Plenarprotokoll 17/160 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 160. Sitzung Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: a) Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: Finanzhilfen für Griechenland und Europäischer Rat am 1./2. März 2012 in Brüssel b) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Drucksachen 17/8730, 17/8731, 17/8735) Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin Peer Steinbrück (SPD) Rainer Brüderle (FDP) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Volker Kauder (CDU/CSU) Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hermann Otto Solms (FDP) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Hubertus Heil (Peine) (SPD) Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) Norbert Barthle (CDU/CSU) Frank Schäffler (FDP) Michael Stübgen (CDU/CSU) Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) Jutta Krellmann (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) Heike Hänsel (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) Nicole Gohlke (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) Inge Höger (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) Namentliche Abstimmung Ergebnis Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b) Ingrid Arndt-Brauer (SPD) Veronika Bellmann (CDU/CSU) Karin Binder (DIE LINKE) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Christine Buchholz (DIE LINKE) Dr. Peter Danckert (SPD) Werner Dreibus (DIE LINKE) Annette Groth (DIE LINKE) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) Petra Hinz (Essen) (SPD) Christian Hirte (CDU/CSU) Harald Koch (DIE LINKE) Manfred Kolbe (CDU/CSU) Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) Dr. Erwin Lotter (FDP) Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) Jens Petermann (DIE LINKE) Richard Pitterle (DIE LINKE) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sabine Stüber (DIE LINKE) Johanna Voß (DIE LINKE) Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Alexander Funk und Klaus-Peter Willsch (beide CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung -eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des -Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b) Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gerold Reichenbach und Rüdiger Veit (beide SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b) Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Andrej Hunko, Ulla Jelpke und Niema Movassat (alle DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Ein-holung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b) Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Thilo Hoppe, Maria Klein-Schmeink, Memet Kilic, Monika Lazar und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b) Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Martin Burkert, Günter Gloser und Ute Kumpf (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung -eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b) Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Doris Barnett, Uwe Beckmeyer, Gerd Bollmann, Edelgard Bulmahn, Elvira Drobinski-Weiß, Petra Ernstberger, Karin Evers-Meyer, Elke Ferner, Iris Gleicke, Martin Gerster, Angelika Graf (Rosenheim), Michael Groß, Hans-Joachim Hacker, Klaus Hagemann, Gustav Herzog, Frank Hofmann (Volkach), Dr. h. c. Susanne Kastner, Ulrich Kelber, Gabriele Lösekrug-Möller, Katja Mast, Manfred Nink, Mechthild Rawert, Stefan Rebmann, Dr. Carola Reimann, Sönke Rix, Karin Roth (Esslingen), Ewald Schurer, Frank Schwabe, Rolf Schwanitz, Dr. Carsten Sieling, Christoph Strässer und Franz Thönnes (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b) 160. Sitzung Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 Beginn: 15.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die heutige Sitzung habe ich gemäß Art. 39 Abs. 3 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 21 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung aufgrund des Verlangens aller Fraktionen im Hause einberufen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 a und b auf: a) Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin Finanzhilfen für Griechenland und Europäischer Rat am 1./2. März 2012 in Brüssel b) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismus-gesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zu-gunsten der Hellenischen Republik – Drucksachen 17/8730, 17/8731, 17/8735 – Ich weise darauf hin, dass Ihnen inzwischen auch die Unterrichtung des Bundesministeriums der Finanzen über das vorläufige Troika-Update, also die aktualisierte Fassung der zunächst mündlich in den Ausschüssen am Freitag vorgetragenen Einschätzung der griechischen Schuldentragfähigkeit und zur öffentlichen Finanzierung, vorliegt, die ich, nachdem ich sie heute Mittag in einer deutschen Übersetzung erhalten habe, unverzüglich habe verteilen lassen. Sie liegt auch draußen an den bekannten Stellen für diejenigen Kollegen aus, die da noch Einsicht nehmen möchten. Über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen werden wir später namentlich abstimmen. Zu beiden Punkten liegen mehrere Entschließungsanträge vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 90 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Staatsschuldenkrise in Europa ist die schwerste Bewährungsprobe in der Geschichte der europäischen Einigung, und ihre Überwindung ist die große Herausforderung für uns alle – für uns alle, die wir heute politische Verantwortung tragen. Die Bundesregierung hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie alles tun wird, damit Europa diese Bewährungsprobe nicht nur besteht, sondern damit Europa gestärkt aus dieser Bewährungsprobe hervorgeht. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Gilt das auch für den Innenminister? – Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) In dieser Lage waren es gerade Deutschland und die Bundesregierung, die immer wieder vor der Illusion schneller und einfacher Lösungen gewarnt haben. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Siehe Friedrich!) Wir warnen unverändert davor, weil es die schnelle und einfache Lösung, einen Befreiungs- oder Paukenschlag nicht gibt. Wir befinden uns vielmehr inmitten eines langen Prozesses aufeinanderfolgender Schritte und Maßnahmen, und dieser Prozess wird Jahre in Anspruch nehmen. -Europa muss zeigen, dass es die richtigen Lehren aus der Krise zieht. Seit dem Beginn dieser Krise vor zwei Jahren sind wir ein gewaltiges Stück vorangekommen. Heute sind wir uns in Europa über die Ursachen der Krise einig: die übermäßige Staatsverschuldung, eine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger Euro-Staaten sowie grundlegende Fehler in der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion. Daraus folgt: Wenn wir Lösungen akzeptieren, die die Ursachen dieser Krise bekämpfen, dann können und dann werden wir auch den Weg finden, um wieder aus dieser Krise herauszukommen. Wenn wir unumkehrbare Schritte hin zu einer nachhaltigen Stabilitätsunion gehen, dann beenden wir auch den Weg in die immer tiefere Verschuldung, an deren Ende nicht nur einzelne -europäische Mitgliedstaaten am Abgrund stehen, sondern Europa als Ganzes. Europa scheitert, wenn der Euro scheitert. Europa gewinnt, wenn der Euro gewinnt. Der Euro gewinnt, wenn wir eine Stabilitätsunion schaffen, die diesen Namen tatsächlich verdient, weil sie von einem starken Fundament aus Solidität, Wachstum und Solidarität getragen ist. Solidität, Wachstum und Solidarität, sie sind auch die Grundlage des neuen Griechenland-Pakets, auf das sich die Finanzminister der Euro-Gruppe nach harten Verhandlungen in der letzten Woche geeinigt haben. Wie von den Staats- und Regierungschefs im Oktober letzten Jahres beschlossen, soll der griechische Schuldenstand von heute über 160 Prozent auf 120,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahre 2020 zurückgeführt werden. Dennoch ging und geht es bei Griechenland nicht allein ums Sparen, so unausweichlich das auch ist; es geht darum, Griechenland wettbewerbsfähig zu machen und auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dies wird nur gelingen, wenn alle ihren Beitrag leisten, vorneweg natürlich Griechenland selbst, indem es eine umfassende Reformagenda umsetzt. Es führt kein Weg daran vorbei, frühere Fehlentwicklungen jetzt zu korrigieren. So sind in Griechenland zum Beispiel die Löhne nach der Einführung des Euro Jahr für Jahr stärker gestiegen als die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft; entsprechend sank die Wettbewerbsfähigkeit. Beides muss wieder in ein vernünftiges Verhältnis gebracht werden, wenn es neues Wachstum geben soll. Deshalb sollen mit dem neuen Programm gerade diejenigen mehr in die Pflicht genommen werden, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bisher nur allzu leicht entziehen konnten. (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Die Millionäre!) Dazu gehört auch, dass Griechenland mit europäischer Unterstützung seine Steuerverwaltung deutlich verbessert. Gerade die Bezieher hoher Einkommen müssen ihren Beitrag zur Finanzierung des griechischen Gemeinwesens leisten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Griechenland muss in den kommenden Jahren seinen Staatsapparat grundlegend modernisieren, umfassende Strukturreformen durchführen, zum Beispiel durch die stärkere Öffnung bislang geschlossener Märkte und Berufsgruppen. Dazu sind jetzt im griechischen Parlament wichtige Beschlüsse gefasst worden. Es gilt jetzt, diese Beschlüsse auch wirklich umzusetzen. Nur dies wird mittelfristig die Wachstumschancen und damit auch das Leben jedes einzelnen Bürgers Griechenlands verbessern. Das ist auch dringend erforderlich; denn den Menschen in Griechenland wurde bereits Außerordentliches abverlangt. Aber nur durch solche Schritte wird den Menschen in Griechenland eine Perspektive für eine wirklich bessere Zukunft eröffnet. Auch wenn ich die Letzte bin, die irgendetwas schönreden wollte, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na, na! Vorsicht, Frau Bundeskanzlerin!) so sollten wir doch zur Kenntnis nehmen, dass Griechenland in den letzten zwei Jahren bei allen Rückschlägen durchaus auch Fortschritte erzielt hat. Es ist der griechischen Regierung zum Beispiel gelungen, das Primärdefizit von 10,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahre 2009 auf 2,4 Prozent im letzten Jahr zu senken. Dennoch: Der vor Griechenland liegende Weg ist lang, und er ist wahrlich nicht ohne Risiken. Dies gilt auch für den Erfolg des neuen Programms. Eine hundertprozentige Erfolgsgarantie kann niemand geben. Ich rede auch gar nicht drum herum: Immer wieder mussten und müssen wir Probleme bei der Umsetzung der Reformmaßnahmen feststellen. Immer wieder mussten und müssen wir erleben, dass Worten keine oder zu wenige Taten folgen, dass Griechenland seine Zusagen nicht eingehalten hat. Um dem Einhalt zu gebieten, wird die Kommission die Überwachungskapazität vor Ort verstärken; so haben es die Staats- und Regierungschefs im Oktober letzten Jahres beschlossen. Genau dem dient auch die Einrichtung eines Sonderkontos für den Schuldendienst, das in der griechischen Verfassung verankert werden soll. Damit setzt Griechenland ein notwendiges Zeichen, nach dem Schuldenschnitt zu den verbleibenden Verbindlichkeiten gegenüber öffentlichen und privaten Gläubigern zu stehen. Wir haben seit langem deutlich gemacht: Auch der Privatsektor muss seinen Beitrag leisten. Dies geschieht jetzt, indem er griechische Anleihen bei einem Verlust von 53,5 Prozent des Nennwerts gegen neue Anleihen mit längeren Laufzeiten und weiter gesenkten Zinsen tauscht. Wir ermutigen alle privaten Inhaber von Anleihen nachdrücklich, dieses Tauschangebot anzunehmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Mitgliedstaaten der Euro-Zone und des IWF werden ihren Beitrag leisten, indem sie das neue Programmpaket mit zusätzlicher öffentlicher Hilfe von bis zu 130 Milliarden Euro unterstützen. Dass der IWF weiterhin einen signifikanten Beitrag leistet und seine Erfahrung und Expertise einbringt, ist für die Bundesregierung unabdingbar. Das neue Programm läuft bis 2014. Die Unterstützung wird in Tranchen und immer vorbehaltlich der Erfüllung der Auflagen zur Verfügung gestellt. Ich kenne die Stimmen derer, die fragen, ob Griechenland nicht ein Fass ohne Boden sei, ein hoffnungsloser Fall, ob es nicht für alle besser sei, wenn Griechenland wieder die Drachme einführte, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sitzt er! Friedrich heißt er! – Zuruf: Er sitzt auf Ihrer Regierungsbank! – Weitere Zurufe) seine Währung abwertete und so Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen könnte, ob es, in einem Wort, der Euro-Zone ohne Griechenland nicht besser ginge als mit Griechenland. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da zuckt der Innenminister die Schultern!) Diese Fragen haben ihre Berechtigung. Nach Abwägung aller Pro- und Kontraargumente komme ich jedoch zu dem Ergebnis, dass die Chancen, die in dem neuen Programm liegen, seine Risiken überwiegen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vor allem überwiegen die Chancen die Risiken, die darin liegen, sich jetzt von Griechenland abzuwenden. Ich halte diese Risiken für unkalkulierbar und deshalb für nicht verantwortbar. Niemand kann abschätzen, welche Konsequenzen eine immer noch ungeordnete Insolvenz Griechenlands für uns alle und damit auch für die Menschen in Deutschland hätte. Niemand kann abschätzen, welche Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland entstünden. Niemand kann abschätzen, welche Auswirkungen eine Verweigerung des zweiten Griechenland-Programms auf die anderen Programmländer Portugal und Irland, gegebenenfalls dann auf Spanien und Italien, schließlich auf die Euro-Zone insgesamt und letztlich auf die ganze Welt hätte. Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland soll und muss ich zuweilen Risiken eingehen; Abenteuer darf ich aber nicht eingehen: Das verbietet mein Amtseid. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gilt dann aber auch für die Koalition mit der FDP!) Deshalb tue ich das auch nicht, sondern werbe nach Abwägung des Für und Wider, nach Abwägung aller Vor- und Nachteile dafür, jetzt die Chancen, die wir Griechenland mit dem neuen Programm eröffnen, zu erkennen und zu nutzen – für Griechenland wie für die Euro-Zone insgesamt. Denn das Bemühen um eine nachhaltige Stabilisierung Griechenlands dient nicht nur Griechenland, sondern ist ein wichtiger Baustein, mit dem wir eine neue Stabilitätsunion in Europa schaffen. Damit liegt die nachhaltige Stabilisierung Griechenlands nicht nur im Interesse des Landes selbst, sondern sie liegt im Interesse der Euro-Zone insgesamt, sie liegt im europäischen Interesse und damit auch im deutschen Interesse. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung für das neue Griechenland-Programm. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Bei allen Maßnahmen geht es im Ergebnis darum, Spielräume für eine nachhaltige Politik zurückzugewinnen. Eine nachhaltige Politik geht nicht auf Kosten kommender Generationen, sondern eröffnet neben dem Schuldendienst Spielräume für Investitionen in die Zukunft. Für eine solche nachhaltige Politik können wir in Europa Fortschritte verzeichnen. Italien, die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone, will durch weitere Sparmaßnahmen bereits im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt erreichen. Es wird seine Produktivität verbessern, indem zum Beispiel die Wettbewerbsbehörde gestärkt, Dienstleistungen liberalisiert und Genehmigungsverfahren für strategische Infrastrukturprojekte vereinfacht werden. Spanien, die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone, hat eine Schuldengrenze beschlossen, die vor allem auch die nachgeordneten Verwaltungen zu ausgeglichenen Haushalten verpflichtet. Eine umfassende -Arbeitsmarktreform soll die Schaffung längerfristiger Beschäftigungsverhältnisse fördern und die Qualifikation spanischer Arbeitnehmer erhöhen. Damit werden wichtige Wachstumsimpulse gesetzt. Irland hat 2011 das vereinbarte Defizitziel nicht nur erreicht, sondern die vorgegebene Defizitmarke sogar unterboten. Wichtige Strukturreformen, vor allem im -Finanzsektor, und tiefe Einschnitte im Haushalt werden umgesetzt. Die gestiegene Wettbewerbsfähigkeit stärkt Exporte und Wachstum. Wir können sagen, dass die Investoren bereits nach Irland zurückkehren. In Portugal konnte sich die Regierung Coelho mit den Sozialpartnern auf weitreichende Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und eine aktive Arbeitsmarktpolitik verständigen. Da das Reformprogramm trotz der damit verbundenen Härten breite politische und gesellschaftliche Unterstützung genießt, besteht die große Chance, dass die Maßnahmen auch tatsächlich umgesetzt werden können. Wir sehen: Die Europäer haben begonnen, Struktur-reformen anzupacken, die längst überfällig waren. Dies gilt für die nationale Ebene, und dies gilt auch für die -europäische Ebene. Das bedeutet stärkere politische Zusammenarbeit. Das heißt, wir müssen die Konstruktionsfehler der Wirtschafts- und Währungsunion auch in Europa beheben. Wir müssen Schritt für Schritt eine politische Union schaffen. Nur so wird es tatsächlich gelingen, verlorengegangenes Vertrauen in die Euro-Zone zurückzugewinnen. In der Vergangenheit wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt auch deshalb über sechzigmal verletzt, weil Regelverstöße niemals Konsequenzen hatten. Damit muss nun endgültig Schluss sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Den Weg, den wir im letzten Jahr mit der Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes eingeschlagen haben – Sie erinnern sich an das Wort Sixpack –, haben wir mit dem Fiskalvertrag noch verbindlicher und konsequenter fortgesetzt. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee!) Das Defizitverfahren bekommt endlich den Biss, den es braucht, um effektiv und glaubwürdig zu sein. Vor einem Jahr haben sich die Staats- und Regierungschefs im EuroPlus-Pakt politisch darauf verständigt, nationale Schuldenregeln einzuführen, wie sie in Deutschland bereits seit 2009 gelten. Heute stehen wir unmittelbar vor der Unterzeichnung eines verbindlichen völkerrechtlichen Vertrages, der hierzu klare und ehrgeizige Vorgaben macht und eine beim Europäischen -Gerichtshof einklagbare, sanktionsbewehrte Umsetzungsverpflichtung mit einer klaren Frist enthält. Dieser Fiskalvertrag soll dem Deutschen Bundestag in Kürze zur Ratifizierung vorgelegt werden. Damit binden sich nationale Regierungen und nationale Parlamente in noch nie da gewesener Weise in einem Kernbereich nationaler Souveränität, dem Haushaltsrecht. Dies wäre noch vor wenigen Monaten absolut undenkbar gewesen. Aber das ist eben auch absolut notwendig. Denn wenn die Krise eines gezeigt hat, dann das: Die unverantwortliche Haushaltspolitik eines Euro-Staats kann die gesamte Euro-Zone an den Rand des Abgrunds bringen. Eine neue Stabilitätspolitik führt Europa dagegen aus der Krise heraus. Tatsächlich erfolgreich wird sie aber nur dann sein, wenn sie gleichzeitig auch Wachstumskräfte freisetzt. (Zuruf von der LINKEN: Aber wie denn?) Wachstum braucht Wettbewerbsfähigkeit. Sicherlich brauchen wir auch Geld für Investitionen. Ich will in diesem Zusammenhang noch einmal sagen: Für Griechenland sind mehr Gelder für Investitionen vorhanden, als Investitionen im Augenblick umsetzbar sind. Das gilt im Übrigen auch für Italien, für Spanien und für andere Länder. Aber es bedarf eben auch der Wettbewerbsfähigkeit. Niemand produziert in einem Land, in dem keine wettbewerbsfähigen Produkte hergestellt werden können. Angesichts der größeren internationalen Konkurrenz müssen wir uns diesem internationalen Wettbewerb stellen. Wer das nicht tut, wird auf Dauer nicht nachhaltig wirtschaften können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb besteht nachhaltige Politik einerseits darin, Fehlentwicklungen früher zu erkennen. Die Bundes-regierung hat durchgesetzt, dass das neue europäische Ungleichgewichteverfahren auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet ist und nicht etwa darauf, wettbewerbsstarke Mitgliedstaaten mit vermeintlich zu positiven Leistungsbilanzen zu bestrafen. In ihrem erst kürzlich veröffentlichten Frühwarnbericht hat die Kommission zwölf Mitgliedstaaten benannt, die sie vertieft analysieren wird. Deutschland ist der einzige große Mitgliedstaat, der nicht dazugehört. Nachhaltige Politik besteht andererseits darin, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit aktiv zu fördern. Deshalb haben wir uns bereits im März letzten Jahres im Euro-Plus-Pakt auf mehr Strukturreformen für mehr Beschäftigung verpflichtet. Auf dem Januargipfel haben wir beschlossen, besondere Anstrengungen zu unternehmen, um arbeitslosen Jugendlichen schneller Arbeits-, Fort- und Ausbildungsmöglichkeiten zu geben. Dazu sollen nationale, aber auch europäische Ressourcen effizienter eingesetzt werden. So können zum Beispiel die Strukturfondsmittel flexibler und ganz bewusst auch für mittlere und kleine Unternehmen eingesetzt werden, kombiniert mit der Notwendigkeit, dann auch junge Menschen einzustellen und ihnen eine Arbeitschance zu geben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Auf dem Rat am kommenden Donnerstag wollen wir einen Schwerpunkt bei den älteren Arbeitnehmern, den 55- bis 64-Jährigen, setzen. Im Januar haben wir auch beschlossen, die Voll-endung des Binnenmarktes voranzutreiben, indem wir die Rahmenbedingungen für kleinere und mittlere Unternehmen verbessern und Schlüsseltechnologien stärken. Informations- und Kommunikationstechnologie, Mikro- und Nanotechnologie, optische Technologien und modernste Fertigungstechnologien, all das hilft dabei, die Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Mitgliedstaaten und der gesamten Europäischen Union zu verbessern. Um Rahmenbedingungen zu schaffen, die Innova-tionen begünstigen, muss die Wirtschaft weiter von unnötigen Bürokratiekosten entlastet werden. Das ist ein -kostenloses Konjunkturprogramm. Das EU-Aktionsprogramm zum Abbau unnötiger Verwaltungslasten hat bereits Erfolge erzielt. In den untersuchten Bereichen konnten die Kosten um 22 Prozent gesenkt werden. Vorschläge liegen auf dem Tisch, deren Umsetzung eine weitere Verringerung um bis zu 11 Prozent ermöglicht. Wir sind sehr froh darüber, dass dieses Programm fortgesetzt wird. Die europäische Staatsschuldenkrise zeigt, wie eng die Geschicke der Euro-Länder, aber auch der übrigen EU-Mitgliedstaaten inzwischen miteinander verflochten sind. Jeder Mitgliedstaat trägt Verantwortung für sich selbst, aber letztlich immer auch für die Euro-Zone als Ganzes und die Europäische Union. Dieser Eigen- und Mitverantwortung steht die unverbrüchliche europäische Solidarität gegenüber, wenn es darum geht, Gefahren von der Euro-Zone insgesamt abzuwenden. Wir haben diese Solidarität zunächst durch bilaterale Hilfen, dann durch den temporären Euro-Rettungsschirm EFSF und schließlich durch die Entscheidung für die Einrichtung eines dauerhaften Krisenbewältigungsmechanismus, ESM, unter Beweis gestellt. Zuletzt haben wir entschieden, den ESM ein Jahr früher als geplant zu aktivieren. Damit werden wir schon im Sommer dieses Jahres über ein dauerhaft schlagkräftiges Instrument verfügen. Die Bundesregierung ist bereit, den deutschen Kapitalanteil schneller in den ESM einzuzahlen als ursprünglich geplant. Genau darüber werden wir auf dem Rat am Donnerstag sprechen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder das Volumen erhöhen!) Voraussetzung dafür ist, dass auch die anderen Mitgliedstaaten mitziehen. Konkret kann ich mir vorstellen, die Hälfte des deutschen Kapitalanteils, das heißt rund 11 Milliarden Euro, schon in diesem Jahr einzuzahlen und die zweite Hälfte dann im nächsten Jahr. Damit würde die effektive Ausleihkapazität des ESM nach nur zwei Jahren erreicht werden statt, wie bislang geplant, nach fünf Jahren. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das war Ihr Wunsch, fünf Jahre! – Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Sie wollten fünf Jahre!) – Veränderte Verhältnisse erfordern verändertes Handeln, und genau das haben wir gemacht. Die Bundesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit für eine Debatte über eine Erhöhung der Kapazitäten von EFSF und ESM. Die Refinanzierungsbedingungen für Italien und Spanien haben sich dank der dortigen Reformanstrengungen sichtlich verbessert. Mit der Umschuldung Griechenlands – mit der freiwilligen Umschuldung; das will ich allerdings sagen – betreten wir Neuland. Verläuft sie erfolgreich, sinkt die Ansteckungsgefahr für andere Euro-Staaten weiter. Jetzt gilt es allerdings erst einmal, den Verlauf dieser Umschuldungsaktion abzuwarten. Wir werden am 10. März wissen, ob die freiwillige Beteiligung die notwendigen zwei Drittel erfüllt, und dann schauen, wie wir über die CACs die Umschuldung insgesamt beenden. Das heißt, vor uns liegen noch Tage eines Prozesses, den es in Europa und in der Euro-Zone so noch nicht gegeben hat. In einem Wort: Wer Verantwortung übernimmt, wird immer auch mit der Solidarität der Partner rechnen können. Wer Solidarität einfordert, muss auch Verantwortung übernehmen. Deshalb ist die Bundesregierung für die enge Verknüpfung zwischen der Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Fiskalvertrag und der Inanspruchnahme von Hilfen aus dem dauerhaften Rettungsschirm ESM eingetreten, wie sie jetzt in beiden Verträgen verankert ist. Bei allem müssen wir stets auch über unseren europäischen Tellerrand schauen. Wir sollten die laufenden multilateralen und bilateralen Handelsverhandlungen insgesamt intensivieren, um Wachstumsmöglichkeiten zu verbessern und vor allen Dingen um zu schauen, dass wir gerade im transatlantischen Verhältnis unsere Handelsaktivitäten vereinfachen, damit sich neue Wachstumsmöglichkeiten eröffnen. Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Gründerväter der Europäischen Union haben mit Kraft, mit Ideen, mit Mut Europa gebaut. Sie haben die Lehren aus Jahrhunderten schrecklichen Blutvergießens und Leids in Europa gezogen und Frieden und Freiheit in Europa verankert. Sie haben das nicht nur für sich getan, sondern sie haben es auch für die nachfolgenden Generationen getan. Jetzt ist es an uns, mit Kraft, mit Ideen, mit Mut diese europäische Erfolgsgeschichte im 21. Jahrhundert fortzuschreiben – für uns, vor allem aber auch für unsere Kinder und Enkel. Dem dienen die Maßnahmen, die ich Ihnen heute vorgestellt habe: das zweite Griechenland-Programm, für das ich um Ihre Zustimmung bitte, und der Fiskalvertrag, der dem Deutschen Bundestag in Kürze zur Ratifizierung vorgelegt wird. Mit ihm beginnen wir, die politische Union zu schaffen, die politische Union, die bei der Gründung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vor 20 Jahren noch nicht geschaffen wurde. So können wir unser Ziel erreichen, dass Europa stärker aus dieser Krise hervorgehen wird, als es in sie hineingegangen ist. Das wollen wir erreichen, weil wir nie vergessen: Wir Europäer sind zu unserem Glück vereint. Ich danke Ihnen. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Peer Steinbrück für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Peer Steinbrück (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Alle große politische Aktion besteht im -Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit“, hat Ferdinand Lassalle einmal gesagt. Ich frage deshalb, Frau Bundeskanzlerin: Was ist denn nun mit den Einlassungen Ihres Innenministers Friedrich, (Mechthild Rawert [SPD]: Genau! – Zurufe von der CDU/CSU: Ach! – Oh! Oh!) der vorschlägt, mit Anreizen dafür Sorge zu tragen, dass Griechenland aus der Euro-Zone ausscheidet? Hätte das nicht heute Gegenstand Ihrer Regierungserklärung sein müssen? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sie hätten besser zuhören sollen!) Das, was dieses Mitglied Ihres Kabinetts kurz vor Ihrer Regierungserklärung zum Besten gegeben hat, läuft dem Tenor Ihrer Regierungserklärung zuwider. Reicht es dann, dass Ihr Regierungssprecher ein kleines Dementi abgibt, oder hätten Sie nicht selber dazu Stellung nehmen sollen? Ich frage mich, was unter einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung passiert wäre, wenn jemand von uns so quer im Stall gestanden hätte und Sie als Opposition dies aufgegriffen hätten. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ach, Sie standen früher doch oft genug selber quer im Stall! – Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Das ist eher das Normale als das Überraschende!) Im Übrigen ist es in der Tat so, dass es Beklemmungen gibt, nicht nur in diesem Hohen Hause, sondern auch bei vielen Menschen, die uns zuhören und die Politik im Fall von Griechenland verfolgt haben. Das zweite Griechenland-Paket löst erhebliche Verunsicherung und Zweifel aus. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie das viel deutlicher aussprechen und dass Sie nicht bemänteln, was Sache ist. Lassen Sie uns das Kind beim Namen nennen: Das zweite Griechenland-Paket ist auf sehr dünnes Eis gesetzt. Der Beitrag des IWF, der von vielen von Ihnen analog zum ersten Griechenland-Paket zur Voraussetzung gemacht worden ist, steht nicht fest; das Exekutivkomitee wird erst Mitte März dieses Jahres beschließen. Das Ergebnis der Umschuldungsaktion bzw. des Anleihentausches gegenüber den privaten Gläubigern steht noch nicht fest; es wird ebenfalls erst Mitte März dieses Jahres feststehen. Auch die Zustimmung des Zentralbankensektors mit Blick auf seine Hilfsmaßnahmen bzw. seinen Verzicht auf die Gewinne aus Griechenland-Anleihen steht nicht fest. Wir haben es bisher allenfalls mit einer sehr unvollständigen Berichterstattung der Troika über die Schuldentragfähigkeit und die Entwicklung Griechenlands zu tun. Das heißt, das Blatt, das hier heute vom Deutschen Bundestag testiert werden soll, ist sehr lückenhaft. Schlimmer als das: Die Troika kommt in einem internen Papier – anders, als wir öffentlich debattieren – zu dem Ergebnis, dass es Griechenland kaum möglich sein wird, seinen Schuldenstand gemessen an seiner Wirtschaftsleistung bis 2020 auf 120 Prozent abzusenken. Die Troika liefert auch den Grund dafür, der in Ihren bisherigen Äußerungen kaum eine Rolle gespielt hat. Der Grund ist, dass sich die wirtschaftlichen Aussichten dieses Landes kontinuierlich verschlechtern. (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Genau!) In einem anderen Szenario, das ebenfalls Gegenstand dieses Berichtes ist, kommt die Troika für Griechenland sogar zu einem Schuldenstand von 160 Prozent im Jahre 2020. Das ist exakt die Schuldenbelastung, die dieses Land heute aufweist. Das ist der Hintergrund für die Entscheidung, die wir heute zu treffen haben. Ganz im Sinne von Lassalle lassen Sie uns also aussprechen: Griechenland wird auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, und zwar auch nicht kurz nach 2014, sich eigenes Geld auf den Kapitalmärkten zu beschaffen. Dies ist eine höchstwahrscheinliche Entwicklung. Alles andere wäre Augenwischerei. Es wäre auch Augenwischerei, zu glauben, dass Griechenland in der Lage ist – das ist Gegenstand der Erörterung –, bereits ab 2013 oder 2014 einen Primärüberschuss zu erwirtschaften. Ein solcher Primärüberschuss, also ein Überschuss ohne Berücksichtigung von Kapitaldienst und Vermögensveräußerungen, könnte diesem Land nur gelingen, wenn es ein sehr starkes Wachstum erzielen und seine staatliche Einnahmebasis deutlich verbessern würde. Dies ist exakt nicht die Perspektive, die dieses Land hat. Das heißt, der Deutsche Bundestag – also auch Sie alle – wird sich in absehbarer Zeit mit einem dritten Griechenland-Paket befassen, was der Bundesfinanz-minister mit einer seltenen Hellsichtigkeit für Vertreter der Bundesregierung auch schon angekündigt hat. Ich weiß nicht, ob er dafür von Ihnen gescholten worden ist, aber in einer ziemlichen Offenheit gibt Herr Schäuble in einem Schreiben an alle Mitglieder des Deutschen Bundestages zu erkennen, dass bei der Lage, mit der wir es zu tun haben, nach 2014 ein drittes Griechenland-Paket von wahrscheinlich mindestens 50 Milliarden Euro erforderlich sein wird. Will sagen: Die Strategie des Zeitkaufens der Bundesregierung durch die bisherige bloße Refinanzierung der Schulden von Griechenland plus einem Spardiktat und Kontrollen ist gescheitert, weil die Zeiten immer schlechter geworden sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Zeiten werden für Griechenland nicht besser, sondern sie werden in einem Abwärtssog – schrumpfende wirtschaftliche Aktivitäten, zunehmende Arbeitslosigkeit, auch Jugendarbeitslosigkeit, plus sinkende Steuereinnahmen – immer schlechter. Wir haben ganz nüchtern festzustellen, dass wir fast zwei Jahre nach dem ersten Griechenland-Paket vom Mai 2010 trotz einzelner Fortschritte, aber auch vieler großer leerer „Kisten“, die Sie hier vorgestellt haben, heute wieder exakt an dem Punkt angekommen sind, von dem aus wir im Mai 2010 gestartet sind: Griechenland und die damit verbundenen Infektionsgefahren für die Europäische Währungsunion und für Deutschland. Nach zwei Jahren, in denen wir über das Europäische Semester, über das Sixpack der EU-Kommission, über den Euro-Plus-Pakt, bei dem ich mich frage, was dort -eigentlich genau passiert, und die EFSF diskutiert haben, die übrigens nur zeitlich limitiert sein und 2013 auslaufen sollte – heute kriegen wir hellauf begeisterte Augen, wenn wir den ESM als permanenten Schirm bereits ab Juli für alle Zeiten einführen können –, nach der Hebelsuche vom Oktober des letzten Jahres – können Sie sich an den Hebel, das Wort des Monats Oktober, erinnern? Hat jemand den Hebel seitdem irgendwo gefunden? Nein, keiner hat den Hebel gefunden –, nach einem leeren Paket für Wachstum und Beschäftigung, nach einem Fiskalpakt und nach einer mehr oder minder zerlaufenden Europa-2020-Strategie sind wir heute, nach vielen Volten, vielen Pirouetten und einer ziemlichen Springprozession, exakt an demselben Punkt wie vor zwei Jahren. Darüber ist nicht nur die Rechnung höher geworden – das alleine ist schon schlimm genug –; auch der Groll und die Vorurteile in Europa haben auf allen Seiten beträchtlich zugenommen. Das Zerrbild vom faulen Griechen wird inzwischen durch das Bild des hässlichen Deutschen komplettiert. Der Firnis über lang zugeschüttete Bezüge auf die Nazizeit, der von uns für wahrscheinlich gehalten wurde, ist, wie wir bedauerlicherweise feststellen, sehr dünn, und er bricht gerade wieder auf. Daneben wachsen allerdings auch das Unverständnis und der Zorn der Bürger über den merkwürdigen Golfstrom der Geldverteilung bzw. Umverteilung, indem zum Beispiel reiche Griechen sich ihrer Steuerpflicht und ihrer Verantwortung für ihr Land entziehen, Steuern in Milliardenhöhe hinterziehen und die Gelder auf Schweizer Banken transferieren. Über diese Schweizer Banken oder die Orte, die dabei mitmachen, und deren erklärte Hilfsbereitschaft darf man teilweise auch sehr undiplomatisch Klartext reden und sagen, was sie dort machen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wo ist der massive internationale Druck zur Rückführung dieser Gelder an den griechischen Fiskus und zur Rückgabe dieser Vermögen von Schweizer Banken an Griechenland, wo diese Gelder dringend gebraucht werden? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie haben eine Schweiz-Phobie!) – Ja, lieber Herr Kauder, einige lassen die Kavallerie auch ausreiten. Sie reden nicht nur davon; sie sind höchst erfolgreich. (Beifall bei der SPD – Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Außer dummen Sprüchen nichts getan!) Das Bild von der Kavallerie ist übrigens sehr hilfreich gewesen, um überhaupt Fortschritte im Hinblick auf das Thema der Steuerhinterziehung und des Steuerbetrugs zu erzielen. (Beifall bei der SPD) Ein anderes Beispiel ist, dass selbst die Einbeziehung der privaten Gläubiger, die Sie übrigens bis Juli 2011 nicht wollten – Ihre Fraktion wollte die Einbeziehung der privaten Gläubiger nicht –, nicht ganz lupenrein ist. Denn es ist der Steuerzahler, der das Zückerli, also den Appetitanreger für die privaten Banken, gibt, dass sie sich mit 30 Milliarden Euro darauf einlassen. Es ist der Steuerzahler, der mit mindestens 24 Milliarden Euro – in früheren Zeiten war auch von 50 Milliarden Euro die Rede – dazu bereitsteht, die griechischen Banken zu rekapitalisieren. Das ist eine zweite Umverteilung. Eine dritte Umverteilung findet kaum beachtet von der deutschen Öffentlichkeit statt. Die Europäische Zentralbank lässt in wenigen Tagen einen weiteren Milliardentender losgehen, der Banken in den Stand versetzt, unlimitiert zu einem sehr geringen Leitzins für drei Jahre unendlich viel Geld zu leihen. Was machen sie mit dem Geld zu vielleicht 1 Prozent Zinsen? Sie machen einen dicken Schnitt, der mindestens 4 bis 5 Prozent bringt. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! So ist es!) Was sagt der Mittelstandsbauch Ihrer Steuerzahler dazu, meine Damen und Herren von der CDU/CSU? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Im Sinne Lassalles gilt es, festzustellen, dass die Strategie des ersten Rettungsplanes vom Mai 2010 auf ganzer Linie gescheitert ist. Denn sonst müssten wir uns heute nicht mit einem zweiten Rettungsschirm für Griechenland mit einem nochmals gesteigerten Volumen beschäftigen. Daran trägt die Bundesregierung ein gerüttelt Maß an Mitschuld. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ökonomisch sind Sie es, Frau Bundeskanzlerin, die für die einseitige Fixierung auf das Defizit und die Spiralbewegungen nach unten in Griechenland verantwortlich ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Politisch hat die Bundesregierung, namentlich die Bundeskanzlerin, die Dimension der griechischen Tragödie für das gesamte europäische Ensemble lange Zeit unterschätzt: mit einem Krisenmanagement des Immer-zu-spät, Zu-wenig und vor allen Dingen Zu-ungefähr. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben Ihre Politik für die Europäische Währungsunion lange Zeit nach einer innenpolitischen und innerkoalitionären Raison d‘Être ausgerichtet, übrigens gelegentliche Stammtischbesuche nicht ausgeschlossen. Natürlich sind von der griechischen Regierung Spar-anstrengungen, Strukturreformen und eine Verbesserung der Administration und ihrer Governance, wie es im Neuhochdeutschen heißt, zu verlangen. Dazu gehört es seitens Griechenlands auch, die Angebote zur Verbesserung seiner Verwaltung, insbesondere seiner Steuerverwaltung, anzunehmen. Das Land muss ohne Zweifel Missmanagement, Misswirtschaft, Klientelpolitik und Steuerhinterziehung bekämpfen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das haben wir übrigens als Sozialdemokraten immer wieder betont. Aber genauso haben wir betont, dass dies allein nicht reicht. Dies allein wird nicht ausreichen. Mit einem reinen Sparpaket und allein mit Daumenschrauben wird dieses Land nicht wieder Wind unter die Flügel bekommen und nicht wieder auf die Beine kommen. Nur dann, wenn investiert und die Arbeitslosigkeit insbesondere junger Menschen abgebaut wird und sie ihre Qualifikation zur Geltung bringen können, fließen Steuereinnahmen. Nur dann wird Griechenland je wieder in der Lage sein, Primärüberschüsse zu erzielen, die es ihm erlauben, an die Kapitalmärkte zurückzukehren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist die derzeitige Perspektivlosigkeit für viele griechische Bürgerinnen und Bürger in dieser wirtschaftlichen Abwärtsspirale, die eine Radikalisierung der griechischen Gesellschaft mitbefeuert. Die Senkung von Mindestlöhnen als Bestandteil dieses Austeritätsprogramms ist nicht nur zynisch; sie ist alles andere als ein Beitrag zur Erholung der griechischen Wirtschaft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Verkaufsschlager in Griechenland ist im Augenblick die Wiederauflage eines sogenannten Hungerkochbuches für verarmte Menschen aus der Zeit der Besatzung in den 1940er-Jahren. (Zurufe von der CDU/CSU: Oje! Oje!) – Das muss man sich vor Augen führen; denn das ist genau das Europa, das wir nicht wollen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Bundesregierung hat nicht die Kraft gefunden, den zentralen Mangel schon des ersten Griechenland--Paketes, geschweige denn den des zweiten Griechenland-Paketes zu beseitigen. Das heißt, es fehlen weiterhin eine glaubwürdige Wachstumsperspektive, ein konkreter Plan für Investitionen in Griechenland. (Beifall des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Was die europäische Ebene, den IWF und die G-20-Gipfel betrifft, werden Sie, Frau Bundeskanzlerin, von allen Themen, glaube ich, wieder eingeholt, die Ihre -Koalition zuerst verdrängt und ausschließt, um sie dann gelegentlich unter Camouflage, Wortschwall und Um-etikettierung bis zur Selbstverleugnung doch weiter zu verfolgen. Das erste Beispiel haben Sie selber genannt. Sie haben gesagt, dass aus Ihrer Sicht eine Aufstockung der EFSF bzw. des ESM nicht infrage kommt. Ich mache diesem Hohen Haus die Prognose: Wir werden innerhalb des nächsten halben Jahres über eine Aufstockung der EFSF und des ESM beraten, und zwar vor dem Hintergrund dessen, was der IWF, die Europäische Kommission und fast alle anderen europäischen Länder machen. Warum sagen Sie das dem Publikum und dem Hohen Hause nicht? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das alles kommt wieder. Es kommt nicht nur die Frage der Aufstockung wieder, die bei Ihnen tabuisiert ist. Insbesondere wenn der Fiskalpakt ratifiziert sein sollte – die Frage ist, wann das sein wird, vor oder nach der Sommerpause –, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Frankreich, das ist die Frage!) wird es aus Sicht vieler Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion die Konditionalität geben, die die Voraussetzung für Gemeinschaftsanleihen – ein anderes Wort für Euro-Bonds – sein könnte. Das ist der zweite Punkt. Der dritte Punkt ist: Sie machen bis heute aus Ihrer klammheimlichen Genugtuung, wie ich glaube, gar keinen Hehl, dass die EZB weiter Staatsanleihen auf den Sekundärmärkten aufkauft, wenn es denn nötig ist. Sie alle in diesem Saal hoffen, dass das in der Übergangsphase weiterhin passiert. Die bösen Stichworte „Trans-ferunion“ und „Haftungsgemeinschaft“ gehören lediglich zu einer Show, die dazu dient, manche in diesem Haus zu beruhigen, während ansonsten die EZB exakt diese Politik fortsetzt. Das führt zu dem Ergebnis, dass das Haftungspotenzial der Bundesrepublik Deutschland immer weiter steigt. Warum erzählen wir das den Menschen nicht, schenken ihnen nicht reinen Wein im Sinne von Lassalle ein und sprechen aus, was ist? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie werden sich – um ein viertes Beispiel zu nennen – auch nicht völlig der Initiative der zwölf Kolleginnen und Kollegen aus anderen EU-Mitgliedstaaten entziehen können, die in einem Brief an die Kommission eine Art europäisches Marshallprogramm vorgeschlagen haben. Im Zweifelsfall sind Sie als Nachzüglerin dabei, und Sie werden dafür bezahlen. Zu all diesen Themen, Frau Bundeskanzlerin, hätten Sie heute uns, der deutschen Öffentlichkeit reinen Wein einschenken können. Keiner behauptet, zu wissen, wann, wo und wie das Ganze enden wird. Aber es wird teurer, als es uns die Bundesregierung weismachen will. Zur Bewältigung der Krise steht, wie ich selber weiß, nichts Hilfreiches in den Lehrbüchern. Auch von den Professoren hören wir sehr unterschiedliche Therapien. Aber es hat an Teilantworten, an Vorschlägen nicht gefehlt. Vertreter meiner Partei haben schon vor anderthalb Jahren einen Schuldenschnitt für Griechenland – diesen haben Sie lange abgelehnt –, eine Rekapitalisierung der Banken, ein europäisches Bankeninsolvenzrecht, eine ehrgeizige Finanzmarktregulierung und die Einführung automatischer Sanktionen gefordert, und zwar sowohl vor als auch nach dem Spaziergang von Deauville. (Beifall bei der SPD) Wir haben vor allen Dingen ein wirtschaftliches Aufbauprogramm für Griechenland und andere mediterrane Länder verlangt. All das könnte aus dem Aufkommen einer Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte – herkömmlich genannt Finanzmarkttransaktionsteuer – finanziert werden. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ach herrje! Für was die alles herhalten muss!) Wir werden dorthin kommen, allerdings mit großer Verspätung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir brauchen heute einen Strategiewechsel, der auf mehr wirtschaftliche Dynamik statt auf ein Spardiktat setzt, der auf den Abbau von Ungleichgewichten innerhalb der Europäischen Währungsunion setzt, der auf den Stopp der Kapitalflucht in Europa und die Rückführung von Vermögen insbesondere nach Griechenland setzt und der eine wirkungsvollere Finanzmarktregulierung in Gang setzt. Wenn es trotz der großen, grundsätzlichen Einwände, die es in meiner Fraktion gegen das zweite Griechenland-Paket gibt, doch zu einer breiten Zustimmung kommt, – – (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Ah!) – Seien Sie froh darüber! Schauen Sie sich doch Ihre Regierungsbank an! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diese Selbstgewissheit ist sehr arrogant angesichts der Einlassungen des Innenministers; normalerweise hätte bei einer derart kontroversen Haltung gegenüber der Grundlinie der Bundeskanzlerin ein Trennungsbeschluss erfolgen müssen, wenn ich das richtig sehe. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir stimmen aus drei Gründen zu: erstens weil es im wirtschaftlichen Interesse Deutschlands ist, zweitens weil es im politischen Interesse Deutschlands ist (Lachen bei Abgeordneten der FDP) und drittens weil es um das Ganze geht. (Zurufe von der FDP: Oh!) Es geht nicht nur um Griechenland, sondern es geht um dieses Europa, in dem Freiheit und Demokratie die Grundfesten unseres gemeinsamen Hauses sind, in dem die Menschen in Frieden mit ihren Nachbarn leben sollen. Ich bin überzeugt, dass, wenn wir – und sei es nur fahrlässig – eine Renationalisierung unserer Währungen zuließen, dies eine politische Renationalisierung von Europa zur Folge hätte – mit dem Auftauchen von ziemlich unseligen Geistern, die diese Renationalisierung befördern und nutzen würden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Steinbrück. Peer Steinbrück (SPD): Meine Fraktion, jedenfalls die überwältigende Mehrheit, stimmt diesem zweiten Griechenland-Paket zu, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!) aus einer politischen Verantwortung für Europa. Dies ist keine Zustimmung zu dem Grundkurs der Bundesregierung. Niemand sollte diese Zustimmung missdeuten; denn die SPD bleibt damit nur ihrer Tradition treu und nimmt ihre europäische Verantwortung wahr. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Anhaltender Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Rainer Brüderle für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Rainer Brüderle (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die christlich-liberale Koalition ist stolz (Zurufe von der SPD: Oh! – Sigmar Gabriel [SPD]: Ihr habt noch eine Koalition?) auf das, was die Bundesregierung für Europa leistet. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Finanzminister Wolfgang Schäuble haben mit der gesamten Bundesregierung erfolgreich Weichen gestellt. (Zuruf von der SPD: Den Innenminister haben Sie vergessen!) Wir loben das, wir unterstützen das, und wir bringen die Maßnahmen parlamentarisch auf den Weg. Diese europapolitische Schwerstarbeit sollte die Opposition wenigstens zur Kenntnis nehmen. Loben ist nicht der Job der Opposition, auch wenn das angebracht wäre. So ist das parlamentarische Spiel. Obwohl Sie Zustimmung angekündigt haben, machen Sie verbal auf: höher, schneller, weiter, mehr. Das sind nun einmal die Spiele, die in der parlamentarischen Welt vorhanden sind. Das Problem ist nur: Sie sind schon in der Theorie so schwach, dass Europa froh ist, dass es Sie nicht in der Praxis erleben muss. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Mich erinnert das an die alte Argumentationsschleife von Gerhard Schröder. Seine Begründung, als er den Stabilitätspakt kaputtgemacht hat, war: Wir brauchen Wachstum, es geht nicht um Stabilität. – Das Resultat der Schröder-Politik waren Nullwachstum und Rekordarbeitslosigkeit. 5 Millionen Menschen ohne Job – das war das Ergebnis von Rot-Grün. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Dann schafft doch die Agenda ab! – Thomas Oppermann [SPD]: Macht das doch rückgängig!) Jetzt empfehlen Sie die alten linkskeynesianischen Rezepte für Griechenland und für ganz Europa. Sagen Sie doch, dass Griechenland entscheidende Struktur-reformen braucht! Sie wollen die Probleme mit Geld zuschütten. Griechenland hat den Zinsvorteil durch den Euro nicht für Strukturreformen genutzt. Bundesminister Schäuble hat die Herausforderungen für Griechenland kürzlich zu Recht mit der Situation der DDR nach dem Fall der Mauer verglichen. Das sind Perspektiven von 20 bis 30 Jahren. In Griechenland kann man den schuldenfinanzierten Wohlfahrtsstaat in seiner ganzen Pracht besichtigen. Ein gutes Viertel der Beschäftigten arbeitet im öffentlichen Dienst. Wahrscheinlich sind es mehr. Die Statistiken sind nicht sehr aussagekräftig. Das Renteneintrittsalter: so früh wie möglich. Die Löhne orientieren sich an allem, aber nicht an der Produktivität. Es gibt viele Staatsmonopole und kaum Wettbewerb. Es soll deutsche Sozialdemokraten geben, die sich so das Paradies auf Erden vorstellen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thomas Oppermann [SPD]: Da haben Sie mal wieder alle Vorurteile reingebracht!) Das geht nicht, und so passt es auch nicht zusammen. Was verteilt werden soll, muss erst erarbeitet werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hier kämpft ein Land um seine Zukunft; hoffentlich nicht mit dem Rückfall in die Vergangenheit. Ich wünsche den Griechen, dass sie Maßhalten lernen: (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Das können die Bayern!) Maßhalten beim Schulden machen, Maßhalten bei den Demonstrationen und Maßhalten beim Ton, der gegenüber den europäischen Partnern angeschlagen wird. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn Zeitungen schiefe Vergleiche ziehen, dann ist das schon ärgerlich genug; (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Meinen Sie die Bild-Zeitung?) wenn sich aber das Staatsoberhaupt im Ton vergreift, dann dürfen wir schon einmal die Stirn runzeln. Die Lebensgeschichte des griechischen Präsidenten ist bekannt. Sie kann einiges erklären, aber nicht alles. Es wäre gut, er hätte die Lebensgeschichte von Personen, die er öffentlich angegriffen hat, auch gekannt. Griechenland braucht gleichzeitig ein Abbauprogramm für die Schulden und ein Aufbauprogramm für seine Wettbewerbsfähigkeit. Die europäischen Partner sind bereit zur Hilfe. Wirtschaftsminister Philipp Rösler hat konkrete Angebote gemacht: Wir bieten Personal an, das die Verwaltung unterstützt, wir bieten Hilfe dabei an, realwirtschaftliche Aufbauprogramme abzurufen und umzusetzen, und wir helfen bei der Investorensuche. Für die Privatisierung soll eine Art Treuhandanstalt eingerichtet werden. Herr Steinmeier hat dies öffentlich unterstützt. Ich begrüße das. (Thomas Oppermann [SPD]: Ein guter Vorschlag!) Ob die vorgezogenen Neuwahlen der Weisheit letzter Schluss sind, will ich einmal dahingestellt sein lassen. Die Versuchung wird groß sein, die Sparmaßnahmen in den Wahlkampf zu ziehen. Wir brauchen ganz klare Schutzmaßnahmen, damit die Zusagen eingehalten werden. Wir haben wichtige Leitplanken eingezogen. Vor Beginn des Schuldenschnitts muss Griechenland die vordringlichen Maßnahmen wie Kürzungen des Mindestlohns, der einer der höchsten in Europa ist, sowie die Rentenreform umsetzen. Für Zins und Tilgung wird ein Sonderkonto eingerichtet. Meine Damen und Herren, die Mehrzahl der Investitionen in einer Marktwirtschaft sind private Investitionen. Das setzt Strukturveränderungen, Wettbewerbsfähigkeit und Vertrauen voraus. Ihre Idee ist: Der Staat soll alles machen. – Genau das wäre verkehrt. Nein, es müssen auch private Investitionen erfolgen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Troika der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds überwacht die Fortschritte permanent. Danach wird ausgezahlt. Es gibt kein Geld ohne Fortschritte. Ein bisschen muss der Daumen schon draufgehalten werden. Das Hilfspaket von heute ist auch die Voraussetzung für die private Gläubigerbeteiligung. Dies soll den Schuldenschnitt mit abfedern. Die Maßnahmen sollen das griechische Finanzsystem stabilisieren. Noch läuft die Frist. Wir setzen auf eine hohe Beteiligung der privaten Gläubiger und unterstützen den Appell der Bundeskanzlerin. Es wird noch schwieriger Verhandlungen, auch mit dem Internationalen Währungsfonds, bedürfen. Deshalb ist das, was wir heute in Bezug auf die private Gläubigerbeteiligung beschließen, ein Stück weit ein konditionierter Beschluss. Wir wollen den IWF dabeihaben. Entscheidend dafür ist seine Expertise. Der grüne Abgeordnete Cohn-Bendit hat die Troika im Europaparlament kürzlich als neoliberale Taliban beschimpft. Man kann da eigentlich nur sagen: Oh Herr, lass Hirn vom Himmel fallen! (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Passen Sie auf, dass es Sie nicht trifft!) – Herr Trittin, dass Sie sich aufregen, ist putzig. Sie hat Cohn-Bendit vor kurzem als „Klugscheißer“ bezeichnet. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP) Ich wiederhole nicht die Bezeichnung, ich teile sie weder in der Wortwahl noch in der Analyse; es ist Ihr Freund Cohn-Bendit, der Sie als „Klugscheißer“ bezeichnet. Die Troika macht teilweise den Job, den die griechische Regierung über viele Jahre nicht gemacht hat. Deshalb verdient die Troika Respekt und Anerkennung, dass sie die wirtschaftliche Basis schaffen will, damit man einen entsprechenden Aufbau bewerkstelligt. Das muss anerkannt werden und darf nicht in den Schmutz gezogen werden. Ihre rot-grünen Rezepte zur Bekämpfung der Schuldenkrise sind jedenfalls vollkommen untauglich. Sie wollen die Vergemeinschaftung der Schulden durch Euro-Bonds – heute wieder vorgetragen –, Sie wollen einen Einheitszinssatz; das ist Zinssozialismus. Nehmen Sie doch zur Kenntnis: Mit Sozialismus gibt es keinen Fortschritt, weder in Europa noch in Deutschland. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD) Die Grünen wollen eine Banklizenz für den Rettungsschirm, also Zugriff auf die Notenpresse. Bei der SPD kommt es immer darauf an, welcher Kanzlerkandidat in spe gerade spricht. (Sigmar Gabriel [SPD]: Darauf habe ich gewartet!) Herrn Steinbrück haben wir heute gehört – die Bazooka. Herr Gabriel will alles und nichts. Herr Steinmeier hält sich klug zurück. Insofern sind Sie drei Fragezeichen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Solange Sie den Wettbewerb machen nach dem Motto „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der schönste Sozi im Land?“, werden Sie so bleiben, wie Sie sind, nämlich unklar in Ihrer Haltung. Frau Künast gibt zu Protokoll, unsere Bundeskanzlerin sei von der Realität getrieben. Ich frage mich: Was treibt Sie politisch an? Fantasien oder Fantastereien? (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Realität ist immer die Basis von Politik; da hat die Kanzlerin völlig recht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die Grünen wollen, dass Deutschland keine Exportüberschüsse mehr macht. Meine Damen und Herren, das ist natürlich nichts anderes als Deindustrialisierungspolitik. (Lachen des Abg. Jürgen Trittin [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN] – Thomas Oppermann [SPD]: Morgenthau! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Morgenthauplan!) Ihr grüner Ministerpräsident will einen Stopp des Straßenbaus. Seien Sie doch froh, dass wir Exportüberschüsse haben, dass wir helfen können! Ich bin froh, dass wir Autos nach China verkaufen können; Fahrräder können die selbst bauen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tätä, tätä, tätä! – Renate Künast [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Transrapid haben Sie vergessen!) Das ist Basis für unsere Arbeitsplätze und für unsere Möglichkeiten. Unsere Exportstärke sichert Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland. Wer dagegen ist, legt die Axt an die Leistungsfähigkeit Deutschlands. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Narrhallamarsch! Rakete!) Wir haben in den letzten zwei Jahren eine ganze Reihe von Brandmauern eingezogen. Erste positive Wirkungen zeigen sich ja: In Irland, in Spanien, in Italien sehen wir konkrete Fortschritte. Wer hätte das vor zwei Jahren gedacht? Wir sind noch lange nicht über den Berg, aber Europa ist ein gutes Stück vorangekommen. Der ESM kommt früher. Die EFSF hat sich als erfolgreich erwiesen. Flankiert wird all das von einem Fiskalpakt. 25 von 27 EU-Ländern schaffen sich eine Stabilitätsarchitektur. Das sind erhebliche Erfolge. Nationale Schuldenbremsen werden eingebaut. Reden Sie das doch nicht schlecht! Das ist der Erfolg dieser Bundesregierung, der christlich-liberalen Koalition. Das ist im ureigenen Interesse Deutschlands und im europäischen Interesse. Das ist realistische, erfolgreiche Politik und nicht Rückfall in Vorstellungen von vorgestern. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Fundament für einen Erfolg muss eine stabile Währung, muss Stabilitätspolitik sein. Es war eine christlich-liberale Koalition, die den Euro eingeführt hat. Es war eine grün-rote Regierung, die den Stabilitätspakt kaputtgemacht hat. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Es ist jetzt wieder eine christlich-liberale Koalition, die sich für Geldwertstabilität starkmacht. Eine Inflationsunion wäre fatal. Eine Stabilitätsunion – das ist die Zukunft. Dafür kämpfen wir. (Anhaltender Beifall bei der FDP – Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: So sind die 2 Prozent gesichert! – Sigmar Gabriel [SPD]: Jetzt wissen wir endlich, wer der Frosch ist!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Gregor Gysi ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin, im ersten Satz Ihrer Rede haben Sie gesagt, es handele sich um eine Staatsschuldenkrise. Ich finde, das ist nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist, dass die Staatsschulden zugenommen haben, als wir eine Finanzkrise, ausgelöst durch Banken und Spekulanten, hatten. Das müssten Sie hinzufügen. Ansonsten denkt man, die Staaten seien schuld. Nein, erst einmal sind es die Banken und Spekulanten, auf die die Staaten allerdings völlig falsch reagieren. (Beifall bei der LINKEN) Beim ersten Rettungspaket ging es um 110 Milliarden Euro; das war im Mai 2010. Man muss heute sagen: Das erste Rettungspaket ist gescheitert. Das Ziel war damals, dass Griechenland bis 2014 wieder auf eigenen Kreditbeinen steht. Davon ist heute überhaupt keine Rede mehr. Ich möchte dies nur einmal erwähnen. Nun soll das zweite Rettungspaket beschlossen werden; es ist zwar ein falscher Begriff, aber das tut hier nichts zur Sache. Es geht um weitere 165 Milliarden Euro. Hinzu kommen 24,4 Milliarden Euro aus dem ersten Rettungspaket, die noch nicht verbraucht wurden. 35 Milliarden Euro, die die Verluste von Banken ausgleichen sollen, kommen ebenfalls hinzu. Auch das zahlen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Wie lautet das Ziel jetzt? Die Schulden sollen bis zum Jahr 2020 von 164 Prozent auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung abgebaut werden. Das ist völlig unrealistisch. (Beifall bei der LINKEN) Die Überwachungstroika – – Übrigens, Herr Brüderle, Sie sprechen das Wort „Troika“ richtig aus, während es die meisten in der Union falsch aussprechen. Man sagt nicht Tro-i-ka; denn das Wort kommt aus dem Russischen. Fragen Sie die Bundeskanzlerin; sie wird mir recht geben. (Beifall bei der LINKEN) Abgesehen davon, die Überwachungstroika glaubt selber nicht an einen solchen Schuldenabbau, wie man einem internen Papier entnehmen kann. Das Rettungspaket ist also auch diesmal nicht für die Griechinnen und Griechen geschnürt, sondern ausschließlich für Banken, Vermögensanleger und Hedgefonds. Sie bekommen das Geld, und kein anderer. Außerdem haben die Europäische Zentralbank und auch die nationalen Notenbanken griechische Staats-anleihen für 70 Milliarden Euro von den Privatbanken aufgekauft. Das sind – es tut mir leid, Frau Bundeskanzlerin – Euro-Bonds. Weil diese Staatsanleihen entweder unserer Notenbank oder der Europäischen Zentralbank gehören, haften dafür allein die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der Euro-Zone und in besonderem Maße die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Ich habe es einmal ausgerechnet, Frau Bundeskanzlerin: Wenn wir alles zusammennehmen – beide Rettungspakete und die Euro-Bonds –, dann geht es um ein -Gesamtpaket in Höhe von 345 Milliarden Euro. Die Deutschen haften in einem Umfang von 100 Milliarden Euro. Wenn wir wenigstens sagen könnten, dass wir dadurch Griechenland helfen würden, dann machte das Ganze Sinn. Aber wir helfen Griechenland nicht mit einem einzigen Euro. Insofern setzen wir das Geld in den Sand. Das gilt sowohl für Griechenland als auch für Deutschland. (Beifall bei der LINKEN) Ich habe es schon gesagt: Auch die 165 Milliarden Euro werden für die drohenden Verluste der privaten Banken und Hedgefonds eingesetzt. Alles wird sozialisiert, und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haften dafür. (Sigmar Gabriel [SPD]: Für Sozialisierung seid ihr doch auch!) Außerdem kommt Folgendes hinzu, was hier so gut wie gar nicht thematisiert wird: Weihnachten 2011 hat die Europäische Zentralbank den großen Privatbanken in Europa ein Darlehen von 500 Milliarden Euro zu dem traumhaften Zinssatz von 1 Prozent gewährt – und das Ganze für drei Jahre. Jetzt bekommen die großen privaten Banken von der Europäischen Zentralbank noch einmal 500 Milliarden Euro, wieder für 1 Prozent und wieder für drei Jahre. Das ist doch abenteuerlich: 1 Billion Euro nur für die Liquidität der Banken. Kein Mensch fragt, woher das Geld kommt. Es wird doch gedruckt, Frau Bundeskanzlerin; um es einmal im Klartext zu sagen. Woher wollen Sie es denn sonst nehmen? (Beifall bei der LINKEN) Die Frechheit besteht doch darin, dass die Banken im Geld schwimmen. Wenn sie jetzt Staatsanleihen zum Beispiel von Irland, Portugal oder Spanien kaufen, dann verlangen sie mindestens 3 bis 4 Prozent Zinsen. Aber sie müssen nur 1 Prozent Zinsen zahlen. Was ist mit den Bürgerinnen und Bürgern? Wenn sie ihren Dispokredit in Anspruch nehmen, dann müssen sie 13 oder 18 Prozent Zinsen zahlen. Aber die Banken zahlen an uns nur 1 Prozent. Das ist eine Unverschämtheit, um es einmal klipp und klar zu sagen. (Beifall bei der LINKEN) Es geht auch um eine schwerwiegende Verletzung des Eigentumsrechts. Jetzt wundern Sie sich sicher, dass ich die Verletzung des Eigentumsrechts rüge. Aber das mache ich. Ich will es Ihnen erklären: Normalerweise haftet jede Eigentümerin und jeder Eigentümer für ihr oder sein Eigentum. Das heißt, man kann Gewinn daraus erzielen, aber wenn man Verluste oder Schulden hat, haftet man auch dafür. Das gilt für jede Bürgerin und jeden Bürger sowie für sämtliche Wirtschaftsunternehmen. Fragen Sie einmal einen Bäckermeister, der Schulden hat, ob er sich an die Regierung wenden kann und sie ihm dann einen zinsgünstigen Kredit zu 1 Prozent gibt, damit er das Ganze zurückzahlen kann. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie einmal die Bäckerei Müller im Freistaat Bayern!) Fragen Sie einmal den Eigentümer eines Grundstücks, ob er eine solche Chance hat. Die Einzigen, die überhaupt kein Risiko eingehen, sind die Banken; denn sie bekommen immer die Gewinne und die Profite, haften aber niemals für die Schulden, weil das immer die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler übernehmen. Das verletzt das Eigentumsrecht schwerwiegend. (Beifall bei der LINKEN) Ich darf daran erinnern: 480 Milliarden Euro haben wir in einem Rettungsschirm für die Banken zur Verfügung gestellt. Darüber redet ja schon keiner mehr, weil es drei Jahre her ist. Jetzt wird der Rettungsschirm wiederbelebt, es wird wieder Geld daraus gezahlt. Ich habe bereits von der 1 Billion Euro gesprochen, die um Weihnachten und jetzt, im Februar, den Banken gewährt wurde. Man muss sich einmal überlegen, welche Beträge in die Banken fließen. Für all das haften die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das ist eine Unverschämtheit und zerstört übrigens auch das gesamte Wirtschaftssystem. Wir brauchen keine Banken, die sich jedes Risiko leisten können, weil für jeden Verlust die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haften und nicht sie selbst. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb ist unsere Forderung völlig berechtigt: Wenn die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler schon sämtliche Schulden der Banken bezahlen, dann müssen diese öffentlich-rechtliches Eigentum werden. Ich möchte, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dann auch die Gewinne und die Profite bekommen – und nicht nur die Schulden. Genau das muss sich ändern. (Beifall bei der LINKEN) Außerdem sind die großen privaten Banken zu groß. Wir müssen sie verkleinern. Ich nenne Ihnen nur einen Grund: Frau Kohl, die abends im Fernsehen von der Börse berichtet, sagte zu mir bei Jauch: Wenn Sie deutscher Kanzler wären – ich räume ein, eine unwahrscheinliche Vorstellung; sie hat es aber gesagt –, (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Gute Idee! – Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Gott behüte!) müssten auch Sie die Deutsche Bank kurz vor einer Insolvenz retten. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frau hat recht! Das sollte Ihnen zu denken geben!) Da sagte ich: Daran sehen Sie, dass sie zu mächtig ist. Wieso sind wir alle erpressbar? Wir müssen die Banken verkleinern. Auch eine Bank muss in Insolvenz gehen können. Wir können immer noch die Sparguthaben der Leute retten, aber wir müssen nicht die Bank retten. Wenn wir das müssen, dann ist sie zu mächtig. Deshalb sage ich: verkleinern, unbedingt regulieren und öffentlich-rechtlich gestalten – so wie die Sparkassen. Aber nicht wie die Landesbanken; denn die waren gegenüber den Finanzministern weisungsgebunden. Das will ich nicht. Ich will, dass sie wie die Sparkassen ausgestaltet werden. Mit diesen hatten wir in der Krise nicht die geringsten Schwierigkeiten. Sie sind öffentlich-rechtlich und sehr sinnvoll. (Beifall bei der LINKEN) Jetzt komme ich noch einmal zum Paket für Griechenland. Das, was Sie in diesem Zusammenhang verlangen, ist derart unsozial, dass es in mir mehr als Erstaunen auslöst. Wie Sie, Herr Brüderle, in diesem Zusammenhang von einem Wohlstandsstaat sprechen können, zeugt von abenteuerlicher Arroganz. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Was machen wir denn? Wir sagen: Der Mindestlohn in Griechenland muss von 751 Euro auf 586 Euro gekürzt werden. Das ist für Sie ein Wohlstandsstaat? Die Löhne müssen um 22 Prozent gekürzt werden. 15 000 Menschen müssen in diesem Jahr und 150 000 Menschen müssen bis 2014 aus dem öffentlichen Dienst entlassen werden. Die Renten sollen in den nächsten drei Jahren um 14 Milliarden Euro gekürzt werden. Und da sprechen Sie hier von einem Wohlstandsstaat? (Zuruf von der LINKEN: Pfui!) Die Konsequenzen der bisherigen Politik, der Kürzung von Löhnen, Renten und Sozialleistungen sowie der Privatisierungen, sind die folgenden: Seit drei Jahren gibt es eine Wirtschaftskrise. Es gibt einen Rückgang der Investitionen in Griechenland um 50 Prozent. Die Arbeitslosigkeit ist von 9 Prozent auf 21 Prozent gestiegen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist auf 50 Prozent gestiegen. Es gibt weniger Steuereinnahmen und ein Minuswachstum. Und Sie, Frau Bundeskanzlerin, sprechen von Fortschritten. Welche Fortschritte in Griechenland sind denn damit verbunden? Es gibt doch nicht einen einzigen Fortschritt. (Beifall bei der LINKEN) Die Schulden sind um 50 Milliarden Euro angestiegen. Wir haben jetzt nicht mehr eine Schuldenquote von 130 Prozent der Wirtschaftsleistung, sondern von 170 Prozent der Wirtschaftsleistung. Wenn man sieht, dass diese verheerende und rigorose Kürzungspolitik nicht dazu führt, dass wir Griechenland retten, sondern, ganz im Gegenteil, dazu, dass wir Griechenland immer weiter in die Katastrophe führen, dann muss man sich doch korrigieren. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wir kennen das doch. Die Siegermächte des Ersten Weltkrieges haben in Versailles einen Vertrag beschlossen, der Deutschland bis ins Mark gedemütigt hat. Das war nicht der einzige, aber einer der Gründe, weshalb der Verbrecher Hitler und die NSDAP so stark wurden. Die Sieger des Zweiten Weltkrieges – gerade im Wes-ten – waren viel klüger und beschlossen geringe Reparationen und den Marshallplan zum Aufbau. Sie machen bei Griechenland Versailles. Die Griechen brauchen aber Marshall. Das ist das Entscheidende. Genau das findet nicht statt. (Beifall bei der LINKEN) Wir gefährden die Solidarität innerhalb einer Gesellschaft und zwischen den Gesellschaften. Das ist zerstörerisch für Griechenland und die EU. Wir gefährden auch die Demokratie. Wenn zwei Männer, die in Banken Funktionen hatten, jetzt die Chefs in Griechenland und Italien sind – und das auch noch ohne Wahlen –, dann finde ich das schon abenteuerlich; ich will gar nicht darüber reden. Herr Schäuble schlägt den Griechen vor, die Wahlen zu verschieben, weil sie ihm nicht passen. Ich sage nur: Wo leben wir denn eigentlich? (Beifall bei der LINKEN) Und Innenminister Friedrich will Griechenland aus dem Euro drängen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Gysi, darf Ihnen der Kollege Beck eine Zwischenfrage stellen? Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Ja. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte Sie fragen, was Sie uns gerade mit den Aussagen zum Versailler Frieden mitteilen wollten. Wollten Sie das intonieren im Sinne von „Weg mit dem Versailler Schandfrieden“, wie das früher in der Weimarer Republik gefordert wurde? (Zurufe von der LINKEN: Oh!) Ich bin wirklich ein bisschen entsetzt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Man kann doch diese Art von Parolen nicht ohne historischen Zusammenhang aufnehmen. Was war denn 1870/71, wie war die Vorgeschichte, und was ist mit dem historischen Kontext? Wie beurteilen Sie die Auseinandersetzungen zur Verantwortlichkeit im Hinblick auf den Ersten Weltkrieg? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Unglaublich!) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Das werde ich Ihnen sagen, obwohl ich jetzt keinen gesamthistorischen Vortrag halten kann; das würde ein bisschen zu weit führen. In Versailles saßen die Siegermächte zusammen. Das war völlig korrekt, ebenso dass sie einen Vertrag geschlossen haben. Aber sie sind viel zu weit gegangen, weil sie nicht aufhören konnten, zu siegen. Dadurch haben sie Deutschland wirtschaftlich, sozial und politisch in einem Grade gedemütigt, dass Hitler mit seiner Verbrecherpartei das Ganze nutzen konnte. Das ist das, was ich ihnen vorwerfe. Da waren die Westmächte nach dem Zweiten Weltkrieg viel klüger, (Thomas Oppermann [SPD]: Was hat das jetzt mit Griechenland zu tun?) indem sie gesagt haben: So machen wir das nicht wieder, wir machen das anders. – Das ist das Entscheidende. Wenn Sie das nicht begriffen haben, dann tut es mir leid. (Beifall bei der LINKEN – Thomas Oppermann [SPD]: Unmöglich! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schämen Sie sich! Das ist wirklich relativ!) Jetzt komme ich leider nicht mehr zum Fiskalvertrag; ich sage hierzu aber kurz Folgendes: Der Fiskalvertrag ist deshalb eine Katastrophe, weil Sie die Schuldenbremse in ganz Europa einführen. Diese macht aber die Politik handlungsunfähig. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Im Gegenteil!) Damit werden die Zustände immer undemokratischer. Egal welche Regierung an der Macht ist, sie kann nicht mehr verantwortungsbewusst handeln. Sie übertragen jetzt den falschen Weg, den Deutschland mit der Agenda 2010 und mit der Schuldenbremse eingeschlagen hat, auf ganz Europa. An unserem Wesen werden die Leute nicht genesen. (Beifall bei der LINKEN) Wir müssen in Bezug auf Europa endlich klüger werden. Zum Schluss – meine Redezeit geht zu Ende, Herr Bundestagspräsident – sage ich Ihnen noch Folgendes: Ich habe die tapfere Oppositionsrede von Herrn Steinbrück gehört, jetzt wird auch Frau Künast eine tapfere Oppositionsrede halten, und dann stimmen Sie der Regierungsvorlage wieder zu. Das ist immer dasselbe. (Thomas Oppermann [SPD]: Aber dass Ihre Rede jetzt vorbei ist, da können wir froh sein!) Egal ob ich an den Afghanistan-Krieg, die Agenda 2010 – Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): – oder die Griechenland-Pakete denke: Immer herrscht zwischen Union, SPD, FDP und Grünen eine Konsenssoße. Aber zum Glück gibt es noch die Linke und damit eine Kraft, die den Mut hat, Nein zu sagen. Danke schön. (Anhaltender Beifall bei der LINKEN – Thomas Oppermann [SPD]: Gut, dass die Rede vorbei ist!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Volker Kauder für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Volker Kauder (CDU/CSU): Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich bin nicht sprachlos, nur ein wenig erkältet. Aber nach den historischen Kenntnissen, die Gregor Gysi hier vorgetragen hat, könnte man sprachlos sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es war eine unglaubliche Interpretation des Geschehens im Zusammenhang mit dem Ausgang des Ersten Weltkrieges. (Sigmar Gabriel [SPD]: Es waren keine Kenntnisse! – Zuruf von der LINKEN: Sie haben doch keine Ahnung vom Versailler Vertrag!) Noch etwas, Herr Gysi: Ich finde es nicht richtig, dass Sie hier lachend und grinsend vom Rednerpult gegangen sind. Auch für die Opposition ist es eine Frage der Verantwortung, wenn es darauf ankommt, zum Euro und zu unserem Land zu stehen. Diese Verantwortung nehmen Sie gerade nicht wahr, Herr Gysi. Das ist der Unterschied. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich begrüße es außerordentlich, dass der Kollege Steinbrück gesagt hat, dass die SPD-Bundestagsfraktion mit großer Mehrheit zustimmen wird. Aber dann, Herr Steinbrück, hört es mit den Gemeinsamkeiten auch schon weitgehend auf. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich finde es schon sehr mutig von Ihnen, sich hier hinzustellen und Prognosen abzugeben, was passieren wird und was nicht. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber besser als die von Friedrich!) Weil ich schon damals dem Bundestag angehört habe, erinnere ich mich noch sehr gut daran, welche Prognosen die Sozialdemokraten und ihr Bundeskanzler Gerhard Schröder abgegeben haben, als wir vor der Aufnahme Griechenlands in die Euro-Zone gewarnt haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie da vorne gesagt worden ist, das sei alles kein Problem. Wer sich schon bei dieser Frage so granatenmäßig geirrt hat, der braucht uns hier keine Belehrungen zu geben, was passieren wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf der Abg. Petra Merkel [Berlin] [SPD]) Jetzt schauen wir uns doch einmal die Entwicklung an. Es war völlig richtig, dass wir von Anfang an gesagt haben: Es geht um den Euro, es geht um Europa, es geht auch um die Zukunft unseres eigenen Landes; deswegen sind wir zur Hilfe und Solidarität bereit. Deswegen war für uns, für die überwiegende Mehrheit unserer Koalition, völlig klar, dass wir den Griechen die Chance geben wollen, dass sie in der Euro-Zone wieder auf die Füße kommen und vorankommen. Wir haben gesagt: Dafür gibt es Hilfe; es müssen aber auch notwendige Maßnahmen ergriffen werden. Ich kann nur sagen: Gott sei Dank ist das in dieser Situation von der Regierungskoalition, von der Bundeskanzlerin und vom Bundesfinanzminister so formuliert worden. Wenn Sie an der Regierung gewesen wären, hätten Sie versucht, Ihren Fehler, den Sie damals, 2000, gemacht haben, dadurch zu kaschieren, dass Sie eine Vergemeinschaftung der Schulden durch Euro-Bonds vorangetrieben hätten. Das wäre ein glatter Fehler gewesen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es hätte in Griechenland nichts bewirkt, null. Deswegen kann ich nur sagen: völlig auf der falschen Fährte. Im Übrigen waren Sie sich nicht ganz sicher – ich habe mir das einmal angeschaut, Herr Steinbrück –: einmal für Euro-Bonds, dann wieder dagegen. Vielleicht waren Sie da, wie Frau Künast sagen würde, ein bisschen von der Wirklichkeit getrieben. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat es verstanden!) Das ist im Übrigen kein Fehler; denn, Frau Künast, Politik beginnt immer mit dem Betrachten der Wirklichkeit, nicht mit grüner Ideologie. Das will ich einmal klar und deutlich formulieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir sind in Europa Schritt für Schritt vorangekommen. Ich finde es wirklich unglaublich, sich hier im Deutschen Bundestag hinzustellen und so zu tun, als ob sich überhaupt nichts bewegt hätte, als ob überhaupt nichts vorangegangen wäre. Ich will Ihnen einmal sagen: Ich habe großen Respekt vor den Leistungen, die die Iren erbracht haben. Ich habe großen Respekt vor dem, was die Spanier und die Portugiesen vorangebracht haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es ist also total falsch, hier zu sagen, die Politik, die von der Regierung und der Koalition gemacht worden ist, sei nicht erfolgreich. Es hat sich bewährt, dass wir gesagt haben: Wir gehen hier Schritt für Schritt vor und versuchen, zu erreichen, dass es keine Ansteckung gibt. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es war eine Forderung auch aus der Opposition, aber vor allem von uns, dass der private Sektor beteiligt wird. (Zurufe von der SPD) Das war nicht einfach. Ich bin außerordentlich dankbar, dass genau dieser Punkt, der uns in der Koalition so wichtig war, von der Regierung eins zu eins umgesetzt worden ist. Das, was dort erreicht wurde, ist ein wirklich großer Erfolg. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Geschichtsklitterei, Herr Kauder!) Ich habe Verständnis dafür, dass sich manche Rentner und Menschen mit kleinem Einkommen in Griechenland die Frage stellen: Was ist denn eigentlich passiert? Wie kann es weitergehen? Wie kriegen wir wieder eine Perspektive? Aber, Herr Steinbrück, ich habe überhaupt kein Verständnis, wenn Sie den Eindruck erwecken – so ist es wenigstens bei mir angekommen; ich hoffe, Sie haben es nicht so gemeint –, dass Sie Verständnis dafür haben, dass einige in Griechenland unsere Spitzenpolitiker verunglimpfen und von ihnen ein Bild zeichnen, das nicht akzeptabel ist, das wir in keinster Weise akzeptieren können. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Herr Kauder, wo hat Herr Steinbrück denn das gemacht? Erzählen Sie doch nicht solch einen Unsinn hier!) Es zeichnet sich jetzt ab, dass diejenigen, die in Griechenland Verantwortung tragen, durchaus Verständnis für unser Tun haben. Es war schon beeindruckend, dass eine ganze Reihe von Spitzenpolitikern gesagt hat, dass sie zu den notwendigen Reformmaßnahmen stehen. Das wäre vor einigen Monaten noch nicht der Fall gewesen. Wir haben also erreicht, dass sich ein Bewusstseinswandel vollzogen hat. Natürlich stellt man sich auch in unserem Land Fragen, zum Beispiel: Warum muss Griechenland so geholfen werden? Dann ist man sehr schnell dabei, zu sagen: Eigentlich habt ihr recht, auch wir haben unsere Zweifel. – Ich weiß, dass auch in meiner Fraktion der eine oder andere der Meinung ist, dass man einen anderen Weg beschreiten müsste. (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Sogar im Kabinett! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur in der Fraktion, auch in der Bundesregierung!) – Das gibt es bei Ihnen offenbar auch, Herr Trittin; seien Sie vorsichtig. Wahrscheinlich ist es bei Ihnen selber so, dass Sie reden und gleichzeitig Zweifel am Gesagten haben; das kennen wir auch. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) Ich will auf Folgendes hinweisen: Natürlich haben wir diese Frage diskutiert. Nach reiflicher Überlegung sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass die Risiken, wenn wir es anders machen als jetzt und Griechenland nicht mit entsprechenden Auflagen helfen, zu groß sind; denn niemand kann sagen, was es für Folgen für den einzelnen Sparer in unserem Land hat, wenn wir jetzt die falschen Entscheidungen treffen. Deswegen haben wir uns für dieses Programm entschieden. Wir als Koalition werden dem Antrag der Bundesregierung zustimmen. Es ist eine Hilfe für Griechenland, für Europa, aber es liegt auch in unserem ureigenen nationalen Interesse. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wolfgang Schäuble hat darauf hingewiesen, dass wir mit diesem zweiten Griechenland-Paket einen entscheidenden Schritt tun. Ich bin übrigens außerordentlich dankbar dafür, dass der IWF dabei ist. Man muss angesichts der Situation sagen: Ohne IWF wären wir nicht auf diesen richtigen und guten Weg gekommen. Darauf muss man ausdrücklich hinweisen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der IWF legt Programme nur für drei Jahre auf, und dann schaut er sich das Ganze wieder an. Deswegen ist es doch völlig richtig, dass wir uns auf die nächsten drei Jahre konzentrieren mit der Perspektive, dass es vorangeht. Es ist natürlich auch richtig, dass sich jetzt die Staats- und Regierungschefs darüber unterhalten, wie wir Griechenland eine Wachstumsperspektive eröffnen können. Man wird sicher überlegen müssen, Frau Bundeskanzlerin, wie man es den Griechen leichter machen kann, dass sie die Gelder, die im Rahmen der europäischen Strukturfonds zur Verfügung stehen, tatsächlich einsetzen können. Ich weiß sehr wohl, dass gesagt wird: Wenn auf den Eigenanteil verzichtet wird, dann ist das ein Problem. Aber wir würden zustimmen, dass in einer solchen Ausnahmesituation bei ganz bestimmten Programmen dieser Weg gegangen wird, um dem Land wieder eine Perspektive zu geben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist eine Art Marshallplan, den wir für richtig halten würden. Diesen Weg bei den nächsten Beratungen in Brüssel einzuschlagen, dazu möchten wir Sie ermuntern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle haben uns diese Situation nicht ausgesucht. Für uns alle ist es nicht leicht, immer wieder mit diesen Fragen konfrontiert zu werden, sich in Sondersitzungen außerhalb der üblichen Sitzungen mit diesen Themen zu befassen und die Ergebnisse den Menschen draußen im Land zu erklären. Aber ich kann nur sagen: Es gibt Augenblicke in der Geschichte, in denen es wirklich darauf ankommt, geschlossen das Richtige zu tun und den einen oder anderen Zweifel zurückzustellen, um die Zukunft zu gewinnen. In einer solchen Situation sind wir. (Thomas Oppermann [SPD]: Ihre Fraktion!) Deswegen werden wir dem Antrag der Bundesregierung zustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält jetzt die Kollegin Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Merkel, wir stehen jetzt erneut hier. Vor fast zwei Jahren, als es um das erste Griechenland-Paket ging, standen wir schon einmal hier. Damals haben wir als Grüne zugestimmt. Es entspricht unserem Wertegerüst, zu sagen: Es gibt eine gemeinsame Verantwortung, nicht nur in der Euro-Zone, sondern in ganz Europa. Wir wollen kein Land in der Europäischen Union fallen lassen, und wir wollen schon gar nicht die Ärmsten der Armen in Griechenland, die Rentnerinnen und Rentner, fallen lassen. Dazu stehen wir. Unser Gerüst steht. Ich muss aber feststellen, dass Ihr Gerüst bedenklich wackelt, und zwar so sehr, dass Herr Kauder am Ende seiner Rede sogar pathetisch werden musste, um alle zusammenzubringen. Was haben wir erlebt? Sie lassen sich in der Europäischen Union „Madame Non“ nennen – Sie haben sich dort den Ruf erarbeitet, dass Sie das Europäische nicht weiterentwickeln wollen –, und zu Hause lassen Sie sich von der Bild-Zeitung als eiserne Lady feiern. Frau Merkel, das Feuer der Krise in Europa ist durch Ihr Zögern und Zaudern erst richtig angefacht worden. Deshalb befinden wir uns heute in dieser Situation. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich habe eigentlich nicht damit gerechnet, dass das jemals passieren würde, aber ich muss doch sagen: Helmut Kohl hätte in einer solchen historischen Situation keine Sekunde gezögert oder gezaudert. Er hätte dagestanden als einer, der sich für die Weiterentwicklung Europas einsetzt, und hätte gestaltet, während Sie Ihre Handtasche und das Portemonnaie darin wie die eiserne Lady festhalten und de facto sagen: „Wir geben nichts“, (Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ein Blödsinn!) während Sie sich im Luftraum über den Stammtischen in Europa und in Bayern aufhalten. Ich aber sage: Frau Merkel, knallhartes Sparen allein hilft uns nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Brüderle, ich glaube, Sie haben verstanden, was ich meine, wenn ich in diesem Zusammenhang sage: von der Realität getrieben. Alle Vorschläge, die von dieser Koalition gemacht wurden, waren schon nach kurzer Zeit nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem sie standen, weil die Vorschläge immer von der Realität überholt wurden. Leider ist dies immer noch der Fall. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich muss eine Sache ansprechen, die ich entgeistert zur Kenntnis genommen habe – Frau Merkel, ich gebe zu, dass Sie dieses Thema angetippt haben; das, was Sie dazu gesagt haben, war mir aber, ehrlich gesagt, zu wenig –: Mittlerweile haben Sie nicht einmal mehr Ihr eigenes Kabinett im Griff. Dass selbst im Kabinett keine Rededisziplin mehr herrscht und man nicht mehr an die eigene Strategie glaubt, ist schon ein unglaublicher Vorgang. Überhaupt gibt es lauter unglaubliche Vorgänge. Der Wirtschaftsminister kümmert sich um Frösche und philosophiert darüber, und der Bundesinnenminister erzählt uns, man solle Griechenland lieber Anreize bieten, um aus der Euro-Zone herauszugehen. Was ist das denn für ein Unsinn? Wenn Griechenland geht, gehen auch andere. Dann haben wir einen Dominoeffekt. Dieses Gerede führt in Griechenland zu Kapitalflucht. Die Kapitalflucht führt dazu, dass es Griechenland noch schneller noch schlechter geht. Das, was Herr Friedrich gemacht hat, ist Brandbeschleunigung. Das hätten Sie mit klaren Worten zurückweisen müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU) Jeder erzählt munter, wie es geht. Wir brauchen aber etwas anderes. Gerade weil wir merken, dass Griechenland an den Intentionen Deutschlands zweifelt und manches Plakat und manches Titelblatt als historischer Missgriff bezeichnet werden kann – das muss man sich nicht gefallen lassen –, müssen wir hier deutlich machen: Wir sagen Ja zu Europa, wir sagen Ja zum Weiterbau Europas, und wir sind wild entschlossen, den Griechen zu helfen, und zwar nicht nur beim Sparen, sondern auch bei der Schaffung ordentlich bezahlter Jobs und beim Aufbau einer ordentlichen Wirtschaft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Die kürzen doch nur die Löhne, und ihr stimmt zu! Die Renten kürzen sie auch, und ihr stimmt auch zu!) – Mit dem einfachen Klappklapp der Linken geht es nicht. Sie haben ja nicht einmal beim Versailler Vertrag die Geschichte verstanden. Wir sagen eines ganz klar: Dieses Paket ist nötig und sinnvoll, aber es kommt sehr spät. Es ist – aber deshalb kann man nicht die Zustimmung verweigern – leider nicht ausreichend für das, was gebraucht wird. Frau Merkel, Sie haben in der ganzen Zeit der politischen Auseinandersetzung darüber mehrere Fehler gemacht. Sie haben am Anfang immer nur das Glück der Gläubiger und der Commerzbank im Kopf gehabt. Sie haben sich dem Schuldenschnitt und der privaten Beteiligung nicht genähert. Sie haben immer wieder erklärt, ein nächster Schritt oder eine Aufstockung müsste nicht sein. Da halte ich es lieber nicht mit Friedrich und nicht mit Kampeter, der nicht die Wahrheit sagt, sondern lieber mit Herrn Schäuble, der schon heute zugibt, dass ein drittes Rettungspaket nicht ausgeschlossen werden kann. Meine Damen und Herren, sagen wir dem Land die Wahrheit! Eine gute, prosperierende Entwicklung in Europa, eine gute Wirtschaft, gute Jobs und gute Einnahmen in Bund, Ländern und Kommunen sind nur bei einer funktionierenden Euro-Zone und einer neuen Wirtschaftsregierung in Europa möglich. Sie erreicht man nicht, indem man den Menschen keinen reinen Wein einschenkt, sondern sie in einer Sicherheit wiegt, in der wir uns gar nicht befinden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Viele haben es hier schon gesagt: Nur durch Sparen wird Griechenland nie aus der Krise herauskommen, Frau Merkel; denn so wird Griechenland am Ende kaputtgespart. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Und deshalb stimmt ihr zu?) Wir brauchen jetzt Folgendes: Wir brauchen den Stopp der fatalen Abwärtsspirale, in der sich Griechenland gerade befindet. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ihr stimmt doch zu!) Deshalb geht es jetzt darum, Griechenland die Hand zu reichen und dafür Sorge zu tragen, dass es kein Fass ohne Boden gibt, sondern dass ein Boden eingezogen wird. Das heißt, es muss ein europäisches Investitionsprogramm geschaffen werden, eine Art Marshallplan. Da müssten wir schon längst weiter sein, als Sie es in allen Ihren Vorlagen sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Zu den Zielen, die sich Europa selbst gesetzt hat, gehört, jetzt loszulegen und einen ganz konkreten Vorschlag dafür zu machen – und nicht nur mit Investoren hinfahren und herumschwadronieren, Herr Rösler –, wie man eine Taskforce aus Vertretern der griechischen Regierung, lokalen Regierungen, potenziellen Investoren und vielleicht auch der EU-Verwaltung einrichtet, mithilfe derer in einzelnen Segmenten bürokratische und rechtliche Hindernisse beseitigt werden, um dort eine funktionsfähige Wirtschaft bzw. Wirtschaftszweige aufzubauen. Was ist denn zum Beispiel mit dem Helios-Projekt und den erneuerbaren Energien, damit Griechenland von den teuren Öl- und Gasimporten wegkommt? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wie wäre es denn mit Investitionen in den Netzausbau und in die Infrastruktur sowie dem Ausbau des Tourismus, wovon es viel mehr geben könnte? Nur mit solchen konkreten Maßnahmen kommen wir weiter. Was Griechenland in diesem Zusammenhang braucht, ist nicht nur Sparen auf dem Rücken der Ärmsten und Armen, sondern ein Programm, mit dem die Wirtschaft in einigen Regionen tatsächlich losgeht, ein Programm, das den Griechen ein Stück Zeit gibt, und ein Programm – dies sage ich bewusst in Richtung FDP –, das natürlich auch finanziert werden kann. Deshalb noch einmal: Wir brauchen eine Finanztransaktionsteuer. Genau die könnte Griechenland helfen, das, was die Finanzmärkte angerichtet haben, zu beseitigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich muss schon sagen, Frau Merkel: Gemeinhin muss man feststellen, dass der Kern der Krise Vertrauen ist. Deshalb habe ich gerade einmal auf Helmut Kohl rekurriert, bei dem immer alle wussten, dass sie darauf vertrauen können, dass er dieses europäische Projekt vorantreiben will. Das tun Sie nicht. Sie kommen mit einem Fiskalpakt, den wir demnächst zur Notifizierung vorgelegt bekommen und von dem Sie behaupten, er sei ein scharfer Wachhund gegenüber dem bisherigen Schlen-drian. Aber wenn ich daraufgucke, dann muss ich feststellen, dass es kein scharfer Wachhund ist, sondern ein klappriges Gebiss; denn Sie haben die Sanktionen nicht einmal so geregelt, dass Sie die Regeln des Fiskalpaktes am Ende auch durchsetzen können. Das Geld wird sehr einseitig eingesetzt, es gibt keine Investitionen in neue Jobs. Ich kann Ihnen eines sagen: Es ist richtig, für die nachfolgenden Generationen ein Zeichen für mehr Haushaltsdisziplin zu setzen, wobei jedes Kind schon heute 20 000 Euro Schulden hat. Aber dieser Fiskalpakt hat jede Menge Mängel. Zum Schluss bleibt mir nur eines festzustellen: Wir werden dem vorliegenden Antrag heute im Bundestag zustimmen, (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aha! Interessant!) weil es um den Erhalt der Europäischen Union geht. Ihnen von den Linken sage ich: Es reicht nicht, im Leben links zu sein und links zu tönen. Man muss auch dafür sorgen, dass den Armen und Ärmsten und den Rentnerinnen und Rentnern nicht durch einen ungeordneten Staatsbankrott das letzte Geld aus dem Portemonnaie gezogen wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ihr habt keine Lösung. Ihr wisst nicht, wie Griechenland Mitte März dieses Jahres seine Kredite zurückzahlen soll. Man muss beides machen: Man muss akut helfen und gleichzeitig ein zweites Standbein aufbauen, indem man Griechenland hilft – zum Beispiel bei den Reformen, beim Abbau der Korruption und bei der Verwaltungsreform – und ein gezieltes Investitionsprogramm für neue Jobs auf den Weg bringt. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Da klatscht noch nicht einmal die eigene Fraktion! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ihr seid Lohnkürzer!) Das sollte die Botschaft des heutigen Tages sein. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sagen Sie das lieber mal Ihrer eigenen Fraktion! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aha! Also Rentenkürzung und Lohnkürzung, ja?) Ich sage eines ganz klar: Die Europäische Union ist ein elementares deutsches Interesse, weil wir die Globalisierung sozial gestalten wollen und weil wir den Klimaschutz wollen. Wir wollen keine Europäische Union, in der die Reichen immer reicher werden, sondern eine Europäische Union, in der jeder Mann und jede Frau eine Chance hat. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zum Schluss. – Unter diesem Gesichtspunkt muss man eines sagen: Die Pleite Griechenlands kann man im Interesse der Griechinnen und Griechen nicht wollen. Man kann sie auch mit Blick auf die gesamte Europäische Union nicht wollen. Deshalb stimmen wir heute zu. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aha!) Zugleich weisen wir allerdings darauf hin, dass es weiter zu arbeiten gilt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Also: Rentenkürzung und Lohnkürzung!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Hermann Otto Solms ist der nächste Redner für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP ist die einzige Partei, die ihre Mitglieder zu diesem Thema befragt hat; (Lachen bei Abgeordneten der SPD – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ihr habt ja auch nur so wenige! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja! Das war von langer Hand von der Parteiführung geplant! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das beantragt, Herr Solms?) es wäre gut gewesen, auch Sie hätten das gemacht. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Diese Befragung führte zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit unserer Mitglieder die Politik der Koalition trotz der kritischen Stimmung, die in dieser Frage in Deutschland herrscht, unterstützt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wie viele haben denn teilgenommen?) Wir sind der Meinung, dass wir aus europäischer Solidarität, aber auch aus Solidarität mit den Griechen vernünftige Hilfe leisten müssen. Es ist nicht so, Frau Künast, dass nichts gegeben wird. Zu dem Vergleich mit Versailles, Herr Gysi, kann ich nur sagen: Das war voll daneben. (Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Überhaupt nicht!) Der Versailler Vertrag hatte zur Folge, dass das Deutsche Reich ausgeblutet ist und das Geld entzogen worden ist. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aha!) Was wir mit Griechenland machen, ist das genaue Gegenteil. (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der LINKEN) Wir haben dem Land zuerst 110 Milliarden Euro gegeben, und jetzt stellen wir weitere 130 Milliarden Euro bereit. Wir zahlen dem Land also riesige Beträge. Aber wir stellen das Geld nicht einfach so zur Verfügung. Für diese Leistung muss es eine Gegenleistung geben. Griechenland muss bereit sein, seine Strukturen so zu verändern, dass das Geld vernünftig eingesetzt werden kann. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Im Rahmen der Fonds, die es auf europäischer Ebene gibt, steht Geld zur Verfügung, das in Griechenland gar nicht abgerufen werden kann, weil die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Wir sorgen dafür, dass die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Betätigung, für Wettbewerb und für Investitionen in Griechenland so gestaltet werden, dass es für Investoren Sinn macht, dort tätig zu werden. Eine Reihe von deutschen mittelständischen Unternehmern ist gemeinsam mit Herrn Rösler nach Griechenland gereist. Dass die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind, haben sie nicht gesehen. Dies muss jetzt geschehen. Dafür zu sorgen, ist unsere Aufgabe. Zu der Forderung, Griechenland solle aus dem Euro-Raum austreten, muss ich sagen: Diese Forderung kommt zwei Jahre zu spät. Herr Friedrich, wenn Sie das ernst meinen, hätten Sie Ihre Kritik vor zwei Jahren äußern sollen; ich habe meine Kritik damals zu Protokoll gegeben. Heute sind wir nämlich einen Riesenschritt weiter, und zwar auf dem Weg in eine Stabilitätsunion und nicht in eine Transferunion, der einige von Ihnen noch anhängen, Stichwort Euro-Bonds. Schauen Sie sich doch an, welche Veränderungen in Irland, Portugal, Spanien und selbst in Italien mittlerweile auf den Weg gebracht worden sind. Schauen Sie sich an, was bei der Rekapitalisierung der Banken in Europa geschehen ist. Die Stabilität des Bankensektors ist doch deutlich gesteigert worden. Schauen Sie sich an, welche Regulierungen wir an den Finanzmärkten eingeführt haben. Sie vergessen das ja anscheinend immer wieder. Wir haben die Bankenabgabe eingeführt, wir haben Leerverkäufe verboten, wir haben die Hedgefonds reguliert, die Herr Eichel seinerzeit nichtreguliert eingeführt hat, wir haben mit einem speziellen Gesetz die Bankenrestrukturierung vorgenommen, und wir haben in Europa dafür gesorgt, dass die Ratingagenturen gemeldet und genehmigt werden müssen. Wir sind also auch hier schon einen Riesenschritt weiter. Sie diskutieren immer nur so, als wären wir noch auf dem Stand von vor zwei Jahren. Das ist längst Vergangenheit. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind auf einem guten Weg. Wir halten diese Entwicklung für ausgesprochen unterstützenswert. Wir wissen aber, dass auf dem Weg immer auch Fehler geschehen können. Das ist nicht schlimm. Man muss die Fehler dann korrigieren und den Griechen eben auch sagen: Hier habt ihr zusätzliche Leistungen zu erbringen, das seid ihr unserer Solidarität schuldig. Das ist Geben und Nehmen und beruht auf Gegenseitigkeit. Auf dieser Basis sollten alle in diesem Hause diesem Antrag zustimmen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Carsten Schneider erhält nun das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Solms, Sie haben eben darauf rekurriert, dass man, wenn man Fehler gemacht hat, sie auch korrigieren muss. Das ist grundsätzlich richtig. Mit dem jetzigen Programm für Griechenland korrigieren Sie einen Fehler, nämlich den, eine Beteiligung privater Gläubiger an der Sanierung Griechenlands auszuschließen, wie das bisher der Fall war. Auch das ist ein Grund, weshalb wir dieses Mal zustimmen werden. (Beifall bei der SPD) Peer Steinbrück hat es schon gesagt: Wir haben von Beginn an gefordert, dass der Finanzsektor einen maßgeblichen Beitrag für die Sanierung und die Wiederherstellung der Ordnung der öffentlichen Finanzen in -Europa leisten muss. Ich kann hinsichtlich der Finanztransaktionsteuer nur unterstreichen: Sie ist notwendig. Sie wehren sich aber dagegen, dass auch diejenigen einen Teil der Last tragen müssen, die in den vergangenen Jahren profitiert haben. (Beifall bei der SPD) Die Beteiligung des Privatsektors haben wir als Sozialdemokraten als einen von zwei Marksteinen von Anfang an gefordert. Diejenigen, die über Jahre hinweg hohe Zinsen erhalten haben, müssen auch an der Sanierung beteiligt werden. Das passiert jetzt. Das ist der erste richtige Schritt. Über den zweiten Schritt, der aufgrund der Analyse hinzukommen müsste, können Sie heute im Handelsblatt etwas nachlesen. Ihr Sachverständigenrat zur -Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung empfiehlt Ihnen, auch das Thema Wachstum noch viel mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Man muss ganz klar sagen: Hier gibt es eine große Lücke. Nichts aus dem bisher bestehenden Programm hilft, Wachstum oder Stabilität in Griechenland, geschweige denn in Europa, zu generieren. (Beifall bei der SPD) Wir haben hier 2004, 2005, 2006 gezeigt, dass man auch mit aktivierender – Herr Brüderle, Sie haben das vorhin „keynesianisch“ genannt – – (Otto Fricke [FDP]: Linkskeynesianisch!) – „Linkskeynesianisch“! Nennen Sie es, wie Sie wollen. – Heute profitieren Sie durch die guten Arbeitsmarktzahlen davon, dass wir das damals gemacht haben. (Beifall bei der SPD – Rainer Brüderle [FDP]: Hartz IV!) Mit dem neuen Griechenland-Programm, das mit einem Volumen von 154 Milliarden Euro – das Haftungsvolumen Deutschlands beträgt 44,4 Milliarden Euro – auf zwei Jahre angelegt ist, ist klar, dass Griechenland mindestens in den nächsten zwei Jahren vom Kapitalmarkt weg sein wird. Das heißt, Private werden sich an der Finanzierung nicht mehr beteiligen. Ich finde, es gehört zur Ehrlichkeit dazu, zu sagen – Peer Steinbrück hat das vorhin zu Beginn der Analyse gesagt –, dass es auch nach zwei Jahren nicht anders sein wird. Es wird uns etwas kosten, Griechenland dauerhaft im Euro und in der Europäischen Union zu halten, aber das ist es uns wert, weil uns der Erhalt der Europäischen Union und vor allen Dingen auch der europäischen Währung das wert sein müssen. Alle anderen Alternativen, die es gibt, sind deutlich teurer. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das hat vor allem damit zu tun, dass Sie sich in der Koalition in den letzten zwei Jahren nie sicher waren, was eigentlich das Problem ist, was man dagegen tun kann, wie man es dem Volke sagen kann und ob Sie es sich überhaupt trauen. Bisher gab es nur einen einzigen vernünftigen Krisenhelfer, und das war die Europäische Zentralbank. Sie hat Ende vergangenen Jahres mit den 500 Milliarden Euro den Banken noch ein Aspirin gegeben und wird das in dieser Woche erneut tun, indem sie den Banken unbegrenzte Liquidität gewährt. Das hilft aber nur kurzfristig, nicht dauerhaft. Deswegen ist die Lösung Griechenlands für den Finanzsektor, aber auch zugunsten des Vertrauens in die politische Handlungsfähigkeit der Europäischen Union – denn darum geht es –, sich nicht von den Märkten diktieren zu lassen, ob wir eine Staatengemeinschaft mit einer gemeinsamen Vorstellung von Recht und Ordnung, von Freiheit, Sicherheit, Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit sind oder nicht. Deswegen brauchen wir stabile Mechanismen, die uns in manchen Punkten von den Märkten unabhängig machen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die heutige Debatte ist ein Zwischenspiel für das, was im März mit einer Ausweitung des dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus noch kommen wird. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Aber ich glaube, dass das vor der Abstimmung für die Kollegen von Bedeutung ist. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das gilt aber für andere Redner natürlich meistens auch. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Natürlich. – Es ist nur ein erster Schritt, und Sie werden auch an dieser Stelle wieder eingeholt werden und wenn nicht einer Ausweitung, dann zumindest einer Pa-rallelität der beiden Fonds, die wir derzeit haben, zustimmen. Denn das hat auch das G-20-Treffen am Wochenende gezeigt: Wir können von anderen Ländern keine Solidarität erwarten, wenn wir nicht selbst bereit sind, sie zu gewähren. Wir von der SPD sind dazu bereit. (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort hat nun die Kollegin Gerda Hasselfeldt für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – -Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Warum redet nicht Herr Friedrich für die CSU?) Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vereinbarungen zu Griechenland in der vergangenen Woche und die Vorschläge zum Fiskalpakt sind ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise in den Euro-Ländern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Sie sind auch die logische Konsequenz unseres bisherigen Kurses. Dieser Kurs war und ist von Solidarität auf der einen Seite und Eigenverantwortung auf der anderen Seite geprägt. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehen das alle in der Landesgruppe so?) Aber beides, die Solidarität und die Eigenverantwortlichkeit, gehört zusammen. Die Fortsetzung dieses Kurses haben wir mit dem Griechenlandpaket unter Beweis gestellt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Hasselfeldt, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fritz Kuhn zu? Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU): Ja, freilich. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Hasselfeldt, wie man schon am Dialekt unschwer erkennen kann, sind Sie von der CSU. Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU): Wie schön, dass Sie Bayern mit der CSU gleichsetzen, Herr Kuhn! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Max Straubinger [CDU/CSU]: Alle Bayern sind so!) Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So leicht kriegt man Beifall. Aber im Ernst: Wir wollen von Ihnen, der Chefin der Landesgruppe, wissen, wie Sie die Äußerungen des Innenministers – er ist gerade hereingekommen – einschätzen. Sie stehen nämlich in einem gewissen Widerspruch zu dem, was Sie eben in Ihrer Rede gesagt haben. Teilen Sie die Äußerungen, oder lehnen Sie sie ab? Wie wird er abstimmen? Haben Sie mit ihm geredet? Das sind die Punkte, die uns alle interessieren. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN) Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU): Herr Kuhn, ich empfehle Ihnen, alles zu lesen, was über die Äußerungen von Herrn Minister Friedrich zu lesen war. Dann wird Folgendes deutlich: Erstens. Er wird dem Griechenlandpaket zustimmen. Das sage nicht ich über ihn, sondern das hat er selbst gesagt. (Thomas Oppermann [SPD]: Freiwillig?) – Natürlich. Zweitens hat er deutlich gemacht, dass Griechenland jetzt wirklich an den Wettbewerbsstrukturen arbeiten und die Auflagen erfüllen muss. Griechenland darf nicht nur Maßnahmen ankündigen, sondern muss auch Taten folgen lassen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Im Übrigen gilt der Grundsatz: Wenn ein Land dazu nicht in der Lage und langfristig auch nicht dazu bereit ist, dann muss man über andere Wege nachdenken. Aber jetzt ist eindeutig festzustellen: Dieser Weg ist eine konsequente Fortsetzung von Solidarität und Eigenverantwortung. Diesen Weg werden wir auch bei der nun anstehenden Entscheidung konsequent weitergehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Es ist klar: Kein Land kann auf Dauer über seine Verhältnisse leben und darauf hoffen, dass die anderen Länder in der Gemeinschaft schon helfen werden. Deshalb gilt: Es darf nicht nur angekündigt werden. Vielmehr müssen entsprechende Anstrengungen tatsächlich unternommen werden. Dass unser Kurs grundsätzlich erfolgreich war und ist, zeigt sich an einigen Ländern, beispielsweise an Irland und Portugal. Irland ist auf dem Weg, sich in der vorgesehenen Zeit auf dem Kapitalmarkt wieder finanzieren zu können. Unser Kurs ist auch in anderen Ländern erfolgreich. Dass wir von den Auswirkungen der Situation in Griechenland bislang in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern so wenig gespürt haben und dass unsere wirtschaftliche Entwicklung und insbesondere unsere Arbeitsmarktentwicklung so gut sind, hängt damit zusammen, dass wir die richtigen, besonnenen Entscheidungen getroffen haben, und zwar Schritt für Schritt und gut vorbereitet. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Griechenland ist sicherlich ein schwieriger Einzelfall; das wird niemand bestreiten. Aber hier zeigt sich in ganz besonderer Weise, was unsolide Haushaltspolitik, gepaart mit fehlenden Wettbewerbsstrukturen, alles anrichten kann. Zur Wahrheit gehört auch, dass wir heute mit dem Problemfall Griechenland nicht so befasst wären, wenn nicht unter der rot-grünen Regierung markante Fehlentscheidungen getroffen worden wären. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Ich kann Ihnen das nicht ersparen. Alles, was Sie heute sagen, wirkt ein Stück weit unglaubwürdig. Herr -Steinbrück hat zwar beklagt, dass in Griechenland fast alles schlecht ist und nichts vorwärts geht. Aber das hätte er schon damals sehen können. Er und viele andere hätten auf unsere Warnungen hören sollen. Dann hätten wir vieles, was wir heute zu beklagen haben, nicht zu beklagen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wie Sie wissen, waren wir damals gegen den Beitritt Griechenlands zur Euro-Zone. Wir haben hier nicht da-rüber abgestimmt, sondern eine Debatte geführt, in der sich die Redner meiner Fraktion eindeutig gegen diesen Beitritt ausgesprochen haben, und zwar nicht nur ein bisschen, sodass man es hätte überhören können, sondern sehr deutlich und markant. (Beifall bei der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Hasselfeldt, darf der Kollege Heil eine Zwischenfrage stellen? Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU): Herr Heil, bitte sehr. (Zuruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Herr Kauder, ich wäre mit Namensspielen recht vorsichtig. (Volker Kauder (CDU/CSU: Sie haben allen Grund dazu!) – Können Sie das wiederholen, Herr Kauder? Ich habe Sie akustisch nicht verstanden. – Offenbar nicht. Okay, das ist Ihr Niveau. Frau Hasselfeldt, ich habe eine ernsthafte Frage. Können Sie bestätigen, dass damals die Vertreterinnen und Vertreter der CDU/CSU im Europäischen Parlament der Aufnahme Griechenlands zugestimmt haben, und können Sie uns das in diesem Zusammenhang erklären? Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU): Nach meinen Informationen haben damals die Vertreter der CSU – ich spreche für die CSU – bei der Landesgruppe nicht zugestimmt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – -Johannes Singhammer [CDU/CSU]: So war es! – Thomas Oppermann [SPD]: Aber die CDU hat zugestimmt?) Wir haben schon vor einem Jahr deutlich gemacht, dass weitere Hilfen für Griechenland notwendig sein werden. Wir haben damals auch deutlich gemacht: Dazu bedarf es eines Schuldenschnitts, einer Gläubigerbeteiligung. Die Verhandlungen dazu sind mittlerweile abgeschlossen. Dieser Schuldenschnitt muss gelingen. Ohne einen Beitrag der privaten Gläubiger, ohne einen erfolgreichen Schuldenschnitt können wir Griechenland keine neuen Kredite geben; denn in ein Fass ohne Boden werfen wir kein Geld. Dieser Schuldenschnitt, diese Gläubigerbeteiligung ist notwendig. Eine weitere Bedingung ist: Griechenland muss seine Hausaufgaben machen. Es darf nicht nur Maßnahmen ankündigen, sondern muss sie tatsächlich auch durchführen, und zwar glaubhaft und erfolgreich. Die Bürger haben kein Verständnis dafür, dass angekündigte Maßnahmen im Parlament verwässert werden und im End-effekt wieder nichts passiert. Deshalb ist es richtig, dass die Umsetzung der Maßnahmen überwacht wird und dass die Auszahlung der Gelder an Griechenland mit einer Kontrolle der erforderlichen Reformschritte verbunden wird. Ich bin sehr dankbar dafür, dass am nächsten Donnerstag und Freitag im Rat nicht nur die Fragen des Sparens und der soliden Haushalte eine Rolle spielen, sondern dass der Schwerpunkt der Beratungen dort auch die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der problematischen Länder ist. Die Probleme der Länder sind nicht in jedem Fall identisch; die Situation in Griechenland ist eine ganz andere als in vielen anderen europäischen Ländern, die auch Probleme haben. Deshalb muss im Detail gesagt werden, wo angesetzt werden muss und wie man helfen kann. Dass eine Diskussion über die Details der Verbesserung der Wettbewerbsstrukturen stattfindet, ist ein ermutigendes und notwendiges Zeichen. Genauso wichtig ist die Einrichtung des Sonderkontos. Dieses Sonderkonto bedeutet nicht einen unverantwortbaren Eingriff in die Souveränität des Landes, es ist auch kein Zeichen von Misstrauen, sondern es ist die entscheidende Voraussetzung für Transparenz, für die Transparenz der Einnahmen, aber auch für die Transparenz der Zinszahlungen und Tilgungen. Nur mit Transparenz kann gewährleistet werden, dass die Schuldentragfähigkeit gesichert wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wir machen uns diese Entscheidung nicht leicht. Wir haben intensive Diskussionen auch in den eigenen Reihen darüber geführt. Ich kann heute nicht nur für mich, sondern auch für die Mehrheit meiner Kollegen sagen: Wir stimmen nach bestem Wissen und Gewissen zu, nach sorgfältiger Abwägung der Konsequenzen, der -Risiken und aller Alternativen. Dabei geht es nicht um theoretische Alternativen, sondern um die praktischen Alternativen für die Menschen und ihre Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung, die soziale Entwicklung, die Arbeitsmarktentwicklung, die Rentner und die sozial Schwächeren. Diese sind es, für die wir Verantwortung haben. Die Konsequenzen unserer Entscheidungen wirken sich in diesem Fall auf deren Lebensverhältnisse in besonderer Weise aus. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Mit dem Griechenlandpaket und den Entscheidungen zur EFSF und zum ESM, also zu den beiden Rettungsschirmen, haben die leistungsstarken Länder in Europa ihre Solidarität unter Beweis gestellt. Aber diese Soli-darität ist natürlich nicht unbegrenzt. Auch Deutschland – auch wenn es noch so leistungsstark ist und über eine starke Wirtschaft verfügt – kann sich dabei nicht übernehmen. Deshalb lehnen wir auch alles, was zur Vergemeinschaftung von Schulden und zur Übernahme der Schulden der anderen Euro-Länder führt, ab. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weg mit der EZB!) Deshalb lehnen wir auch Ihren Vorschlag der Euro-Bonds ab, die Sie immer wieder ins Gespräch bringen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die Europäische Zentralbank!) Unser Ziel ist nicht eine weitere Verschuldung, unser Ziel ist nicht eine Schuldenunion. (Sigmar Gabriel [SPD]: Das machen Sie doch gerade!) Unser Ziel ist eine Stabilitätsunion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Auf dem Weg zur Stabilitätsunion sind wir durch den Fiskalpakt und das, was jetzt auf europäischer Ebene diskutiert, verabschiedet und von uns ratifiziert werden wird. Wer hätte denn noch vor einem Jahr geglaubt, dass so etwas wie die gesetzliche Verankerung der Schuldenbremsen in den nationalen Verfassungen und Gesetzen tatsächlich realisierbar wäre? Ich bin überzeugt davon: kaum jemand von Ihnen. Das wird jetzt gemacht, genauso wie die Verhängung von automatischen Sanktionen oder die Klagemöglichkeiten vor dem EuGH. Das macht deutlich: Wir sind auf dem richtigen Weg. Das ist nicht zuletzt der Hartnäckigkeit und dem Verhandlungsgeschick des Finanzministers und der Bundeskanzlerin zu verdanken. Ich möchte dafür meinen Dank und meine hohe Anerkennung aussprechen und Ihnen versichern: Auf diesem Weg haben Sie auch weiterhin unsere Unterstützung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – -Sigmar Gabriel [SPD]: Außer von Herrn Friedrich!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Klaus-Peter Willsch. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Für welche Fraktion denn?) Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche heute für den Abgeordneten Willsch und nicht für meine Fraktion. (Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Oho! Hört! Hört!) Ich will deutlich machen, dass ich meiner Fraktion in diesem Punkt nicht folgen kann. Ich halte diesen Weg, den wir hier weiter gehen, ökonomisch für grundfalsch. (Thomas Oppermann [SPD]: Sie sind also bei Herrn Friedrich!) Es ist nicht einmal 22 Monate her, dass wir uns mit dem Paket Griechenland I beschäftigt haben; das war im Mai 2010. Damals war die Situation so, dass gesagt wurde: Das ist ein einmaliger Vorgang; das ist strikt befristet und klar konditioniert. Es war die Rede von Ultima Ratio und einer einmaligen Situation. Wir alle wissen, dass das Strickmuster der Politik, zu versuchen, Länder vollständig aus der Marktfinanzierung herauszunehmen und deren Schulden über Vergemeinschaftungsstrukturen zu finanzieren, mit der EFSF und in Zukunft mit dem ESM fortgesetzt wird. Ich halte dies für einen Weg, der nicht gut ist für Europa. Ich kann auch nicht feststellen, dass sich in den letzten 22 Monaten das Zusammenleben und das Zusammenarbeiten in Europa erheblich verbessert hätten, im Gegenteil: Ich höre im Miteinander in Europa Stimmen, die wir lange nicht gehört haben und die ich nicht für positiv halte. Wenn wir durch diese Form der Politik die Signalwirkung hoher Zinsen ausschalten, dann nehmen wir damit den wesentlichen Indikator weg, der es verbietet, sich übermäßig zu verschulden. Wir versuchen, Schulden mit immer mehr neuen Schulden zu bekämpfen, und schalten das einzig wirksame Signal, das es gegenüber einer übermäßigen Verschuldung gibt, nämlich hohe Zinsen, mit dieser Form der Politik aus. Deshalb ist das keine richtige Politik. Lassen Sie mich ganz konkret noch etwas zu Griechenland sagen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es heute!) Wir haben einen Fiskalpakt verhandelt, der in der Tat Bekenntnisse enthält. Einen Teil dieser Bekenntnisse hatten wir jedoch schon im Vertrag von Maastricht, im Stabilitäts- und Wachstumspakt. Das ist nicht eingehalten worden. Der Pakt war nicht schlecht, aber er wurde nicht eingehalten. Ich hoffe, dass es dem jetzigen Fiskalpakt besser ergehen wird. Wenn wir darüber hinaus sehen, was wir an Konditionalität und wirklichen Verhaltensänderungen für das, was wir gegeben haben, erreicht haben, dann ist das Ergebnis nicht besonders positiv. Jetzt sind es 130 Milliarden Euro, das letzte Mal waren es 110 Milliarden Euro. Das sind mal schlankweg 20 Milliarden mehr; das ist das Gesamtvolumen, das der Verkehrsminister in einem Jahr zur Verfügung hat. Wir haben erlebt, dass uns versprochen wurde: Es wird erheblich privatisiert werden, um den Staat zu entschulden. In Griechenland sollten Privatisierungen im Wert von 50 Milliarden Euro erfolgen; 5 Milliarden Euro davon sollten im ersten Jahr erbracht werden. Jetzt ist das zweite Jahr um. Ende 2011 lag das Ergebnis bei den Privatisierungserlösen bei rund 400 Millionen Euro. Wir kommen dort nicht wirklich weiter, weil die staatlichen Strukturen in Griechenland so sind, wie sie sind, und weil die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Volkswirtschaft so ist, wie sie ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass Griechenland außerhalb des Euro mit der Möglichkeit, selbst währungspolitisch zu handeln, eine wirkliche Chance hätte. So wird Griechenland diese nach meiner festen Überzeugung nicht haben. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass dies nichts mit mangelnder Solidarität zu tun hat. Solidarität ist geradezu die Raison d‘Être für die EU. Die gesamte EU ist ein Modell der Solidarität. Seit der Einführung des Euro haben wir netto rund 100 Milliarden Euro aufgebracht; wir sind in der Nettozahlerposition: Wir haben also 100 Milliarden Euro mehr in die Strukturen einbezahlt, als wir herausbekommen haben. Das ist in etwa der Betrag, den Griechenland und Portugal in dieser Zeit gemeinsam erhalten haben. So viel zur Abteilung Solidarität. Darüber hinaus gab es einen so nicht geplanten Effekt, dass nämlich allein durch die Zinsvergünstigungen, die sich dadurch ergeben haben, dass sich Griechenland und andere Länder zu 3 bis 4 Prozent refinanzieren konnten, nachdem sie vorher 13 bis 14 Prozent an Zinsen bezahlt hatten, ein gewaltiger Entlastungseffekt für diese Länder eingetreten ist. Das ist nicht genutzt worden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Mein Schlusssatz: Ich denke, wir sollten hier ehrlich sein. Für mich persönlich muss ich sagen: Ich kann diesen Weg nicht mittragen, weil ich ihn ökonomisch für falsch halte, weil er das Gegenteil dessen ist, was wir den Menschen bei der Einführung des Euro versprochen haben, und weil er den nachfolgenden Generationen, also unseren Kindern und Enkeln, unzumutbare Risiken aufbürdet. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Norbert Barthle für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der redet jetzt wieder für die Koalition!) Norbert Barthle (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns nicht zum ersten Mal in diesem Hohen Hause mit der Bekämpfung der Staatsschuldenkrise und mit der Stabilisierung des Euro. Ich will doch noch einmal zusammenfassen, dass all das, was wir bisher beschlossen haben, dazu dient, Europa auf den Weg einer Stabilitätsarchitektur zu führen. Diese Architektur wird derzeit ausgearbeitet, verfeinert, eingezogen. Da befinden wir uns auf dem richtigen Weg. Zwei wichtige Seiten der einen Medaille auf diesem Wege sind einerseits das Bemühen um Stabilität – das erkennen wir im Fiskalpakt – und andererseits das Bemühen um Solidarität – das steckt in dem Griechenland-II-Paket drin. Ich bin froh, dass durch die Regierungserklärung unserer Bundeskanzlerin an dieser Stelle noch einmal klar und deutlich zum Ausdruck gebracht wurde, dass -Europa mehr ist als eine Währungsunion. Es geht um ganz Europa. Europa ist ein Hort der Stabilität, ist ein Hort des Friedens, ist ein Hort des Wohlstands und des Wachstums und der Demokratie. Deshalb geht es um mehr als nur um unsere gemeinsame Währung. Es geht um Europa. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich bin überzeugt: Europa kann aus dieser Krise gestärkt hervorgehen. Das muss unser aller Ziel sein. Deshalb muss es darum gehen, die Gemeinsamkeit zu -beschwören. Die Kritik, die von griechischer Seite an unserem Finanzminister geübt wurde, kann man nur mit Unverständnis zurückweisen. Das ist nicht förderlich. Das muss auch in aller Deutlichkeit gesagt werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Lassen Sie mich an der Stelle ein ganz deutliches Lob aussprechen an die Staats- und Regierungschefs, an die Finanzminister der Euro-Zone, die dieses zweite Griechenland-Paket ausgearbeitet haben. Denn dabei wurden wesentliche Verhandlungserfolge erzielt, die vorher so nicht zu erwarten gewesen waren. Das Volumen wurde eingehalten: 130 Milliarden Euro; da waren ganz andere Zahlen in der Diskussion. Die 120,5 Prozent an Verschuldung wurden erreicht; auch da waren andere Zahlen in der Diskussion. Der private Sektor wurde stärker einbezogen, als es vorher absehbar war. Außerdem wurde das Sonderkonto eingerichtet – unter starker Kontrolle der Troika. Das alles sind Verhandlungserfolge erst der letzten Wochen. Dafür mein hoher Respekt und meine Anerkennung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Lassen Sie mich an der Stelle noch etwas zu der Kritik von der Opposition sagen, die insbesondere von Ihnen, Herr Steinbrück, vorgetragen wurde. Im Grunde genommen ist das, was Sie kritisieren – Sie sagen, das Ziel sei richtig, aber der Weg sei falsch; die Bundeskanzlerin sei zu zögerlich und mache zu wenig –, eigentlich ein Lob in seiner schönsten Form. (Sigmar Gabriel [SPD]: Dann werden Sie aber selten gelobt!) Wir sprechen ja über ein Paket, das die Regierungschefs aller Euro-Staaten gemeinsam mit dem IWF und der EZB ausgehandelt und ausgearbeitet haben. Sie kritisieren nun die Bundeskanzlerin dafür. Damit sagen Sie de facto, dass dieses Paket die Handschrift der Kanzlerin trägt und dass alle anderen auch falsch liegen. Sie überreichen also eine Rose mit Dornen der Kritik. Aber jede Rose hat Dornen. Ich bedanke mich für diese schöne Rose, die Sie der Bundeskanzlerin überreicht haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zu Ihrem Vergleich unserer Bundeskanzlerin mit Herrn Kohl, Frau Künast: (Zuruf des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]) Bei allem Respekt vor unserem Altbundeskanzler – er ist ein überzeugter Europäer; wir erinnern uns alle an seine Regierungserklärungen; sie haben meist eineinhalb Stunden gedauert; eine Dreiviertelstunde davon ging über Europa – ist festzuhalten, dass Helmut Kohl es immer abgelehnt hat, nur den Anschein einer Führungsrolle in Europa zu erwecken. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben! Das unterscheidet ihn von Frau Merkel! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Merkel sitzt immer im Bremserhäuschen und bremst!) Lieber hat er die Trikolore oder den Union Jack dreimal am Tag gegrüßt. Angela Merkel hat diese Rolle übertragen bekommen – das war die Äußerung aller Partner in Europa. Dafür kann sie nichts. Diese Rolle ist ihr zugewachsen, und sie füllt sie aus. Ich würde mir wünschen, dass die damit verbundene Verantwortung auch von Ihnen mitgetragen wird und Sie diese billige Kritik endlich einstellen. (Zuruf des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]) Lassen Sie mich auf einen weiteren Aspekt hinweisen, durch den deutlich wird, dass das, was wir bisher zur Bekämpfung dieser Staatsschuldenkrise gemacht haben, erste Erfolge zeigt, und zwar dort, wo wir immer als Getriebene erschienen sind, nämlich auf den Finanzmärkten. Wer sich die Zinsentwicklung der letzten Wochen und Monate anschaut, der erkennt, dass nicht nur die sicheren Länder enorm günstige Zinsen für ihre Staatsanleihen erhalten, sondern insbesondere auch die Zinssätze für die Krisenländer stabiler werden. Wenn Sie sich einmal die Zinsdifferenz zwischen irischen und deutschen Staatsanleihen anschauen, dann werden Sie feststellen, dass sich diese Differenz von Mitte 2011 bis heute halbiert hat. Auch die Krisenländer werden also zunehmend stabiler und genießen mehr Vertrauen. Dasselbe gilt für Spanien, Italien, Frankreich, die Niederlande und Belgien. All diese Länder können inzwischen ihre Staatsanleihen wieder an den Märkten zu deutlich günstigeren Konditionen platzieren, als es noch vor Wochen und Monaten der Fall war. Das ist ein Ausweis dessen, dass das, was wir und die EZB machen, um diese Staatsschuldenkrise zu bekämpfen, richtig ist. Wir sind uns alle darin einig, dass Griechenland einen Sonderfall darstellt. Dennoch bin ich der Überzeugung: Griechenland hat eine weitere Chance verdient. Aber diese Chance ist mit klaren Bedingungen verknüpft. Diese klaren Bedingungen schlagen sich nieder in den sogenannten Prior Actions, also den gesetzlichen Auflagen, die Griechenland erfüllen muss, bevor Geld im Rahmen eines zweiten Paketes ausbezahlt werden kann. Weiterhin schlägt sich das nieder in der Forderung, dass der Anleihetausch erfolgreich abgeschlossen sein muss, und in unserem Wunsch, dass sich der IWF weiterhin angemessen beteiligt. Ich glaube, die Mehrheit des Hohen Hauses steht hinter diesen drei Bedingungen. Darauf legen wir auch im weiteren Verfahren wert. Vielleicht ist das die letzte Chance für Griechenland. Das wissen wir alle nicht. Es bestehen berechtigte Zweifel an der Umsetzung der jeweiligen Auflagen und an dem Willen Griechenlands, zur Umsetzung dieser Dinge beizutragen. Aber gerade deshalb braucht es eine starke Europäische Gemeinschaft und eine starke Euro-Zone, um nämlich Griechenland auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. Wir sind der Auffassung: Hilfe geschieht immer im Sinne der Subsidiarität, der Hilfe zur Selbsthilfe. Dafür stehen das zweite Griechenland-Paket und vor allem auch der Fiskalpakt, den ich als einen großen Erfolg und als einen großen Fortschritt auf dem Weg hin zu einer Stabilitätsunion in ganz Europa betrachte. Lassen Sie mich daran erinnern: Wesentlicher Bestandteil dieses Fiskalpaktes ist die Schuldenbremse. Es ist klar und deutlich erkennbar, dass gerade die Linke und auch große Teile der SPD immer gegen diese Schuldenbremse polemisieren. Auch die Gewerkschaften tun dies. (Peer Steinbrück [SPD]: Wir haben sie -erfunden!) – Das gilt vielleicht nicht für Sie, Herr Kollege. Aber viele in Ihrer Fraktion haben überhaupt kein Gefallen an der Schuldenbremse. Frau Künast, die Schuldenbremse in diesem Fiskalpakt ist ein scharfer Zahn, ein Eckzahn, der das Ganze nicht zu einem, wie Sie sagten, klapprigen Gebiss, sondern zu einem kräftigen Gebiss macht, mit dem man entsprechend zubeißen kann. Davon bin ich überzeugt. Ich wünsche daher nicht nur dafür, sondern auch für den Antrag zum zweiten Griechenland-Paket eine möglichst breite Zustimmung in diesem Hause. Darum bitte ich, und dafür werbe ich. Für Ihre Zustimmung sage ich ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Frank Schäffler. Frank Schäffler (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Griechenland hat nicht gespart. Griechenland gibt in absoluten Zahlen mehr Geld aus. Griechenlands Wirtschaft schrumpft. Griechenland verschleppt Reformen. Griechenland ist nicht wettbewerbsfähig. Griechenland verliert Kapital. Mit anderen Worten: Griechenland ist insolvent. Alle Zahlen, die uns 2010 und 2011 vorgelegt wurden, stimmten nicht. Jetzt werden uns neue Zahlen vorgelegt. Die ihnen zugrunde liegende Schuldentragfähigkeitsanalyse haben wir erst als Tischvorlage erhalten. Nun rechnet die Troika im Basisszenario mit einem Schrumpfen der Wirtschaft in diesem Jahr um 4,3 Prozent. Realistisch sind 7 bis 8 Prozent. Nach nur drei Jahren wird das Bruttoinlandsprodukt Griechenlands Ende des Jahres um 17 bis 18 Prozent geschrumpft sein. Griechenland wächst von einer niedrigeren Basis aus, wodurch sich der prozentuale Schuldenstand von 2012 bis 2020 weiter erhöhen wird. Damit ist der für das Jahr 2020 angenommene Schuldenstand von 120,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts heute schon unrealistisch. Die Annahme, dass Griechenland nächstes Jahr einen Überschuss im Primärhaushalt von 3,6 Milliarden Euro und 2014 von 9,5 Milliarden Euro erzielen kann, ist reine Illusion. Nach den öffentlich einsehbaren Zahlen Griechenlands gab Griechenland im Jahre 2011 68,9 Milliarden Euro aus. 2010 hat Griechenland 66,9 Milliarden Euro ausgegeben. Innerhalb eines Jahres sind die absoluten Ausgaben des griechischen Staates trotz aller angeblicher Sparprogramme um rund 1,9 Milliarden Euro oder 2,9 Prozent gestiegen. Es ist nichts besser geworden. Es ist alles schlimmer geworden. Jetzt meinen wir, Griechenland mit einer Austerity-Politik aus dieser Falle herauszuführen. Das kann nicht funktionieren. (Beifall des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] – Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Da hat er recht!) Deshalb ist es entscheidend, dass Griechenland da Wachstumsimpulse setzt, wo es notwendig ist. Aber Griechenland macht das nicht. Griechenland gibt zum Beispiel für den Militäretat mehr Geld aus als in der Vergangenheit. 2010 hat Griechenland 4,5 Milliarden Euro im Militärhaushalt ausgegeben, 2011 sollen es 4,73 Milliarden sein und 2013 4,63 Milliarden. Griechenland gibt im Militärhaushalt also mehr Geld aus als im Jahr 2010. Daran sehen Sie, dass die Weichen falsch gestellt werden. Griechenland hat im Euro keine Chance, wettbewerbsfähig zu werden. Griechenland muss vielmehr zweierlei hinbekommen: Zum einen muss es aus der Währungsunion austreten. Verbunden werden muss das zum anderen mit einem wirklichen Schuldenschnitt, der seinen Namen auch verdient. Der beschlossene Schuldenschnitt wird vom europäischen Steuerzahler finanziert: Von den 107 Milliarden Euro stammen 50 Milliarden Euro aus dem Programm zur Rekapitalisierung der Banken, und weitere 30 Milliarden Euro dienen dazu, das Umtauschangebot attraktiv zu machen. 80 Milliarden der 107 Milliarden Euro kommen vom europäischen Steuerzahler. Das ist keine Beteiligung privater Gläubiger, wie ich sie mir vorstelle. (Beifall des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Risiko und Haftung gehören zusammen. Das darf nicht außer Kraft gesetzt werden. Wer Risiken eingeht, der muss im Zweifel haften, der muss die Verantwortung für sein Handeln tragen. Wir dürfen nicht die Schulden sozialisieren und die Gewinne privatisieren. Das ist die falsche Botschaft. (Beifall bei der LINKEN) Damit werden wir den Rattenfängern auf der linken Seite Zuspruch verschaffen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na, na, Herr Schäffler! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist eine nationalbolschewistische Rede!) Das ist das Gegenteil von sozialer Marktwirtschaft, was wir an den Tag legen. Deshalb lehne ich dieses Paket ab. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Michael Stübgen für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sigmar Gabriel [SPD]: Antworten Sie jetzt Herrn Schäffler? – Jürgen Trittin [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Präsident, warum durfte Herr Friedrich denn nicht reden? – Sigmar Gabriel [SPD]: Der ist doch auch ein Abweichler!) Michael Stübgen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte am Anfang, gerade mit Blick auf die Rede von Herrn Schäffler, Folgendes sagen: Wir befinden uns jetzt im dritten Jahr der sogenannten Euro--Finanzierungskrise. Nach meiner Einschätzung – das lässt sich einfach verdeutlichen – hat die Euro-Zone, hat die Europäische Union, hat die Bundesregierung und hat dieser Deutsche Bundestag in den letzten zwei Jahren deutlich mehr richtig gemacht, als dass Fehler gemacht worden sind. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Bisher ist – das muss man doch auch einmal zur Kenntnis nehmen – kein Land der Euro-Zone bankrott gegangen. Der Wechselkurs des Euro ist nach wie vor stabil. Und wenn wir uns Irland und Portugal anschauen, die unter Auflagen der EFSF arbeiten, dann sehen wir, dass Irland sehr klar die Reformen umsetzt, die es selber versprochen und angekündigt hat, und dass auch Portugal sich in diesem Rahmen bewegt. Dafür, jetzt immer zu sagen, es sei alles falsch gewesen, gibt es schlichtweg keine sinnvolle Begründung, nur die Behauptung: In der nächsten Woche, im nächsten Monat oder im nächsten Jahr wird alles schiefgehen. Wir müssen das sogenannte Griechenland-II-Paket beschließen. Warum müssen wir das machen? Als wir vor knapp zwei Jahren, im Mai 2010, das Griechenland-I-Paket beschlossen haben, konnten wir das wirkliche Ausmaß der Verschuldung Griechenlands noch gar nicht richtig einschätzen, und zwar nicht, weil wir uns verrechnet hätten. Wir haben uns damals auf die Zahlen der Troika verlassen. Wir konnten auch die makroökonomischen Probleme in Griechenland nicht richtig einschätzen, die geradezu beängstigend größer sind, als wir das vor zwei Jahren gemeint haben. Wenn die Zahlen, von denen man im Hinblick auf ein Programm ausgegangen ist, sich nicht als richtig herausstellen, dann muss man doch ein Programm korrigieren, verändern oder ergänzen können. Herr Kollege Steinbrück, ich finde Ihre Aussage interessant, dass aufgrund der Tatsache, dass wir jetzt ein Griechenland-II-Paket beschließen, das Griechenland-I-Paket gescheitert sei. Sie selber waren Bundesfinanzminister. Wenn Sie einen Nachtragshaushalt machen wollten oder die mittelfristige Finanzplanung verändern mussten, habe ich nie gehört, dass Sie dann erklärt hätten: Ich muss etwas verändern, weil sich die Zahlen anders entwickelt haben; darum ist meine Haushaltspolitik gescheitert. Natürlich müssen wir anders vorgehen, wenn wir merken, dass die Entwicklung nicht so verläuft, wie wir uns das vorgestellt haben. Das wissen Sie sehr genau. Sie haben nur versucht, hier einen anderen Eindruck zu vermitteln. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich will auf einen ganz wesentlichen Punkt des Griechenland-II-Pakets hinweisen; darauf habe ich, ebenso wie viele Kollegen, in diesem Hause schon mehrfach hingewiesen: Bei den jetzigen Rettungsstrukturen für die Euro-Länder gibt es einen Webfehler – das hat natürlich etwas damit zu tun, (Sigmar Gabriel [SPD]: Webfehler gibt es -öfter!) dass wir diese Rettungsmaßnahmen im Mai 2010 sehr schnell zusammenzimmern mussten –: Die Problematik besteht darin, dass wir mit diesen Rettungsstrukturen nebenher folgenden Effekt erzielt haben: Die privaten Gläubiger erhalten alle ihre Zinsen und bei Ausschüttung ihrer Staatsanleihen 100 Prozent zurück. Das bedeutet, sie machen sich mit den privatisierten Gewinnen einen schlanken Fuß. Die Risiken für neue Staatsanleihen hingegen landen beim Steuerzahler; das heißt, sie werden sozialisiert, und zwar ohne eine Ausweichmöglichkeit. Ich bin überzeugt, dass das weder politisch akzeptabel ist noch dass die Menschen in unserem Land das Ganze auf Dauer akzeptiert hätten. Die jetzigen Beschlüsse zur Gläubigerbeteiligung im Griechenland-II-Paket sind von fundamentaler Bedeutung. Zum einen kann damit die griechische Schuldentragfähigkeit erreicht werden. Zum anderen werden diejenigen, die in hohen Maße mitverantwortlich für die Finanzierungskrise sind – nämlich die Kapitalgeber, die Griechenland noch Kredite zu billigsten Zinsen zu einem Zeitpunkt gegeben haben, als Griechenland schon nicht mehr die notwendige Rückzahlungsfähigkeit besaß –, zur Lösung dieser Probleme auch mit herangezogen. Das will ich Ihnen an einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Gehen wir einmal von 1 000 Euro griechischen Staatsanleihen aus: Davon sind mit diesem Umtausch 535 Euro futsch, 150 Euro werden cash ausgezahlt, und 315 Euro werden für 30 Jahre angelegt, zu einem festen Zinscoupon – 2 Prozent bis 2015, 3 Prozent bis 2020 und danach 4,3 Prozent. Rückzahlung ist 2042. Wer hier behauptet, wie gerade der Kollege Schäffler, dass das nicht ein nachhaltiger Beitrag der Gläubiger ist, der kann nicht rechnen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man sonst zu solch einer Aussage kommen kann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Das, was in diesem Programm besonders unattraktiv und schlecht für die Gläubiger ist, ist besonders hilfreich für die Schuldner, in diesem Fall Griechenland. Ich bin der festen Überzeugung, dass Griechenland – auch aufgrund der Tatsache, dass der übrigbleibende reduzierte Verschuldungsbetrag erst in 30 Jahren, nämlich 2042, mit berechenbaren niedrigen Zinsen fällig wird – jetzt auch längerfristig die Zeit bekommt, die es braucht, um seine eigenen Strukturreformen voranzubringen. Ich möchte noch kurz darauf hinweisen, dass beim Griechenland-II-Paket auch die sogenannten vordringlichen Maßnahmen, die Prior Actions, zu denen sich Griechenland verpflichtet hat, einen wesentlichen Raum einnehmen. Dieser Begriff ist, wenn man sich die Liste einmal genau anschaut, fast ein bisschen euphemistisch. Denn Tatsache ist, dass die Umsetzung dieser Maßnahmen – sie betreffen zum großen Teil Strukturreformen, die den Wettbewerb und die Wettbewerbsfähigkeit fördern sollen – von Griechenland teilweise schon vor -einem oder zwei Jahren zugesagt worden ist, ohne dass es bisher zu einer Umsetzung gekommen wäre. Es wird für die nächsten Monate und Jahre ganz entscheidend sein, dass die griechische Politik mehr darauf achtet, an den Punkten, an denen es ganz massive Fehlentwicklungen gibt, dringend Reformen umzusetzen: im Hinblick auf den massenhaften Rentenbetrug, der erst jetzt richtig angegangen wird, und auf die Tatsache, dass große Einkommen und Vermögen nach wie vor kaum zur Steuer herangezogen werden, weil man ausweichen kann und es keine Strukturen gibt, um die Steuerzahlung durchzusetzen und zu erzwingen. So kann Griechenland die Chance erhalten, an die Kapitalmärkte zurückzukehren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werbe um Zustimmung zu diesem Paket; es ist ein wesentlicher Schritt bei der Bewältigung dieser Krise. Aber es ist mit Sicherheit nicht die letzte Beschlussfassung des Bundestages zu dieser Thematik. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Bevor wir nun zu den Abstimmungen über die Entschließungsanträge bzw. über den Antrag der Bundes-regierung kommen, bitte ich um Aufmerksamkeit für folgenden verfahrensleitenden Hinweis: Mir liegen etwa 25 schriftliche Erklärungen1 und 9 Meldungen zu mündlichen Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 GO-BT vor, die nach unserer Geschäftsordnung nicht länger als fünf Minuten dauern dürfen. Ich schlage Ihnen vor, dass wir diese mündlichen Erklärungen zur Abstimmung nach den Abstimmungen mit einer Redezeit von jeweils drei Minuten vornehmen. Sind Sie damit einverstanden? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN) – Das ist offenkundig ganz überwiegend der Fall; auch der Widerspruch der Linken ist zu Protokoll genommen. Dann ist das aber ganz offenkundig mit der notwendigen Geschäftsordnungsmehrheit so beschlossen, und dann werden wir so verfahren. Wir kommen nun zu den Abstimmungen über die Entschließungsanträge zur Regierungserklärung. Zunächst der Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf der Drucksache 17/8739. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Wir kommen nun zum Entschließungsantrag der SPD auf der Drucksache 17/8740. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dieser Entschließungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt. Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/8741. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt. Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 17/8743. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Auch dieser Entschließungsantrag ist mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt. Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 1 b. Hier geht es um die Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen – Drucksachen 17/8730, 17/8731 und 17/8735 – mit dem Titel: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach unseren einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen. Wir stimmen über diesen Antrag namentlich ab. Ich darf die Schriftführerinnen und Schriftführer bitten, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Ich eröffne die Abstimmung. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Haben alle anwesenden Mitglieder ihre Stimme abgegeben? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.2 Wir kommen nun zur Abstimmung über drei Entschließungsanträge zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie noch einen Moment um Aufmerksamkeit für die Abstimmung über diese Entschließungsanträge. Zunächst zum Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/8742. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der FDP, von Teilen der CDU/CSU gegen die Stimmen der Linken und der Grünen bei Stimmenthaltung der SPD angenommen. Wir kommen nun zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/8738. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen und der Linken gegen die Stimmen von SPD und Grünen abgelehnt. Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/8737. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit dem gleichen Mehrheitsverhältnis wie zuvor abgelehnt. Wir kommen nun zu den angekündigten erbetenen persönlichen Erklärungen zur Abstimmung. Wie vereinbart gilt für jede dieser persönlichen Erklärungen eine Redezeit von drei Minuten. Alle acht angemeldeten persönlichen Erklärungen stammen aus der Fraktion der Linken. Zunächst erteile ich das Wort Kollegin Kathrin Vogler. (Beifall bei der LINKEN) Kathrin Vogler (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“ abgelehnt, weil ich es beinahe als Verhöhnung des Parlaments empfinde, dass wir hier über einen Text mit über 700 Seiten abstimmen sollten, den wir erst am Wochenende zur Kenntnis nehmen durften. Eine Zustimmung durch dieses Haus, die wahrscheinlich erfolgt ist, verliert für mich ihre Bedeutung, wenn die parlamentarische Beratung eines derart wichtigen Dokuments auf diese Weise unmöglich gemacht wird. Um den Kollegen Marco Bülow von der SPD zu zitieren: Sie machen die Abgeordneten hier zu Abnickern und Abnickerinnen. Das kann ich vor meinem Gewissen und gegenüber den Wählerinnen und Wählern nicht verantworten. (Beifall bei der LINKEN) Als Gesundheitspolitikerin habe ich mir zumindest die Seiten zum Gesundheitswesen näher angesehen. Ich muss sagen: Ich bin entsetzt, und zwar aus zweierlei Gründen: Zum einen entsetzt mich, wie Sie die Austeritätspolitik, also das blindwütige Einsparen öffentlicher Ausgaben, auf das griechische Gesundheitswesen ausdehnen. Da heißt es etwa, dass sich die griechische Regierung verpflichtet, die öffentlichen Gesundheitsausgaben auf maximal 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen, und das bei, wie wir alle wissen – das haben wir gerade mehrfach gehört –, sinkendem Bruttoinlandsprodukt. In Deutschland betragen die Gesundheitsaufwendungen ungefähr 11 Prozent des BIP, und das ist im internationalen Vergleich keineswegs zu viel. Dieses Paket wird zur Folge haben, dass in Griechenland viele Menschen notwendige Behandlungen nicht mehr erhalten. Schon jetzt sind viele Griechinnen und Griechen aufgrund zunehmender Armut nicht mehr in der Lage, sich mit notwendigen Medikamenten zu versorgen und Krankenhausaufenthalte zu bezahlen. Das ist für mich ein gewichtiger Grund, dieses Paket abzulehnen. Die Gehälter der Beschäftigten im Gesundheitswesen sollen sinken, Krankenhäuser geschlossen und die Privatisierung des Gesundheitswesens soll weiter vorangetrieben werden. Das ist giftige Medizin; denn die qualifiziertesten Fachkräfte werden Griechenland verlassen und in anderen EU-Staaten ihr Einkommen suchen. Auch dadurch werden konkret Menschenleben gefährdet, und dem kann ich auf keinen Fall zustimmen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Zum anderen erstaunt mich, dass Sie hierzulande gebetsmühlenartig predigen, dass Markt und Wettbewerb die besten Steuerungsinstrumente im Gesundheitswesen sind, nun aber die staatliche Regulierung des griechischen Gesundheitswesens vorantreiben wollen. So sollen alle Krankenkassen zentralisiert und dem Gesundheitsministerium unterstellt werden. Vor allem an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite dieses Hauses sage ich: Es ist eine Staatsmedizin nach Kassenlage, die Sie damit vorprogrammieren. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben eine zentrale, öffentliche Festsetzung der Preise für Medikamente gefordert. Wir haben gefordert, dass sich die Arzneimittelpreise an dem niedrigsten Preis orientieren, der in einem anderen EU-Land zu zahlen ist. Wir haben eine Positivliste mit den von den Kassen erstattungsfähigen Medikamenten und die Vorlage einer umfassenden Kosten-Nutzen-Bewertung innerhalb kürzester Zeit gefordert. Sie haben sich geweigert, all dies für Deutschland auch nur in Erwägung zu ziehen. Griechenland soll jetzt ein umfassendes Werbeverbot für Pharmareferenten erhalten. Das ist gut und richtig, aber warum machen wir das nicht auch in Deutschland? (Beifall bei der LINKEN) Schon heute sind in Griechenland viele Medikamente deutlich preiswerter als in Deutschland. Jetzt fordern Sie für den griechischen Arzneimittelmarkt weitere drastische Preissenkungen. Wenn in Deutschland auch nur ein Teil davon gefordert wird, äußern Sie stets die Befürchtung, dass einige Pharmahersteller ihre Produkte dann hier vom Markt nehmen würden. In Griechenland werden aufgrund Ihrer harten Vorgaben demnächst manche Präparate möglicherweise überhaupt nicht mehr verfügbar sein oder nur noch für jene, die sich die Medikamente im Ausland für teures Geld beschaffen können. Einer solchen Politik gegen die Menschen in Griechenland kann und will ich nicht zustimmen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwischendurch gebe ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“, Drucksachen 17/8730, 17/8731, 17/8735, bekannt: abgegebene Stimmen 591. Mit Ja haben gestimmt 496, mit Nein haben gestimmt 90, Enthaltungen 5. Der Antrag ist damit angenommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 591; davon ja: 496 nein: 90 enthalten: 5 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Manfred Behrens (Börde) Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Dieter Stier Gero Storjohann Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Edelgard Bulmahn Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Michael Groschek Michael Groß Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Josip Juratovic Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özo?uz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Ute Vogt Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Christian Lindner Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Veronika Bellmann Wolfgang Bosbach Thomas Dörflinger Herbert Frankenhauser Alexander Funk Dr. Peter Gauweiler Manfred Kolbe Paul Lehrieder Dr. Carsten Linnemann Thomas Silberhorn Christian Freiherr von Stetten Stephan Stracke Klaus-Peter Willsch SPD Ingrid Arndt-Brauer Klaus Barthel Marco Bülow Wolfgang Gunkel Gerold Reichenbach Rüdiger Veit Dr. Marlies Volkmer FDP Jens Ackermann Sylvia Canel Frank Schäffler Torsten Staffeldt DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Da?delen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Ralph Lenkert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Neškovi? Petra Pau Jens Petermann Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Kathrin Vogler Johanna Voß Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann Enthalten CDU/CSU Christian Hirte Hans-Georg von der Marwitz SPD Ottmar Schreiner FDP Dr. Erwin Lotter BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hans-Christian Ströbele Nunmehr erteile ich dem Kollegen Diether Dehm das Wort zu einer persönlichen Erklärung zur Abstimmung. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute gegen das zweite sogenannte Griechenland-Rettungspaket gestimmt, weil es noch immer nicht um die Rettung der Griechinnen und Griechen geht, sondern einzig um die Rettung der Besitzer griechischer Schuldverschreibungen; denn auch diese 165 Milliarden Euro wandern in den Orkus der Finanzmafia und sollen Bankprofite sowie Spekulationsgewinne absichern, während der griechische Staat endgültig kaputtgespart wird. Fakt ist, dass von den 73 Milliarden Euro, die aus dem ersten Hilfspaket an Griechenland ausgezahlt worden sind, rund 70 Milliarden Euro durch Zins- und Tilgungszahlungen direkt in die Hände von Banken und privaten Gläubigern geflossen sind, während die Schulden des Landes um über 50 Milliarden Euro gestiegen sind und die Schuldenquote von 130 auf 170 Prozent – ich wiederhole: von 130 auf 170 Prozent – des Bruttoinlandsprodukts hochgeschnellt ist. Diese unmenschliche Politik, die den Armen, den Arbeitenden und den Alten in Griechenland und nachfolgend auch in ganz Europa angetan wird, einhergehend mit einer Entmündigung der Demokratie, die auch vor Deutschland und unseren Kommunen nicht haltmachen wird, ist mit meinem Gewissen völlig unvereinbar. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Jutta Krellmann. (Beifall bei der LINKEN) Jutta Krellmann (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute gegen die sogenannten Finanzhilfen zugunsten von Griechenland gestimmt, weil die Krise nicht auf dem Rücken der Beschäftigten und sozial Schwachen gelöst werden kann und darf. (Beifall bei der LINKEN) Als Gewerkschafterin muss ich mich dafür schämen, was wir im Moment mit den Menschen in Griechenland machen. Es ist ein Skandal, dass die Kleinen die Zeche zahlen sollen, während kaum einer der griechischen Reichen und Superreichen zahlen muss. Mittlerweile wurden von griechischen Millionären weit über 560 Milliarden Euro ins Ausland gebracht. Das Geld liegt vor allem auf Konten in der Schweiz, in Liechtenstein, Zypern und London. Der neueste Trend der reichen Griechen: Immobilienkauf in Deutschland. Jeder Euro, der in Berlin investiert wird, fehlt jedoch in Athen. (Beifall bei der LINKEN) Zeitgleich wurde die Mehrwertsteuer von 19 auf 23 Prozent erhöht. Die Steuerfreibeträge sanken von 80 000 auf 5 000 Euro. Die Gehälter der Staatsbediensteten werden bei 2 000 Euro eingefroren. Das 13. und 14. Monatsgehalt entfallen. 180 000 Stellen im öffentlichen Dienst werden gestrichen. Denjenigen, die verbleiben, wurden die Gehälter eingefroren bzw. um 15 Prozent gekürzt und die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich verlängert. Der Mindestlohn wurde von 750 auf 580 Euro gekürzt. Es gab eine Kürzung des Arbeitslosengeldes von 461 auf 322 Euro und Lohnkürzungen im privaten Bereich von ungefähr 20 bis 30 Prozent. Die Renten wurden um 20 Prozent gekürzt, und zwar mit sofortiger Wirkung. Anstatt griechischen Rentnern, Arbeitnehmern und Erwerbslosen das Geld aus der Tasche zu ziehen und damit die Binnenwirtschaft weiter zu schwächen, müssen endlich die Vermögenden und Profiteure zur Kasse gebeten werden. (Beifall bei der LINKEN) Keine europäische Agenda 2020! So nicht! (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Sevim Da?delen für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sevim Da?delen (DIE LINKE): Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gemeinsam mit meiner Fraktion Die Linke habe ich heute gegen das Griechenland-II-Paket gestimmt, weil mit den bis zu 189,4 Milliarden Euro ausschließlich Banken, Versicherungen und Gläubigern geholfen wird. Die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gehen zum wiederholten Male ein ganz erhebliches finanzielles Risiko zur Rettung der Spekulanten und der Ackermänner ein. Das ist, wie ich finde, unverantwortlich und skandalös. (Beifall bei der LINKEN) Dieses Paket hilft der griechischen Bevölkerung nicht. Im Gegenteil: Dieses Paket stürzt Griechinnen und Griechen regelrecht ins Elend. Bis 2015 sollen weitere 150 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst entlassen werden. Der ohnehin niedrige Mindestlohn wird in Griechenland massiv abgesenkt. Öffentliches Eigentum mit einem Volumen von 50 Milliarden Euro soll privatisiert werden. Weite Teile der griechischen Bevölkerung leben schon jetzt in bitterster Armut. Zu Hunderten werden Kinder bei den griechischen SOS-Kinderdörfern abgegeben, weil ihre Eltern sie nicht mehr ernähren können. Dafür, dass es in Schulen keine Heizmittel mehr gibt und Kinder erfrieren müssen oder gar nicht mehr zur Schule geschickt werden können, weil es keine Kohle gibt, sind Sie von der Regierung, aber auch Sie von SPD und Grünen verantwortlich. Das ist eine verheerende Verelendungspolitik. (Beifall bei der LINKEN – Thomas Oppermann [SPD]: Wofür sind Sie eigentlich verantwortlich?) Machen wir uns nichts vor: Heute sind es die Griechen, die Opfer dieser verfehlten Politik sind, und morgen wird in Deutschland gekürzt. Beschäftigte, Erwerbslose, Rentnerinnen und Rentner sollen die Zeche für die Wirtschafts- und Finanzkrise zahlen. Das ist der Kern Ihres Pakets. Eine Ablehnung dieses Bankenrettungspakets ist im Interesse der griechischen, aber auch der deutschen Bevölkerung. Es ist nämlich ein Angriff auf Demokratie und Sozialstaat in Europa, den die Linken zurückweisen müssen. (Beifall bei der LINKEN) Ich habe dagegen gestimmt, weil klar ist: Griechenland wird mit diesem sogenannten Rettungspaket regelrecht unter Wasser gedrückt. Die Bundesregierung hat Griechenland nämlich zusammen mit SPD und Grünen einen Rettungsring aus Blei zugeworfen. Es ist nicht hinnehmbar, dass Griechenland Souveränitätsrechte entzogen werden. Keine Regierung kann akzeptieren, dass man ihr sämtliche Staatseinnahmen entreißt und sie einem Sonderkonto zuführt, auf das allein die Gläubiger Zugriff haben. Diese demokratiefeindlichen Maßnahmen zerstören die Zukunft Europas. Deshalb sagen wir dazu Nein. (Beifall bei der LINKEN) Ich habe heute mit meiner Fraktion Die Linke an der Seite der deutschen und der griechischen Bevölkerung gegen dieses Paket gestimmt, weil ich es verheerend finde, dass sogar von einem dritten Paket die Rede ist. Mit diesen Rettungspaketen für Banken und Spekulanten untergraben Sie die Zukunft der Bevölkerung in Europa. Hier im Deutschen Bundestag stehen Sie für die verheerende Politik der Bankenrettung und des Sozialkahlschlags. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Sevim Da?delen (DIE LINKE): Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Ich möchte sagen: Sie sind solidarisch mit den Zockerbanden, den Spekulanten und der Finanzmafia. Wir als Linke sind solidarisch mit der Bevölkerung. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Sevim Da?delen (DIE LINKE): Herr Präsident, wenn Sie erlauben, würde ich – – Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nein, ich erlaube es nicht. Sevim Da?delen (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident, für Ihr Verständnis und Ihre Toleranz. Dafür sind Sie sehr bekannt. (Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE] – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Hintze [CDU/CSU]: Na, na, na! Eine Rüge des Präsidiums! Ein Fall für den Ältestenrat!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Werte Frau Kollegin, ich weise das entschieden zurück. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es ist eine Redezeit von drei Minuten vereinbart. Sie haben bereits 40 Sekunden darüber hinaus geredet. Es ist eine Unverschämtheit, mich deswegen, weil ich die Regel, die wir vereinbart haben, einhalte, hier öffentlich zu kritisieren. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Wort hat nun Eva Bulling-Schröter. (Beifall bei der LINKEN) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gemeinsam mit meiner Fraktion Die Linke habe ich heute gegen das Griechenland-II-Paket gestimmt, weil damit nicht der griechischen Bevölkerung geholfen wird, sondern den Finanzspekulanten. Beschäftigte, Rentnerinnen und Rentner sowie Arbeitslose, aber auch der Mittelstand werden die Zeche für die große Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise zahlen, in einem Ausmaß, das wir uns heute nur ansatzweise vorstellen können; meine Kolleginnen und Kollegen haben dazu schon einiges gesagt. Die Berichte, die uns aus Griechenland erreichen, zeigen, dass das Geld, das im Rahmen dieses Pakets zur Verfügung gestellt wird, nicht die Menschen, sondern nur die Banken erreicht. Auferlegt wird der griechischen Bevölkerung eine Privatisierungsorgie, verbunden mit Lohnkürzungen und massiven Preis- und Steuererhöhungen. Der Mindestlohn wird gesenkt, und Entlassungen sind vorprogrammiert und beschlossen. Dies führt zu massiver Armut in diesem Land – bitte lesen Sie die Medien und schauen Sie bei Facebook nach; es gibt genügend Berichte darüber –, zerstört mittelfristig die Demokratie und führt zu nationalistischen Tendenzen, vor denen ich warnen muss. (Beifall bei der LINKEN) Die privaten Banken und andere Finanzjongleure werden durch den freiwilligen Forderungsverzicht eben nicht angemessen an den Kosten beteiligt, die sie maßgeblich mit verursacht haben. Ich habe auch deshalb gegen das Griechenland-Paket gestimmt, weil sich die Bundesregierung und all diejenigen, die ihm zugestimmt haben, damit wieder einmal zum Erfüllungsgehilfen der Banken und Spekulanten machen. Ich habe dem nicht zugestimmt; denn ich meine – und die Linke fordert dies –, dass wir ein sofortiges Ende der ökonomisch und sozial schädlichen Sparpolitik in den Schuldnerländern brauchen, dass wir dort für einen Aufbau sorgen müssen und dass wir die Menschen nicht, wie die Menschen in der Dritten Welt, in die Armut laufen lassen dürfen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Heike Hänsel. (Beifall bei der LINKEN) Heike Hänsel (DIE LINKE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mir ist es wichtig, heute diese persönliche Erklärung abzugeben, weil ich nicht in einen Topf mit der Bild-Zeitung geworfen werden möchte, die ständig gegen die griechische Bevölkerung hetzt. (Beifall bei der LINKEN) Ich habe heute gegen das Griechenland-II-Paket gestimmt, weil dieses Paket ein Angriff nicht nur auf den griechischen Sozialstaat, sondern auch auf die Demokratie in Griechenland ist. Als der ehemalige Ministerpräsident Papandreou letztes Jahr versucht hat, eine Volksabstimmung über die Kürzungsauflagen zu organisieren, musste er zurücktreten. Sarkozy und Merkel haben angedroht, nicht zu zahlen, und es wurde ein sogenannter Experte als Ministerpräsident eingesetzt. Bei den jetzt anstehenden Neuwahlen in Griechenland müssen sich alle großen Parteien verpflichten, nach der Wahl das schon beschlossene Kürzungsprogramm umzusetzen. Im Grunde hat die griechische Bevölkerung also gar keine Wahl. Sie kann nur eine Regierung wählen, die das -Sozialabbauprogramm auf alle Fälle umsetzen wird. Das ist völlig undemokratisch. (Beifall bei der LINKEN) Ich habe heute auch gegen das Griechenland-II-Paket gestimmt, weil ich nicht dazu beitragen will, dass die Demokratie in Griechenland, die Wiege der Demokratie, auf diese Weise beschädigt wird. Griechenland wurde 1981 in die Europäische Gemeinschaft aufgenommen, um die Demokratie nach der Überwindung der Militärdiktatur zu schützen. Mittlerweile ist die EU selbst zur größten Gefahr für die Demokratie in Griechenland geworden. Das muss ein Ende haben. (Beifall bei der LINKEN – Thomas Oppermann [SPD]: Was Sie sagen, ist grober Unfug! Sie reden Unfug!) Die griechische Bevölkerung verarmt vor unseren Augen von Monat zu Monat mehr, und das sollte uns alle beschämen. Genau deshalb lehne ich dieses sogenannte Rettungspaket ab. Die Menschen in Griechenland, aber auch in Portugal, Spanien und Italien wehren sich gegen diese aufgezwungene, unsoziale Politik. Ihnen gehört deshalb unsere Solidarität. Ich habe großen Respekt vor den Menschen, die dort auf die Straße gehen, zum Beispiel auch der international bekannte Komponist Mikis -Theodorakis, der sich noch mit über 86 Jahren auf den Syntagma-Platz setzt, um für die Demokratie zu demonstrieren, für die er während der Diktatur in Griechenland eingestanden ist. (Beifall bei der LINKEN) Am 15. Mai dieses Jahres werden viele Menschen in vielen europäischen Ländern mit einer großen Demonstration zeitgleich gegen diese Politik demonstrieren. Die Linke wird sich daran beteiligen. Wir sind solidarisch mit den Menschen, die diese neoliberale Politik jetzt zu spüren bekommen. (Jörg van Essen [FDP]: Die drei Minuten sind um!) „Wir sind alle Griechen“, lautet der Slogan. Imaste oli -Ellines! (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Nicole Gohlke. (Beifall bei der LINKEN) Nicole Gohlke (DIE LINKE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe heute gegen den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zu den sogenannten Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik gestimmt, weil mit den 154,4 Milliarden Euro, zu denen de facto noch einmal 35 Milliarden Euro an Hilfen für den sogenannten Schuldenschnitt kommen, der Bevölkerung Griechenlands nicht geholfen wird. Stattdessen ist dieses Paket ausschließlich ein Rettungspaket für Banken, Versicherungen und Gläubiger und geht zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Dieses Paket beteiligt noch nicht einmal diejenigen, die die Krise mit verursacht haben. Begleitet von einer unerträglichen rassistischen Stimmungsmache gegen die Griechinnen und Griechen, die auch von dieser schwarz-gelben Regierung mitbefeuert wird, wird die griechische Bevölkerung durch dieses Rettungspaket regelrecht ins Elend getrieben. Hunderttausende griechische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner und Studierende sind nunmehr seit Monaten auf der Straße, weil sie in ihrer Existenz bedroht sind und nicht wissen, wie sie menschenwürdig überleben können. Ich habe gegen das Griechenland-II-Paket gestimmt, weil klar ist, dass sich dadurch die griechischen Staatsschulden noch weiter erhöhen werden. Die verfehlte Wirtschaftspolitik wird lediglich beschleunigt. Statt einer europaweiten Kürzungspolitik und immer neuen Rettungspaketen für die Banken brauchen wir endlich eine europäische Vermögensabgabe und eine Millionärsteuer. (Beifall bei der LINKEN) Nicht die deutsche oder griechische Bevölkerung, nein, die Verursacher und Profiteure der Krise sollen zahlen. Die Maßnahmen sind auch ein erneuter Angriff auf die Demokratie. Die EU und allen voran die Merkel-Regierung diktieren Griechenland eine fatale Politik und umgehen dabei grundlegende demokratische Verfahrensweisen. Der Verlust von Souveränitätsrechten, die Einrichtung eines Sperrkontos zur Schuldenbedienung und das Verbot von Tarifverhandlungen sind Ausdruck dieses Angriffs. Mit meiner Gegenstimme zum Griechenland-II-Paket stehe ich auch an der Seite der Griechinnen und Griechen, die sich seit Monaten mit Streiks und Massendemonstrationen gegen die Abwälzung einer Politik von Korruption und Profitgier auf ihre Schultern wehren. Sie, nicht die Banken, verdienen unsere Hilfe und Solidarität. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Johanna Voß. – Die Kollegin Voß ist nicht da. Dann erledigt sich das jetzt.3 Als Letzte hat Inge Höger das Wort zu einer persönlichen Erklärung. (Beifall bei der LINKEN) Inge Höger (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemeinsam mit meiner Fraktion Die Linke habe ich heute gegen das Griechenland-II-Paket gestimmt, weil damit eine grundsätzlich falsche Wirtschaftspolitik weiter vorangetrieben wird. (Beifall bei der LINKEN) Dieses Paket ist nichts weiter als ein neues Bankenrettungspaket. Kein Cent davon wird bei der griechischen Bevölkerung ankommen. Genauso war es bereits beim ersten sogenannten Hilfspaket für Griechenland. Damals wurden insgesamt 73 Milliarden Euro ausgezahlt. 70 Milliarden davon flossen durch Tilgungen und Zinszahlungen direkt an Banken und private Gläubiger. Die griechische Bevölkerung wird dazu gezwungen, für diese Bankenrettung mit beispiellosen Sozial- und Lohnkürzungen zu bezahlen. Die Europäische Linkspartei warnte jüngst in einer Presseerklärung: Wer Elend sät, wird Wut ernten. – Das erlebt man bei den vielen Demonstrationen jetzt in Griechenland, wo die Menschen dieses Paket nicht mehr ertragen können. Im zweiten sogenannten Rettungspaket sind Kredite in Höhe von knapp 100 Milliarden Euro dafür vorgesehen, die sogenannte freiwillige Gläubigerbeteiligung von gut 100 Milliarden Euro abzusichern und umzusetzen. Das heißt: Die griechischen Staatsschulden werden dadurch nicht sinken. Gleichzeitig wird erzwungen, dass die wachstumsfeindliche Kürzungspolitik weitergeht. So ist die Insolvenz Griechenlands nicht aufzuhalten. (Beifall bei der LINKEN) Ich habe heute gegen das Griechenland-II-Paket gestimmt, weil sich die Misere durch die geplanten Maßnahmen nur weiter verschärfen wird. Die Entwicklung ist nicht nur schädlich für Griechenland, sondern schädlich für die gesamte Europäische Union. Die Linke fordert stattdessen, dass die Finanzierung der öffentlichen Haushalte in der Euro-Zone über eine öffentliche europäische Bank sichergestellt wird. Diese öffentliche Bank wiederum sollte zinsgünstige Kredite bei der EZB erhalten. Nur so kann die Finanzierung der öffentlichen Haushalte von der Diktatur der Finanzmärkte befreit werden. Die Staatsschulden lassen sich auch ohne unsoziale Sparpolitik senken, zum Beispiel durch einen harten Schuldenschnitt und eine europaweite Vermögensabgabe für Millionäre. Die Finanzierung der öffentlichen Haushalte ist dauerhaft durch eine höhere und konsequente Besteuerung von Reichen und großen Konzernen auf eine solide Grundlage zu stellen. Auch hier in Deutschland muss sich vieles ändern. So brauchen wir geeignete Maßnahmen zur Stärkung der Binnennachfrage in Deutschland, etwa durch deutliche Lohnerhöhungen und einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro. (Beifall bei der LINKEN) Nur so lässt sich die Exportorientierung überwinden, die auch eine Ursache dafür ist, dass die Wirtschaft Griechenlands niederkonkurriert worden ist. Die jetzige Sparpolitik zerstört die griechische Gesellschaft. Die Linke ist solidarisch mit den Menschen, die gegen Sozialabbau und die Zerstörung von Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechten kämpfen, egal ob dieser Kampf in Griechenland, in Portugal oder in Deutschland stattfindet. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 29. Februar 2012, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 18.00 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 27.02.2012 Beck (Reutlingen), Ernst-Reinhard CDU/CSU 27.02.2012 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 27.02.2012 Bracht-Bendt, Nicole FDP 27.02.2012 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 27.02.2012 Burchardt, Ulla SPD 27.02.2012 Dreibus, Werner DIE LINKE 27.02.2012 Friedhoff, Paul K. FDP 27.02.2012 Haustein, Heinz-Peter FDP 27.02.2012 Hörster, Joachim CDU/CSU 27.02.2012 Dr. Hofreiter, Anton BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27.02.2012 Humme, Christel SPD 27.02.2012 Kaczmarek, Oliver SPD 27.02.2012 Kipping, Katja DIE LINKE 27.02.2012 Körper, Fritz Rudolf SPD 27.02.2012 Dr. h.c. Koppelin, Jürgen FDP 27.02.2012 Kramme, Anette SPD 27.02.2012 Leidig, Sabine DIE LINKE 27.02.2012 Leutert, Michael DIE LINKE 27.02.2012 Marks, Caren SPD 27.02.2012 Pronold, Florian SPD 27.02.2012 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27.02.2012 Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 27.02.2012 Ulrich, Alexander DIE LINKE 27.02.2012 Werner, Katrin DIE LINKE 27.02.2012 Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusge-setzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b) Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Ich stimme dem oben genannten Antrag nicht zu, weil ich das zweite Rettungs-paket für nicht zielführend halte, um die wirtschaftliche Situation in Griechenland langfristig zu verbessern. Mit den vorgesehenen Maßnahmen ist eine Stabilisierung der Finanzwirtschaft möglich. Im Gegenzug muten wir der griechischen Bevölkerung jedoch Einschnitte zu, die wir der deutschen Bevölkerung kaum abverlangen würden. Die Stabilisierung der Finanzwirtschaft allein ist zur Erzeugung von wirtschaftlichem Wachstum nicht ausreichend. Notwendig sind zeitgleich zum Rettungspaket einsetzende umfangreiche Fördermaßnahmen zum Aufbau einer leistungsfähigen Wirtschaft und (Steuer-)Verwaltung. Mit dem zweiten Rettungsschirm erkauft sich die Bundesregierung – wie bereits beim ersten Rettungsschirm – erneut ausschließlich Zeit zur Stabilisierung der griechischen Haushaltslage. Diese Zeit wurde bisher nicht oder nur in völlig unzureichendem Maße genutzt, um die strukturellen Defizite in Wirtschaft und Verwaltung in Griechenland gezielt zu beheben. So wurden beispielsweise von der Bundesregierung bislang lediglich fünf deutsche Finanzbeamte zur Verbesserung der Steu-er-erhebung, bei der Außenprüfung und bei der Besteuerung von Selbstständigen mit großen Einkommen und Einkommensmillionären entsandt, so die Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Frage 76 für den Monat Februar 2012. Veronika Bellmann (CDU/CSU) : Ich werde den oben genannten Antrag ablehnen und mit Nein stimmen. Dem ersten Griechenland-Paket habe ich noch zugestimmt, weil ich hoffte, in der „gekauften“ Zeit könnte anhand des Sonderfalls Griechenland eine Staatsinsolvenzverordnung für den Euro-Raum mit einem Insol-venz-planverfahren, das auf den Weg der Wettbewerbsfähigkeit zurückführt, erarbeitet werden. Ein Ende mit Schrecken, das weder einen Schulden- noch einen Währungsschnitt zum Tabu erklärt hätte, wäre allemal heilsamer gewesen als die bisherige Entwicklung des Schreckens ohne Ende. Nun ist festzustellen, dass Griechenland kein Sonderfall, sondern ein Sündenfall geworden ist, der für den Euro-Raum zu einer fragwürdigen Rettungspolitik geführt hat. Insofern ist ein Punkt erreicht, der kaum noch eine Umkehr zulässt. In dem Moment, in dem Staatsinsolvenz und Währungsaustritt immer wieder zum Tabu erklärt werden, besteht keinerlei Anreiz für Griechenland, seine Verhältnisse im Sinne von funktionierender staatlicher Verwaltung, Strukturreform, Steuerpolitik, Wirtschaftswachstum in absehbarer Zeit zu ordnen. Stattdessen stoßen wir auf ein ziemlich hohes Erpressungspotenzial, das bei fast unerreichbarer Zusage von Auflagenerfüllung eine Alimentationsspirale in Gang setzt. Das heißt, nach dieser Logik sind weitere Hilfsprogramme nicht nur nicht auszuschließen, sondern geradezu notwendig. Das aber wiederum ist zum einen der unabwendbare Gang in die Haftungs- und Transferunion, der weder dem Europa der Vaterländer noch dem europäischen Steuerzahler zuzumuten ist. Zum anderen kommen die Notmaßnahmen, die auf 728 Seiten des vorliegenden Antrages zusammengefasst sind, einem vollkommen neuen Staatsaufbau gleich. Das mag 1990 zwischen Ost- und Westdeutschland funktioniert haben, weil die Bürger der ehemaligen DDR diesen neuen Staatsaufbau auf der Straße förmlich herbeidemonstriert haben. Das funktioniert aber nicht gegenüber einem souveränen Staat, dessen politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Elite kaum Interesse an einem hausgemachten Staatsaufbau und einer effizienten Staatsverwaltung hat. In einem Land, wo diese Menschen für ihren Schlendrian die Instrumentalisierung der einfachen Bevölkerung in Kauf nehmen und sie damit auf die Straße treiben, um nicht für, sondern gegen notwendige Strukturreformen zu demonstrieren, funktioniert das aber nicht. Der bevorstehende Wahlkampf wirft diesbezüglich ebenfalls seine Schatten voraus. Für so ein Land nun aber Programme aufzulegen, die auf der Erwartung eines jährlichen Wirtschaftswachstums höher als in Deutschland und auf der Erwartung, in drei Jahren könne es wieder an den Kapitalmarkt zurückkehren, aufbauen, halte ich nicht nur für illusorisch, sondern geradezu für fahrlässig. Es wäre dennoch jetzt die Chance gegeben, auch im Euro-Raum für eine Strategie nach der Verhandlungsmechanik früherer Umschuldungen vorzugehen. Diese könnten für die staatlichen Gläubiger nach den Vorgaben des Pariser Clubs und für die privaten Gläubiger nach denen des Londoner Clubs ablaufen. Griechenland würde die Verhandlungen wieder in die eigenen Hände nehmen. Europäische Regierungen müssten keine unzumutbaren Bedingungen mehr stellen. Sie können die für Griechenland vorgesehenen Gelder für die Zeit nach der Umschuldung zusagen, um den Prozess zu erleichtern, bis das Land wieder Zugang zum Kapitalmarkt hat. Eine gleichzeitige Genehmigung, parallel zum Euro eine eigene nationale Währung einzuführen, um innere Abwertungen vornehmen zu können, würde den Weg zur Wettbewerbsfähigkeit erleichtern. Karin Binder (DIE LINKE): Ich habe heute gegen den Antrag „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“ des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) gestimmt, weil mit dieser vermeintlichen Hilfe die schärfsten Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen von Griechenland erzwungen werden. Dies ist nicht nur unsozial und unmenschlich, sondern wird das Land noch viel tiefer in die bestehende Krise treiben. Das den Griechinnen und Griechen insbesondere von der deutschen Bundesregierung aufgezwungene Spardiktat lehne ich entschieden ab. So soll etwa der Mindestlohn in Griechenland von derzeit 4,38 Euro weiter auf lediglich noch 3,48 Euro pro Stunde abgesenkt werden. Das Arbeitslosengeld soll um 30 Prozent auf gerade noch 322 Euro monatlich gekürzt werden. Das bedeutet blanke Armut im reichen Europa. Und es sind noch weitere unsoziale Sparorgien in Planung. Dies geht zulasten einer Mehrheit der Griechinnen und Griechen, die in den vergangenen zwei Jahren bereits sozial deklassiert wurden. Meine Solidarität gilt den Menschen in Griechenland, den Arbeiterinnen und Arbeitern, den Schülerinnen und Schülern, den Studentinnen und Studenten, den Rentnerinnen und Rentnern und all denjenigen Menschen, die von Armut und sozialer Unsicherheit betroffen sind. Was heutzutage anlässlich der Finanz- und Wirtschaftskrise notwendig wäre, wäre ein Schutzschirm für die Bürgerinnen und Bürger, die wir im Regen stehen lassen. Die Banken und Konzerne haben ihre Schäfchen bereits ins Trockene gebracht. Deshalb habe ich heute gegen den Antrag „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“ gestimmt. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Am Freitag dem 24. Februar 2012, erhalte ich den Antrag des BMF -„Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik“. Dieser ist auch im Intranet des Bundestages als Drucksache 17/8730 verfügbar. Die dem Antrag zugrunde liegenden Anlagen von circa 750 Seiten waren als Drucksache 17/8731 im Intranet des Bundestages verfügbar und lagen dem Haushaltsausschuss am Freitag, dem 24. Februar 2012, als Tischvorlage vor. Die Entscheidung im Bundestag fällt heute, am 27. Februar 2012. Diese Beratungsfolge zur Vorbereitung einer Entscheidung über 130 Milliarden Euro, also einem Volumen, das etwa der Hälfte des Bundeshaushalts entspricht, kann dem Anspruch einer demokratischen Beteiligung des Parlaments bzw. der Entscheidungskompetenz des Parlaments nicht genügen. Damit macht die Bundesregierung das Parlament zum Getriebenen der Finanzmärkte. Ursache für diese Entwicklung ist auch die extreme Wankelmütigkeit von Bundeskanzlerin Merkel, die mit ihrem Zickzackkurs – zunächst die „Eiserne Kanzlerin“, die keinen Cent für die Griechen geben will, dann die große Europäerin und Wahlkämpferin für den französischen Präsidenten, die nun doch die Notwendigkeit der Hilfen für Griechenland entdeckt – die Spekulation mit Staatsanleihen und Kre-ditausfallversicherungen angetrieben hat. Durch diese Zickzackbewegung der CDU/CSU-FDP-Regierung ist nicht nur wichtige Zeit für die parlamentarische Be-ratung verloren gegangen – viel dramatischer ist es, dass nun viele Maßnahmen sehr spät kommen, die wir zu -einer Zeit, in der die Kanzlerin so eisern war, vermisst haben. Schon dies allein wäre Grund genug, die Regierungsvorlage abzulehnen. Gleichwohl habe ich meine Zustimmung zum Abschluss einer Vereinbarung über Notmaßnahmen der EFSF zugunsten Griechenlands in Form von Darlehen – zweites Hilfspaket für Griechenland – erteilt, weil ein Staatsbankrott Griechenlands und alle mir bekannten Alternativen, Griechenland nicht zu helfen, Deutschland und Europa nicht nur finanziell unberechenbar hohe Kosten aufbürden würden, darüber hinaus wäre auch ein politisch unverantwortlich hoher Preis zu zahlen. Das Risiko einer Zustimmung ist abschätzbar, eine Ablehnung ist unkalkulierbar. Viele Bürgerinnen und Bürger, Populärwissenschaftler und Lobbyisten haben mich aufgefordert, diesem Hilfspaket nicht zuzustimmen – in keiner einzigen Zuschrift gab es konkrete realistische, also realisierbare andere Lösungsvorschläge, in keiner Zuschrift wurden die Kosten bzw. der Preis der Ablehnung beziffert oder beschrieben. Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass die finanzielle und gesellschaftliche Stabilisierung Griechenlands und damit Europas nur mit der solidarischen Hilfe der Euro-Länder und nur innerhalb der Europäischen Union gelingen kann. Durch die oben genannten Verzögerungen infolge der Wankelmütigkeit der Kanzlerin war es möglich, dass reiche Griechen ihr Vermögen außer Landes brachten. Nun Griechenland in die Staatsinsolvenz zu schicken, würde die Beteiligung der Vermögenden an der Sanierung Griechenlands endgültig vereiteln, aber die Sparguthaben der Griechen mit geringerem Einkommen vernichten. Leider ist die Regierung Merkel noch immer nicht auf dem Pfad, Griechenland mit einer neuen Sozialpolitik, mit Wachstumsimpulsen und einer Stärkung der Verwaltung zu helfen. Wahrscheinlich müssen diese Aufgaben andere, spätere Regierungen lösen. Im Gegenteil werden gegenwärtig den Griechen Auflagen diktiert – als Vo-raussetzung zur finanziellen Hilfe –, von denen ich mir nicht vorstellen kann, dass sie in den geforderten Fristen erfüllbar sind. Ich denke dabei an Einschnitte in die Tarifautonomie, an Lohnkürzungen, an die Privatisierung des Gesundheitswesens, an ein neues Steuersystem, an Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst etc. etc. Diese Strangulierungsbedingungen werden Investoren abschrecken und Griechenland weder sozial- noch wirtschaftspolitisch auf die Beine helfen. Deshalb darf es nicht bei den jetzigen Beschlüssen bleiben – die Maßnahmen im Entschließungsantrag der SPD-Fraktion müssen dringend folgen. Andernfalls dient die Hilfe vornehmlich der Befriedigung der Gläubiger Griechenlands. Mit teilweise gleichlautenden Formulierungen wie in der Erklärung von Rolf Schwanitz kritisiere ich das bisherige Handeln der Bundesregierung, die in ihrem Krisenmanagement stets zu spät und unterkomplex agierte, insbesondere, – dass die Notmaßnahmen im ersten und zweiten Hilfspaket zu einseitig auf die Stabilisierung der Staatsausgaben orientieren – diese Orientierung hat die griechische Wirtschaft zusätzlich belastet und das Land in eine mehrjährige Rezession getrieben –, – dass die Maßnahmen in ihrer Unausgewogenheit einen sozialen Sprengstoff beinhalten, der geeignet ist, die Demokratie in Griechenland nachhaltig zu erschüttern, – dass der finanzielle Nutzen der Maßnahmen überhöht und die Probleme bei deren Realisierung nur unzureichend beschrieben werden – insbesondere die Zeitkorridore für die Umsetzung der gesetzgeberischen Maßnahmen, die der Regierung Griechenlands eingeräumt werden, sind zu kurz und erkennbar unrealistisch –, – dass eine Beteiligung privater Gläubiger zu spät erwogen und umgesetzt worden ist – dadurch ist die Wirkung des Schuldenschnitts im Sinne einer nachhaltigen Entlastung Griechenlands erheblich reduziert worden –, – dass die Notmaßnahmen bisher nicht durch einen -hinreichenden Wachstumsimpuls für Griechenland – Marshallplan – ergänzt worden sind – allein durch Fiskalpolitik kann eine nachhaltige Stabilisierung des griechischen Staatshaushaltes nicht gelingen –, – dass die Notwendigkeit, die Dimension, aber auch die Dauer der erforderlichen Hilfen für Griechenland gegenüber der deutschen Bevölkerung nur unzureichend beschrieben werden – tatsächlich handelt es sich bei der finanziellen und gesellschaftlichen Stabilisierung Griechenlands um eine Generationenaufgabe; sie -erfordert aber die Bereitschaft der Griechen zu schmerzlichen Veränderungen ebenso wie die Bereitschaft der Deutschen zur solidarischen Unterstüt-zung –, – dass flankierende Maßnahmen in Deutschland – der Exportüberschuss Deutschlands hat seine Entsprechung in der Schuldenlage Griechenlands – bisher sträflich vernachlässigt, ja sogar abgelehnt wurden. Als einziges Beispiel sei hier nur der von CDU/CSU und FDP abgelehnte Mindestlohn genannt. Heute auf den Tag genau vor 59 Jahren hat die damals junge Bundesrepublik Deutschland das Londoner Schuldenabkommen unterzeichnet. Nach der moralischen -Katastrophe und dem unermesslichen Leid zweier Weltkriege haben damals 70 Staaten, darunter auch Griechenland, einem 50-prozentigen Erlass der deutschen Vor- und Nachkriegsschulden zugestimmt. Dieser Schuldenschnitt war zusammen mit dem Marshallplan die Grundlage für den raschen wirtschaftlichen Aufstieg der Bundesrepublik. Wir haben allen Grund, uns bei unseren heutigen Entscheidungen an die eigene Geschichte zu erinnern. Christine Buchholz (DIE LINKE): Mein Nein im Bundestag ist ein Ja zum Widerstand. Ich stimme heute gegen den Antrag der Bundesregierung, den sie als „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“ bezeichnet. Sie will uns damit weismachen, es ginge ihr darum, den Griechen zu helfen. Das ist eine Lüge. Kein einziger Cent der bereitgestellten 130 Milliarden Euro wird der griechischen Bevölkerung zugutekommen. Der griechische Staat erhält das Geld, um seine Schulden bei deutschen, französischen und griechischen Banken abzutragen. Der Rettungsschirm wird nicht für die griechische Bevölkerung aufgespannt, sondern für die europäischen Banken. Ich stimme heute mit Nein, weil nicht die belohnt werden dürfen, die die Krise selbst mit zu verantworten haben. Und ich stimme mit Nein, weil es die griechischen Lohnabhängigen und Armen sind, die dafür am Ende zahlen sollen. Jeder Euro, der bereitgestellt wird, soll zu überhöhten Zinsen zurückgezahlt werden. Bezahlen sollen die griechischen Beschäftigten, deren Löhne auf Hungerniveau gestutzt werden, die ihren Arbeitsplatz verlieren, deren Renteneinlagen gestohlen werden. Ich stimme mit Nein, weil diese Politik nur mit einem Diktat von außen erzwungen werden kann. Der sogenannte Rettungsschirm ist in Wirklichkeit eine Waffe, mit der Griechenland die Souveränität über seinen eigenen Haushalt verliert. Die Troika aus EZB, Europäischer Kommission und IWF hebelt die Demokratie aus, um einen Wirtschaftskrieg gegen die griechische Arbeiterklasse führen zu können. Auch die Beschäftigten in Deutschland zahlen für diese Politik. Es sind ihre Steuergelder, die in die Bankenrettungsschirme fließen. Um uns irrezuführen, werden uns die griechischen Arbeiter als Schuldige präsentiert. Nein, die griechischen Arbeiter sind nicht „faul“. Sie haben auch nicht „über ihre Verhältnisse“ gelebt. Ich stimme mit Nein, weil ich dagegen bin, dass die Beschäftigten von den Herrschenden in Europa gegenei-nander ausgespielt werden. Was wir brauchen, sind europaweite Mindestlöhne. Was wir brauchen, ist die Verstaatlichung der Banken. Die Finanzmärkte müssen an die Kette gelegt werden. Nur so kann verhindert werden, dass ganze Staaten in den Bankrott spekuliert werden. Mein Nein im Bundestag ist ein Ja zum Widerstand. Ich unterstütze die Streiks der griechischen Gewerkschaften gegen das Spardiktat der Troika. Und ich unterstütze die geplanten Proteste des Frankfurter Bankenviertels gegen die Macht der Finanzmärkte im kommenden Mai. Die Solidarität im Widerstand ist es, die das Spardiktat der herrschenden Klasse brechen kann. Dr. Peter Danckert (SPD): Ich habe meine Zustimmung zum Abschluss einer Vereinbarung über Notmaßnahmen der EFSF zugunsten Griechenlands in Form von Darlehen – zweites Hilfspaket für Griechenland – erteilt, weil ein Staatsbankrott Griechenlands abgewendet werden muss und weil ich der festen Überzeugung bin, dass die finanzielle und gesellschaftliche Stabilisierung Griechenlands nur mit der solidarischen Hilfe der Euro-Länder und nur innerhalb der Europäischen Union gelingen kann. Dennoch kritisiere ich am bisherigen Handeln der Bundesregierung insbesondere: – dass die Notmaßnahmen im ersten und zweiten Hilfspaket sich zu einseitig auf die Stabilisierung der Staatsausgaben orientieren – diese Orientierung hat die griechische Wirtschaft zusätzlich belastet und das Land in eine mehrjährige Rezession getrieben –, – dass die Maßnahmen in ihrer Unausgewogenheit einen sozialen Sprengstoff beinhalten, der geeignet ist, die Demokratie in Griechenland nachhaltig zu erschüttern, – dass der finanzielle Nutzen der Maßnahmen überhöht und die Probleme bei deren Realisierung nur unzureichend beschrieben werden – insbesondere die Zeitkorridore für die Umsetzung der gesetzgeberischen Maßnahmen, die der Regierung Griechenlands eingeräumt werden, sind zu kurz und erkennbar unrealistisch –, – dass eine Beteiligung privater Gläubiger zu spät erwogen und umgesetzt worden ist – dadurch ist die Wirkung des Schuldenschnitts im Sinne einer nachhaltigen Entlastung Griechenlands erheblich reduziert worden –, – dass die Notmaßnahmen bisher nicht durch einen -hinreichenden Wachstumsimpuls für Griechenland – Marshallplan – ergänzt worden sind – allein durch Fiskalpolitik kann eine nachhaltige Stabilisierung des griechischen Staatshaushaltes nicht gelingen – und – dass die Notwendigkeit, die Dimension, aber auch die Dauer der erforderlichen Hilfen für Griechenland gegenüber der deutschen Bevölkerung nur unzureichend beschrieben werden – tatsächlich handelt es sich bei der finanziellen und gesellschaftlichen Stabilisierung Griechenlands um eine Generationenaufgabe; sie -erfordert aber die Bereitschaft der Griechen zu schmerzlichen Veränderungen ebenso wie die Bereitschaft der Deutschen zur solidarischen Unterstützung. Heute auf den Tag genau vor 59 Jahren hat die damals junge Bundesrepublik Deutschland das Londoner Schuldenabkommen unterzeichnet. Nach der moralischen -Katastrophe und dem unermesslichen Leid zweier Weltkriege haben damals 70 Staaten, darunter auch Griechenland, einem 50-prozentigen Erlass der deutschen Vor- und Nachkriegsschulden zugestimmt. Dieser Schuldenschnitt war zusammen mit dem Marshallplan die Grundlage für den raschen wirtschaftlichen Aufstieg der Bundesrepublik. Wir haben allen Grund, uns bei unseren heutigen Entscheidungen an die eigene Geschichte zu erinnern. Darüber hinaus erkläre ich, dass dies das letzte Mal sein wird, dass ich meine Zustimmung zu einem weiteren Hilfspaket für Griechenland gebe. Ich habe schwere Bedenken insbesondere aufgrund der fehlenden und unzureichend vorliegenden Dokumente in deutscher Sprache. Das Fehlen einer ausführlichen Schuldentragfähigkeitsanalyse – Debt Sustainability Analysis – ist vor dem Hintergrund der Gewährung von weiteren Darlehen entscheidend. Bei der am heutigen Tage versandten Ausschussdrucksache 17/4326 handelt es sich um eine vorläufige Einschätzung der Troika. Diese ist als Entscheidungsgrundlage aus meiner Sicht daher keineswegs ausreichend. Werner Dreibus (DIE LINKE): Ich habe gegen den Antrag der Bundesregierung „Finanzhilfen zugunsten der hellenischen Republik“ gestimmt, weil diese nur den Banken und Finanzakteuren helfen und die mit ihnen verbundenen Spardiktate die griechische Wirtschaft endgültig ruinieren, den Sozialstaat zerstören und die Demokratie aushöhlen. Kein einziger Euro der 165 Milliarden Euro dieses zweiten sogenannten Hilfspaketes für Griechenland wird der griechischen Bevölkerung zugutekommen. Die sogenannten Hilfspakete retten allein die Banken und pri-vaten Gläubiger. Seit Mai 2010 wurden aus dem ersten 110 Milliarden Euro schweren „Hilfspaket“ 73 Milliarden Euro an Krediten ausgezahlt. 70 Milliarden Euro flossen direkt zurück an die Gläubiger – an griechische und internationale Banken, Versicherungen und Finanz-investoren. Die griechische Bevölkerung muss für diese Bankenrettungspakete teuer bezahlen. Unter der Knute von Kanzlerin Merkel unterwerfen Europäische Union, -Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds Griechenland gnadenlosen Spardiktaten. Für das erste Bankenrettungspaket wurde Griechenland zu Kürzungen in Höhe von 35 Milliarden Euro bzw. 15 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung gezwungen. Die scharfen Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen sind beispiellos. Und der Erfolg? Die griechische Wirtschaft ist in den letzten zwei Jahren um mehr als 11 Prozent eingebrochen. Die offizielle Arbeitslosenrate liegt bei 21 Prozent. Von den Jugendlichen ist sogar jeder Zweite ohne Job. Und die Schulden des Landes sind um über 50 Milliarden Euro bzw. von 130 auf 170 Prozent des BIP gestiegen. Das zweite Bankenrettungspaket, das heute vom Bundestag beschlossen werden soll, setzt diese katastrophal falsche Politik Angela Merkels fort. So sollen unter anderem der Mindestlohn und das Arbeitslosengeld dramatisch gesenkt, Renten nochmals drastisch gekürzt und weitere 150 000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst vernichtet werden. Doch die Bankenrettungspakete sind nicht nur ein Angriff auf den Sozialstaat, sie sind auch ein Anschlag auf die Demokratie. Durch detaillierte Politikvorgaben, Überwachungsmechanismen und die Einrichtung eines Sperrkontos wird Griechenland die Souveränität entzogen. Zu diesem Angriff auf die sozialen und demokratischen Rechte der griechischen Bevölkerung sage ich Nein. Den sich wehrenden Menschen in Griechenland gehört meine volle Solidarität. Ich fordere ein sofortiges Ende der Spardiktate, stattdessen muss ein europäisches Investitionsprogramm -aufgelegt werden, das durch die Einführung einer Mil-lionärsteuer finanziert wird. Die Finanzierung der öffentlichen Haushalte in der Euro-Zone muss über eine -öffentliche europäische Bank sichergestellt und so der Spekulation entzogen werden. Griechenland ist von 75 Prozent seiner gesamten Schulden zu befreien und die damit verbundenen Kosten für die öffentliche Hand sind durch eine EU-weite Vermögensabgabe zu finanzieren. Alle privaten Großbanken sind in die öffentliche Hand zu überführen und strikt zu regulieren. Zu einer grundlegenden Lösung der Euro-Krise gehört auch die Steigerung der deutschen Binnennachfrage, weil nur so die Handelsungleichgewichte zwischen den europäischen Staaten reduziert werden können. Auch aus diesem Grund haben die Forderungen der Gewerkschaften nach hohen Tarifabschlüssen meine volle Unterstützung. Annette Groth (DIE LINKE): Ich habe heute gegen den Antrag des BMF zu den Finanzhilfen zugunsten der hellenischen Republik gestimmt, weil der Antrag die Verarmung großer Teile der griechischen Bevölkerung mit sich bringen wird. Der heute abgestimmte Antrag wird in den Medien häufig als „Hilfspaket“ für Griechenland bezeichnet. Das ist falsch. In Wahrheit haben die EU-Mitgliedstaaten und die Bundesregierung dem griechischen Staat ein Hilfspaket für die Sicherung der Gewinne von Banken und Investoren diktiert. Viele Menschen in Griechenland werden durch die Zwangsmaßnahmen in die Armut getrieben. Die griechische Wirtschaft wird zerstört. Mit den Zwangsmaßnahmen gegenüber Griechenland wird die Demokratie und die Tarifautonomie quasi außer Kraft gesetzt. Der griechische Staat wird gezwungen, dass alle bisher geltenden Tarifverträge nach Annahme der Spargesetze nur noch ein Jahr gelten und danach ungültig werden. Gleichzeitig wird den griechischen Gewerkschaften und Unternehmensverbänden gegen ihren erbitterten Widerstand vorgeschrieben, dass alle neu abgeschlossenen Tarifverträge eine Mindestlaufzeit von drei Jahren haben müssen. Demokratischen Errungenschaften, die in vielen Jahrzenten erkämpft wurden, wie die Freiheit der Gewerkschaften und die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, werden für die Interessen der internationalen Finanzmärkte in Griechenland einfach ausgehebelt. Mit der Senkung der im „Nationalen Allgemeinen Tarifvertrag“ und der in sektoralen und Branchenvereinbarungen festgelegten Basislöhne um 22 Prozent wird der Lohn eines neu eingestellten verheirateten Beschäftigten ohne Berufserfahrung von 826,54 Euro auf 644,70 Euro sinken. Für alleinstehende Beschäftigte mit sechs Berufsjahren wird der Bruttolohn von 887,99 Euro auf 692,63 Euro gesenkt. Da in vielen Städten die Mieten für kleine Wohnungen über 500 Euro im Monat kosten, können sich viele Menschen durch Arbeit nicht mehr alleine ernähren. Für junge Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger wird zu diesen massiven Kürzungsdiktaten zusätzlich ihr Lohn um weitere 10 Prozent auf knapp über 510 Euro abgesenkt. Alle diese Kürzungen werden zu sozialen Verwerfungen und zu einer weiteren deutlichen Einschränkung der Kaufkraft führen. Hierdurch wird sich der griechische Kurs noch mehr auf rezessive Tendenzen begeben. Mit der vorgeschriebenen Höchstvergütung von Arbeitslosen von 313 Euro werden Arbeitslose automatisch zur Armut verdammt. Mit den vorgeschriebenen Entlassungen von 15 000 Beschäftigten aus dem öffentlichen Sektor und der diktierten Reduzierung der Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich bis 2015 um 150 000 wird sich die Massenarbeitslosigkeit in Griechenland weiter drastisch erhöhen. Schon heute sind in Griechenland mehr als 20 Prozent arbeitslos und etwa 50 Prozent der Jugendlichen. Die Spardiktate werden Griechenland nicht helfen, sondern zu einer massiven Zerstörung der griechischen Wirtschaft und Gesellschaft beitragen. Deshalb stimme ich dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik“ nicht zu. Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Ich stimme den beiden Anträgen zu. Mit meinem Votum verbinde ich folgende Erwägung: Eine wirtschaftliche und finanzielle Genesung der Hellenischen Republik erfordert nach meiner Überzeugung neben einer Vielzahl weiterer Maßnahmen einen – vorübergehenden – Austritt des Landes aus der Euro-Zone. Es ist für mich nicht erkennbar, dass die heute gefassten Beschlüsse einen derartigen Schritt mittel- und längerfristig entbehrlich machen könnten. Den vorliegenden Anträgen stimme ich in der Erwartung zu, dass die kommenden Monate genutzt werden, um etwaige Ansteckungsgefahren gegenüber anderen Mitgliedstaaten der Euro-Zone im Fall eines Euro-Austritts der Hellenischen Republik zu minimieren und dadurch die Handlungsoptionen zu erhöhen. Petra Hinz (Essen) (SPD): Ich habe meine Zustimmung zum Abschluss einer Vereinbarung über Notmaßnahmen der EFSF zugunsten Griechenlands in Form -eines zweiten Hilfspaketes erteilt, weil ein Staatsbankrott Griechenlands abgewendet werden muss und weil ich der festen Überzeugung bin, dass die finanzielle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilisierung Griechenlands nur mit der solidarischen Hilfe der Euro-Länder und nur innerhalb der Europäischen Union gelingen kann. Ich kritisiere am bisherigen Handeln der Bundes-kanzlerin Dr. Angela Merkel und der Bundesregierung insbesondere, dass sich die Notmaßnahmen im ersten und zweiten Hilfspaket zu einseitig auf die Stabilisierung der Staatsausgaben orientieren. Diese Orientierung belastet die griechische Wirtschaft zusätzlich und hat das Land in eine mehrjährige Rezession getrieben. Ich kritisiere, dass die Maßnahmen in ihrer Einseitigkeit und sozialen Unausgewogenheit einen sozialen Sprengstoff beinhalten, der geeignet ist, die Demokratie in Griechenland nachhaltig zu erschüttern. Die stärkere Heranziehung von wirtschaftlich starken Bevölkerungsgruppen und privaten Vermögen ist unzureichend. Ich kritisiere, dass der finanzielle Nutzen der Maßnahmen überhöht und die Probleme bei deren Realisierung nur unzureichend beschrieben werden. Insbesondere die Zeitkorridore für die Umsetzung der gesetzgeberischen Maßnahmen, die der Regierung Griechenlands eingeräumt werden, sind zu kurz, willkürlich und erkennbar unrealistisch. Ich kritisiere, dass eine stärkere Beteiligung privater Gläubiger, insbesondere Banken, zu spät erwogen und umgesetzt worden ist. Dadurch ist die Wirkung des Schuldenschnitts, insbesondere durch freiwillige Privatsektorbeteiligung, im Sinne einer nachhaltigen Entlastung Griechenlands erheblich reduziert worden. Ich kritisiere die Förderung der Kapitalflucht durch Gerede und Vielstimmigkeit von Koalitions- und Kabinettsmitgliedern. Ich kritisiere, dass die Notmaßnahmen bisher nicht durch einen hinreichenden und nachhaltigen Wachstumsimpuls für Griechenland, Marshallplan, ergänzt worden sind. Allein durch Fiskalpolitik kann eine nachhaltige Stabilisierung des griechischen Staatshaushaltes nicht gelingen. Ich kritisiere, dass die Notwendigkeit, die Dimension, aber auch die Dauer der erforderlichen Hilfen für Griechenland gegenüber der deutschen Bevölkerung nur unzureichend beschrieben werden. Tatsächlich handelt es sich bei der finanziellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stabilisierung Griechenlands um eine Generationenaufgabe. Sie erfordert aber die Bereitschaft der Griechen zu schmerzlichen Veränderungen ebenso wie die Bereitschaft der Deutschen und des gesamten Euro-Raums zur solidarischen Unterstützung. Vor genau 59 Jahren hat die Bundesrepublik Deutschland das Londoner Schuldenabkommen unterzeichnet. Nach der moralischen Katastrophe und dem unermesslichen Leid zweier Weltkriege haben damals 70 Staaten, darunter auch Griechenland, einem 50-prozentigen Erlass der deutschen Vor- und Nachkriegsschulden zugestimmt. Dieser Schuldenschnitt war zusammen mit dem Marshallplan die Grundlage für den raschen wirtschaftlichen Aufstieg der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben allen Grund, uns bei unseren heutigen Entscheidungen an die eigene Geschichte zu erinnern. Christian Hirte (CDU/CSU): Dem Antrag, der weitere Kredite für Griechenland vorsieht, stimme ich nicht zu. Seit zwei Jahren ist die Schuldenkrise einiger europäischer Länder das zentrale Thema und die große Herausforderung. In keinem anderen Land ist die Krise dabei so scharf wie in Griechenland. Ich bin der festen Überzeugung, dass an dieser Schuldenkrise die europäische Idee nicht zerbrechen darf. Europa, der Frieden, die Freiheit sind mehr wert, als wir in Haushaltszahlen ausdrücken können. Die großen Sparanstrengungen in Griechenland verlangen der Bevölkerung viel ab. All diese Maßnahmen haben aber in den zurückliegenden Monaten nicht dazu geführt, dass sich für das Land und die Menschen eine Aufschwungperspektive entwickeln konnte. Die Kredite haben in der Regel lediglich private Gläubiger bedient. Der Vollzug und die Umsetzung zahlreicher Beschlüsse sind trotz großer Einschnitte aus meiner Sicht nicht ausreichend. Als europäische Partner müssen wir ein Interesse daran haben, dass die Lage in Griechenland wieder besser wird. Daher müssen wir bei unseren politischen Entscheidungen abwägen, wie ein solcher Pfad für Griechenland wieder beschritten werden kann. Dabei erkenne ich besonders die Anstrengungen von Bundeskanzlerin und Bundesfinanzminister an. Beide haben immer wieder in den Verhandlungen auf europäischer Ebene für Veränderungen und Reformen in Griechenland geworben. Sie haben sich dabei sowohl für den europäischen Gedanken der Solidarität als auch für die Verantwortung der einzelnen Staaten stark gemacht. Beides zusammen sind tragende Säulen des Hauses Europa. Ich bin der Überzeugung, dass der Aufschwungpfad im Rahmen immer weiterer Hilfskredite für Griechenland jedoch nicht erreichbar ist. Die Hilfen der vergangenen Monate haben aber im Nachhinein einen wichtigen psychologischen und ökonomischen Beitrag geleistet. In der Situation von vorübergehender Panik an den Finanzmärkten verhinderten diese ein Überspringen auf die Realwirtschaft. Eine solche Situation hätte allen Ländern und Volkswirtschaften Europas sehr geschadet. An der konkreten Situation in Griechenland selbst haben die Hilfen aber nichts ändern können. Das zentrale Pro-blem, das einem Aufschwung und neuen Perspektiven des Landes im Weg steht, ist die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Dies macht Produkte und Dienstleistungen in einem Maße unattraktiv, das die Wirtschaft dauerhaft lähmt. Diese Wettbewerbsfähigkeit kann Griechenland nur dann wieder erlangen, wenn es Instrumente zur Verfügung hat, die dem Land als Euro-Mitglied praktisch nicht zur Verfügung stehen. Im Euro müssten Entscheidungen und Änderungen im Lohngefüge durchgesetzt werden, die praktisch nicht zu stemmen sind. Wir haben Griechenland gemeinsam in die Familie der Euro-Länder aufgenommen, daher sollten wir es nicht ausschließen – dieser Schritt kann nur von Griechenland selbst gegangen werden. Gerade als Abgeordneter eines ostdeutschen Bundeslandes weiß ich um den großen Wert europäischer Solidarität. Ohne die Unterstützung und die Hilfe unserer Partner und Freunde in Europa wäre vieles nicht möglich gewesen. Gerade deshalb bin ich auch im Fall Griechenlands für absolute Solidarität. Wir müssen einen – auch finanziellen – Beitrag dazu leisten, dass das Land wieder Tritt fasst. Entscheidend dafür sind jedoch die Strukturen, innerhalb derer dies passieren kann. Kreditpakete, bei denen schon jetzt absehbar ist, dass sie in einigen Monaten durch neue Pakete ergänzt werden müssen, können diesen Beitrag nach meiner Überzeugung nicht leisten. Harald Koch (DIE LINKE): Ich habe heute gegen den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zu den „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“ gestimmt, weil ich nicht hinnehmen kann, dass in Griechenland Sozialstaat und Demokratie vernichtet werden, indem man die griechische Wirtschaft kaputtspart und die Bevölkerung mit immer neuen Sozial-, Renten-, Lohn- und Mindestlohnkürzungen drangsaliert. Spardiktate vergrößern nur die Schuldenfalle, sodass sich Griechenland wie viele deutsche Kommunen in einer Art Vergeblichkeitsfalle befindet. Die unsozialen Kürzungs- und Sparorgien werden gegen den Willen der griechischen Bevölkerung durchgezogen, mannigfaltige Kon-troll- und Sanktionsmechanismen gefährden Griechenlands politische Unabhängigkeit in wichtigen Bereichen – und damit gefährden sie auch die Demokratie. So wird Griechenland – und Europa – immer tiefer in eine Krise gestürzt, stattdessen wäre ein strukturierter Aufbauplan vonnöten. Um Haushalte zu sanieren, müssen vor allem Einnahmen erhöht, nicht immer nur Ausgaben gesenkt werden. Es ist aber geradezu grotesk, dass auf der Ausgabenseite niemand die enormen Rüstungsausgaben Griechenlands beschneiden will. Öffentliche Haushalte sind auf der Einnahmeseite meiner Meinung nach durch eine höhere Besteuerung von Reichen, Vermögenden und Großkonzernen auf eine zukunftsfähige Grundlage zu stellen. EU-weit muss es eine koordinierte und kooperative Wirtschaftspolitik geben. In erster Linie müssen die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte abgebaut werden. Ich fordere deshalb eine europäische Ausgleichsunion, die die Euro-Staaten zum Ausgleich ihrer Leistungsbilanzen zwingt. Um das Diktat der Finanzmärkte zu brechen, sollten gemeinsame europäische Anleihen aufgelegt werden. Bedeutsam wäre in diesem Zusammenhang auch die Gründung einer Europäischen Bank für öffentliche Anleihen. Deutschland hingegen befeuert durch seine hohen Exportüberschüsse die Krise. Stattdessen muss Deutschland endlich die Binnennachfrage stärken, zum Beispiel durch einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro, die Aufstockung des Hartz-IV-Regelsatzes auf mindestens 500 Euro und öffentliche Investitionen in einen sozial-ökologischen Umbau. Das neue Hilfspaket hat die falschen Adressaten: Die griechische Bevölkerung wird noch mehr als zuletzt leiden müssen, und schließlich tragen auch deutsche Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ein Milliardenrisiko. Weil ich für eine Politik der Solidarität stehe und das europäische Demokratie- und Sozialstaatsmodell verteidige, habe ich heute gegen den Antrag „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“ gestimmt. Manfred Kolbe (CDU/CSU): Den heutigen Antrag „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“ werde ich ablehnen, ich werde mit Nein stimmen. Erstens. Die bisherige Rettungsschirmpolitik ist gescheitert, was schon durch die Notwendigkeit eines zweiten oder gar dritten Rettungspaketes bewiesen wird. Griechenland ist nicht nur illiquide, sondern insolvent und braucht statt weiterer Konkursverschleppung einen vollständigen Neuanfang innerhalb oder außerhalb der Euro-Zone. Dies liegt im Interesse Europas, Deutschlands und auch Griechenlands, das durch die bisherige Politik immer tiefer in den Abgrund geraten ist. Zweitens. Griechenland ist innerhalb des Euro--Raumes nicht mehr wettbewerbsfähig. Der Aufbau staatlicher Strukturen, insbesondere einer funktionierenden Finanzverwaltung oder einer international konkurrenzfähigen Industrie, ist aber nicht in Monaten oder Jahren zu bewerkstelligen, sondern braucht – wie der Aufbau Ost in Deutschland zeigt – Jahrzehnte, wenn überhaupt. Insbesondere müssen die Griechen selber diesen Weg wollen, der zunächst sicherlich mit großen Opfern verbunden ist. Auf all diese Fragen gibt die Bundesregierung keine Antwort. Drittens. Die Fortsetzung der bisherigen Politik überfordert aber auch die Bundesrepublik Deutschland. Bereits jetzt haften wir für die gesamten Euro-Rettungsmaßnahmen mit rund 500 Milliarden Euro, einer halben Billion. Neben dem zweiten Griechenland-Rettungs-paket wird bereits ein drittes diskutiert sowie eine -Aufstockung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM. Dieses im Ernstfall nicht zu bewältigende Haftungsrisiko kann ich mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren. Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Die Stabilisierung des Euro hat oberste Priorität. Deutschland wird dieser Verantwortung gerecht. Andere Lösungswege aus der Verschuldungskrise in Griechenland, die ein „Anwerfen der Notenpresse“ bedeuten, sind mit uns nicht durchsetzbar. Vielmehr müssen wir jetzt mehr denn je eine Kultur der Stabilität im Euro-Raum mit Nachdruck durchsetzen. Der beschlossene Fiskalpakt ist ein wichtiger Schritt. Trotz der massiven und teilweise beschämenden Proteste und ärgerlichen Vorwürfe aus Griechenland dürfen wir nicht nachlassen, von Griechenland größte Anstrengungen und das nachhaltige Angehen der Strukturpro-bleme weiterhin mit Nachdruck einzufordern. Insbesondere was die Probleme des griechischen Steuersystems und vor allem bei der Steuervereinnahmung, Überbürokratie und einer völlig aufgeblähten Verwaltung, den -erheblichen Pensionslasten, aber auch bei der Ausgabenpolitik in anderen Bereichen angeht, sind die Anstrengungen noch nicht zufriedenstellend. Hier sind noch größere Anstrengungen notwendig. Die Entwicklung Griechenlands zeigt sehr eindrücklich, wie wichtig solide Finanzen, ein effizientes und durchschaubares Steuersystem sowie Wachstum und Produktivität sind. Die Politik der Opposition steht für genau das Gegenteil: für Ausgabenwahn, eine hohe Abgabenlast, die den Binnenkonsum abwürgt, eine hohe Staatsquote, Mindestlohn sowie unbezahlbare sozialromantische Versprechen. Genau dies waren auch die entscheidenden Zutaten, die in Griechenland und anderen Ländern das Chaos erst heraufbeschworen haben. Wären wir den Forderungen von Rot-Grün seit 2010 gefolgt, hätte sich die deutsche Verschuldung dem südeuropäischen Niveau angenähert und nicht umgekehrt. Unser Land wäre mit den rot-grünen Forderungen ebenso pleite. Außerdem war es das historische Versagen von Rot-Grün, den Beitritt Griechenlands zur Euro-Zone zugelassen und die Stabilitätskriterien aufgeweicht zu haben. Damit sind sie für das jetzige Desaster mitverantwortlich. Deutschland muss vielmehr weiter für solide Haushaltsführung, Einsparmaßnahmen, die Reformierung des Steuersystems und die Bekämpfung der Bürokratie einstehen. Diese Notwendigkeiten sind auch im Lichte der griechischen Verhältnisse nicht relativierbar und müssen weiterhin mit Nachdruck verfolgt werden. Diese Bundesregierung steht ausdrücklich dafür. Meine Entscheidung habe ich unter Berücksichtigung all dieser Aspekte abgewogen und mich entschieden, dem Kurs der schwarz-gelben Bundesregierung zu folgen. Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Seit rund zwei Jahren bemüht sich die europäische Staatengemeinschaft, Griechenland vor dem drohenden Staatsbankrott zu bewahren. Doch die bisherige Rettungsstrategie brachte keinen Erfolg. Im Gegenteil, die Situation Griechenlands hat sich dramatisch verschlechtert. Die Schuldenquote steigt, und die Wirtschaft schrumpft im fünften Jahr in Folge. Leistungsbilanzdefizite gehen einher mit Verwaltungsineffizienz. Eine zu hohe Konsumquote trifft auf mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. Der Investitionsstau wird begleitet von Kapitalflucht. Alles deutet darauf hin, dass die bisherigen Maßnahmen eine Insolvenz Griechenlands zwar hinauszögern, nicht aber verhindern können. Nach meiner festen Überzeugung wird auch das neue Rettungspaket weder Griechenlands Schuldentragfähigkeit wiederherstellen, noch kann es dazu beitragen, dass Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit zurückerlangt. Ebenso wird der geplante freiwillige Schuldenschnitt nicht ausreichen, um Griechenland wieder auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen. Es wird vielmehr höchste Zeit, eine Insolvenzordnung für Staaten zu etablieren, an deren Ende eine erfolgreiche Sanierung oder ein Austritt steht. Mit den jetzigen Hilfen erkaufen wir uns lediglich Zeit. Aber dieser Kauf könnte uns teuer zu stehen kommen, denn auf lange Sicht gefährden wir politisch den Zusammenhalt Europas und ökonomisch die Währungsunion. Ich kann aus den genannten Gründen dem Hilfspaket nicht zustimmen. Dr. Erwin Lotter (FDP): Wenn sich kurz vor der Beschlussfassung des Deutschen Bundestages – auch – der in der Ressortverantwortung stehende Bundesminister gezwungen sieht, über das Wochenende Fragen von für die heute anstehende Entscheidung elementarer Bedeutung presseöffentlich zu behandeln, begründet dies meines Erachtens zusätzlichen parlamentarischen Beratungsbedarf. Zeitlich zwingende Abläufe sollen dem entgegenstehen. Damit aber ist mir ein Pro- oder Contravotum nicht möglich. Aus der Tatsache, den bisher sechs Beschlüssen zur „Rettung des Euro“ aus jeweils überzeugenden Gründen und damit begründeter Überzeugung zugestimmt zu haben, resultiert jedenfalls kein mich bindender Zustimmungsautomatismus. Im Gegenteil: Meine Verantwortung gegenüber unseren deutschen Interessen – wie auch meine persönlich-freundschaftliche Verbundenheit zu Griechenland – gebietet mir vielmehr, mich jeweils neu zu vergewissern, um sodann einen weiterhin als richtig erkannten Weg fortsetzen zu können oder einen sich aufgrund neuer Erkenntnisse bzw. zwischenzeitlicher Entwicklungen als falsch abzeichnenden Weg korrigieren zu müssen. Eine über ein Wochenende initiierte Debatte einer Dimension von drittes Rettungspaket bis Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone kann zwangsläufig nur ein in den Medien ausgetragener Austausch von Schlagworten sein, also alles andere als eine solide Grundlage der beschriebenen Vergewisserung. Mich heute der Stimme zu enthalten, ist die daraus notwendigerweise folgende Konsequenz. Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Zwar wurde die Vertrauenskrise im Euro-Raum, die durch die Schuldenkrise in Griechenland entstanden ist, noch nicht vollständig überwunden. Jedoch konnten mehrere zielführende und maßgebliche Erfolge errungen werden. Die Vorgaben des notwendigen Eigenkapitals systemrelevanter Banken wurden deutlich verschärft, die Instrumente der EFSF konnten deutlich erweitert werden, und die Forderung Deutschlands, den Privatsektor deutlich und nachhaltig zu beteiligen, konnte umgesetzt werden. Griechenland hat es geschafft, das Primärdefizit von 10,4 auf 2,4 Prozent deutlich zu verringern. Es geht im Falle Griechenlands um die Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit und nicht um die Vorgabe, um jeden Preis Einsparungen vorzunehmen. Die Vorgaben und Beschlüsse der EU müssen nun weiterhin umgesetzt werden, um Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen und Wachstum zu generieren. Ich kann aber dennoch nur unter Zurückstellung persönlicher Bedenken und in Anerkennung des Bestrebens der Regierungskoalition und der Bundesregierung, einen klaren und deutlichen Beitrag zur Überwindung der Schuldenkrise im Interesse Deutschlands und des gesamten Euro-Raums zu leisten, dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zustimmen. Auch sehe ich die Abstimmung als letztes Angebot an Griechenland, unter klaren Bedingungen eine Schuldentragfähigkeit zu erreichen. Einem Griechenland-III-Programm werde ich nicht zustimmen. Es ist ein Aufzeigen von Grenzen notwendig, und Griechenland muss klar sein, dass es das letzte Mal ist, dass Deutschland Hilfe leisten kann. Dieses und weitere mögliche Hilfspakete werden die Situation in Griechenland nicht entschärfen, solange die griechische Administration nicht deutliche Erfolge in der Restrukturierung des Haushalts und der Wettbewerbsfähigkeit in Europa erzielen kann. Solange keine funktionierende Steuerverwaltung und eine sinnvolle Neujustierung des Lohnniveaus und der Sozialleistungen stattfinden, kann der sich der Staat nicht von den Folgen der noch anhaltenden Krise erholen. Die Chancen beim neuen Griechenland-Paket überwiegen die Risiken einer solchen Unterstützung. Wir müssen diese Chancen nutzen, anstatt zukünftigen Generationen Schulden zu vererben. Ferner muss sichergestellt werden, dass alle Vorgaben, Maßnahmen und Ziele auch dann weiterhin Bestand haben, wenn in Griechenland eine neue Regierung gewählt wird. Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Meiner Zustimmung zum vorliegenden Antrag des Bundesministeriums der Finanzen über die Übernahme weiterer Gewährleistungen für Griechenland im Rahmen des Stabilisierungsmechanismusgesetzes liegt eine Abwägung der Auswirkungen möglicher Alternativen zugrunde. Ein unkontrollierter Prozesses, wie beispielsweise ein kurzfristiges Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone oder eine nicht geordnete Staatsinsolvenz, hätte nicht nur verheerende innenpolitische Folgen für Griechenland und seine Nachbarländer, sondern würde auch zu einer Instabilität der internationalen Finanzmärkte führen. Um nachhaltige Veränderungen in Griechenland auf der einen Seite zu ermöglichen und verantwort- und planbare Auswirkungen auf den Bundeshaushalt auf der anderen Seite zu schaffen, halte ich es für meine Zustimmung für konstitutiv, dass die im Antrag des Bundesministeriums der Finanzen vorgeschlagenen Bedingungen für die Auszahlung der Hilfen vollumfänglich erfüllt werden. Hierbei ist aus meiner Sicht zentral, dass vor der Auszahlung einer ersten Tranche der erfolgreiche Abschluss der Umschuldung erfolgt und die Troika bestätigt, dass Griechenland durch Umsetzung des Maßnahmenpaketes im Jahr 2020 einen Schuldenstand von nahe 120 Prozent des BIP erreichen kann. Der heutige Beschluss des Bundestages ist nicht ausschließlich eine haushälterische oder finanzpolitische Entscheidung. Die Übernahme weiterer Gewährleistungen für Griechenland im Rahmen der EFSF ist eine Richtungsentscheidung über die weitere Perspektive des europäischen Projekts. Der von der Bundesregierung vorgeschlagene Weg enthält hohe finanzielle Risiken für den Bundeshalt. Die Risiken sind jedoch gegenüber jedem anderen in der Diskussion befindlichen Modell in ihrer maximalen Höhe bezifferbar. Eine solche Sicherheit konnte mir keiner der Kritiker der heutigen Entscheidung für sein jeweils präferiertes Modell geben. Im Gegenteil ist unbestritten, dass die vielseitigen Interdependenzen im europäischen Wirtschafts- und Währungsraum eine verlässliche Analyse des volkswirtschaftlichen Risikos für Deutschland unmöglich macht. Jens Petermann (DIE LINKE): Ich stimme gemeinsam mit meiner Fraktion gegen den Antrag des Bundesministers der Finanzen, weil er mit den unsozialsten Lohn-, Renten- und Gehaltskürzungen in der Geschichte Griechenlands verbunden ist. Ich bedaure es, dass CDU/CSU, FDP, Grüne und SPD mit den für die Bewilligung der „Hilfen“ verbundenen Auflagen Griechenland und dessen Bevölkerung noch weiter in die Krise stürzen werden. Mit dem ersten Rettungspaket im Mai 2010 waren Kürzungen in Höhe von 35 Milliarden Euro verbunden. Dies umfasst 15 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Aufgrund dessen sackte die Wirtschaft seither jährlich um weitere 10 Prozent ab. Die griechischen Kolleginnen und Kollegen, die heute auf einen Mindestlohn von 4,38 Euro angewiesen sind, müssen in Zukunft mit einem Euro weniger auskommen. Es ist ein Skandal, wenn das Bundesministerium der Finanzen dies auf Nachfrage als angemessen erachtet. Nach dortiger Ansicht – und der der gesamten Koalition – sind die Mindestlöhne in Griechenland zu hoch, ebenso wie der Anteil des Staates an der Wirtschaftsleistung Griechenlands. Deshalb sei auch die Entlassung von 150 000 Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst notwendig. Privatisierung gilt als Allheilmittel. Die Entlassenen sollen sich in der privaten Wirtschaft engagieren und für wirtschaftlichen Aufschwung sorgen. Die Wirtschaft aber wird durch die Sanktionen des Stabilitätsmechanismus ebenso in die Knie gezwungen wie der gesamte Staat. Die Entlassenen haben keine Möglichkeit, eine neue Beschäftigung zu finden. Vielmehr sind sie auf das um 30 Prozent heruntergekürzte Arbeitslosengeld in Höhe von 322 Euro im Monat angewiesen. Nach einem Jahr Arbeitslosengeld fallen sie dann durch das soziale Netz und sind der Obdachlosigkeit preis-gegeben, wenn sie nicht bei Familienmitgliedern auf-genommen werden können. Hier wird sehenden Auges eine soziale Katastrophe herbeigeführt. Ich stimme gegen den Antrag, weil mit den verbundenen Auflagen tiefe Einschnitte im sozialen Bereich einhergehen, während der riesige Militäretat des griechischen Staates lediglich um 300 Millionen Euro gekürzt werden soll. Begründet wird das damit, dass sich die Bundesregierung in diesem Bereich nicht gegenüber der griechischen Regierung durchsetzen konnte. Ein vorgeschobenes Argument! Vielmehr verdienen deutsche Unternehmen durch Rüstungsexporte nach Griechenland Milliarden. Ich stimme gegen den Antrag, weil mit den verbundenen Auflagen tiefe Einschnitte im sozialen Bereich einhergehen, während in Griechenland ein gerechtes Steuersystem fehlt. Die Reichen zahlen nahezu keine Steuern, während den Armen und mittlerweile auch schon den ehemaligen Normalverdienern die finanzielle Grundlage für ein würdiges Leben genommen wird. Auch hier ist es der Bundesregierung angeblich nicht gelungen, vom griechischen Staat ein gerechtes Steuersystem inklusive Vermögensteuer und Beitreibungskonzept zu fordern. Entlassungen und Sozialkürzungen sind da wesentlich einfacher durchzusetzen und werden als normal angesehen. Ich stimme gegen den Antrag, weil die Euro-Krise nur durch Schließung des Spekulationskasinos gelöst werden kann. Laut Aussage der Regierung wurde der größte Teil der bisher bewilligten Hilfen zur Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern verwendet. Wo der restliche Teil geblieben ist, bleibt unklar. Diese Gläubiger sind Großbanken, Kreditausfallversicherungen und Spekulanten. Das führt dazu, dass die, die Griechenland über Jahrzehnte gemolken haben, immer noch weiter melken können, und das bei einem Minimum an Kapitaleinsatz. Durch Zins und Zinseszins hat Griechenland seine Kredite schon mehr als einmal zurückgezahlt. Doch den armen Großbanken und Kreditausfallversicherungen droht nach Ansicht der Koalition die sichere Insolvenz, wenn sie nun auf ihre weiteren Forderungen verzichten müssten. Und solche Insolvenzen würden die Wirtschaft ganz Europas mit in den Abgrund reißen. Diesem unseriösen Gebaren muss der Boden entzogen werden. Die Staaten müssen sich unabhängig von den Kapitalmärkten finanzieren können, über eine Bank für öffentliche Anleihen. Die Finanzmärkte müssen endlich streng reguliert werden, die Verursacher und Profiteure der Krise müssen zur Kasse gebeten werden: Dies kann man durch eine EU-weite Vermögensabgabe für Superreiche, durch eine Finanztransaktionsteuer und durch eine Beteiligung großer privater Gläubiger realisieren. Mein Nein zum Antrag des Bundesministers der Finanzen ist ein Nein zu einer antisozialen Politik, die dem griechischen Staat aufoktroyiert werden soll, und ein Ja für die griechische Bevölkerung. Richard Pitterle (DIE LINKE): Bei der heutigen Abstimmung über den Antrag auf erneute Finanzhilfen für Griechenland habe ich mit Nein gestimmt. Nicht weil ich der Meinung bin, dass Griechenland nicht geholfen werden soll. Ganz im Gegenteil. Ich habe mit Nein gestimmt, weil ich der Meinung bin, dass die Bedingungen, die an die Finanzhilfen geknüpft worden sind, Griechenland weiter in den Ruin treiben werden. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz OECD, hat festgestellt, dass Griechenland im Jahr 2010 sein Strukturdefizit von 7,5 Prozent auf 6,5 Prozent senken konnte. Das hat laut der OECD kein einziges Industrieland in den vergangenen 25 Jahren geschafft. In Deutschland stieg das Strukturdefizit im Jahr 2010 sogar um 1,1 Prozentpunkte an. Aber die Finanzmärkte haben dies kein bisschen honoriert. Die Zinsen, die Griechenland an den Finanzmärkten zur Refinanzierung zahlen musste und muss, waren weiterhin horrende, sodass es die EU-Länder wieder und wieder um Finanzhilfen bitten musste. Da die Finanzhilfen der EU an unsoziale Kürzungsprogramme geknüpft sind, verringern sie die Schuldenlasten der betroffenen Staaten nicht, sondern erhöhen sie noch. Dass sich ein Land aus einer Krise hinaussparen kann, funktioniert nämlich nicht. Die Kürzungsmaßnahmen, die Griechenland durchführen muss, zerstören die Substanz für die Steuereinnahmen, die das Land dringend braucht. Durch die Kürzung von Löhnen, Renten und Sozialleistungen bricht die Binnennachfrage ein, also auch die Einnahmen aus zum Beispiel der Mehrwertsteuer. In den letzten zwei Jahren ist die griechische Wirtschaft wegen der Kürzungspolitik um 9 Prozentpunkte geschrumpft und die Verschuldung um weitere 50 Milliarden Euro angestiegen. Zudem gab es keine Investitionen, die dringend nötig wären. Dass dies der falsche Weg ist, sagen auch Experten aus der Wissenschaft. Selbst Bundeskanzlerin Merkel hat im Zuge der Finanzkrise gesagt, Deutschland dürfe sich nicht kaputtsparen, sondern brauche jetzt Investitionen. Sie hat damals zum Beispiel die Abwrackprämie eingeführt. Aber für Griechenland fordert sie das Gegenteil. Ich bin der festen Überzeugung, dass Griechenland eine wachstumsfördernde Politik braucht mit Investitionen und keine Kürzungsprogramme, die das Steuer-substrat zerstören. Weil die heute beschlossenen Finanzhilfen aber wieder den falschen Weg weiter verfolgen, habe ich mit Nein gestimmt. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dem Antrag stimme ich nicht zu, sondern ich stimme mit Enthaltung. Wie schon bei der Abstimmung über das erste Hilfspaket für Griechenland halte ich auch jetzt Hilfe für die griechische Bevölkerung in der Finanzkrise für richtig und notwendig. Einen Rauswurf Griechenlands aus der Euro-Zone halte ich für falsch, genauso wie die Aufforderung zum „freiwilligen“ Austritt. Die EU und auch Deutschland müssen dem Land mit Krediten und weiterer Unterstützung wiederum zur Hilfe kommen. Aber nicht so, wie in dem Antrag vorgeschlagen. Die finanzielle Hilfe darf nicht wie bisher nur oder ganz überwiegend den Banken zufließen. Das mit der Hilfe verbundene Sparpaket ist zutiefst unsozial und treibt weitere Kreise der griechischen Bevölkerung in die Armut und Perspektivlosigkeit. Die Arbeitslosigkeit in Griechenland ist seit dem letzten Rettungspaket 2010 fast auf das Doppelte – über 20 Prozent – gestiegen. Die Staatseinnahmen sind gesunken. Die Verschuldung des Landes hat wiederum zugenommen. Ich hatte schon 2010 nicht für das Hilfspaket gestimmt, sondern mich enthalten. Ich sehe meine damaligen Befürchtungen bestätigt. Das Sparpaket bewirkt einen weiteren drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit und reduziert weiter die Wachstumschancen. Es wirkt sich kontraproduktiv für die wirtschaftliche Erholung aus. Statt der strangulierenden Sparmaßnahmen, wie erneute Rentenkürzungen, Massenentlassungen im öffentlichen Dienst, Kürzungen der Ausgaben für Gesundheit, drastische Kürzung des Mindestlohnes und des Arbeitslosengeldes, halte ich das drastische Zusammenstreichen der Militärausgaben und ein nachhaltiges Investitionsprogramm in Milliardenhöhe für richtig. Aus der Bundesregierung waren zwar auch solche Forderungen zu hören, aber bis heute fehlen dazu konkrete Vorschläge und Vereinbarungen. Die Bundesregierung hat noch am letzten Donnerstag auf eine Parlamentarische Anfrage von mir nach „konkreter materieller Unterstützung bei Sanierung und Aufbau der Wirtschaft Griechenlands“ geantwortet, „die Staaten der Euro-Zone haben bisher noch keine verbindliche Zusage zur Bereitstellung zusätzlicher Mittel gemacht“. Ohne ein Investitionsprogramm sehe ich eine wirtschaftliche Gesundung Griechenlands in weiter Ferne. Ohne dass auch die großen Vermögen und die Einkommen der Reichen in Griechenland zur Finanzierung he-rangezogen werden, werden die notwendigen Reformen nicht akzeptiert. Auch der Schuldenschnitt der privaten Gläubiger ist keineswegs in trockenen Tüchern. Bis heute gibt es eine rechtlich bindende Zusage vonseiten der Gläubiger nicht. Auch das hat die Bundesregierung mir am letzten Donnerstag bestätigt. Es soll allgemeine Zusagen von einigen europäischen Großbanken geben. Aber nichts Genaues steht fest und andere Privatgläubiger und etwa Hedgefonds halten sich bisher ganz zurück. Schon dem ersten Hilfspaket für Griechenland hatte ich 2010 nicht zugestimmt, weil der Schuldenschnitt für private Gläubiger in Höhe von damals 21 Prozent zu vage und zu gering vereinbart war. Bis heute ist es zu keinerlei Schuldenschnitt gekommen. Selbst wenn es diesmal zu einem Schuldenschnitt von 53 Prozent bei einem Teil der privaten Gläubiger kommen sollte, wird die Restschuld von 47 Prozent für die Zukunft von den europäischen Staaten garantiert. Das heißt, dass ein späterer weiterer Schuldenschnitt nicht möglich bleibt oder zulasten der europäischen Garantiestaaten geht. Es gibt eine Alternative zum Antrag der Bundesregierung. Das ist nicht ein ungeregelter Staatsbankrott, sondern eine Griechenland-Hilfe, die das Sparpaket sozialer gestaltet und ein Investitionsprogramm in Milliardenhöhe enthält, das der Wirtschaft wirklich hilft, sowie einen echten Schuldenschnitt für alle privaten Gläubiger, so wie es im heutigen Entschließungsantrag der grünen Fraktion enthalten ist. Sabine Stüber (DIE LINKE): Ich habe heute gegen den Antrag des BMF zu den „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“ gestimmt, weil die Kredithilfen von 130 Milliarden Euro eine Staatspleite längerfristig nicht abwenden. Die griechische Wirtschaft wird kaputtgespart, der Sozialstaat zerstört, die Demokratie ausgehebelt und das Land so immer tiefer in die Schuldenfalle getrieben. Ich stimme gegen den Antrag des BMF, weil die „Griechenland-Hilfen“ seit 2010 immer nur den Finanzakteuren helfen. Rund 81 Prozent dieser „Hilfen“ fließen direkt zurück an die Gläubiger – an griechische und internationale Banken, Versicherungen und Finanzinvestoren. So trägt der deutsche Steuerzahler allein ein dreistelliges Milliardenrisiko, während Banken und private Gläubiger mithilfe der Bundesregierung ihr Geld in Sicherheit bringen. Die „Hilfspakete“ für Griechenland waren und sind ein Anschlag auf die Demokratie. Die harten Kürzungsmaßnahmen werden gegen den Willen und Widerstand der griechischen Bevölkerung durchgepeitscht. Durch detaillierte Politikvorgaben, Überwachungsmechanismen und die Einrichtung eines Sperrkontos wird Griechenland die Souveränität in zentralen Bereichen entzogen. Deshalb habe ich heute gegen den Antrag des BMF zu den „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“ gestimmt. Johanna Voß (DIE LINKE): Ich habe heute gegen den Antrag „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“ gestimmt, weil er ungeeignet ist, die Staatspleite Griechenlands abzuwenden. Im Gegenteil: Er bewirkt, dass die Wirtschaft weiter kaputtgespart wird und die Not der griechischen Bevölkerung verschärft wird. Die Gläubiger und damit die Verursacher der Euro-Krise werden hingegen geschont. Die bewilligten Summen erreichen Höhen, unter denen sich niemand mehr etwas Konkretes vorstellen kann. Erst die Aufstockung des europäischen Rettungsfonds, EFSF, auf 440 Milliarden Euro. Dann 110 Milliarden Euro für das erste Hilfspaket an Griechenland. Und nun weitere 130 Milliarden Kredithilfen für ein zweites. Doch für die Griechen ist die Krise längst keine ab-strakte Größe mehr. Fast jede griechische Familie ist von Arbeitslosigkeit betroffen. Mehr als jeder fünfte Grieche ist bereits ohne Job, unter den Jugendlichen sogar jeder zweite. Ein Jahr lang hilft nach dem Verlust des Arbeitsplatzes der Staat, dann muss die Familie einspringen. Doch bei vielen neigen sich die Ersparnisse dem Ende zu. Die Not hat längst breite Bevölkerungsschichten erreicht. Jeder fünfte Grieche lebt unterhalb der Armutsgrenze. Die Zahl der Obdachlosen steigt, und die Schlangen an den Suppenküchen werden länger. Machen wir uns nichts vor: Die Zeche für die Krise zahlt das Volk. Die Banken maximieren hingegen weiter ihre Gewinne – ohne Rücksicht auf Verluste, denn die übernimmt ja sowieso der Staat. So wird mit allem gezockt, was Rendite verspricht. Auch vor Nahrungsmittelspekulation auf Kosten der Ärmsten machen die Finanzakteure nicht Halt. Viele europäische Staaten sprangen 2009 bereits einmal für die Verluste ein – die Verschuldung stieg sprunghaft an. Davon profitierten die Banken aufgrund des gestiegenen Risikoaufschlages auf Staatsanleihen in Verbindung mit kostengünstiger Refinanzierung durch billiges Zentralbankgeld. Und ist es nicht blanker Hohn, dass jetzt wieder die Steuerzahler ran sollen, um die Anleger vor einem Zahlungsausfall zu bewahren? Es ist unerträglich, dass seit dem Krisenjahr 2008 nichts unternommen wurde, um die Banken auf ihre eigentliche Aufgabe zurückzustutzen: die Versorgung der Wirtschaft mit den nötigen Krediten. Noch unerträglicher ist die bisherige Krisenstrategie der Bundesregierung. Die infolge der Hilfen aufgezwungenen Sozial-, Renten-, Lohn- und Mindestlohnkürzungen treffen die Falschen – und mindern nicht die Verschuldung! Seit Verabschiedung des ersten „Hilfspakets“ für Griechenland im Mai 2010 sind die Schulden des Landes um über 50 Milliarden Euro gestiegen, die Schuldenquote ist von 130 auf 170 Prozent des BIP hochgeschnellt. Die Griechen müssen einen völlig anderen Weg einschlagen, hin zu einer sozialen und gerechten Gesellschaft. Denn so sehr die neuen Armen unter den Sparmaßnahmen leiden, so sehr haben sich die Reichen geschützt. Sie bringen ihr Geld ins sichere Ausland, kaufen in Berlin und Paris Immobilien oder verlegen ihre Firmensitze nach London. Deshalb ist es Zeit für einen konsequenten Steuervollzug in Griechenland und eine Reichensteuer, bei der die 2 000 griechischen Familien, die 80 Prozent des Reichtums besitzen, herangezogen werden. Auch Europa muss endlich sozial werden, oder es wird nicht fortbestehen. Dafür müssen die öffentlichen Haushalte von den Finanzmärkten abgeschirmt werden und direkt über die EZB finanziert werden. Dafür muss die krisenverschärfende Kürzungspolitik sofort gestoppt werden und eine europaweite Millionärsteuer eingeführt werden. Und dafür muss ein sozial-ökologisches Investitionsprogramm in Europa her. Nichts davon findet sich hier. Europa darf nicht länger vom Finanzsektor in Geiselhaft genommen werden. Alternativen bieten sich an. Neue Wege sind möglich. Und deshalb habe ich heute gegen das zweite Rettungspaket für Griechenland gestimmt. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE): Gemeinsam mit meiner Fraktion Die Linke habe ich heute gegen das Griechenland-II-Paket gestimmt, weil es sich hierbei um einen weiteren Rettungsring aus Blei handelt. Statt Griechenland zu helfen, wird die griechische Wirtschaft kaputtgespart und die Bevölkerung in die Armut getrieben. Zum Beispiel soll der Mindestlohn in der Privatwirtschaft um 22 bis 32 Prozent gekürzt werden, bis 2015 sollen 150 000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst -vernichtet und in großem Stil öffentliches Eigentum verscherbelt werden. Dabei wird kein Cent aus dem sogenannten Rettungspaket bei der griechischen Bevölkerung ankommen, da die Kredite über ein Sperrkonto direkt an die Gläubiger weitergereicht werden. Statt die Euro-Krise politisch zu lösen, wird die Zukunft Europas in die Hände großer Finanzkonzerne gelegt und die Demokratie ausgehebelt. An einen Erfolg des angeblichen Rettungspakets glauben nicht einmal die Retter selbst. So geht die Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds und EU-Kommission davon aus, dass das Ziel, die griechischen Staatsschulden bis 2020 auf einen Anteil von 120 Prozent des BIP zu reduzieren, voraussichtlich nicht erreicht wird. Auch Finanzminister Schäuble hält es für möglich, dass auf das zweite Rettungspaket für Griechenland noch weitere folgen werden. Schon das erste Rettungspaket für Griechenland war nur ein Rettungspaket für die Banken. Von den 73 Milliarden Euro, die seit Mai 2010 aus dem ersten Hilfs-paket an Griechenland ausgezahlt worden sind, flossen 2010 und 2011 rund 70 Milliarden durch Zins- und Tilgungszahlungen direkt in die Hände von Banken und anderen privaten Gläubigern. Zusätzlich kauften die Europäische Zentralbank und einige nationale Notenbanken den Banken und privaten Gläubigern Anleihen im Wert von circa 70 Milliarden Euro ab. Auf diese Weise konnten sich Banken, Versicherungen, Hedgefonds und Be-sitzer großer Vermögen bereits zu einem großen Teil aus der Verantwortung ziehen. Gleichzeitig wurden den Steuerzahlern in der Euro-Zone immer höhere Risiken aufgebürdet. Da der geplante Schuldenschnitt von 53,5 Prozent völlig unzureichend ist und die wachstumsfeindliche Kürzungspolitik weitergeht, wird Griechenland früher oder später einen noch größeren Schuldenschnitt brauchen, der fast ausschließlich die Steuerzahler treffen wird. Statt die Misere immer weiter zu verschärfen, fordern wir, dass die öffentlichen Haushalte der Euro-Zone von den Finanzmärkten abgeschirmt werden. Eine öffentliche Bank sollte den Staaten zu denselben Konditionen Kredit einräumen, zu denen auch die Banken bei der EZB Kredite erhalten. Dies würde der Spekulation gegen einzelne Euro-Staaten ein Ende bereiten und die Zinsen für die öffentliche Hand deutlich senken, da die Zinsmarge für die privaten Banken entfallen würde. Eine solche Abkopplung der Staatsfinanzierung von den Finanzmärkten macht auch einen harten Schuldenschnitt möglich, ohne dass die Euro-Krise eskaliert und Staaten wie Portugal, Irland oder Spanien unter Druck geraten. Im Fall Griechenlands muss der Staat von 75 Prozent seiner Schulden befreit werden. Ein solch harter Schuldenschnitt für Griechenland hätte zwar die Folge, dass einige europäische Banken rekapitalisiert werden müssten. Diese Rekapitalisierung könnte man aber dazu nutzen, um die privaten Großbanken dauerhaft in öffentliche Hand zu überführen und streng zu regulieren. Um zu vermeiden, dass durch die Kosten für die Rekapitalisierung und Verstaatlichung der Banken die Bevölkerung belastet wird, müsste eine europäische Vermögens-abgabe für Millionäre eingeführt werden. Neben der -einmaligen Abgabe sind eine Millionärsteuer, eine Finanztransaktionsteuer sowie eine sozial gerechte Steuerreform notwendig, um ein europaweites Investitionsprogramm zu finanzieren. Dieses sollte in erster Linie dazu dienen, strauchelnde Wirtschaften wie die griechische zu unterstützen. Schließlich muss Deutschland geeignete Maßnahmen zur Stärkung der eigenen Binnennachfrage ergreifen. Nur so lässt sich die Exportfokussierung überwinden, die eine Ursache dafür ist, dass die Wirtschaft Griechenlands niederkonkurriert worden ist. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Alexander Funk und Klaus-Peter Willsch (beide CDU/CSU) zur nament-lichen Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b) Mit dem neuen „Hilfsprogramm“ in Höhe von 130 Milliarden Euro für den insolventen Staat Griechenland setzt die Bundesregierung ihre seit Mai 2010 umgesetzte Strategie fort, durch Bürgschaften und Schuldenaufkäufe vom Kapitalmarkt abgeschnittene Staaten über gemeinschaftliche Haftung weiter zu finanzieren. Zusammen mit den noch nicht abgerufenen Mitteln des ersten Paketes und einer Absicherung der EZB summieren sich die nun beabsichtigten Garantien auf 189,4 Milliarden Euro. Weder die bisherigen Umsetzungen der zugesagten Reformmaßnahmen in Griechenland noch die durch eine tiefe und sich verstetigende Rezession geprägte wirtschaftliche Realität in Griechenland rechtfertigen nach unserer festen Überzeugung die Fortsetzung dieses Weges und eine noch höhere Risikoübernahme durch den deutschen Steuerzahler. Das offensichtliche Scheitern der als einmalig und alternativlos bezeichneten Maßnahmen vom Mai 2010 muss spätestens jetzt eingestanden werden und die Schuldenspirale mit Mut und Entschlossenheit beendet werden. Den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen lehnen wir daher ab. Unsere Ablehnung beruht dabei auf unserer festen Überzeugung, dass prinzipiell die einschlägigen Europäischen Vertragsbestimmungen zum Verbot von Schuldenfinanzierung anderer Länder – AEUV § 125 – sowie das Verbot der Staatsfinanzierung über Kapitalflüsse der EZB wesentliche und unerlässliche Pfeiler der Währungsunion sind und jede weitere Missachtung dieser Bestimmungen für einen weiteren Vertrauensverlust in die Stabilität der Euro-Zone und damit auch ihrer leistungsstarken Länder sorgen. Bereits seit den Beschlüssen zur Erweiterung des Ausleihvolumens der EFSF wird deutlich, dass durch die Übernahme immer weiterer Risiken und Verpflichtungen auch die Zweifel in die Bonität der soliden Schuldner erheblich steigen. Darüber können auch die zurzeit noch niedrigen Refinanzierungskosten für die deutschen Staatsschulden nicht hinwegtäuschen. Vor dem Hintergrund dieser absehbaren Folgen warnen wir mit Nachdruck davor, durch weitere Hilfsleistungen das Vertrauen in die Bonität unseres Landes weiter zu schwächen. Selbst wenn man diese prinzipiellen Erwägungen nicht teilen sollte, macht die spezielle ökonomische und politische Situation in Griechenland nicht nur deutlich, dass vorgeblich einmalige und unter besonderen Umständen gewährte Hilfen und Bürgschaften gerade nicht zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise führen, sondern vielmehr zur Fortsetzung des Bail Out mit immer weiteren Mitteln einladen. Diese Anreize zur weiteren Verschuldung sollten nach unserer festen Überzeugung jetzt unterbunden werden. Alle bisherigen und alle weiteren Maßnahmenpakete fußen darüber hinaus auf überaus optimistischen ökonomischen Basisannahmen von Schuldentilgung, Privatisierungserlösen, Reformumsetzungen und Wirtschaftswachstum, die an der harten Realität der griechischen Verhältnisse scheitern bzw. unzureichend in Rechnung stellen, dass die massiven Budgeteinschnitte rezessiv wirken und dies noch viele Jahre weiter tun werden. Wir würdigen nichtsdestoweniger die Leistungen der Bundesregierung beim Bestehen auf der Umsetzung vertraglich festgelegter Reformen in Griechenland und nicht zuletzt die erhebliche Opferbereitschaft der leidgeprüften griechischen Bevölkerung. Unabhängig davon bezweifeln wir aber entschieden, dass die bisherige Strategie den Bürgen, dem insolventen griechischen Staat und seiner nicht wettbewerbsfähigen Wirtschaft sowie nicht zuletzt den Griechinnen und Griechen eine realistische Perspektive für eine bessere und erfolgreichere Zukunft bieten kann. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gerold Reichenbach und Rüdiger Veit (beide SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b) Wir halten es im gesamteuropäischen und deutschen Interesse für geboten, den drohenden Staatsbankrott Griechenlands abzuwenden und das Land gesellschaftlich, wirtschaftlich und finanziell wieder zu stabilisieren, um unkalkulierbare Risiken für die Euro-Zone, die europäische Stabilität und damit auch die Bürger unseres Landes abzuwenden. Diese Stabilisierung kann nur innerhalb der Europäischen Union und mit der solidarischen Hilfe der Euro-Länder gelingen. Gleichwohl konnten wir dem Antrag der Bundes-regierung aus folgenden Gründen nicht zustimmen: Die Notmaßnahmen im ersten und zweiten Hilfspaket haben zu sehr eine rigide Sparpolitik Griechenlands im Blick und sind zu einseitig auf die Stabilisierung der Staatsausgaben orientiert. Diese Orientierung hat die griechische Wirtschaft zusätzlich belastet und das Land in eine mehrjährige Rezession getrieben. Diese Maßnahmen bedeuten in ihrer Unausgewogenheit einen sozialen Sprengstoff, der geeignet ist, die Demokratie in Griechenland nachhaltig zu erschüttern. Der finanzielle Nutzen der Maßnahmen ist überhöht. Insbesondere die Zeitkorridore für die Umsetzung der gesetzgeberischen Maßnahmen, die der Regierung Griechenlands eingeräumt werden, sind zu kurz und erkennbar unrealistisch. Eine Beteiligung privater Gläubiger ist zu spät erwogen und umgesetzt worden. Dadurch ist die Wirkung des Schuldenschnitts im Sinne einer nachhaltigen Entlastung Griechenlands erheblich reduziert worden. Wir kritisieren, dass die Notmaßnahmen bisher nicht durch einen hinreichenden Wachstumsimpuls für Griechenland – Marshallplan – ergänzt worden sind. Allein durch Fiskalpolitik kann eine nachhaltige Stabilisierung des griechischen Staatshaushaltes nicht gelingen. Im Gegenteil, sie treibt das Land immer tiefer in die Krise. Die Bundesregierung ist nicht bereit, über Ankündigungen hinaus Maßnahmen gegen die tieferen Ursachen der Krise zu ergreifen. Besonders deutlich wird dies bei der Einführung einer Finanztransaktionsteuer. Selbst Frankreich will diese Steuer jetzt mit einer nationalen Initiative einführen. Durch eine solche Steuer können bestimmte Formen der Finanzspekulation begrenzt werden. Wer hohes Risiko eingeht, muss auch dafür haften. Zudem kann durch die Steuer eine Beteiligung der Finanzmärkte an den Folgen der von ihnen verursachten Krise erreicht werden. Sowohl in der Bundesrepublik wie auch in Griechenland und in anderen Ländern der Europäischen Union werden die Risiken und Lasten der Krise einseitig auf die breite Bevölkerung verlagert, während die großen Vermögen und die Profiteure der Spekulation weitgehend geschont werden. Die Bundesregierung beschreibt die Notwendigkeit, die Dimension, aber auch die Dauer der erforderlichen Hilfen für Griechenland gegenüber der deutschen Bevölkerung viel zu unzureichend. Tatsächlich handelt es sich bei der finanziellen und gesellschaftlichen Stabilisierung Griechenlands um eine Generationenaufgabe. Sie erfordert neben der Bereitschaft der Griechen zu schmerzlichen Veränderungen ebenso die Bereitschaft der Deutschen zur solidarischen Unterstützung. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Andrej Hunko, Ulla Jelpke und Niema Movassat (alle DIE LINKE) zur -namentlichen Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Ab-satz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b) Die Bundesregierung fordert die Zustimmung des Bundestages zum sogenannten zweiten Rettungspaket für Griechenland. Es beinhaltet die Gewährung von Finanzhilfen der EFSF an Griechenland in Form von Darlehen von bis zu 189,4 Milliarden Euro – 130 Milliarden Euro neue Hilfen, 24,4 Milliarden Euro nicht ausgeschöpfte Gelder aus dem ersten Griechenland-Paket und eine Absicherung der Europäischen Zentralbank in Höhe von 35 Milliarden Euro. Deutschland übernimmt die Haftung für bis zu 38 Milliarden Euro als Sicherheit für die EFSF. Wir haben aus den folgenden Gründen gegen diese Maßnahme gestimmt: Erstens. Die „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“ sind in Wirklichkeit ein weiteres Bankenrettungspaket. Ziel ist die Rettung der Gläubiger und nicht der griechischen Bevölkerung. Das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wird durch diese Maßnahmen ein weiteres Mal von unten nach oben umverteilt werden. Zweitens. Das „Rettungspaket“ wird die Krise nicht lösen, sondern verschärfen. Schon die bisherigen Maßnahmen haben deutlich gezeigt, dass die europäische Krisenpolitik unter Führung der deutschen Bundesregierung auf dem Holzweg ist. Anstatt Auswege aus der Krise zu bieten, treibt diese falsche Politik die griechische Wirtschaft immer weiter in eine Abwärtsspirale. Drittens. Die neuen Maßnahmen sind ein offener Angriff auf die Demokratie. Die EU und allen voran die Merkel-Regierung diktieren eine fatale Politik und umgehen dabei grundlegende demokratische Verfahrensweisen. Der Verlust von Souveränitätsrechten, die Einrichtung eines Sperrkontos zur Schuldenbedienung und das Verbot von Tarifverhandlungen sind Ausdruck dieses Angriffs. Viertens. Für die griechische Bevölkerung bedeuten die mit den Finanzhilfen für die Banken verknüpften Bedingungen eine historisch beispiellose soziale Verelendung. In Zeiten wirtschaftlicher Rezession wird eine nie da gewesene Kürzungspolitik im Sozialbereich kombiniert mit massiven Lohnkürzungen, Entlassungen und Privatisierungen. Fünftens. Verantwortlich für die Krise ist nicht die griechische Bevölkerung, sondern die neoliberale Wirtschaftspolitik, die faktische Enteignung großer Teile der Bevölkerung in Europa und die wiederholte „Rettung“ von Gläubigern. Anstatt die Profiteure der Krise sowohl in Griechenland als auch in Deutschland zur Kasse zu bitten, werden die Krisenlasten der Bevölkerung in Griechenland, Deutschland und ganz Europa aufgeladen. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Thilo Hoppe, Maria Klein-Schmeink, Memet -Kilic, Monika Lazar und Dr. Wolfgang -Strengmann-Kuhn (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b) Wir stehen heute vor der Frage, ob wir als Mitglieder des Deutschen Bundestages das zweite Hilfspaket für Griechenland parlamentarisch legitimieren oder nicht. Wie bereits bei früheren Entscheidungen können wir die Details des Hilfspakets, die von den Regierungen der Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe ausgehandelt wurden, nicht mehr mit aus unserer Sicht notwendigen Verbesserungen versehen. Aber: Die Alternative, nämlich ein Staatsbankrott Griechenlands, wäre sowohl für die griechische Bevölkerung als auch für die Europäische Union insgesamt wesentlich schlimmer. Obwohl das zweite Rettungspaket einmal mehr sozial unverträglich ausgestaltet ist und zudem seine Ziele zu verfehlen droht, stimmen wir also dennoch zu. Denn Griechenland braucht Hilfe und unsere europäische Solidarität. Am 7. Mai 2010 haben wir in einer persönlichen Erklärung geschrieben: „Profitiert von Miss- und Günstlingswirtschaft und Spekulationen haben nur wenige. Weniger Investitionen, weniger Nachfrage, geschweige denn ein ökologischer Umbau von Wirtschaft und Tourismus: Griechenland steht vor einer jahrelangen Rezession, die sich natürlich auch auf den Arbeitsmarkt niederschlagen wird. Auch hier werden die Verlierer bestimmt nicht jene sein, die die Misere mit zu verantworten haben.“ Unsere damaligen Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Griechenland hat beispiellos gespart und ist dafür in eine tiefe Rezession gefallen. Aber dennoch wurde auch beim zweiten Rettungspaket dieser Weg mit beispiellosem und teilweise unwürdigem Druck auf Griechenland weiter verfolgt. Im Mittelpunkt steht ein Sparprogramm bei den Sozialsystemen, Löhnen und Mindestlöhnen. Sparen allein ist aber der falsche Weg. Griechenland muss vielmehr konsolidieren, denn Griechenland hat vor allem auch ein Einnahmeproblem. Milliarden von Euro wurden durch Steuerhinterziehung dem Zugriff des griechischen Staates entzogen. Das Land benötigt Hilfe, seine Vermögen zur Finanzierung der Krise heranzuziehen. Dabei müssen ihm die EU-Partner zur Seite stehen. In der Schweiz allein werden an die 286 Milliarden griechisches Vermögen vermutet. Steuerflucht können die Europäischen Nationen aber nur gemeinsam bekämpfen. Konsolidieren heißt aber auch investieren. Das neue Sparpaket wird Griechenland aber lediglich tiefer in die Rezession treiben und realwirtschaftlich weiter bremsen. Griechenland braucht nicht nur Kredite, sondern auch Investitionen und ein Programm, das die Wirtschaft ankurbelt und Perspektiven ermöglicht. Nur ein Green New Deal eröffnet Chancen für Griechenland. Nur wenn in eine zukunftsfähige und nachhaltige Wirtschaft investiert wird, können Wertschöpfung und Arbeitsplätze gesichert und Schulden abgetragen werden. Eine reine Sparpolitik schwächt hingegen das wirtschaftliche und soziale System in Griechenland. Die Hilfen bleiben ohne Wirkung. Der überdimensionierte Militärhaushalt wurde zu spät und jetzt zu wenig in die Strukturreform einbezogen. Dafür führt aber der unerträgliche Sparkurs Griechenland in eine unverantwortliche soziale Schieflage. Das ist nicht akzeptabel. Es trifft die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Studentinnen und Studenten, Pensionärinnen und Pensionäre. Ihnen gilt unsere Solidarität. Denn der strikte Sparkurs führt zu Arbeitslosigkeit, Armut und Obdachlosigkeit und nimmt vor allem den jungen Menschen jegliche Perspektiven. Die Kürzung beispielsweise des Mindestlohns trifft die Ärmsten und führt gleichermaßen zu einem gleich hohen Nachfragerückgang zulasten der griechischen Gewerbetreibenden. Das ist nicht nur unsozial, sondern auch ökonomisch schädlich. Vor allem aber kritisieren wir scharf die Eingriffe in die Tarifautonomie. Wenn der durch einen na-tionalen Tarifvertrag festgelegte Mindestlohn gesetzlich gekürzt wird und die Tarifpartner nicht mehr frei verhandeln können, dann greift das tief in das Recht auf freie Tarifverhandlungen ein. Das widerspricht grundlegend der europäischen Grundrechtecharta. Damit erreichen die Sparmaßnahmen ein Ausmaß, das mit dem europäischen Sozialmodell nicht vereinbar ist. Nur mit Mindeststandards, Arbeitnehmerrechten und Solidarität ist -Europa ein soziales und demokratisches Konstrukt. Natürlich ist ein Konsolidierungskurs notwendig. Mit diesen Bedingungen für das zweite Rettungspaket ist jedoch wieder zu befürchten, dass der griechische Schuldenberg nicht kleiner, sondern größer werden wird. Aus europäischer Solidarität und politischer Verantwortung stimmen wir dennoch dem Rettungspaket zu, denn ein Staatsbankrott Griechenlands wäre noch schlimmer für die Menschen. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Martin Burkert, Günter Gloser und Ute Kumpf (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b) Wir haben unsere Zustimmung zum Abschluss einer Vereinbarung über Notmaßnahmen der EFSF zugunsten Griechenlands in Form von Darlehen – zweites Hilfspaket für Griechenland – erteilt, weil ein Staatsbankrott Griechenlands abgewendet werden muss und weil wir der festen Überzeugung sind, dass die finanzielle und gesellschaftliche Stabilisierung Griechenlands nur mit der solidarischen Hilfe der Euro-Länder und nur innerhalb der Europäischen Union gelingen kann. Wir kritisieren am bisherigen Handeln der Bundesregierung insbesondere, – dass sich die Notmaßnahmen im ersten und zweiten Hilfspaket zu einseitig auf die Stabilisierung der Staatsausgaben orientieren – diese Orientierung hat die griechische Wirtschaft zusätzlich belastet und das Land in eine mehrjährige Rezession getrieben –, – dass die Maßnahmen in ihrer Unausgewogenheit einen sozialen Sprengstoff beinhalten, der geeignet ist, die Demokratie in Griechenland nachhaltig zu erschüttern, – dass der finanzielle Nutzen der Maßnahmen überhöht und die Probleme bei deren Realisierung nur unzureichend beschrieben werden – insbesondere die Zeitkorridore für die Umsetzung der gesetzgeberischen Maßnahmen, die der Regierung Griechenlands eingeräumt werden, sind zu kurz und erkennbar unrealistisch –, – dass eine Beteiligung privater Gläubiger zu spät erwogen und umgesetzt worden ist – dadurch ist die Wirkung des Schuldenschnitts im Sinne einer nachhaltigen Entlastung Griechenlands erheblich reduziert worden –, – dass die Notmaßnahmen bisher nicht durch einen hinreichenden Wachstumsimpuls für Griechenland – Marshallplan – ergänzt worden sind – allein durch Fiskalpolitik kann eine nachhaltige Stabilisierung des griechischen Staatshaushaltes nicht gelingen – und – dass die Notwendigkeit, die Dimension, aber auch die Dauer der erforderlichen Hilfen für Griechenland gegenüber der deutschen Bevölkerung nur unzureichend beschrieben werden – tatsächlich handelt es sich bei der finanziellen und gesellschaftlichen Stabilisierung Griechenlands um eine Generationenaufgabe; sie erfordert aber die Bereitschaft der Griechen zu schmerzlichen Veränderungen ebenso wie die Bereitschaft der Deutschen zur solidarischen Unterstützung. Heute auf den Tag genau vor 59 Jahren hat die damals junge Bundesrepublik Deutschland das Londoner Schuldenabkommen unterzeichnet. Nach der moralischen -Katastrophe und dem unermesslichen Leid zweier -Weltkriege haben damals 70 Staaten, darunter auch Griechenland, einem 50-prozentigen Erlass der deutschen -Vor- und Nachkriegsschulden zugestimmt. Dieser Schuldenschnitt war zusammen mit dem Marshallplan die Grundlage für den raschen wirtschaftlichen Aufstieg der -Bundesrepublik. Wir haben allen Grund, uns bei unseren heutigen Entscheidungen an die eigene Geschichte zu erinnern. Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Doris Barnett, Uwe Beckmeyer, Gerd Bollmann, Edelgard Bulmahn, Elvira Drobinski-Weiß, Petra Ernstberger, Karin Evers-Meyer, Elke Ferner, Iris Gleicke, Martin Gerster, Angelika Graf (Rosenheim), Michael Groß, Hans-Joachim Hacker, Klaus Hagemann, Gustav Herzog, Frank Hofmann (Volkach), Dr. h. c. Susanne Kastner, Ulrich Kelber, Gabriele Lösekrug-Möller, Katja Mast, Manfred Nink, Mechthild Rawert, Stefan Rebmann, Dr. Carola Reimann, Sönke Rix, Karin Roth (Esslingen), Ewald Schurer, Frank Schwabe, Rolf Schwanitz, Dr. Carsten Sieling, Christoph Strässer und Franz Thönnes (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b) Wir haben unsere Zustimmung zum Abschluss einer Vereinbarung über Notmaßnahmen der EFSF zugunsten Griechenlands in Form von Darlehen – zweites Hilfspaket für Griechenland – erteilt, weil ein Staatsbankrott Griechenlands abgewendet werden muss und weil wir der festen Überzeugung sind, dass die finanzielle und gesellschaftliche Stabilisierung Griechenlands nur mit der solidarischen Hilfe der Euro-Länder und nur innerhalb der Europäischen Union gelingen kann. Wir kritisieren am bisherigen Handeln der Bundes-regierung insbesondere, – dass sich die Notmaßnahmen im ersten und zweiten Hilfspaket zu einseitig auf die Stabilisierung der Staatsausgaben orientieren. Diese Orientierung hat die griechische Wirtschaft zusätzlich belastet und das Land in eine mehrjährige Rezession getrieben. – dass die Maßnahmen in ihrer Unausgewogenheit einen sozialen Sprengstoff beinhalten, der geeignet ist, die Demokratie in Griechenland nachhaltig zu erschüttern. – dass der finanzielle Nutzen der Maßnahmen überhöht und die Probleme bei deren Realisierung nur unzureichend beschrieben werden. Insbesondere die Zeitkorridore für die Umsetzung der gesetzgeberischen Maßnahmen, die der Regierung Griechenlands eingeräumt werden, sind zu kurz und erkennbar unrealistisch. – dass eine Beteiligung privater Gläubiger zu spät erwogen und umgesetzt worden ist. Dadurch ist die Wirkung des Schuldenschnitts im Sinne einer nachhaltigen Entlastung Griechenlands erheblich reduziert worden. – dass die Notmaßnahmen bisher nicht durch einen hinreichenden Wachstumsimpuls für Griechenland -– Marshallplan – ergänzt worden sind. Allein durch Fiskalpolitik kann eine nachhaltige Stabilisierung des griechischen Staatshaushaltes nicht gelingen. – dass die Notwendigkeit, die Dimension, aber auch die Dauer der erforderlichen Hilfen für Griechenland gegenüber der deutschen Bevölkerung nur unzureichend beschrieben werden. Tatsächlich handelt es sich bei der finanziellen und gesellschaftlichen Stabilisierung Griechenlands um eine Generationenaufgabe. Sie erfordert aber die Bereitschaft der Griechen zu schmerzlichen Veränderungen ebenso wie die Bereitschaft der Deutschen zur solidarischen Unterstützung. Heute auf den Tag genau vor 59 Jahren hat die damals junge Bundesrepublik Deutschland das Londoner Schuldenabkommen unterzeichnet. Nach der moralischen -Katastrophe und dem unermesslichen Leid zweier Weltkriege haben damals 70 Staaten, darunter auch Griechenland, einem 50-prozentigen Erlass der deutschen Vor- und Nachkriegsschulden zugestimmt. Dieser Schuldenschnitt war zusammen mit dem Marshallplan die Grundlage für den raschen wirtschaftlichen Aufstieg der Bundesrepublik. Wir haben allen Grund, uns bei unseren heutigen Entscheidungen an die eigene Geschichte zu erinnern. 1Anlagen 2 bis 8 2Ergebnis Seite 19105 C 3Anlage 2 ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung, Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung, Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 19077 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 19138 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung, Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung, Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 19139