ohne Bankkonto vorstellen? Das Girokonto ist aus dem Alltag kaum wegzudenken. Egal ob es um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die Überweisung der Miete, die Begleichung von Strom- und Handyrechnungen oder um das Zahlen von Versicherungsbeiträgen geht, ein Girokonto wird vorausgesetzt. Es ist für die übergroße Mehrheit der Menschen auch völlig normal, im Supermarkt, im Restaurant oder an der Tankstelle mit Karte zu zahlen. Können Sie sich vorstellen, dass über 670 000 Haushalte in Deutschland davon ausgeschlossen sind, dass Menschen ohne Bankkonto leben müssen? Das bedeutet nicht nur Benachteiligung bei der Arbeits- und Wohnungssuche. Es kommen auch hohe Extrakosten hinzu. Jede Bareinzahlung kostet - je nach Anbieter - zwischen 5 und 15 Euro. Das heißt, Erwerbslose bekommen zuerst kein Konto und müssen dann für eine Barüberweisung extra zahlen. Das ist wirklich absurd. Es wird höchste Zeit, dass wir das abstellen. (Beifall bei der LINKEN und der SPD) Vor allem überschuldete Verbraucherinnen und Verbraucher haben Probleme, ein Girokonto zu eröffnen. Das heißt, wer ohnehin knapp bei Kasse ist, wird zusätzlich belastet. Wir als Linke halten das für sozial ungerecht und unzumutbar. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hat in der Tat bislang keinen Schritt unternommen, diesen skandalösen Zustand zu beenden. Es gibt bereits seit 15 Jahren eine freiwillige Selbstverpflichtung in Deutschland, dass Kreditinstitute ein Girokonto für alle anbieten sollen. Das Ergebnis ist aber: Seit 15 Jahren funktioniert das nicht. Diese Selbstverpflichtung ist schlichtweg albern. Herr Kollege Brinkhaus, ein Gesetzentwurf in dieser Sache ist daher nicht die Ultima Ratio, sondern längst überfällig. (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Noch einmal zur Verbraucherpolitik der Bundesregierung. Die Frankfurter Rundschau hat vor ein paar Monaten über folgenden Vorgang berichtet: Die Europäische Kommission wollte das Recht auf ein Basiskonto im Rahmen einer rechtsverbindlichen Verordnung verankern. Auf Drängen der Bundesrepublik Deutschland wurde aus einer rechtsverbindlichen Verordnung dann lediglich eine Empfehlung. So sieht schwarz-gelbe Verbraucherpolitik aus. Sie hat ihren Namen nicht verdient. (Dr. Daniel Volk [FDP]: So sieht Subsidiarität aus, Frau Kollegin!) Sie hätten hier die Möglichkeit gehabt, zu einer wirkungsvollen gesetzlichen Regelung beizutragen. Aber Sie haben sie sogar verhindert. Wenn Sie sich nun rühmen, im Bereich des finanziellen Verbraucherschutzes viel erreicht zu haben, dann kann ich nur sagen: Das entbehrt jeglicher Grundlage. (Beifall bei der LINKEN - Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Dann reden wir doch mal über die Sachen, die wir gemacht haben! Aber das steht wahrscheinlich nicht in Ihrem Skript! Da sind Sie nicht informiert!) - Ich habe zuvor alle Initiativen der Bundesregierung im Bereich des finanziellen Verbraucherschutzes - so viele sind es nicht - angesprochen. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das war eine Menge! Dann sollten Sie auch wissen, was da Gutes umgesetzt worden ist!) Ich bleibe bei meiner Aussage. Kommen wir zum P-Konto. Es freut mich, zu hören, dass auch Ihnen bekannt ist, dass dies kein optimales Instrument ist. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das Instrument ist optimal! Wir haben es eingeführt, nicht Sie!) Es gibt sehr viele Probleme mit dem P-Konto. Wer Pfändungsschutz beantragt, der wird teilweise mit der Kündigung seines Kontos bestraft. Wer ein P-Konto eingerichtet bekommt, dem werden bestimmte Basisleistungen gestrichen. Kreditinstitute verwehren dann beispielsweise kostenloses Onlinebanking, sperren Kreditkarten und streichen Daueraufträge. Auf all diese Probleme machen die Verbraucherverbände seit langem aufmerksam. Es ist daher dringend notwendig, das zu regeln. (Beifall bei der LINKEN) Das Girokonto für alle muss jedem Menschen unabhängig von seiner finanziellen Situation zur Verfügung stehen. Das ist unsere Position als Linke. Es muss ein Verbraucherrecht auf ein kostenloses Girokonto für alle geben; denn für Hartz-IV-Bezieher sind 3 Euro schon jede Menge Geld. Selbstverständlich muss ein Girokonto für jedermann auch alle Basisfunktionen bieten. Dazu gehören Überweisungen, Lastschriften und auch die elektronische Geldkarte. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Und wahrscheinlich noch ein Dispo!) - Zur Dispoabzocke kommen wir beim übernächsten Tagesordnungspunkt. Ich bin sehr gespannt, was Sie an dieser Stelle anzubieten haben. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Da bin ich nicht mehr da!) Wir Linke sagen, dass pro Person ein Girokonto automatisch pfändungsgeschützt sein muss. Nur so ist die Stigmatisierung, die mit der Beantragung eines P-Kontos bisher einhergeht, zu verhindern. Die Bundesregierung muss aus unserer Sicht endlich handeln. Sie muss die Banken zwingen, ein Girokonto für jeden Bürger und für jede Bürgerin anzubieten. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die FDP spricht jetzt der Kollege Dr. Daniel Volk. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Daniel Volk (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident! - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Lay, was Sie gerade dargelegt haben, hat ziemlich deutlich gezeigt, dass wir in diesem Bereich Probleme haben, (Caren Lay [DIE LINKE]: Ja!) dass wir aber einige Probleme nicht einfach mit einer plumpen gesetzlichen Regelung werden ändern können. (Caren Lay [DIE LINKE]: Was haben Sie denn anzubieten?) Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Ich bin immer sehr zurückhaltend, den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes zu sagen: Wenn wir ein Gesetz machen, haben wir das Problem gelöst. (Kerstin Tack [SPD]: Sondern? Was ist denn Ihr Vorschlag?) Man sollte sich das Problem etwas genauer anschauen, um zu sehen, wo wir Änderungen vornehmen müssen oder wo es möglicherweise auf der jetzigen gesetzlichen Grundlage schon Verbesserungen gibt. (Kerstin Tack [SPD]: Quatsch!) Es ist klar, dass das Girokonto für die heutige Teilnahme am Wirtschaftsverkehr unerlässlich ist; das ist keine Frage. Klar ist auch, dass wir mit dem Pfändungsschutzkonto schon einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht haben. Damit besteht eine sehr gute Einrichtung. Gleichzeitig müssen wir aber zur Kenntnis nehmen, dass die gesetzliche Verpflichtung der Banken, für jedermann ein Konto einzurichten, in einigen Bundesländern bereits besteht. (Sonja Steffen [SPD]: Aber nur für die Sparkassen!) Frau Kollegin Lay, das ist es, was ich vorhin mit dem Stichwort "Subsidiarität" meinte: Auf welcher politischen Ebene ist die Frage am besten zu klären? (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Immer auf einer anderen!) Es zeigt sich, dass es in den Bundesländern, die die Regelung im Sparkassengesetz bzw. in einer Sparkassenverordnung verankert haben, die hier aufgezeigten Probleme nicht gibt. Herr Sieling, hier spreche ich Sie ganz persönlich an. Sie sind Abgeordneter aus dem Bundesland Bremen. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: So ist es!) Sie waren in der Bremischen Bürgerschaft an einer nicht unwichtigen Position tätig. Sie haben sich offenbar in Bremen nicht dazu durchringen können, genau das, was Sie hier im Bundestag fordern, in der Bremischen Bürgerschaft als gesetzliche Regelung in das dortige Sparkassengesetz oder die Sparkassenverordnung aufzunehmen. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Dasselbe betrifft das Bundesland Berlin, wo die Linksfraktion über Jahre an der Regierung beteiligt war. In der Zeit der Regierungsbeteiligung der Linksfraktion in Berlin konnte man sich offenbar nicht durchringen, im Berliner Abgeordnetenhaus eine gesetzliche Regelung durchzusetzen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Volk, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sieling? Dr. Daniel Volk (FDP): Nein, ich möchte gerne fortfahren. - Insofern ist es schon etwas verwunderlich, dass Sie dies dort, wo Sie es machen könnten, nicht machen, und das dort, wo Sie es nicht machen können, fordern. Vor diesem Hintergrund kann man sagen, dass der Antrag zumindest in dieser Richtung wohl eher ein Schaufensterantrag ist. Ich habe mit großem Interesse die Zwischenrufe der SPD-Fraktion bezüglich der Schuldnerberatung in den Bundesländern verfolgt. Wir sind uns einig, dass die Bundesländer dafür zuständig sind. Deshalb formulieren Sie in Ihrem Antrag, die Bundesregierung möge die Länder auffordern, sich für den Ausbau der Beratungen einzusetzen. (Kerstin Tack [SPD]: Jetzt mal Ihre Position!) Ich sage einmal: Die Länder, die von der SPD und den Grünen regiert werden, können das von sich aus machen. Das wäre ganz gut; das ist schließlich Ihre Position. (Kerstin Tack [SPD]: Haben Sie eine Position, oder schwafeln Sie weiter herum? - Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Nur die Verantwortung wegschieben!) Sie haben vorhin in einem Zwischenruf darauf hingewiesen, dass man teilweise sechs Monate auf einen Schuldnerberatungstermin warten müsse. Sollte ein Bundesland dieses Problem haben, kann ich nur sagen: Es gibt auch andere Formen der Schuldnerberatung. Es gibt nicht nur die Schuldnerberatungsstellen, die übrigens einen sehr guten Job machen - das will ich nicht in Abrede stellen -, sondern auch noch andere Möglichkeiten. Jemand, der beschränkte finanzielle Mittel hat, kann sich beim Amtsgericht einen Beratungsschein besorgen und einen Rechtsanwalt aufsuchen. Ich kann Ihnen versichern: Dort kriegt er sicherlich sehr viel schneller einen Termin für eine Schuldnerberatung als bei einer Schuldnerberatungsstelle, bei der möglicherweise sechs Monate Wartezeit besteht. Insofern haben wir auch in diesem Punkt, meine ich, eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Im Übrigen empfehle ich, die entsprechenden Berichte der Bundesregierung abzuwarten. Die SPD, die den Antrag vorgelegt hat, hatte selber über elf Jahre lang Verantwortung im Finanzministerium und hat die Berichte erst einmal abgewartet. Ich glaube, wir sollten die Berichte abwarten und uns dann auf der Grundlage dieser Berichte näher mit dem Problem befassen. Abschließend möchte ich auf eines hinweisen: Ich glaube, dass wir gut beraten wären, keine bundeseinheitliche Regelung zu machen und darin auch noch die Kontengebühren auf Euro und Cent festzulegen. Ich glaube, wir sind besser beraten, die Zuständigkeit der Bundesländer zu akzeptieren, entsprechende Regelungen zu schaffen. Ich lade die hiesigen Oppositionsfraktionen ein, die Vorschläge, die sie hier in einem Schaufensterantrag vorlegen, in den von ihnen regierten Bundesländern umzusetzen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Ablehnung der Zwischenfragen hat zwei Kurzinterventionen provoziert, und zwar des Kollegen Sieling und der Frau Kollegin Lay. Ich rufe die beiden nacheinander auf; dann können Sie im Zusammenhang antworten. - Bitte schön, Herr Sieling. Dr. Carsten Sieling (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Volk, da Sie auch in Bremen geboren sind und dort sogar zur Schule gegangen sind, (Dr. Daniel Volk [FDP]: Erstaunlich, dass aus mir etwas geworden ist!) bevor Sie in den tieferen Süden geflohen sind, will ich zur Kenntnis nehmen, dass Sie vielleicht nicht voll informiert sind. Aber ich möchte deutlich sagen, dass es durchaus eine Initiative für ein Girokonto für alle gegeben hat, und zwar in der Zeit, als ich Fraktionsvorsitzender in der Bremischen Bürgerschaft war. Das Problem besteht allerdings darin, dass Bremen eine freie Sparkasse hat. Darüber hat es entsprechende juristische Auseinandersetzungen gegeben, die gerade gezeigt haben, dass wir eine bundesweite Regelung brauchen, um für den gesamten Kreditsektor - darum geht es im Übrigen; denn wir wollen nicht, dass das private Kreditgewerbe benachteiligt wird - eine Regelung zu schaffen. Dafür plädiere ich ausdrücklich. Den von Ihnen angesprochenen Bericht wollen wir selbstverständlich abwarten. Das ist die erste Initiative. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich den richtigen Ausführungen des Kollegen Brinkhaus anschließen und den Bericht, wenn er vorliegt, konstruktiv prüfen würden - er wird uns sicherlich keine Verbesserungen aufzeigen -, damit wir dann unsere Initiative aufgreifen und umsetzen können. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: So habe ich das gar nicht gesagt!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin Lay. Caren Lay (DIE LINKE): Herr Präsident! Herr Kollege, auch ich nutze die Gelegenheit zu einer Kurzintervention, weil Sie mir keine Gelegenheit zu einer Zwischenfrage gegeben haben. Ich muss darauf hinweisen, dass es die Linksfraktion war, die beispielsweise im Landtag des Saarlandes beantragt hat, ein Girokonto für alle einzuführen. Das ist von allen anderen abgelehnt worden. Es ist also auch von der FDP abgelehnt worden, die dort gemeinsam mit der CDU an der Regierung ist. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Und von den Grünen!) - Und von den Grünen. - Mich interessiert, wie Sie sich das erklären. Sie sagen auf der einen Seite: Wir können auf der Bundesebene keine gesetzliche Regelung schaffen; das sollen die Länder tun. Auf der anderen Seite sorgt Ihre Partei dafür, wenn wie im Saarland von der Linken die Initiative eingebracht wird, ein Girokonto für alle einzuführen, dass dies abgelehnt wird. Ich muss mich sehr wundern. Der Redner der CDU/ CSU verweist auf ausbleibende Regelungen auf europäischer Ebene. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Nein! Das habe ich nicht gesagt! Sie müssen zuhören!) Die FDP verweist auf die Subsidiarität und damit auf die Verantwortung der Länder. Ich habe das Gefühl, dass ein gemeinsamer Konsens darin besteht, dass Sie sich auf Bundesebene der Verantwortung entziehen wollen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Jetzt zur Erwiderung Kollege Volk. Dr. Daniel Volk (FDP): Herr Kollege Sieling, ich möchte darauf hinweisen, dass in Bremen eine entsprechende Rechtsprechung existiert, nach der ein Kontrahierungszwang aufgrund einer fehlenden landesgesetzlichen Bestimmung besteht. Ich halte die juristischen Argumente, die Sie hier kurz angedeutet haben, also für vorgeschoben. Ich glaube sehr wohl, dass es auch im Bundesland Bremen möglich ist, eine entsprechende Bestimmung in das Sparkassengesetz bzw. die Sparkassenverordnung aufzunehmen. Frau Kollegin Lay, ich habe noch vor Augen, wie der Antrag der Linksfraktion im saarländischen Landtag aussah. Das Problem war nicht das Konto für jedermann, sondern das Problem waren die weiteren Punkte, die die Linksfraktion mit aufgenommen hatte. Diese haben dazu geführt, dass der Antrag von den Regierungsfraktionen abgelehnt werden musste. (Beifall bei der FDP - Caren Lay [DIE LINKE]: Es gab eine punktweise Abstimmung!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dann hat jetzt die Kollegin Nicole Maisch von Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich dachte, es würde Konsens darüber bestehen, dass ein Girokonto Voraussetzung für die Teilnahme am Wirtschaftsleben ist und dass man denjenigen, die kein Konto haben, helfen muss. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das dachten wir auch!) Herr Dr. Volk hat diesen Konsens wortreich, aber inhaltsleer aufgekündigt. Das finde ich ziemlich peinlich für die FDP. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Wir wissen alle: Ein Girokonto ist kein Luxus. Vielmehr ist eine Bankverbindung Grundvoraussetzung für die Teilnahme nicht nur am Wirtschaftsleben, sondern auch an vielen, vielen anderen gesellschaftlichen Lebensbereichen. Deshalb hat mich der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses gebeten, dass der Antrag auch in diesem Ausschuss beraten werden soll. Ich denke, da gehört er auch hin. Die Kolleginnen und Kollegen haben ausgeführt, dass es sehr viele Menschen in Deutschland gibt, 670 000 Menschen über 21 Jahre, die über kein Konto verfügen. Die öffentliche Hand zahlt dafür. Im Jahr 2007 waren das 17 Millionen Euro an Zusatzkosten für Barauszahlungen. Das heißt, das ist auch für die Verwaltung ein finanzielles Problem. Viele Menschen bekommen kein Konto, auch wenn sie ein Recht darauf hätten. Das zeigen uns die Berichte der Verbraucher- und Schuldnerberatungen. Deshalb ist es längst an der Zeit, hier einen Rechtsanspruch einzuführen. Ich finde es sehr gut, dass Herr Brinkhaus gesagt hat, er will das zumindest vorurteilsfrei prüfen. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das mache ich immer!) Die FDP kann davon noch lernen. Ich möchte jetzt aber wenig über allgemeine und theoretische Sachen sprechen, sondern ich möchte Sie einladen, sich einfach einmal vorzustellen, wie es ist, ohne ein Konto zu leben. Stellen wir uns einmal Sabine P., 43 Jahre alt, zwei Kinder, vor. Wie lebt sie ohne Konto? Das Kindergeld wird normalerweise überwiesen. Um das per Scheck ausgezahlt zu bekommen, ist eine teure und auch ziemlich peinliche Ämterrennerei erforderlich. (Dr. Daniel Volk [FDP]: In welchem Bundesland lebt Sabine P.?) - Sabine P. wohnt in Berlin. Die Geschichte mit der Scheckauszahlung basiert auf Daten aus Berlin. Für die anderen Bundesländer habe ich das nicht geprüft, aber das könnte ich natürlich gern nachreichen. Der Unterhalt ihres geschiedenen Mannes wird - da sie kein Konto hat - nicht überwiesen, sondern den bringt er vorbei, wenn er daran denkt. Manchmal denkt er eben auch nicht daran. Den Unkostenbeitrag für die Klassenfahrt kann sie nicht auf das Konto der Lehrerin überweisen, sondern muss ihn persönlich in der Schule vorbeibringen. Miete, Gas und Strom zahlt sie per teurer Bareinzahlung. Das kostet jedes Mal 5 bis 7 Euro Gebühren. Ihr Wohngeld wird dadurch gemindert, dass die Kosten für die Barauszahlungen vom Wohngeld abgezogen werden. Bei eBay günstig Kinderklamotten zu shoppen, kann sie vergessen, da eBay und auch andere Onlineshops ohne Girokonto nicht zu nutzen sind. Bezahlpflichtige Onlinedienste wie iTunes oder Onlinevideotheken sind von ihr nicht zu nutzen. Wenn sie einen Song hören will, muss sie die gesamte CD kaufen. Einen günstigen Handyvertrag oder einen Festnetzanschluss hat sie nicht, sie hat eine Prepaid-Karte mit natürlich völlig überhöhten Gesprächskosten. Ich könnte das jetzt ewig weiter ausführen. Stellen Sie sich einmal vor, sie hat ein Vorstellungsgespräch und muss sagen: Das Gehalt möchte ich nicht auf mein Konto überwiesen haben, sondern bitte in der guten alten Lohntüte! (Olav Gutting [CDU/CSU]: Die darf nicht aus Plastik sein!) Das ist einfach von gestern, das geht nicht mehr. Deshalb brauchen wir diesen Rechtsanspruch. Ich finde es gerade von der FDP ziemlich frech, zu sagen, die Opposition soll in den Bundesländern dafür sorgen, dass es ein Girokonto für alle gibt. Hier in Berlin im Bundestag sind Sie noch im Parlament, anders als zum Beispiel im Landtag in Rheinland-Pfalz. Hier sitzen Sie mit in der Regierung, anders als zum Beispiel in Baden-Württemberg, wo Sie nicht mehr drin sind. Aber statt hier etwas zu regeln, sagen Sie, wir sollen es in den Bundesländern machen. Das finde ich ziemlich absurd. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Sie könnten doch in Rheinland-Pfalz oder in Baden-Württemberg etwas machen!) - Warum machen Sie denn hier auf der Bundesebene nichts? Sie müssen schon Ihren eigenen Hintern bewegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Dr. Daniel Volk [FDP]: Weil wir Subsidiarität achten!) Leistung muss sich lohnen, auch hier in der Regierung. Deshalb können Sie hier einmal Leistung zeigen und sich um die ärmsten Menschen in diesem Land kümmern. Das ist Ihre Pflicht als Abgeordnete. Sie sollten nicht immer mit dem Finger auf andere zeigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Dr. Daniel Volk [FDP]: Haben Sie schon einmal etwas von Föderalismus gehört?) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Jetzt hat das Wort der Kollege Peter Aumer von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Peter Aumer (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren über ein in der Tat wichtiges Thema. Sie haben vorhin gesagt, dass der Bundestag 2002 beschlossen hat, im Zweijahresrhythmus einen Bericht der Bundesregierung über die Situation der girokontolosen Menschen in unserem Land einzufordern, also der Menschen, die gerne ein Girokonto anlegen würden, aber es nicht können, etwa weil keine Bank dies zulässt. Ich frage: Wer war 2002 an der Regierung? Wer hat in dieser Zeit die Möglichkeit gehabt, etwas in diesem Bereich zu regeln? Das waren Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD und von den Grünen. Da haben Sie Ihre Verantwortung ebenfalls nicht genutzt, um dieses Thema abzuarbeiten und gesetzliche Regelungen auf den Weg zu bringen. Uns vorzuhalten, dass wir unseren Worten keine Taten folgen lassen, finde ich schon ein bisschen dreist und sachlich unangemessen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir versuchen - der Kollege Brinkhaus hat das vorhin angesprochen -, eine Lösung zu finden, die den Menschen hilft. Frau Maisch, Ihr Beispiel kann ich durchaus nachvollziehen. Wenn man versucht, sich vorzustellen, wie man heute ohne ein Girokonto leben könnte, dann stellt man fest: Das geht in der Tat nicht. Auch ich könnte mir das nicht vorstellen. Man muss sicherlich Regelungen auf den Weg bringen, die gewährleisten, dass das Ganze funktioniert. Ob solche Regelungen immer gesetzliche Regelungen sein müssen, das ist die große Frage. Ob eine gesetzliche Regelung wirkt, muss man sich sicherlich ebenfalls einmal im Detail anschauen. Die Bundesregierung legt den Bericht im nächsten Jahr vor. Er befindet sich im Moment in der Ressortabstimmung. Man muss einmal schauen, wie sich die Dinge seit 2002 geändert haben. Die Menschen, die kein Girokonto haben, müssen die Möglichkeit bekommen, ein solches Konto einzurichten. Es kann natürlich nicht sein, dass sich die Kreditinstitute ihrer Verantwortung entziehen und Menschen, die auf ein Girokonto angewiesen sind, die Möglichkeit der Kontoeröffnung nicht gewähren. Das zu ändern, liegt selbstverständlich auch in unserer Verantwortung. Einige Bundesländer haben auf diesem Gebiet schon etwas gemacht. Die Sparkassen sind hier vorbildlich. Die Sparkassen sind in acht Bundesländern verpflichtet worden, girokontolosen Menschen Girokonten anzubieten. Es kann nicht sein, dass man für solche Konten erhöhte Gebühren fordert. All das sind Dinge, die im Moment geregelt werden. Der entscheidende Punkt unserer Argumentation, der berücksichtigt werden muss, meine sehr geehrten Damen und Herren der Opposition, ist die Empfehlung der Europäischen Union. Sie hat in diesem Jahr eine Empfehlung vorgelegt, dass in jedem Mitgliedsland die Einrichtung eines grundlegenden Zahlungsfunktionskontos unabhängig vom Einkommen zu gewährleisten ist. Ich glaube, das ist etwas, was in den Mitgliedsländern der Europäischen Union Nachhall findet. Auch wir in Deutschland müssen dieser Forderung gerecht werden. Sie selber und wir haben es angesprochen: Es gab eine legislative Initiative auf europäischer Ebene, so etwas gesetzlich zu regeln. Unser Bestreben ist, dass man prüft, was im Moment in Deutschland Sachstand ist, dass man den Bericht der Bundesregierung abwartet, dass man die Empfehlungen, die von europäischer Ebene kommen, umsetzt. Diejenigen Menschen, die kein Girokonto haben, müssen eines haben können; das ist grundlegend und muss gewährleistet sein. Das ist aus meiner Sicht etwas, was den Betroffenen in unserem Land etwas bringt. Wir haben in diesem Bereich ein Problem; das ist ganz klar. Dem müssen wir nachkommen. Ein Basiskonto soll allen Menschen die finanzielle Teilhabe am Leben ermöglichen. Wir haben gestern über ein wichtiges Thema gesprochen: das Geldwäschegesetz. Da ging es auch um das E-Geld. Mir ist zum ersten Mal bewusst geworden, dass es Menschen geben kann, die kein Konto haben. Das war mir zuvor nicht klar. E-Geld bietet auch diesen Menschen die Möglichkeit, Geld auf eine Karte zu laden und damit zu bezahlen. Das kann natürlich nicht in unserem Sinne sein. Wir haben gestern geregelt, dass diese Karten auf einen Wert von 100 Euro im Monat begrenzt werden sollen. Sicherlich fällt damit für die Menschen, über die wir heute sprechen, eine Möglichkeit der Bezahlung weg. Deswegen muss man ganz klar sagen, dass die Regelung gut werden muss. Wir sind bemüht, eine gute Regelung zu finden. Deswegen bitte ich auch Sie, dass wir konstruktiv und nicht ideologisch diskutieren. Denn Sie hatten in Ihrer Regierungsverantwortung die Möglichkeit, eine Lösung herbeizuführen. Im Jahr 2002 hat der Bundestag die Bundesregierung entsprechend beauftragt. Damals waren Sie an der Regierung. (Widerspruch bei der SPD) - Ja, Sie haben sich darauf verständigt, zu warten. Warum pressiert es dann heute? Ich denke, man sollte in der Argumentation fair und ehrlich sein. (Zurufe von der SPD) Wir sind es. Wir bereiten die Dinge vor und finden einen Weg, auf dem wir diesen Menschen helfen können, ein Konto zu bekommen und am allgemeinen Zahlungsverkehr teilzuhaben. Das ist unser gemeinsames Ziel. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Burkhard Lischka [SPD]: Da können sie lange warten!) Sie haben gewartet. Ihre Zwischenrufe können Sie sich also sparen. Wenn man nicht in der Zeit, in der man handeln kann, tätig wird, dann ist man in der Regierungsverantwortung nicht gut aufgehoben. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Das stimmt! - Gegenruf des Abg. Peter Aumer [CDU/CSU]: Sie waren auch in der Regierung!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt hat jetzt die Kollegin Sonja Steffen das Wort. (Beifall bei der SPD) Sonja Steffen (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Während wir im Deutschen Bundestag über Milliardenrettungsschirme für Europa diskutieren, sollten wir die lebensnahen Probleme unserer Bürgerinnen und Bürger beim täglichen Umgang mit den Banken nicht aus den Augen verlieren. Dazu gehören die immer zahlreicher werdenden Kontopfändungen und der nach wie vor nicht umgesetzte Rechtsanspruch auf ein Girokonto für jedermann. Das Problem der Kontolosigkeit hat gravierende Auswirkungen für die Betroffenen. Frau Maisch, Sie haben das vorhin durch ein Beispiel schon sehr anschaulich dargestellt. In der Tat gibt es heute - das haben wir auch schon gehört - viele Bürgerinnen und Bürger, die unfreiwillig kein eigenes Girokonto haben und deshalb nach wie vor von ganz wichtigen Bereichen des wirtschaftlichen Verkehrs ausgeschlossen sind. Dass dies eine Negativspirale auslöst, werden Sie alle wissen. Bereits Verschuldete geraten noch verstärkt in Probleme, wenn für Lohn-, Gehalts- und Mietzahlungen kein Girokonto besteht. Die Bankgebühren für Bareinzahlungen - darauf hat Frau Lay schon hingewiesen - betragen mitunter mehr als 10 Euro, und zwar für jede einzelne Bareinzahlung. Das ist besonders für Personen mit geringem Einkommen eine Belastung, die sie im Grunde gar nicht tragen können. Nun gibt es seit 1995 eine Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses an alle Banken zur Einrichtung eines Girokontos für jedermann. Ich denke, es war gut, dass wir eine Weile gewartet haben, wie das Ergebnis dieser Empfehlung aussieht. Nun haben wir schon gehört: Wir haben fünf Berichte hinter uns; die Situation der unfreiwillig kontolosen Bürgerinnen und Bürger in unserem Land hat sich seitdem nicht nachhaltig verbessert. Die Empfehlung lässt nämlich den Banken viel zu viele Möglichkeiten, eine Kontoeröffnung abzulehnen oder ein bestehendes Konto zu kündigen. Deshalb wird sie bis heute bei weitem nicht in ausreichendem Umfang umgesetzt. Auch Schuldnerberatungsstellen betonen immer wieder, dass die Banken vielfach die Kontoführung verweigern. Hauptgrund ist übrigens, dass die Kontoführungsgebühren die Kosten des Girokontos im Rahmen der Kosten-Nutzen-Rechnung nicht decken. Kostendeckend werden Girokonten nur durch die Guthaben, die Kunden auf diesen Konten haben, oder durch die Inanspruchnahme hoher Dispokredite. Aber viele Kundinnen und Kunden verfügen nicht über ein solches Guthaben, sodass sie sich für die Banken schlichtweg nicht lohnen. Es gibt das - man kann schon sagen - Unwort der sogenannten Schalterhygiene. Es beschreibt die Praxis vieler Banken, dass sie bestimmten Personen die Eröffnung eines Kontos schlichtweg verweigern oder zumindest massiv erschweren. Mit Ausnahme des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes lehnen bis zum heutigen Tag alle Verbände der Kreditwirtschaft unverändert jede verbindliche Regelung von Guthabenkonten ab. Dass es für die Sparkassen in acht Bundesländern eine Regelung gibt, ist schön, reicht aber bei weitem nicht aus, um das Recht auf ein Girokonto für jedermann zu installieren. (Beifall bei der SPD - Dr. Daniel Volk [FDP]: Genau! Weil noch acht Bundesländer fehlen!) - Aber nicht nur die Bundesländer fehlen, sondern es fehlen auch die Verpflichtungen der anderen Banken. - Ich meine, Herr Brinkhaus, wir haben lange genug geschaut, was uns diese Empfehlungen bringen. Sie haben recht. Es hat eine ganze Weile gedauert, aber inzwischen müssten wir einsehen, dass wir so nicht mehr weiterkommen und es höchste Zeit ist, das verbindliche Recht des Kunden auf ein Girokonto festzuschreiben, bevor uns Europa auch an dieser Stelle überholt. Ein weiteres Anliegen des Antrages ist bis jetzt wenig zur Sprache gekommen. Es geht darum, die Inhalte des Pfändungsschutzkontos gesetzlich verbindlicher zu gestalten. Das Konto, das wissen Sie alle, wurde zum 1. Juli 2010 eingeführt, und es schützt den Kontoinhaber vor Pfändungen bis zur Höhe des Pfändungsfreibetrages. So weit, so gut. Das ist eine gute Sache, grundsätzlich also begrüßenswert; denn dadurch bleibt dem Schuldner der umständliche Gang zum Vollstreckungsgericht erspart. Aber in der Praxis hat sich gezeigt, dass das Pfändungsschutzkonto an vielen Stellen Probleme mit sich bringt. Es ist deshalb wichtig, eine Nachbesserung der gesetzlichen Grundlagen zu fordern. Der eine oder andere von Ihnen, der schon in der 16. Legislaturperiode dem Bundestag angehörte, wird wissen, dass der Rechtsausschuss in den Ausführungen zur Gesetzesbegründung seine Erwartung zum Ausdruck gebracht hat, dass das P-Konto nicht teurer sein wird als ein normales Konto. Aber damals wurde von einer verbindlichen gesetzlichen Regelung abgesehen. Diese Erwartung hat sich leider nicht erfüllt. Der Ärger beim neuen Pfändungsschutzkonto reißt nicht ab. Es gibt Banken, die monatlich bis zu 27 Euro für die Führung eines P-Kontos verlangen. Das ist ein Unding, besonders wenn man bedenkt, dass gerade die finanzschwachen Menschen unseres Landes auf den Schutz durch das P-Konto angewiesen sind. Aber nicht nur die Gebühren sorgen für Verunsicherung, sondern auch die Bescheinigungen, die von den Banken verlangt werden. Dies bedeutet, dass die Menschen teilweise von A nach B laufen müssen, um irgendwelche wasserdichten Bescheinigungen zu erhalten. Dennoch wird nach wie vor gemauert. Kunden, die ihr bestehendes Konto in ein P-Konto umwandeln wollen, werden in manchen Banken schlecht behandelt und teilweise sogar öffentlich in der Schalterhalle bloßgestellt. Das muss sich ändern. Das sagen auch Verbraucherschützer und Schuldnerberater. (Beifall bei der SPD) Ich komme zum Schluss. Gerade in Zeiten, in denen wir über Milliardenkredite und über den Anteil der Banken an der gegenwärtigen Finanzkrise diskutieren, drohen die Menschen, unsere Bürgerinnen und Bürger, immer mehr ihr Vertrauen in die Politik und die Banken zu verlieren. Der Deutsche Bundestag sollte hier ein kleines, aber sehr wichtiges Zeichen setzen und die Banken zumindest an dieser Stelle in die Pflicht nehmen. Ich habe die Hoffnung, dass zumindest die Fraktion der CDU/CSU gemeinsam mit uns daran arbeiten wird. Bei der FDP ist Hopfen und Malz verloren. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/7823 und 17/7954 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse sowie an den Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe vorgeschlagen. Die Federführung ist jedoch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP wünschen jeweils Federführung beim Finanzausschuss. Die Fraktion der SPD wünscht Federführung beim Rechtsausschuss, und die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke wünschen Federführung beim Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Ich lasse zuerst abstimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktion der SPD, Federführung beim Rechtsausschuss. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmen aller Fraktionen gegen die Stimmen der SPD abgelehnt. Ich lasse nun abstimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, Federführung beim Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Zustimmung der Linken und der Grünen abgelehnt. Schließlich stimmen wir ab über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP, Federführung beim Finanzausschuss. Wer stimmt da-für? - Dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Vorschlag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 35 a und b auf: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Neunter Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen - Drucksachen 17/2840, 17/3110 Nr. 2, 17/7941 - Berichterstattung: Abgeordnete Erika Steinbach Christoph Strässer Marina Schuster Annette Groth Volker Beck (Köln) b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu der Unterrichtung Menschenrechte und Demokratie in der Welt - Bericht über die Maßnahmen der EU - Juli 2008 bis Dezember 2009 - Ratsdok. 8363/10 - (Folgedokument) - Drucksachen 17/315 Nr. A.4, 17/4522 - Berichterstattung: Abgeordnete Erika Steinbach Christoph Strässer Marina Schuster Katrin Werner Volker Beck (Köln) Zu dem Neunten Bericht der Bundesregierung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache wiederum eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin Marina Schuster von der FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Marina Schuster (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Neunte Menschenrechtsbericht der Bundesregierung umfasst den Berichtszeitraum vom 1. März 2008 bis zum 28. Februar 2010. Er betrifft also überwiegend die Zeit der Vorgängerregierung; erstellt wurde er von der schwarz-gelben Bundesregierung. Im Ausschuss für Menschenrechte hat es eine öffentliche Anhörung zum Bericht gegeben. Die Gutachter waren sich einig, dass der Bericht besser geworden ist, vor allem übersichtlicher und handhabbarer. Ich möchte an dieser Stelle den Gutachtern ganz herzlich für ihre wichtigen Stellungnahmen danken, die natürlich in unsere Arbeit einfließen. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte einen Schwerpunkt meiner Rede bei der Verbesserung der internationalen Menschenrechtsschutzsysteme setzen. Diesen Schwerpunkt haben wir auch im Koalitionsvertrag verankert. Er ist besonders wichtig, weil wir der Kultur der Straflosigkeit endlich ein Ende machen müssen. Denn in den Ländern, in denen die nationalen Justizsysteme Schwächen haben oder Rechtsstaatlichkeit gar nicht gegeben ist, ist es für die Betroffenen oft die einzige Möglichkeit, Recht zu finden, wenn sie sich an überregionale oder internationale Menschenrechtsschutzsysteme wenden können. Wir sehen das ganz konkret beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Er ist, wie wir alle wissen, überlastet: allein 14 300 anhängige Verfahren aus Russland. Deswegen danke ich unserer Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sehr für ihre aktive Rolle im Reformprozess; denn es ist ganz wichtig, dass sich der EGMR den schwerwiegenden, dringenden Fällen widmen kann und nicht vor Überlastung zusammenbricht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Nun zum Internationalen Strafgerichtshof. Auch da hat es eine große Verbesserung, eine große Neuerung gegeben: Es wurde eine Strafbarkeitslücke geschlossen. Das ist ein Meilenstein, der dank des Engagements der Bundesregierung und insbesondere von Markus Löning geglückt ist. Wir konnten jetzt einen neuen Straftatbestand aufnehmen: Crime of Aggression. Er ist definiert worden und ist nun Bestandteil der internationalen Völkerstrafgerichtsbarkeit. Das ist wirklich ein großer Fortschritt, der in den Medien kaum Niederschlag gefunden hat. Deswegen ist es so wichtig, dass wir es hier und heute erwähnen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Menschenrechtsausschuss war im Mai dieses Jahres im Kongo. Wir haben im Ostkongo ehemalige Kindersoldaten getroffen. Wir hatten mit ihnen ein Gespräch, das uns allen unter die Haut ging. Wir wissen, dass gerade Kinder die Hauptleidtragenden in internationalen Konflikten und Kriegen sind. Deswegen freut es mich sehr, dass es Außenminister Westerwelle gelungen ist, im Juli bei den Vereinten Nationen eine Resolution zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten durchzubringen. Jetzt werden Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser international geächtet. Das ist ein weiterer Schritt, damit Kinder besser geschützt werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Engagement der Bundesregierung ist vielfältig. Ich möchte Markus Löning, den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, noch einmal explizit erwähnen, der sich insbesondere dem Kampf gegen die Todesstrafe verschrieben hat. Er hat dazu auch eine Reise in die USA durchgeführt. Wir wissen, dass in den USA, im Iran, in China und Belarus nach wie vor die Todesstrafe vollstreckt wird und dass es sogar Länder gibt, die die Todesstrafe neu einführen wollen, zum Beispiel Uganda, wo es eine Gesetzesinitiative gab, die für Homosexualität die Todesstrafe vorgesehen hat. Ich will ganz klar sagen: Das werden wir nicht hinnehmen. Wir werden das auch nicht in dem Fall hinnehmen, dass dieser Gesetzentwurf in Uganda noch einmal eingebracht werden sollte. Hier gibt es eine klare Antwort: Das ist mit uns nicht zu machen; die Todesstrafe gehört abgeschafft. (Beifall im ganzen Hause) Leider ist es nicht nur in Uganda ein Problem: Auch in Nigeria, in Russland und in vielen anderen Ländern gibt es neue diskriminierende Gesetze gegen Homosexuelle. Deswegen ist es wichtig, dass wir das bei unseren Gesprächen vor Ort, aber auch dass unsere Botschaften das ansprechen. Ich danke ganz herzlich allen, die sich dafür engagieren. Wir haben noch viel vor uns. Der Kampf für Menschenrechte erfordert das Engagement aller. Ich danke der Bundesregierung sehr herzlich für ihren Neunten Bericht und für ihre Arbeit. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Angelika Graf von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde die heutige Debatte über den Neunten Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik nutzen, um insbesondere auf die Situation von Menschenrechtsverteidigern hinzuweisen. Ich wähle dieses Thema, weil Menschenrechtsverteidiger diejenigen sind, die für ihre Ideale, nämlich Menschenrechte und Demokratie, kämpfen und sich dabei den größten Gefahren für Leib und Leben aussetzen. Viele der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo oder in den Straßen von Homs oder Damaskus gehören genauso dazu wie die prominenten Menschenrechtsaktivisten, über die wir in den Medien hin und wieder Berichte sehen. Sie alle verdienen unsere Aufmerksamkeit, unsere Unterstützung und unseren Schutz. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Weltweit haben die staatlichen Übergriffe auf Menschenrechtsverteidiger zugenommen; das dokumentiert Human Rights Watch sehr deutlich. Autokratische und diktatorische Staaten agieren dabei so umfangreich wie grausam. Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan sind Staaten, in denen es kaum Menschenrechtsaktivisten gibt, weil diese Staaten so grausam gegen sie vorgehen. In Tschetschenien hat der bewaffnete Konflikt zwar an Intensität abgenommen, aber Rechtsanwälte, Journalisten und Aktivisten werden nach wie vor reihenweise bedroht. China, Iran und Sudan verbieten regelmäßig Menschenrechtsorganisationen und verhängen massenhaft Berufsverbote für Anwälte. Malaysia, Aserbaidschan und Usbekistan verleumden und inszenieren Strafanzeigen gegen Menschenrechtsaktivisten. Ich werde später noch auf einen Fall eingehen. Die SPD hat im März 2010 einen eigenen Antrag eingebracht, mit dem wir die Mechanismen zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern in der EU weiterentwickeln wollten. Wir haben gefordert, dass gefährdete Menschenrechtsverteidiger in der EU Schutz finden sollen. Leider ist unser Antrag abgelehnt worden. Ich denke, wir müssen noch mehr - das ist eine Aufforderung an die Bundesregierung - an der Implementierung der EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechten arbeiten. Regelmäßige Treffen mit Menschenrechtsaktivisten und Berichte sind notwendig, aber sie sind nicht hinreichend. Gerade in diesem Bereich könnte und müsste man sehr viel mehr tun; denn die Diktatoren und Autokraten dieser Welt müssen von uns die klare Botschaft bekommen: Ihr dürft eure Bürger und Aktivisten nicht verfolgen, vergewaltigen, foltern oder töten. Wer sich für Menschenrechte und Demokratie engagiert, bekommt unsere europäische Rückendeckung. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Schutz von Menschenrechtsverteidigern muss zu einer wichtigen Säule unserer Außenpolitik werden. Wir lernen derzeit schmerzlich, dass militärische Interventionen, Staatenbau am Reißbrett oder das Abhalten von Wahlen in Gesellschaften nicht ad hoc zur Demokratie führt. Das muss von innen heraus geschehen. Der Schutz von Menschenrechtsverteidigern schafft einen gesellschaftlichen Raum für den nachhaltigen Aufbau von Demokratien. Ich will aus gegebenem Anlass auf zwei Menschenrechtsaktivisten besonders eingehen, deren Fälle mich in der letzten Zeit massiv beschäftigt haben. Der erste ist Anwar Ibrahim. Er ist der Oppositionsführer in Malaysia. Ich hatte gerade seinen Assistenten Najwan Halimi über die Vermittlung des Instituts für Auslandsbeziehungen zur Hospitation in meinem Büro. Anwar Ibrahim wurde bereits mehrmals wegen angeblicher Vergehen angeklagt und hat auch schon eine sechsjährige Haftstrafe verbüßt. Er organisiert die Opposition in Malaysia und wird nun pünktlich vor den anstehenden Parlamentswahlen wegen abstruser Vorwürfe - Sodomie steht im Raum - erneut angeklagt. Ich bin sehr dankbar, dass ich mit Unterstützung des Bundestagsprogramms "Parlamentarier schützen Parlamentarier" für ihn Aktionen auf den Weg bringen konnte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich empfehle Ihnen dieses Programm sehr. (Beifall im ganzen Hause) Der zweite Fall, auf den ich hinweisen möchte, ist Ales Bialiatski. Er ist Vorsitzender des belarussischen Menschenrechtszentrums Viasna und Vizepräsident der International Federation for Human Rights. Er wurde gerade zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Beobachter sehen darin ein politisches Urteil zur Schädigung seiner Menschenrechtsarbeit. Wer ihn, so wie ich, unterstützen möchte, der kann sich an die Nichtregierungsorganisation Libereco wenden. Dort ist man für jedes Engagement dankbar. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP) Zum Schluss unserer Debatte habe ich ein Anliegen. Aufgrund unseres Engagements in Afghanistan sind viele langjährig in Deutschland lebende Afghanen, die einen eigenen Aufenthaltstitel hatten, in ihre alte Heimat zurückgekehrt. Sie haben ihren Aufenthaltstitel in Deutschland aufgegeben und helfen beim Wiederaufbau. Ich habe nun die Befürchtung, dass sie, wenn sich die Sicherheitssituation dort verschlechtert, was verhütet werden möge, keinen neuen Aufenthaltstitel in Deutschland bekommen. Die Bundesregierung hat mir mitgeteilt, es wäre unnötig, Rückkehroptionen vorzubereiten. Ich frage mich: Wem helfen wir damit? Ist es nicht wichtig, dass diese Menschen Sicherheit haben in ihrem Leben und Anerkennung finden für das, was sie getan haben? Ich fasse zusammen: Ich wünsche mir mehr Schutz von Menschenrechtsverteidigern, mehr Schutz von Menschenhandelsopfern - vorgestern haben wir im Menschenrechtsausschuss eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt -, eine Harmonisierung des EU-Asylrechts, die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz und die umfangreiche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. All das sind Punkte, die mit dem Thema Menschenrechte zu tun haben. Wir haben ein weites Feld vor uns. Wir sollten weiterhin alle miteinander und jeder auf seine Weise daran arbeiten. Vielen herzlichen Dank. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Michael Brand für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Michael Brand (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte beginnen mit einem schwer auszusprechenden Namen und einer wirklich guten Nachricht für die Menschenrechte auf diesem Globus: Die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi ist frei. Sie ist die Hoffnung ihres Landes. Sie hat gestern Hillary Clinton beim ersten Besuch einer amerikanischen Außenministerin seit 50 Jahren in ihrem Land dafür gedankt, dass die USA und die freie Welt sich so nachhaltig und dauerhaft für Freiheit und Menschenrechte in ihrem Land eingesetzt haben. Sie hat diese Entwicklung zu Recht als historisch bezeichnet. Wir alle, auch wir hier im Deutschen Bundestag, haben gemeinsam mit Aktivisten auf der ganzen Welt über 20 Jahre hinweg nicht lockergelassen. Amnesty International, die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte und internationale Künstler wie die Rockband U2 haben über Jahre hinweg immer wieder für die Freiheit dieser Frau und dieses Landes gekämpft. Wir haben gemeinsam einen Sieg für die Menschenrechte erreicht. An diesem wie an anderen Fortschritten war auch unser Land bilateral, aber auch auf der EU- und der UN-Ebene stark beteiligt. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland eine gefestigte Tradition aktiver Menschenrechtspolitik, die bei allen Unterschieden von allen Teilen des Deutschen Bundestages mitgetragen wird. Aufgrund der heute stattfindenden Debatte über den vorliegenden Menschenrechtsbericht will ich mitteilen - ich bekenne mich dazu -, dass es in den Beratungen neben der kritischen Erörterung viel Anerkennung für Fortschritte im Bericht wie bei der Menschenrechtspolitik der Bundesregierung gab. Ohnehin will ich hier feststellen: Es zeichnet dieses Land und dieses Parlament aus, dass wir bei der Verteidigung der Menschenrechte immer wieder Gemeinsamkeiten über Parteigrenzen hinweg suchen. Wir kämpfen hier nicht gegeneinander, sondern miteinander für die Menschenrechte. (Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Inschallah! - Angelika Graf [Rosenheim] [SPD]: Genau!) Es ist deshalb nur folgerichtig, wenn ich hier für die spätere Abstimmung konkret empfehle, Herr Kollege Koenigs, der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zuzustimmen. Eine Debatte zur Lage der Menschenrechte darf nie selbstzufrieden geführt werden. Im Gegenteil: Es war und bleibt unsere Aufgabe, gemeinsam mit der Bundesregierung und der Zivilgesellschaft auf Menschenrechtsverletzungen und auf Verfolgung hinzuweisen. Ich möchte für die Unionsfraktion aus den vielen Themen einige herausgreifen, die unsere besondere Aufmerksamkeit erfordern. Dabei ist klar, dass es sich hier nur um eine Auswahl handeln kann; denn der Bericht der Bundesregierung stellt zu Recht den Schutz der Menschenrechte als Querschnittsaufgabe über alle Politikbereiche dar. Wir haben als eines der Ziele im Kampf für die Menschenrechte den Kampf gegen die Todesstrafe. Das gilt vor allem mit Blick auf China, das nicht nur Exportweltmeister ist, sondern leider auch das Land mit den weltweit meisten Hinrichtungen; nicht selten sind davon auch korrupte Funktionäre betroffen. Wir rufen China dazu auf, mehr Demokratie und mehr Menschenrechte zu wagen. Eine große Kulturnation wie China kann auf Dauer nicht Erfolg haben, wenn die eigenen Kräfte von der Einparteiendiktatur eingesperrt werden. So rufen wir auch heute die chinesische Führung zu einem souveränen Umgang mit den Menschenrechten und zu weniger Angst vor dem großen chinesischen Volk auf. Wir appellieren auch an China, den Friedensnobelpreisträger und Schriftsteller Liu Xiaobo freizulassen. Ein zentrales Anliegen der deutschen wie europäischen Menschenrechtspolitik ist die Religionsfreiheit. Mein Kollege Klimke wird dazu später noch einiges ausführen. Es bleibt ein wichtiges Anliegen, dass der UN-Charta in allen Ländern Geltung verschafft wird, in der es heißt, dass niemand wegen seiner religiösen Haltung diskriminiert werden darf. (Beifall des Abg. Pascal Kober [FDP]) Wir mahnen dies bei uns selbst an: Wir verteidigen die Freiheit der Religionen, auch der Religionen der Minderheiten, in unserem Land sehr aktiv. Umso mehr fordern wir, dass in China, in Kuba, in Afghanistan, in Indien und auch in den arabischen Ländern die Menschenrechte gerade bei religiösen Minderheiten geachtet werden. Die meisten Weltreligionen predigen Verständnis und nicht Vernichtung. Wer Andersgläubige ermordet, nur weil sie Gläubige sind, geht zurück in die Steinzeit. Wer Andersgläubige unter Druck setzt, sie still oder aktiv unterdrückt, verletzt die UN-Charta in einem zentralen Punkt. Wir beobachten weiterhin kritisch, wie Toleranz im Alltag der Gläubigen konkret aussieht. Das betrifft im Übrigen auch die Länder in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, von der Türkei über die nordafrikanischen Staaten bis hin zu Ägypten und anderen islamisch geprägten Ländern. Die Achtung vor Gott - das sage ich als gläubiger Christ - schließt die Missachtung der Menschen aus. Die Bundesregierung bleibt aufgefordert, hier nachdrücklich am Ball zu bleiben. Konkret möchte ich in diesem Zusammenhang das Kloster Mor Gabriel in der Türkei nennen, dessen kleine christliche Gruppe sich seit Jahren gegen Diskriminierung, auch vonseiten staatlicher Stellen, wehren muss. Der manches Mal überselbstbewusste türkische Ministerpräsident Erdoðan gibt gerne Ratschläge an Partnerländer. Wir raten ihm, seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden und die Religionsfreiheit in seinem Land zu fördern, statt sie einzuschränken. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wohin Intoleranz und Hass führen können, darüber haben wir in dieser Woche in diesem Hohen Haus diskutiert. Ich spreche nicht nur von den innenpolitischen Debatten über den blinden Hass von Rechtsextremisten. Ich spreche auch über die Entwicklung auf dem Balkan. Manches Mal diskutieren wir über die Folgen des größten Krieges in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg so, als sei die Gefahr schon vorbei. Aus eigener Anschauung kann ich davor nur warnen. Natürlich ist die EU-Perspektive wichtig. Die Hilfe für die Reformen der Länder auf dem Westbalkan ist ein wichtiger Beitrag für Frieden und Stabilität in Europa. Insbesondere für Bosnien-Herzegowina ist mit dem Dayton-Vertrag eine Ordnung festgeschrieben worden, die Minderheitenrechte klein- und Machtverhältnisse großschreibt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Diskriminierung von Roma und Juden durch diese auch von Deutschland mitverhandelte Ordnung in einem viel beachteten Urteil gerügt und Änderungen verlangt. Wer die zweite Bestrafung der Opfer durch die alltägliche Diskriminierung nicht will, wer eine latente Eskalation der Spannungen auf dem Balkan, und zwar nicht nur im Kosovo, verhindern will, der muss sich mit dieser Frage befassen. Auch hier gilt: Wer zu spät handelt oder zu wenig tut, der wird mit einer weiteren Bedrohung der europäischen Stabilität bestraft. Ich möchte ein Thema herausgreifen, das mich persönlich vor wenigen Wochen schockiert hat. Die Katastrophe in Somalia ist wirklich eine Katastrophe biblischen Ausmaßes. Man kann über die Folgen des Klimawandels diskutieren, man muss über die Unterentwicklung sprechen. Man muss sicher auch die lange Zeit fehlenden Ansätze für eine Förderung kleinteiliger Landwirtschaft beklagen; hier wurde nun von Minister Niebel Gott sei Dank massiv umgesteuert. Aber das Elend in dem größten Flüchtlingslager in Dadaab hat mir im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlagen, das muss ich ganz persönlich sagen. Diesen hilflosen und völlig ausgemergelten Kindern und ihren Familien teils nur noch beim Leiden zusehen zu müssen, war wirklich schlimm. Es waren nicht nur die Kinder, die vor Hunger geschrien haben, sondern ganz besonders erschüttern die Kinder, die vor Hunger nicht mehr schreien konnten. Nun hilft es nicht, nur zu klagen. Wir haben natürlich auch geholfen und weitere Mittel bereitgestellt, um diese humanitäre Katastrophe zumindest abzumildern. Dennoch wird das alleine nicht reichen. Nach meiner Rückkehr haben wir im Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe eine Anhörung der Hilfsorganisationen durchgeführt, in der klar die dramatische Lage in Somalia selbst beschrieben wurde. Wir alle wissen, dass es keine einfachen Lösungen gibt, aber wir müssen mehr Wege gehen, als nur auf die Öffnung der Zubringer nach Mogadischu zu hoffen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen letzten Appell erlaube ich mir in diesem Zusammenhang, hoffentlich im Namen von uns allen im Deutschen Bundestag. Die Hilfsorganisationen leisten einen Dienst der Menschlichkeit und der Nothilfe. Davon konnte ich mich - wie viele andere in diesem Haus, der Menschenrechtsausschuss im Besonderen - vor Ort überzeugen. Ich möchte von dieser Stelle noch einmal eindringlich an die Menschen in unserem Land appellieren: Helfen Sie denen, die den Menschen in Not helfen! Öffnen Sie nicht nur vor dem christlichen Weihnachtsfest das Herz für die Mitmenschen in der Not! Spenden Sie! Jeder Euro hilft Menschen, die sich in allergrößter Not befinden und vom Tode bedroht sind. Ich wünsche mir sehr, dass wir den unschuldigen Opfern dieser Kriege auch als Bürgerinnen und Bürger unseres Landes mit ein wenig Einsatz helfen können und das Überleben ermöglichen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Annette Groth für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Annette Groth (DIE LINKE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie kann ich eine Regierung ernst nehmen, die behauptet, der Schutz der Menschenrechte sei eine alles staatliche Handeln umfassende Querschnittsaufgabe, die aber tatsächlich eine Politik macht, in der sie häufig eigene Interessen auf Kosten der Menschenrechte anderer verfolgt? Ziel der westlichen Politik in der arabischen Welt ist zum Beispiel nach wie vor die Sicherung wirtschaftlicher und politischer Einflusszonen. Samir Amin, einer der bedeutendsten arabischen Intellektuellen, schreibt dazu: Die Vereinigten Staaten und Europa wollen in der arabischen Welt wiederholen, was in Mali, auf den Philippinen und in Indonesien passiert ist: Alles verändern, um nichts zu ändern. Nachdem die Volksbewegungen in diesen Ländern ihre Diktatoren gestürzt hatten, haben die imperialistischen Mächte alles daran gesetzt, dass ihre grundlegenden Interessen im Bereich des Neoliberalismus und der Außenpolitik durch die eingesetzten Regierungen geschützt werden. Nehmen wir nur das Beispiel der Lieferungen von Waffen und Überwachungstechnologien. Im Jahr 2010 wurden mehr Waffen als je zuvor von Deutschland exportiert. Das ist ein Skandal. Darum fordern wir ein umfassendes Exportverbot von Waffen. (Beifall bei der LINKEN) "Mit Waffen ‚Made in the West' bringen Sie uns um! Bitte macht das öffentlich!" Dieser Hilferuf einer jungen ägyptischen Aktivistin, der uns kürzlich erreichte, unterstreicht unsere Forderung. Am 28. November 2011 haben sich Hafenarbeiter in Suez geweigert, eine Ladung mit 7,5 Tonnen Tränengas aus den USA zu löschen. Insgesamt hat Ägypten in dieser Woche 21 Tonnen Tränengas erwartet. Sie, meine Damen und Herren der Regierungskoalition, reden häufig über die Unterstützung der Protestbewegung und liefern trotzdem gleichzeitig Panzer nach Saudi-Arabien, die dann bei der nächsten gewaltsamen Niederschlagung von Protesten eingesetzt werden. So eine Politik ist nur scheinheilig. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die US-Firma Blue Coat in Syrien im Einsatz ist. Mit den Geräten von Blue Coat hat das Assad-Regime das Internet zensiert und überwacht, um gegen die Opposition vorzugehen. Eine Schande! Wie Frau Graf möchte auch ich einige Worte zu den Menschenrechtsverteidigern sagen. Noch immer gibt es keine verbindlichen Vorgaben und Mechanismen, nach denen unsere Botschaften vor Ort zum Schutz von Menschenrechtlern beitragen müssen. Noch immer hängt es von den persönlichen Neigungen der Botschafter und Botschafterinnen ab, ob sie die EU-Leitlinien wirklich umsetzen. Daher fordert die Linke eine effiziente Koordinierung, Anleitung und Evaluierung durch das Auswärtige Amt sowie eine entsprechende personelle und sachliche Ausstattung der Vertretungen vor Ort. (Beifall bei der LINKEN) In ihrem Bericht betont die Bundesregierung, dass ihr die Verhinderung der Straflosigkeit für schwere Völkerrechtsverbrechen ein wichtiges Anliegen sei. Bislang müssen sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof jedoch fast nur afrikanische Machthaber verantworten. Wo sind die Anklagen wegen Kriegsverbrechen in Afghanistan, im Irak oder in Gaza? Wo ist die Bundesregierung, wenn es darum geht, die Empfehlungen des Goldstone-Berichts an den Internationalen Strafgerichtshof zu überweisen und die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg zur Rechenschaft zu ziehen? Der Internationale Strafgerichtshof kann nur dann ein glaubwürdiger Ort der Gerechtigkeit werden, wenn der Kampf gegen Straflosigkeit nicht ein selektives Machtinstrument des Westens bleibt. Menschenrechtliche Standards und soziale Absicherungsstrukturen werden in vielen Ländern durch Freihandelsabkommen mit Entwicklungs- und Schwellenländern untergraben. Was ich in Ihrem Bericht vermisse, ist eine selbstkritische Bestandsaufnahme der deutschen Handelspolitik und ihre fatalen Auswirkungen auf die Rechte der Menschen in den Staaten des Südens. (Beifall bei der LINKEN) Deutsche und europäische Unternehmen waren und sind noch stets an Menschenrechtsverletzungen beteiligt, zum Beispiel ThyssenKrupp in Brasilien, Triumph in Bangladesch oder Daimler in Südafrika, um nur einige zu nennen. Auch diese Problematik blendet der Bericht völlig aus. Im nächsten Menschenrechtsbericht muss die Bundesregierung zu den Menschenrechtsverletzungen durch deutsche Unternehmen im Ausland Stellung nehmen und begründen, mit welchen Mitteln und Instrumenten sie diese an die Einhaltung menschenrechtlicher Standards binden will. (Beifall bei der LINKEN) Solange Sie Doppelstandards anwenden und lediglich eigene Interessen verfolgen, kann ich die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung nicht wirklich ernst nehmen. Erst wenn uns das Schicksal der Kinder in Bahrain, in Ägypten, in Ostafrika - Sie haben es gerade angesprochen - und überall auf der Welt so am Herzen liegt, als wären es unsere eigenen Kinder, machen wir eine echte und glaubwürdige Menschenrechtspolitik. Setzen wir uns dafür alle ein! Danke. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Tom Koenigs für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der neunte Menschenrechtsbericht der Bundesregierung hat viele gute Seiten. Er ist eingeteilt in einen Teil A, der sich mit Deutschland und der Europäischen Gemeinschaft befasst, und die Teile B und C, die sich mit den übrigen Ländern befassen. Wenn man sich die Teile B und C wirklich durchliest, dann kommt man zu einer Erkenntnis: Die Menschenrechte kommen überall da voran und werden entsprechend beachtet und gefördert, wo es starke Menschenrechtsinstitutionen gibt. Das sind Institutionen der Zivilgesellschaft, Institutionen des Staates und halbstaatliche Organisationen wie die Ombudsleute für Menschenrechte, die Procuradores de Derechos Humanos, oder die unabhängige Menschenrechtskommission in Afghanistan. Das ist eine Erkenntnis, die sich durch den gesamten Bericht zieht. Wenn man vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis den Blick auf Deutschland richtet, dann scheint es so, als ginge es hier gerade darum, die Einrichtungen des Menschenrechtsschutzes eher schwach zu halten. Das ist doch inkonsistent, sowohl menschenrechtlich als auch außenpolitisch. Das ist Doppelmoral. Ich nenne Ihnen hierzu zwei Beispiele: Erstens. Erst in der letzten Woche hat die Bundesregierung die Mittel der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gekürzt. Das hat spürbare Konsequenzen. Es fehlt an Geld für bundesweite Aufklärungskampagnen und wissenschaftliche Untersuchungen. Das ist ein Affront gegen das Gleichbehandlungsgesetz. Manchmal hat man das Gefühl, dass Sie das auch wollen; denn Sie haben das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ja lange bekämpft. Die Diskriminierungsstelle wird ihre wichtigen gesellschaftspolitischen Aufgaben nur schwer erfüllen können: Aufbau, Stärkung und Schutz einer offenen, diskriminierungsfreien Gesellschaft. Zweitens. Die Bundesstelle zur Verhütung von Folter muss über 300 Gefängnisse und Haftanstalten regelmäßig überprüfen. Diese Mammutaufgabe sollen ein einziger ehrenamtlicher Leiter und drei wissenschaftliche Mitarbeiter erfüllen? In ihrem Jahresbericht 2010 kritisierte diese Institution zu Recht, dass sie ihre Aufgaben nur ansatzweise erfüllen konnte. Wie würden wir mit einer solchen Situation umgehen, wenn sie in einem der beobachteten Länder so wäre? Mit dieser Personalausstattung auszukommen, so sagt die Bundesstelle, ist eine illusionäre Forderung. Auch der UN-Ausschuss gegen Folter hat in diesem Monat in seinem abschließenden Bericht gefordert, die Bundesstelle personell und finanziell besser auszustatten. Das ist eine Kritik, die von außen kommt. Sie wird in diesem Bericht ehrlicherweise erwähnt. Aber gehandelt haben Sie nicht. Dabei wäre dies eigentlich der Moment, zu handeln. Ganz ähnlich sieht es bei der Umsetzung der internationalen Konventionen aus. In der Anhörung, die die Kollegin Graf erwähnt hat, hat eine frühere österreichische Ministerin gesagt: Oft macht man es so, dass man die Konventionen ratifiziert und dann sagt, es passt, man braucht nichts weiter zu ändern. - So wurde endlich der Vorbehalt zur UN-Kinderrechtskonvention zurückgenommen. Gleichzeitig hat man aber gesagt: Es besteht keinerlei gesetzlicher Handlungsbedarf. - Die Konsequenz: Flüchtlingskinder werden in Asylverfahren weiterhin wie Erwachsene behandelt. Das widerspricht dem Kindeswohl und der UN-Kinderrechtskonvention. Kinder sollten nicht in Haft genommen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wenn wir vor unserer eigenen Haustür nicht mit dem gleichen Maß messen wie in der weiten Welt, dann wirft uns die weite Welt ganz zu Recht Doppelmoral vor. Da brauchen wir gar nicht bis nach Guantánamo zu schauen, sondern können schon bei uns selber sehen: Das geht so nicht. Wir müssen dieselben Standards haben. Sonst sind die guten Ratschläge, die wir anderen geben, wirkungslos und lächerlich. Noch ein letzter Satz zu der großen Gemeinsamkeit, die Herr Brand angesprochen hat. Dieser Bericht hat viele gute Seiten. Ich freue mich auch, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt. Ich bedaure aber, dass sich diese Gemeinsamkeiten im Ausschuss fast nie realisieren lassen. Es gibt zwar Gemeinsamkeiten; aber wenn es um die parlamentarische Umsetzung geht, stockt es. Gibt es in der CDU/CSU-Fraktion vielleicht einige Spoiler - oder sollte ich besser sagen: Spoilerinnen -, die diesen Friedensprozess behindern? Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Pascal Kober für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Pascal Kober (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Tom Koenigs, auch Sie können irren. Es ist beileibe nicht so, dass wir nach außen Wasser predigen und nach innen Wein trinken, dass wir also in der internationalen Menschenrechtspolitik Forderungen aufstellen, aber untätig bleiben. Ich will Ihnen gerne ein paar Beispiele nennen. Die Kinder haben für diese Bundesregierung höchste Priorität. Wir haben deshalb im Juli 2010 die Vorbehaltserklärung zur UN-Kinderrechtskonvention zurückgenommen. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Dies war ein wichtiger Schritt für die Einhaltung der Kinderrechte in Deutschland. In der Folge ist das Wohl eines Kindes nun bei allen behördlichen und privaten Maßnahmen vorrangig zu berücksichtigen. Sämtliche deutsche Behörden und Gerichte sind in der Pflicht, dem Vorrang des Kindeswohls Geltung zu verschaffen, indem sie ihre Entscheidungspraxis an den Erfordernissen der Kinderrechtskonvention ausrichten. Darüber hinaus haben wir als Regierungskoalition klargestellt, dass Kinderlärm nicht als schädliche Umwelteinwirkung anzusehen ist, und haben damit faktisch den Lebensraum und den Entfaltungsraum der Kinder in unserem Land vergrößert. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir haben den Kindern aus sozial schwächer gestellten Familien mit der Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets bessere Entwicklungs-, Bildungs- und gesellschaftliche Teilhabechancen eröffnet. Wir haben im Bereich des Internets das Prinzip "Löschen statt sperren" durchgesetzt. Damit wird in Zukunft nicht nur der Zugriff auf kinderpornografische Internetseiten erschwert, sondern es werden auch die Persönlichkeitsrechte der Kinder und das Kindeswohl geschützt, und zwar dadurch, dass die Bilder dieser grausamen Straftaten in Zukunft aus dem Netz verschwinden werden. Wir haben den Schul- und den Kindergartenbesuch für Kinder von Zuwanderern ohne Aufenthaltsstatus ermöglicht, indem wir Meldepflichten gelockert haben. Wir haben einen eigenständigen Straftatbestand zur Bekämpfung von Zwangsheirat geschaffen. Wir zeigen mit dem Gesetz einerseits klare Kante gegenüber den Tätern, andererseits gibt das eigenständige Rückkehrrecht für die Opfer von Zwangsheirat diesen Menschen eine Perspektive in unserem Land, da ihr Recht auf Wiederkehr nun unabhängig davon, ob sie ihren Lebensunterhalt in Deutschland sichern können, zur Anwendung kommen kann. Dass uns sowohl der Opferschutz als auch die Rechte von Kindern wichtige Anliegen sind, hat diese Koalition auch demonstriert, indem sie die Rechte von Opfern in Ermittlungs- und Strafverfahren gestärkt hat. Damit werden auch die entsprechenden Empfehlungen aus dem Zwischenbericht des Runden Tisches gegen sexuellen Kindesmissbrauch umgesetzt. Die vorgesehenen Maßnahmen in Ermittlungs- und Strafverfahren sollen dem schwer traumatisierten Opfer das Verfahren gegen den Straftäter erleichtern, beispielsweise durch die Vermeidung von Mehrfachvernehmungen, durch verbesserte Verfahrensrechte, durch den Anspruch auf kostenlose juristische Beratung und durch die Möglichkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit. Auch die sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht. Dazu gehört nicht nur der Abbau von Vorurteilen, sondern auch die gleichberechtigte rechtliche Behandlung unterschiedlicher partnerschaftlicher Lebensentwürfe. (Beifall des Abg. Jürgen Klimke [CDU/CSU]) Aus dieser Grundüberzeugung heraus haben wir in dieser Koalition die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften weiter vorangetrieben. So haben wir sie bei der Erbschaftsteuer, der Grunderwerbsteuer, dem BAföG und bei Beamten-, Richter- und Soldatenrecht der Ehe gleichgestellt. Um unser Wissen über die Wurzeln von Homophobie und Diskriminierung gleichgeschlechtlich liebender Menschen zu erweitern und der Diskriminierung entgegenwirken zu können, haben wir dieses Jahr die Magnus-Hirschfeld-Stiftung auf den Weg gebracht. Erst vorgestern haben wir im Ausschuss über das Thema Menschenhandel gesprochen. Es geht um einen Straftatbestand. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass der Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung von Arbeitskraft in den letzten Jahren auch in Deutschland zugenommen hat. Wir bringen derzeit die Ratifizierung des Übereinkommens des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels voran. Den entsprechenden Gesetzentwurf haben wir im Oktober hier im Plenum beraten, und er wird nun im federführenden Familienausschuss eingehend bearbeitet. Mit diesem Übereinkommen werden nicht nur die Voraussetzungen für eine engere europäische Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Menschenhandels geschaffen, sondern es enthält auch eine Angleichung der Straftatbestände und Vorschriften zur effizienten Strafverfolgung sowie zum Schutz von Opfern und Zeugen. Damit werden wir der organisierten Menschenhandelskriminalität auch in Deutschland besser begegnen können. Lieber Tom Koenigs, ich hätte mich gefreut, wenn Sie in Ihrer Rede auch dafür ein anerkennendes Wort gefunden hätten. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Ullrich Meßmer für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Ullrich Meßmer (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig: Mit dem neunten Menschenrechtsbericht wurden Schwerpunkte gesetzt. Diese Schwerpunkte sind sicherlich auch regierungszeitenübergreifend. Ich will hier insbesondere drei große Schwerpunkte nennen, nämlich erstens die Rechte von Frauen und Mädchen - hier geht es insbesondere auch um die Zwangsverheiratung -, zweitens die Bekämpfung von Kinderpornografie und die Ausbeutung von Kindern - dazu ist hier schon einiges gesagt worden, auch aus der Anhörung, die wir dazu durchgeführt haben - und drittens die Anerkennung des Menschenrechts auf Trinkwasser und Sanitärversorgung, weshalb ich hier auch ein bisschen auf die Zeit eingehe, in der ich das Ganze verfolgen konnte. Vor allen Dingen wird mit dem Bericht klargestellt, dass die Menschenrechte unteilbar sind und einen Querschnittscharakter für alle Bereiche der Politik und des politischen Handelns haben. Albert Einstein hat dies etwas pathetischer ausgedrückt, aber ich finde, dieser Satz ist noch immer richtig. Er sagte: Ein Großteil der Geschichte ist erfüllt vom Kampf um die Menschenrechte, einem ewigen Streit, bei dem niemals ein endgültiger Sieg zu erringen ist. Aber in diesem Kampf zu ermüden, würde den Untergang der Gesellschaft bedeuten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich denke, er hat hier sehr recht. In diesem Zusammenhang sage ich: In Bezug auf Menschenrechte ist kein Stillstand zu dulden. Kollege Kober, bei aller Anerkennung: Wir müssen also weitermachen und uns weiterentwickeln. Deshalb ist es richtig und notwendig, auf Dinge hinzuweisen, die wir noch behandeln müssen. Ich denke, diese Punkte sollten wir zum Anlass nehmen, einen kritischen Diskurs zu führen. Menschenrechte dulden kein Verharren im Status quo. Es ist erfreulich, wenn es Verbesserungen gibt. Am Beispiel der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte - kurz: WSK-Rechte -, die von den Vereinten Nationen eingefordert werden, wird dies deutlich. Diese Rechte schützen elementare Bereiche des Lebens wie Ernährung, Gesundheit, Bildung und Arbeit. Zugleich enthalten sie den Anspruch auf Gleichberechtigung, also einen Schutz vor Diskriminierung jeglicher Art. Mit Blick auf die vorherige Debatte zum Girokonto sage ich: Wir müssen aufpassen, dass auch bei uns Menschen nicht diskriminiert werden, nur weil sie keinen Zugang zu technischen Möglichkeiten haben, die heute selbstverständlich sind. Auch über dieses Problem müssen wir bei uns weiterhin diskutieren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Die Umsetzung der Menschenrechte trägt also zur menschenwürdigen Gestaltung der Lebensverhältnisse auf der Grundlage gleichberechtigter und solidarischer Freiheit bei. Die WSK-Rechte gelten unmittelbar als Rechtspflicht für alle Staaten, die sie anerkannt haben. Wir müssen viel dafür tun, sie durchzusetzen. Der Bericht stellt in diesem Zusammenhang eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen fest, auch im Bereich des Rechts auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung; ich habe es schon angesprochen. Ich will noch einmal in Erinnerung rufen: Ohne Wasser gibt es keine Nahrung und keine wirtschaftliche Entwicklung. Es ist noch immer so, dass mehr als 1,2 Milliarden Menschen der Zugang zu sauberem Trinkwasser fehlt. Fast doppelt so viele haben keinen Zugang zu sanitärer Basisversorgung. Das ist eines der Themen, das auch in Zukunft auf der Tagesordnung bleiben muss. Es wird nämlich keine Umsetzung von weiter gehenden Freiheitsrechten geben - Kollege Brand, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie in diesem Zusammenhang auf Somalia hingewiesen haben -, wenn es nicht auch gleichzeitig gelingt, das Recht auf Wasser und sanitäre Versorgung durchzusetzen und damit das Recht auf Nahrung für die Betroffenen sicherzustellen. Menschenrechte müssen immer in ihrer Gesamtheit verwirklicht werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang - ich konnte das über zwei Jahre beobachten - dem Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik, Markus Löning, ganz herzlich danken. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Er hat viele umfangreiche Berichte angefertigt. Er berichtet auch dann sehr offen über Probleme - das will ich an dieser Stelle ebenfalls sagen, Frau Kollegin Groth -, wenn es nicht in die regierungsamtliche Linie passt. Mir gefällt das sehr gut. Deshalb spreche ich ihm meinen herzlichen Dank aus. Ich hoffe, dass er in dieser Richtung weitermacht und dass er den Ausschuss auch weiterhin entsprechend informiert. Ich stelle aber auch fest: Wir haben, wenn wir auf die inneren Verhältnisse schauen - da kann ich den Kollegen Koenigs nur unterstützen -, noch einiges zu tun. Das Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt ist immer noch nicht ratifiziert. Wir befinden uns seit zwei Jahren in der Diskussion. Ich finde, dass die Begründung, es sei noch eine Abstimmung unter den Ministerien erforderlich, nur noch eine begrenzte Zeit gelten kann. Es ist notwendig, in dieser Frage voranzukommen. Das sage ich auch mit dem Hinweis darauf, dass schon vorher mehr hätte passieren müssen. In dieser Frage sind wir uns einig. Daher sollten wir die Regierung bitten, hier etwas zügiger zu handeln. Ich spreche diesen Punkt so deutlich an, weil die Betroffenen, also die Opfer von Menschenrechtsverletzungen, durch dieses Zusatzprotokoll die Möglichkeit bekommen, ihre individuellen Rechte einzufordern. Das muss auch so sein. Denn wenn ein diskriminierungsfreier Zugang zu Bildung und Arbeit verweigert wird, dann muss es für die Betroffenen die Möglichkeit geben, darauf zu reagieren. Das ist auch deshalb dringend nötig, um den Menschenrechtsverteidigern, die weltweit in den Betrieben als Gewerkschafter engagiert sind, die notwendige Rückendeckung zu geben. Ich denke da an die Menschen, die sich beispielsweise in Kolumbien und Mexiko zu Gewerkschaften zusammenschließen wollen und deren Leib und Leben deshalb bedroht ist. Daher wäre es ein gutes Zeichen, wenn wir hier den entsprechenden Schritt gehen würden. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Ullrich Meßmer (SPD): Wir müssen deutlich machen, dass die Achtung der Menschenrechte in Zukunft Bestandteil von Handelsabkommen mit diesen Ländern sein muss. Ich meine, dass die Menschenrechte in solche Vereinbarungen verpflichtend und verbindlich aufgenommen werden müssen. Mein Dank geht an dieser Stelle an das Europäische Parlament, das vor kurzem ein Abkommen mit Usbekistan wegen der dort weitverbreiteten Kinderarbeit zurückgewiesen hat. Das ist ein gutes Beispiel. Lassen Sie uns in dieser Richtung weitermachen und entsprechende Signale aus diesem Parlament senden. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Jürgen Klimke für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Jürgen Klimke (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Am vergangenen Sonnabend demonstrierte ich gemeinsam mit über tausend Menschen in Hamburg für die Freilassung des christlichen Pastors Youcef Nadarkhani, der im Iran wegen des Abfallens vom islamischen Glauben zum Tode verurteilt wurde. Jedem, der im Iran seine Religion selbst wählen will und sich dabei nicht für den Islam entscheidet, droht das gleiche Urteil. Dürfen wir ein solches Gesetz akzeptieren, selbst wenn es die iranische Bevölkerung mittragen würde? Dürfen wir hinnehmen, dass die Religionsfreiheit in 64 Ländern der Erde mit fast 70 Prozent der Weltbevölkerung stark eingeschränkt oder überhaupt nicht existent ist? Ein weiteres Beispiel bzw. eine weitere rhetorische Frage. Frau Schuster hat bereits den Gesetzentwurf in Uganda angesprochen, der die Todesstrafe für homosexuelle Handlungen vorsah. Regierungsmitglieder wollten ihm zustimmen. Die Bevölkerung hätte das Gesetz möglicherweise akzeptiert. Aber internationaler Druck und die Drohung der Streichung von Entwicklungsgeldern aus Deutschland führten dazu, dass der Gesetzentwurf nicht verabschiedet wurde. Dürfen wir Diskriminierung aufgrund sexueller Präferenzen hinnehmen? Ein letztes Beispiel. Vorgestern wurden die vermeintlichen U-Bahn-Attentäter von Minsk zum Tode verurteilt, wahrscheinlich aufgrund von durch Druck und Folter erwirkten Geständnissen, in einem zumindest frag-würdigen Verfahren. Dürfen wir akzeptieren, dass die Justiz nicht unabhängig ist? Dürfen wir die Todesstrafe überhaupt hinnehmen, auch in den USA und in Japan? Menschenrechte sind universal und gelten für uns alle, auch dort, wo andere Kulturen ihre Andersartigkeit zum Vorwand nehmen, diese Rechte nicht zu gewähren. Es ist Aufgabe der Politik, die Einhaltung der Menschenrechte hier in Deutschland zu garantieren. Viel größer ist diese Aufgabe aber außenpolitisch. Es geht darum, gegenüber anderen Regierungen immer wieder die Einhaltung der Menschenrechte anzumahnen. Es darf aus unserer Sicht kein Gesetz geben, das den Menschenrechten widerspricht, und zwar nirgendwo auf der Welt. Es darf auch kein staatliches oder staatlich geduldetes Handeln geben, das den Menschenrechten widerspricht. Es kann nicht sein, dass ein Staat auf dem Papier lupenreine Gesetze hat, sich aber faktisch nicht daran hält. Wir als Menschenrechtspolitiker treten nicht nur heute anlässlich des bevorstehenden Tages der Menschenrechte für deren Achtung und Einhaltung ein. Wir sehen das als eine dauerhafte Sisyphusarbeit an, sowohl in konkreten Einzelfällen als auch im generellen Kampf für eine bessere Welt. Deshalb sind die Bretter, die wir Menschenrechtspolitiker bohren, wahrscheinlich die dicksten überhaupt. Nachlassen dürfen wir nicht. Es gibt immer wieder Ermutigungen. Eine Ermutigung ist der arabische Frühling, trotz aller bestehender Unwägbarkeiten und trotz der Situation in Syrien, wo es massivste Menschenrechtsverletzungen gibt. Ein anderes ermutigendes Beispiel ist Myanmar - es wurde vorhin angesprochen -, wo die Regierung die Opposition unter Führung der Friedensnobelpreisträgerin anerkennt und sich ernsthaft um Reformen bemüht. Es gibt aber auch andere Ermutigungen im Einsatz für Menschenrechte, die quasi von unserer Seite ausgehen. Ich möchte hier das Menschenrechtskonzept des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erwähnen, das ich für vorbildlich für die europäische Menschenrechtspolitik halte. Wir haben das neulich in Brüssel auf einer Tagung von Menschenrechtspolitikern aus den einzelnen Mitgliedstaaten und mit Außenpolitikern des Europäischen Parlaments behandeln dürfen. Ich habe gesehen, dass unser Beispiel wirklich nachahmenswert ist. Es ist so, dass alle Entwicklungsprojekte zukünftig einem Menschenrechts-TÜV unterzogen werden sollen. Diese entwicklungspolitische Vorgabe des BMZ beinhaltet unter anderem einen Kriterienkatalog, mit dem die Regierungsführung und die Menschenrechtssituation in den Partnerländern bewertet werden. Grundlage sind die Umsetzung der Menschenrechtskonvention in nationales Recht, die Schaffung entsprechender Institutionen und Verfahren sowie die Ergebnisse der Umsetzung der zentralen Menschenrechte. Die Bewertung der Ergebnisse ist dann maßgeblich für unsere Entwicklungsarbeit, also für eine Intensivierung und für die Möglichkeit, dass ein Partnerland auch langfristig ein Partnerland bleibt. Das Menschenrechtskonzept des BMZ ist absolut notwendig, um unseren diplomatischen Appellen für Menschenrechte mehr Nachdruck zu verleihen und damit sie mehr Anklang finden. Es passt nicht zusammen, durch unsere Außenpolitiker die Menschenrechtssituation in verschiedenen Staaten zu kritisieren, gleichzeitig aber Ländern mit menschenrechtlich unerträglichen Situationen Geld bzw. Budgethilfen zukommen zu lassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Insofern ist das Menschenrechtskonzept letztlich auch ein Beitrag für mehr Kohärenz zwischen Außenpolitik und Entwicklungspolitik. Bedarf sehe ich in dieser Richtung noch auf europäischer Ebene. Hier ist mehr Abstimmung, mehr Kohärenz zwischen den Geberländern notwendig. Das ist ganz eindeutig. Der Einsatz für Menschenrechte in der Welt endet für uns jedoch nicht bei den zwischenstaatlichen Beziehungen. Auch wir erkennen, dass es notwendig ist, zum Beispiel international tätige Unternehmen stärker in einer menschenrechtlichen Verantwortung zu sehen. Diese Verantwortung hat sich in den Leitlinien der OECD sowie in den Guiding Principles der Vereinten Nationen auch auf internationaler Ebene niedergeschlagen. Eines darf aber nicht vergessen werden: Die Hauptverantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte haben die Staaten gegenüber ihren Bürgern. Sie setzen den Rechtsrahmen, schaffen Kontrollinstanzen und ahnden Verstöße gegen Menschenrechte. Unternehmerische Verantwortung kann staatliches Handeln in keinem Fall ersetzen. Ich habe bei den Kollegen in der Opposition manchmal den Eindruck, dass diese Erkenntnis bei ihnen noch nicht ganz angekommen ist. Es geht ihnen vielmehr darum, die Unternehmen durch viele Sanktionen und Vorschriften zu gängeln. Wie die Unternehmen damit klarkommen und dann auch weiter im Wettbewerb bestehen sollen, ist für manche Gutmenschen sekundär. Das heißt nicht, dass ich die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen bestreite. Die Unternehmen können ohne Zweifel einen Beitrag für eine bessere menschenrechtliche Situation in Entwicklungsländern leisten. Das tun sie im Übrigen schon sehr intensiv, vor allen Dingen freiwillig durch Corporate-Social-Responsibility-Aktivitäten. Hier hat die Bundesregierung durch ihren CSR-Aktionsplan bereits Akzente gesetzt. Wir wollen uns als Union beim Thema Unternehmensverantwortung in Zukunft stärker einbringen. Eine zukünftige Frage wird dabei sein, wie wir auch die Verbraucher stärker sensibilisieren und besser informieren können, sodass sich die Sozialverträglichkeit unternehmerisch stärker auszahlt. Ökologische Nachhaltigkeit und das Bio-Siegel werden vom Bürger akzeptiert. Ich glaube, dass ein Social-Made-Siegel, also ein Siegel für Produkte, etwa Kleidung, die in Entwicklungsländern sozialverträglich hergestellt worden sind, vom Verbraucher akzeptiert werden würde. Er würde viel mehr dieser Produkte kaufen und wäre vor allen Dingen bereit, dafür mehr zu bezahlen. Das ist das Entscheidende. Deswegen trete ich bei jeder Gelegenheit für ein derartiges Siegel ein. Sie sehen, dass der Einsatz für Menschenrechte vielfältig ist. Er reicht von der Unterstützung von Betroffenen und Menschenrechtsverteidigern über die Einflussnahme auf Regierungen, die Menschenrechte verletzen, bis hin zu der Verantwortung der Privatwirtschaft auf nationaler und internationaler Ebene. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Klimke, Sie müssen zum Ende kommen. Jürgen Klimke (CDU/CSU): Ja, Herr Präsident. - Der Tag der Menschenrechte erinnert uns immer wieder neu an die Notwendigkeit, in unserer intensiven Arbeit in all diesen Bereichen nicht nachzulassen. Danke sehr. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Neunten Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Bereichen und in anderen Politikbereichen. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/7941, in Kenntnis des Berichts auf Drucksache 17/2840 eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der drei Oppositionsfraktionen angenommen. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/8025. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von vier Fraktionen gegen die Stimmen der Linken abgelehnt. Tagesordnungspunkt 35 b. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung mit dem Titel "Menschenrechte und Demokratie in der Welt - Bericht über die Maßnahmen der EU - Juli 2008 bis Dezember 2009". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/4522, in Kenntnis des Berichts eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der drei Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 38 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Harald Koch, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Zinssätze für Dispositions- und Überziehungskredite verbrauchergerecht deckeln - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Verbraucherinnen und Verbraucher vor überhöhten Überziehungszinsen schützen - Drucksachen 17/2913, 17/3059, 17/3586 - Berichterstattung: Abgeordnete Marco Wanderwitz Marianne Schieder (Schwandorf) Christian Ahrendt Jens Petermann Ingrid Hönlinger Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Erik Schweickert für die FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Erik Schweickert (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt kein Recht auf billige Schulden. Das ist klar. Verbraucherpolitik ist auch keine verkappte Sozialpolitik. Wer mit seinem Geld nicht auskommt, der muss sparen. Den Dispokredit ins Unermessliche auszunutzen, ist keine Alternative zum Sparen. Keiner ist gezwungen, sein Konto zu überziehen. Erst recht hat keiner einen Anspruch darauf, dass er diese Überziehung auch noch zu staatlich festgelegten Kosten durchführen kann. Dennoch können wir uns mit dem derzeitigen Zustand nicht abfinden. Denn so richtig es ist, wie ich gerade gesagt habe, dass es kein Recht auf billige Schulden gibt, so richtig ist es auch, dass die Banken kein Recht haben, sich auf der einen Seite billig Geld am Kapitalmarkt zu leihen und die Kunden auf der anderen Seite nicht daran teilhaben zu lassen. Aus meiner Sicht ist das gängige Vorgehen der Banken zu hinterfragen. Denn auf der einen Seite wird begründet, der niedrige Leitzins führe naturgemäß zu geringen Guthabenzinsen. Auf der anderen Seite ist aber der Dispozins nach wie vor sehr hoch. Die Differenz zwischen Guthabenzins und Dispozins wird damit größer. Man kann sich also definitiv nicht des Eindrucks erwehren, dass viele Banken die Chance nutzen, ihre Eigenkapitalbasis auf Kosten der Verbraucher zu erhöhen. Damit zahlt der Verbraucher nun zum dritten Mal die Zeche der Finanzkrise, an der die Banken wahrlich nicht unschuldig waren. Erst haben die Anleger viel Geld verloren; dann wurden Banken mit Staatsgeldern gerettet, und nun refinanzieren sich die Banken auf Kosten der Verbraucher bei den Dispo- und Überziehungszinsen. (Caren Lay [DIE LINKE]: Meine Worte!) Aber - damit komme ich wieder zum Anfang meiner Rede, Frau Lay - es ist nicht die Aufgabe des Staates, für eine billige Refinanzierung der Verbraucher zu sorgen. Denn im Rahmen der Privatautonomie ist es Sache der Vertragsparteien - in diesem Fall zwischen den Verbrauchern und den Banken -, über die Angemessenheit von Preis- und Zinsvereinbarungen zu befinden. Die Bundesregierung hat sich dabei grundsätzlich neutral zu verhalten. Eine Festlegung von Zinsobergrenzen oder eine Zinssatzdeckelung lehnen wir ab, weil wir darin einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Vertragsfreiheit sehen. Das hat übrigens auch der Bundesgerichtshof deutlich gemacht. Vertraglich vereinbarte Zinsanpassungsklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind ein wirksames und transparentes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Verträgen. Obendrein würde eine schematische starre Weitergabe von Leitzinssenkungen bzw. -erhöhungen den zahlreichen funktionalen Zusammenhängen bei der Zinsentwicklung am Geld- und Kapitalmarkt nicht gerecht werden. Auch die Kartellbehörden sehen übrigens derzeit keine Veranlassung, bei den Dispozinsen einzuschreiten. Es gibt keinerlei Hinweise auf ein abgestimmtes Verhalten der Kreditinstitute bei der Zinshöhe. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege Schweickert, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lay von der Linken? Dr. Erik Schweickert (FDP): Ja. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Lay, bitte. Caren Lay (DIE LINKE): Herr Kollege Schweickert, vielen Dank für die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen. Sie haben argumentiert, es würde sich aus Ihrer Sicht um einen unzulässigen staatlichen Eingriff handeln. Ich möchte Sie an dieser Stelle fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass es beim Zahlungsverzug bereits eine staatliche bzw. gesetzliche Regelung gibt, die besagt - wie wir das auch in unserem Antrag vorschlagen -, dass im Falle des Zahlungsverzugs ein Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, der von der Bundesbank berechnet wird, verlangt werden darf. Warum ist an der einen Stelle eine gesetzliche Regelung möglich, während Sie an der anderen Stelle sagen, hier herrsche Vertragsfreiheit und das Ganze sei ein unzulässiger staatlicher Eingriff? Diese Logik und dieses Messen mit zweierlei Maß wollen sich mir einfach nicht erschließen. Dr. Erik Schweickert (FDP): Vielen Dank für die Frage, Frau Lay. - Vielleicht hätten Sie mit Ihrer Frage noch einen Moment warten sollen. Ich wollte auf dieses Thema noch zu sprechen kommen. Sie müssen sich nämlich einmal anschauen, wie sich das Ganze - Sie schlagen auch bei Dispositionskrediten einen Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vor - entwickelt hat. Ich ziehe das einmal vor und fahre jetzt einfach in meiner Rede fort. Wir haben uns einmal angesehen, wie die Situation ist. Es gibt dazu eine Untersuchung der Stiftung Warentest; sie hat in der Oktoberausgabe ihrer Zeitschrift darüber berichtet. Danach ist der durchschnittliche Dispozinssatz im vergangenen Jahr gesunken, Frau Lay, während sowohl der Leitzins als auch der Euribor gestiegen sind. Gemäß dem Test haben sich im vergangenen Jahr die Dispozinsen bei den 174 der 642 getesteten Angebote deutlich reduziert. Da funktioniert der Markt sehr wohl; denn die Testergebnisse belegen, dass die Zinssätze bei den 1 610 Banken sehr deutlich variieren. Nehmen wir einmal ein Beispiel. Die Deutsche Skatbank berechnet nach diesem Test ihren Kunden einen Zinssatz von lediglich 6 Prozent. Wenn man einen Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Euribor zugrunde legen würde, wäre das deutlich teurer. Wer sich von seiner Bank abgezockt fühlt, der hat die Möglichkeit, den Anbieter zu wechseln und geringere Dispozinsen zu verlangen. (Caren Lay [DIE LINKE]: Wenn er ein Konto kriegt!) Der Verbraucher kann damit eigenverantwortlich handeln. Aus meiner Sicht besteht allerdings aufseiten der Banken Korrekturbedarf. Der Bundesgerichtshof hat ein einseitiges Preisbestimmungsrecht bei der Festsetzung der Dispozinsen durch verbraucherfeindliche Klauseln in den allgemeinen Geschäftsbedingungen - übrigens völlig zu Recht - für unzulässig erklärt. Danach muss eine Zinsänderungsklausel das Äquivalenzprinzip beachten und darf eine Bank nicht einseitig begünstigen. Hier haben wir eine klare Rechtsprechung. In der Realität findet genau diese einseitige Begünstigung der Banken - da haben Sie recht - nach wie vor statt. Es ist aber nicht die Aufgabe der Bundesregierung, die Nichteinhaltung des geltenden Äquivalenzprinzips zu sanktionieren, sondern es ist Sache der Gerichte, das zu tun. Durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bestehen heute klare Vorgaben, wie die Banken ihre Zinsanpassungsklauseln auszugestalten haben. Nichtsdestotrotz werden wir als christlich-liberale Bundesregierung diese weitere Entwicklung sehr genau beobachten und schauen, ob diese Schere weiter geschlossen wird oder ob nicht doch irgendwann gesetzliche Anpassungen erforderlich werden. Zurzeit sehen wir in diesem Bereich keinen Handlungsbedarf. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Die Kollegin Marianne Schieder hat ihre Rede zu Protokoll gegeben.4 Deswegen hat jetzt Ansgar Heveling für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Ansgar Heveling (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zinssätze für Dispositionskredite der Banken weichen erheblich voneinander ab. Manche Banken geben dabei die günstigen Zinssätze, die ihnen die Europäische Zentralbank bei der Geldversorgung einräumt, weniger erkennbar an ihre Kunden weiter. Der Vorwurf, diese Banken wollten sich nach der Finanzkrise auf dem Rücken ihrer Kunden sanieren, schwingt in der öffentlichen Debatte an der einen oder anderen Stelle erkennbar mit. Vor einem Jahr rüttelte uns die Stiftung Warentest mit ihren Erhebungen zu den teils extrem hohen Dispo- und Überziehungskrediten auf. Das Ergebnis der neuen Erhebung dieser Stiftung: Bei 300 Konten lagen die Zinsen immer noch auf dem hohen Niveau des Vorjahres. Für immerhin 174 Konten zahlen Kunden jetzt niedrigere Zinsen. Die Tester von Finanztest werten das als kleinen Erfolg nach langjähriger Schelte. Nur leise, am Rande, klingt bei der Auswertung aber auch an: Die Verbraucher murrten zwar im vergangenen Jahr, als sie von den Zahlen hörten, einen Kontowechsel haben aber offensichtlich nur die wenigsten vorgenommen. In der Fachpresse waren zu den neuerlichen Daten folgende Kommentare zu lesen - ich zitiere -: Zum nicht ganz unwahren Klischee eines typischen Dispodauernutzers gehört eine geringe Bereitschaft zum Kontowechsel. Ich zitiere weiter: Bankkunden sind nach Ansicht von Finanzexperten und Branchenkennern selbst - in Anführungsstrichen - ‚mitschuldig' an den hohen Dispozinsen. Die Wechselbereitschaft der meisten Verbraucher ist zu gering - horrende Zinsen werden klagend, aber ohne Konsequenzen hingenommen. (Caren Lay [DIE LINKE]: Weil sie kein Konto kriegen!) Der mündige Verbraucher - es gilt das moderne Bild des Verbrauchers, für das vor allen Dingen Transparenz nötig ist - hat selbst die Gelegenheit, den Markt zu testen. Gerade diejenigen Verbraucher, die ihr Girokonto oft und für längere Zeit überziehen, sollten angesichts der Zahlen von Stiftung Warentest einen kritischen Blick auf die Dispositionszinsen ihrer Bank werfen und dann Tarifvergleiche vornehmen. In günstigen Fällen kann der Zinssatz rund 6 Prozent betragen, in teureren aber auch weiterhin über 14 Prozent. Für Dispokredite werden regelmäßig Zinsen fällig, die höher sind als solche für Ratenkredite. Flexibilität hat eben ihren Preis. Eigenkapitalbindung hat ebenso ihren Preis. Diese Faktoren fließen natürlich in die Refinanzierungskalkulationen der Banken ein und beeinflussen den Zinssatz. Der Dispokredit ist zur kurzfristigen Überbrückung von finanziellen Engpässen und nicht als dauerhafter Kredit gedacht. In diesen Fällen empfiehlt sich daher eher eine Umschuldung auf Ratenkredite, nicht zuletzt, da dort die Monatsrate neben dem Sollzins auch eine Tilgungsleistung enthält. Ein chronisch ausgereizter Dispo baut sich nun einmal nicht von selbst ab. Vorausschauende Finanzplanung wäre an dieser Stelle das Gebot. Zurück zur Transparenz. Die rechtlichen Möglichkeiten für Transparenz sind vorhanden. Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie verpflichtet die Banken seit Juli 2010, die Art und Weise der Anpassung des Sollzinses auch bei Dispositionskrediten und geduldeten Überziehungen in der vorvertraglichen Information und im Kreditvertrag anzugeben. Falls sich der Sollzins an einem Referenzzins orientiert, ist auch dieser Referenzzinssatz anzugeben. Für solche eventuellen Zinsanpassungsklauseln gelten die allgemeinen Grundsätze für Preisanpassungsklauseln, die eine Anpassungssymmetrie der Zinssätze beinhalten. Auch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen macht es den Kartellbehörden, also dem Bundeskartellamt und den Wettbewerbsbehörden der Länder, möglich, gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung einzuschreiten. Dafür scheint es aber offensichtlich gar keine Anhaltspunkte zu geben. Die Auswertung von Stiftung Warentest zeigt zudem nur die verschiedenen bestehenden Zinssätze; sie zeigt nicht, ob die teuersten Angebote überhaupt genutzt werden. In Deutschland herrscht nun einmal ein starker Wettbewerb unter den Banken. Die Verbraucher sollten daher die Zahlen von Stiftung Warentest erneut zum Anlass nehmen, die Auswahl ihres Geldinstituts zu überdenken und gegebenenfalls einen Wechsel in Erwägung zu ziehen. Jeder hat jederzeit die Möglichkeit, zu einer Bank zu wechseln, die andere, günstigere Konditionen bietet. (Caren Lay [DIE LINKE]: Wenn man ein Konto kriegt!) Die Höhe des Dispositionszinssatzes ist dabei ein Baustein, der für viele aber keine Rolle spielt, weil sie ihr Konto nicht im Soll führen. Im Frühjahr 2012 ist im Übrigen mit der von Bundesministerin Ilse Aigner in Auftrag gegebenen Studie zu dieser Thematik zu rechnen. Diese Studie sollten wir abwarten und dieses Thema dann noch einmal aufrufen. Ganz herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Caren Lay für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Caren Lay (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fakten sind schon lange klar: Die Dispozinsen in Deutschland sind viel zu hoch. Die Stiftung Warentest hat auch in diesem Jahr Zahlen dazu geliefert: Die Dispozinsen betragen im Schnitt 12,4 Prozent, in einigen Fällen sogar über 14 Prozent. Viele Menschen kennen diese Dispoabzocke seit vielen Jahren aus eigenem Erleben. Auch der Politik muss dieses Problem wenigstens seit einigen Jahren bekannt sein. Schließlich hat die Fraktion Die Linke dieses Thema bereits in der letzten Legislaturperiode aufgeworfen. Daher frage ich mich, ehrlich gesagt, warum die Koalition auch jetzt andeutet, dass sie keine gesetzlichen Initiativen ergreifen möchte, und ich frage mich, ehrlich gesagt, auch, warum Frau Aigner eine neue Studie in Auftrag gegeben hat, anstatt zu handeln. Die Stiftung Warentest - auch Vertreter der Koalition haben sie zitiert - hat ja zuverlässiges Datenmaterial geliefert. Jetzt ist nicht die Zeit, weiter zu analysieren; jetzt muss endlich ein Gesetzentwurf her. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Tatenlosigkeit der Bundesregierung trifft wieder einmal Menschen mit kleinem Geldbeutel. Für sie ist der Dispo die einzige Möglichkeit, finanzielle Notlagen zu überbrücken. Herr Kollege, ich muss schon sagen, dass ich es arrogant finde, zu sagen, niemand sei gezwungen, sein Konto zu überziehen. (Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert [FDP]) Menschen, die beispielsweise erwerbslos sind, geringfügig beschäftigt sind oder Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sind, haben gar keine andere Möglichkeit, einen Kredit zu bekommen, als eben in den Dispo zu gehen. Das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen. Es gibt einfach sehr viele Menschen, die knietief im Dispo stecken, und die Banken zocken sie ab. Da können wir uns als Politiker doch nicht hinstellen und tatenlos zusehen. (Beifall bei der LINKEN) Es mag ja sein, dass es sich etwas angeglichen hat. In der Tat: Der Leitzins der Europäischen Zentralbank ist ja geringfügig gestiegen. Dennoch steht ein Leitzins von 1,25 Prozent einem Dispozinssatz von durchschnittlich 12 Prozent gegenüber. Das steht doch in keinem Verhältnis, meine Damen und Herren! (Beifall bei der LINKEN) Die Geldhäuser sanieren sich hier auf dem Rücken der sozial Schwachen, während die Bundesregierung Milliarden für die Bankenrettung ausgibt. Das ist für uns als Linke einfach nicht hinnehmbar. (Beifall bei der LINKEN) Auch der Markt funktioniert an dieser Stelle offensichtlich nicht. Dieses Problem ist, wie gesagt, ebenfalls seit vielen Jahren bekannt. Ja, warum wechseln die Menschen die Bank nicht? Vielleicht hängt das damit zusammen - dieses Thema haben wir ja unter einem früheren Tagesordnungspunkt besprochen -, dass viele Menschen Angst haben, gar kein Girokonto mehr zu bekommen. Die Fakten stehen jedenfalls fest: 777 Millionen Euro haben Verbraucherinnen und Verbraucher allein in den letzten 15 Monaten durch überhöhte Dispozinsen verloren. Es ist Aufgabe der Politik, hier endlich tätig zu werden. (Beifall bei der LINKEN) Deswegen haben wir als Linke in dieser Legislaturperiode erneut die Initiative ergriffen. Die Lösung liegt in der Tat auf der Hand: Die Dispozinsen müssen gedeckelt werden. Ich habe aus Ihrer Begründung kein sachliches Argument herausgehört, warum das ein unerlaubter staatlicher Eingriff sein soll. Der Vorschlag der Linken lautet: Dispozinsen dürfen höchstens 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegen, den die Bundesbank halbjährlich veröffentlicht. Das ist ein Modell, das möglich ist und das an anderer Stelle auch gesetzlich angewendet wird. Das ist nämlich der Maßstab für Zahlungsverzug. Es gibt keinen Grund, diesen Maßstab nicht auch an dieser Stelle anzuwenden. (Beifall bei der LINKEN) Dann hätten wir aktuell einen maximalen Dispozinssatz von 5,37 Prozent. Damit wären Dispoexzesse beendet, aber Gewinne der Banken - meine Herren und Damen von der Koalition, ich kann Sie da beruhigen - wären immer noch vorhanden, wenn auch in einem sozialverträglichen Rahmen. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, wir begrüßen, dass sich auch die Grünen für eine Obergrenze aussprechen, wenn auch, ohne einen eindeutigen Rahmen zu nennen. Fest steht jedenfalls: Schwarz-gelbe Verbraucherpolitik schützt wieder einmal die Unternehmen und nicht die Verbraucherinnen und Verbraucher. Ich werbe um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Gerhard Schick für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat sind erhöhte Überziehungszinsen für viele Leute ein relevantes Thema: Viele Menschen überziehen nämlich ihr Konto dauerhaft, nicht nur kurzfristig bei Spitzenbelastungen. Gerade diese Menschen können ihre Kontoverbindung nicht unbedingt schnell wechseln. Wir haben es hier schon mit Zinssätzen zu tun, die aufmerken lassen. Vor einem guten Jahr hat unsere Fraktion die Zinssätze stichprobenartig zusammengestellt. Wir kamen bei geduldeten Überziehungen auf Zinssätze von bis zu 19 Prozent. Das ist etwas, was nicht hinnehmbar ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Es gibt auch verschiedene gesetzliche Regelungen. Das ist schon gesagt worden. Bei dem Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie ist schon ein Referenzzinssatzsystem etabliert worden. Das Problem ist bloß: Es war gut gemeint, aber nicht gut gemacht; denn die Zinsspanne wurde häufig in einer Phase festgesetzt, in der die Diskrepanz sehr hoch war; und diese Spanne wird dann fortgeschrieben. Nach unserer Ansicht besteht da Korrekturbedarf. Jetzt muss gehandelt werden. Wir haben deswegen einen eigenen Antrag vorgelegt; denn man sollte eigentlich erwarten, dass über ein Jahr nach Ankündigung einer Studie zu diesem Thema endlich einmal Schlussfolgerungen daraus gezogen würden. Das Thema ist ja nicht so komplex, dass man Jahrzehnte braucht, um es zu untersuchen. Wir haben den Eindruck, dass sich einmal mehr erweist, dass Frau Ministerin Aigner eine Ankündigungsministerin ist. Wenn ein Thema auftaucht, kommt eine Ankündigung, und danach kommt erst einmal lange nichts. Damit ist Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht geholfen. Das freut die Journalisten, weil sie etwas abdrucken können, aber das hilft den Menschen nicht. Wir meinen: Es darf nicht nur angekündigt werden, sondern da muss auch etwas getan werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Das gilt leider auch für einige andere Punkte, die ich nennen will. Die Frage der Überziehungszinsen zeigt beispielhaft, dass das Kräfteverhältnis zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern auf der einen Seite und Finanzdienstleistern auf der anderen Seite unausgewogen ist und wieder richtig austariert werden muss. Ich nenne als weiteres Beispiel das Finanzanlagenvermittlergesetz, das wir im Finanzausschuss beraten haben. Darin werden richtige Punkte aufgegriffen, aber ein zentraler Problembereich, der eigentlich hineingehört, wurde wieder herausgenommen. Ich spreche von den sogenannten Schrottimmobilien, die als kreditfinanziertes Finanzanlageprodukt angeboten werden. Wir können wieder beobachten, dass sich Menschen in kürzester Zeit ökonomisch ruinieren, weil sie kreditfinanziert eine Immobilie kaufen, deren Mieteinnahmen nicht ausreichen, um den Kredit zu bedienen. In diesem Zusammenhang spielen sogenannte Mitternachtsnotare eine Rolle. Wir hören, dass jetzt möglicherweise jemand, der Erfahrung in diesem Bereich hat, neuer Verbrauchersenator in Berlin werden soll. (Zuruf von der CDU/CSU: Ein schönes Zeitungswissen, das Sie da verbreiten!) - Sie können uns darüber gerne im Detail aufklären. - Dieses Thema hätte unbedingt im Gesetz geregelt werden müssen. Auch da gilt: Ankündigen und nur beobachten reicht nicht; wir müssen auch konkrete Schutzvorrichtungen im Gesetz verankern. Schließlich haben wir auch zu dem Thema Honorarberatung - auch das fällt unter die Kategorie "Ankündigungsministerin Aigner" - bisher nur ein weiches Eckpunktepapier vorliegen. Hier geht es darum, wie wir das Verhältnis zwischen Anbieter und Kunde so regeln können, dass nicht systematisch viel Geld in die falschen Kanäle gerät. Es wird bisher leider nichts Konkretes in diese Richtung unternommen, sondern dieses Problem wird weiter nach hinten geschoben. Das darf nicht sein; denn Verbraucherinnen und Verbraucher haben nur dann einen wirklichen Nutzen, wenn wir neue Regeln festlegen und sich am Markt etwas ändert. Mit Blick auf die großen Ankündigungen kann man nur feststellen: Im Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen gibt es einfach viel zu viele Lücken. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollegin Kerstin Tack hat ihre Rede zu Protokoll gegeben.5 Damit sind wir am Schluss dieser Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Zinssätze für Dispositions- und Überziehungskredite verbrauchergerecht deckeln". Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/3586, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/2913 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen der Linken bei Stimmenthaltung der Grünen angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/3059 mit dem Titel "Verbraucherinnen und Verbraucher vor überhöhten Überziehungs-zinsen schützen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Linken angenommen. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 37: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-Neuordnungsgesetz - LSV-NOG) - Drucksache 17/7916 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Gesundheit Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. - Sie sind damit einverstanden. Damit sind die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen zu Protokoll gegeben: Marlene Mortler, Gitta Connemann, Josip Juratovic, Edmund Peter Geisen, Alexander Süßmair, Friedrich Ostendorff.6 Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/7916 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 14. Dezember 2011, 13 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen ein freundliches Wochenende. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 16.11 Uhr) Berichtigungen 145. Sitzung, Seite 17279 A, zweiter Absatz, das Zitat ist wie folgt zu lesen: "In der Volksabstimmung zeigt sich ein erfreulicher Common sense, den öffentliche Debatten in den letzten Jahren so oft vermissen ließen. Das Ergebnis hat nicht nur aufgeräumt mit der Vorstellung einer allmächtigen Bürgerwut. Es entmystifiziert auch die überzogenen Befürchtungen und Beschwörungen einer ,Dagegen'-Republik, in der jeder und jede nur noch an den eigenen Vorgarten denkt. Die Energiewende wird schwierig; dass sie aber an den Widerständen doppelmoralischer Bürger scheitert, die keine Atomkraft wollen, aber den Netzausbau blockieren, ist sehr unwahrscheinlich. Die Bürger, das hat sich in Stuttgart gezeigt, wollen mitreden, und sie lassen mit sich reden." 146. Sitzung, Seite 17419 B, zweiter Absatz, dritter Satz ist wie folgt zu lesen: "Aber es sollte uns doch stutzig machen, dass es gerade die Separatisten, Präsident Dodik und Herr Covic, sind, die die Auflösung des OHR fordern, und nicht die jungen Leute von der Initiative K 143." 146. Sitzung, Seite 17436 B, zweiter Absatz, dritter Satz ist wie folgt zu lesen: "Denn die Geschichte in den letzten zwölf Monaten hat gezeigt: Es gibt keinen Zweifel an der Seriosität, Wahrhaftigkeit und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, bei den beiden Personen, nämlich Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär Wichert, die er entlassen hat". Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.12.2011* Beckmeyer, Uwe SPD 02.12.2011 Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.12.2011 Bockhahn, Steffen DIE LINKE 02.12.2011 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 02.12.2011 Brase, Willi SPD 02.12.2011 Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 02.12.2011 Burchardt, Ulla SPD 02.12.2011 Daðdelen, Sevim DIE LINKE 02.12.2011 Dr. Danckert, Peter SPD 02.12.2011 Dittrich, Heidrun DIE LINKE 02.12.2011 Dyckmans, Mechthild FDP 02.12.2011 Edathy, Sebastian SPD 02.12.2011 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 02.12.2011 Freitag, Dagmar SPD 02.12.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 02.12.2011 Funk, Alexander CDU/CSU 02.12.2011 Gabriel, Sigmar SPD 02.12.2011 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 02.12.2011 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 02.12.2011 Goldmann, Hans-Michael FDP 02.12.2011 Granold, Ute CDU/CSU 02.12.2011 Hänsel, Heike DIE LINKE 02.12.2011 Haustein, Heinz-Peter FDP 02.12.2011 Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 02.12.2011 Hoff, Elke FDP 02.12.2011 Höger, Inge DIE LINKE 02.12.2011 Dr. h. c. Kastner, Susanne SPD 02.12.2011 Klein-Schmeink, Maria BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.12.2011 Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 02.12.2011 Kossendey, Thomas CDU/CSU 02.12.2011 Krellmann, Jutta DIE LINKE 02.12.2011 Kurth (Quedlinburg), Undine BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.12.2011 Dr. von der Leyen, Ursula CDU/CSU 02.12.2011 Lindemann, Lars FDP 02.12.2011 Malczak, Agnes BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.12.2011 Möller, Kornelia DIE LINKE 02.12.2011 Movassat, Niema DIE LINKE 02.12.2011 Nestle, Ingrid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.12.2011 Dr. Neumann (Lausitz), Martin FDP 02.12.2011 Nietan, Dietmar SPD 02.12.2011 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.12.2011 Ortel, Holger SPD 02.12.2011 Petermann, Jens DIE LINKE 02.12.2011 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 02.12.2011 Reiche (Potsdam), Katherina CDU/CSU 02.12.2011 Remmers, Ingrid DIE LINKE 02.12.2011 Schaaf, Anton SPD 02.12.2011 Scheel, Christine BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.12.2011 Schlecht, Michael DIE LINKE 02.12.2011 Dr. Schwanholz, Martin SPD 02.12.2011 Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 02.12.2011 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.12.2011 Ulrich, Alexander DIE LINKE 02.12.2011 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 02.12.2011 Wanderwitz, Marko CDU/CSU 02.12.2011 Wegner, Kai CSU/CDU 02.12.2011 Werner, Katrin DIE LINKE 02.12.2011 Dr. Westerwelle, Guido FDP 02.12.2011 Widmann-Mauz, Annette CDU/CSU 02.12.2011 Wolff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 02.12.2011 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sibylle Laurischk (FDP) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten (Tagesordnungspunkt 34) In Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist der staatliche Auftrag zur Förderung der Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern verankert und auch die Aufgabenstellung, die Beseitigung bestehender Nachteile zu bewirken. Aus diesem Grund hat die christlich-liberale Koalition im Koalitionsvertrag die Zielsetzung von mehr Frauen in Führungspositionen verankert. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst soll maßgeblich erhöht werden. Um dies zu erreichen, ist eine Reihe von Maßnahmen notwendig. Gerade für gut qualifizierte Frauen, die mit der Entscheidung, Kinder zu haben, regelmäßig einen Karriereknick erleben müssen, ist der Ausbau der verlässlichen Kindertagesbetreuung unverzichtbar. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen von Wirtschaft und Politik wird sich aber nur dann erhöhen lassen, wenn dies innerhalb der Unternehmen und politischen Führungsgremien gewollt ist. Dies wird nur dann geschehen, wenn klare Selbstverpflichtungen in Unternehmen und politischen Gremien diese Zielsetzung formulieren und anhand ihrer Umsetzung auch messbar machen. Hier ist ein gesellschaftlicher Diskussionsprozess in Gang zu setzen, dem sich gerade auch die männlichen Verantwortungsträger in Wirtschaft und Politik stellen müssen. Als Liberale setze ich auf entsprechende Selbstverpflichtungen und lehne deshalb den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen für eine verpflichtende Frauenquote zum jetzigen Zeitpunkt ab. Ich halte jedoch eine verbindliche Selbstverpflichtung der Unternehmen auch in Anbetracht des nach wie vor stagnierenden Frauenanteils in Führungspositionen in der Wirtschaft für dringend geboten. Eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen wird letztendlich dazu führen, dass auch in allen anderen Aufgabenfeldern eines Unternehmens die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen umgesetzt wird. Dadurch bleibt unsere Gesellschaft innovationsfähig und dem globalen Wettbewerb gewachsen. Die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft ist für mich eine entscheidende Fragestellung bei der Umsetzung der Gleichstellung von Frauen. Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichen Abstimmungen: - Entwurf eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten - Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände gesetzlich festschreiben (Tagesordnungspunkt 34) Dorothee Bär (CDU/CSU): Die Zielsetzung der vorliegenden Oppositionsanträge begrüße ich. Wir sind derzeit damit befasst, in einem breiten und fraktionsübergreifenden Bündnis Regelungen zu finden, die diesem Ziel am besten Rechnung tragen. Ich bin der Überzeugung, dass es für diese hochsensible gesellschaftliche Frage eines breitestmöglichen Bündnisses bedarf. Der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten (Drucksachen 17/3296, 17/6527) und der Antrag der Fraktion der SPD "Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände gesetzlich festschreiben" (Drucksachen 17/4683, 17/6527) schaden zum jetzigen Zeitpunkt dieser Initiative und einer gemeinsamen Lösung, die von Wirtschaft und Gesellschaft akzeptiert und auch tatsächlich umgesetzt werden kann. Deswegen stimme ich gegen besagten Gesetzentwurf und erwähnten Antrag. Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Das Ziel "Mehr Frauen in Führunspositionen" ist mir ein wichtiges Anliegen, das ich mit allem Nachdruck unterstütze. Der derzeitige Anteil von Frauen in leitenden Positionen in deutschen Unternehmen ist unzureichend - er spiegelt nicht wider, dass wir in Deutschland weitaus mehr hervorragend qualifizierte Frauen haben. Enorme Potenziale werden so nicht gehoben. Das muss sich ändern. Auch wenn die Ursachen sicherlich vielschichtig sind, bleibt festzuhalten: Die bisherigen Bemühungen von Politik und Wirtschaft haben leider nicht den gewünschten Erfolg gezeitigt. Um unseren verfassungsrechtlich in Art. 3 Abs. 2 GG festgeschriebenen Auftrag umzusetzen, sind wir derzeit damit befasst, in einem breiten und fraktionsübergreifenden Bündnis Regelungen zu finden, die diesem Ziel am besten Rechnung tragen. Denn für das Ziel "Mehr Frauen in Führungspositionen" ist nach meiner Überzeugung ein breiter Schulterschluss über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg erforderlich. Ein solches Bündnis und die Erarbeitung einer tragfähigen Lösung lassen sich nicht übers Knie brechen und erfordern Zeit und Konzentration. Die von Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder konzipierte Flexiquote ist dabei ein wichtiges Element. Der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten (Drucksachen 17/3296, 17/6527) und der Antrag der Fraktion der SPD "Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände gesetzlich festschreiben" (Drucksachen 17/4683, 17/6527) schaden zum jetzigen Zeitpunkt dieser Initiative und einer gemeinsamen Lösung, die von Wirtschaft und Gesellschaft akzeptiert und auch tatsächlich umgesetzt werden kann. Deswegen stimme ich gegen besagten Gesetzentwurf und erwähnten Antrag. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Christine Aschenberg-Dugnus, Gudrun Kopp und Dr. Birgit Reinemund (alle FDP) zu den namentlichen Abstimmungen: - Entwurf eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten - Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände gesetzlich festschreiben (Tagesordnungspunkt 34) In den Hörsälen und Ausbildungsbetrieben leisten Frauen ebenso viel wie Männer. Trotz hervorragender Ausbildung erlangen Frauen aber nach wie vor zu selten - weder in Politik noch in der Wirtschaft - Führungspositionen. Wir können es uns als Gesellschaft nicht leisten, auf Kreativität, Intelligenz und Engagement einer Hälfte der Bevölkerung zu verzichten. Unter der Überschrift "Mehr Frauen in Führungspositionen" fordert deshalb die christlich-liberale Koalition im Koalitionsvertrag, den Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst "maßgeblich" zu erhöhen. Der Innovationsindikator 2011 der Deutschen Telekom Stiftung, die von Bundesaußenminister a. D. Dr. Klaus Kinkel geleitet wird, kommt zu dem Ergebnis, dass Deutschland das Potenzial von Frauen in Forschung und Innovation nur in sehr geringem Maß nutzt: "Von den insgesamt rund 450 000 Personen, die in Deutschland im Bereich von Forschung und technologischer Entwicklung in Wirtschaft und Wissenschaft tätig sind, sind weniger als ein Viertel Frauen. ... Das schlechte Abschneiden Deutschlands und die hohe Bedeutung des Themas sind Anlass genug, sich im Innovationsindikator des kommenden Jahres im Rahmen einer Schwerpunktuntersuchung mit diesen Fragen zu beschäftigen. Erst dann können weiter differenzierte Aussagen zur Rolle der Frauen im Innovationsprozess gemacht werden. Für Deutschland steht allerdings bereits jetzt fest: Es kann sich dieses unausgeschöpfte Potenzial nicht länger leisten, wenn es auch weiterhin im Innovationswettbewerb oben stehen will." Um den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen, ist ein Umdenken in unserer männerbestimmten Gesellschaft erforderlich. Dieses Umdenken muss im Interesse der gesamten Gesellschaft von Frauen und Männern geleistet werden. Gesetze können diese notwendige Überzeugungsarbeit nicht leisten. Deswegen lehnen wir den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen für eine verpflichtende Frauenquote sowie den Antrag der SPD ab. Gleichzeitig fordern wir vonseiten der Unternehmen mehr Anstrengungen, in ihren Unternehmen eine Kultur der gleichberechtigten Beteiligung von Frauen zu initiieren und auch zu leben und in der Folge Frauen Führungspositionen anzuvertrauen. Gemischte Teams sind nachweislich leistungsfähiger als Teams, in denen entweder nur Männer oder nur Frauen arbeiten. Wir befürworten eine verbindliche Selbstverpflichtung der Unternehmen, einen Stufenplan zur Beteiligung von Frauen in Führungspositionen aufzustellen und durch familienfreundliche Rahmenbedingungen Frauen zu ermutigen, Führungspositionen anzustreben. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ingrid Fischbach, Frank Heinrich, Ewa Klamt, Katharina Landgraf und Sabine Weiss (Wesel I) (alle CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmungen: - Entwurf eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten - Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände gesetzlich festschreiben (Tagesordnungspunkt 34) Das Ziel "Mehr Frauen in Führungspositionen" ist mir ein wichtiges Anliegen, das ich intensiv unterstütze und für das ich mich seit langem einsetze. Wir sind derzeit damit befasst, in einem breiten und fraktionsübergreifenden Bündnis Regelungen zu finden, die diesem Ziel am besten Rechnung tragen. Denn für das Ziel "Mehr Frauen in Führungspositionen" ist nach meiner Überzeugung ein breiter Schulterschluss über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg erforderlich. Ein solches Bündnis und die Erarbeitung einer tragfähigen Lösung lassen sich nicht übers Knie brechen und erfordern Zeit und Konzentration. Die von Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder MdB konzipierte Flexiquote ist dabei ein wichtiges Element. Der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten (Drucksachen 17/3296, 17/6527) und der Antrag der Fraktion der SPD "Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände gesetzlich festschreiben" (Drucksachen 17/4683, 17/6527) schaden zum jetzigen Zeitpunkt dieser Initiative und einer gemeinsamen Lösung, die von Wirtschaft und Gesellschaft akzeptiert und auch tatsächlich umgesetzt werden kann. Deswegen stimme ich gegen besagten Gesetzentwurf und erwähnten Antrag. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-Neuordnungsgesetz - LSV-NOG) (Tagesordnungspunkt 37) Gitta Connemann (CDU/CSU): Die landwirtschaftliche Sozialversicherung, über die wir heute debattieren, bedeutet soziale Sicherheit für die Menschen im ländlichen Raum. Sie ist das berufsständische Sicherungssystem, das unsere Land- und Forstwirte, unsere Gärtner und ihre Familien gegen Unfall, Krankheit, Gebrechen und Alter absichert. Die landwirtschaftliche Sozialversicherung hat sich in der Vergangenheit hervorragend bewährt. Zugleich konnte ein rasanter Strukturwandel sozial abgefedert werden - bislang; denn die Heraus-forderungen werden größer. Mit Ausnahme des Gartenbaus nimmt die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe von Jahr zu Jahr ab. Die Zahl der versicherten Beitragszahler wird geringer, und die Zahl der Empfänger steigt überproportional. Dies sei an nur einer Zahl deutlich gemacht: Derzeit zahlen rund 257 000 Personen Beiträge zur Alterssicherung der Landwirte. Demgegenüber erhalten rund 618 000 Rentner Leistungen. Damit wächst die Kostenbelastung der aktiv wirtschaftenden Landwirte - und die Sorge. Denn gerade die Sicherheit der Versorgung im Alter ist für unsere Bäuerinnen und Bauern, die Altenteiler ein hochsensibles Thema, das mit Ängsten verbunden ist. Darauf reagierten wir im Jahre 2007 mit dem Gesetz zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, dem LSVMG. Unser Ziel war es, die landwirtschaftliche Sozialversicherung zukunftsfest zu machen und stabile Beiträge zu erreichen. Mit dem Gesetz wurden organisatorische Änderungen in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung durchgeführt, Maßnahmen zur innerlandwirtschaftlichen Solidarität in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung vorgegeben und dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz angepasst. Auch im Leistungs- und Beitragsbereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung kam es zu Änderungen. Zahlreiche Aufgaben werden seitdem zentral bearbeitet wie zum Beispiel die Krankenhausabrechnungsprüfung an drei Standorten, das Rechenzentrum in Kassel oder die Regressbearbeitung. Als Äquivalent für die Beibehaltung der Eigenständigkeit der regionalen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften wurde im Jahre 2010 ein Lastenausgleich eingeführt, der seine vollständige Wirkung allerdings erst im Jahr 2015 entfaltet hätte. Strukturell benachteiligte landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften, die hohe Kosten für Altrenten tragen müssen, sollten so entlastet werden. Der Gesetzgeber formulierte die Erwartung, bis zum Jahre 2014 die Verwaltungs- und Verfahrenskosten um 20 Prozent auf der Basis des Jahres 2004 zu reduzieren. Die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften wurden verpflichtet, ihre Beitragsmaßstäbe bei regionaler Festsetzung flächendeckend am Unfallrisiko zu orientieren. Auf meine Bitte gab das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Sommer letzten Jahres einen Zwischenbericht über das bisher Erreichte. Auch dieser konstatierte: Es hat sich seit 2007 sehr viel getan. Dazu haben viele beigetragen. Besonders hervorzuheben sind aus meiner Sicht die ehrenamtlichen Vertreter der Selbstverwaltung und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der jeweiligen landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Gerade die Letzteren mussten nicht nur vor Ort die Änderungen vollziehen, sondern diese auch den Versicherten erklären, und das war nicht immer leicht. Davon wissen aktuell die Mitarbeiter der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung Mittel- und Ostdeutschland nach der diesjährigen Umstellung auf risikoorientierte Beiträge ein Lied zu singen. Mein Dank gilt an dieser Stelle ausdrücklich Ihnen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den Trägern in ganz Deutschland. In dem damaligen Gesetz hatten wir auch eine Evaluation für das Jahr 2014 angekündigt. Der Bericht über die Auswirkungen des LSVMG sollte als Grundlage für weitere Organisationsveränderungen dienen. Nach dem Willen der Politik wäre es also vor 2014 wohl nicht zu neuen Reformüberlegungen für die landwirtschaftliche Sozialversicherung gekommen. Dennoch diskutieren wir diese jetzt - auf Initiative des Berufsstandes. Denn der aktuellen Diskussion über die kurzfristige Errichtung eines LSV-Bundesträgers liegt ein Beschluss des Präsidiums des Deutschen Bauernverbandes vom 12. Oktober 2010 zugrunde: "Der LSV-Spitzenverband wird aufgefordert, ein Gutachten über die Machbarkeit und mögliche Ausgestaltung eines bundesweit einheitlichen Beitragsmaßstabes in Auftrag zu geben. Ziel muss es sein, dass identische Betriebe in Deutschland einen gleich hohen Beitrag zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung entrichten." Dies war der Beginn eines Prozesses, der insbesondere im Berufsstand sehr strittig geführt wurde. Auf der Ebene der Bundespolitik haben wir diesen Prozess begleitet. Wir haben auf Risiken hingewiesen. So hatte der Bundesrechnungshof noch im September 2010 in seinem Bericht über die Prüfung der freiwilligen Vereinigungen von gesetzlichen Krankenkassen darauf hingewiesen, dass Fusionen in den meisten Fällen nicht zu den erhofften Synergieeffekten und zur Senkung der Personal- und Verwaltungskosten geführt habe. Wir haben aber auch die Chancen deutlich gemacht und mit der angekündigten zusätzlichen Bereitstellung von insgesamt 100 Millionen Euro ein Signal gesetzt, dass wir den Prozess unterstützen wollen. Denn im Zuge innerlandwirtschaftlicher Solidarität ist die Einführung eines bundeseinheitlichen Beitragsmaßstabes nachvollziehbar, vernünftig und gerecht. Es ist den Versicherten dauerhaft nicht zu erklären, weshalb ein Mutterkuhbetrieb oder ein Pferdehalter bei gleichem Risiko unterschiedlich zur Kasse gebeten werden - je nach Region, in der er lebt. Das gleiche Risiko muss dauerhaft auch mit gleichen Beiträgen versichert werden. Auch die weitere Optimierung des Systems der landwirtschaftlichen Sozialversicherung unter Kostengesichtspunkten ist unterstützenswert - und aus Sicht der Versicherten wünschenswert. Denn die Rechnung zahlen im Ergebnis die Landwirte, Forstwirte und Gartenbauer. Jeder Euro, den sie zusätzlich zahlen müssen, belastet sie, insbesondere wenn es um die Unterhaltung einer aufwendigen Struktur geht. Im Vergleich zur Organisation der gewerblichen Unfallversicherung mit bundesweit neun Trägern und bei Betrachtung der 156 gesetzlichen Krankenkassen - ohne Betriebskrankenkassen -, erscheinen jeweils neun landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften und Krankenkassen überrepräsentiert. Wir müssen erkennen, dass sich der Strukturwandel in der Landwirtschaft fortsetzen wird. Als Folge des kontinuierlichen Rückgangs der Versichertenzahlen wird es daher zu einer Zentralisierung der LSV kommen müssen. Die Frage war nur, wann. Der landwirtschaftliche Berufsstand gab uns dann nach längerer interner Diskussion das einstimmige Signal: Politik, handle jetzt! Auch die Länder signalisierten in vielen Vorgesprächen, dass sie diesen Weg unter bestimmten Voraussetzungen mitgehen würden. Im Einvernehmen mit Landvölkern und der Landespolitik wurde ein konsensuales Modell entwickelt. Es soll im kommenden Jahr ein Bundesträger entstehen. Der Zeitraum der nächsten Wahlperiode der Selbstverwaltung bis zum Jahr 2017 soll genutzt werden, gemeinsame Beitragsmaßstäbe zu schaffen und die Verwaltungskosten zu konsolidieren. Das Bundeskabinett beschloss im November 2011 einen entsprechenden Gesetzentwurf. Jetzt diskutieren wir über die Details. Insoweit gibt es durchaus berechtigte Kritik und begründete Forderungen. An dieser Stelle erwähne ich beispielhaft nur die Einwände der Personalvertreter. Ich appelliere an uns alle, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem jetzt eingeschlagenen Weg mitzunehmen. Wir dürfen die Reform nicht gegen sie, sondern nur mit ihnen machen. Und ich nenne den Gartenbau. Die Situation dort unterscheidet sich erheblich von der in der übrigen Land- und Forstwirtschaft. Dies gilt nicht nur für den Kreis der Versicherten, sondern auch für die Zahl der versicherten Unternehmen. Es gibt einen bundeseinheitlichen Träger sowie einen bundesweit einheitlichen Beitragsmaßstab. Angesichts der zu erwartenden erheblichen finanziellen Zusatzlast, die sich zwingend auf die Beiträge niederschlagen muss, wird diese Einbeziehung abgelehnt. Ich kann dies persönlich nachvollziehen. Deshalb werden wir ihre Forderungen und Einwände ebenfalls genau prüfen. Es gibt also durchaus noch Klärungs- und Abstimmungsbedarf. Die Betroffenen müssen die Möglichkeit haben, sich zu äußern. Deshalb ist es auch gut und vernünftig, im Januar 2012 eine Anhörung zu dem Gesetz durchzuführen. Denn so können offene Fragen, auch strittige Punkte erörtert werden. Wir setzen auf den konstruktiven Dialog mit unserem Berufsstand, seinen Verbänden, den Sozialversicherungsträgern und ihren Mitarbeitern. Für die CDU/CSU-Fraktion erkläre ich aber eines: Grundsätzlich stehen alle Maßnahmen unter der Prämisse, das System der landwirtschaftlichen Sozialversicherung auf Dauer zu erhalten. Ein eigenständiges agrarsoziales Sicherungssystem bietet nicht nur viele Vorteile. Die landwirtschaftliche Sozialversicherung ist ein Erfolgsmodell. Deshalb bedaure ich auch die aktuellen Äußerungen aus der SPD-Fraktion, die die Eigenständigkeit der landwirtschaftlichen Sozialversicherung hinterfragt. Dies ist sicherlich das falsche Signal - nicht zur jetzigen Zeit. Das ist mit der Union nicht zu machen. Marlene Mortler (CDU/CSU): Das neue landwirtschaftliche Sozialversicherungssystem nimmt Gestalt an. Aus zurzeit noch neun Trägern dieses Systems wird ein schlagkräftiger Bundesträger geformt, der zum Januar 2013 seine Tätigkeit aufnehmen soll. Versicherten wird ab dann das Leistungsangebot aus einer Hand zur Verfügung gestellt; gebündelt werden die landwirtschaftliche Alterskasse, Unfallkasse, die landwirtschaftliche Krankenkasse, Pflegekasse sowie die Sozialversicherung für den Gartenbau. Der Bundesträger wird als Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen Rechts errichtet und ist zweistufig aufgebaut: Die Bundesebene oder die Hauptverwaltung wird zentrale Aufgaben wahrnehmen, und die regionalen Geschäftsstellen werden versichertenorientierte Leistungen erbringen. Wirklich positiv hervorzuheben ist, dass die Diskussion über eine Reform des Sozialversicherungssystems aus dem Berufsstand selbst heraus an die Politik getragen wurde. Der Strukturwandel innerhalb der Landwirtschaft trägt dazu bei, dass der Kreis der Versicherten und vor allem der Kreis der Leistungsträger immer kleiner wird. Davor kann eine berufsständige Verwaltungsstruktur die Augen nicht verschließen. Dies ist frühzeitig erkannt und akzeptiert worden. Ein fantastisches Produktivitätswachstum innerhalb der Landwirtschaft seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland hat dazu beigetragen, dass die Anzahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Personen und die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe stark abgenommen hat. Dieses Produktivitätswachstum hat dazu beigetragen, dass sich Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges wirtschaftlich rasant entwickeln konnte. Auch heute stellt der landwirtschaftliche und der gesamte Agrarsektor einen wirtschaftlichen Bereich dar, der sehr dynamisch wächst und so zum Aufschwung in Deutschland beiträgt. Daneben stabilisiert der Agrarsektor den ländlichen Raum, schafft dort Arbeitsplätze, die in immer größerem Maße auch hoch qualifizierte Menschen anziehen. Deshalb konnten wir auch guten Gewissens den staatlichen Zuwendungen in das landwirtschaftliche Sozialversicherungssystem zustimmen, wie letzte Woche bei der Verabschiedung des Bundeshaushalts geschehen. Wir können auch guten Gewissens und mit Nachdruck fordern, dass die für die Reform der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zugesagten zusätzlichen Mittel in Höhe von 150 Millionen Euro zügig freigegeben werden, um sie den Beitragszahlern zugute kommen zu lassen. Voraussetzung dafür ist, dass wir die Reform in diesem Hohen Hause zügig verabschieden. Deshalb rufe ich auch Ihnen auf den Oppositionsbänken, und auch den Verhandlungsführern des Bundesrates zu: Stimmen Sie mit uns, ergreifen wir zusammen diese große Gelegenheit, ein wichtiges Sozialversicherungssystem zukunftsfest zu machen, und das sogar im weitgehenden Konsens mit allen beteiligten Personengruppen. Wir von der christlich-liberalen Koalition haben von Beginn der Diskussion an Wert darauf gelegt, dass alle von einer Reform betroffenen Personengruppen in die Diskussion mit eingebunden waren. Betroffen sind erstens die Bauern und Bäuerinnen mit ihren Familien. Zweitens sind es die deutschen Gärtner, die in das bundesweite Sozialversicherungssystem eingegliedert werden sollen. Dabei bin ich mir und sind wir uns bewusst, dass der Gartenbau Besonderheiten gegenüber der Landwirtschaft aufweist, die zu berücksichtigen sind, besonders im Bereich der Unfallversicherung. Deshalb sind wir intensiv auf die Bedenken der Gärtner eingegangen. Bei der Zusammensetzung der 81-köpfigen Vertreterversammlung können die Gärtner mit insgesamt neun Vertretern alle Berufsgruppen des Gartenbaus angemessen repräsentieren. In den 27-köpfigen Vorstand können drei Vertreter des Gartenbaus einziehen. Zusätzlich wird unter anderem ein Beirat für die Belange des Gartenbaus eingerichtet, der ein Vorschlagsrecht bei Unfallverhütungsvorschriften haben wird, die ausschließlich auf Unternehmen des Gartenbaus anzuwenden sind. Die Vorschläge dieses Beirates können nur mit einem Quorum von 60 Prozent der Stimmen der Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherung zurückgewiesen werden. All dies gewährleistet, dass die spezifischen Bedenken des Gartenbaus nicht so ohne Weiteres von anderen Gruppierungen innerhalb des Systems beiseite geräumt oder überstimmt werden können. Die dritte von der Reform betroffene Gruppe stellt der Forst dar. So wird das neue System auch den trefflichen Namen "Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau" tragen. Allein schon die Namensgebung bringt zum Ausdruck, dass die Interessen der einzelnen Berufsgruppen in angemessenem Maße Berücksichtigung finden werden. Viertens müssen wir im Besonderen die Belange der im bestehenden Sozialversicherungssystem Beschäftigten berücksichtigen, um Brüche in persönlichen Lebensplanungen zu vermeiden. Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass die Effizienzziele, die mit der Errichtung des Bundesträgers einhergehen sollen, aus den Augen verloren werden. Ich finde, mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf ist es uns sehr gut gelungen, die gesteckten Ziele zu erreichen: Zum einen bringt die christlich-liberale Koalition ein an den Anforderungen der Zukunft orientiertes landwirtschaftliches Sozialversicherungssystem in Form eines Bundesträgers auf den Weg. Die Aufgabenverteilung obliegt grundsätzlich der Selbstverwaltung, und das Organisationskonzept wird durch einen Errichtungsausschuss ausgearbeitet. Des Weiteren unterstützen wir die Reform durch zusätzliche Finanzmittel in Höhe von 150 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt, wobei davon im Jahr 2012 75 Millionen Euro bereitgestellt werden sollen. Daneben wird gewährleistet, dass die Interessen der beteiligten Akteure, das sind die Landwirte, Gärtner, Förster und Beschäftigte, insgesamt gewahrt werden. Abschließend möchte ich sagen, dass ich die vom Bundesrechnungshof geäußerte Kritik an dem nun vorliegenden Gesetzentwurf ausdrücklich nicht teile. Es ist Grundverständnis einer christlich-liberalen Koalition, dass ein Selbstverwaltungssystem aus sich heraus entscheiden können muss, welche Organisationsstrukturen und welche Satzung es wählt, wie es sein Personal an welchen Standorten rekrutiert. Wir als Gesetzgeber geben lediglich Leitplanken vor. Wir vertrauen dem und sind überzeugt von dem hohen Sachverstand und der Intelligenz der an der Errichtung des Bundesträgers beteiligten Akteure, das Sozialversicherungssystem für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau auf ein solides Fundament zu stellen. Josip Juratovic (SPD): Mit Ihrem Gesetzentwurf zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung setzen Sie als Bundesregierung die Reihe der Gesetzgebung fort, die im Hinblick auf den sich beschleunigenden landwirtschaftlichen Strukturwandel und im Gesamtkontext der Reformen der sozialen Sicherungssysteme steht. Es ist sicherlich allen klar, dass das agrarsoziale Sicherungssystem nicht von Reformen ausgenommen werden kann. Die Frage stellt sich nur, wie man es denn macht. Es ist die Frage, inwieweit eine tatsächliche Bereitschaft vorhanden ist, sich mit den Betroffenen an einen Tisch zu setzen und auch zuzuhören, welche Kritik es an dem von Ihnen vorgelegten Entwurf gibt. Durch den plötzlich doch sehr eilig gezurrten Zeitplan macht es eher den Eindruck, als hielten Sie es mit der Devise "Augen zu und durch". Dem möchten wir uns als SPD-Fraktion ausdrücklich widersetzen und fordern eine Anhörung, um den Anliegen der einzelnen Bereiche Gehör zu verschaffen. Uns reicht es im Gegensatz zu Ihnen nicht aus, dass der Deutsche Bauernverband einverstanden ist - denn betroffen von den Regelungen sind neben den Landwirten auch die Forstwirtschaft und die Berufsgenossenschaft des Gartenbaus, auf die ich später noch einmal zurückkommen werde. Das LSV-NOG sieht Maßnahmen zur Stabilisierung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung vor. Durch diese Maßnahmen soll die Ausgabenstruktur in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung dadurch verbessert werden, dass Sie die gegenwärtigen Organisationsstrukturen ins Visier nehmen. Leider gehen Sie dabei im Bezug auf die vorhandene Personalstruktur im regionalen Bereich mit der Holzhammermethode vor und nennen das Ganze schlicht "Modernisierung". Was daran das agrarsoziale Sicherungssystem insgesamt zukunftsfest machen soll, wird nicht ganz klar. Sie scheuen noch nicht einmal davor zurück, Angestellte gegen ihren Willen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Von Ihrer Zusicherung, dass man die Beschäftigten bei der Umgestaltung "mitnehmen" wolle, kann man eigentlich auch keine tatsächliche Bereitschaft finden, die über das Verkünden hinausgeht. Stattdessen schaffen Sie im Gesetzentwurf die Möglichkeit der Auftragsvergabe an Dritte; in der Praxis heißt dies, vorhandenes qualifiziertes Personal wird nach Hause geschickt, dafür aber die Möglichkeit von Fremdvergaben installiert. Wer weiß, welch Klientel à la Hoteliers Sie da wieder im Auge haben. Für uns als SPD hat es ein besonderes Gewicht, die Personalmaßnahmen sozialverträglich auszugestalten. Hier stehen Sie seitens der Bundesregierung in der Pflicht, die Träger bei der Lösung von Personalproblemen zu unterstützen. Bei der Umsetzung der Maßnahmen müssen flexible Lösungen gefunden werden, die die Beschäftigten nicht zum Opfer von Sparzielen der Bundesregierung machen. Ob es Ihnen mit der Stärkung des Bundeseinflusses und der geplanten Umstrukturierung tatsächlich auch gelingt, die Effizienz und Wirtschaftlichkeit des Systems zu verbessern, wird davon abhängen, wie willig Sie sind, die nicht nur aus dem Bundesrat formulierte Kritik, sondern auch die vorliegenden Stellungnahmen zum Gesetzentwurf zu berücksichtigen. Meine Kritik richtet sich nicht nur an einzelne Punkte, die Sie formuliert haben, sondern auch daran, dass Sie nicht die Chance nutzen, mit diesem Gesetz innovative Ansätze einzubringen. Agrarpolitik ist nicht mehr nur Agrar- und Wirtschaftspolitik. Sie ist zugleich Umweltpolitik, Tierschutzpolitik, Verbraucherpolitik, Tourismuspolitik. Sie ist multifunktional. Nicht mehr die Größe eines landwirtschaftlichen Unternehmens ist ausschlaggebend, sondern die Art und Weise der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung. Spätestens in der zurzeit laufenden Diskussion um die Neuausrichtung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik bekommen Merkmale wie Erhaltung der Artenvielfalt, Sicherung der Bodenfunktion und der Wasserhaushalte, Tierschutz und Klimaschutz einen weitaus höheren Stellenwert. Dies sollten wir beispielsweise beachten, wenn wir über die Hofabgabeklausel diskutieren. Es geht aus Ihrem Handeln leider auch nicht hervor, ob die Reform auf eine Stärkung der regionalen Strukturen unter dem Dach eines künftigen Bundesträgers hinauslaufen soll oder ob die regionale Struktur scheibchenweise abgeschafft werden soll. Sonst könnten Sie nämlich die vorgesehenen Regionalbeiräte ebenso wie den Beirat für den Gartenbau nicht nur für den Übergang, sondern auf Dauer einrichten. Die Beiräte müssen neben beratenden Funktionen auch Gestaltungs- und Mitspracherechte in regionalen Präventions- und Versorgungsfragen sowie bei der Besetzung von gehobenen Leitungsfunktionen in den Geschäftsstellen erhalten. Die Aufgaben der Regional-beiräte und die der Geschäftsstellen sollten im Gesetz festgeschrieben werden. Mit besonderem Augenmerk möchte ich auf die besondere Problematik Gartenbau verweisen. Der Gartenbau arbeitet bereits mit einem einheitlichen Bundesträger. Um die erfolgreiche Arbeit zu erhalten, benötigt der Gartenbau im Gesamtkonstrukt eine eigenständige Struktur mit Beibehaltung ihrer Halbparität. Immerhin haben Sie es inzwischen geschafft, den Gartenbau im Namen des neuen Bundesträgers einzubeziehen. Das hilft aber nicht weiter, wenn man es dabei belässt, ohne seine besonderen Belange im Gesetzentwurf zu berücksichtigen. Durch die Dominanz der Bauern geht verloren, dass für die Neuordnung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung eigentlich die Gartenbauberufsgenossenschaft als Vorbild dienen sollte. Allein die Schaffung eines Quorums zu verankern, um die Minderheit zu schützen, ist da keine Lösung. Beim Gartenbau entscheiden im Bereich der Unfallprävention Arbeitnehmer und Arbeitgeber halbparitätisch; durch ein gutes Zusammenwirken in der bereits bundesweit organisiert tätigen Gartenbauberufsgenossenschaft sind die Unfallzahlen seit Jahren rückläufig. Dieser Erfolg fällt nicht wie Manna vom Himmel, sondern ist eng geknüpft an die Struktur - der Schlüssel zum Erfolg ist hierbei die halbparitätische Selbstverwaltung. Ich will Ihnen dies an einem Beispiel deutlich machen: Durch die gemeinsam erkannte Aufgabe der Prävention sitzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einem Tisch. Der Arbeitnehmer hat das Interesse, seine Gesundheit im Erwerbsleben zu erhalten, der Arbeitgeber hat das gleiche Interesse, dass sein Mitarbeiter vor vermeidbaren Unfällen geschützt ist und er niedrige Krankenstände hat. Durch diese paritätische Zusammenarbeit ist es beispielsweise möglich, dass mit der Forschung neue Arbeitskleidung entwickelt wird. Das kann dann durchaus zwei Jahre dauern und Geld verschlingen, aber für die Baumschneider wurde durch solch ein Verfahren eine Arbeitshose entwickelt, deren Fasern eine ausrutschende Motorsäge zum Stillstand bringen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es aus der Sicht der Landwirte kein Interesse an diesem Zukunftsmodell gibt. Das Gleiche gilt für die Beitragsberechnung. Der Flächenwert hat allein unter dem Aspekt der neu entstehenden Vielfalt in der Landwirtschaft bereits jetzt versagt, denkt man nur an den Bereich des Obst- und Gemüseanbaus, der Nebenerwerbsbauern, der Streuobstwiesenbesitzer. Aber auch hier sind Sie nicht bereit, mit Ihrem Gesetzentwurf neue Weichen zu stellen. Nehmen Sie sich ein Beispiel an den Gartenbaubetrieben! Trotz unterschiedlichster Strukturen im Gartenbau ist die wirkungsvolle Beitragsberechnung auf der Grundlage des Arbeitswertes ein Schlüssel für die Beitragsgerechtigkeit - und erspart immensen Verwaltungsaufwand. Mit einem klugen Bonussystem wird der Beitragszahlende belohnt, der Unfallverhütungsvorschriften im Betrieb umsetzt, unabhängig davon, ob es ein Betriebshof in der Kommune ist oder ein Kleinunternehmen. Anstatt das 99 Jahre alte Erfolgsmodell zu würdigen und auf die unterentwickelte Struktur der Landwirtschaft zu übertragen, stellt der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung das hervorragende Beispiel sozialpartnerschaftlicher Selbstverwaltung grundsätzlich infrage. Gemeinsam mit den Gewerkschaften Verdi und IG BAU sehen wir kein gutes und stichhaltiges Argument dafür, eine durch erfolgreiche Sozialpartnerschaft auf gleicher Augenhöhe bestimmte Genossenschaft abzuschaffen. Die SPD-Fraktion wird sich dafür starkmachen, dass sich die Eigenständigkeit der Gartenbauberufsgenossenschaft in einem Beirat oder einer Sektion im Gesetzentwurf wiederfindet und festgeschrieben wird. Und zwar mit ihren spezifischen Modalitäten und der eigenständigen Gestaltung für Haushalt, Finanzen und Personal. Es gilt die Devise "Never change the running system". Dr. Edmund Peter Geisen (FDP): Gerade erst hat das Statistische Bundesamt auf der Agritechnica in Hannover die Ergebnisse der Landwirtschaftszählung 2010 vorgestellt: Inzwischen gibt es weniger als 300 000 landwirtschaftliche Betriebe mit mindestens 5 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche oder Sonderkulturfläche von 0,5 Hektar. Das bedeutet: Verglichen mit 1960 ist die Zahl der Betriebe um mehr als zwei Drittel gesunken. Während ein Landwirt 1950 10 Menschen mit Nahrungsmitteln versorgte, ernährt er 50 Jahre später schon 127 Menschen. Die durchschnittlichen Betriebsgrößen haben sich mehr als verdoppelt, viele Haupterwerbsbetriebe sind zu Nebenerwerbsbetrieben geworden. Und inzwischen kommen auf 100 aktive Beitragszahler in der landwirtschaftlichen Rentenkasse rund 250 Rentenempfänger. Das ist der tiefgreifende Strukturwandel, den die Landwirtschaft hinter sich hat. Diesem Strukturwandel in der Landwirtschaft will und muss die Bundesregierung Rechnung tragen. So übernimmt der Bund - ähnlich wie im Bergbau - mit der 1995 eingefügten Defizitdeckung inzwischen rund 70 Pro-zent der Kosten der Alterssicherung der Landwirte und 57 Prozent der gesamten LSV-Ausgaben. Nun datieren die Strukturen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung aus einer Zeit, in der die Landwirtschaft ein zentraler Wirtschaftsbereich mit vielen Arbeitskräften war. Anfang der 50er-Jahre machte der Anteil der in der Landwirtschaft Erwerbstätigen 24 Prozent aus. Heute sind es noch 2 Prozent. Deswegen müssen wir uns schon die Frage stellen, ob und wie wir die bisherigen Strukturen in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung weiter aufrechterhalten können. Angesichts leerer Kassen, angesichts der Schuldenbremse und des weiter voranschreitenden Strukturwandels in der Landwirtschaft können wir nicht einfach weitermachen wie bisher. Und klar ist auch: Ein Festhalten an der kleinteiligen Organisationsstruktur der landwirtschaftlichen Sozialversicherung gefährdet auf längere Sicht das eigenständige agrarsoziale Sicherungssystem. Die SPD denkt ja schon offen darüber nach. Deshalb bin ich sehr zufrieden, dass wir als christlich-liberale Koalition den einheitlichen Bundesträger auf den Weg bringen. Damit sprechen wir uns klar für eine zukunftsfeste eigenständige Agrarsozialpolitik aus, die alles daran setzt, immer weiter steigende Kosten für Landwirte zu vermeiden. Ich bin auch meinen Kollegen aus dem Haushaltsausschuss dankbar, die trotz strikter Sparvorgaben diese Organisationsreform mit insgesamt 150 Millionen Euro zusätzlich flankieren. Dieses eindeutige Bekenntnis zur Landwirtschaft ist wirklich nicht mehr selbstverständlich. Ich hoffe, dass auch der Bundesrat ein Einsehen hat und die notwendige Reform konstruktiv begleitet. Besonders freue ich mich über die Erleichterungen bei der Hofabgabe. So soll die Altersgrenze bei Abgabe unter Ehepartnern aufgehoben werden, gewerbliche Tierhaltung auf Rückbehaltsflächen weiter möglich sein und die Abgabe von Gesellschaftern erleichtert werden. Damit konnten wir von der FDP-Fraktion endlich unsere langjährigen Forderungen durchsetzen. Ich habe in diesem Zusammenhang viele Gespräche mit dem Berufsstand geführt, denn mir kommt es darauf an, gemeinsam mit den Betroffenen die beste Lösung zu finden. Der Tenor war eindeutig: Die Hofabgabe soll beibehalten werden. Sicher mag es einige Härtefälle geben; dafür habe auch ich größtes Verständnis. Deswegen nehmen wir ja Änderungen vor. Und den Altenteilern bleibt weiterhin die Möglichkeit, einen Teil ihrer Fläche zu bewirtschaften. Aber die Hofabgabeklausel ganz abschaffen, das kam für die überwältigende Mehrheit nicht in Betracht. Wir sollten uns auch darüber im Klaren sein, dass eine komplette Abschaffung der Hofabgabeklausel zwangsläufig das Ende der eigenständigen Alterssicherung der Landwirte bedeutet hätte - und das mit entsprechenden deutlichen Beitragserhöhungen. Abschließend noch ein Wort zum Gartenbau. Auch hier gibt es - wie wir alle wissen - noch einige Änderungswünsche. Wir werden diese Wünsche sorgfältig prüfen, um auch hier zu einer tragfähigen Lösung für alle Beteiligten zu kommen. Von daher ist es auch gut, dass wir im Januar noch eine Anhörung durchführen werden und allen Betroffenen die Möglichkeit geben, ihre Verbesserungsvorschläge einzubringen. Ich habe mich in den Gesprächen mit der Bundesregierung immer für die besonderen Belange des Gartenbaus eingesetzt. Denn eines ist klar: Die Situation dort unterscheidet sich deutlich von der Land- und Forstwirtschaft, sowohl was die Mitglieder- als auch die Kostenstruktur angeht. Beide weisen in die richtige Richtung, Reformen sind konsequent angegangen worden. Allerdings können wir der Forderung einer Eigenständigkeit des Gartenbaus vor allem in der Unfallversicherung nicht entsprechen. Wir sind gesetzlich verpflichtet, die Zahl der gewerblichen Berufsgenossenschaften auf neun zu reduzieren. Die Alternative wäre eine Fusion mit einer anderen gewerblichen Berufsgenossenschaft. Damit wäre aber die versicherungszweigübergreifende Betreuung der Versicherten beendet. Das kann nicht die Lösung sein. Ich bin - im Gegensatz zu den früheren Reformen - sicher, dass wir mit dem jetzigen Gesetz die landwirtschaftliche Sozialversicherung auf ein solides, bezahlbares und zukunftsfestes Fundament stellen. Und ich hoffe, dass sich auch unsere Ländervertreter dieser Meinung anschließen werden. Alexander Süßmair (DIE LINKE): Auch die Linke sieht die Zeit gekommen, die Struktur der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, also in erster Linie die Struktur der Berufsgenossenschaften, weiter zu verändern. Der einheitliche Bundesträger, der nun kommen soll, war durch die letzte Gesetzesnovelle in der 16. Wahlperiode schon angelegt. Jetzt - nach einigen Jahren - findet der Vollzug statt. Darüber hinaus stellt sich für uns allerdings die Frage, wie lange ein eigenständiges System für die Landwirtschaft überhaupt noch tragfähig ist. Ist die jetzige Reform ein Schritt in Richtung einer kompletten Aufgabe des landwirtschaftlichen Sozialversicherungssystems? Worum geht es? Die landwirtschaftliche Sozialversicherung ist ein berufsständisches Sicherungssystem. Es dient der umfassenden sozialen Absicherung der in der Land- und Forstwirtschaft tätigen Menschen gegen die Risiken Unfall, Krankheit sowie Pflegebedürftigkeit im Alter. Die Agrarsozialpolitik hat sich in den letzten Jahrzehnten zur wichtigsten Säule der deutschen Agrarpolitik entwickelt. Sie umfasst heute zwei Drittel der Haushaltsausgaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Aus Sicht der Linken bleiben zwei Aspekte der hier vorgelegten Gesetzesnovelle problematisch: Der eine ist die Hofabgabeklausel, der andere die Einbindung der bereits heute schon bundesweit einheitlich organisierten Gartenbauberufsgenossenschaft mit ihrer vergleichsweise gut funktionierenden Unfallprävention. Immer mehr Landwirte bemängeln, dass die Hofabgabeklausel nicht mehr zeitgemäß sei, denn viele von ihnen finden keinen Nachfolger für ihren Hof. Die Hofabgabeklausel hatte ein strukturpolitisches Element: Auch die jüngeren Landwirtinnen und Landwirte sollten zum Zuge kommen können. Das greift heute nicht mehr. Die Konsequenz ist, dass viele ihren Hof pro forma an Kinder oder Verwandte abgeben, wenn sie ihre Rente ausbezahlt bekommen wollen, aber sie selbst ihn weiter bewirtschaften. Solche Entwicklungen müssen wir zur Kenntnis nehmen und daraus Konsequenzen ableiten. In Österreich ist die Hofabgabeklausel abgeschafft worden, ohne dass sich der Anteil der Landwirtinnen und Landwirte über 65 dadurch erhöht hätte. Nur bekommen dort jetzt alle eine Rente! Wir brauchen ein alternatives Anreizsystem, um eine Betriebsübernahme für Junglandwirte attraktiver zu machen und diese zu fördern. Der andere Aspekt ist die Berufsgenossenschaft im Bereich Gartenbau. Es ist absolut nicht nachvollziehbar, wenn ein erfolgreicher Träger mit niedrigen Unfallzahlen und attraktiven Bilanzen in einem zwar größeren, aber nicht ganz so effektiven Träger aufgeht. Bessern Sie nach: Es muss unbedingt eine selbstständige Sektion Gartenbau im Bundesträger geben! Es ist auch nicht akzeptabel, wie Sie sich der Parität entledigen wollen. Bei der Berufsgenossenschaft Gartenbau sitzen Versicherte und Unternehmer gleichberechtigt am Tisch. Das hat sich seit 99 Jahren bewährt. Durch diese Parität konnte die Gartenbauberufsgenossenschaft Maßnahmen ergreifen, ihre Unfallzahlen massiv zu senken. Davon träumt man in der Landwirtschaft. Sie war 2010 der Berufszweig mit den meisten tödlichen Arbeitsunfällen. Nun wollen Sie eine Drittelparität, bei der noch die Selbstständigen ohne Angestellte dabeisitzen. Klar haben die ganz spezifische Interessen, bei einer Sozialversicherung nämlich vorrangig das Interesse, dorthin so wenig wie möglich einzuzahlen. Ihre Vorschläge sind unausgewogen. Ihre Vorschläge sind unausgereift. Hören Sie nochmal allen Betroffenen gut zu, vor allem denen aus dem Bereich Gartenbau, nicht nur dem Deutschen Bauernverband und den Großlobbyisten. Dann bessern Sie nach. Kriterium für uns ist, das sage ich ganz deutlich: Aufgabe landwirtschaftlicher Sozialversicherung muss es sein, dass die in der Landwirtschaft tätigen Menschen auch wirklich sozial abgesichert sind, und dass sie dies selbst verwalten können. Außerdem geht es um die Sicherung und die Zukunft der Arbeitsplätze der Beschäftigten bei den bisherigen Trägern. Hierfür muss es soziale Lösungen und Sicherheiten geben. Vor allem kann es nicht sein, dass Stellen abgebaut oder nicht neu besetzt werden, wenn dann die gleiche Arbeit durch Dritte erbracht wird. Die Gesetzesnovelle der Bundesregierung geht in die falsche Richtung. Die Linke fordert die Parität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Arbeitgebern in allen Gremien des neuen Bundesträgers, in denen ihre Interessen betroffen sind. Die Parität der Gartenbauberufsgenossenschaft hat sich bewährt, insbesondere bei der Unfallprävention. Sie fordert weiterhin Schaffung und Beibehaltung einer Sektion Gartenbau im neuen Bundesträger über die Übergangsfrist, über 2017, hinaus, keinen Abbau von Stellen bei den derzeitigen Trägern, wenn dann die gleiche Arbeit von Dritten erbracht wird, sowie eine ergebnisoffene Debatte mit Experten und allen Betroffenen über die Zukunft der Hofabgabeklausel. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Beim LSV-NOG geht es um sehr viel, um die soziale Absicherung und Unfallversicherung von Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Es geht aber auch um einen großen Batzen öffentliches Geld, um 71 Prozent des Agrarhaushalts. An der Einführung des Bundesträgers wollen wir Grünen grundsätzlich festhalten, das heißt aber nicht, dass wir an bestimmten Details nicht mehr rütteln dürfen. Bei 35 Änderungsanträgen der Bundesländer im Bundesrat bin ich guter Hoffnung, dass wir die Leitplanken noch richtig setzen können. Aufgrund der Kürze der Zeit will ich nur ein paar Aspekte "anreißen", wo kräftig nachjustiert werden muss: Der Geldgeber bestimmt Maßstab und Rahmen. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, den Maßstab und den Rahmen zu setzen. Deshalb kann es nicht sein, dass uns lediglich eine einzige gutachterliche Stellungnahme zur Beitragsgestaltung, nämlich die von Professor Dr. Bahrs, vorgelegt wird. Um das Ganze ohne Scheuklappen beurteilen zu können, erwarten wir von der Bundesregierung weitere gutachterliche Stellungnahmen zur Beitragsgestaltung einzuholen oder das Design des Gutachtens so zu stricken, dass wir über verschiedene Varianten reden können. Es ist doch erstaunlich, dass bei der Berechnung der Bruttobeiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung die Beiträge umso höher ausfallen, je kleiner die landwirtschaftliche Nutzfläche oder der Tierbestand ist, und dass das dann auch noch als Beitragsgerechtigkeit angegeben wird. Was ist die Konsequenz daraus? Das kann ich Ihnen sagen: Die großen Industriebetriebe werden wachsen, und die kleinen Bauernhöfe werden weichen; ganz im Sinne des Deutschen Bauernverbandes und der Wachstumsphilosophie der Bundesregierung. Das Unfallrisiko stärker einzubeziehen, wollen wir Grüne auch, aber erklären Sie hier und heute: Wieso sollen in einem Betrieb mit 40 Kühen mehr als doppelt so viele Unfälle geschehen als in einem Betrieb mit 400 Kühen? Eine anderes Thema, das mir am Herzen liegt, ist der Gartenbaubereich. Der Garten- und Landschaftsbau kann mit seinen Präventionsprogrammen hervorragende Erfolge vorweisen. Daran sollten wir nicht rütteln. Die Eigenständigkeit des Gartenbaus hat sich bewährt und soll erhalten bleiben. Sie haben den Bundesträger. Deshalb votiere ich für das Sektionsmodell des Gartenbaus. Ich kenne das Gefühl, das die Gartenbauer derzeit umgibt; denn auch ich fühle mich als Bauer nicht vom Deutschen Bauernverband vertreten. Wer nicht im DBV ist - und das sind bestimmt 20 Prozent der Bauern -, wird von den Kreisgeschäftsstellen der Bauernverbände abgewiesen. Das geht nicht; erst recht nicht, wenn die nächste Geschäftsstelle der Versicherung sehr weit entfernt ist. Erlauben Sie mir noch ein Wort zur Hofabgabe. Die Hofabgabe gehört abgeschafft. Sie passt nicht mehr zum Bild einer sich wandelnden Gesellschaft, in der die jüngere Bäuerin das Zepter schwingt, während sich der deutlich ältere Bauer seinem verdienten, aber aktiven Ruhestand hingibt. Und zum Schluss will ich Ihnen sagen: Im Zuge der Einführung des Bundesträgers haben auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der landwirtschaftlichen Sozialversicherung einen Umgang verdient, der angemessen ist. Um nur einen Aspekt zu nennen: Versetzungen in den einstweiligen Ruhestand von Dienstordnungsangestellten, Beamtinnen oder Beamten haben auf Antrag zu erfolgen oder bedürfen der Zustimmung der Betroffenen. Die Personalräte sind endlich in die Reform mit einzubeziehen. Einen Sonderweg lehnen wir ab. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zu den Anträgen: - Zinssätze für Dispositions- und Überziehungskredite verbrauchergerecht deckeln - Verbraucherinnen und Verbraucher vor überhöhten Überziehungszinsen schützen (Tagesordnungspunkt 38) Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Bei der ersten Lesung der Anträge waren wir uns über alle Fraktionsgrenzen hinweg einig, dass hier im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher endlich gehandelt werden muss. Die Debatte führten wir am 30. September 2010, also vor über einem Jahr. Und was ist passiert: Nichts! Die Ergebnisse der damals angekündigten Studie der Verbraucherschutzministerin zum Zinsanpassungsverhalten der Banken liegen immer noch nicht vor. Schon damals haben wir befürchtet, dass die Erstellung einer "ausführlichen Studie" nur dazu dienen sollte, das Thema totzuschweigen. Und genau dies ist geschehen! Auch im Oktoberheft 2011 griff die Stiftung Finanztest - nachdem sie bereits im März dieses Jahres darüber berichtete - das Thema wieder auf. Immer noch verlangen die Banken unverschämt hohe Dispozinsen: Der Schnitt liegt bei rund 12,4 Prozent, der Studie zufolge verlangen 20 Banken sogar 14 Prozent und mehr. Dies ist ein unhaltbarer Zustand, dem jetzt begegnet werden muss. Zu lange haben sich die vermeintlichen schwarz-gelben Volksvertreter der Sache nicht angenommen. Natürlich konnte sich die FDP bei dieser Debatte nicht aus der Diskussion ziehen. Sie mahnte an, dass ein Dispozinssatz von 17 Prozent an Wucher grenze. Welche Einsicht! Nur brachte die damals anvisierte Aufforderung an die Bankwirtschaft, dieses Problem durch radikale Einschnitte in den Griff zu bekommen, nichts. Wir haben damals kritisiert, dass die Banken die Leitzinssenkung der EZB nicht an ihre Kundinnen und Kunden weitergegeben haben. Die EZB hat in diesem Jahr die Leitzinsen bereits zweimal erhöht. Die Zinserhöhung wurde "selbstverständlich" an die Bankkunden weitergegeben, was in vielen Fällen eine Katastrophe für die verschuldeten Bankkunden bedeutet. Der üblichen Praxis der Banken, bei sinkendem Leitzins die Zinsen für Sparguthaben schnell zu senken, die Zinsen für Kredite aber hoch zu halten, muss ein Riegel vorgeschoben werden. Die Untätigkeit der Bundesregierung ist nicht nachvollziehbar. Es ist keine Lösung, weiter auf eine Studie zu warten, die mit höchster Wahrscheinlichkeit die uns bereits vorliegenden Zahlen der Stiftung Finanztest bestätigen wird. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger muss die gesetzlichen Regelungen konkreter fassen; denn die bestehenden Vorschriften werden von den Banken teilweise bewusst umgangen. Die tanzen der Bundesregierung auf der Nase herum! Klar muss sein: Zinssenkungen sind eins zu eins an die Kunden weiterzugeben, ohne Wenn und Aber. Außerdem brauchen wir größere Transparenz: Wenn die Bank einen Referenzzinssatz angibt, dann muss sie auch die Zinsmargen und die Zeitpunkte der Zinsanpassung nennen. Nur so kann man die Banken zu transparenten und fairen Zinsanpassungsklauseln zwingen. Tun Sie endlich etwas! Ihre Konten, Frau Ministerin Aigner und Frau Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger, sind wegen mangelnder Tatkraft bereits weit überzogen! Kerstin Tack (SPD): Vor etwas mehr als einem Jahr brachte die Stiftung Warentest eine Studie heraus. Diese belegte, dass Banken horrende Dispozinsen zwischen 6 und 16 Prozent verlangen. Unsere Verbraucherschutzministerin Aigner nahm sich des Themas an. Wie? Wie immer: Sie kündigte an, dass sie eine ausführliche Studie zum Zinsanpassungsverhalten in Auftrag gebe. Damit gewinnt man Zeit, ohne handeln zu müssen. Heute, deutlich mehr als ein Jahr später, kam aus dem Hause Aigner: nichts! Dabei ist Frau Aigner das Problem bereits seit 2009 bekannt. Damals sagte sie: "Die Zinssenkungen müssen unverzüglich an die Kunden weitergegeben werden." Es handelt sich hier um ein Problem, das die Großzahl der Verbraucherinnen und Verbraucher angeht. Der Dispositionsrahmen wird heutzutage von den meisten genutzt. Er gibt die Möglichkeit, kurzfristige finanzielle Durststrecken zu überbrücken. Das ist die Theorie. Die Realität in den Schuldnerberatungen ist eine andere: Die Verbraucherzentralen haben die Experten in den Schuldnerberatungen gefragt. 90 Prozent der Ratsuchenden haben ihr Girokonto länger als zwölf Monate überzogen. 40 Prozent davon sind mit mehr als 3 000 Euro in den Miesen. Als wäre das nicht schlimm genug, bezahlen sie dafür Dispozinsen und häufig sogar noch Überziehungszinsen von 300 Euro und mehr, so die Verbraucherzentralen. Versuchen die Verbraucherinnen und Verbraucher dann, diese Dispokredite in Ratenkredite umzuwandeln, verweigern sich die Banken häufig. Sie würden ja damit ihr Gewinne minimieren. Das Problem ist uns allen bewusst. Nur auf ein Tätigwerden der Koalition warten wir bisher vergeblich. Dabei waren wir uns schon vor einem Jahr im Grundsatz so einig wie bei kaum einem anderen Thema: Wir alle finden die absolut überzogenen Zinsen für die Dispo- und Überziehungskredite nicht in Ordnung. Wir alle wollen nicht, dass sich die Banken auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher sanieren. Bankenrettung bieten wir durch andere Maßnahmen. Es kann doch nicht angehen, dass Banken einerseits selbst Geld günstig aufnehmen und dafür nur geringe Renditen bezahlen, andererseits aber hohe Zinsen verlangen, wenn sie diese Gelder kurzfristig weitergeben. Das ist ein Kuhhandel: Die Bank kauft Geld billig ein und verkauft teuer zulasten von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Die FDP wird sich nun wieder auf den Standpunkt stellen, dass es sich um freie Marktteilnehmer handelt. Frau Aigner wird uns wieder erzählen, der mündige Verbraucher könne ja die Bank wechseln. Tatsächlich aber erleben wir, wie die Banken das Ruder an sich gerissen haben. Die Banken haben eine Monopolstellung: Nicht jeder darf Kredite vergeben, und das wollen wir auch so. Wir erwarten aber von Banken, dass sie im Gegenzug ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung gerecht werden. Und das tun sie unzureichend. Für Guthaben auf Girokonten geben sie keine oder so gut wie keine Renditen. Man muss sich das einmal vorstellen: Wer auf seinem Girokonto ein halbes Jahr 1 000 Euro im Plus ist, erhält dafür keinerlei Zinsen, und die Bank kann mit dem Geld arbeiten. Ist er aber das andere halbe Jahr mit 1 000 Euro im Minus, dann kostet ihn das bei einem Dispozins von 10 Prozent 50 Euro. Da stimmt doch das Verhältnis nicht mehr! Die Stiftung Warentest errechnete letztes Jahr, dass jeder Prozentpunkt, den der Zinssatz für Dispo- und Überziehungszinsen nicht gesenkt wird, Verbraucherinnen und Verbraucher 416 Millionen Euro kostet. Inzwischen ist deutlich mehr als ein Jahr vergangen. Deshalb ist jetzt endlich handeln geboten. Anlage 8 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 890. Sitzung am 25. November 2011 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: - Gesetz zur Stärkung der Finanzkraft der Kommunen Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschließung gefasst: a) Der Bundesrat begrüßt die im Rahmen des Vermittlungsverfahrens zu dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vereinbarte stufenweise Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Ausgaben der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in den Jahren 2012 und 2013 und die vollständige Übernahme der Kostenlasten durch den Bund ab dem Jahre 2014. Hiermit wird ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Finanzkraft der Kommunen geleistet. Das Gesetz setzt die Vereinbarungen im Vermittlungsverfahren allerdings nur teilweise um: Geregelt wird lediglich die erste Stufe der Entlastung für das Jahr 2012, in dem die Bundesbeteiligung auf 45 Prozent der Kosten steigen soll. Für die weitere Entlastungsstufe im Jahre 2013 (75 Prozent) und die vollständige Übernahme der Kostenlasten ab dem Jahre 2014 sichert die Bundesregierung ein weiteres Gesetzgebungsverfahren zu, das auch die sich aus der ab dem Jahre 2013 einsetzenden Bundesauftragsverwaltung ergebenden Fragen regeln soll. Der Bundesrat sieht es als erforderlich an, die entsprechenden gesetzlichen Regelungen so schnell wie möglich und in enger Abstimmung mit den Ländern zu treffen. Das Gesetz stellt zudem für die Berechnung der Bundesbeteiligung im Jahre 2012 nicht auf die tatsächlichen Ausgaben der Länder und Kommunen für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im kommenden Jahr ab, sondern auf die Ausgaben des Vorvorjahres. Dies hat zur Folge, dass Länder und Kommunen den zu erwartenden Ausgabenanstieg im Jahr 2012 gegenüber dem Jahr 2010 selbst vorfinanzieren müssen und die Übernahme der tatsächlichen Kostenlasten durch den Bund nicht in dem vereinbarten Ausmaß erfolgt. Der Bundesrat weist vor diesem Hintergrund mit Nachdruck darauf hin, dass mit der vom Bund angekündigten weitergehenden gesetzgeberischen Umsetzung in jedem Fall auch ein Abrechnungsmodus gesetzlich festzuschreiben ist, der auf die laufenden Nettoausgaben abstellt und damit sicherstellt, dass sich der Bund an den den Ländern und Kommunen tatsächlich entstehenden Kosten im vereinbarten Ausmaß beteiligt, d. h. die Kosten im Jahre 2013 zu 75 Prozent und ab dem Jahr 2014 vollständig übernimmt. Der Bundesrat ist zudem der Auffassung, dass in diesem Zusammenhang auch die Ländern und Kommunen infolge einer veralteten Bezugsgröße im Jahr 2012 entstandene Belastung durch den Bund vollständig zu ersetzen ist (Rückwirkungsklausel für 2012). Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, aa) zur weiteren vereinbarten Entlastung der Kommunen schnellstmöglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem die weiteren Stufen der Erhöhung der Bundesbeteiligung (2013: 75 Prozent und ab 2014: 100 Prozent) enthalten sind, und dabei die Länder frühzeitig zu beteiligen und bb) in dem vorzulegenden Gesetzentwurf einen Finanzierungsmodus vorzusehen, der sicherstellt, dass die Abrechnung der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auf Basis der laufenden Nettoausgaben - analog zu den bereits bestehenden Verfahren zum Wohngeld - erfolgt. b) Der ursprünglich zum Ausgleich von Belastungen des Bundes aus der Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung übertragene Umsatzsteuervorabbetrag wird im Einvernehmen mit den Ländern im Ausbauzustand bis zur Hälfte als Gegenfinanzierung der schrittweisen Übernahme der Grundsicherungskosten durch den Bund eingesetzt. Ausschließlich darauf bezogen haben die Länder zugesagt, keine Forderungen auf Rückübertragung des für den bisherigen Zweck nicht mehr benötigten Steueraufkommens geltend zu machen. Der Bundesrat bekräftigt daher, dass jede weitere Veränderung der Verwendung von Vorabbeträgen für den Bund aus dem gemeinsam dem Bund und den Ländern zustehenden Umsatzsteueraufkommen nur unter Beachtung der Länderansprüche an frei werdendem Steueraufkommen vorgenommen werden kann. - Gesetz zum Vorschlag für eine Verordnung über die elektronische Fassung des Amtsblattes der Europäischen Union - Gesetz zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf - Drittes Gesetz zur Änderung des Gräbergesetzes - Drittes Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschließung gefasst: Der Bundesrat verknüpft seine Zustimmung zu dem Gesetz mit der Aufforderung, die Istbesteuerung im Rahmen der Grenzen des § 20 Umsatzsteuergesetz auch für den Vorsteuerabzug einzuführen. Im Hinblick auf die erheblichen Ausfallrisiken bei der Umsatzsteuer und die zusätzlichen Liquiditätsvorteile der durch die dauerhafte Anhebung der Istbesteuerungsgrenzen begünstigten Unternehmer ist es erforderlich, das Optionsrecht zur Istbesteuerung kohärent auszugestalten. Angesichts der großen Zahl der Unternehmer, deren Gesamtumsatz 500 000 Euro nicht überschreitet, werden künftig die Wettbewerbsbedingungen zwischen regelbesteuernden Unternehmern und Unternehmern, die infolge der Anwendung des § 20 Umsatzsteuergesetz günstigere Liquiditätsbedingungen in Anspruch nehmen können, mehr als bisher beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass bei Anwendung des § 20 Umsatzsteuergesetz die Zeitpunkte zwischen Vorsteuerabzugsrecht und Umsatzsteuerentrichtungspflicht künftig auch im zwischenunternehmerischen Bereich dauerhaft vermehrt auseinanderfallen. Infolge der unbefristeten Festschreibung der erhöhten Istbesteuerungsgrenze ist zur Wiederherstellung des Gleichgewichts deshalb nun auch die Erweiterung des § 20 Umsatzsteuergesetz auf den Vorsteuerabzug geboten. Sofern das derzeitige Unionsrecht als Grundlage für eine solche Maßnahme nicht ausreichend sein sollte, wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für die Herstellung der dafür notwendigen EU-rechtlichen Voraussetzungen einzusetzen. - Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts - Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU vom 24. November 2010 im Hinblick auf die Errichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems - Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz - Beitr RLUmsG) Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschließung gefasst: Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, schnellstmöglich eine besondere Regelung für die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags bei Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie in das Gewerbesteuergesetz aufzunehmen. Die in § 29 Absatz 1 GewStG enthaltene Regelung für die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags bei Windkraftanlagen ist auf Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie zu erweitern. Der Deutsche Bundestag hat angekündigt, man wolle das Anliegen des Bundesrates bei der Befassung in einem Gesetzgebungsvorhaben im Jahr 2012 umsetzen. Der Bundesrat erwartet, dass diese Ankündigung kurzfristig aufgegriffen und eine entsprechende Änderung der Gewerbesteuerzerlegung umgesetzt wird. Begründung Eine Gleichstellung der Gewerbesteuerzerlegung bei Photovoltaikanlagen mit Windenergieanlagen ist u. a. aus folgenden Gründen geboten: - Bund und Länder sind übereingekommen, schneller aus der Kernenergie auszusteigen und in erneuerbare Energien einzusteigen. Im Rahmen der Energiewende spielen erneuerbare Energien, insbesondere auch die Solarstromerzeugung, eine herausragende Rolle. - Bei größeren Freiflächenanlagen zur Nutzung der solaren Strahlungsenergie liegen regelmäßig die Voraussetzungen für eine Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags vor, weil sich die Anlage in einer anderen Gemeinde befindet als der Ort der Geschäftsleitung. Die Situation bei dem Betrieb von großen Freiflächenanlagen ist insoweit vergleichbar mit dem Betrieb von Windkraftanlagen. Der Zerlegungsmaßstab orientiert sich grundsätzlich am Verhältnis der gezahlten Arbeitslöhne der jeweiligen Betriebsstätte zu den gesamten Lohnaufwendungen des Gewerbebetriebs (§ 29 Absatz 1 Nummer 1 GewStG). Bei Anwendung des Zerlegungsmaßstabs "Arbeitslöhne" erhalten die Gemeinden, in denen die Freiflächenanlagen betrieben werden, regelmäßig keinen Zerlegungsanteil, weil dort keine Arbeitnehmer des Energieanlagenbetreibers beschäftigt sind. Die Gewerbesteuer entfällt in diesen Fällen regelmäßig nur auf die Gemeinde, in der das Unternehmen den Ort seiner Geschäftsleitung hat. Diese strukturell begründete Nichtberücksichtigung der Standortgemeinden trägt nicht dazu bei, dass die Standortgemeinden die Ansiedlung und den Betrieb entsprechender Anlagen in ihrem Gemeindegebiet genehmigen bzw. fördern. - Im Hinblick auf das aktuelle Ziel, die Nutzung erneuerbarer Energien auszubauen, ist es geboten, die Standortgemeinden anzuregen, die Ansiedlung entsprechender Freiflächenanlagen zu fördern. Dies kann durch eine angemessene Beteiligung am Gewerbesteueraufkommen erreicht werden. Die Änderung kann gesetzestechnisch in der Weise umgesetzt werden, dass in § 29 Absatz 1 Nummer 2 GewStG nach dem Wort "Windenergie" die Wörter "oder zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie nach § 32 Absatz 2 und 3 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes" eingefügt werden. - Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes - Vierundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes - Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen - Gesetz zur Verbesserung des Austausches von strafregisterrechtlichen Daten zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und zur Änderung registerrechtlicher Vorschriften - Gesetz über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes - Zweites Gesetz zur Änderung des Umweltauditgesetzes - Gesetz zur Verleihung der Rechtsfähigkeit an das Gemeinsame Wattenmeersekretariat - Common Wadden Sea Secretariat (CWSS) (CWSSRechtsG) - Gesetz zur Verbesserung der Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen (Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz - EinsatzVVerbG) - Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2012 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 2012) - Gesetz zur Neufassung des Erdölbevorratungsgesetzes, zur Änderung des Mineralöldatengesetzes und zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes - Gesetz zur Änderung des Vergaberechts für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit - Gesetz zu dem Abkommen vom 6. April 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Albanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen - Gesetz zu dem Protokoll vom 29. Dezember 2010 zur Änderung des Abkommens vom 24. August 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen - Gesetz zu dem Abkommen vom 25. November 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Fürstentum Andorra über den Informationsaustausch in Steuersachen - Gesetz zu dem Abkommen vom 19. Oktober 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Antigua und Barbuda über den Informationsaustausch in Steuersachen - ... Strafrechtsänderungsgesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt - Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, dass sie den Antrag Die OSZE ausbauen und stärken auf Drucksache 17/5773 zurückzieht. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger für Wirtschaft und Technologie - Unterrichtung durch die Bundesregierung Zehnter Bericht der Bundesregierung über die Aktivitäten des gemeinsamen Fonds für Rohstoffe und der einzelnen Rohstoffabkommen - Drucksache 17/3817 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Monitoring-Prozess "Energie der Zukunft" - Drucksachen 17/7545, 17/7702 Nr. 3 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Sechstes Energieforschungsprogramm der Bundesregierung - Forschung für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung - Drucksachen 17/6783, 17/6961 Nr. 1.10 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Nationaler Masterplan Maritime Technologien - Drucksachen 17/6926, 17/7417 Nr. 4 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 2009/2010 sowie über die Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet und Stellungnahme der Bundesregierung - Drucksachen 17/6640, 17/6961 Nr. 1.4 - Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - Unterrichtung durch die Bundesregierung Entwicklungsplan Meer - Strategie für eine integrierte deutsche Meerespolitik - Drucksachen 17/6775, 17/6961 Nr. 1.9 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 17/3955 Nr. A.8 Ratsdokument 13977/10 Drucksache 17/4927 Nr. A.17 Ratsdokument 5625/11 Drucksache 17/6010 Nr. A.5 Ratsdokument 7280/11 Drucksache 17/6010 Nr. A.12 Ratsdokument 9683/11 Drucksache 17/6176 Nr. A.11 EP P7_TA-PROV(2011)0224 Drucksache 17/6176 Nr. A.12 EP P7_TA-PROV(2011)0225 Drucksache 17/6176 Nr. A.13 EP P7_TA-PROV(2011)0235 Drucksache 17/6176 Nr. A.14 Ratsdokument 9698/11 Drucksache 17/6407 Nr. A.16 Ratsdokument 11300/11 Drucksache 17/6568 Nr. A.5 Ratsdokument 11471/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.23 EuB-BReg 176/2011 Drucksache 17/6985 Nr. A.24 EP P7_TA-PROV(2011)0283 Drucksache 17/6985 Nr. A.25 EP P7_TA-PROV(2011)0285 Drucksache 17/6985 Nr. A.26 EP P7_TA-PROV(2011)0307 Drucksache 17/6985 Nr. A.27 EP P7_TA-PROV(2011)0318 Drucksache 17/6985 Nr. A.28 Ratsdokument 12038/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.30 Ratsdokument 12078/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.31 Ratsdokument 12111/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.32 Ratsdokument 12300/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.33 Ratsdokument 12566/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.34 Ratsdokument 12639/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.35 Ratsdokument 12666/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.36 Ratsdokument 13400/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.37 Ratsdokument 13403/11 Drucksache 17/7423 Nr. A.20 EP P7_TA-PROV(2011)0364 Drucksache 17/7423 Nr. A.22 EP P7_TA-PROV(2011)0380 Drucksache 17/7423 Nr. A.23 EP P7_TA-PROV(2011)0403 Drucksache 17/7423 Nr. A.24 Ratsdokument 13941/11 Drucksache 17/7423 Nr. A.25 Ratsdokument 13943/11 Drucksache 17/7549 Nr. A.5 Ratsdokument 14757/11 Drucksache 17/7549 Nr. A.6 Ratsdokument 14760/11 Drucksache 17/7549 Nr. A.7 Ratsdokument 15088/11 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 17/7713 Nr. A.14 Ratsdokument 15400/11 Drucksache 17/7713 Nr. A.17 Ratsdokument 15517/11 Drucksache 17/7713 Nr. A.18 Ratsdokument 15518/11 Drucksache 17/7713 Nr. A.19 Ratsdokument 15520/11 Drucksache 17/7713 Nr. A.20 Ratsdokument 15521/11 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 17/6985 Nr. A.51 Ratsdokument 11951/11 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 17/5434 Nr. A.19 Ratsdokument 7194/11 Drucksache 17/6176 Nr. A.23 EP P7_TA-PROV(2011)0239 Drucksache 17/6176 Nr. A.24 EP P7_TA-PROV(2011)0240 1Anlagen 2 bis 5 2Ergebnis Seite 17613 D 3Ergebnis Seite 17616 A 4 Anlage 7 5 Anlage 7 6 Anlage 6 ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 17604 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 147. Sitzung, Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 147. Sitzung, Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17603 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 17618 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 147. Sitzung, Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 147. Sitzung, Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2011 17619