Plenarprotokoll 17/164 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 164. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 7. März 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Reform der Wirtschafts- und Währungsunion; sonstige Fragen Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Norbert Barthle (CDU/CSU) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Andrej Hunko (DIE LINKE) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Rolf Schwanitz (SPD) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Michael Schlecht (DIE LINKE) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Volkmar Klein (CDU/CSU) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Axel Schäfer (Bochum) (SPD) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Inge Höger (DIE LINKE) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Rolf Schwanitz (SPD) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 17/8828) Mündliche Frage 1 Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Anzahl der beschäftigten Lehrkräfte in Integrationskursen Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Mündliche Frage 2 Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Grundlage für die jüngste Erhöhung des Stundensatzes bei Integrationskursen pro Teilnehmer Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Petra Pau (DIE LINKE) Mündliche Frage 3 Aydan Özo?uz (SPD) Vorabveröffentlichung in der Presse der Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Aydan Özo?uz (SPD) Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rüdiger Veit (SPD) Mündliche Frage 4 Aydan Özo?uz (SPD) Handlungsempfehlungen der Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Aydan Özo?uz (SPD) Petra Pau (DIE LINKE) Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Mündliche Frage 5 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Art der Berichterstattung über die Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Michael Frieser (CDU/CSU) Aydan Özo?uz (SPD) Mündliche Frage 7 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus dem Gutachten „Wirtschaftlicher Stand und Perspektiven für Ostdeutschland“ insbesondere für die -Förderung strukturschwacher Regionen in West- und Ostdeutschland Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Iris Gleicke (SPD) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 8 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Geeignete Applikationen für Tabletcomputer zur Förderung der Konzentrationsfähigkeit von Regierungsmitgliedern bzw. Parlamentarischen Staatssekretären bei Plenarsitzungen des Bundestages Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 11 Stefan Rebmann (SPD) Ursachen für die mehrfache Verschiebung der Kabinettsbefassung mit der Neuregelung der Sicherungsverwahrung Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Stefan Rebmann (SPD) Burkhard Lischka (SPD) Mündliche Fragen 12 und 13 Ingo Egloff (SPD) Gegengutachten der deutschen Internetwirtschaft zum in der BMWi-Studie vorgeschlagenen Warnhinweismodell zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen; Vereinbarkeit des Warnhinweismodells mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Ingo Egloff (SPD) Mündliche Frage 15 Burkhard Lischka (SPD) Position der Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zur Einführung von Warnhinweismodellen Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Burkhard Lischka (SPD) Mündliche Frage 16 Burkhard Lischka (SPD) Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses des ACTA-Abkommens im Falle der Feststellung der Rechtmäßigkeit durch den Europäischen Gerichtshof Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Burkhard Lischka (SPD) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 21 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zinssatz für die Kredite zur Gewährung von Nothilfemaßnahmen an Griechenland durch Deutschland und die EU Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 22 Manfred Kolbe (CDU/CSU) Haftungsrisiken für Deutschland aufgrund von der Europäischen Zentralbank vergebener Tender aus Dezember 2011 und Februar 2012 in Höhe von über 1 Billion Euro Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Manfred Kolbe (CDU/CSU) Mündliche Frage 23 Manfred Kolbe (CDU/CSU) Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Haftung der Bundesrepublik Deutschland nach Auffassung der Bundesregierung Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Manfred Kolbe (CDU/CSU) Mündliche Frage 28 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Höhe der gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit pro Erwerbslosen Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Jutta Krellmann (DIE LINKE) Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Michael Schlecht (DIE LINKE) Mündliche Frage 32 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ehrender Nachruf für den ehemaligen Staatssekretär Johannes Carl Adolf Theodor Sonnemann Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Zusatzfragen Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Tarifeinheit sicherstellen – Tarifzersplitterung vermeiden Hubertus Heil (Peine) (SPD) Karl Schiewerling (CDU/CSU) Michael Schlecht (DIE LINKE) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Günter Krings (CDU/CSU) Anette Kramme (SPD) Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) Josip Juratovic (SPD) Paul Lehrieder (CDU/CSU) Ingo Egloff (SPD) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 6 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage einer überarbeiteten Version des Gesetzentwurfs zum Beschäftigtendatenschutz Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 3 Mündliche Frage 9 Andrej Hunko (DIE LINKE) Verwendung von Software mit Sprach- und Texterkennung bei der Überwachung digitaler Kommunikation durch die Geheimdienste Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 4 Mündliche Frage 10 Andrej Hunko (DIE LINKE) Zusammenarbeit der EU-Agentur Eurojust mit der EU-Kommission, der Troika und dem Rat Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 5 Mündliche Frage 14 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Neubewertung des Warnhinweismodells aufgrund von Bedenken des Branchenverbandes eco Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 6 Mündliche Fragen 17 und 18 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Darlehen von Bundesländern oder Kommunen an den Bund Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 7 Mündliche Frage 19 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Veräußerung oder langfristige Vermietung/Verpachtung von für die Verlängerung der S-Bahn von Berlin in den Westen Brandenburgs benötigten Grundstücken Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 8 Mündliche Frage 20 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Etwaiger Erwerb der S-Bahn GmbH durch das Land Berlin Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 9 Mündliche Frage 24 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Notwendigkeit einer Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag für die Ratifizierung des Fiskalpakts Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 10 Mündliche Frage 25 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Abschaffung der Luftverkehrsteuer zum 30. Juni 2012 infolge der Überprüfung der Steuereffekte auf den heimischen Flugsektor Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 11 Mündliche Frage 26 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Bekämpfung der Steuerhinterziehung Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 12 Mündliche Frage 27 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Lockerung der Mindestbesteuerung des Verlustrücktrags gemäß dem Grünbuch der Deutsch-Französischen Zusammenarbeit über Konvergenzpunkte bei der Unternehmensbesteuerung und Erzielung von Konvergenz bei der Umsatzbesteuerung Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 13 Mündliche Frage 29 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Abstimmung mit den Bundesländern über die Ausgestaltung der Bundesauftragsverwaltung im Zusammenhang mit der Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 14 Mündliche Fragen 30 und 31 Gustav Herzog (SPD) Praxis der deutschen Binnenschifffahrt zum Abschluss von Arbeitsverträgen mit im Ausland ansässigen Unternehmen im Hinblick auf die Einnahmeverluste für die deutschen Sozialversicherungsträger und die soziale Sicherheit der Angestellten Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 15 Mündliche Frage 33 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Februar 2012 zur Verunreinigung von Saatgut mit gentechnisch veränderten Organismen Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 16 Mündliche Frage 34 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung der Initiative Frankreichs für eine EU-weite Aussetzung der Anbauzulassung für den gentechnisch veränderten Mais MON810 Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 17 Mündliche Frage 35 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Bewertung gentechnisch veränderter Lebendimpfstoffe in der Tierhaltung und -Risikoeinschätzung beim Feldversuch an Pferden im Gestüt Lewitz Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 18 Mündliche Frage 36 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Durchführung von kurzfristigen Inspektionen afghanischer Hafteinrichtungen im Bereich des Regionalkommandos Nord Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 19 Mündliche Frage 37 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung bei der Ausbildung für das System LUNA in Saudi-Arabien durch deutsche Bundeswehrsoldaten Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 20 Mündliche Frage 38 Harald Weinberg (DIE LINKE) Pläne für eine teilweise Refinanzierung der Kostensteigerungen der Krankenhäuser aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung infolge der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 21 Mündliche Frage 39 Harald Weinberg (DIE LINKE) Einfluss der Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung auf die im Jahr 2011 in Kraft getretenen Kürzungen im Krankenhausbereich im Rahmen des GKV-Finanzierungsgesetzes sowie Ausbleiben entsprechender Konsequenzen aufgrund der verbesserten Finanzsituation Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 22 Mündliche Fragen 40 und 41 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaiger Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße und Mitfinanzierung durch den Bund Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 23 Mündliche Frage 42 Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufhebung des Beschlusses des Vorstands der Deutschen Bahn AG aus 2001 zum Beginn von Baumaßnahmen erst nach rechtskräftigem Abschluss sämtlicher Planfeststellungsabschnitte Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 24 Mündliche Frage 43 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Antragstellung der Firma Rheinmetall Defence auf Musterzulassung unbemannter Luftfahrtgeräte Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 25 Mündliche Frage 44 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zu sanierende Gebäude im öffentlichen -Eigentum bei Umsetzung von Art. 4 des Entwurfs der EU-Energieeffizienzrichtlinie und Position der Bundesregierung Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 26 Mündliche Fragen 45 und 46 Bettina Hagedorn (SPD) In den letzten 15 Jahren mit anderen Staaten abgeschlossene Staatsverträge über Verkehrsinfrastrukturprojekte; eingegangene finanzielle Verpflichtungen sowie Absicherung der langfristigen Finanzierung Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 27 Mündliche Frage 47 Werner Dreibus (DIE LINKE) Förderung der Daseinsvorsorge in ländlichen Gebieten bzw. Vorstädten durch die öffentliche Hand Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 28 Mündliche Frage 48 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Unterstützung der Einrichtung eines länderübergreifenden Herdenschutzkompetenzzentrums zur Ausbildung von Hunden zum Schutz von Weidetieren vor Wolfsübergriffen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 29 Mündliche Frage 49 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Reaktion der Landesatomaufsichtsbehörden auf das Schreiben des BMU vom 20. Juni 2011 zu den Empfehlungen der Reaktor-Sicherheitskommission zum Stresstest sowie Bedeutung der in diesem Zusammenhang erwähnten nachgereichten Unterlagen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 30 Mündliche Frage 50 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage der deutschen Übersetzung des tschechischen Umweltverträglichkeitsgutachtens für das Atomkraftwerksprojekt Temelin 3 und 4 sowie Planung des nächsten Treffens mit Tschechien in diesem Zusammenhang Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 31 Mündliche Frage 51 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gründe für die Enthaltung der Bundesregierung bei der Abstimmung im Komitologieverfahren zur Umsetzung von Art. 7 a der Kraftstoffqualitätsrichtlinie Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 32 Mündliche Frage 52 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kosten der Marktprämie bzw. der Managementprämie Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 33 Mündliche Frage 53 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berechnungsgrundlagen der neuen Vergütungshöhen und Vermarktungsanteile in der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 29. Februar 2012 Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 34 Mündliche Frage 54 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stärkung der Teilnahme unterrepräsentierter Gruppen an Weiterbildungsmaßnahmen Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 35 Mündliche Frage 55 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Inanspruchnahme der Bildungsprämie Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 36 Mündliche Fragen 56 und 57 Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Presseförderung von am Markt nachrangigen, kleineren Titeln über eine unabhängige Kommission und Vergabe von Krediten und verlorenen Zuschüssen auf Zeit bei drohender Insolvenz eines Presseverlags; fehlende Marktzugänge infolge der hohen Zugangsbarrieren im lokalen Bereich und Auswirkungen auf die Pressevielfalt Antwort Bernd Neumann, Staatsminister BK Anlage 37 Mündliche Frage 58 Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung periodischer Berichte über redaktionelle Kooperationen sowie zu crossmedialen Produktions- und Anbieterstrukturen Antwort Bernd Neumann, Staatsminister BK Anlage 38 Mündliche Frage 59 Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Förderung von Medienunternehmen bzw. Journalistinnen und Journalisten Antwort Bernd Neumann, Staatsminister BK Anlage 39 Mündliche Frage 60 Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bewertung der Modelle der Medienförderung in den europäischen Nachbarstaaten Antwort Bernd Neumann, Staatsminister BK Anlage 40 Mündliche Fragen 61 und 62 Petra Merkel (Berlin) (SPD) Notwendigkeit einer crossmedialen Konzentrationskontrolle auf dem Medienmarkt; Maßnahmen für ein europäisches Medienkonzentrationsrecht Antwort Bernd Neumann, Staatsminister BK Anlage 41 Mündliche Frage 63 Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) Von der Bundesregierung vergebene Forschungsaufträge zur Medienvielfalt Antwort Bernd Neumann, Staatsminister BK Anlage 42 Mündliche Fragen 64 und 65 Martin Dörmann (SPD) Abschluss der angekündigten Bestandsaufnahme der für die Medienvielfalt relevanten Daten- und Faktenlage und öffentliche Zugänglichkeit der Mediendatenbank Antwort Bernd Neumann, Staatsminister BK Anlage 43 Mündliche Frage 66 Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Veröffentlichung der für das Projekt „Mediendatenbank“ erstellten Studien Antwort Bernd Neumann, Staatsminister BK Anlage 44 Mündliche Frage 67 Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schwund an Vielfalt bei der Lokalpresse Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 45 Mündliche Fragen 68 und 69 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen der in der 8. Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geplanten Anhebung der Aufgreifschwelle auf die Pressevielfalt und Bewertung weiterer Änderungswünsche der Verlegerverbände Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 46 Mündliche Fragen 70 und 71 Siegmund Ehrmann (SPD) Stärkung der Meinungs- und Pressevielfalt durch die vorgesehenen Änderungen im Pressefusionsrecht in der 8. Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 47 Mündliche Frage 72 Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen der im Referentenentwurf zur 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen enthaltenen Anhebung der Aufgreifschwelle auf die Anzahl der Pressefusionen ohne kartellamtliche Prüfung und auf die Pressevielfalt Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 48 Mündliche Frage 73 Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) Gründe für eine Änderung der Pressefu-sionskontrolle im Rahmen der 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 49 Mündliche Frage 74 Brigitte Zypries (SPD) Gründe für die Notwendigkeit einer Änderung beim Pressefusionsrecht im Rahmen der 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 50 Mündliche Frage 75 Brigitte Zypries (SPD) Berücksichtigung der Erkenntnisse der für das Projekt „Mediendatenbank“ erstellten Studien im Referentenentwurf zur 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 51 Mündliche Frage 76 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verbleib der Akte zur Hans-Joachim--Martini-Stiftung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe beim BMWi Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 52 Mündliche Frage 77 Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutsche Unterstützung für die ausgehandelten Energieeinsparziele zu Art. 6 der EU-Energieeffizienzrichtlinie Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 53 Mündliche Frage 78 Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beurteilung des geänderten Art. 12 der EU-Energieeffizienzrichtlinie; Pläne des BMWi für eine Verordnung zu abschaltbaren Lasten Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 54 Mündliche Frage 79 Werner Dreibus (DIE LINKE) Unternehmensgewinne im Einzelhandel und Entwicklung der in diesem Bereich gezahlten Reallöhne zwischen 2000 und 2010 Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 55 Mündliche Frage 80 Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Etwaige Unterstützung eines Neustarts der Drogeriemarktkette Schlecker mit öffentlichen Geldern Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 56 Mündliche Frage 81 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Mitverantwortung der Politik für die Insolvenz der Drogeriemarktkette Schlecker Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 57 Mündliche Fragen 82 und 83 Jutta Krellmann (DIE LINKE) Staatliche Bürgschaften und zinsgünstige Kredite zur Verhinderung von Massenentlassungen bei der Drogeriemarktkette Schlecker sowie etwaiger Umbau in eine Genossenschaft Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 58 Mündliche Frage 84 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verbesserungen bei der Strafverfolgung von Folter in Aserbaidschan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 59 Mündliche Frage 85 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schutz des Sonderberichterstatters des Europarats für politische Gefangene, Christoph Strässer, vor Diffamierungen durch die Regierung Aserbaidschans Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 60 Mündliche Frage 86 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beurteilung der Menschenrechtslage in Aserbaidschan vor dem Eurovision Song Contest Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 61 Mündliche Fragen 87 und 88 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Konsequenzen aus der gemeinsamen Analyse der US-amerikanischen Geheimdienste und aus dem Bericht des Generaldirektors der Internationalen Atomenergie-Orga-nisation zum iranischen Nuklearprogramm; Auswirkungen auf den Fortgang des E3plus-3-Prozesses Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 62 Mündliche Fragen 89 und 90 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Kenntnisse der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Vorbereitung einer militärischen Intervention in Syrien über die Rolle und den Einsatzzweck israelischer und US-amerikanischer Drohnen und über Zweck und Tätigkeit von Spezialkräften, Geheimdienstmitarbeitern, Beratern und Ausbildern der NATO-Staaten bzw. der Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrates auf syrischem Staatsgebiet Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 63 Mündliche Frage 91 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unter Beteiligung der Bundeswehr in den Jahren 2010 und 2011 festgenommene Personen in Afghanistan mit Überstellung in das US-Gefängnis in Bagram; Verbleib dieser Gefangenen sowie Wahrung der Gefangenenrechte Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 64 Mündliche Frage 92 Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutsche Unterstützung für Repressionsopfer und den Aufbau einer unabhängigen Zivilgesellschaft in Belarus Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 65 Mündliche Frage 93 Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rechtsstaatlichkeit der Verfahren gegen Dmitrij Konowalow und Wladislaw -Kowaljow wegen des Bombenanschlags auf die Minsker Metro im April 2011 Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 66 Mündliche Frage 94 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Lage der politischen Häftlinge in Belarus Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Inhaltsverzeichnis 164. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 7. März 2012 Beginn: 13.01 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Ich begrüße Sie herzlich zu unserer 164. Sitzung und rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Mit Blick auf das angekündigte Thema gibt es eine Vereinbarung, dass die Regierungsbefragung insgesamt 45 Minuten dauern soll. Das machen wir nach vorne wie nach hinten ein bisschen davon abhängig, wie groß der Nachfragebedarf tatsächlich ist. Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Reform der Wirtschafts- und Währungsunion. Zu einleitenden je fünfminütigen Berichten erhalten zunächst der Bundesminister des Auswärtigen, der Kollege Guido Westerwelle, und anschließend der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Steffen Kampeter, das Wort. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute im Kabinett die Vorbereitungen dafür getroffen, dass der Deutsche Bundestag den Fiskalvertrag beraten und ratifizieren kann. Das Vertragswerk, das da unterzeichnet worden ist, ist sehr bedeutend. Mit diesem Vertrag wird ein neues Kapitel, auch in der europäischen Integrationsgeschichte, aufgeschlagen. Die deutsche Politik, die vom Bundestag mit großer Mehrheit getragen wird, hat zwei Säulen: erstens die Säule der Solidarität – wir haben hier oft über die Pakete der Solidarität beraten –, zweitens die Säule der Solidität. Das heißt, es geht darum, dass wir nicht wieder in eine solche Krise kommen, und auch darum, dass wir strukturell aus der Krise herauskommen. Es gibt das berühmte Wort von den Chancen der Krise. Diese Chance der Krise wird heute genutzt, indem wir unsere Währung schützen und den Ländern, die in Schwierigkeiten geraten sind, Solidarität gewähren, und indem wir gleichzeitig auch die Grundlage dafür legen, dass Haushaltsdisziplin nicht nur eingehalten wird, sondern Verstöße gegen diese auch sanktioniert werden. Das heißt, dass wir zu einer Stabilitätskultur zurückkehren, wie sie ursprünglich im Vertrag von Maastricht angelegt gewesen ist, die aber, wie wir wissen, in der Praxis, übrigens auch durch deutsches Zutun in den Jahren 2004 und 2005, aufgeweicht wurde. Wir halten es für erforderlich, dass die Schuldenbremse, die wir in Deutschland haben, auch in den anderen europäischen Verfassungen verankert wird. Als man vor wenigen Monaten hier diskutiert hat, ob es uns in so kurzer Zeit gelingen könnte, einen völkerrechtlichen Vertrag zustande zu bringen, hat man es kaum für möglich gehalten. Heute sehen wir, dass es geht. Wir haben es geschafft, dass in Europa, bis auf zwei Ausnahmen, alle dieses Vertragswerk unterzeichnet haben. Wir nehmen also unsere Verantwortung für Europa und für unsere gemeinsame Währung auch wahr. Es geht im Fiskalvertrag darum, dass die Schuldenbremse verankert wird und dass Sanktionen verankert werden. Dies bedeutet, dass künftig bei Verstößen Sanktionen quasi automatisch greifen. Das ist auch ein wichtiges Anliegen des Deutschen Bundestages gewesen, das in mehreren Entschließungsanträgen zum Ausdruck gebracht worden ist. Das heißt: Künftig wird der Verstoß gegen die gemeinsam verabredete Stabilitätspolitik automatisch sanktioniert. Der Spielraum für politische Opportunitäten wird erheblich zurückgeschraubt. Wer künftig die Sanktionen in einem konkreten Fall vermeiden möchte, muss dafür eine qualifizierte Mehrheit organisieren. Es muss eben nicht, wie bisher, eine qualifizierte Mehrheit für das Beschließen von Sanktionen organisiert werden. Diese umgekehrte qualifizierte Mehrheit stärkt die Stabilitätspolitik erheblich. Wir gehen damit den Weg in Richtung Stabilitätsunion; damit bringen wir auch eine Fortentwicklung der politischen Union auf den Weg. Wir bitten den Deutschen Bundestag, das mit Zweidrittelmehrheit – denn das ist die notwendige Mehrheit – zu beschließen. Nach den Reden, die hier im Deutschen Bundestag von allen Seiten des Hauses gehalten worden sind, und nach dem, was unterschiedliche Fraktionen in Entschließungsanträgen eingebracht haben und was zum Teil auch beschlossen worden ist, ist die Bundesregierung optimistisch und zuversichtlich, dass im Deutschen Bundestag und im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit auch für diesen wichtigen Fiskalvertrag zustande kommt. Es geht darum, dass wir die Verantwortung für Europa und für unsere Währung wahrnehmen. Deswegen bitten wir um Verständnis dafür, dass die Bundesregierung keinen parteipolitischen Kuhhandel betreiben wird. Wir sind vielmehr der Überzeugung, dass jetzt die Stunde der Entscheidung im Hohen Hause gekommen ist. Ich gehe davon aus, dass der Deutsche Bundestag in bewährter europapolitischer Ausrichtung seine Verantwortung wahrnimmt. Wir bitten also alle Fraktionen des Deutschen Bundestages, sich diesem historischen Vertragswerk anzuschließen. Es ist ein großer Erfolg deutscher Politik, der in Europa durchgesetzt werden konnte. Vor wenigen Monaten ist das, auch hier im Deutschen Bundestag, von einigen Kräften noch für unerreichbar gehalten worden. Wir haben es geschafft; es ist möglich geworden. Europa geht den Weg in Richtung Stabilitätsunion. Dafür ist der Fiskalvertrag eine entscheidende Säule, ein entscheidender Abschnitt. Ein neues Integrationskapitel in der europäischen Geschichte wird aufgeschlagen. Wir bitten deshalb den Deutschen Bundestag im Rahmen der ordentlichen parlamentarischen Beratungen um Zustimmung. Des Weiteren geht es noch um die Fragen im Zusammenhang mit dem ESM. All das wird dem Deutschen Bundestag auch noch ordnungsgemäß zugeleitet. Heute aber geht es um den Fiskalvertrag sowie um die Frage nach der Änderung des Art. 136 AEUV, die ich nur am Rande erwähnen möchte; das ist den Anwesenden aber ohnehin bekannt. Wir bitten um Zustimmung zu diesem wichtigen Vertragswerk, das wir jetzt national ratifizieren sollten. Vielen Dank. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dann darf ich den Parlamentarischen Staatssekretär Steffen Kampeter um den ergänzenden Bericht bitten. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Ratifikation des Fiskalpakts bitten wir den Deutschen Bundestag und den Bundesrat um die Rückkehr zu einer regelgebundenen Finanzpolitik. Die regelgebundene Finanzpolitik war eines der Gründungsgeschenke, die die Bundesrepublik Deutschland bei dem Vertrag über die Einführung einer gemeinsamen Währung mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt gemacht hat. Leider hat uns dieses Thema in den vergangenen Jahren nicht so sehr umgetrieben. Deswegen ist es uns ein Anliegen, die Finanzpolitik mit dem Fiskalpakt wieder in ein Regelsystem zu packen, das vertrauensbildend ist und deutlich macht, dass auch zukünftige Mehrheiten, Parlamente und Regierungen an der Arbeit für die Stabilität dieser Währung nicht nachlassen dürfen. Deswegen ist es finanzpolitisch wichtig, dass zwei Signale von dieser Ratifikation ausgehen: Erstens. Konsolidierung ist einer der Markenkerne europäischer Politik. Zweitens. Zur Konsolidierungskomponente gehört die Rückkehr zur Wachstumsorientierung in der europäischen Politik. Konsolidierung und Wachstumsorientierung sind zwei Seiten ein und derselben Medaille, nämlich für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung innerhalb Europas zu sorgen. Die Zeichnung des Fiskalpaktes durch 25 der 27 europäischen Mitgliedsländer zeigt, dass die Abkehr von der Fehlentwicklung eines schuldenfinanzierten Wachstums weit über die Euro-Zone hinaus hohe Attraktivität besitzt. Die beiden Staaten, die den Pakt zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht unterstützen, sagen nicht, dass sie nicht an die wachstumsfördernde Kraft stabiler Haushalte glauben, sondern führen andere politische Argumente an. Das heißt, in Europa hat sich die Wahrnehmung von Fiskalpolitik gewandelt. Ich werbe dafür, dass man den Fiskalpakt im Rahmen eines integrierten Gesamtkonzepts für mehr Vertrauen in die europäische Wirtschafts- und Währungszukunft versteht. Ein Moment ist die Frage der nationalen Verantwortung. Alle Staaten und alle nationalen Parlamente in Europa sind mit dem Fiskalpakt aufgefordert, ihre Haushalte durch nationale Schuldenbremsen in Ordnung zu halten bzw. sie dort, wo sie es nicht sind, in Ordnung zu bringen. Das zweite Moment dieser integrierten Gesamtstrategie ist die Veränderung der europäischen Entscheidungsprozesse. Auch Europa muss sich verpflichtet fühlen, diese Vertrauensstrategie durch die umgekehrt qualifizierte Mehrheit zu unterstützen. Während es bei den ersten beiden Momenten um Stabilität und Vertrauen geht, ist lediglich das dritte Moment ein Solidaritätsmoment; es ergänzt die beiden anderen Momente zu einem Gesamtkonzept. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Fiskalpakt macht deutlich, dass es der Bundesregierung im Kern darum geht, die qualitativen Komponenten von Konsolidierungsstärkung und Wachstumsförderung in den Vordergrund zu stellen. Es geht nicht um diese oder jene Zahl, nicht darum, wie hoch eine angebliche Firewall oder Mauer ist, sondern darum, dass wir strukturell kurz-, mittel- und langfristige Strategien haben, wie die Haushalte innerhalb der Euro-Zone und im Bereich der europäischen Integration insgesamt tragfähig sein können. Nur wenn es uns gelingt, diese Qualitätskomponente auch in den Herzen der europäischen Entscheidungsträger zu verankern, dann wird der Euro auf Dauer die Stabilität haben und die europäische Integration auch in der Finanzpolitik die Erfolgsgeschichte sein, die wir uns wünschen. Wir laden nicht nur die Koalitionsfraktionen ein, dazu beizutragen, sondern wünschen uns eine breite Mehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat. Es ist uns in der vergangenen Legislaturperiode gelungen, mit -großer und breiter Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat die nationale Schuldenbremse als gesamtgesellschaftliche, gesamtwirtschaftliche und gesamtstaatliche Aufgabe zu etablieren. Die Ratifizierung des Fiskalpakts ist nun der nächste Schritt. Wir setzen im Bundestag wie im Bundesrat auf die dafür aus unserer Sicht notwendige Zweidrittelmehrheit. Dies ist die politische Aufgabe der deutschen Politik. Der Bundestag und der Bundesrat sind aufgefordert, daran mitzuwirken. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich bedanke mich für die Berichte. – Ich rufe nun die bereits angemeldeten Fragesteller auf, zunächst den Kollegen Carsten Schneider. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Danke, Herr Präsident. – Erst einmal vielen Dank für die Unterrichtung seitens der Bundesregierung. Nach dem Kabinettsbeschluss ist es jetzt das erste Mal, dass der Bundestag dazu gefragt wird; bisher haben Sie diesen Vertrag zwischenstaatlich verhandelt. Seit dem Wochenende ist bekannt, dass für die Ratifizierung eine Zweidrittelmehrheit notwendig sein soll; zumindest ist das der Kabinettsvorlage zu entnehmen. Darin steht, dass eventuell der Inhalt des Grundgesetzes geändert oder ergänzt werden muss. Ich würde gerne wissen, an welcher Stelle genau das der Fall ist. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege, die Verfassungsrelevanz folgt aus einem einfachen juristischen Prinzip: Man braucht eine verfassungsändernde Mehrheit, um die Verfassung zu ändern; aber man braucht eine verfassungsändernde Mehrheit auch, wenn man sich verpflichtet, sie an einer Stelle nicht mehr zu ändern. Sprich: Wir gehen zwischenstaatlich völkerrechtlich verbindlich die Verpflichtung ein, dass es bei der Schuldenbremse bleibt. Wir bringen ja andere Staaten dazu, die Schuldenbremse zu beschließen, und verpflichten uns zwischenstaatlich dazu, dass es bei dieser Schuldenbremse bleibt. Ich kenne zwar bis auf eine Fraktion, glaube ich, niemanden, der die Schuldenbremse, die wir gemeinschaftlich verabredet und beschlossen haben, wieder aufheben will. Aber die verfassungsrechtliche Relevanz, also die Notwendigkeit der Zweidrittelmehrheit, ergibt sich aus der genannten Überlegung. Deswegen ist es aus unserer Sicht richtig bzw. von den Verfassungsressorts richtig eingeschätzt worden, dass dafür eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Barthle. Norbert Barthle (CDU/CSU): Herr Präsident, vielen herzlichen Dank. – Sowohl der Bundesaußenminister als auch der Herr Staatssekretär haben in ihren Vorträgen deutlich darauf hingewiesen, welche große Bedeutung dieser Fiskalvertrag für Stabilität und Wachstum in Europa hat, und angemerkt, dass ein wesentlicher Bestandteil dieses ganzen Konzeptes die Schuldenbremse ist. Diese Schuldenbremse sieht ja klare Kriterien vor, die die Unterzeichnerstaaten in ihr nationales Recht übertragen müssen. Ich möchte gerne fragen: Was geschieht, wenn ein Mitgliedstaat diese Regeln nicht einhält? Welches Verfahren ist vorgesehen, um diesen Regelungen zur Umsetzung zu verhelfen? (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen wir doch alles!) Wie stellt sich die Bundesregierung im weiteren Verlauf mittel- und langfristig das Verfahren vor, diese Grenze von 60 Prozent Verschuldung bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt einhalten zu können? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Zum ersten Teil der Frage: Ja, es ist richtig, Herr Abgeordneter Barthle: Die deutsche Schuldenbremse hat mit ihrem materiellen Gehalt Pate gestanden für den Fiskalpakt. Die Unterstützung des deutschen Grundanliegens, eine Schuldenbremse einzuführen, durch die Europäische Zentralbank hat ihr Übriges getan, auch unsere europäischen Vertragspartner von der Stringenz und Bedeutung ihrer im Deutschen Bundestag und im Bundesrat beschlossenen Bestandteile zu überzeugen. Zum zweiten Teil Ihrer Frage hinsichtlich der Sank-tionsmöglichkeiten: Wir haben im Fiskalpakt – dieser tritt in Kraft, wenn ihn zwölf Euro-Mitgliedstaaten gezeichnet haben – und durch die Anpassung europäischen Rechts erstmals geregelt, dass es möglich ist, Sanktionen vor dem Europäischen Gerichtshof einzuklagen. Darüber hinaus setzen wir mit der Verbindung von Fiskalpakt und Europäischem Stabilitätsmechanismus einen weiteren Anreiz, sich dem Stabilitätsregime dieses Vertrages frühzeitig und umfassend zu unterwerfen. Zur dritten Frage, die Sie, Herr Abgeordneter Barthle, gestellt haben: Sie wissen, dass wir uns auf dem Pfad zur Erfüllung der Schuldenbremse des Grundgesetzes mit dem designierten Fiskalpakt im Einklang befinden. Daher sind wir zuversichtlich, dass wir die Forderungen nicht nur erfolgreich erfüllen, sondern dass wir das Ziel unter der Annahme einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung vorzeitig erreichen. Wir sind allerdings auf parlamentarische Mehrheiten im Deutschen Bundestag angewiesen. Gegebenenfalls mag der eine oder andere Konsolidierungsschritt hier auch streitig diskutiert werden. Die Bundesregierung hält daran klar fest, und wir wissen uns parlamentarisch breit unterstützt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, möchten Sie dazu noch ergänzen? Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Wenn Sie es gestatten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Gerne. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Danke, Herr Präsident. – Unsere Erfolgskontrolle beinhaltet zwei Punkte. Der erste Punkt ist folgender: Die Einführung plus Umsetzung der Schuldenbremse in den anderen europäischen Staaten kann von uns überwacht und vor dem EuGH eingeklagt werden. Das Zweite ist: Die praktische Umsetzung im Haushaltsvollzug – also über Jahre betrachtet – erfährt jetzt dadurch eine Stärkung, dass wir die Stabilitätskriterien mit Sanktionen bewehren und nicht mehr der politischen Opportunität unterwerfen. Es sind also zwei Mechanismen, mit denen wir unsere deutschen Interessen vorzüglich wahrnehmen können. Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Hunko hat das Wort. Andrej Hunko (DIE LINKE): Herr Minister Westerwelle, vielen Dank für die Unterrichtung. Vielleicht nur eine Anmerkung: Der Fiskalpakt ist zwar bereits unterzeichnet worden, aber noch nicht ratifiziert. Warten wir einmal ab, wie das Referendum in Irland ausfallen wird. Warten wir einmal ab, wie die Entwicklung in Frankreich und das Verhalten des zukünftigen französischen Präsidenten sein werden. Mir geht es nun um Folgendes: Der Chef der EZB, Mario Draghi, hat kürzlich in einem Interview im Wall Street Journal mit Blick auf die Krise und mit Blick auf den Fiskalvertrag gesagt, das europäische Sozialstaatsmodell habe ausgedient. Meine Frage ist: Ist das auch die Position der Bundesregierung? Wenn nein, was hat die Bundesregierung getan, um Herrn Draghi darüber zu informieren, dass etwa in Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes steht, dass die Bundesrepublik ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist und bleiben soll? Vielen Dank. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege, zunächst stelle ich fest: Ich kenne die Äußerungen von Herrn Präsidenten Draghi nicht. Ich werde deswegen auch nicht auf seine Äußerungen eingehen, sondern nur zu Ihrer Fragestellung etwas sagen, damit in der Berichterstattung kein falscher Eindruck erweckt wird. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, dass sich der Sozialstaat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mehr als bewährt hat. Wir sind der Überzeugung, dass ein Sozialstaat, also eine Marktwirtschaft mit sozialer Verantwortung, ein Erfolgsmodell ist, das sich weltweit empfiehlt. Als Außenminister sehe ich mit großer Freude, dass zum Beispiel unter den neuen Gestaltungsmächten eine Diskussion darüber beginnt, wie man den Gesichtspunkt „soziale Verantwortung“ in marktwirtschaftliche Strukturen integrieren kann. Das Sozialstaatsmodell ist außerordentlich erfolgreich. Es mag allerdings sein, dass zwischen Ihnen und mir hinsichtlich der konkreten Ausformung und der konkreten Umsetzung des Sozialstaates der eine oder andere Meinungsunterschied vorhanden ist und auch bleiben wird. Wir werden beide auf diese unterschiedlichen Auffassungen stolz sein. Sie haben außerdem die Entwicklungen in Irland und Frankreich angesprochen. Zunächst möchte ich darauf hinweisen: Wir werben genauso wie die irische Regierung dafür, dass das Referendum positiv ausgeht. Aber in diesem Zusammenhang sind zwei Aspekte zu berücksichtigen. Erstens. Es müssen zwölf Staaten ratifizieren. Das heißt, selbst wenn das Referendum in Irland anders ausginge, als wir erwarten und als es die irische Regierung will, dann könnte das die Inkraftsetzung des Fiskalpaktes nicht verhindern. Zweitens. Der französische Staatspräsident hat den Vertrag unterzeichnet. Verträge binden, sie binden auch nachfolgende Regierungen. Ich habe jüngste Äußerungen von französischer Seite so verstanden, dass sich Frankreich an das halten wird, was gemeinsam vereinbart wurde. Pacta sunt servanda – das sagen wir an alle, die sich derzeit in die politischen Debatten in den verschiedenen europäischen Ländern einbringen. Wir haben einen Vertrag geschlossen. Er ist im Interesse Europas, im Interesse der Mitgliedstaaten Europas und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Wir haben nicht die Absicht, einen geschlossenen Vertrag von Wahlen oder Wahlausgängen abhängig zu machen. Man wäre nicht mehr regierungsfähig, wenn Regierungen nicht auch ein Land an Verträge binden könnten. In Deutschland geschieht das mit parlamentarischer Zustimmung, weil wir ein bestimmtes Ratifizierungsverfahren haben. In anderen Ländern ist es anders. Für uns ist völlig klar: Es bleibt bei dem, was beschlossen wurde. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. – Bisher habe ich die Antworten mit Blick auf die weiterlaufende Uhr sehr großzügig behandelt. Ich bitte Sie, das in Zukunft etwas zu straffen – manches, was zweifellos richtig ist, wird jetzt mehrfach wiederholt –, sodass wir zu einer etwas dichteren Abfolge kommen können; denn es gibt viele Wortmeldungen. – Herr Kollege Sarrazin. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Herr Staatssekretär, neben den Regelungen des Fiskalpakts führen wir derzeit auf europäischer Ebene Debatten über das sogenannte Two-Pack, eine Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Ich höre jetzt aus dem -Europäischen Parlament, dass viele korrespondierende Inhalte des Fiskalpakts identisch in das Two-Pack übernommen werden sollen. Ich möchte die Bundesregierung gerne fragen, ob sie alle Bestrebungen unterstützen wird, korrespondierende Regelungen, die im Fiskalpakt bereits geregelt sind, auch für die 27 gültig, in das Two-Pack zu übernehmen. Ich möchte eine weitere Frage anschließen. Im ersten Two-Pack-Entwurf der Kommission war eine Regelung zur nationalen Schuldenbremse enthalten. Im General Approach des Rates ist sie jetzt verschwunden. Ich würde gerne die Bundesregierung fragen, warum die Regelung im General Approach nicht mehr enthalten ist und welche Haltung sie dazu einnimmt. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Lieber Kollege Sarrazin, der Fiskalpakt ist ein intergouvernementaler Handlungsansatz; das Two-Pack, das Sie ansprechen, entspringt dem Sekundärrecht. Wir haben mit dem intergouvernementalen Ansatz innerhalb weniger Wochen einen Quantensprung gemacht, der uns nicht gelungen wäre, wenn wir uns auf Primär- und Sekundärrechtsanpassungen konzentriert hätten. Unser Ziel ist aber – das ist auch Bestandteil der Fiskalpaktregelung –, diesen Fiskalpakt nach einer Übergangsphase aus dem intergouvernementalen Regelungsbereich in europäisches Primärrecht zu überführen. Es ist von daher unser Anliegen, die Regelungen des intergouvernementalen Fiskalpakts und die sekundärrechtlichen Konkretionen, die wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu ähnlichen oder identischen Sachverhalten haben, so aufeinander abzustimmen, dass einer späteren Integration des Fiskalpakts in Primärrecht der Europäischen Union nichts entgegensteht. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Regelungen im sogenannten Two-Pack mit Sach- und Regelungsinhalten im intergouvernementalen Fiskalpakt korrespondieren. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ausnahmsweise gestatte ich eine sofortige Nachfrage. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine Frage ist, ob Sie sich in den Verhandlungen in den kommenden Wochen mit Ihren Stimmen im Rat dafür einsetzen werden, dass Regelungen, die im Sekundärrecht bis Mai aufgenommen werden können, identisch oder korrespondierend zur Regelung im Fiskalpakt beschlossen werden, oder ob Sie sie, beispielsweise mit Verweis darauf, dass sie für 25 EU-Staaten schon gelten, verhindern werden. (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Klare Frage! Jetzt eine klare Antwort, bitte! – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sag Ja!) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Wir wollen, dass Two-Pack und der Fiskalpakt harmonisiert sind, das heißt, aufeinander abgestimmt werden. (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut! Da sind wir jetzt gespannt! – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Harmonie!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Rolf Schwanitz stellt die nächste Frage. Rolf Schwanitz (SPD): Herr Minister, ich möchte noch einmal nach der neuen Qualität des Fiskalpaktes fragen, und zwar mit Blick darauf, an welchen Stellen der Fiskalpakt wirklich über die Regelungen des sogenannten Six-Packs, die als Richtlinien oder Verordnungen seit Anfang November geltendes Recht sind, hinausgeht. Ich stelle die Frage auch vor dem Hintergrund des Gesprächs, das wir vor zwei Tagen mit Kommissar Rehn führen konnten. In diesem Gespräch ist die Einschätzung geäußert worden – diese Einschätzung teile ich –, dass rund 95 Prozent der Regelungen des Fiskalpakts bereits im Six-Pack enthalten sind, also bereits geltendes Recht innerhalb der Europäischen Union sind. An welchen Stellen ist der Fiskalpakt qualitativ besser und weitgehender als das Six-Pack? Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: So ist das bei der Prozentrechnung. Manchmal sind 5 Prozent ganz entscheidend, wie ich Ihnen aus langjähriger Erfahrung berichten kann. (Heiterkeit im ganzen Hause) Präsident Dr. Norbert Lammert: Diese Bemerkung, Herr Außenminister, rechnen wir nicht auf Ihre Redezeit an. (Heiterkeit im ganzen Hause) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Es freut mich, dass die Regierung den Herrn Präsidenten erfreuen konnte. Das Entscheidende ist in der Tat der Bereich, der bisher nicht enthalten ist. Das heißt erstens: Wir haben jetzt eine völkerrechtliche Vereinbarung darüber, dass die Schuldenbremse national geltendes Verfassungsrecht wird und an den Stellen, an denen sie nicht Verfassungsrecht wird, ein Äquivalentz bekommt. Dass es unterschiedliche Rechtsordnungen und Rechtsstrukturen gibt, muss ich, glaube ich, in diesem Kreis nicht sagen. Zweitens. Wir haben eine Einklagbarkeit, das heißt die Unterwerfung in einem bestimmten Bereich unter die Rechtsprechung des EuGH, die es bisher nicht gab, die auch nicht sekundärrechtlich vereinbart werden kann. Das ist einer der Punkte, die uns bewusst sein müssen: Wir geben damit etwas an Kompetenzen ab. Wir freuen uns im Augenblick darüber – wir wollten das haben –, aber wir müssen zur Kenntnis nehmen – wer weiß, wie das in fünf oder zehn Jahren in Deutschland politisch gesehen wird –, dass wir etwas abgeben. Drittens. Die automatischen Sanktionen bekommen ebenfalls eine völkerrechtliche Qualität. Das heißt, das, was im ersten Deauville-Abkommen noch nicht vereinbart werden konnte, nämlich die umgekehrte qualifizierte Mehrheit bei den Sanktionen, wird jetzt in eine Rechtsqualität überführt, die uns allen Rechtssicherheit gibt. Ich fasse es wie folgt zusammen: Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung aufgefordert und gesagt: Setzt als Bundesregierung nicht nur Solidarität durch. Wenn wir schon geradestehen, bürgen, Solidarität gewähren, dann sorgt auch dafür, dass Haushaltsdisziplin in Europa die Regel wird. Genau das haben wir jetzt völkerrechtlich vereinbart. Die anderen beiden Staaten, die bislang nicht mitmachen, bleiben eingeladen, mitzuwirken. Ich habe in London gesagt, dass die britische Regierung eingeladen ist, mitzuwirken und dem Pakt beizutreten. Ich habe auch gestern in Prag noch einmal öffentlich gesagt – dadurch konnte eine gewisse Diskussion ausgelöst werden; einige Kollegen waren dabei –, dass die Tür für Tschechien für den Fall, dass sich dort eine andere Meinung bildet, weit geöffnet bleibt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Michael Schlecht. Michael Schlecht (DIE LINKE): Meine erste Frage. Diese Schuldenbremse soll quasi – so verstehe ich es – mit einer Ewigkeitsgarantie ausgestattet werden. Haben Sie geprüft, ob das verfassungskonform ist? Sie binden ja damit zukünftige Regierungen und Parlamente, obwohl Sie – das haben Sie selbst gesagt – nicht wissen, wie die Situation in Deutschland in fünf oder zehn Jahren sein wird. Meine zweite Frage. Wenn Sie schon eine solch massive Bekräftigung der Schuldenbremse verfassungsrechtlich verankern wollen und Sie sich hier gleichzeitig – zumindest verbal – zum Sozialstaatsprinzip bekennen, müsste man dann, Ihrer Logik folgend, nicht auch da-rüber nachdenken, Regelungen, durch die die Ausstattung des Sozialstaates mit finanziellen Mitteln sicher-gestellt wird, in die Verfassung aufzunehmen? Zum Beispiel könnte man eine massive Besteuerung von Reichen und Vermögenden in Gestalt der von uns vorgeschlagenen Millionärsteuer in der Verfassung verankern. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege, ich möchte Ihnen zunächst einmal amtlich versichern, dass die Bundesregierung nicht plant, eine von Ihnen konzipierte Steuer in unserer Verfassung aufzunehmen. Das ist zwar ein netter Versuch, aber Sie erwarten doch wohl nicht wirklich, dass wir dem folgen. Im Übrigen verstehe ich Ihre Überraschung nicht. Sie wissen doch, dass sich jeder, der auf der Regierungsbank sitzt, in vollem Umfang zur Verfassung bekennt und auf die Verfassung geschworen hat. Insoweit sind etwaige Ermahnungen im Hinblick auf Art. 20 des Grundgesetzes gänzlich überflüssig. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das Verfassungsgericht hat ja oft nachjustiert!) Wir vertreten vielleicht in der Tagespolitik unterschiedliche Auffassungen. Aber diese Regierung verhält sich absolut verfassungskonform; daran gibt es keinen Zweifel. Zur Ewigkeitsgarantie. Wenn man völkerrechtliche Verträge schließt, bindet man immer nicht nur den jetzigen Deutschen Bundestag und die heutige Regierung, sondern man bindet damit auch künftige Regierungen und Parlamente. Selbstverständlich bindet unsere Politik auch künftige Generationen. Die Verankerung der Schuldenbremse ist, so glauben wir, richtig; denn die Schuldenpolitik ist erkennbar an eine Grenze geraten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Kampeter wollte noch eine Ergänzung vortragen. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Kollege Schlecht, Ihr Verständnis der Schuldenbremse deckt sich nicht mit dem Verständnis der Schuldenbremse, das eine breite Mehrheit des Parlamentes hat. Sie stellen die Schuldenbremse als Beschränkung von zukünftigen Handlungsmöglichkeiten dar. Das Gegenteil ist richtig. Die Staaten, die eine zu hohe Verschuldung haben, werden aufgrund ihrer Verschuldung zukünftig keine Handlungsmöglichkeiten mehr haben. Die Handlungsfähigkeit wird durch ein Übermaß an Verschuldung beschränkt. Die Zinszahlungen sind ein Angriff auf die politische Handlungsfähigkeit zukünftiger Generationen. Die Schuldenbremse ist daher so konzipiert, dass zukünftigen Parlamenten Freiheiten eingeräumt werden, um in den Bereichen, die politisch wichtig sind, handeln zu können. Sie stellt sozusagen eine Aufforderung nicht nur an diesen, sondern auch an alle folgenden Bundestage dar, die Prioritäten so zu setzen, dass politische Handlungsspielräume zukünftig erweitert werden. Das ist eine riesengroße Chance. Hemmungsloses Schuldenmachen schränkt die Handlungsfreiheit in der Zukunft ein. Die Schuldenbremse sichert die Handlungsfreiheit zukünftiger Parlamente. Präsident Dr. Norbert Lammert: Eine kurze Zusatzfrage. Michael Schlecht (DIE LINKE): Sie haben dargestellt, dass dies eine weitreichende Änderung ist. Wäre es daher nicht angemessen, über die Zweidrittelmehrheit im Parlament hinauszugehen und darüber im Rahmen einer Volksbefragung abstimmen zu lassen? (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Da müsste es auch Beifall von der CSU geben!) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Ich denke, Sie meinen diese Frage nicht ernst, (Michael Schlecht [DIE LINKE]: Doch!) weil natürlich auch Sie die Rechtslage und die Verfassungslage kennen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Also, Herr Seehofer sieht das auch so!) Ich will dazu eine persönliche Bemerkung machen, die darüber hinausgeht. Ich hoffe, dass wir eine Debatte über die Europapolitik insgesamt führen werden, und könnte mir sehr gut vorstellen, dass wir eines Tages, wenn wir eine gemeinsame europäische Verfassung haben, in der Tat in ganz Europa ein Referendum über diese europäische Verfassung durchführen. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ja! -Richtig!) Das ist aber eine völlig andere Frage als die, die von Ihnen aufgeworfen worden ist. (Beifall des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollegin Hinz. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister! Herr Staatssekretär! Im Fiskalpakt steht, dass die EU-Kommission Vorschläge im Hinblick auf einen automatischen Korrekturmechanismus zur Einhaltung der Schuldenregel machen soll. Da ich davon ausgehe, dass Sie mit Vertretern der EU-Kommission schon darüber gesprochen haben, dass sie entsprechende Vorschläge machen soll, würde ich gerne wissen, was ich mir unter Vorschlägen im Hinblick auf einen automatischen Korrekturmechanismus vorstellen soll, bis wann die EU-Kommission diese Vorschläge machen soll – wir sollen ja im Mai dieses Jahres über den Fiskalpakt abstimmen – und ob Sie ausschließen können, dass die Existenz eines automatischen Korrekturmechanismus eine qualitative Änderung des Grundgesetzes zur Folge hat. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Hinz, ja, es ist richtig: Wir warten noch auf zwei Vorschläge der EU-Kommission zur Konkretisierung des Fiskalpaktes, nämlich auf den Vorschlag zur Erreichung des Anpassungspfades und den Vorschlag zur Ausgestaltung des Korrekturmechanismus. Wir werden im Rahmen der Beratungen des Deutschen Bundestages am 7. Mai dieses Jahres eine große Anhörung zu diesem Thema durchführen. Ich gehe davon aus, dass uns bis dahin alle erforderlichen Konkretisierungen vonseiten der EU-Kommission vorliegen. Dann gilt es, diese im Rahmen der Anhörung zu bewerten und möglicherweise Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Da Sie mich als Vertreter der Bundesregierung gerade gefragt haben, ob ich aus einem mir noch nicht vorliegenden Vorschlag schon jetzt eine bestimmte Konsequenz ziehe, muss ich Ihnen sagen: Die Bundesregierung vermeidet Spekulationen und beteiligt sich nicht an diesen. Insofern kann ich diese hochspekulative Frage nicht beantworten. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen es nicht!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Aber vielleicht die nächste Frage des Kollegen Carsten Schneider. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Minister, Sie haben vorhin auf die Schuldenbremse in unserem nationalen Recht, der wir zugestimmt haben, hingewiesen. Ich stelle fest: Als Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion haben Sie sich, als es im Jahre 2009 um die Einführung der Schuldenbremse in Deutschland ging, bei der entsprechenden Abstimmung mitsamt Ihrer Fraktion enthalten. (Bettina Hagedorn [SPD]: Ja, genau!) Ich bin aber froh, dass Sie sie sich jetzt zu eigen machen. Ich habe eine konkrete Frage. Es kommt ja nicht nur auf den Text, sondern vor allen Dingen auch darauf an, wie das Ganze gelebt wird. Wir haben in Deutschland die Situation, dass die Koalition bzw. die Bundesregierung die Schuldenbremse entgegen dem Rat des Sachverständigenrates, des Bundesrechnungshofes und der Deutschen Bundesbank nicht nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes anwendet. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Mamma Mia!) Vielmehr haben Sie sich einen Dispokredit in Höhe von knapp 50 Milliarden Euro gesichert, indem Sie den Ausgangswert für den Abbaupfad zu hoch angesetzt haben. Ich frage Sie, ob Sie bereit sind – das gilt auch für den Ratifizierungsfall –, eine Änderung des Gesetzes, die zu einer Härtung der Schuldenbremse in Deutschland führt, wie sie die SPD-Fraktion vorschlägt, mitzutragen. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Kollege Schneider, Ihre Behauptung, die Bundes-regierung würde die Schuldenbremse nicht konsequent genug anwenden, wird durch Wiederholung auch im Deutschen Bundestag leider nicht richtiger. Das Gegenteil ist der Fall. (Lachen des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wie Sie wissen, nutzt die Bundesregierung die Verschuldungsspielräume, die der Deutsche Bundestag bewilligt hat, überhaupt nicht aus. Wir hätten, juristisch betrachtet, eine höhere Verschuldung in Kauf nehmen können. Es ist eine große Leistung der Bundesregierung und der Koalition aus Union und FDP, dass Deutschlands Verschuldung heute deutlich geringer ist, als wir noch vor wenigen Monaten befürchtet haben. Eine zweite Anmerkung. Ihr Vergleich mit einem Dispositionskredit, den es bei einem Konto gibt, ist weder sachlich noch politisch richtig. Das von Ihnen auf diese Weise angesprochene Konto ist für die Bundesregierung keine Kreditermächtigung, sondern lediglich der Beleg dafür, dass die Situation, was die Verschuldung betrifft, besser ist als noch vor wenigen Monaten befürchtet. Es wird im Deutschen Bundestag kein Euro Schulden aufgenommen ohne parlamentarische Legitimation. Ihr Vergleich mit einem Dispositionskredit, der gleichzeitig einen Schattenhaushalt bedeuten würde, ist Ihren Kenntnissen des deutschen Haushaltsrechts nicht angemessen; denn er ist falsch. Präsident Dr. Norbert Lammert: Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Kollege Carsten Schneider hat vorhin eine wichtige Frage gestellt, die der Bundesaußenminister noch nicht beantwortet hat, nämlich die Frage, ob es konkreter Korrekturen des Grundgesetzes infolge des Fiskalpaktes bedarf. Dieser Frage sind Sie ausgewichen. Sie haben uns nur beschrieben, inwiefern wir den Gesetzgeber mit Blick auf die Verfassung binden. Deshalb hätte ich gern die Einschätzung der Bundesregierung gewusst, ob wir eine Korrektur des Grundgesetzes brauchen. Wir haben nämlich eine Lage, die mit der, die in Art. 79 des Grundgesetzes beschrieben ist, vergleichbar ist. Ohne eine solche Korrektur hätten wir keine entsprechende Rechtsquelle im Grundgesetz. Das fände ich schwierig. Noch schwieriger wird es, wenn Herr Kampeter keine Auskunft darüber geben kann, ob das, was von der Kommission noch zu erwarten ist, womöglich Korrekturen an unserer jetzigen Verfassungsrechtslage erfordert. Deshalb bitte ich die Bundesregierung, uns zu sagen, welche Änderungen an der Verfassung wir aufgrund des Fiskalpakts nach ihrer Ansicht vornehmen müssen und in welchem Umfang wir uns bei der Schuldenbremse binden. Denn die jetzige vertragliche Regelung ist nicht identisch mit dem Wortlaut unserer Verfassung. Da gibt es auch Spielräume für Modifikationen. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege, zunächst einmal gibt es über das hi-naus, was wir hier vorgelegt haben, keine weiteren Anträge oder Vorschläge seitens der Bundesregierung, die Verfassungsänderungen erforderlich machten. Für den Fiskalpakt brauchen wir nach unserer Rechtsauffassung keine anderen Änderungen der Verfassung. Ihren Hinweis auf die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes halte ich, offen gestanden, für staatsrechtlich falsch. Ich kann Ihnen das auch als Staatsrechtler sagen: Wenn Sie die Ewigkeitsgarantie betrachten, dann stellen Sie fest, dass sich daraus ganz andere Konsequenzen ergeben. Wenn Sie zum Beispiel die Ordnung unseres Gemeinwesens verändern, dann geht das bis hin zum Widerstandsrecht jedes einzelnen Bürgers. Das hat also ganz andere Verfassungsimplikationen als das, was wir hier vorgelegt haben. Auch um auf Nummer sicher zu gehen, wollen wir eine Zweidrittelmehrheit. Wir haben beide studiert; ich habe Jura studiert. Ich weiß nicht, ob Sie mittlerweile ein Jurastudium absolviert haben. Deshalb erlauben Sie mir ausnahmsweise, dass ich Ihnen das mit auf den Weg gebe, Herr Kollege. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht jeder Jurist ist auch ein guter Jurist!) Ich bitte Sie, das einfach zur Kenntnis zu nehmen. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das Meinung der Bundesregierung?) – Ja, das ist Meinung der Bundesregierung. (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Peinlich!) Herr Kollege Schneider, Sie haben einen zweiten Punkt genannt, was die Frage der Schuldenbremse angeht. Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass die FDP-Fraktion, der ich seinerzeit als Fraktionsvorsitzender vorgestanden habe, die Schuldenbremse nicht nur unterstützt hat, sondern auch wesentlich dafür gesorgt hat, dass sie im Rahmen der Föderalismuskommission durchgesetzt worden ist. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sprechen hier nicht für die FDP, sondern für die Bundesregierung!) Da sie allerdings mit weiteren Fragen und weiteren Paketen verbunden worden ist, hat es damals dieses Abstimmungsverhalten unsererseits gegeben. Ohne die FDP hätte es aber überhaupt gar keine Schuldenbremse gegeben. Da Sie danach gefragt haben, weise ich zu Ihrer persönlichen Freude noch einmal darauf hin. (Zurufe von der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Da er darauf angesprochen worden ist, finde ich es völlig in Ordnung, dass er dazu Stellung nimmt. – Die nächste Frage von unserem Kollegen Volkmar Klein. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der zweite Teil ist von Herrn Kampeter nicht beantwortet!) – Wir stellen die Frage des Kollegen Klein einen kleinen Augenblick zurück, damit Herr Beck im Rahmen einer Nachfrage erläutern kann, was Herr Kampeter noch beantworten soll. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er sagte, er könne nicht genau sagen, was die Kommission noch vorschlagen werde. Die Frage ist, ob diese Vorschläge Konsequenzen für unsere verfassungsrechtliche Lage hätten. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich glaube, es ist die Rawls’sche Urvertragssituation, in der man unter dem Schleier der Ungewissheit über die zukünftige Situation etwas machen kann. Dies ist aber eher ein theoretisches Konstrukt. Der verfassungsrechtlichen Darlegung des Bundesaußenministers ist nichts hinzuzufügen. Nach derzeitigem Stand ist keine Anpassung des Grundgesetzes erforderlich. Wir bitten Sie aus dem dargelegten Grund um eine Zweidrittelmehrheit für den Fiskalpakt im Bundestag und im Bundesrat. Sollte sich die Sachlage ändern, werden wir darüber zu diskutieren haben. Das sehe ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nicht. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie halten es für möglich!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Volkmar Klein. Volkmar Klein (CDU/CSU): Wir reden hier im Haus ja regelmäßig intensiv über die erheblichen Risiken aus ESM und EFSF. Dabei wissen wir, dass es immer gefährlich ist, als Feuerwehr zu handeln. Insofern scheint mir der Fiskalpakt eher so etwas wie vorbeugender Brandschutz zu sein. Risiken aus der Staatsschuldenkrise sollen durch Defizitabbau und nicht durch das Drucken von neuem Geld bekämpft werden. Welche Vorstellung hat die Bundesregierung von dem Zeitraum, in dem die notwendigen Regelungen in den heute von der Staatsschuldenkrise betroffenen Ländern wirklich wirksam werden können? Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Klein, der Einschätzung, die Ihrer Frage zugrunde liegt, kann man nur zustimmen. Bis zum 1. Januar 2014 soll der gesamte Umsetzungsprozess in den Unterzeichnerstaaten abgeschlossen sein. Spätestens ab dann geht es um die operative Kontrolle. Ich vermute, dass einige auch schon vorher damit beginnen werden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Axel Schäfer. Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Hinsichtlich der Reform der Wirtschafts- und Währungsunion wurde hier heute ja auch der Art. 136 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union genannt. Ich hätte gerne gewusst, ob die Bundesregierung ihre bisherige Position zum ESM dahin gehend korrigiert hat, dass es sich beim ESM um eine europäische Angelegenheit handelt, sodass nicht eine Ratifizierung nach Art. 59 Grundgesetz, sondern nach Art. 23 Grundgesetz ansteht. Falls die Bundesregierung ihre Position verändert hat, hätte ich gerne gewusst, welche neuen Einsichten Sie dazu erfreulicherweise bewegt haben. Falls nicht, hätte ich gerne eine Begründung dafür, warum der ESM keine europäische Angelegenheit in dem von allen im Bundestag vertretenen Fraktionen gemeinsam getragenen Verständnis ist. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Antwort lautet: Nein. Wir haben unser Verständnis nicht geändert und werden dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat nach Beschlussfassung des Kabinetts am nächsten Mittwoch auf dieser Rechtsgrundlage einen entsprechenden Gesetzentwurf fristgerecht zuleiten. (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Haben wir nächsten Mittwoch nicht frei?) Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Das heißt, Sie bleiben entgegen der Rechtsüberzeugung aller im Bundestag vertretenen Fraktionen bei Art. 59 Grundgesetz? (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das ist doch gar nicht denkbar!) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich glaube, der Sachverhalt ist von Ihnen nicht korrekt widergegeben. Aufgrund des Inhalts des Vertrages glauben wir, dass der von Ihnen beschriebene Art. 23 Grundgesetz1 als einschlägige Rechtsgrundlage hinreichend ist. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Der Glaube wird dabei nicht helfen! – Gegenruf des Abg. Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wir sind die Christlich Demokratische Union! Da hilft der Glaube eine ganze Menge! Das muss einmal gesagt werden!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollegin Paus. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Wenn der Fiskalpakt so umgesetzt wird, dann beinhaltet er ja eine Schuldenbremse, die sozusagen nicht ganz so scharf ist wie die zurzeit in unserer Verfassung verankerte Schuldenbremse. Nichtsdestotrotz tritt sie früher in Kraft als die Schuldenbremse, die für die Bundesländer gilt; denn die Schuldenbremse in der deutschen Verfassung wird für die Bundesländer erst im Jahre 2020 vollständig wirken. Gibt es daraus irgendwelche Konsequenzen? Haben Sie überprüft, inwieweit die Schuldenbremse à la Fiskalpakt, weil sie schon früher gilt, nämlich ab 2014, Konsequenzen für die Haushaltsaufstellung und für die mittelfristige Finanzplanung der Bundesländer für die Jahre 2014 bis 2020 hat? Eine kleine Ergänzung: Herr Kampeter, weil Sie gesagt haben, Sie möchten den Fiskalpakt als einen Baustein im Gesamtgefüge sehen, möchte ich an einen anderen Baustein erinnern, der zumindest von der Bundesregierung erwähnt worden ist, nämlich an das Wachstumsprogramm. Wie konkret sind inzwischen Ihre Arbeiten am Wachstumsprogramm für Europa? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Vorhin habe ich Art. 23 und Art. 59 des Grundgesetzes verwechselt. Ich glaube, das müssen wir im Protokoll korrigieren. (Zuruf von der SPD: Das ist aber entscheidend!) – Ja, das weiß ich. Ich sage es noch einmal, damit es im Protokoll richtig steht: Wir gehen beim ESM von der Notwendigkeit einer einfachen Mehrheit aus und folgen der Interpretation des Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion nicht. Ich bitte, zu entschuldigen, dass mir vorhin eine Verwechslung durchgerutscht ist. Was die Fragen der Kollegin Paus angeht: Wir gehen zum jetzigen Zeitpunkt nach unserer Analyse des Fiskalpakts auch in der Umsetzung des Ratifikationsgesetzes davon aus, dass die grundgesetzlichen Vorschriften zur Umsetzung der Schuldenbremse und der Fiskalpakt miteinander kompatibel sind. Gleichwohl wird durch die Befassung im Bundesrat deutlich, dass die Umsetzung nicht nur eine Aufgabe ist, die der Deutsche Bundestag und der Bundeshaushalt zu leisten haben, sondern dass Fiskaldisziplin auch eine Bund-Länder-Aufgabe ist. Ich beispielsweise komme aus Nordrhein-Westfalen und mache mir große Sorgen über die Haushaltspolitik der rot-rot-grünen Minderheitsregierung dieses Bundeslandes, (Beifall des Abg. Georg Schirmbeck [CDU/CSU] – Zuruf von der SPD: Ablenken!) die offensichtlich trotz grundgesetzlicher Vorgaben die Richtung der Konsolidierung etwas fehlinterpretiert hat. Insoweit glaube ich, dass, unbeschadet der Überprüfung rechtlicher Anpassungen, das politische Handeln in einzelnen Bundesländern auch im Hinblick auf den Fiskalpakt noch einmal überprüft werden muss. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister Westerwelle. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Ich will Sie zu der Frage der qualifizierten Mehrheit beim ESM nur darauf aufmerksam machen, dass der Regelungsgehalt, den wir im Fiskalpakt haben, ein anderer ist. Erinnern Sie sich bitte an die Eingangsbemerkungen auch zum Klagerecht und zur Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des EuGH. Solche Fragen sind hier nicht berücksichtigt. So kommt die Einschätzung bezüglich der unterschiedlichen Mehrheitsnotwendigkeiten zustande. Präsident Dr. Norbert Lammert: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind jetzt jenseits der vereinbarten Zeit. Ich schlage vor, dass ich die drei Wortmeldungen, die ich noch notiert habe, nämlich der Kollegin Höger, des Kollegen Schwanitz und des Kollegen Kalb, jetzt aufrufe und dass wir uns dann den Fragen, die es sonst noch zur Kabinettssitzung gab, zuwenden. – Dazu stelle ich Einvernehmen fest. Frau Höger, Sie haben die nächste Frage. Inge Höger (DIE LINKE): Vielen Dank, dass ich meine Frage noch stellen kann. – Der Fiskalpakt ist ein massiver Eingriff in die Haushalte aller Nationalstaaten der EU, die ihm beitreten. Wie schätzt die Bundesregierung die Wirksamkeit der Umsetzung in den Einzelstaaten ein, gerade vor dem Hintergrund, dass heute schon zwei Drittel der Staaten in der Euro-Zone weit über der im Vertrag festgelegten 60Prozent-Marke liegen? Gerade angesichts der Erfahrungen in Griechenland, wo die massiven Sparmaßnahmen zu einem Einbruch der Wirtschaft und zu einer Rezession geführt haben, stellt sich auch die Frage: Wird es nicht zu einer europaweiten Rezession führen, wenn Sie so weitermachen wie bisher? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Höger, ich teile Ihre wirtschaftspolitische Analyse nicht, dass man Wachstum mit Schulden kaufen kann. Das Gegenteil ist richtig. Die wirtschaftliche Entwicklung zeigt – das wird auch deutlich in internationalen Vergleichsanalysen –, dass es in denjenigen Staaten, die ihre Haushalte in Ordnung haben, nicht nur ein stärkeres Vertrauen in die Kapitalmärkte und somit ein niedrigeres Zinsniveau gibt, sondern dass sie auch stärker wachsen. Das trägt auch zum inneren sozialen Frieden bei. Deswegen kann ich der Behauptung, die Sie Ihrer Frage zugrunde legen, dass man sich beispielsweise durch fiskalische Konsolidierung in irgendeiner Weise kaputtspart, nicht folgen. Das Gegenteil ist richtig. Das zeigt auch das Beispiel der Bundesrepublik Deutschland. Wachstum und Haushaltskonsolidierung sind zwei Seiten derselben Medaille: Sie stehen für nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Dieses Beispiel werden wir jetzt, glaube ich, gemeinsam in Europa fortentwickeln, und zwar jeder mit seiner individuellen nationalen Lösungsstrategie. Das ist ein guter Beitrag für nachfolgende Generationen. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Niedriglohn für alle heißt das! Nur nicht für Parlamentarier!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Schwanitz. Rolf Schwanitz (SPD): Herr Minister, ich habe noch eine Frage zu der Zweidrittelmehrheit beim Fiskalpakt. In Ihrem Vortrag ist der Eindruck entstanden, dass es sich hier eventuell um eine politische Entscheidung der Bundesregierung gehandelt haben könnte. Deswegen möchte ich noch einmal genau zu dem Punkt fragen: Ist es nach Auffassung der Bundesregierung eine zwingende Notwendigkeit, dass der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit dem Fiskalpakt zustimmen soll, oder handelt es sich hier um eine politische Entscheidung? Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Beides, Herr Kollege. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Rätselhaft! Rätselhaft!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Bartholomäus Kalb. Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Lassen Sie mich auf diese Frage zurückkommen, Herr Minister. Wie Sie eingangs dargelegt haben, ändern wir unser Grundgesetz deswegen, weil wir sicherstellen wollen, dass das Grundgesetz in diesem Punkt nicht wieder zurückverändert wird. Gehen wir mit dieser Regelung nicht weit über das hinaus, was wir von den anderen Vertragspartnern erwarten und objektiv auch erwarten können? Wenn ich es richtig sehe, erwarten wir, dass sie ähnlich wie wir eine verfassungsmäßige Regelung schaffen bzw. dort, wo das objektiv nicht möglich ist, den Bestand des Fiskalpaktes in ähnlicher Qualität in Kardinalgesetzen – oder wie auch immer das genannt wird – absichern. Aber sie müssen sich nicht verpflichten, das nicht mehr zu ändern. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Nein, diese Sorge habe ich nicht, Herr Kollege. Ich verstehe aber, dass Sie darauf aufmerksam machen. Das erklärt sich einfach daraus, dass wir die Schuldenbremse bereits in die Verfassung eingeführt haben. Wir verpflichten uns also nicht, eine solche Schuldenbremse in die Verfassung zu übernehmen, sondern wir verpflichten uns politisch und völkerrechtlich, dass wir es bei dieser Schuldenbremse auch belassen. In dem Augenblick, in dem sie in den anderen Ländern eingeführt worden ist, verpflichten sich diese Länder völkerrechtlich, sie dann unverändert zu lassen; genauso wie auch wir. Das heißt: In dem Augenblick, in dem die anderen Staaten, die die Schuldenbremse jetzt noch nicht haben – das ist die Mehrzahl der Staaten –, sie eingeführt haben, bleibt es auch dabei. Es ist dann für alle in demselben Maße völkerrechtlich verpflichtend. Einen Zusatz muss ich anfügen. Darauf will ich rechtzeitig aufmerksam machen. Ich bin unverändert der Überzeugung, dass es natürlich besser gewesen wäre, wir hätten nicht ein völkerrechtliches Vertragswerk geschaffen, sondern wir hätten das europäische Gemeinschaftsrecht verändert. Das war auch das erste Ziel. Nachdem wir festgestellt haben, dass dieses erste Ziel nicht erreichbar war – Sie wissen, dass sich vor allen Dingen ein Land da verweigert hat –, sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass so, wie es jetzt geplant ist, unsere Interessen und die Interessen der Bürger besser wahrgenommen werden. Sollte sich allerdings herausstellen, dass der Widerstand gegen eine Übernahme ins Gemeinschaftsrecht sich im Laufe der nächsten Zeit politisch verflüchtigt, hätten wir natürlich ein Interesse daran, das, was wir jetzt völkerrechtlich vereinbaren, ins Gemeinschaftsrecht zu übertragen. Das wäre, glaube ich, für Europa und für den europäischen Geist das Allerbeste. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. – Wir schließen damit diesen Themenbereich ab. Ich darf fragen, ob es zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung Fragen gibt. – Das ist offenkundig nicht der Fall. Dann frage ich – – (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ich hatte mich doch angemeldet!) – Ich habe das gerade nur auf Fragen zu sonstigen Themen der Kabinettssitzung bezogen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Zur Kabinettssitzung, natürlich!) – Umso besser. Bitte schön, Frau Enkelmann. Dann stellen Sie jetzt Ihre Frage zu sonstigen Themen der Kabinettssitzung. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Beziehungsweise sonstigen Themen der Regierungsarbeit!) – Sehen Sie. Genau diesen Unterschied hatte ich doch gerade gemacht. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Also nicht zur Kabinettssitzung! Aber ich hatte mich angemeldet! Deswegen herzlichen Dank, Herr Präsident!) Dann will ich, um für künftige Fragestellungen Missverständnisse zu vermeiden, nur noch einmal daran erinnern, dass wir in dem Block „Befragung der Bundesregierung“ drei Kategorien haben: das angemeldete Thema, Fragen zu sonstigen Themen der Kabinettssitzung und Fragen unabhängig vom angemeldeten Thema und der Kabinettssitzung. Ich sehe meine Vermutung bestätigt, dass Sie zur dritten Kategorie eine Frage stellen wollen. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Dann nehmen wir halt die dritte Kategorie. – Ich habe mehreren Medienberichten entnommen, dass der Finanzminister plant, Wehrdienstleistende und Bufdis, also Teilnehmer des Bundesfreiwilligendienstes, steuerlich zu belasten. Ich würde gerne wissen, wie der Rest der Bundesregierung diesen Vorschlag bewertet. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Staatssekretär. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, Sie geben die derzeit geltende Rechtslage leider nicht sehr präzise wieder. Ich möchte darauf hinweisen, dass diejenigen, die Sie als „Bufdis“ bezeichnen, bereits heute einer Steuerpflicht unterliegen. Diese ist im Rahmen einer Billigkeitsregelung vor dem Hintergrund der Steuerfreiheit für Wehrdienstleistende ausgesetzt. Es ist richtig, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt innerhalb der Bundesregierung bei den Abstimmungen zum Referentenentwurf des nächsten Jahressteuergesetzes überprüft wird, ob unter unterschiedlichen Gesichtspunkten an dieser Regelung festgehalten werden kann. Eine endgültige Entscheidung der Bundesregierung wird erst getroffen, wenn der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vom Bundeskabinett verabschiedet wird. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt befinden wir uns lediglich im Stadium der Vorüberlegung. Präsident Dr. Norbert Lammert: Damit schließe ich die Regierungsbefragung. Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde – Drucksache 17/8828 – Die Fragen werden in der Ihnen bekannten Reihenfolge aufgerufen. Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Hier steht der Parlamentarische Staatssekretär Christoph Bergner zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Daniela Kolbe auf: Hat das Bundesministerium des Innern Kenntnisse darüber, wie viele Personen insgesamt bundesweit als Lehrkräfte in Integrationskursen arbeiten und wie viele davon als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte oder als Honorarkräfte -arbeiten, und wenn ja, wie viele sind dies konkret? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin Kolbe, ich antworte wie folgt: Mit Stand vom 29. Februar 2012 wurden seit dem 1. Januar 2005, also seit Inkrafttreten der entsprechenden gesetz-lichen Regelung, insgesamt 18 043 Personen als Lehrkräfte nach § 15 Abs. 1 und 2 der Integrationskursverordnung zugelassen. Statistische Zahlen über die Art des Beschäftigungsverhältnisses werden nicht erhoben. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass – genauso wie im Bereich der Erwachsenenbildung üblich – der ganz überwiegende Teil der Lehrkräfte auf Honorarbasis arbeitet. Es ist im Übrigen ausschließlich Angelegenheit der Träger, darüber zu befinden, in welcher Art von -Beschäftigungsverhältnis ihre Lehrkräfte tätig sind. Wir haben hierzu mehrfach detailliert Auskunft gegeben. Ich verweise insbesondere auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 19. September 2011. Präsident Dr. Norbert Lammert: Eine Zusatzfrage? – Bitte schön. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort anklingen -lassen, dass Sie die Lehrkräfte, die in Integrationskursen tätig sind, eher denen, die in der Erwachsenenbildung -tätig sind, gleichstellen. Von den Lehrkräften selbst und den Trägern kommt zunehmend die Aussage, dass es sich angesichts des Umfangs und des Vorbereitungsaufwandes bei einer Tätigkeit als Integrationskurslehrer eher um eine lehrerähnliche Tätigkeit handelt, zumal sie auf einen Abschluss hinführen soll. Was entgegnen Sie solchen Ausführungen, die eher eine Festanstellung als wünschenswert erscheinen lassen? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich darf auf einen grundlegenden Unterschied beispielsweise zum öffentlichen Schulwesen hinweisen. Der gesetzliche Auftrag für die Integrationskurse lautet, die Integration von Ausländerinnen und Ausländern -sowie Zugewanderten mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht in Deutschland zu unterstützen. Das heißt, dieser gesetz--liche Auftrag manifestiert keine Einrichtungsgarantie wie der beim Schulwesen. Insofern ist der Vergleich bzw. die Parallelität zur beruflichen Weiterbildung und zur Erwachsenenbildung angemessen. Hier ist insbesondere mit Blick auf die Pluralität der Träger die Verantwortung für die Anstellungsverhältnisse überwiegend bei den Trägern zu suchen. Das schließt nicht aus, dass wir ein Interesse daran haben, dass angemessen vergütet wird und dass eine angemessene Vergütung auch als eine Voraussetzung für die entsprechende Qualität der Kurse gesehen wird. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ihre zweite Zusatzfrage, Frau Kolbe. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Vielen Dank. – Die Situation ist folgende: Sie haben gerade gesagt, dass Sie den Beschäftigten ein vernünftiges Einkommen wünschen. Im Schnitt verdienen Lehrkräfte, die Integrationskurse geben, etwa 18 Euro pro Stunde. 80 Prozent sind auf Honorarbasis tätig. Das heißt, für sie ist das quasi arbeitgeberbrutto. Dementsprechend sind sehr viele auf ergänzende Leistungen -angewiesen. Wie bewertet denn die Bundesregierung die Situation der Integrationskurslehrer, die einen wirklich zentralen Beitrag zur Integration in Deutschland leisten? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Zunächst einmal muss ich darauf aufmerksam machen, dass wir auch aus verfassungsrechtlichen Gründen bei der Zulassung bzw. Anerkennung der entsprechenden Kursträger keine Möglichkeit haben, unmittelbar auf die Höhe des Honorars einzuwirken. Sie wissen, dass wir in dem neuen § 20 der Integrationskursverordnung ein Instrument eingeführt haben, mit dem wir die Entscheidung über die Dauer der Zulassung der Kursträger davon abhängig machen können, dass gewisse Honoraranforderungen erfüllt werden. Wir haben diese Anforderung jetzt auf 18 Euro festgelegt. Das ist das Steuerungsinstrument, das wir haben. Ansonsten kann ich von der großen Anzahl der Ausbilder in den Integrationskursen nur respektvoll sprechen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 2 der Kollegin Daniela Kolbe auf: Welche konkret in Zahlen zu benennenden Faktoren ermöglichen es dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, den Stundensatz bei Integrationskursen pro Teilnehmer von zuletzt 2,35 Euro auf 2,54 Euro (ab dem 1. Dezember 2011) zu erhöhen? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Antwort lautet: Bei der letzten Erhöhung des Erstattungssatzes von 2,35 Euro auf 2,54 Euro – ich lasse jetzt die höheren Sätze für Sonderkurse weg – handelt es sich um eine inflationsbedingte Erhöhung um rund 8 Prozent. Diese Erhöhung orientiert sich an der kumulierten Inflationsrate vom 1. Juli 2007 – als wir die letzte Erhöhung auf 2,35 Euro hatten – bis Ende 2011. Die durch die Erhöhung bedingten Mehrausgaben werden sich im Jahr 2012 auf rund 12 Millionen Euro belaufen. Wie Sie wissen, ist dafür durch den Haushaltsansatz entsprechend vorgesorgt. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Ich nutze die Gelegenheit, meine Frage von eben zu wiederholen, nämlich wie Sie die Situation der Lehrkräfte in den Integrationskursen bewerten, ob Sie die -Bezahlung für ausreichend und anständig halten, in -welche Richtung die Bundesregierung Handlungen unternehmen möchte und was ihr Ziel dabei ist. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Unser Ziel ist, dass wir ein ausreichendes Angebot an qualifizierten Integrationskursen haben. Die Qualität der Integrationskurse ist an viele Voraussetzungen gebunden. Dass dabei auch eine angemessene Vergütung eine Rolle spielt, habe ich bereits gesagt. Dass wir keinen -unmittelbaren Einfluss auf die Tarife haben und dass wir deshalb davon Gebrauch machen, durch die Bewilligung einer längeren Dauer der Zulassung denjenigen Trägern Arbeitssicherheit zu geben, die über 18 Euro vergüten, ist bereits Gegenstand meiner Aussage gewesen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Ich frage noch einmal konkret: Was halten Sie denn für eine angemessene Vergütung, und welchen Stundensatz legt das BMI für diese angemessene Vergütung zugrunde? Die Summe, die das BMI überweist, hängt doch mit der Höhe des Honorars zusammen, das die Träger bezahlen können. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, diese Frage unterstellt, wir seien in der Rolle des unmittelbaren Arbeitgebers. In dieser Rolle befinden wir uns aber nicht. Sie wissen, dass dort, wo wir in einer unmittelbaren Arbeitgeberrolle sind, nämlich im öffentlichen Dienst, die Höhe des angemessenen Verdienstes das Ergebnis der Verhandlungen mit den -Tarifpartnern ist. Ich bitte deshalb, meine Zurückhaltung zu verstehen, wenn ich hier keine Summen nenne. Sie wissen aus der Antwort auf die Kleine Anfrage des Bündnisses 90/Die Grünen, wie sich die Vergütungen verteilen. Sie wissen, dass wir mit der 18-Euro-Grenze ein gewisses Steuerungsinstrument haben. Im Wesent--lichen gehen die Vergütungssätze bis zu 25 Euro. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Pau. Petra Pau (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, ich teile Ihre Auffassung ganz ausdrücklich nicht. Es ist richtig, dass Sie nicht der -unmittelbare Arbeitgeber sind, aber immerhin sind Sie der unmittelbare Auftraggeber; denn mit der Anforderung, Integrationskurse zu besuchen und dort einen -entsprechenden Abschluss zu erlangen, wird auch die Aufgabenstellung der Lehrkräfte formuliert. Deshalb wiederhole ich die Frage der Kollegin Kolbe: Was halten Sie für eine angemessene Vergütung, wenn dieser Auftrag durch Honorarkräfte oder auch durch festangestellte Kräfte erfüllt wird? Denn Auftraggeber sind natürlich Sie. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, ich will Sie einmal auf einen grundsätzlichen Sachverhalt aufmerksam machen: Wenn wir bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in unterschiedlichen Bereichen jeweils über die Angemessenheit der Vergütung der Mitarbeiter der Auftragnehmer verhandeln würden, dann sähe unser Vergaberecht ganz anders aus, als es im Moment ist. Das ist aber nur eine grundsätzliche Bemerkung. Ich will einräumen, dass wir bei der Diskussion um die Qualität der Integrationskurse auch die Frage der angemessenen Vergütung nicht ausklammern können. Sie haben durch den Umstand, dass wir an diejenigen, die bereit sind, die Lehrkräfte mit mindestens 18 Euro zu vergüten, Verträge über längere Bewilligungszeiträume hinweg vergeben, bereits einen Hinweis, wo für uns eine bestimmte Mindestorientierung liegt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dazu sehe ich jetzt keine weiteren Fragen. Dann rufe ich jetzt die Frage 3 der Kollegin Özo?uz auf: Warum wurde die vom Bundesministerium des Innern in Auftrag gegebene Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ vorab am 29. Februar 2012 der Tageszeitung Bild zugeleitet, noch bevor die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Einsicht erhalten haben, und sieht der Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, die Vorab--berichterstattung als konstruktive Form an? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin Özo?uz, die Antwort lautet: Die Unterstellung, die in dieser Frage mitschwingt, nämlich das Bundesministerium des Innern habe die Studie vorab der Bild zugeleitet, trifft nicht zu. Auch Sie sind vorhin Teilnehmerin der Sitzung des Innenausschusses gewesen und haben gehört, dass der Bundesinnenminister selbst dies noch einmal ausdrücklich zum Ausdruck gebracht hat. (Iris Gleicke [SPD]: Das haben die in der Straßenbahn gefunden, oder was?) Aydan Özo?uz (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, dann helfen Sie mir doch bitte bei einer Einordnung. Das Bundesinnenministerium hat eine Studie in Auftrag gegeben, die weit über 400 000 Euro gekostet hat. Der Bundesinnenminister hat, zeitgleich mit der Vorabveröffentlichung, ausgewählte Zahlen zitiert. In der heutigen Sitzung des Innenausschusses sagte er, dass er alle Handlungsempfehlungen der Studie rundweg ablehne. Ist das die Grundlage, auf der wir darüber sprechen? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Zunächst einmal: Da auch ich Teilnehmer der Sitzung des Innenausschusses war, kann ich die Wiedergabe der Aussage des Innenministers, er lehne alle Empfehlungen rundweg ab, nicht bestätigen. (Zurufe von der SPD: Das hat er aber so gesagt! – Genau so hat er das gesagt!) Vielleicht sollten wir uns einmal gemeinsam das Sitzungsprotokoll anschauen. Wichtig ist, dass wir vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Studie hinsichtlich der aktuellen Gesetzgebung keinen Handlungsbedarf sehen. Da bei Ihnen noch immer Zweifel herrschen, die -Studie könne vom Bundesinnenministerium an die Bild-Zeitung gegeben worden sein, möchte ich auf zwei Umstände aufmerksam machen: Der eine Umstand ist, dass die Studie nie als Geheimstudie in Auftrag gegeben wurde und dass der Kreis der beteiligten Institute – das sind Institute der Wissenschaft, die unter den Bedingungen der Wissenschaftsfreiheit arbeiten – vergleichsweise groß war. Vor dem Hintergrund, wie andere Informationen in die Medien gelangen, bin ich überhaupt nicht darüber verwundert, dass bereits Ergebnisse dieser Studie, bevor sie offiziell veröffentlicht wurde bzw. bevor sie durch das Bundesinnenministerium offiziell freigegeben und auch den Abgeordneten zugeleitet werden konnte, in den Medien aufgetaucht sind, in diesem Fall in der Bild-Zeitung. Aydan Özo?uz (SPD): Dann möchte ich meine Frage gern noch einmal konkretisieren, Herr Staatssekretär. Wir sprechen jetzt über eine Studie, in der als Ergebnis festgehalten wird, dass sie erstens keine repräsentativen Zahlen enthält und zweitens davor gewarnt wird, mit einzelnen Zahlen in die Öffentlichkeit zu gehen und möglicherweise ein Zerrbild darzustellen. Es trifft ja wohl zu, dass der Bundesinnenminister zu einem Zeitpunkt ein Interview gegeben hat, zu dem noch niemandem im Bundestag diese Studie vorlag. Daher stellen sich mir natürlich die Fragen: Was war die eigentliche Intention dieser Studie? Sie sagen ja, Sie sähen überhaupt keinen Handlungsbedarf hinsichtlich der Gesetzgebung. Und warum hat sich der Bundesinnenminister dazu hinreißen lassen, einzelne Zahlen, die laut Wissenschaftlern nicht repräsentativ sind, als Zitat in der Bild-Zeitung veröffentlichen zu lassen? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich will mit Ihnen jetzt nicht in einen Streit darüber eintreten – das sollten besser die Autoren dieser Studie tun –, wie repräsentativ die zitierten Zahlen sind. Auf jeden Fall sind es Zahlen, die in der Kurzzusammenfassung der Autoren selbst publiziert worden sind. Das heißt, diese Zahlen müssen wenigstens aus der Sicht der Autoren selbst als wesentlich gegolten haben; sonst hätten sie sie nicht in ihrer eigenen Kurzzusammenfassung angegeben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollegin Kolbe. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, eine ganz einfache Ja-Nein-Frage: Bedauert das Ministerium die Art und Weise, wie über diese Studie vorab berichtet wurde? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, es ist immer der Wunsch der Bundesregierung – das wird übrigens auch bei einer Frage zu -einer anderen Studie zum Ausdruck kommen; auch da hätte ich mir das gewünscht –, gewissermaßen selbst Herr über die in Auftrag gegebenen Studien und ihre Ergebnisse zu sein; darüber besteht gar kein Zweifel. Aber ich will mit dieser Antwort nicht so verstanden werden, dass man glaubt, dass ich vor der Transparenz der -Medienlandschaft und ihrer Fähigkeit, bestimmten kri-tischen Sachverhalten nachzuspüren, keinen hohen -Respekt habe. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Kilic. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Herr Bundesinnenminister hat heute im Innenausschuss gesagt, dass diese Studie nicht von ihm persönlich der Bild-Zeitung zur Verfügung gestellt wurde. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie der Bild-Zeitung nicht vom Bundesinnenministerium zur alleinigen Auswertung zur Verfügung gestellt wurde. Hält die Bundesregierung die Bild-Zeitung für eine Fachzeitung für solche Bewertungen? (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN) Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich glaube, die Bundesregierung bemüht sich erkennbar, Ausgewogenheit gegenüber allen Medien zu praktizieren, die einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten. Insofern wäre es völlig irregeleitet, aus dem Umstand, dass die Bild-Zeitung diese Zeilen zuerst veröffentlicht hat, irgendeine Privilegierung oder Präferenz abzuleiten. Das möchte ich generell voranstellen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht handelt es sich um eine Wiedergutmachung für die Berichterstattung über Herrn Wulff!) Ansonsten kann ich jetzt nur sagen: Es hat keine öffentliche oder wie auch immer geartete Übergabe dieser Studie durch das Bundesinnenministerium an die Medien gegeben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Veit. Rüdiger Veit (SPD): Herr Staatssekretär, ich möchte zunächst festhalten, dass in der Innenausschusssitzung, in der dieser Tagesordnungspunkt behandelt wurde – ich habe daran aktiv teilgenommen –, der Herr Minister dezidiert gesagt hat, dass er keine der in diesem Gutachten gezogenen Schlussfolgerungen teile. Ich schließe daran folgende Fragen an: Ist Ihnen und der Bundesregierung bekannt, dass einer der Mitautoren dieser Studie, nämlich der Soziologe Klaus Boehnke von der Bremen International Graduate School of Social -Sciences, gesagt hat – es war nicht der Bayernkurier, der dieses Interview durchgeführt hat, sondern das Neue Deutschland; ich zitiere wörtlich –: Man schlägt auf unsere Studie ein, ohne auch nur eine Zeile gelesen zu haben, und verkehrt den Tenor unserer Studie ins genaue Gegenteil. Das hat sehr, sehr weh getan. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Wer ist denn „man“?) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ein sorgfältiger Umgang mit dem, was das Innenministerium selbst in Auftrag gegeben hat, stattgefunden hat? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Zunächst einmal kann ich die Aussage dieses Mit-autors insoweit verstehen, als er sich durch die verkürzte und auch pointierte Wiedergabe in den Medien nicht angemessen widergespiegelt fühlt. Ich will bloß darauf aufmerksam machen: Dafür können Sie das Bundes-innenministerium nicht verantwortlich machen. (Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD]: Für das Zitat schon!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Hierzu sehe ich im Augenblick keine weitere Wortmeldung. Dann rufe ich die Frage 4, wiederum der Kollegin Özo?uz, auf: Teilt der Bundesminister des Innern die Handlungsempfehlungen der von seinem Bundesministerium in Auftrag gegebenen Studie, insbesondere die Ermöglichung der generellen Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft (Seite 656) und die Empfehlung, plakative Äußerungen wie: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ (Seite 654), tunlichst zu vermeiden, und welche Initiativen und gesetzgeberischen Schritte wird die Bundesregierung aus der Studie ableiten? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, ich antworte wie folgt: Nach Auffassung des Bundesministeriums des Innern sind aufgrund der Studie neue gesetzgeberische oder andere Initiativen nicht zu veranlassen. Aufgrund der von der Studie aufgezeigten Herausforderung der Radikalisierung einer Minderheit von Muslimen hat der Bundesminister des Innern Handlungsbedarf erkannt. Hierzu hat er gemeinsam mit Muslimen die Initiative Sicherheitspartnerschaft gegründet, die vielfältige Maßnahmen gegen Radikalisierung umsetzt. Was das Staatsangehörigkeitsrecht betrifft: Deutschland besitzt ein offenes Staatsangehörigkeitsrecht. Beispielsweise besteht ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung bereits nach einer Aufenthaltsdauer von acht Jahren; bei besonderen Integrationsleistungen kann diese Frist auf sechs Jahre verkürzt werden. Mit diesem Einbürgerungsanspruch macht Deutschland einem großen Teil der bei uns lebenden Ausländer ein offenes Angebot zur Einbürgerung und Teilhabe an der politischen Willensbildung. Das Einbürgerungsrecht hat aber auch die Belange der aufnehmenden Gesellschaft zu berücksichtigen. Zu den Einbürgerungsvoraussetzungen gehört im Regelfall, dass der Einbürgerungsbewerber seine frühere Staats-angehörigkeit aufgibt und damit zum Ausdruck bringt, dass er sich ohne Vorbehalte zu seinem neuen Staat bekennt. Zudem kann die Mehrstaatigkeit mit tatsächlichen und rechtlichen Komplikationen, zum Beispiel in familien-, erb- und wehrrechtlichen Angelegenheiten, verbunden sein. (Rüdiger Veit [SPD]: Mitnichten!) In Fällen, in denen die Aufgabe der früheren Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen möglich ist, kann die Einbürgerung auch ohne deren Aufgabe erfolgen. Vor diesem Hintergrund sieht die Bundesregierung aktuell keinen Handlungsbedarf. Was die Situation „Muslime als Teil Deutschlands“ betrifft: Der Bundesminister des Innern hat sich wiederholt dahin gehend geäußert, dass Muslime, die in Deutschland leben, selbstverständlich zu dieser Gesellschaft gehören. Aydan Özo?uz (SPD): Herr Staatssekretär, das wirft jetzt natürlich eine Fülle von Fragen auf. Ich möchte mich auf das eine konzen-trieren, was Sie eben angesprochen haben. Es war die -Islam-Konferenz im vergangenen Jahr, auf der der Bundesinnenminister die Sicherheitspartnerschaft ins Spiel gebracht hat. Das war just die Islam-Konferenz, bei der über islamische Theologie an deutschen Hochschulen gesprochen wurde. Der Bundesinnenminister hat dieses Thema damals weggedrückt – so sage ich jetzt einmal –, indem er öffentlich über Sicherheitspartnerschaften gesprochen hat; die islamische Theologie war dann kein Thema mehr. An diesem Wochenende wurde er im Weser-Kurier aufgrund dieser Studie mit der Überlegung zitiert, man solle doch mehr islamische Theologen ausbilden. Heißt das, dass der Bundesinnenminister jetzt einen Erkenntnisgewinn hat und gemerkt hat, dass er da im letzten Jahr vielleicht ein bisschen auf dem falschen Dampfer gewesen ist? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, weil ich selbst nicht Teilnehmer oder Vorbereiter der von Ihnen angesprochenen Islam-Konferenz war, kann ich jetzt nicht beurteilen, inwieweit bei den Themen Prioritäten gesetzt wurden, wie Sie sie hier geschildert haben. Richtig ist aber, dass sich die Initiative Sicherheitspartnerschaft mit den muslimischen Verbänden als ausgesprochen hilfreiche und wichtige Initiative erwiesen hat, um Radikalisierungstendenzen bei einer ausgesprochen kleinen Minderheit der Muslime auch mithilfe der Mehrheit der Muslime zu begegnen, die sich nämlich auch ausweislich dieser Studie ausdrücklich gegen Radikalisierung und gegen Gewalt-anwendung wenden. Insofern ist die Initiative, so wie sie ins Leben gerufen wurde, sicherlich nicht in Zweifel zu ziehen. Was die Ausbildung von Imamen und die damit verbundenen Lehraufträge für islamische Theologie an deutschen Hochschulen betrifft, so arbeiten der Bundesinnenminister und auch unser Haus mit der Bundesregierung kontinuierlich daran und knüpfen an die Bemühungen der Amtsvorgänger an. Ich jedenfalls sehe keinen Anlass, zu sagen, dass der Minister dieses Thema erst kurzfristig entdeckt hätte. Ich weiß aus vielfältigen Gesprächen, dass ihm das auch früher schon ein Anliegen gewesen ist. Präsident Dr. Norbert Lammert: Noch eine Zusatzfrage. Aydan Özo?uz (SPD): Ich darf nur noch eine Frage stellen. Dabei möchte ich mich auf Folgendes konzentrieren: So wichtig und richtig aus meiner Sicht unsere Kritik an dem Umgang mit dieser Studie ist, so wichtig sind auch deren Inhalte. Vor dem Hintergrund der Schlussfolgerungen der Wissenschaftler, selbstverständlich auch für das BMI, fragt man sich: Wo gibt es eigentlich Menschen, die sich zurückgesetzt fühlen? Wo gibt es diejenigen, die sagen, dass sie sich hier nicht wohlfühlen, und die zu Radikalisierungstendenzen neigen? Bei diesen Fragen gibt es eine Fülle von Unstimmigkeiten, die wir hier diskutieren könnten. Dies ist beispielsweise die Frage: Darf ich meine Herkunftskultur in Deutschland noch aufrechterhalten? Bedeutet das automatisch, dass ich mich eher nicht integrieren will? Die zweite wesentliche Frage ist, wenn das Bundesinnenministerium gar keine Handlungsempfehlung übernehmen will: Warum haben Sie dann überhaupt in diese Richtung forschen lassen? Für den Fall, dass ich Sie falsch verstanden habe: Was gedenken Sie in der nächsten Zeit konkret zu tun? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Studie – so ist es auch in der vorhin von mir verlesenen Antwort zum Ausdruck gebracht worden – beschreibt Herausforderungen. Um dieser Beschreibung der Herausforderungen willen ist sie in Auftrag gegeben worden. Es ist selbstverständlich, dass wir uns diesen Herausforderungen stellen. Eine der Herausforderungen ist – da will ich das von Ihnen genannte Stichwort aufgreifen –, dass wir Rücksicht auf Herkunftsidentitäten nehmen und damit bi-kulturelle Identifikationen als Beitrag der Integration in die deutsche Gesellschaft betrachten. Wie schwierig sich das im Einzelnen darstellt, wissen wir auch, wenn wir uns vergegenwärtigen, welche Ansprüche bezüglich Identifikation und Identität gelegentlich von den Herkunftsnationen gegenüber denjenigen, die zu uns gekommen sind, gestellt werden. Das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen sollten. Der zweite Punkt. Es ist wichtig, dass man angesichts des großen Fortschritts im Zusammenhang mit den Kommunikationsmitteln und Medien das Medienver-halten muslimischer Jugendlicher einer objektiven -Untersuchung unterzieht, weil wir wissen, dass Radikalisierungsrisiken durch einen großen Medienkonsum entstehen können. Insofern beschreibt die Studie in der Tat Herausforderungen, denen wir uns stellen wollen. (Rüdiger Veit [SPD]: Deshalb muss man mit seinen öffentlichen Ausführungen vorsichtig sein!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Pau. Petra Pau (DIE LINKE): Wenn die Studie in Auftrag gegeben wurde, um einen Überblick über die Herausforderungen, vor denen die Politik im Allgemeinen und das Bundesinnenministerium im Besonderen bei diesem Themenkomplex steht, zu bekommen und zu beschreiben, und gleichzeitig der Bundesinnenminister heute im Innenausschuss sagt, dass er die Schlussfolgerungen, die die Wissenschaftler nach der Beschreibung dieser Herausforderungen gezogen haben, nicht teilt, dann würde mich interessieren – da der Innenminister offensichtlich schon weit mit der Auswertung der Studie vorangekommen ist –, in welchen Schritten Ihr Haus nach der Kenntnisnahme der Herausforderungen eigene Schlussfolgerungen entwickelt und in welche Richtung dort gedacht wird. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, Sie wissen, dass die Arbeiten zur Integration unser Haus dauerhaft beschäftigen und dass seit 2006 insbesondere dem kulturellen Dialog mit den Muslimen eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Das schlägt sich zum Beispiel in der Arbeit des Referates zur Deutschen Islam-Konferenz nieder. Es ist selbstverständlich, dass die Ergebnisse dieser Studie in die laufenden Arbeiten des Ministeriums einfließen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kolbe. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Vielen Dank. – Eine kurze Frage noch von mir: Sie hatten gerade angedeutet, dass da noch Forschungs- und Klärungsbedarf besteht. Plant denn das BMI noch eine Studie zum Thema Junge Muslime oder allgemein Muslime in Deutschland, oder ist schon etwas in Arbeit? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Gegenwärtig sind mir Pläne dieser Art nicht bekannt; aber das will ich jetzt nicht als letzte Antwort des Bundesinnenministeriums verstanden wissen. Ich müsste die befassten Abteilungen bzw. die befassten Arbeitseinheiten noch einmal fragen, ob mit entsprechenden Vorschlägen noch zu rechnen ist. Im Moment ist keine Planung vorgesehen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Kilic auf: Spiegelt die Berichterstattung der Tageszeitung Bild die wichtigsten Erkenntnisse der Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ wider, und hält die Bundesregierung diese Art von Berichterstattung für der Integration dienlich? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Kilic, ich bitte um Verständnis, aber es obliegt nicht der Bundesregierung, die Art der Berichterstattung der Medien in der von Ihnen geforderten Weise zu bewerten. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe kein Verständnis für diese Art der Antwort, ich nehme sie aber trotzdem zur Kenntnis und möchte eine weitere Frage anschließen: Im Innenausschuss hat unser verehrter Bundesinnenminister Herr Friedrich heute gesagt, dass man diese Studie nicht überbewerten solle; sie sei eine von vielen Studien. In der Tat gibt es andere Studien, die vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegeben worden sind: eine von 2007, eine andere von 2008. Alle kommen zu dem Ergebnis, dass Radikalisierungstendenzen in hohem Maße vom Bildungsniveau der Eltern und der Jugendlichen abhängig sind. Eine weitere wichtige Erkenntnis in der neuen Studie besagt, dass die Ausgrenzung durch die Mehrheitsgesellschaft zur Radikalisierung führen kann. Könnte die Bundesregierung, insbesondere der Bundesinnenminister, der Bild-Zeitung mitteilen, dass man die Moslems nicht ausgrenzen sollte, weil das zur Radikalisierung führen kann, sondern dass man vielmehr ein besseres Miteinander fördern sollte? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich glaube, im Lichte der Erkenntnisse dieser Studie wird allen, die sie lesen, klar, wie groß das Risiko ist, Gruppendiskriminierungen vorzunehmen, die zu Solidarisierungseffekten führen können, die der Integration in die Gesellschaft hinderlich sind. In dieser allgemeinen Form kann man die Erkenntnisse der Studie wohl wiedergeben. Es gehört allerdings zur Freiheit der Medien, dass sie in der Auswertung der Daten, die in Form von Publikationen auf dem Markt kursieren und die ihnen als Information zugänglich sind, ihre ganz eigenen Akzente setzen. Es kann nicht Aufgabe der Bundesregierung sein, sich hier in irgendeine Rolle als Zensor oder Bewerter zu begeben. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, kann sich die Bundesregierung vorstellen, eine neue Studie in Auftrag zu geben, um die Konfessionszugehörigkeit von Jugendlichen in Neonazi-Organisationen zu erforschen? Wäre es vielleicht dienlich, zu wissen, ob diese Jugendlichen mehrheitlich Katholiken, Protestanten oder Konfessionslose sind? Oder passt eine solche Fragestellung nicht in die Konzeption der Bild-Zeitung oder der Bundesregierung? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich kann nun überhaupt nicht sagen, was in die Konzeption der Bild-Zeitung passt. Sie hat ihren ganz eigenen Auftrag und ihre ganz eigene journalistische Zielstellung. Die Fragestellung, so wie Sie sie jetzt konstruieren, erscheint mir nicht naheliegend. Ich will nicht ausschließen, dass sich Konstellationen ergeben, die auch solch eine Art der Untersuchung in irgendeiner Weise einmal erforderlich machen können; aber vor dem Hintergrund der Ansatzpunkte, die wir nach der Auseinandersetzung mit der Radikalisierung im rechtsextremen Bereich haben, sehe jedenfalls ich momentan keine Anhaltspunkte, hier Zusammenhänge zur Zugehörigkeit zu einer christlichen Konfession herzustellen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Frieser. Michael Frieser (CDU/CSU): Herr Präsident, vielen herzlichen Dank. – Herr Staatssekretär, einmal abgesehen von der Tatsache, dass ich mich an die Innenausschusssitzung heute so erinnere, dass sich der Innenminister hat so vernehmen lassen, dass er Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen einer ganz bestimmten zitierten Seite nicht folgen kann (Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär: Ja!) – ich sage das hier der Deutlichkeit halber –, kommt die Debatte aus meiner Sicht ein bisschen in eine Schieflage. Wenn es nur um den Teil einer Studie geht, es statistisch nicht erheblich ist und die Zahlen nicht besonders bedeutsam sind, dann stellt sich immer die Frage der Schlussfolgerungen. Herr Staatssekretär, darf ich Sie noch fragen, ob die Studie am Ende zu dem Ergebnis kommt, dass das, was die Bundesregierung tut – die Anstrengungen, die im Augenblick in der Integrationspolitik unternommen werden, insbesondere auch die vermehrten Ausgaben –, der falsche Weg sei? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Zunächst einmal bin ich dankbar, dass ich mit Ihnen jedenfalls einen Zeugen finde, was die Aussage zu den Schlussfolgerungen betrifft. Ich bin angesichts des Nachdrucks, mit dem mir hier die Zitate des Bundes-innenministers entgegengebracht werden, schon unsicher geworden, ob ich unter Umständen in einer anderen Veranstaltung gewesen bin. (Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Anscheinend!) Die Studie unterstreicht insgesamt die Notwendigkeit, unsere Anstrengungen in der Integrationsarbeit fortzusetzen. Sie weist auf spezifische Probleme hin, die wir tatsächlich im Feld der Integration junger Muslime haben. Auch wenn es nicht ausdrücklich so niedergeschrieben ist, sehe ich zumindest in der Art des Herangehens eine Würdigung der Bemühungen der Bundesregierung, die sich auch in Haushaltsansätzen niederschlagen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Özo?uz, bitte schön. Aydan Özo?uz (SPD): Herr Staatssekretär, da werden jetzt wahrscheinlich alle die Bänder ganz genau hören wollen. Doch meine Frage bezieht sich natürlich nicht darauf. – Wie gehen Sie damit um, dass die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, aber auch die Wissenschaftler selbst erhebliche Kritik am Umgang mit der Studie geübt haben? Was bedeutet es für die Zukunft, wenn Wissenschaftler – einige werden mittlerweile in den Medien zitiert – sagen: Wir machen unsere Arbeit, schreiben alles auf und haben schon im Hinterkopf, dass bestimmt etwas aus dem Zusammenhang herausgerissen und dann ganz anders dargestellt wird, als es die Gesamtstudie eigentlich aussagen würde? Wie geht das Bundesinnenministerium mit dieser Kritik um? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, wenn die Fragestellerin noch Gelegenheit bekommt, die entsprechende Frage zu stellen, können wir noch über eine andere Studie reden, die ich durchaus als einen Parallelfall betrachte. Ich habe Verständnis für die Kritik, die die Autoren da geäußert haben. Ich muss bloß darauf aufmerksam machen, dass sich diese Kritik nicht an die Bundesregierung richtet, sondern sich auf die Auswertung bzw. Akzentsetzung in den Medien bezieht, für die wir schwerlich verantwortlich gemacht werden können. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Frage 6 des Kollegen Konstantin von Notz wird schriftlich beantwortet, sodass wir jetzt zur Frage 7 der Kollegin Haßelmann kommen: Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus dem ihr seit über einem halben Jahr vorliegenden Gutachten „Wirtschaftlicher Stand und Perspektiven für Ostdeutschland“ insbesondere für die Förderung strukturschwacher Regionen in West- und Ostdeutschland ziehen? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin Haßelmann, jetzt sind wir bei dem anderen Gutachten. Der Auftrag lautete, der Bundesregierung im Rahmen der laufenden Diskussionen über die Ausrichtung der Förderstrategie für den Aufbau Ost wissenschaftlich fundierte Handlungsoptionen aufzuzeigen. Die sechs beteiligten wissenschaftlichen Institute haben dabei auch uneinheitliche Positionen vertreten. Für die Bundesregierung bleibt die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse ein wichtiges politisches Ziel. Die Leistungen im Rahmen des Aufbaus Ost werden von der Studie nicht infrage gestellt. Der Solidarpakt II ist unbestritten, und die von der Bundesregierung in den vergangenen Jahren praktizierte Förderung wird bestätigt. Das Konvergenzziel bleibt für die Bundesregierung handlungsleitend, wobei künftig – spätestens nach Auslaufen des Solidarpakts II im Jahre 2019 – weniger die Ungleichheit zwischen Ost und West und mehr die Frage der Konvergenz von Regionen innerhalb des gesamten Bundesgebietes in den Fokus rückt. So zeichnet sich jetzt schon ab, dass Förderprogramme, die sich in Ostdeutschland bewährt haben – zum Beispiel die technologieoffenen Innovationsprogramme für kleine und mittlere Unternehmen oder das Programm „Stadtumbau Ost“ sowie das Programm „Städtebaulicher Denkmalschutz Ost“ –, auf Westdeutschland ausgedehnt werden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Gutachterauftrag war mir bekannt. Daher bin ich etwas knapp mit dem Dank für die umfangreiche Auskunft. Ich möchte gerne eine weitere Frage stellen. Ich habe in meiner Frage dezidiert Interesse an den Schlüssen, die Sie aus dem Gutachten ziehen, gezeigt; ich meine sämtliche Programme der Bundesregierung zur Förderung der strukturschwachen Regionen in Ost- und Westdeutschland. Sie haben jetzt ein oder zwei Beispiele für Programme genannt. Ich gehe aber nicht davon aus, dass wir beispielsweise auf der Fachebene über einzelne Programme und deren Übertragbarkeit von Ost- auf Westdeutschland diskutieren werden. Mich interessiert vielmehr, ob sich die Bundesregierung systematisch umorientiert und strukturschwache Regionen nicht mehr nach der Himmelsrichtung, sondern nach der Strukturschwäche zu beurteilen gedenkt. (Beifall des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, die Situation, die Sie beschreiben, resultiert aus vom Gesetzgeber in Form von Gesetzen getroffenen Entscheidungen zum Länderfinanzausgleich und zum Solidarpakt II. Sie wissen, dass die Höhe des Solidarpakts II bis zum Jahr 2019 degressiv ausgestaltet ist und dass insofern jede Förderung, die über diesen Rahmen hinausgeht, die gesamtdeutsche Situation und den entsprechenden Handlungsbedarf im Blick haben und entsprechend konzipiert sein muss und konzipiert wird. Das Ganze erfolgt Schritt für Schritt. Ich nenne hier das Beispiel der Innovationsförderung für kleine und mittelständische Unternehmen, die wegen der Kleinteiligkeit der Wirtschaft in den neuen Bundesländern dort vermutlich auch in Zukunft eine stärkere Bedeutung haben wird, die aber gleichwohl für kleine und mittelständische Unternehmen in den alten Bundesländern geöffnet wurde, weil sie sich insgesamt als Instrument bewährt hat. Ähnlich ist die Situation bei den Programmen „Städtebaulicher Denkmalschutz Ost“ und „Stadtumbau Ost“, wo immer deutlicher wird – und das wird die Demografiestrategie der Bundesregierung, die am Monatsende vorgelegt wird, zeigen –, dass der Stadtumbau als ein Konzept für die Bewältigung der Folgen des demografischen Wandels nicht nur die neuen Bundesländer, sondern auch die alten Bundesländer betrifft. Präsident Dr. Norbert Lammert: Eine weitere Zusatzfrage? Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich würde gerne wissen, wie der genaue Zeitplan für die Studie, für die fachliche Erörterung dieser Studie und für Programmänderungen bzw. Umgestaltungen, die Sie möglicherweise aufgrund der Ergebnisse der Studie vorsehen, aussieht. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Zunächst einmal muss ich Wert darauf legen, dass die allermeisten Aussagen der Studie letztlich eine Bestätigung der Förderpolitik der zurückliegenden Jahre und Jahrzehnte darstellen und dass die Studie – ich betone es noch einmal, weil es medial zum Teil verzerrt wiedergegeben wurde – den Aufbau Ost insgesamt als einen erfolgreichen Beitrag auch zur Erringung der inneren Einheit Deutschlands kennzeichnet. In dieser Hinsicht kommt die Studie zu dem eindeutigen Ergebnis, dass es keinen zusätzlichen Handlungsbedarf gibt. Die Diskussion wurde bei zwei Punkten vertieft geführt. Wir wollten das so, und zwar möglichst vor der öffentlichen Diskussion. Erstens. Wir haben es mit einem Minderheitenvotum zu tun. In der Studie werden bestimmte Konzepte, zum Beispiel die Clusterpolitik, infrage gestellt, die für die Bundesregierung bisher über mehrere Legislaturperioden ein wichtiges Instrument zur Überwindung der Nachteile der Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft war. Zweitens. Man hält angesichts der jetzt erreichten Konvergenz beim Bruttoinlandsprodukt weitere Konvergenzen für nicht möglich. Diese Aussage muss aus unserer Sicht vertieft erörtert werden; denn die Bundesregierung hält am Konvergenzziel fest. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Gleicke. Iris Gleicke (SPD): Herr Kollege Bergner, dass das erfolgreiche Stadtumbauprogramm eine positive Wirkung in Ostdeutschland hatte und wir es deshalb schon zu rot-grünen Zeiten mit dem Stadtumbau West auch auf die alten Länder, wo es ähnliche Problemlagen gibt, ausgeweitet haben, ist bekannt. Nun liegt das Gutachten schon seit einem halben Jahr vor. Wir haben bereits im Dezember den Bericht zum Stand der deutschen Einheit diskutiert. Wie man an der Frage der Kollegin Haßelmann erkennen kann, gibt es – das ist uns allen bekannt – immer wieder einen Verteilungskampf in Bezug auf die „Förderung nach der Himmelsrichtung“. Im Bericht zum Stand der deutschen Einheit wird sehr deutlich gemacht, dass selbst die strukturstarken Gebiete Ostdeutschlands immer noch hinter den strukturschwachen Gebieten in den alten Bundesländern hinterherhinken. Deshalb frage ich Sie: Halten Sie es angesichts der politischen Diskussion über die Verteilungskämpfe für einen angemessenen Umgang, ein Gutachten, das diese Kontroverse aufgreift, ein halbes Jahr lang in den Schubladen des Innenministeriums verschwinden zu lassen? Hätte man sich im Zusammenhang mit dem Bericht über den Stand der deutschen Einheit nicht viel früher über die Ergebnisse der Studie unterhalten müssen? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, ich will zunächst festhalten, dass keine der Aussagen der Studie die Aussagen im Bericht zum Stand der deutschen Einheit grundsätzlich infrage stellt. Insofern übt sie keinen korrigierenden Einfluss aus. Sie selbst engagieren sich lange genug im Bereich der Ostförderung und im Bereich der Angleichung der Lebensverhältnisse, was im Moment vor allem die Angleichung der Wirtschaftskraft von Ost und West bedeutet. Daher wissen Sie, dass man über die Aussage, dass die Konvergenz prinzipiell nicht erreichbar ist, erst mit den Autoren vertieft diskutieren möchte, ehe man sie in die öffentliche Diskussion gibt. (Iris Gleicke [SPD]: Ja, aber wir sind das Parlament!) Das war das Bestreben. Die Studie war nie geheim. Sie war übrigens seit Sommer letzten Jahres in der Bundestagsbibliothek zu bekommen. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: So ist es! Es gibt sogar Leute, die haben sie sich ausgeliehen! – Iris Gleicke [SPD]: Das ist eine müde Erklärung! Da gibt es so viel! – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Man kann sie auch bei Amazon bestellen!) Das will ich am Rande erwähnen. Wir als Auftraggeber hatten das vertragliche Recht, zunächst einmal weiterführende Diskussionen zu führen, ehe wir mit den Ergebnissen an die Öffentlichkeit gehen. Von diesem Recht wollten wir Gebrauch machen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Noch einmal zu dem Aspekt „Förderung nicht nach Himmelsrichtung, sondern nach Notlage“. Wie bewertet die Bundesregierung die Situation, dass allein die notleidenden Kommunen in NRW Kassenkredite in Höhe von 20 Milliarden Euro aufnehmen mussten, wenn man bedenkt, dass der Bedarf der Kommunen insgesamt auf 44,3 Milliarden Euro angestiegen ist? Ist das nicht ein Hinweis darauf, dass es hier eine eindeutige soziale Herausforderung gibt, auf die die Bundesregierung reagieren müsste? Meine Frage ist: Wie wird sie darauf reagieren? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Beck, Sie wissen, dass der Bund insbesondere infolge der letzten Verfassungsreform sehr beschränkte Möglichkeiten zur Unterstützung der Kommunen hat. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Programme können Sie machen!) Ich mache darauf aufmerksam, dass die Situation der Kommunen in Nordrhein-Westfalen vor allem mit der Finanzverteilung bzw. den Finanzströmen innerhalb des Landes zusammenhängt, also eine Folge der nordrhein-westfälischen Landespolitik ist. Das ist bei den neuen Ländern übrigens nicht anders. Beim Bund eine unmittelbare Schuld für die finanzielle Situation der Kommunen zu suchen und in diesem Zusammenhang den Aufbau der neuen Bundesländer als Ursache zu benennen – ich weiß, dass einige Politiker in Nordrhein-Westfalen dies gelegentlich tun –, halte ich für nicht sachgerecht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Volker Beck auf: Welche Applikationen für Tabletcomputer hält die Bundesregierung für geeignet, um die Konzentrationsfähigkeit von Regierungsmitgliedern bzw. von Parlamentarischen Staatssekretären bei Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages zu fördern, und von welcher Stelle der Bundesregierung werden diese Applikationen angeschafft? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Beck, die Antwort lautet: Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, die Eignung von Applikationen für Tabletcomputer im Hinblick auf eine mögliche Förderung der Konzentrationsfähigkeit von Regierungsmitgliedern oder Parlamentarischen Staatssekretären zu beurteilen. Generell erfolgt die Beschaffung von Applikationen eigenverantwortlich durch die jeweiligen Ressorts, soweit Aspekte der IT-Sicherheit nicht berührt werden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Antwort überrascht nicht wirklich, Herr Staatssekretär. Ich habe mich spontan gefragt, ob das Gewicht dieser Frage nicht die Einsetzung einer Enquete-Kommission rechtfertigen könnte, (Beifall der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE] – Heiterkeit bei der SPD) aber das wird der Kollege Beck jetzt sicher in seiner Zusatzfrage vertiefen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung kann die unmittelbare Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses durch wahrheitsgemäße und umfassende Beantwortung noch abwenden. Welche Applikationen werden von den Regierungsmitgliedern während der Plenarsitzungen hier verwendet? Stimmen Informationen, nach denen Frau Aigner hauptsächlich Farm Ville spielt, Herr Ramsauer sich mit Air Control beschäftigt und Frau Merkel umgestiegen ist? Früher soll Frau Merkel Angry Birds gespielt haben, weil man dabei mit Tieren nach anderen Tieren werfen kann – das hat sie wohl an die Koalition erinnert –, neuerdings soll sie aber Froggy Jump spielen. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Oh Gott, ist das eine peinliche Frage!) Entsprechen die Informationen der Wahrheit, oder gibt es andere Applikationen, die da im Gespräch sind? (Sibylle Laurischk [FDP]: So viel zur Farbe grün!) Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich kann Ihnen dazu keinerlei Auskunft geben. Ich kümmere mich darum ebenso wenig wie um andere Fragen der Ausstattung des persönlichen Lebens. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Fernmeldegeheimnis, Herr Beck! Menschenrechte! Datenschutz!) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da zuvor ein ausgewachsener Bundesminister hier seine persönlichen Einsichten von der Regierungsbank aus kundgetan hat, frage ich Sie: Sind Sie denn bereit, dem Parlament eine Liste mit den Applikationen, die für Mitglieder der Bundesregierung angeschafft worden sind, zur Verfügung zu stellen, damit die Ausschussmitglieder wissen, über welche Spiele sie mit Mitgliedern der Bundesregierung online in Kontakt treten können? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Sie können dieses Auskunftsersuchen gerne als schriftliche Anfrage an uns richten. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich hier mündlich getan!) Mir ist nicht bekannt, dass es entsprechende Anschaffungslisten gibt. Ich wüsste auch keinen Grund, warum entsprechende Anschaffungslisten angelegt werden sollten. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Untersuchungsausschuss kommt so sicher wie das Amen in der Kirche! – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Auch darüber würde ich noch einmal vertieft nachdenken wollen, und zwar sowohl, was die Ankündigung, als auch, was den strammen Vergleich betrifft. Erstaunlicherweise gibt es keine weiteren Zusatzfragen. Der ähnlich wichtigen Frage nach der Verwendung von Software mit Sprach- und Texterkennung bei der Überwachung digitaler Kommunikation werden wir uns jetzt nicht mündlich zuwenden können bzw. müssen, weil der Kollege Hunko um schriftliche Beantwortung der Frage 9 gebeten hat. Damit ist die Beantwortung der Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern abgeschlossen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler steht zur Beantwortung zur Verfügung. Die Frage 10 des Kollegen Hunko wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Rebmann auf: Welche Dissenspunkte innerhalb der Bundesregierung sind für die mehrfache Verschiebung der Kabinettbefassung mit dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung ursächlich? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Rebmann, als Antwort auf Ihre Frage kann ich Ihnen folgende Auskunft geben: Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat den Entwurf eines Gesetzes zur Sicherungsverwahrung mit allen nötigen Anlagen und sonstigen Formalien mit Schreiben vom 1. März 2012 an den Chef des Bundeskanzleramtes übermittelt und zugleich darum gebeten, ihn auf die Tagesordnung der heutigen Kabinettssitzung zu setzen. Dies ist ohne jegliche Verschiebung geschehen. Der Entwurf ist heute vom Kabinett unverändert beschlossen worden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön. Stefan Rebmann (SPD): Herr Staatssekretär, meine Frage war, warum es mehrfach zu einer Verschiebung der Kabinettsbefassung kam. Es freut mich, dass es heute endlich Thema in der Kabinettssitzung war. Trotzdem frage ich: Wie lässt sich die Zeitplanung der Bundesregierung mit der Aufforderung der Landesjustizminister vereinbaren, die Sie unmissverständlich gebeten haben, möglichst schnell einen Regierungsentwurf vorzulegen, damit das Gesetzgebungsverfahren bis zum 30. Juni dieses Jahres abgeschlossen werden kann? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Zunächst einmal: Eine Verschiebung ist nicht erfolgt. Der Gesetzentwurf ist zur Befassung im Kabinett angemeldet worden, und in der nächsten Sitzung, also heute, hat es den Kabinettsbeschluss gegeben. Hinsichtlich Ihrer weiteren Frage nach dem zeitlichen Ablauf darf ich in Erinnerung rufen, dass wir gemeinsam, die Koalition aus CDU/CSU und FDP zusammen mit den Stimmen der SPD-Bundestagsfraktion, zum 1. Januar 2011 eine grundlegende Reform der Sicherungsverwahrung beschlossen haben. Am 4. Mai 2011 hat das Bundesverfassungsgericht diese Reform zwar bestätigt, aber aufgrund anderer Gesichtspunkte die Bestimmungen zur Sicherungsverwahrung aufgehoben, wobei es jedoch eine Übergangsfrist bis 31. Mai 2013 festgelegt hat, in der diese Bestimmungen mit den Modifizierungen des Gerichts weiter gelten. Das Bundesjustizministerium hat selbstverständlich rasch mit der Gesetzgebungsarbeit begonnen. Der Kern der Beanstandung durch das Bundesverfassungsgericht betraf den bisherigen Vollzug der Sicherungsverwahrung. Dieser oblag den Bundesländern. Demgemäß ist die Neuregelung, um dieses sogenannte Abstandsgebot im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung künftig zu erfüllen, mit den Bundesländern intensiv erörtert worden. Damit ist rasch nach dem Urteilserlass begonnen worden. Die Erörterungen dieser komplizierten Materie haben sich einige Zeit hingezogen. Wir liegen jedoch gut im Zeitplan; denn jetzt ist Anfang März. Deswegen können die Länder die Änderung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung mit hinreichendem zeitlichen Vorlauf planen. Stefan Rebmann (SPD): Ich interpretiere Ihre Antwort so, dass Sie den Termin 30. Juni einhalten möchten. Dies bedeutet, wenn ich mir den Jahresplan anschaue – der Bundesrat muss sich auch noch damit befassen –, dass wir frühestens Mitte Juni eine Anhörung zu dem Thema durchführen können. Unmittelbar nach der Anhörung würden dann bereits die zweite und dritte Lesung in diesem Hause stattfinden. Meine Frage lautet: Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Hinweise, die in der Anhörung gegeben werden, noch in den Gesetzentwurf eingearbeitet werden, oder führen Sie nur pro forma eine Anhörung durch, damit der Opposition und der Öffentlichkeit Genüge getan wird? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Rebmann, Aufgabe der Bundesregierung war es, einen Gesetzentwurf zu beschließen und in das Verfahren zu bringen. Der Verlauf des weiteren Verfahrens ist Sache des Parlaments. Demgemäß ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, die Durchführung einer Anhörung zu dem Gesetzentwurf zu beschließen; dies wird vermutlich der Rechtsausschuss machen. Ich halte die Durchführung einer Anhörung angesichts der schwierigen Materie für sachgerecht. Sie sehen, dass schon aus diesem einen Grund der weitere Verfahrensablauf jetzt in den Händen des Parlaments liegt. Die Sorge, die Sie in Ihren Fragen zum Ausdruck bringen, dass das Gesetz nicht rechtzeitig im Bundesgesetzblatt verkündet wird, halte ich für unbegründet. Die Übergangsregelung, die das Bundesverfassungsgericht getroffen hat, läuft bis zum 31. Mai 2013. Es ist also noch reichlich Zeit. Allerdings brauchen die Länder einen Vorlauf, um sich auf die geänderten Bestimmungen einzustellen. Die Länder können, vor allem was das Abstandsgebot und den Vollzugsbeginn betrifft, eigentlich heute damit beginnen, weil der Kabinettsbeschluss dafür durchaus eine Grundlage bietet. Die Regelungen zum Vollzug, die das Abstandsgebot betreffen – um diese Regelungen geht es den Ländern insbesondere –, sind von uns nämlich in enger Abstimmung mit den Landesjustizministerien ins Verfahren eingebracht worden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage des Kollegen Lischka. Burkhard Lischka (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Stadler, stimmen Sie mir zu, dass das parlamentarische Verfahren und die Kabinettsbefassung in den Ländern erst dann eingeleitet werden können, wenn die Länder wissen, welcher Gesetzentwurf vom Bundestag tatsächlich verabschiedet wurde? Insofern lautet meine Frage: Wie viel Zeit brauchen die Länder aus Sicht der Bundesregierung noch, damit die Landesgesetzgebungen bis Ende Mai dieses Jahres abgeschlossen werden können, sodass die Frist, die das Bundesverfassungsgericht gesetzt hat, eingehalten wird? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Lischka, ich stimme dem Ausgangspunkt Ihrer Frage zu, dass auch Landesgesetze, die den Vollzug betreffen, geändert werden müssen. Aber noch einmal: Gerade die Regelungen zum Vollzug, die von uns auf den Weg gebracht werden, sind eng mit den Ländern abgestimmt. Ich gehe daher davon aus, dass die Länder ihre Gesetzgebung zügig durchführen können. Was das Verfahren im Bundestag anbelangt, so sind wir selbstverständlich an einer raschen Verabschiedung des Gesetzentwurfes interessiert. Aber das liegt in den Händen der Parlamentarier. Insgesamt ist die von Teilen der Opposition schon direkt nach dem Urteil am 4. Mai 2011 geäußerte Sorge, wir könnten den Zeitplan nicht einhalten, wie ich glaube, ganz klar unbegründet. Wir liegen mit dem heutigen Kabinettsbeschluss gut in der Zeit. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Ich rufe nun die Frage 12 des Kollegen Ingo Egloff auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse des von Professor Dr. Thomas Hoeren im Auftrag des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft erstellten Gegengutachtens zu dem in der Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, BMWi, vorgeschlagenen Warnhinweismodell zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen, und welche Konsequenzen wird sie daraus ziehen? Herr Staatssekretär. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Präsident, wegen des Zusammenhangs zwischen Frage 12 und Frage 13 würde ich beide Fragen, wenn Sie erlauben, gerne zusammen beantworten. Vizepräsident Eduard Oswald: Dann rufe ich auch die Frage 13 des Kollegen Ingo Egloff auf: Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2012 (1 BvR 1299/05), mit der die Zuordnung von dynamischen IP-Adressen ausdrücklich als ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 des Grundgesetzes festgestellt wird, für das mit der BMWi-Studie vorgeschlagene vorgerichtliche Warnhinweismodell, und in welcher konkreten Ausgestaltung sieht die Bundesregierung ein solches Warnhinweismodell als mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vereinbar an? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Ich beantworte Ihre Fragen wie folgt: Die Bundesregierung wird die vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene vergleichende Studie der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht mit den am Wirtschaftsdialog beteiligten Rechteinhabern und Diensteanbietern erörtern, wobei voraussichtlich auch das Gutachten von Professor Hoeren, auf das Sie in Ihrer ersten Frage Bezug genommen haben, thematisiert werden wird. Über mögliche weitere Schritte wird die Bundesregierung auf Grundlage der Ergebnisse dieser Gespräche entscheiden. Die rechtliche Bewertung hängt von der konkreten Ausgestaltung eines etwaigen Warnhinweismodells bzw. eines vorgerichtlichen Mitwirkungsmodells ab. Gegenstand der rechtlichen Bewertung wird auch die Vereinbarkeit mit Art. 10 des Grundgesetzes und mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sein. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege Egloff, Sie haben nun eine Reihe von Nachfragen. Sie starten mit Ihrer ersten. Ingo Egloff (SPD): Muss ich angesichts Ihrer Antwort davon ausgehen, Herr Staatssekretär, dass die im Gegengutachten vorgebrachten technischen und rechtlichen Probleme Ihrer Meinung nach jedenfalls im Moment noch nicht als so gravierend bewertet werden, dass von einer Umsetzung des Warnhinweismodells in jedem Fall Abstand genommen werden kann? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Sie konnten meiner Antwort entnehmen, Herr Kollege Egloff, dass die Gespräche innerhalb der Bundesregierung über die Frage, wie man Urheberrechtsverletzungen im Internet wirksamer begegnet, noch laufen, sodass bisher keinerlei inhaltliche Festlegung getroffen worden ist. Es wurde bisher lediglich eine Festlegung getroffen, die sich schon im Koalitionsvertrag findet: Es wird keine Internetsperren als Folge von Urheberrechtsverletzungen geben. Diese sind, wie gesagt, schon im Koalitionsvertrag ausgeschlossen worden. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Egloff, Ihre zweite Nachfrage. Ingo Egloff (SPD): Herr Staatssekretär Otto aus dem Wirtschaftsministerium hat angekündigt, im Zweifelsfall müsse man im Hinblick auf die Warnhinweise gesetzliche Maßnahmen ergreifen. Wenn ich Frau Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger richtig verstanden habe, dann befürwortet sie das nicht. Wie beurteilen Sie diesen Widerspruch innerhalb der Bundesregierung? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Diesen Widerspruch kann ich nicht erkennen. Herr Kollege Otto ist in der vergangenen Fragestunde auch dazu befragt worden und hat Ihnen die Auskunft gegeben, dass am 15. März im Bundeswirtschaftsministerium Gespräche dazu stattfinden werden. Vorher wird es keinerlei inhaltliche Festlegungen geben. Die Gespräche werden dann ausgewertet. Des Weiteren hat er ausgeführt, dass eine Gesetzesänderung erforderlich wäre, wenn man bestimmte Formen eines Warnmodells wählt. Das steht nicht im Widerspruch zu dem, was die Bundesjustizministerin gesagt hat; denn es gibt auch andere Modelle, die keine Gesetzesänderung erfordern. Aus den Reihen Ihrer Fraktion ist beim letzten Mal gefragt worden, ob es jetzt schon möglich sei, dass die Rechteinhaber Mahnschreiben an die Nutzer richten, ohne dass es eine Verpflichtung zur Mitwirkung des Providers gibt. Das wäre eine Form von Hinweisen auf Urheberrechtsverletzungen, die nach geltendem Recht möglich ist und keinerlei Gesetzesänderungen erfordert. Daher kommt es sehr darauf an, wie die inhaltliche Debatte geführt wird und welches Ergebnis sie hat. Davon hängen dann die rechtlichen Folgen ab. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben eine weitere Nachfragemöglichkeit. Ingo Egloff (SPD): Herr Staatssekretär, aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2012 stellt sich die Frage, ob die Auffassung richtig ist, dass im Lichte der Feststellung, bei der Zuordnung von IP-Adressen handele es sich um einen Eingriff in Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz, davon ausgegangen werden kann, dass ein vorgerichtliches Warnhinweismodell ohne richterliche Anordnung zwangsläufig grundgesetzwidrig ist. Teilen Sie diese Auffassung? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Egloff, auch hier gilt, dass wir eine rechtliche Bewertung dann vornehmen werden, wenn eine Einigung darüber erzielt worden ist, wie man Urheberrechtsverletzungen besser begegnet. Es ist offen, ob dies mit Warnmodellen, mit Ermahnungsschreiben oder auch auf ganz andere Art und Weise geschieht. Dann wollen wir eine rechtliche Bewertung – selbstverständlich unter Beachtung dieses relativ neuen Urteils des Bundesverfassungsgerichts – vornehmen. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben die Möglichkeit einer weiteren Nachfrage. Ingo Egloff (SPD): Herr Staatssekretär, es liegen Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern vor. In Frankreich ist mit einer Art Warnhinweismodell gearbeitet worden. Die Erfahrungen, die die Franzosen damit gemacht haben, sind durchweg nicht positiv, weil es Umgehungstatbestände gibt. Werden diese Erfahrungen anderer europäischer Länder in Ihre Überlegungen einbezogen? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Diese Frage kann ich ganz kurz mit einem einfachen Ja beantworten. Wenn es anderweitige Erfahrungen gibt, wie dies in Frankreich der Fall ist, werden diese selbstverständlich einbezogen. Dann schaut man sich natürlich an, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind. Allerdings muss man dabei immer auch die Vergleichbarkeit im Auge behalten. Wenn die Nutzung bestimmter Formen des Internets abnimmt, wie dies etwa bei Peer-to-Peer-Gruppen der Fall ist, ist es verständlich, dass unabhängig davon, ob man ein Warnhinweismodell hat oder nicht, die Urheberrechtsverletzungen in diesem Bereich nicht mehr so häufig sind. Das muss man dann auch bedenken. Im Übrigen hat der Kollege Otto meiner Erinnerung nach in der letzten Fragestunde – jedenfalls aber auch öffentlich – gesagt, dass niemand daran denke, das französische Modell eins zu eins zu übernehmen. In Frankreich sind nämlich als Folge von Urheberrechtsverletzungen Internetsperren vorgesehen. Das wollen wir auf keinen Fall übernehmen. Außerdem sind dort andere schwerwiegende Eingriffe in die Nutzung des Internets wie die Verlangsamung des Zugangs oder Ähnliches vorgesehen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Die Frage 14 des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz wird schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zur Frage 15 unseres Kollegen Burkhard Lischka: Wie lässt sich der Sinneswandel der Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, im Hinblick auf die Einführung von Warnhinweismodellen erklären, die sich in ihrer Berliner Rede zum Urheberrecht im Jahr 2010 zunächst positiv hierzu geäußert hatte, mittlerweile eine solche Regelung in einer YouTube-Botschaft vom 8. Februar 2012 jedoch ablehnt? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Lischka, die Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, hat sich in der Tat in der sogenannten Berliner Rede zum Urheberrecht vom 14. Juni 2010 zu Warnhinweisen geäußert, sie jedoch nicht befürwortet. Sie hat nämlich erklärt, ein Warnhinweismodell könne nur in Betracht kommen, wenn es sich technisch ohne eine Inhaltskontrolle und Datenerfassung realisieren ließe. In ihrer YouTube-Botschaft vom 8. Februar 2012, auf die Sie sich beziehen, hat die Bundesjustizministerin dies bekräftigt. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege. Burkhard Lischka (SPD): Vielen Dank, Herr Stadler, für Ihre Beantwortung. In Bezug auf das Warnhinweismodell aus der Studie des Bundeswirtschaftsministeriums, das auch Gegenstand vorheriger Fragen war, wird davon ausgegangen – so verläuft im Augenblick ja auch der Dialog –, dass es aufgrund einer freiwilligen Vereinbarung zwischen den Rechteinhabern und den Providern umgesetzt werden kann, indem es durch allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart wird. Halten Sie das juristisch für möglich, oder sehen Sie hier einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, sofern man ein derartiges Warnhinweismodell umsetzen will? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Lischka, eine ähnliche Debatte hatten wir ja bei dem seinerzeitigen Zugangserschwerungsgesetz, als von der Großen Koalition Internetsperren eingeführt worden sind, die auf Initiative dieser Bundesregierung jetzt gerade wieder abgeschafft worden sind – übrigens auch mit Ihren Stimmen. Damals gab es eine Debatte darüber, wie man der Darstellung von sexuellem Missbrauch von Kindern im Internet begegnet. Als seinerzeit die Internetsperren von der Großen Koalition eingeführt worden sind, gab es auch schon eine Debatte darüber, ob eine freiwillige Vereinbarung zwischen den Beteiligten ausreichen würde. Die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries von der SPD hatte die Auffassung vertreten, dass eine gesetzliche Regelung notwendig ist. Diese Auffassung habe ich seinerzeit auch geteilt. Bei der aktuellen Debatte müsste man diese Frage, wenn es denn überhaupt zu einem solchen Modell käme, noch einmal aufgreifen und sorgfältig prüfen, ob die Sachverhalte vergleichbar sind. Noch einmal will ich aber sagen: Das, was aus dem Bundeswirtschaftsministerin bisher in die Debatte eingebracht wurde, ist noch keine Festlegung auf ein -bestimmtes Modell – weder auf das sogenannte Vertragsmodell, bei dem man mit allgemeinen Geschäftsbedingungen arbeitet, noch auf eine gesetzliche Regelung –, und noch steht überhaupt nicht fest, ob es überhaupt zu einem Warnhinweismodell kommen wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Herr Kollege. Burkhard Lischka (SPD): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Urheberrechtsverletzungen im Internet werden derzeit über einen Auskunftsanspruch verfolgt, der bei Gericht geltend gemacht werden kann und den es hier in Deutschland seit September 2008 gibt. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Ja, genau. Burkhard Lischka (SPD): Haben sich dieser Auskunftsanspruch und das Verfahren, das wir derzeit in Deutschland praktizieren, nach Ansicht der Bundesregierung bewährt? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Lischka, dieses Verfahren hat sich unserer Auffassung nach bewährt. Es ist ja zu Ihrer Regierungszeit von der Großen Koalition eingeführt worden. Nachdem ich vorhin ein anderes Gesetzgebungsvorhaben kritisch erwähnt habe, will ich jetzt gerne auch einmal etwas positiv darstellen. Die Rechteinhaber können den Inhaber einer dynamischen IP-Adresse über einen Auskunftsanspruch bei Gericht abfragen. Dieses Verfahren geht sehr schnell; es wird sehr häufig praktiziert. Es ist dann Sache der Rechte-inhaber, wie sie ihr Urheberrecht weiter durchsetzen. Beispielsweise wäre es eben auch möglich, dass man dem Nutzer den Hinweis gibt, dass er sich urheberrechtswidrig verhalten hat, ohne dass dies schon mit Abmahnkosten oder Schadensersatzansprüchen verbunden ist. Dies wäre nach geltendem Recht ja möglich. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich rufe die Frage 16 auf: Plant die Bundesregierung, den Ratifizierungsprozess des Handelsübereinkommens ACTA fortzusetzen, sofern die Prüfung durch ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofs dessen Rechtmäßigkeit ergibt? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Ich darf die Frage folgendermaßen beantworten: Das Bundeskabinett hat am 30. November 2011 der Zeichnung von ACTA durch die Bundesrepublik Deutschland zugestimmt. Ein konkreter Zeichnungstermin und weitere Planungen zum Ratifikationsverfahren stehen derzeit nicht fest. Die Bundesregierung wird bei ihrer Entscheidung zum weiteren Vorgehen das Gutachten des Europäischen Gerichtshofs ebenso wie die weitere Diskussion und Beschlussfassung im Europäischen Parlament berücksichtigen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege. Burkhard Lischka (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, falls ACTA, aus welchen Gründen auch immer, scheitert: Plant die Bundesregierung in diesem Fall auf internationaler Ebene Initiativen zur Bekämpfung der Produktpiraterie, oder sind für die Bundesregierung dann auch entsprechende Initiativen ad acta gelegt? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Lischka, ich wäre beinahe versucht zu sagen: Es freut mich, dass Sie als Oppositionspolitiker der Bundesregierung so weitreichende Planungen zutrauen. Ich glaube, das richtige Vorgehen besteht jetzt darin, abzuwarten, wie sich die durch die Entscheidung der Europäischen Kommission entstandene neue Situation darstellt. Die Kommission hat bekanntlich die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs beschlossen. Demgemäß muss man als Nächstes dies abwarten. Es ist das Euro-päische Parlament am Zug. Denn es handelt sich bei ACTA um ein Abkommen, das von der Europäischen Union verhandelt worden ist. Die beiden Akteure, die ich gerade genannt habe, sind als Nächstes am Zug. Dann wird die Bundesregierung weitere Schritte überlegen. Richtig ist aber, was in Ihrer Frage durchscheint, dass es sehr wohl – auch das muss man betonen – in der derzeitigen Debatte ein erhebliches Interesse der Bundesregierung gibt, der Produktpiraterie entgegenzutreten. Das steht außer jedem Zweifel. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage. Burkhard Lischka (SPD): Herr Staatssekretär, Ihr Kollege, Herr Staatssekretär Otto, hat in der vergangenen Woche in einer Podiumsdiskussion des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco angekündigt, dass in Kürze ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zum dritten Korb des Urheberrechts vorgelegt wird. Ist dem so, und wenn ja: Wann ist damit zu rechnen? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Lischka, wie Sie wissen, hat am Sonntag der Koalitionsausschuss getagt. Es gab dabei auch eine Beschlussfassung zu urheberrechtlichen Themen. Diese wird jetzt umgesetzt, indem an den dort behandelten Themen weiter gearbeitet wird. Ich kann Ihnen aber zum heutigen Tag kein Datum nennen, wann ein Gesetzentwurf vorgelegt wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine weitere Frage hat unser Kollege Christian -Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke. – Herr Kollege Stadler, Sie alle kennen die Kritik insbesondere aus der User-Szene an ACTA. Hat die Bundesregierung gerade auch angesichts ihrer Bemühungen um eine Neuregelung des Urheberrechts in Deutschland zu den Formulierungen, wie sie in ACTA weitgehend ohne Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit, insbesondere der User, zustande gekommen sind, berücksichtigt, welche anderen Möglichkeiten des Urheberrechts, aber auch des Schutzes der Interessen derer, die leichter von den modernen Möglichkeiten der Nutzung dessen, was im Internet zu haben ist, Gebrauch machen, infrage kommen? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege Ströbele, zunächst einmal gibt mir Ihre Frage die Gelegenheit, noch einmal eine Selbstverständlichkeit zu betonen: Die Bundesregierung fühlt sich selbstverständlich dem Schutz des geistigen Eigentums verpflichtet. Ebenso habe ich aus Ihrer Fraktion die Äußerung gehört, dass dies auch für Bündnis 90/Die Grünen gelte; denn dies sei schließlich die Partei von -Heinrich Böll. Ich weiß nicht genau, welche Ihrer Kolleginnen das gesagt hat. Jedenfalls hat sich auch Ihre Fraktion mit diesem Satz zum Schutz des geistigen Eigentums und zum Urheberrecht bekannt. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wie!) Die Kritik an ACTA ging zum Teil davon aus – das kann ich ein Stück weit gut nachvollziehen –, dass die Verhandlungen, die, wie gesagt, nicht von der Bundes-regierung, sondern von der Europäischen Union mit anderen Staaten geführt worden sind, zunächst, wie bei derartigen internationalen Verhandlungen nicht unüblich, hinter verschlossenen Türen geführt worden sind. Wir, die Bundesregierung, haben uns aber dafür eingesetzt, dass ab 2010 alle maßgeblichen Dokumente veröffentlicht worden sind; denn wir sind der Auffassung, dass man mit Transparenz Kritikpunkten, die sonst zu Unrecht auftauchen, vorbeugt. Beispielsweise wird unentwegt – auch von Ihrer Parteivorsitzenden Claudia Roth – behauptet, wegen ACTA könnten keine Generika mehr nach Afrika geliefert werden, was dort zu Gesundheitsgefährdungen von Menschen führe. Da kann ich nur sagen: Das hat mit ACTA nichts zu tun, sondern ist Thema in anderen Abkom-men – um nur das aufzugreifen, was Sie zur Kritik gesagt haben. Nun ging es im Kern Ihrer Frage darum, über Änderungen im Urheberrecht nachzudenken. Ich darf festhalten: ACTA zwingt zu keiner Änderung der Rechtslage in Deutschland, insbesondere nicht zur Einführung von Internetsperren. Das will ich auch einmal betonen, weil es dazu in der öffentlichen Debatte manchmal nichtzutreffende Behauptungen gibt. Dass wir uns insgesamt über das Urheberrecht Gedanken machen, ist schon durch die Antwort auf die Frage des Kollegen Lischka deutlich geworden. Darin habe ich ja gesagt: Im Anschluss an den Koalitionsausschuss wird es Überlegungen zu Änderungen im Urheberrecht geben; diese werden zunächst intern abgestimmt. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Justiz. Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Hier steht uns zur Beant-wortung der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter zur Verfügung. Die Fragen 17 und 18 des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter sowie die Fragen 19 und 20 des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) werden schriftlich beantwortet. Dann kommen wir zur Frage 21 des Kollegen Hans-Christian Ströbele: Wie rechtfertigt es die Bundesregierung, dass an das hochverschuldete Griechenland in der Finanzkrise von der EU und Deutschland als Nothilfemaßnahmen Kredite zu einem Zinssatz gewährt werden, der weit über dem liegt, den die EU und Deutschland zur Finanzierung dieser Kredite zahlen müssen, sodass die Kreditgeber also Milliarden an der Not Griechenlands verdienen, die von dem verschuldeten Land dann auch noch aufzubringen sind? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Ströbele, diese Frage möchte ich wie folgt beantworten: Die Kredite werden nicht von Deutschland und der EU, sondern von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität vergeben. Der Zinssatz der Kredite soll zumindest die Refinanzierungs- und Betriebskosten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität abdecken. Im Rahmen der Beschlüsse der Euro-Gruppe vom 21. Februar 2012 wurden auch die Zinsen für die bereits bestehenden Griechenland-Pakete noch einmal überprüft und rückwirkend auf eine Marge von 150 Basispunkten über dem DreiMonats-Euribor abgesenkt. Alle Geberländer erzielen daher merklich geringere Erträge. Dies führt zu einer Minderung der griechischen Schuldenstandsquote im Jahr 2020 in einem Ansatz von 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, die von mir gestellte Frage ist nicht beantwortet. Meine Frage zielt dahin, wie viel Deutschland und die EU an den Darlehen, die Griechenland gegeben worden sind, verdienen. Schließlich muss man nur einmal das, was die EU oder Deutschland aufwenden musste, um das Kapital zur Verfügung zu haben, und das, was Griechenland aufwenden muss, um diese Kredite zu bekommen, ins Verhältnis setzen. Da gibt es doch einen Unterschied. Oder ist das die gleiche Summe? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Nein, Herr Kollege Ströbele. Die Kreditaufnahme des Bundes ist in diesem Punkte irrelevant, weil in dieser Fragestellung nicht der Bund die Kredite vergibt, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut; aber er ist ein Teil!) sondern die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität. Diese wiederum besorgt sich das Geld am Kapitalmarkt. Dabei geht es nicht um Gewinnorientierung, sondern, wie ich gesagt habe, um Refinanzierungs- und Kreditkosten. Das ist keine gewinnorientierte Institution. Sie soll aber zweifelsohne ihre Betriebskosten und eine gewisse Sicherheitsmarge für mögliche Ausfälle decken. Etwas anderes sind die Kredite aus dem sogenannten bilateralen Programm. Das wickeln wir über die KfW ab. Dafür haben wir eine Bundesgarantie abgegeben. Bisher wurden – diese Zahl dient der Erläuterung – dem Bund aus den bilateralen Griechenland-Krediten Zinsen in Höhe von 380 Millionen Euro überwiesen. Durch die rückwirkende Reduzierung der Marge um 150 Basispunkte wird ein Teil dieses Betrages mit künftigen Einnahmen zu verrechnen sein. Das Pricing ist fair, spiegelt aber auch die tatsächlichen Refinanzierungskosten sowohl der KfW als auch der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität wider. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Kollege Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine Frage ist noch immer nicht beantwortet. Ich stelle jetzt aber eine andere Frage, die mich interessiert. Sie sprechen immer wieder von den Geldern, die zur -Deckung der Kosten erwirtschaftet werden müssen. Können Sie mir sagen – die Zinsen lassen wir einmal beiseite –, um welche Größenordnung es dabei geht? Wer profitiert von diesen Kosten: Banken, Geld- und -Finanzinstitute? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Noch einmal, Herr Kollege Ströbele: Sie gehen, glaube ich, von falschen Voraussetzungen aus. Sie gehen davon aus, dass Banken an den bilateralen Krediten beteiligt sind. Es ist tatsächlich so, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau im Rahmen eines Zuweisungsgeschäfts Griechenland einen Kredit im Rahmen der Anpassungsprogramme gibt. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau refinanziert sich dabei auf dem Kapitalmarkt und reicht die Mittel an Griechenland weiter. Der Bund ist als Garantiegeber für dieses Geschäft tätig. Bei den vom Deutschen Bundestag am vergangenen Montag beschlossenen Fazilitäten geht es nicht um bilaterale Kredite, sondern um EFSFKredite. Aber das -Prinzip ist das gleiche. Hier wird die europäische Staatengemeinschaft als Garantiegeber tätig. Auf dem Kapitalmarkt werden die entsprechenden Mittel aufgenommen und im Rahmen der Restrukturierungsprogramme an Griechenland weitergereicht, zum Teil für den Privatsektorumtausch, das Anpassungsprogramm in engerem Sinne und zum Teil für die Bankenrekapitalisierung. Eine Profitmöglichkeit für EFSF und KfW ist in diesem Fall im klassischen Sinne nicht gegeben. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen nun zu Frage 22 des Kollegen Manfred Kolbe: Führen die Tender der Europäischen Zentralbank vom Dezember 2011 (489 Milliarden Euro) und vom Februar 2012 (529 Milliarden Euro) – also über 1 Billion Euro an europäische Banken insbesondere aus den Krisenländern – zu theoretischen Haftungsrisiken für die Bundesrepublik Deutschland? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Kolbe, Ihre Frage möchte ich dahin gehend beantworten, dass geldpolitische Operationen des Euro-Systems, zu denen die Refinanzierungsgeschäfte, die Sie ansprechen, von Dezember und Februar zählen, nach Art. 18 der ESZB-Satzung nur gegen angemessene Sicherheiten durchgeführt werden. Das heißt, der Tender emittiert etwas, und man kann von diesem Tender profitieren, indem man entsprechende Sicherheiten bei der EZB hinterlegt. Die nationalen Zentralbanken, die solche Geschäfte durchführen, können einen Verlust erleiden, wenn einer der geldpolitischen Geschäftspartner ausfällt und die Verwertung der eingereichten Sicherheiten nicht ausreicht, um die Kreditforderungen zu decken. Im Übrigen kann der EZB-Rat nach Art. 32.4 der ESZB-Satzung beschließen, bei nationalen Zentralbanken anfallende Verluste aus geldpolitischen Operationen auf alle Zentralbanken nach ihrem Beteiligungsschlüssel betreffend die EZB zu verteilen. Dadurch kann den einzelnen Zentralbanken ein Aufwand entstehen. Mit Hinblick auf die unionsrechtlich verankerte finanzielle Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank ist insoweit zu berücksichtigen, dass Situationen vermieden werden, die dazu führen, dass das Nettoeigenkapital einer nationalen Zentralbank über einen längeren Zeitraum geringer ist als ihr Grundkapital. In diesem Fall muss daher ein angemessener Kapitalbetrag – mindestens bis zur Höhe des Grundkapitals – vorhanden sein. Das steht im Konvergenzbericht der EZB. Das sind die grundsätzlichen, die theoretischen Haftungsrisiken. Sie bestehen nicht durch die Tender, die Sie ansprechen, sondern sie gehören zu den grundlegenden Strukturprinzipien und bestehen seit der Gründung der Europäischen Zentralbank. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege Kolbe, Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Bitte schön. Manfred Kolbe (CDU/CSU): Sie, Herr Staatssekretär, schließen also ein Haftungsrisiko nicht aus. Wie wahrscheinlich das ist, weiß heute niemand. Angesichts der Höhe der beiden Tender, über 1 Billion Euro, frage ich: Wie hoch liegt denn das theoretisch höchstmögliche Haftungsrisiko für die Bundes-republik Deutschland? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Kolbe, das betrifft die Frage 23. (Manfred Kolbe [CDU/CSU]: Theoretisch erst einmal!) Wir gehen nicht davon aus, dass die Europäische -Zentralbank bei der Konzeption und Durchführung der Tender keine sorgfältige Risikoabwägung vorgenommen hat. Wir gehen davon aus, dass sie insgesamt nur vertretbare Risiken eingegangen ist. Die Wahrscheinlichkeit -eines theoretischen Risikos – darauf zielt Ihre Betrachtung ab – ist ausschließlich von der EZB unter Berücksichtigung der Qualität der bei ihr deponierten Risiken zu bewerten. Dazu ist die Bundesregierung weder institutionell noch aufgrund ihrer Kenntnis der Sachlage auskunftsfähig. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Kollege Kolbe. Manfred Kolbe (CDU/CSU): Die Bundesregierung muss sich aufgrund der Vorschriften, die Sie zitiert haben, und aufgrund der theoretisch möglichen Haftung, die auch Sie nicht ausgeschlossen haben, Gedanken machen, wie hoch diese Haftung möglicherweise ist. Wie hoch ist die theoretisch höchstmögliche Haftung der Bundesrepublik Deutschland aufgrund dieser beiden Tender? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Kolbe, in meiner Antwort auf die Frage habe ich Ihnen die Grundstrukturen von Refinanzierungsgeschäften der Europäischen Zentralbank und die internen Haftungswege der einzelnen nationalen Notenbanken zur EZB erläutert. Hier ist prinzipiell und theoretisch beschrieben, wie möglicherweise bei einem Ausfall des Geschäftspartners vorgegangen wird. Informationen über alles darüber Hinausgehende, insbesondere eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, kann Ihnen nur die Europäische Zentralbank geben. Angesichts der Unabhängigkeit, im Übrigen aber auch wegen der Nichtöffentlichkeit der Geschäftspolitik der Europäischen Zentralbank ist die Bundesregierung zu einer Quantifizierung eines von uns eher als unwahrscheinlich gehaltenen Ausfallrisikos in der Exaktheit, die Sie einfordern, leider nicht in der Lage. Vizepräsident Eduard Oswald: Wir kommen zur Frage 23 des Kollegen Manfred Kolbe: Für wie wahrscheinlich hält die Bundesregierung insoweit eine tatsächliche Haftung der Bundesrepublik Deutschland? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Frage betrifft denselben Sachverhalt. Ich variiere die Antwort und sage: Wir haben keinen Zweifel, dass sich die EZB risikoangemessen und sorgfältig verhält und sie lediglich vertretbare Risiken eingegangen ist. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kolbe, Sie haben die Möglichkeit der Nachfrage. Bitte schön. Manfred Kolbe (CDU/CSU): Wie beurteilt denn die Bundesregierung die Tatsache, dass die Anforderungen an die Hinterlegung von Sicherheiten durch die Europäische Zentralbank deutlich abgesenkt worden sind? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Kolbe, das ist eine Entscheidung, die in die Autonomie der Europäischen Zentralbank fällt. Sie wird diese Entscheidung nach kluger Abwägung getroffen haben; denn die Nichtbereitstellung von Liquidität im europäischen Bankensystem hätte zu einem völlig -anderen Risikoszenario geführt als zu dem, das Sie hier erfragen. Wenn beispielsweise einzelne Kontrahenten im europäischen Bankensystem aufgrund von Liquiditätsmangel ausgefallen wären, hätten sich nicht nur theoretische, sondern sehr praktische Risiken für die -Finanzmarktstabilität ergeben. Insoweit bewertet die Bundesregierung das Agieren der Europäischen Zentralbank im Rahmen ihres geldpolitischen Mandates durchaus positiv. Wir begleiten die Stabilisierungsmaßnahmen der -Europäischen Zentralbank durch ein umfassendes fiskalpolitisches Bündel von Maßnahmen, beispielsweise durch den in der Regierungsbefragung hier umfassend dargelegten Fiskalpakt, aber auch durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus und andere Regeln, die die striktere Trennung zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik wiederherstellen sollen. Diese ist nach Auffassung mancher Beobachter noch ausbaufähig. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben eine weitere Nachfrage? Manfred Kolbe (CDU/CSU): Ja. – Der Präsident der Deutschen Bundesbank hat sich nicht ganz so euphorisch wie Sie geäußert. Stehen Sie eher auf der Seite der EZB oder eher auf der Seite der Deutschen Bundesbank? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Bundesregierung steht auf der Seite des Europäischen Systems der Zentralbanken, und der Bundesbankpräsident ist unser nationaler Vertreter innerhalb dieses Zentralbankensystems. Er genießt unser volles Vertrauen. Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Kolbe, diese Antwort hat Sie sicher überrascht. Die Fragen 24 und 25 der Abgeordneten Lisa Paus und die Fragen 26 und 27 der Abgeordneten Dr. Barbara Höll werden schriftlich beantwortet, sodass Kollege Staatssekretär Kampeter – – (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Entlassen ist!) – Nein, nein. Der Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen ist beendet. Somit komme ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 28 der Frau Kollegin Sabine Zimmermann: Wie hoch liegen die gesamtfiskalischen Kosten der -Arbeitslosigkeit in Deutschland pro Erwerbslosem, und wie hoch wären die gesamtgesellschaftlichen Kosten für 11 750 Betroffene? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin, die gesamtwirtschaftlichen Kosten der Arbeitslosigkeit werden seit langer Zeit vom IAB, dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, bearbeitet und ermittelt. Uns liegen Zahlen bis 2007 vor. Diese Zahlen werden im Augenblick überarbeitet. Wir gehen davon aus, dass das bis zum Sommer dieses Jahres geschehen sein wird. Ich kann Ihnen daher nur mit Angaben bis zum Jahr 2007 helfen und möchte dies nur vorbemerkt haben, damit Sie diese Zahlen nicht einfach hochrechnen; denn die Zeit dazwischen hat Veränderungen gebracht. Im Jahr 2007 betrugen die gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit pro einzelnem Arbeitslosen 17 900 Euro pro Jahr. Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Kollegin Zimmermann, Ihre erste Nachfrage. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Danke schön, Herr Präsident. – Danke schön, Herr Staatssekretär. Herr Fuchtel, ich freue mich immer wieder, wenn wir beide uns über Schlecker unterhalten. Wenn Sie sich erinnern: Vor zwei Jahren waren wir schon einmal an dem Thema dran. Es stimmt: Vom IAB werden die Kosten auf rund 18 000 Euro geschätzt. Meine Frage ist: Wenn Sie das Geld in Arbeitsplätze investieren würden, würde unter dem Strich nicht mehr dabei herauskommen, als wenn wir weiterhin die Arbeitslosigkeit finanzierten? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ich wäre froh darüber, wenn wir uns hier nicht über Schlecker unterhalten müssten und wenn die Situation nicht so wäre, wie sie bei Schlecker eingetreten ist. Dies als erste Bemerkung. Das Zweite. Ich habe schon vermutet, dass Ihre Frage in diese Richtung geht nach dem Motto: Wenn wir jetzt einen bestimmten Prozentsatz von Arbeitslosigkeit haben, dann muss das auf diese Weise in Bezug auf den Einzelfall gerechnet werden. – Wenn wir einen solchen Weg gehen, dann landen wir wieder bei den alten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, wie wir sie vor vielen Jahren schon einmal gehabt haben. Das wäre ein Schritt zurück. Deswegen lehnen wir solche Vorgehensweisen nach Berechnungen ab. Das mögen Sie mit Ihrem Weltbild weiterverfolgen; wir tun das nicht. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben jetzt die zweite Nachfrage, Frau Kollegin Zimmermann. Dann gibt es weitere Nachfragen. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Danke schön, Herr Präsident. – Sie wissen, dass es nach dem Gesetz drei Monate lang Insolvenzgeld gibt. Sie wissen auch, dass die Situation bei den Schlecker-Beschäftigten ziemlich dramatisch ist; denn bis zum Ende dieses Monats sollen die ersten Kündigungen ausgesprochen werden. Es ist aber auch so, dass viele -Erkenntnisse noch gar nicht vorliegen, zum Beispiel über die Vermögensverhältnisse von Herrn Schlecker. Aber auch der Insolvenzplan ist unklar. Würden nicht auch Sie dafür plädieren, dass man die Zahlung des Insolvenzgeldes in solchen Situationen verlängern müsste? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Solche Suggestivfragen mag ich schon einmal gar nicht. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was ist das für ein Umgang mit dem Parlament? – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das war eine völlig zulässige Frage!) Ich sage Ihnen: Das Insolvenzgeld ist eine sehr wichtige Möglichkeit, in solchen Fällen zu helfen. Es hat sich in der Form bewährt, wie es bis jetzt gehandhabt wird. Mir sind keine Veränderungsabsichten bekannt. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich habe jetzt weitere Nachfragen, und zwar zunächst von unserer Kollegin Jutta Krellmann. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau von der Leyen hat vor kurzem gesagt, dass die Beschäftigten im Grunde genommen im besten Fall in einer Transfergesellschaft gezielt weitergebildet werden könnten. Wenn es gut läuft, dann können sie eventuell, schon bevor sie arbeitslos werden, direkt eine Anschlussbeschäftigung bekommen. Meine konkrete Frage ist: Haben Sie Erkenntnisse darüber, wie es hinsichtlich des Verbleibs von Beschäftigten in Transfergesellschaften aussieht, und wie sind Ihre Erfahrungen dazu? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Generell ist das Instrument der Transfergesellschaft nichts Neues; auch uns beiden Sozialpolitikern ist es gut bekannt. Eigentlich könnte man davon ausgehen, dass sich herumgesprochen hat, dass dies in vielen Fällen ein durchaus gangbarer Weg ist. Wir haben in der Vergangenheit erlebt, wie über Transfergesellschaften Maßnahmen der Weiterbildung erfolgt sind, die bessere Vermittlungsmöglichkeiten geschaffen haben. Angesichts der jetzt doch sehr guten Arbeitsmarktlage ist die Chance für erfolgreiche Vermittlungen besser, als wir es in der -vergangenen Zeit erleben mussten. Auch dank Transfergesellschaften hat es Möglichkeiten gegeben, Beschäftigung für Arbeitsuchende zu finden. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Nachfrage durch unsere Kollegin Heidrun Dittrich. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Ich hatte noch eine Anschlussfrage!) – Nein, immer nur eine. Bitte schön, Frau Kollegin Heidrun Dittrich. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Danke schön, Herr Präsident. – Nach Aussage der Ministerin von der Leyen haben Verkäuferinnen günstige Arbeitsmarktchancen. Das müsste auch auf die Schlecker-Verkäuferinnen zutreffen. In der Zeitung Welt am Sonntag stand am 4. März 2012 – ich zitiere –: Die Zeit ist günstig. Zurzeit brummt der Arbeitsmarkt, alleine für Einzelhandelskaufleute gibt es derzeit über 20 000 offene Stellen. Meine Frage an Sie – keine Suggestivfrage, sondern eine klare Frage –: Ist Ihnen bekannt, dass den 25 000 offenen Stellen in den Verkaufsberufen 300 000 gemeldete Arbeitslose dieses Berufszweiges gegenüberstehen? Das entspricht einem Verhältnis von eins zu zwölf. Hält es die Bundesregierung immer noch für richtig, zu -sagen: „Es gibt eine gute Arbeitsmarktperspektive für Verkäuferinnen und vor allem für die Verkäuferinnen von Schlecker“? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Gerade dieser Arbeitsmarkt ist sehr flexibel und von sehr vielen Komponenten geprägt. Hier muss man -bedenken, dass gerade Menschen, die bis jetzt in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, praktisch auf dem aktuellen Stand der Kenntnisse sind und natürlich besonders gute Chancen haben, in eine weiterführende Tätigkeit vermittelt zu werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Nachfrage durch unseren Kollegen Michael Schlecht. Michael Schlecht (DIE LINKE): Wenn die Bereitschaft besteht, eventuell in Transfergesellschaften Geld zu investieren, und wenn auf der anderen Seite aus den ersten Ausführungen von Ihnen klar ist, dass die arbeitslosen Schlecker-Beschäftigten allein im ersten Jahr Kosten von weit über 200 Millionen Euro verursachen würden – die entsprechenden Mittel könnte man anderweitig sinnvoller investieren –, stellt sich die Frage, ob sich die Bundesregierung nicht überlegen könnte, über Belegschaftsbeteiligungsmodelle Hilfen zu gewähren, wie sie in Teilen der Gewerkschaft Verdi in unterschiedlicher Form diskutiert werden. Solche Hilfen könnten eine Chance sein, das Unternehmen Schlecker weiterzuführen. Gibt es in dieser Richtung ansatzweise Überlegungen, oder ist da bei Ihnen nur eine komplette Ablehnung festzustellen? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Zunächst dürfen Sie nicht den Fehler machen, die Zahl, die ich vorhin genannt habe, auf ein Jahr hochzurechnen. Niemand von uns beiden weiß nämlich, ob die betroffenen Personen ein Jahr lang arbeitslos sind. Wir alle erhoffen natürlich, dass Anschlussbeschäftigungen gefunden werden. Am besten wäre es, wenn es zu einer Weiterbeschäftigung im Rahmen der jetzigen Tätig--keiten kommen könnte. Die Frage, die Sie stellen, richtet sich zunächst einmal natürlich an die Akteure: Das sind vor allem diejenigen Personen und Institutionen, die an dem Insolvenzverfahren beteiligt sind. Hier sind natürlich immer Ideen -gefragt. Diese Ideen müssen dahin gehend überprüft werden, inwieweit sie mit den vorhandenen Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik begleitet werden könnten. Daraus entwickeln sich in aller Regel Konzepte. In dieser Phase befindet man sich zurzeit. Insoweit besteht die Aufgabe der Beteiligten darin, sich zu überlegen, welche Wege man in dieser Phase finden kann. Es ist bekannt, dass es durchaus immer wieder vorkommt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus einer solchen Situation heraus zu einem Engagement im Unternehmen finden. Dem kann ich an dieser Stelle natürlich nicht vorgreifen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Alle weiteren Fragen zu diesem Geschäftsbereich – die Frage 29 der Kollegin Britta Haßelmann sowie die Fragen 30 und 31 des Kollegen Gustav Herzog – werden schriftlich beantwortet. Als letzten Geschäftsbereich rufe ich jetzt das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf. Im Anschluss daran – ich darf das gleich ankündigen – kommen wir zu unserer Aktuellen Stunde. Zur Beantwortung steht uns nun der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerd Müller zur Verfügung. Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Friedrich Ostendorff auf: Haben das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bzw. dessen Vorgängerministerien für den ehemaligen Staatssekretär des Hauses (1949 bis 1961) Johannes Carl Adolf Theodor Sonnemann († 6. September 1987) einen ehrenden Nachruf (oder eine ähnliche Würdigung) verfasst, und, wenn ja, wurde die Ehrwürdigkeit jemals überprüft? Bitte schön. Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da hat sich das Warten doch gelohnt. – Die Antwort: Aus der vom Bundesarchiv in Sankt Augustin kurzfristig beschafften Personalakte geht hervor, dass für Herrn Staatssekretär a. D. Dr. Dr. h. c. Sonnemann am 10. September 1987 ein Nachruf im General-Anzeiger Bonn veröffentlicht worden ist. Er liegt mir vor. In diesem Nachruf erfolgte eine Ehrung seiner für die Bundesrepublik Deutschland erbrachten Leistungen. Staatssekretär a. D. Dr. Sonnemann war nicht Gegenstand der von Bundesministerin a. D. Künast in Auftrag gegebenen und Ende 2007 fertiggestellten Untersuchung – Bewertung der Lebensläufe von insgesamt 62 ehemaligen noch lebenden Bediensteten des heutigen BMELV im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus –, da er zum Zeitpunkt der Erteilung des Untersuchungsauftrages bereits seit 18 Jahren verstorben war. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Kollege Friedrich Ostendorff. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es mag vielleicht verwundern, dass genau auf eine Person bezogen von mir nachgefragt wurde. Ich glaube, zu dem sogenannten Dornheim-Gutachten, das hier erstellt worden ist, ist schon zu fragen, ob jemand, der so exponiert im landwirtschaftlichen System gearbeitet hat wie Herr Sonnemann – er war lange Zeit auch Generalsekretär des Deutschen Raiffeisenverbandes, er war zwölf Jahre Staatssekretär, und er war ganz sicher ein Überzeugungstäter in der Zeit des Nationalsozialismus; zu dem Schluss kommt man, wenn man sein Leben und Wirken sieht –, nicht auch von diesem Gutachten erfasst werden sollte. Es setzt ja mit dem Jahr 1903 ein. Meine Frage an Sie wäre also: Sind Sie angesichts dieser Erfahrung bereit, die Untersuchung auf Menschen auszuweiten, die vor 1903 geboren worden sind und auch schon nicht mehr leben? Wir schreiben das Jahr 2012; da werden nur ganz wenige aus diesen Jahrgängen überhaupt noch unter uns sein. Aber die Frage bleibt doch, ob man die Untersuchung nach der Erfahrung mit dem Dornheim-Gutachten, auf das Sie hingewiesen haben, nicht ausdehnen sollte, wenn man eine saubere Analyse der Vergangenheit vornehmen will. Sind Sie also bereit, das auszudehnen? Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Kollege, ich habe darauf verwiesen, dass Frau Bundesministerin a. D. Künast diese Untersuchung in Auftrag gegeben und den Personenkreis so gefasst hat, wie er beschrieben worden ist. Ein weiteres Gutachten über verstorbene ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BML oder BMELV ist nicht geplant. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Herr Kollege. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da verzichte ich auf eine Nachfrage, aber gestatten Sie mir bitte eine Bemerkung. Wir haben in der letzten Woche im Kulturausschuss eine Anhörung zu diesem Fragenkomplex durchgeführt. Ich bitte das Haus, darüber nachzudenken, ob man das Dornheim-Gutachten nicht ausweiten sollte, und uns Nachricht zu geben, wenn das positiv beschieden wird. Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Vielen Dank. Nachdenken ist immer gut. Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die Beantwortung der weiteren Fragen werden wir entsprechend der Geschäftsordnung vornehmen. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Tarifeinheit sicherstellen – Tarifzersplitterung vermeiden Erster Redner unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Hubertus Heil. Bitte schön, Kollege Hubertus Heil. (Beifall bei der SPD) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Tarifautonomie ist ein zentraler Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Wir Sozialdemokraten machen deutlich: Dazu gehört auch die bewährte Tarifeinheit. Tarifautonomie und Tarifeinheit gehören zusammen, weil sie eine Zersplitterung des Tarifvertragssystems bisher verhindert haben, weil so einer Spaltung von Belegschaften entgegengewirkt wurde und weil wir ein System hatten – so muss man ja sagen –, das eine Vervielfachung kollektiver Konflikte vermieden hat. In einem Wort: Tarifautonomie und Tarifeinheit sind sowohl im Interesse der Unternehmerinnen und Unternehmer, der Wirtschaft in Deutschland, als auch der Beschäftigten in diesem Land. Wir haben seit 2010, seit zwei Urteilen des Bundesarbeitsgerichtes, die Situation, dass diese Tarifeinheit zukünftig zerbrechen kann. Wir haben die Aktuelle Stunde deshalb beantragt, Frau Ministerin, weil wir erleben, dass trotz vielfältiger Ankündigungen der Bundeskanzlerin und auch von Ihnen in der vergangenen Woche seit 2010 in diesem Bereich nichts passiert ist. Diese Bundesregierung ist nicht in der Lage, die zentralen Probleme dieses Landes anzupacken, weil sie sich wechselseitig blockiert. Das gilt auch für eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sabine Zimmermann [DIE LINKE]) Zur Erinnerung: Das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes lässt in der Begründung explizit offen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit hat, die Dinge, die die Tarifeinheit betreffen, auch gesetzgeberisch zu regeln. Daraufhin gab es eine gemeinsame Initiative der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit der Forderung, die Tarifeinheit in Deutschland gesetzlich zu regeln. Im November 2010 gab es eine persönliche Zusage der Bundeskanzlerin, innerhalb von wenigen Monaten, bis Januar 2011, die Dinge auf den Weg zu bringen. Was wir dann erlebt haben, ist typisch Schwarz-Gelb, nämlich die Tatsache, dass Sie im Wesentlichen nur in der Lage sind, sich wechselseitig zu blockieren – mit dem Ergebnis, dass Sie inzwischen Koalitionsausschüsse veranstalten, wo Sie Streitpunkte nicht einmal mehr auf die Tagesordnung setzen. Ich habe das noch anders in Erinnerung – ich habe früher in anderer Funktion Koalitionsausschüsse vorbereiten dürfen –: Das sind Clearingstellen, um Probleme zu lösen, wenn es in der Koalition hakt. Was Sie am vergangenen Sonntag gemacht haben, ist etwas anderes: Sie haben „Mensch ärgere dich nicht“ gespielt. Sie haben sich zusammengesetzt und Punkte abgenickt, die auf Arbeitsebene ohnehin unstrittig waren. Aber Sie waren zu feige, so ein Thema wie die Tarifeinheit, das Sie, Frau Ministerin, noch in der vergangenen Woche im Morgenmagazin angesprochen haben, auf die Tagesordnung zu setzen, (Beifall bei der SPD) weil Sie genau gewusst haben, dass Sie mit der FDP auch an diesem Punkt nicht vorankommen. Ich sage Ihnen, dass wir schon im Sommer 2010 bereit waren, mit Ihnen gemeinsam nach einer gesetzlichen Regelung zu suchen. Damals gab es ein Schreiben unseres Fraktionsvorsitzenden, Frank-Walter Steinmeier, und des Ministerpräsidenten Kurt Beck an die Bundeskanzlerin mit dem Angebot, in diesem juristisch zugegebenermaßen nicht einfachen Bereich nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen. Wir sagen heute: Es ist noch nicht zu spät. Wer nicht will, dass die soziale Marktwirtschaft Schaden nimmt, wer nicht will, dass Spartengewerkschaften sich auf Kosten von Gesamtbelegschaften einen schlanken Fuß machen können, wer nicht will, dass es eine unverhältnismäßige Zunahme von Tarifauseinandersetzungen und Streiks in Deutschland gibt, der muss in diesem Bereich vorankommen. Wir reichen Ihnen die Hand zu einer Lösung, aber wir erwarten von dieser Bundesregierung, namentlich von der Bundesarbeitsministerin, dass sie endlich einen Gesetzentwurf auf den Tisch legt. Das ist Ihr Job, Frau von der Leyen, und da haben Sie seit zwei Jahren nichts zustande gebracht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir erwarten zudem, dass dieser Gesetzentwurf auf den gemeinsamen Vorschlägen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und des Deutschen Gewerkschaftsbundes basiert und dass diese Vorschläge mit den Sozialpartnern in Deutschland besprochen werden. Das ist uns ganz wichtig. Ich sage Ihnen auch, was passiert, wenn nichts passiert – das werden wir in kürzerer Zeit erleben –, dass nämlich die Tariflandschaft in Deutschland immer mehr zersplittert, dass kleine wirkungsmächtige Spartengewerkschaften ganze Belegschaften bzw. ganze Betriebe lahmlegen, um ihre speziellen Interessen durchzusetzen. Und ich sage Ihnen: Diese Form von Entsolidarisierung und wirtschaftlicher Unsicherheit, die wir in einigen Bereichen schon jetzt beobachten können, beispielsweise am Frankfurter Flughafen – das ist Gott sei Dank durch Arbeitsgerichte abgewendet worden –, dürfen Sie nicht auf Ihre Kappe nehmen. Deshalb appelliere ich vor allen Dingen an die Kollegen der CDU/CSU – wir wissen, dass es in Ihren Reihen viele gibt, die in diesem Bereich mit uns vorankommen wollen; wir wissen auch, dass die FDP Sie aus ideologischen Gründen im Moment daran hindert –: Werfen Sie Ihr Herz über die Hürde! Tarifeinheit und Tarifautonomie in Deutschland sind viel zu wichtig, als dass in dieser Frage der Koalitionsfrieden darübergestellt werden sollte. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Nicht mit nacktem Finger auf angezogene Leute zeigen!) Ich sage Ihnen noch einmal: Wir sind zu Gesprächen bereit; wir erwarten aber von der Bundesregierung, namentlich von der Bundesarbeitsministerin, dass sie ihren Job macht. Frau von der Leyen, bisher muss man feststellen: viele Interviews und warme Worte zu diesem Thema, aber keine Taten – das ist zu wenig. Machen Sie Ihren Job! Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Hubertus Heil. – Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU, unser Kollege Karl Schiewerling. Bitte schön, Kollege Schiewerling. (Beifall bei der CDU/CSU) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Heil, was Sie hier inszeniert haben, ist haarscharf am Ziel vorbeigeschossen. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Das Thema – das wissen Sie genauso gut wie ich – ist hochkomplex und hochkompliziert, weil es sich um eine sehr schwierige Rechtsmaterie handelt. (Caren Marks [SPD]: Zu kompliziert für die Regierung, oder was?) Als vor etwa eineinviertel Jahr, im Juli 2010, das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes erlassen wurde, in dem der Vierte und der Zehnte Senat erstmals den Grundsatz der Tarifeinheit nicht mehr als Bestandteil angesehen, sondern aufgegeben haben, standen wir alle miteinander vor der Frage, wie wir das Problem lösen können. Es ist richtig: BDA und DGB haben uns gemeinsam einen Brief geschrieben, damit diese Dinge gelöst werden. Wir haben dann festgestellt, dass das so einfach offensichtlich nicht ist. Zwischenzeitlich ist von den Gewerkschaften Verdi ausgeschieden und beteiligt sich nicht mehr daran. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Nur zu sagen: „Nehmt das als Grundlage; schafft damit eine Lösung“, wo Sie genau wissen, dass wichtige Teile der Tarifpartnerschaft dies nicht mitmachen – so einfach geht das nicht. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Das hätte in die erste Rede mit hineingehört! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie haben zwei Jahre nichts getan!) Was hat es nicht vor einem Jahr alles an Auguren gegeben, die prophezeit haben, was alles zusammenbricht. In diesem einen Jahr, seitdem das gilt, wurde nicht eine einzige Spartengewerkschaft neu gegründet, (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Fünf Stück, Karl! Fünf! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Warum sieht Frau von der Leyen jetzt Handlungsbedarf?) und es gab bisher keine weiteren Verwerfungen in diesem Bereich. Ich gestehe aber gerne zu: Einen Streik wie den jetzt am Frankfurter Flughafen, bei dem die Bevölkerung und die Öffentlichkeit in dieser Form einbezogen wurden, haben wir noch nicht erlebt. Deswegen suchen wir derzeit gemeinsam mit der Bundesregierung innerhalb des gesetzlichen Rahmens nach einer Lösung, wie wir damit umgehen können. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wie lange suchen Sie denn noch?) Ich will Ihnen sagen: Wir erhalten Signale sowohl von den Gewerkschaften als auch von den Arbeitgebern. Die einen sagen: Tut nichts, das wird sich regeln. Die anderen sagen: Macht bitte sofort eine gesetzliche Regelung. Die Wahrheit lautet doch: Art. 9 Abs. 3 der Verfassung regelt die Koalitionsfreiheit, und zwar in einer derart stringenten Form, dass diese explizit nicht nur für jedermann – also den einzelnen Arbeitnehmer –, sondern auch für „alle Berufe“, wie es heißt, gilt. Auf der anderen Seite der Skala haben wir ein hohes Gut, nämlich das hohe Gut des betrieblichen Friedens. Wir müssen eine vernünftige Lösung irgendwo dazwischen finden. Ich will Ihnen deutlich sagen – da mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube –, dass die Auseinandersetzungen, die wir jetzt erleben, einer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes geschuldet sind, die immer mehr und immer stringenter das Individuum in den Mittelpunkt stellt und immer mehr Details auflöst, sodass wir vor großen Herausforderungen stehen, wie wir diese Gesellschaft bis hinein in den Arbeitsmarkt zusammenhalten können. Das ist eines der Kernprobleme. Damit folgt das Bundesarbeitsgericht einer gesamtgesellschaftlichen Strömung, in der wir uns befinden. Das gilt ja nicht nur im Bereich der Tariflandschaft oder im Bereich der Arbeitswelt, sondern wir erleben in der gesamten Gesellschaft eine Individualisierung und eine Ausdifferenzierung, die es uns zunehmend schwer machen, die Dinge zusammenzuhalten. Die Bundesarbeitsministerin hat die Initiative ergriffen. Sie ist in diesem schwierigen rechtlichen Feld unterwegs, um nach einer Lösung zu suchen. Auch in unserer Fraktion gibt es eine Arbeitsgruppe Tarifeinheit, deren Arbeit genau an diesem Punkt ansetzt. Wir haben uns vorgenommen, gemeinsam mit dem Koalitionspartner in absehbarer Zeit zu einer Lösung zu kommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herr Kollege Heil, ich will Ihnen sehr deutlich sagen: Hier geht es nicht um die unterschiedlichen Ansichten, die die Fraktionen haben, sondern es geht letztendlich um die Frage, wie wir die Probleme gemeinsam lösen können. Vor dieser Frage stehen wir alle miteinander. Auch wir wollen nicht, dass der Betriebsfrieden gestört wird. Wir wollen auch nicht von uns aus alles daransetzen, dass möglicherweise große volkswirtschaftliche Schäden auftreten. Wir wollen dies vernünftig lösen. Im Übrigen: Manche Streikaktionen, die wir erlebt haben, hätten genauso gut von einer Flächengewerkschaft durchgeführt werden können, die einen Bereich punktuell lahmlegt. Die Vorfeldmitarbeiter beim Frankfurter Flughafen hätten genauso gut bei Verdi organisiert sein können. Verdi hätte zur Durchsetzung seiner Interessen genau diese 200 Mitarbeiter streiken lassen können; (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Ingo Egloff [SPD]: Das ist ein Unterschied!) dann gäbe es dieselben Entwicklungen. Wir haben nicht die Aufgabe, dies zu bewerten. Eine Gewerkschaft, die nicht streiken kann, ist keine Gewerkschaft. Das ist ihr gutes Recht; das gehört zu ihren -Aufgaben. Wir müssen aber dafür sorgen, dass die Tarifautonomie in Deutschland gewahrt bleibt, dass der Betriebsfrieden nicht gestört wird, dass die Umsetzung von Art. 9 der Verfassung gesichert bleibt. Wir müssen auch alles daransetzen, dass für Betriebe, in denen mehrere Gewerkschaften für eine Personengruppe zuständig sind, Wege und Verfahren gefunden werden, damit sich diese Gewerkschaften gemeinsam verständigen, wenn sie mit dem Arbeitgeber verhandeln. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]) Ich glaube, dass wir hier miteinander auf einem guten Weg sind. Wir freuen uns, dass die SPD in dieser Frage konstruktiv mitarbeitet; wir erwarten das sogar. Ich bin gespannt, ob Sie die Lösungen, die wir finden, unterstützen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, wann denn?) Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Schiewerling. – Nächster Redner für die Fraktion Die Linke ist unser Kollege Michael Schlecht. Bitte schön, Kollege Michael Schlecht. (Beifall bei der LINKEN) Michael Schlecht (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Woche streiken die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, um endlich mit Lohndumping bzw. viel zu niedrigen Einkommen Schluss zu machen. Dies wäre eigentlich ein Anlass, um hier im Bundestag darüber zu diskutieren, wie dieser Arbeitskampf unterstützt werden kann, wie vor allen Dingen die Regierung dazu gedrängt werden kann, Gelder für eine Lohnerhöhung um 6,5 Prozent, mindestens 200 Euro, bereitzustellen. Bei Bankenrettungen ist so etwas üblich: Da werden die Milliarden im Blitztempo bereitgestellt. (Zuruf von der CDU/CSU: Hier geht es um Bargeld und um keinen Kredit!) Aber was erleben wir diese Woche hier im Parlament? Die SPD will diese Debatte nicht. Sie will lieber darüber debattieren, wie das Streikrecht eingeschränkt werden kann; darauf läuft diese Debatte um die Tarifeinheit doch hinaus. (Beifall bei der LINKEN – Anette Kramme [SPD]: Woraus entnehmen Sie das denn? – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Oijoijoi! – Weiterer Zuruf von der SPD: Sie haben gar nichts verstanden!) Was ist das für eine Perversion! So wird der letzte Rest an Sozialdemokratie aus der SPD hinausgetrieben. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wunsch-denken!) Wenn Tarifeinheit gesetzlich erzwungen wird, dann läuft das immer auf die Einschränkung des Streikrechtes hinaus. Dazu sagen wir ganz klar Nein. (Beifall bei der LINKEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: FDP und PDS! – Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Eine interessante Koalition zwischen FDP und Linken! Das muss ich wirklich sagen!) Im Gegenteil: Wir brauchen in diesen Zeiten eher eine deutliche Ausweitung des Streikrechtes. Es wäre hier eine Debatte darüber zu führen, dass wir endlich eine Klarstellung hinsichtlich des Rechtes auf Solidaritätsstreik brauchen, und zwar unbeschränkt, ohne dass sich ein Arbeitsrichter darüber hermacht und die Verhältnismäßigkeit nach seiner Vorstellung durchdekliniert. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Von sozialer Marktwirtschaft haben Sie keine Ahnung!) Wir brauchen endlich eine Klarstellung, dass politische Streiks unbeschränkt legal sind. (Beifall bei der LINKEN) In vielen anderen zivilisierten Ländern ist das doch selbstverständlich, nur bei uns nicht. Das ist doch eigentlich irre. (Beifall bei der LINKEN) Für gewerkschaftliches Handeln ist es wichtig, dass sich die Stärkeren zugleich für die Schwächeren einsetzen; das ist vollkommen klar. Dass Fluglotsen, Ärzte, Piloten und Lokführer für ihre Interessen eintreten und auch streiken, ist ihr gutes Recht. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die treten aber nur für ihre eigenen Interessen ein! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie sind für Entsolidarisierung!) Zugleich ist es aber problematisch, weil sie ihre besondere Kampfkraft häufig nur für sich und nicht auch für die Krankenschwester, die Stewardess und den Zugbegleiter einsetzen. Aber die Zusammenführung der verschiedenen Gruppen zu gemeinsamem gewerkschaftlichem Handeln muss politisch vorangebracht werden; das darf nicht durch gesetzliche Maßnahmen, die immer eine Einschränkung des Streikrechts bestimmter Gruppen bedeuten, geregelt werden. Dazu hat es im Übrigen – man muss das einmal zur Kenntnis nehmen – einen länger als ein Jahr andauernden Diskussionsprozess in meiner Gewerkschaft Verdi gegeben. Am Anfang gab es dort durchaus Überlegungen, solche Wege mitzugehen. Nach einem Jahr einer ganz breiten Diskussion an der Basis stand am Ende eine ganz klare Botschaft: Nein, keinerlei Einschränkungen des Streikrechtes. Die Dinge müssen politisch geregelt werden. (Beifall bei der LINKEN) Wir müssen uns auch einmal vor Augen führen, weshalb es zu diesen Problemen und dieser Zersplitterung gekommen ist. Das hat – das sage ich Ihnen ganz deutlich – viel damit zu tun, dass SPD und Grüne gerade in den letzten Jahrzehnten die Handlungsmacht der Gewerkschaften geschwächt haben. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: So ein Unsinn!) Wer befristet arbeitet, hat es viel schwerer, zu streiken. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: So ein Scheiß!) – Ihre Schimpfworte sind aber sehr unparlamentarisch. – Wer verliehen ist, schafft das nur in Ausnahmefällen. Weil so die Verhandlungsergebnisse für die Gewerkschaften gerade in den letzten zehn Jahren immer schlechter wurden, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie sind ja ein Märchenonkel!) fühlten sich manche Beschäftigtengruppen besonders benachteiligt und kamen in die Versuchung, ihren Vorteil im isolierten Kampf zu suchen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Deshalb gingen die zu Cockpit! Das ist ja eine tolle Theorie!) – Sie haben doch gar keine Ahnung von der Arbeitswelt. Seien Sie doch ruhig! (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist aber auch nicht gerade parlamentarisch!) Heute erleben wir, wie sich die Hauptverantwortlichen für dieses politische Desaster – ich meine Rot-Grün und insbesondere die SPD –, hier hinstellen und sich für eine Einschränkung des Streikrechts aussprechen. Das schlägt dem Fass doch wirklich den Boden aus. Jetzt, nachdem wir zehn Jahre die Agenda 2010 mit all ihren negativen Entwicklungen erlebt haben, (Ingo Egloff [SPD]: Wo ist denn da das Streikrecht eingeschränkt worden? Das ist doch Quatsch, was Sie da erzählen!) setzt die SPD also noch einen obendrauf, indem sie sich zum Befürworter einer Einschränkung des Streikrechts macht, und stellt sich damit auch gegen die Gewerkschaften. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: So ein Blödsinn!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der FDP unser Kollege Heinrich Kolb. Bitte schön, Kollege Heinrich Kolb. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst einmal für meine Fraktion festhalten: Die Koalitionsfreiheit ist ein hohes, verfassungsrechtlich geschütztes Gut. Art. 9 Abs. 3 lautet – ich zitiere –: Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Damit ist klar: Die Bildung von Spartengewerkschaften wird man nicht verhindern können. Die Frage ist allerdings, Kollege Heil, in welchem rechtlichen Rahmen diese Gewerkschaften tarifpolitisch agieren dürfen. Das ist im Kern die Frage nach der Zulässigkeit von Streiks dieser Gewerkschaften; das hat der Kollege Schlecht richtig betont. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Der Begriff heißt Friedenspflicht!) Zulässig sind Streiks, wenn sie zur Durchsetzung der Tarifforderungen geeignet, erforderlich und angemessen – also in einem engeren Sinne verhältnismäßig – sind. Herr Kollege Heil, Sie haben die Situation am Frankfurter Flughafen angesprochen. Viele Menschen in unserem Lande hatten bei den jüngsten Streiks der Vorfeldlotsen in Frankfurt das Gefühl: Wenn 200 Leute für eine Lohnerhöhung um 40 bis 70 Prozent streiken und 15 000 Kollegen des Unternehmens für ihre Forderung gleichsam in Mithaftung nehmen, dann ist das nicht mehr verhältnismäßig. Welche Auswirkungen das auf den Betriebsfrieden hat, kann sich jeder Arbeitnehmer – und sogar Außenstehende – gut vorstellen. Ich selbst muss bei aller Zurückhaltung, die die Achtung der Tarifautonomie und auch das Gebot der Nichteinmischung in einen offiziell noch nicht beendeten -Tarifkonflikt gebieten, sagen: Das Gefühl der Unverhältnismäßigkeit hat sich auch bei mir mit zunehmender Dauer des Streiks immer stärker eingestellt. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Bei Gericht!) Aber ich habe mich auch gefragt – Herr Kollege Krings, Sie sprechen es an –, warum das betroffene Unternehmen so lange gezögert hat, (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sehr wahr!) bis es eine gerichtliche Überprüfung der Verhältnismäßigkeit beantragte. Ich meine schon: Bevor der Gesetzgeber auf den Plan gerufen wird, müssen die Betroffenen selbst die bereits bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Doch zum eigentlichen Punkt. Wir beobachten die Situation nach der Aufgabe der Tarifeinheit durch das Bundesarbeitsgericht sehr aufmerksam und genau und stellen uns fortlaufend die Frage, ob und welche Maßnahmen auch von gesetzgeberischer Seite zur Wahrung und Wiederherstellung der Verhältnismäßigkeit von Streiks geboten sind. Das gilt naturgemäß besonders in Bereichen der Daseinsvorsorge. Dazu will ich Ihnen sagen, Herr Kollege Heil: Ganz sicher keine Maßnahme zur Wahrung oder Herstellung der Verhältnismäßigkeit von Streiks ist eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit. Denjenigen, die wie Sie den Streik am Frankfurter Flughafen zum Anlass nehmen wollen, um für alte Forderungen nach einer Wiederherstellung der Tarifeinheit Rückenwind zu entfachen, muss man Folgendes entgegenhalten: Erstens ist es falsch, von einer Wiederherstellung der Tarifeinheit zu sprechen; denn auch vor der Entscheidung durch das Bundesarbeitsgericht – das wissen Sie nur zu gut – gab es bei den hauptsächlich betroffenen ehemaligen Staatsunternehmen Lufthansa, Deutsche Bahn usw. keine Tarifeinheit, sondern eine verhandelte Tarifpluralität. Zweitens wären, weil das betriebsbezogene Mehrheitsprinzip nach dem Vorschlag von BDA und DGB gelten soll, Streiks von kleineren Gewerkschaften, die in einem Betrieb die stärkste Gewerkschaft sind, unverändert möglich. Mit Blick auf den Frankfurter Flughafen sage ich: Die Deutsche Flugsicherung – ein selbstständiges Unternehmen im Eigentum des Bundes – muss mit der GdF, die dort Mehrheitsgewerkschaft ist, Tarifverträge schließen. Da änderte sich nichts. Deswegen ist das aus unserer Sicht kein geeigneter Weg. Es gibt eine ganze Reihe von Vorschlägen, die darauf abzielen, ohne eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit die Verhältnismäßigkeit von Streiks zu wahren oder herzustellen. Ich schließe ausdrücklich nicht aus, dass der Gesetzgeber in diesem Sinne tätig werden könnte. Ein Königsweg drängt sich mir allerdings nicht auf. Die Vorschläge reichen von einer Koordinierung der Tariflaufzeiten, von obligatorischen Schlichtungsverfahren, Quoren für streikende Gewerkschaften und Vorankündigungspflichten bis hin zur Forderung nach einer Regelung zur lösenden Aussperrung, was bei streikenden Funktionseliten – Ärzten, Piloten, Lokführern – in der Praxis wohl eher nicht in Betracht kommen dürfte. Die FDP-Bundestagsfraktion wird sehr zeitnah in einer erneuten Gesprächsrunde zunächst mit Professoren und Wissenschaftlern und dann mit Gewerkschaften und betroffenen Unternehmen auch im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit Handlungsbedarf und Handlungsoptionen ausloten. Dann werden wir Gespräche mit unserem Koalitionspartner führen. Klar scheint mir, dass der Gesetzgeber dort, wo Korrekturen am Streikrecht vorgenommen werden müssen, Neuland beschreitet, weil das Streikrecht bisher reines Richterrecht ist. Ich ahne, dass sich die Begeisterung über regelnde Eingriffe in das Streikrecht sowohl bei den Arbeitgebern als auch bei den Gewerkschaften, Spartengewerkschaften und DGB gleichermaßen, doch sehr in Grenzen halten würde. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Jedenfalls dann, wenn es ernst wird!) Die wenigen Ansätze, die sich außerhalb des Streikrechts bewegen, zum Beispiel die Missbrauchskontrolle durch das Kartellrecht, sind eher bei groben Fällen des Machtmissbrauchs durch eine Gewerkschaft hilfreich. Insgesamt gebe ich zu bedenken: Die Zahl der Streiktage in Deutschland ist nicht gestiegen – darauf hat der Kollege Schiewerling hingewiesen –; sie hat sich im Jahre 2010 sogar halbiert. Es gibt keine Gründungswelle bei den Spartengewerkschaften. Englische Verhältnisse sind in Deutschland – zum jetzigen Zeitpunkt kann man das sehr klar sagen – nicht zu befürchten. Deswegen rate ich dazu, mit Augenmaß vorzugehen. Damit sind wir gut beraten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin Beate Müller-Gemmeke. Bitte schön, Frau Kollegin. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem BAG-Urteil zur Tarifeinheit kündigte Bundeskanzlerin Merkel bereits 2010 eine Gesetzesinitiative an. Wie so häufig gab es interne Schwierigkeiten innerhalb der Koalition. In der Folge ist das Thema wieder eingeschlafen. Die 200 Beschäftigten auf dem Vorfeld des Frankfurter Flughafens haben jetzt erneut das politische Berlin aufgescheucht. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Mich nicht!) Natürlich konnte Ankündigungsministerin von der Leyen nicht stillhalten und hat letzte Woche über alle Kanäle eine Initiative der Bundesregierung angekündigt. Verheißungsvolle Ankündigungen sind aber zu wenig. Wie bei vielen anderen, vor allem sozialen Themen ist konkretes Handeln gefordert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eine gesetzlich normierte Tarifeinheit ist wahrlich kein einfaches Thema. Vor allem muss gut überlegt sein, ob man solch eine Initiative überhaupt angehen möchte und ob sie notwendig ist. Für unsere Fraktion kann ich Ihnen sagen, dass dieser Diskussionsprozess noch nicht abgeschlossen ist. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Tatsächlich?) Die Wirtschaft befürchtet, dass mit immer mehr Spartengewerkschaften die Tarifverhandlungen konfliktreicher werden. Der Streik auf dem Frankfurter Flughafen hat zahlreiche Menschen betroffen, Unverständnis in der Öffentlichkeit hervorgerufen und auch Kosten verursacht. Der Streik hat meiner Meinung nach aber auch gezeigt, dass rechtliche Grenzen existieren. So hat das -Arbeitsgericht den geplanten Solidaritätsstreik der Fluglotsen als unverhältnismäßig eingestuft und letztlich -gestoppt. Es bestehen also funktionierende Kontrollmechanismen, die Unternehmen – trotz Tarifpluralität – schützen. Sachlich gesehen drohen Deutschland keine englischen Verhältnisse. Ich sehe das genauso wie die FDP. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hört! Hört!) – Das soll auch mal vorkommen. – Die Zahl der Streiktage hat sich trotz des BAG-Urteils nicht erhöht, sondern reduziert. Deutschland ist also kein streikgeplagtes Land. Dennoch werden wir die Anliegen und Befürchtungen der Wirtschaft in unsere Überlegungen einbeziehen und ernst nehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für die großen Gewerkschaften sind Spartengewerkschaften natürlich Konkurrenz. Dabei geht es vor allem und zu Recht um den Erhalt der innerbetrieblichen Solidarität. Tarifpolitik muss solidarisch sein. Die Starken dürfen sich nicht nur um sich selbst kümmern und sich nur für ihre eigenen Interessen einsetzen, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sondern sie müssen auch die Schwachen im Betrieb im Blick haben. Auch wir wünschen uns eine solidarische Tarifpolitik, durch die immer Verbesserungen für die gesamte Belegschaft erkämpft werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Etliche Beschäftigte fühlten sich von den großen Einheitsgewerkschaften in der Vergangenheit aber nicht mehr vertreten und haben deswegen selbst die Initiative ergriffen. An diesem Punkt wird das Thema Tarifeinheit richtig schwierig; denn hier geht es um das verfassungsrechtlich garantierte Grundrecht auf Koalitionsfreiheit und um das Streikrecht. Der Vorsitzende der Monopolkommission warnte bereits davor, per Gesetz die Tarifeinheit wieder herzustellen. Wortwörtlich sagte er – ich zitiere –: Ein Zwang für Minderheiten, sich der Mehrheitsgewerkschaft anzuschließen oder das Verhandlungsmandat zwangsweise aufzugeben, wäre kaum grundgesetzkonform, da es die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie verletzen würde. Diese gilt nämlich auch für Minderheiten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dieses Zitat zeigt, dass wir in den kommenden Wochen in diesem Haus sehr ernste Diskussion führen müssen. Wichtig ist, dass die Bundesregierung auf weitere Ankündigungen verzichtet, endlich Position bezieht und handelt, in die eine oder in die andere Richtung. Abschließend möchte ich noch einen Aspekt ansprechen, der mir in dieser Diskussion sehr wichtig ist. Die Bundesregierung, aber auch die Kollegen Heil und Steinmeier begründen ihre Forderung nach Tarifeinheit immer mit der drohenden Zersplitterung der Tariflandschaft. Auch ich warne immer davor. An der Zersplitterung hat das BAG-Urteil aber den geringsten Anteil. Viel wichtiger sind andere Faktoren: die Tarifflucht vieler Arbeitgeber, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Auch das!) Leiharbeit, sachgrundlose Befristung, Werk- und Honorarverträge. Wenn sich die Bundesregierung wirklich um die Zersplitterung der Tariflandschaft sorgt, dann sollte sie endlich etwas dagegen unternehmen: Dann sollte sie einen gesetzlichen Mindestlohn einführen, die Leiharbeit regulieren und die Befristungsmöglichkeiten eingrenzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) All dies wären effektive Maßnahmen, um die Verhandlungskraft der großen Gewerkschaften zu stärken und Spartengewerkschaften zu vermeiden. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Gemmeke. – Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Dr. Günter Krings. Bitte schön, Kollege Dr. Kings. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist gut und wichtig, dass wir unsere Arbeit im Rahmen des Arbeitsmarktrechts und der Tarifpolitik nicht als Auftragsarbeit im Dienste von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden betrachten, sondern es uns erlauben, selber nachzudenken. Wir von der Union tun das. Daher war ich schon vor gut einem Jahr skeptisch, als DGB und BDA das Ansinnen formulierten, den von ihnen fertig ausgearbeitete Gesetzentwurf einfach querzuschreiben. Ich glaube, das ist und darf nicht die Rolle der Politik sein. Ich hoffe, das sehen alle Fraktionen in diesem Hause so, vielleicht nach einigem Nachdenken selbst die SPD. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Der Bundestag sollte den Anspruch haben, eine eigene Lösung zu finden. Daher ist zunächst zu überlegen, ob eine gesetzliche Maßnahme zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt notwendig ist. Es geht nicht um irgendein Recht, um irgendeine Frage, sondern es geht – Kollege Kolb hat das dankenswerterweise schon angesprochen – um Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes und damit um ein ganz wesentliches, verfassungsrechtlich garantiertes Grundrecht. Ich will den Absatz, in dem die Koalitionsfreiheit garantiert wird, nicht komplett vorlesen, sondern nur drei Wörter: „für alle Berufe“. Dort steht nicht: „für alle Betriebsbelegschaften“, sondern: „für alle Berufe“. An diesem Wortlaut muss man erst einmal vorbeikommen, wenn man etwas machen möchte. (Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Genau!) Das Erzwingen der Tarifeinheit hielte ich für einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff, und ich sehe nicht, wie dieser angesichts des Wortlauts unserer Verfassung ohne Weiteres gerechtfertigt werden könnte. Ich bitte insbesondere den Kollegen Heil, den Wortlaut unserer Verfassung an dieser Stelle ernst zu nehmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich schließe mich der Bitte an!) Ich bin sogar ein Stück weit entsetzt darüber, dass BDA und DGB in ihrem Vorschlag die Grundrechtsausübung von einer Mehrheitsentscheidung abhängig machen wollen. Ich will jetzt nicht viel über die Theorie der Grundrechte reden, aber eines sei gesagt: Grundrechte sind Minderheitenrechte. Sie dienen dazu, dem Einzelnen oder einer Minderheit zu einem Recht zu verhelfen. Wenn sie keine Minderheitenrechte wären, bräuchten wir gar keine Grundrechte. Sie wären in einer Demokratie überflüssig, da man sagen könnte: Die Entscheidungen im Bundestag werden mit Mehrheit getroffen; daher muss man gegen staatliche Entscheidungen keine Grundrechte ins Feld führen. Das Konzept der Grundrechte lautet: Minderheiten und Einzelne werden geschützt. Daran kommt man nicht vorbei. Die Union beobachtet die Entwicklung seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Juli 2010, die einige Befürchtungen ausgelöst hat, natürlich genau. Dies gilt auch für die jüngsten Ereignisse am Frankfurter Flughafen; das ist überhaupt keine Frage. Es ist meist schlecht, wenn der Gesetzgeber aufgrund eines aktuellen Ereignisses ein Gesetz verabschiedet. Diese Schnellschüsse führen meistens nicht zu einer guten Lösung, sondern verursachen eher Politikverdrossenheit; denn die Menschen merken, dass man keine Einzelfallgesetze machen kann. Vielmehr muss man strukturell und besonnen auf Probleme reagieren. (Beifall bei der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist eine Kritik an Frau von der Leyen! Mein Gott!) Auch nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus 2010 gibt es keinen signifikanten Anstieg der Gründungen neuer Spartengewerkschaften. Eine typische Spartengewerkschaft in Deutschland ist zum Beispiel der Marburger Bund; er wurde 1947 gegründet. Die Gewerkschaft der Lokomotivführer ist eine der ältesten Gewerkschaften Deutschlands; ihre Vorgängergewerkschaft geht auf das Jahr 1867 zurück. Diese Gewerkschaften wurden nicht auf die Schnelle aus rein egoistischen Motiven gegründet; diese Interessenvertretungen für Arbeitnehmer in Deutschland bestehen schon seit Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten. Der Streik am Frankfurter Flughafen zeigt – daraus können wir etwas lernen –: Schon nach geltendem Recht gibt es Möglichkeiten, den Missbrauch des Streikrechts zu unterbinden. Arbeitsgerichte haben festgestellt, dass ein Solidaritätsstreik aller Fluglotsen für die Vorfeldmitarbeiter unverhältnismäßig, also rechtswidrig ist. Ein anderes Urteil besagt, dass auch der Streik der Vorfeldmitarbeiter selbst rechtswidrig ist. Das beweist: Arbeitgeber sind nicht hilflos, wenn es darum geht, gegen unverhältnismäßige Streikmaßnahmen vorzugehen. Es gibt hier durch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit bereits rechtliche Grenzen. Ich stimme Herrn Kollegen Kolb zu. Auch ich wundere mich etwas darüber, dass die Arbeitgeber erst so spät geklagt haben. In der Fußballersprache könnte man sagen: Die Aktion in Frankfurt scheint nicht nur ein Foul einer Spartengewerkschaft gewesen zu sein, sondern auch eine Schwalbe des Arbeitgebers. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich habe durchaus Verständnis für die Kollegen, die sagen, dass hier von einigen Spartengewerkschaften – in diesem Falle von einer – zu egoistisch vorgegangen wird; dies ist auch mir übel aufgestoßen. Aber wir dürfen Methoden wie die Minimaxstrategie nicht vergessen. Dabei werden wenige in den Streik geschickt, um hohe Wirkung zu erzielen. Das machen auch die großen Gewerkschaften so, zum Beispiel Verdi zurzeit in Nordrhein-Westfalen. Heute wird dort nicht flächendeckend der öffentliche Dienst bestreikt, sondern es wird gezielt gestreikt, zum Beispiel beim öffentlichen Nahverkehr, weil es dort besonders wehtut. Darüber mag man sich ärgern, aber das ist legitim. Dies geht weit über das Thema Spartengewerkschaften hinaus. Die Fragmentierung der Arbeitnehmerbereiche ist natürlich auch die Folge einer immer weiter spezialisierten Arbeitswelt. Ich glaube, das ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Auch Kirchen und Parteien beklagen, dass sie Konkurrenz haben. Selbst Herr Heil würde wohl nicht vorschlagen, die Neugründung von Parteien zu verbieten, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nein!) weil wir mit Neugründungen nicht zurechtkommen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich, Herr Kollege!) Zum Schluss sage ich: Die Union wird diese Entwicklung natürlich weiterhin genau beobachten. Diese hat übrigens erst 1989 mit der Tarifeinheit begonnen. Auch vor dem Urteil des BAG gab es in vielen Betrieben mindestens zwei Gewerkschaften; bis 2000 waren dies DAG und DGB. Das alles ist nicht allzu lange her. Wir werden die Entwicklung jedenfalls sehr genau beobachten, um herauszufinden, ob das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt oder ob es im Arbeitsrecht nachgeschärft werden muss. Bis dahin gilt die ewige Erkenntnis -Montesquieus: Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Krings. – Nächste Rednerin ist unsere Kollegin Anette Kramme für die Fraktion der Sozialdemokraten. Bitte schön, Frau Kollegin Kramme. (Beifall bei der SPD) Anette Kramme (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Als SPD freuen wir uns natürlich immer über selbstbewusste Tarifforderungen und höhere Löhne. Für das Jahr 2012 gilt sicherlich, dass es kein Jahr der Bescheidenheit sein kann. Wir haben eine gute Konjunktur, und die Konjunkturaussichten sind nach wie vor relativ positiv. Vor allen Dingen gab es einen Verzicht der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den Krisenjahren 2009 und 2010. Es ist daher fair, wenn die Löhne kräftig steigen, ein kräftiger Schluck aus der Pulle genommen wird. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Tarifautonomie geht anders, Frau Kollegin!) Herr Kolb, „fair“ ist das Stichwort, das den Unterschied ausmacht: zwischen den üblichen Tarifvertragsverhandlungen und dem, was wir leider immer häufiger beobachten, zuletzt an den Flughäfen in Frankfurt und Berlin. Es ist zum Geschäftsmodell einiger Spartengewerkschaften geworden, nicht zu verhandeln, sondern letztlich zu erpressen. Wenn Sie, Herr Dr. Krings, sagen, der Marburger Bund und die Gewerkschaft der Lokführer seien alte Gründungen, dann ist das mit Sicherheit zutreffend. Aber sie haben in der Bundesrepublik mittlerweile eine eigenständige und neue Rolle eingenommen. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ja, warum denn?) Der Marburger Bund hat sich aus den Tarifvertragsverhandlungen mit Verdi herausgelöst. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Warum denn? – Gegenruf des Abg. Ingo Egloff [SPD]: Weil sie mehr für die Ärzte herausholen wollten!) Auch die Rolle der Gewerkschaft der Lokführer ist eine ganz andere geworden. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Warum haben sie das denn gemacht?) – Warum? Das werde ich Ihnen gleich erläutern. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Aha!) Meine Damen und Herren, das Geschäftsmodell der Spartengewerkschaften beruht nicht darauf, die Interessen einer gesamten Belegschaft durchzusetzen, sondern es geht um die wirkungsvolle Durchsetzung der Einzelinteressen von Personengruppen, die Arbeitsabläufe innerhalb eines Betriebes effektiv lahmlegen können. Das Prinzip der klassischen Gewerkschaften beruhte und beruht immer auf einem anderen Konzept. Da geht es um zwei Dinge: Es geht erstens darum, dass alle Kollegen und Kolleginnen mit ins Boot geholt werden, um vom Kuchen profitieren und ihn genießen zu können. Zweitens geht es darum, die Leistungsfähigkeit der Branche im Auge zu behalten. Aber leider ist es so, dass sich immer mehr Spartengewerkschaften nicht mehr daran orientieren. Insofern ist festzuhalten, dass wir es an dieser Stelle letztendlich auch mit einem Versagen der Bundesregierung zu tun haben. Bereits im Sommer 2010 hat das Bundesarbeitsgericht gesagt, dass das lang gehegte Prinzip der Tarifeinheit – also ein Tarifvertrag für einen Betrieb – nicht mehr gelten soll. Jetzt haben wir die Situation, dass in einem Betrieb viele Tarifverträge nebeneinander gelten können. Frau Merkel hat noch im November 2010 auf dem Arbeitgebertag gesagt: Ich persönlich bin davon überzeugt, dass der Grundsatz der Tarifeinheit gesetzlich geregelt werden muss. – Bis heute liegt in dieser Sache leider kein Gesetzentwurf vor. Dabei haben BDA und Gewerkschaften sogar einen gemeinsamen Entwurf vorgelegt, (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Und den finden Sie gut?) einen Entwurf, an dem man sich durchaus entlanghangeln könnte und mit dem man arbeiten könnte. Leider ist bei Ihnen aber kein Handeln zu beobachten. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Für entlanghangelnde Gesetzgebung bin ich nicht zu haben!) Herr Dr. Krings, Schuld am Aufkommen der Spartengewerkschaften sind auch die Arbeitgeberverbände und die Arbeitgeber. Wir haben die Situation, dass die Gewerkschaften durch die Begründung sogenannter OT-Mitgliedschaften in den Arbeitgeberverbänden geschwächt worden sind; man kann also den bloßen Rechtsschutz in Anspruch nehmen, muss aber keine Tarifverantwortung mehr übernehmen. Wir haben die Situation, dass viele Arbeitgeber den Weg in die Tarifflucht gesucht haben, indem sie Outsourcing betrieben haben. Wir haben die Situation, dass das Spezialitätsprinzip missbraucht worden ist, indem Tarifverträge mit Scheingewerkschaften abgeschlossen und dadurch Tarifverträge der DGB-Gewerkschaften verdrängt worden sind. Wir als SPD sagen ganz klar und deutlich: Wir brauchen den Grundsatz der Tarifeinheit. Der Grundsatz der Tarifeinheit muss bleiben. Anderenfalls würden wir davon nur kurzfristig profitieren. (Beifall bei der SPD – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ah ja!) Ich bin der festen Überzeugung: Wir werden im Laufe der nächsten Jahre eine Zunahme der Zahl von Spartengewerkschaften beobachten. Wir werden beobachten, dass es zu einer Radikalisierung kommen wird, der sich auch die klassischen DGB-Gewerkschaften nicht mehr werden entziehen können. Damit wird einhergehen, dass es zu einer Zersplitterung der Gewerkschaftslandschaft kommen wird, und viele Köche verderben bekanntermaßen den Brei. Sanierungstarifverträge werden in Betrieben nicht mehr durchgesetzt werden können. Davon abgesehen: Es fehlt an Transparenz und Rechtsklarheit. Wir sind gerne bereit, die Bundesregierung zu unterstützen. Selbstverständlich werden wir als SPD nur abgestimmt mit den Gewerkschaften handeln. In diesem Sinne herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Kramme. – Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP unser Kollege Johannes Vogel. Bitte schön, Kollege Vogel. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, man kann grundsätzlich festhalten: Streiks dürfen immer nur das letzte Mittel sein. Niemals sind Streiks etwas Schönes. (Katja Mast [SPD]: Merken Sie sich das!) Niemand findet es schön, wenn beispielsweise aktuell in Nordrhein-Westfalen Warnstreiks in Kitas stattfinden. Niemand empfindet es als angenehm, wenn er in seinem Alltag dadurch beeinträchtigt wird, dass Busse nicht mehr fahren, dass Flugzeuge nicht mehr fliegen (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Von Arbeits-verweigerung versteht die FDP etwas!) und dass man deshalb Termine verpasst oder nicht rechtzeitig zur Familie zurückkommt. Das ist alles richtig. Es ist auch richtig, dass man über wirtschaftliche Schäden nicht schweigen soll und dass auch da der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gelten muss. Ich persönlich bin sehr gespannt, wie die Gerichte zum Beispiel im Frankfurter Fall urteilen werden. Dass Streiks gern auch am Flaschenhals angesetzt werden – der Kollege Krings hat vorhin schon darauf hingewiesen –, das ist legitimer Teil der Streiktätigkeiten von Gewerkschaften. Das denken sich nicht nur kleinere Gewerkschaften aus, sondern auch Verdi zum Beispiel lässt aktuell die Busfahrer in Nordrhein-Westfalen streiken. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, da Sie die Aktuelle Stunde beantragt haben: Verantwortungsbewusste Politik muss an dieser Stelle auch einmal sagen, dass Streiks nicht schön sind, aber nun einmal unzweifelhaft Mittel und Teil der Tarifautonomie sind und die Gewerkschaften nun einmal das Recht zum Streiken haben. Das ist auch richtig so, weil dies Teil der Tarifautonomie ist, die ganz wesentlich nicht nur den wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik, sondern auch den derzeitigen Erfolg auf unserem Arbeitsmarkt ausmacht. Verantwortungsbewusste Politik ist es auch, hier nicht zu skandalisieren, sondern darauf auch hinzuweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Im Kern dieser Tarifautonomie steht nun einmal nicht die Tarifeinheit, sondern das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit. Im Kern steht das Grundrecht, dass jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin wählen darf, wer ihn bzw. sie vertritt, welcher Gewerkschaft man sich anschließt und von wem man seine Interessen durchgesetzt haben will. Zu dieser Durchsetzung der Interessen gehört nun einmal zwingend auch das Streikrecht. Natürlich werden wir nicht die Augen vor realen Problemen verschließen. Das sage ich auch für meine Fraktion. Natürlich sind wir offen, uns anzuschauen, ob es nötig ist, neue Lösungen zu finden, und wenn ja, welche Lösungen dies vernünftigerweise sein können. Eines ist aber auch klar: Mit Grundrechten spaßt man nicht. Mit Grundrechten werden wir deshalb auch nicht spaßen. Das gilt auch für das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, als die Fraktion, die diese Aktuelle Stunde beantragt hat, müssen Sie sich die Frage gefallen lassen, was denn der aktuelle Anlass ist. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Die Äußerung der Ministerin letzte Woche zum Beispiel!) – Nein, nein, nein. Ich habe vorhin sehr genau zugehört, lieber Hubertus. Du hast gesagt, ein aktueller Anlass sei die unverhältnismäßige Zunahme von Streiks und insbesondere das, was wir bei der Fraport erlebt haben. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nein! Ich habe gesagt, es war die Äußerung von der Dame!) – Nein, ich habe dir einfach zugehört, was du hier im Plenum des Deutschen Bundestags gesagt hast. Deshalb sollten wir uns diese zwei Punkte noch einmal näher anschauen. Vorredner von mir haben schon darauf hingewiesen. Streiktage sind ein guter Anhaltspunkt. Schauen wir uns das einmal an. Nachdem das BAG den Grundsatz der Tarifeinheit aufgegeben hat, hatten wir im Jahr 2010 in Deutschland 26 000 Streiktage. Im Jahr 2009 waren es mehr als dreimal so viel. Im Jahr 2008 waren es mehr als fünfmal so viel. Im Jahr 1984, also in alten Zeiten, waren es über 2 Millionen Streiktage. Daraus muss man doch den Schluss ziehen, dass die Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit offenbar nicht der entscheidende Faktor ist, wenn es um Streiktage und die Streikintensität in Deutschland geht. Das muss man doch einmal zur Kenntnis nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Das RWI, das einzige Institut, das sich das bisher einmal fundiert angeschaut hat, ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sich eindeutig festhalten lässt – das zitiere ich –, dass das BAG-Urteil bisher keine messbaren Spuren bei Streikaktivitäten hinterlassen hat. Schauen wir uns einmal das Thema Frankfurt an. Frankfurt ist ein Fall, bei dem ein Streik auch nach meinem persönlichen Empfinden unverhältnismäßig war. Es ist aber immer so, dass die Politik Recht setzt und dass Recht gilt, dass die Durchsetzung von Recht manchmal aber auch eingeklagt werden muss. Dies würde übrigens auch bei einem veränderten Recht gelten. Das würde auch gelten, wenn man etwas verändern will. Im Falle Fraport kann man einfach nur feststellen: Fast alle Bürgerinnen und Bürger und wahrscheinlich auch fast alle Abgeordneten des Deutschen Bundestags empfanden diese Streikaktivität als unverhältnismäßig. Diese Unverhältnismäßigkeit wurde aber auch innerhalb weniger Stunden festgestellt, nachdem Fraport geklagt hatte. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Drei Wochen später!) Insofern wird das Recht hier eingehalten. Aus dem Fall Fraport kann man aber nun wirklich keine politischen Handlungsnotwendigkeiten ableiten. Ich will damit festhalten: Wir sind offen für vernünftige Lösungen, wenn sie nötig sind. Wir werden uns das weiter konstruktiv und offen anschauen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das darf aber nicht zulasten von Grundrechten gehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich dieser vernünftigen Betrachtung anschließen und hier nicht versuchen würden, in der Tagespolitik Honig daraus zu saugen, dass die Menschen teilweise im Streik standen und da-runter gelitten haben, indem Sie ihnen einfache Lösungen versprechen, die es bei diesem schwierigen Problem niemals geben kann. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der Sozial-demokraten unser Kollege Josip Juratovic. Bitte schön, Herr Kollege. (Beifall bei der SPD) Josip Juratovic (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Tarifeinheit kommt immer wieder in die Schlagzeilen, wenn eine Spartengewerkschaft streikt. Die Diskussion um die Tarifeinheit ist in der -Politik aber schon älter. Seit dem Spruch des Bundes-arbeitsgerichts von 2010 wäre jede Menge Zeit gewesen, zu handeln. Die Koalition verhielt sich aber wie immer: Sie hat keine Entscheidung getroffen. Auch 2011 wurde die Diskussion um die Tarifeinheit schon einmal von der Tagesordnung eines Koalitionsausschusses gestrichen. Das erleben wir jetzt wieder. Letzten Sonntag traf sich der Koalitionsausschuss im Kanzleramt. Die Protagonisten tranken sogar noch einen Wein zusammen. Strittige Themen wie die Tarifeinheit wurden aber nicht angesprochen. Frau von der Leyen kann noch so oft in der Presse betonen, dass sie eine Regelung zur Tarifeinheit anstrebt; wenn das Thema in der Koalition nicht angesprochen wird, dann wird es auch diesmal keine Regelung geben. (Beifall bei der SPD) Wir brauchen aber dringend eine Regelung; denn die Tarifeinheit ist der Kitt für den sozialen Zusammenhalt im Betrieb und in der Gesellschaft. Offensichtlich hat weder die Linke noch die FDP richtig verstanden, worum es hier geht. Tarifzersplitterung bedeutet Entsolidarisierung in der Gesellschaft bzw. in der Arbeitswelt. (Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Das hat mit dem Urteil nichts zu tun!) Wenn die Lokführer streiken, können sie den Betrieb der Züge anhalten. Was passiert aber, wenn die Mitarbeiter der Gastronomie in den Zügen streiken? Dann bleibt der Zug nicht stehen, sondern er fährt ohne Gastronomie. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Für manche schlimmer!) Dieses einfache Beispiel macht offensichtlich, dass die Mitarbeiter in einem Betrieb verschiedene Machtpositionen haben. Ohne Tarifeinheit beobachten wir, dass diejenigen, die aufgrund ihrer Aufgabe im Unternehmen die Möglichkeit haben, den Betriebsablauf aufzuhalten, dies nur für sich ausnutzen und die anderen Mitarbeiter blöd schauen. (Beifall bei der SPD) Es darf nicht sein, dass sich eine Sparte von Arbeitnehmern auf Kosten anderer Arbeitnehmer durchsetzt. Es kann nicht unser Ziel sein, dass es zu einer Aufsplitterung der Belegschaften in den Betrieben kommt. Gewerkschaften sind nur dann stark, wenn sie einheitlich und geschlossen agieren. Nur dann kann es eine gute Regelung nicht nur für den Lokführer, sondern auch für den Mitarbeiter in der Gastronomie, nicht nur für die Fluglotsen, sondern auch für das Reinigungspersonal, nicht nur für den Arzt, sondern auch für die Krankenschwester geben. (Beifall bei der SPD) Auch die Bundesregierung betont in ihren Sonntagsreden gerne, dass starke Gewerkschaften und die soziale Partnerschaft die Grundlage unseres wirtschaftlichen Erfolgs sind. Bewusst hat man sich nach dem Zweiten Weltkrieg dafür entschieden, Einheitsgewerkschaften zu bilden, die nicht parteipolitisch sind und die alle Arbeitnehmer eines Betriebes vertreten, damit keine Entsolidarisierung zwischen verschiedenen Arbeitnehmern im Betrieb stattfindet. Es war bewusst gesagt worden: ein Betrieb, eine Gewerkschaft und ein Tarif. (Beifall bei der SPD) Diese Errungenschaft ist jetzt in Gefahr; denn Sonntagsreden über den sozialen Dialog helfen niemandem, wenn danach nicht politisch gehandelt wird. Wir müssen die Tarifeinheit umsetzen, damit es keine Aufsplitterung der Belegschaften und keine Schwächung der Gewerkschaften gibt. Gerade jetzt, in einer europaweit wirtschaftlich komplizierten Situation, können wir uns eine Zersplitterung der Arbeitnehmer nicht leisten. Wir brauchen mehr denn je starke Gewerkschaften. (Beifall bei der SPD) Ich weiß, was für ein sensibles Politikfeld das Tarif- und Streikrecht ist. Wir müssen die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 des Grundgesetzes wahren, gleichzeitig dürfen wir aber den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Betrieb nicht gefährden. Deswegen sollten wir mit der notwendigen Achtsamkeit und nicht im politischen Streit an dieses Thema herangehen. Das Angebot der SPD liegt auf dem Tisch. Wir sollten fraktionsübergreifend handeln, um die Gewerkschaften in unserem Land zu stärken. Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, Ihr eigenes Handeln ist durch Ihr Vertagen des Themas im Koalitionsausschuss 2011, aber auch am vergangenen Sonntag gescheitert. Daher appelliere ich an Sie: Wir sollten zusammenarbeiten, damit das Thema nicht wieder bis zum nächsten Streik sang- und klanglos von der Tagesordnung gestrichen wird. Denn nur so schaffen wir es, dass alle Menschen in unserem Land eine Chance auf Erfolg beim Streik haben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Juratovic. – Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Paul Lehrieder. Bitte schön, Kollege Lehrieder. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Paul Lehrieder (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Dass ich das noch erleben darf: Kollege Schlecht von der Linkspartei erklärt hier mit Krokodilstränen in den Augen der SPD, wie das Streikrecht funk-tioniert. (Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Frau Müller-Gemmeke gibt mal recht!) Das ist schon hart. Dass das erforderlich ist, lieber -Hubertus Heil, haben Sie sich selber zuzuschreiben, wenn Sie in der jetzigen Zeit so eine Aktuelle Stunde beantragen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wo stehen wir? Der Streik der Vorfeldlotsen in Frankfurt hatte große Auswirkungen und führte zu Beeinträchtigungen von Passagieren. Ich möchte jedoch ausdrücklich vor einer voreiligen Reaktion warnen. Von der Kollegin Müller-Gemmeke wurde angedeutet: Unsere Ministerin kündigt gerne etwas an, aber die Umsetzung dauert etwas länger. – Blicken wir doch einmal zurück, Frau Kollegin Müller-Gemmeke: Wir hatten vor knapp zehn Jahren eine Regierung, (Anton Schaaf [SPD]: Da hatten wir wenigstens eine!) nämlich aus SPD und Grünen, die sehr schnell Gesetze gemacht hat. Sie haben die ganze Sozialgesetzgebung reformiert, und nach sechs, sieben Jahren durften wir nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgericht den Mist, den Sie uns eingebrockt haben, wieder korrigieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – -Caren Marks [SPD]: Dieser „Mist“ kam von Ihnen im Bundesrat!) Auch hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Mir ist eine Ministerin, die vor Erlass eines Gesetzes nachdenkt und die relevanten Gruppen zusammenruft, um eine vernünftige gesetzliche Regelung zu finden, allemal lieber als ein Minister, der erst ein Gesetz macht und sich dann wundert, warum das Gesetz verfassungswidrig ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – -Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist doch noch gar nicht klar, ob was kommt oder nicht!) Von meinen Vorrednern wurde bereits auf die wichtige Norm des Art. 9 Grundgesetz hingewiesen. Lieber Hubertus Heil, Sie haben ein Schubfach vor sich, in dem ein graues Büchlein liegt. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ich kenne die Verfassung, Herr Kollege!) Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal hineingeschaut haben. Sie sollten einmal auf Seite 18 den Art. 9 Grundgesetz aufschlagen. Der Abs. 3 wurde bereits von mehreren Kollegen zitiert, allerdings nur in den ersten beiden Sätzen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Lesen Sie mal das Urteil!) Es gibt noch einen dritten Satz, lieber Hubertus Heil. Ich lese das noch einmal vor; (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, aber -langsam!) vielleicht verstehen Sie es dann: Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. – Auch für Vorfeldmitarbeiter. – Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Das ist jetzt schon Verfassungsrecht durch das Grundgesetz, das auch für die SPD gilt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das bestreitet keiner!) Es geht in dieser Diskussion um die Existenz von Spartengewerkschaften. Deren Existenz ist keineswegs neu. Es wurde von den Vorrednern bereits darauf hingewiesen, dass seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes gerade keine Verschärfung der Situation eingetreten ist. Seien wir doch ehrlich: In den letzten Jahren hat Deutschland davon profitiert und über den vernünftigen Umgang mit seinen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden die bisher größte Weltwirtschaftskrise relativ souverän überstanden. Ich glaube, dass der Streik der Vorfeldlotsen in Frankfurt sine ira et studio, also ohne Aufgeregtheit, betrachtet werden sollte. Wie hat Fraport reagiert? Fraport hat gesagt: „Wir haben Personal, das die Aufgaben erfüllen kann“, und hat Streikbrecher eingesetzt. Die Anzahl der ausgefallenen Flüge hat sich dann deutlich reduziert. Das heißt, je neuralgischer bzw. je enger der Flaschenhals ist, desto eher wird sich der Arbeitgeber Gedanken über einen Plan B machen für den Fall, dass er unter Druck gesetzt wird. Das hat in Frankfurt recht gut funktioniert. Dass jetzt die Welt untergeht, nur weil in Frankfurt 200 Mitarbeiter versucht haben, eine fünfstellige Anzahl von Mitarbeitern in Geiselhaft zu nehmen, sehe ich beim besten Willen nicht. Gleichwohl – auch hierauf hat -Kollege Schiewerling in seiner Weisheit bereits hingewiesen –: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wir haben eine mit viel Kompetenz ausgestattete Arbeitsgruppe, die sich dieses Themas annehmen wird – mit unserem Koalitionspartner gemeinsam. Wir werden schauen, was wir hier verfassungskonform auf den Weg bringen können. Einerseits muss gesagt werden, dass Spartengewerkschaften natürlich ihre Berechtigung haben. Andererseits steht außer Frage, dass wir sicherstellen müssen, dass der Streik kleinerer Gruppen nicht ganze Betriebsabläufe unterbricht. Eine große Gewerkschaft kann das mit der gezielten Bestreikung von bestimmten Betriebsteilen aber natürlich heute schon erreichen. So etwas ist also auch ohne Spartengewerkschaften möglich. Unsere Bundesarbeitsministerin, Frau Dr. von der Leyen, hat vor wenigen Tagen auch klar ausgeführt: Sollte sich der Istzustand verändern, ist durchaus Veränderungsbedarf gegeben. Gehört der aktuelle Streik nun tatsächlich zum Istzustand in Deutschland? Da sage ich ganz deutlich: Nein. Wenn Streikturbulenzen wie am Frankfurter Flughafen tatsächlich wiederkehrende Wirklichkeit werden sollten, müssten wir über eine gesetzliche Änderung, über eine gesetzliche Präzisierung nachdenken. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Der Schaden muss schon da sein!) Wer keine Dauerstreiks will, muss vorankommen, haben Sie letztendlich gesagt, Herr Heil. Aber wenn wir vorankommen, dann kommt diese Koalition verfassungskonform voran – (Burkhard Lischka [SPD]: Sehr langsam!) und nicht wie vor zehn Jahren so, dass wir in wenigen Jahren vom Verfassungsgericht die Quittung ausgestellt bekommen, was wir falsch gemacht haben. Ich biete ausdrücklich auch Ihnen an, sehr geehrter Herr Heil, an einer guten, konstruktiven Lösung mitzuwirken – aber nicht von jetzt auf nachher; kein Schnellschuss aus der Hüfte. Was Sie damit treffen, werden Sie dann sehen. Herzlichen Dank. In diesem Sinne: Gute Zusammenarbeit! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Paul Lehrieder. – Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kollege Ingo Egloff. Bitte schön, Kollege Egloff. (Beifall bei der SPD) Ingo Egloff (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lehrieder, daran, ob wir mit Ihrer Koalition in dieser Frage wirklich vorankommen, habe ich nach den Reden, die ich heute hier gehört habe, beträchtliche Zweifel. (Beifall bei der SPD – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Sie kommen überhaupt nicht voran!) Die Reden waren eigentlich alle nicht darauf ausgerichtet, hier eine Lösung dieses Problems zu finden, wie die Bundesarbeitsministerin gesagt hat, sondern darauf, deutlich zu machen, dass man diese Lösung eben nicht will. (Zuruf von der CDU/CSU: Quatsch!) Sie behaupten, wir wollten hier Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz einschränken. (Zuruf von der CDU/CSU: Aufheben!) Das stimmt überhaupt nicht. Niemand will jemanden daran hindern, eine Gewerkschaft zu gründen, eine Vereinigung zu gründen, um Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die Frage ist aber, ob alle diese Gründungen wie die der Vorfeldlotsen mit 200 Mitgliedern tariffähig sein müssen. Darum geht es doch letztendlich. (Beifall bei der SPD – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Die haben noch nicht mal 200!) Manchmal nimmt es ja komische Wendungen mit den Dingen. Ich erinnere mich: Vor der Wahl 2009 hat man von Ihren Parteien, aber auch von den Unternehmerverbänden immer gehört, das soziale System der Bundesrepublik Deutschland sei nicht mehr zeitgemäß; angesichts der Globalisierung der Wirtschaft sei mit dem System der Sozialpartnerschaft, mit dem rheinischen Kapitalismus, keine Konkurrenzfähigkeit mehr vorhanden. Wir bräuchten keine Mitbestimmung mehr; wir bräuchten keinen Kündigungsschutz; wir bräuchten keine Flächentarifverträge. Nun haben die Unternehmer im Zuge der Krise immerhin festgestellt: Mitbestimmung ist ganz gut, weil man natürlich in so einer Krise auch die Arbeitnehmer mit ins Boot kriegt, wenn sie denn in den Aufsichtsräten mitbestimmen und die Betriebsräte eingebunden sind. Die Unternehmerverbände haben jetzt auch gemerkt: Tarifverträge sind gut. In dem Moment, in dem egoistische Spartengewerkschaften anfangen, die Tarifeinheit aufzuweichen, haben sie festgestellt, dass Flächentarifverträge gut sind, und sich dazu durchgerungen, mit dem DGB eine gemeinsame Erklärung abzugeben. Ich finde es gut, wenn man eine Einsicht hat; lieber spät als nie. (Beifall bei der SPD – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Kann ich das schriftlich haben?) Allerdings muss man auch sagen – darauf haben meine Kollegen bereits hingewiesen –, dass wir vorher eine andere Entwicklung hatten. Ich erinnere mich noch gut daran, dass einige Arbeitgeberverbände versucht haben, mit dem Christlichen Gewerkschaftsbund die IG Metall und andere Gewerkschaften bei Tarifverträgen auszuhebeln. Das haben wir nicht vergessen. Wenn man möchte, dass es eine Tarifeinheit gibt und dass es tariffähige Gewerkschaften gibt, die auch in der Lage sind, die Mehrheit der Arbeitnehmer zu vertreten, dann muss man sich immer daran erinnern und darf keine Rosinenpickerei betreiben. Jedenfalls würden wir so etwas nicht zulassen. Wir sind dafür, dass hier eine neue gesetzliche Regelung geschaffen wird, die dafür sorgt, dass nicht Spartenegoismus die Oberhand gewinnt. (Beifall bei der SPD) Die aus den Erfahrungen der Nazizeit geschaffene Einheitsgewerkschaft ist meines Erachtens einer der Glücksfälle dieser Bundesrepublik Deutschland. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Was?) Dieser Einheitsgewerkschaft haben wir Mitbestimmung, Kündigungsschutz und Tarifeinheit durch Flächentarifverträge zu verdanken. – Ich habe gemerkt, dass Sie gelacht haben. Ich finde es einen Skandal, wenn Sie an dieser Stelle über so eine Äußerung lachen, meine Damen und Herren von der CDU. (Beifall bei der SPD) Das sollten sich die Gewerkschaften merken. Sie, Herr Kollege Weinberg, können dafür sorgen, dass in den Reihen der CDA ein anderes Verständnis für die Gewerkschaften herrscht. Ich bin jedenfalls der Auffassung, dass die Einheitsgewerkschaft ein großer Glücksfall für die Bundesrepublik ist. Deswegen verstehe ich Ihre Äußerung, Herr Kollege Schlecht, als Gewerkschaftssekretär überhaupt nicht. Sie haben sich im Prinzip gegen die Einheitsgewerkschaft ausgesprochen. Das ist ein Skandal, Herr Schlecht. (Beifall bei der SPD) Gott sei Dank kenne ich Verdi-Funktionäre, die anders sind als Sie. Das macht es mir leicht, Mitglied dieser Gewerkschaft zu sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Schlecht [DIE LINKE]: Sie stellen sich gegen Verdi mit Ihrem Gerede! Verdi will das alles nicht, was Sie hier sagen!) Herr Schiewerling, es ist ein Unterschied, ob eine große Gewerkschaft wie Verdi in einem Streik zugunsten einer gesamten Flughafengesellschaft an bestimmten Stellen Leute einsetzt, um am Ende für die Gesamtbelegschaft eine Lohnerhöhung von 4 oder 5 Prozent herauszuholen, oder ob 200 Leute 30, 40 oder sogar 50 Prozent mehr Lohn nur für sich selber herausholen wollen, während der Rest der Belegschaft hinten herunterfällt. (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Damit haben Sie recht!) Lassen Sie die Chance nicht vorbeigehen! Lassen Sie uns dafür sorgen, dass die Tarifeinheit wiederhergestellt wird! Wir sind bereit dazu. Wir werden testen, ob auch Sie dazu bereit sind, und werden Sie dann beim Wort nehmen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das war unter Ihrem Niveau!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Ingo Egloff. – Letzter Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Peter Weiß. Bitte schön, Kollege Peter Weiß. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Prinzip, dass pro Betrieb ein Tarifvertrag gilt, ist nicht von der Politik, sondern vom Bundesarbeitsgericht aufgehoben worden. Es war die Bundesministerin Ursula von der Leyen, die unmittelbar nach diesem Urteil eine regierungsinterne Arbeitsgruppe eingesetzt hat, um zu prüfen, ob man den gemeinsamen Vorschlag (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Na, da sind Sie ja schon weit!) der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und des Deutschen Gewerkschaftsbundes, künftig die Tarifeinheit dadurch zu gewährleisten, dass man nach dem Mehrheitsprinzip vorgeht – (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Was macht denn die Arbeitsgruppe? Arbeitsverweigerung? Oder was? bei konkurrierenden Tarifverträgen soll der Tarifvertrag gelten, der von der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Betrieb abgeschlossen wurde –, gesetzgeberisch umsetzen kann. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Die Antwort ist?) Am 7. Juni des vergangenen Jahres hat der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf Betreiben von Verdi beschlossen, diese gemeinsame Initiative mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände nicht weiter zu verfolgen. (Beifall des Abg. Michael Schlecht [DIE LINKE] – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Weil Sie nicht in die Pötte gekommen sind!) Damit war auch für die gemeinsame Arbeitsgruppe der Bundesregierung die Weiterarbeit an diesem Vorschlag beendet. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist Geschichtsklitterung! – Gegenruf des Abg. Michael Schlecht [DIE LINKE]: Nein! Genau so war es!) Ich habe gedacht, dass die Sozialdemokraten diesen Beschluss des DGB-Bundesvorstandes kennen, weil sie mittlerweile versuchen, ihr Verhältnis zu den Gewerkschaften zu verbessern. Aber offensichtlich, Herr Kollege Heil, ist die SPD jetzt ein Bündnis mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände eingegangen und hat die Kommunikation mit den Gewerkschaften eingestellt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Michael Schlecht [DIE LINKE]) Die Bundesarbeitsministerin hat des Weiteren führende Verfassungsrechtler und Arbeitsrechtler eingeladen, um zu prüfen, ob es möglich ist, auf der Basis des BDA/DGB-Vorschlags einen verfassungsfesten Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag einzubringen. Das Ergebnis (Michael Schlecht [DIE LINKE]: Nein, geht nicht!) dieser Konferenz war zwiespältig. Deswegen muss ich klipp und klar sagen: Die Pflicht einer Bundesarbeitsministerin ist es, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Interviews zu geben!) dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zuzuleiten, der verfassungsfest ist und der später in Karlsruhe nicht einkassiert wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ingo Egloff [SPD]: Das bestreitet doch niemand! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber das ist keine Ausrede, nichts vorzulegen!) Richtig ist – ich glaube, das ist unsere gemeinsame politische Überzeugung –: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eines Betriebes in Deutschland haben dann Erfolg – gerade wenn es um Tarifforderungen geht –, wenn sie untereinander Solidarität üben. Das, was wir bei Fraport erlebt haben, ist ein negatives Beispiel. Dort hat sich eine kleine Gruppe von 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die strategisch günstig positioniert sind, abgespaltet, den ganzen Flugbetrieb lahmgelegt und hat sich für die Entwicklung der Tarife der anderen 12 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Betriebs gar nicht interessiert. Diese Art von Entsolidarisierung ist sicherlich nicht das, was Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland künftig bei Tarifverhandlungen Erfolg bringen kann. Nun gibt es ein Prinzip – auch daran sollte man einmal erinnern –, das sich auch bewährt hat, nämlich dass sich unterschiedliche Gewerkschaften in einer Branche zunächst einmal zu einer Tarifgemeinschaft zusammenschließen. Es ist erwähnt worden, dass zurzeit die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst stattfinden. Verdi und der deutsche beamtenbund und tarifunion verhandeln in Tarifgemeinschaft. Dazu ist es manchmal notwendig, dass die größere Gewerkschaft vom hohen Ross heruntersteigt und dass die kleinere Gewerkschaft auf die Verfolgung von nur Spezialinteressen verzichtet. Deswegen muss die erste Forderung von uns als Politiker sein: Gewerkschaften, versucht, im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zunächst einmal eine Tarifgemeinschaft zu bilden und damit die Tarifeinheit in einem Betrieb und in einer Branche herzustellen, und ladet nicht das Problem bei der Politik ab! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dennoch bekenne ich mich dazu: Ich glaube, dass das alte Prinzip der Tarifeinheit, das in der Form, die wir traditionell hatten, angesichts der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr gilt, trotzdem einen hohen Wert darstellt – im Interesse einer Befriedung der Tariflandschaft, auch im Interesse guter Löhne für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und im Interesse einer verlässlichen Sozialpartnerschaft von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Deswegen unterstütze ich die Absicht der Bundesarbeitsministerin, erneut einen Versuch zu unternehmen, zu einer befriedigenden Regelung der Tarifeinheit in Deutschland zu kommen, die allerdings klarstellen muss: Erstens. Jeder Arbeitnehmer darf sich in Wahrnehmung der Koalitionsfreiheit dort organisieren, wo er will. Zweitens. Es darf der Größere den Kleineren nicht einfach wegdrücken können. Drittens. Eine solche Lösung muss verfassungsfest sein, damit sie auch in Karlsruhe Bestand hat. Daran sollten wir miteinander in den nächsten Monaten arbeiten. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Peter Weiß. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 8. März 2012, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Vielen herzlichen Dank. (Schluss: 16.57 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bahr (Münster), Daniel FDP 07.03.2012 Burchardt, Ulla SPD 07.03.2012 Dörner, Katja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 07.03.2012 Fischer (Karlsruhe-Land), Axel E. CDU/CSU 07.03.2012 Friedhoff, Paul K. FDP 07.03.2012 Gerster, Martin SPD 07.03.2012 Granold, Ute CDU/CSU 07.03.2012 Hinz (Essen), Petra SPD 07.03.2012 Kelber, Ulrich SPD 07.03.2012 Dr. Kofler, Bärbel SPD 07.03.2012 Kopp, Gudrun FDP 07.03.2012 Link (Heilbronn), Michael FDP 07.03.2012 Luksic, Oliver FDP 07.03.2012 Dr. de Maizière, Thomas CDU/CSU 07.03.2012 Nahles, Andrea SPD 07.03.2012 Nord, Thomas DIE LINKE 07.03.2012 Pflug, Johannes SPD 07.03.2012 Rupprecht (Tuchen-bach), Marlene SPD 07.03.2012 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 07.03.2012 Schmidt (Bochum), Frithjof BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 07.03.2012 Dr. Schröder (Wies-baden), Kristina CSU/CSU 07.03.2012 Dr. Schwanholz, Martin SPD 07.03.2012 Süßmair, Alexander DIE LINKE 07.03.2012 Dr. Tackmann, Kirsten DIE LINKE 07.03.2012 Dr. Troost, Axel DIE LINKE 07.03.2012 Werner, Katrin DIE LINKE 07.03.2012 Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 6): Wann ist nach Kenntnis der Bundesregierung mit der Vorlage einer überarbeiteten Version des Gesetzentwurfs zum -Beschäftigtendatenschutz zu rechnen, und welche datenschutzrechtlichen Verbesserungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konnten nach Kenntnis der Bundesregierung im Vergleich zum Status quo erreicht werden? Die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Bundes--regierung zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes hat am 25. Februar 2011 stattgefunden. Seitdem befindet sich der Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren. Nach Kenntnis der Bundesregierung ist der Beratungsprozess innerhalb der Koalitionsfraktionen noch nicht abgeschlossen. Welche Änderungen am Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgenommen werden, wird sich im weiteren parlamentarischen Beratungsverlauf zeigen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Frage 9): Wird bei der millionenfachen Überwachung digitaler Kommunikation durch deutsche Geheimdienste (Bundestagsdrucksache 17/8639) Software eingesetzt, die die Spracherkennung, automatisierte Übersetzung, Textvergleiche, OCR-Erkennung von Scan-Dokumenten oder Faxen sowie sonstige digitale Analysekapazitäten gewährleisten soll, und an welchem Ort wurde die derartige Analyse der ausspionierten Telekommunikationsvorgänge jeweils vorgenommen? Die Frage betrifft – ebenso wie die in Bezug ge-nommenen Ausführungen in der Bundestagsdrucksache 17/8639 auf Seite 6 f. – die Praxis des Bundesnachrichtendienstes im Rahmen der sogenannten „Strategischen Telekommunikationsüberwachung“ nach § 5 Art.-10-Gesetz. Das Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV, und der der Militärische Abschirmdienst, MAD, sind nicht berichtigt, strategische Telekommunikationsüberwachung durchzuführen. Beide Dienste setzen keine Software/Tools im Sinne der Frage ein. Der Bundesnachrichtendienst, BND, erhebt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 des Bundesnachrichtendienstgesetzes, BNDG, Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung über das Ausland. Eine schriftliche Antwort der Bundesregierung auf diese Frage würde spezifische Informationen zur Tätigkeit, insbesondere zur nachrichtendienstlichen Methodik des BND im Bereich der strategischen Fernmeldeaufklärung, einem nicht eingrenzbaren Personenkreis – auch der Bundesrepublik Deutschland möglicherweise gegnerisch gesinnten Kräfte – nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland zugänglich machen. Dabei könnte die Gefahr entstehen, dass operative Fähigkeiten und Methoden aufgeklärt würden, die grundsätzlich nicht öffentlich dargestellt werden können. Im Ergebnis würde dadurch die Funktionsfähigkeit unserer Sicherheitsbehörden und damit die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Nicht zuletzt zum Schutz der Arbeitsfähigkeit und der Aufgabenerfüllung des BND – und damit zum Schutz der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland – muss dies verhindert werden. Daher muss bei der Beantwortung dieser Frage eine Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten einerseits mit den dargestellten negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung des BND sowie der daraus resultierenden -Beeinträchtigung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiter des BND andererseits erfolgen. Bezogen auf die vorliegende Frage führt die gebotene Abwägung zum Vorrang der Geheimhaltungsinteressen. Darüber hinaus unterliegt sämtliche Telekommunikationsüberwachung der Kontrolle parlamentarischer Gremien. Dennoch ist die -Bundesregierung selbstverständlich bereit, das Informationsrecht des Parlamentes unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen zu befriedigen. Zur Wahrung dieses Informationsrechtes wurde ein Teil meiner Antwort, der VS-GEHEIM eingestuft ist, beim Geheimschutzbeauftragten des Deutschen Bundestages zur Einsichtnahme hinterlegt. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Frage 10): Auf welche formelle oder informelle Art und Weise (zum Beispiel Verträge, Absichtserklärungen, Vereinbarungen, Strukturen, langjährige Praxen) arbeitet die EU-Agentur -Eurojust bereits jetzt mit der EU-Kommission, der Troika und dem Rat zusammen, und was soll sich nach gegenwärtigem Stand an dieser teilweise jahrelangen Praxis durch das geplante Memorandum of Understanding mit der EU-Kommission ändern bzw. in eine formelle Zusammenarbeit überführt werden, obwohl viele Mitgliedstaaten gerade erst dabei sind, den Eurojust-Beschluss von 2008 umzusetzen? Zur Frage der Zusammenarbeit von Eurojust mit der Europäischen Kommission, der Troika und dem Rat liegen der Bundesregierung leider nur zum Teil Erkenntnisse vor. Eurojust ist eine selbstständige EU-Agentur, die ihre Arbeitsweise im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben selbst bestimmt. Dies gilt auch mit Blick auf die Zusammenarbeit zwischen Eurojust und der Kommission. Art. 11 des Eurojust-Beschlusses lässt diese Zusammenarbeit zu, ausdrücklich auch in Form „praktischer Vereinbarungen“ (Abs. 3). Die Ausgestaltung der Zusammenarbeit und der Vereinbarungen obliegt Eurojust. Eine förmliche Beteiligung des Rates ist nicht ausdrücklich vorgesehen. Auch mit anderen Organen, Einrichtungen und Agenturen der Europäischen Union kann Eurojust Koopera-tionsabkommen oder Arbeitsvereinbarungen schließen. Art. 26 Abs. 2 des Eurojust-Beschlusses 2008 sieht insoweit vor, dass solche Abkommen oder Vereinbarungen erst geschlossen werden können, wenn sie der Rat mit qualifizierter Mehrheit gebilligt hat. Zu welchem Zeitpunkt Eurojust den Rat einbindet, obliegt der Entscheidung von Eurojust. Die Bundesregierung wirbt in den zuständigen Ratsarbeitsgruppen dafür, dass Eurojust den Rat möglichst frühzeitig einbindet. Zur praktischen Zusammenarbeit von Eurojust mit dem Rat kann ich noch sagen, dass Vertreter von Eurojust regelmäßig aktiv an Sitzungen von Ratsarbeitsgruppen teilnehmen, wenn es um Themen im Arbeitsbereich von Eurojust geht. Zu der Frage, was sich durch das Memorandum of Understanding, kurz: MoU, mit der Kommission unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Mitgliedstaaten der EU noch dabei sind, den Eurojust-Beschluss von 2008 umzusetzen, ändern soll, liegen der Bundesregierung keine gesicherten Erkenntnisse vor, zumal das MoU noch nicht in Kraft getreten ist, sondern derzeit noch verhandelt wird. Die Bundesregierung ist an den Verhandlungen nicht beteiligt. Nach den mir vorliegenden Informationen strebt Eurojust das MoU an, um dem Mandat aus Art. 11 Abs. 3 des Eurojust-Beschlusses nachzukommen. Es sollen nach meinem Wissensstand keine neuen rechtlichen Verpflichtungen begründet werden. Vielmehr soll eine Zusammenarbeit, die bereits seit zehn Jahren mit der Kommission geübt wird, festgeschrieben werden. Das ist aus Sicht der Bundesregierung aus Transparenzgründen grundsätzlich zu begrüßen. Die Mitgliedstaaten haben Kommission und Eurojust ge-beten, rechtzeitig über die geplanten Regelungen in-formiert zu werden. Die Rechtsgrundlage für den -Abschluss von praktischen Vereinbarungen mit der Kommission ergibt sich bereits aus Art. 11 Abs. 3 des Eurojust-Beschlusses aus dem Jahr 2002; die Ermächtigung für Eurojust ist also nicht erst mit dem Eurojust-Beschluss von 2008 eingefügt worden. Im Übrigen ist der Eurojust-Beschluss von 2008 seit dem 4. Juni 2009 in Kraft und damit für Eurojust bindender Rechtsrahmen. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 14): Inwieweit führt das vom Branchenverband eco in Auftrag gegebene „Kurzgutachten zur BMWi-Studie über Modelle zur Versendung von Warnhinweisen durch Internetzugangsanbieter an Nutzer bei Urheberrechtsverletzungen“, das zu dem Schluss kommt, dass gegen das in der Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vorgeschlagene Warnhinweismodell „sowohl aus politischer, praktischer, technischer als auch aus rechtlicher Sicht erhebliche Bedenken“ bestehen, zu einer Neubewertung der bisherigen Pläne des BMWi, und ist innerhalb der Bundesregierung im Allgemeinen und unter den FDP-geführten Bundesministerien im Speziellen mittlerweile eine Einigung über die Position bezüglich des Einsatzes derartiger Warnhinweismodelle erfolgt? Eine Neubewertung der Studie zu den Warnhinweisen bedarf es nicht, da die Überlegungen der Bundesregierung zu dieser Studie noch nicht abgeschlossen sind. Die Bundesregierung wird die Studie mit den am Wirtschaftsdialog beteiligten Rechteinhabern und Diensteanbietern erörtern. Sie wird sodann über weitere Schritte und die rechtliche Bewertung möglicher konkreter Ausgestaltungen eines solchen Modells entscheiden. Wissenschaftliche Gutachten zur Bewertung der Studie wie das von eco in Auftrag gegebene Gutachten werden in die Überlegungen der Bundesregierung mit einbezogen werden. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Fragen 17 und 18): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Darlehen von Ländern oder Kommunen aufzunehmen? Nach welchen Zinssätzen des Kapitalmarktes richten sich Darlehen eines Bundeslandes oder einer Kommune an den Bund? Zu Frage 17: Rechtliche Einschränkungen einer Kreditaufnahme des Bundes bei anderen Gebietskörperschaften im Rahmen der bestehenden Kreditermächtigungen bestehen nicht. Es steht Ländern oder Kommunen frei, Schuldscheindarlehen an den Bund zu vergeben oder – beispielsweise über Landesbanken – an Wertpapierauktionen des Bundes teilzunehmen. Zu Frage 18: Die Kreditaufnahme des Bundes erfolgt zu marktüblichen Konditionen. Diese richten sich nach Angebot und Nachfrage an den internationalen Kapitalmärkten sowie insbesondere nach der Gebotslage bei den Wertpapierauktionen des Bundes. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/8828, Frage 19): Hat der Bund Grundstücke, die für die Verlängerung der S-Bahn inklusive neuer Haltepunkte von Berlin in den Westen Brandenburgs benötigt werden, in den letzten zehn Jahren veräußert, langfristig vermietet oder verpachtet, und bestehen diesbezügliche Planungen? Die Linienführung dieses S-Bahn-Projektes ist der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als zentralem Immobiliendienstleister des Bundes bislang nicht bekannt. Daher kann sie als Eigentümerin der Bundesliegenschaften auch nicht feststellen, ob sie vom möglicherweise geplanten Trassenverlauf betroffen ist. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/8828, Frage 20): Wie beurteilt die Bundesregierung das Anliegen des Landes Berlin zum Erwerb der S-Bahn Berlin GmbH, und ist die Bundesregierung bereit, Gespräche darüber zu führen bzw. zu unterstützen? Ein etwaiger Erwerb der S-Bahn Berlin GmbH durch das Land Berlin wäre zwischen der Deutschen Bahn AG bzw. der S-Bahn Berlin GmbH und dem Land Berlin zu verhandeln. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 24): Ist die Bundesregierng der Auffassung, dass für eine Ratifizierung des Fiskalpakts eine Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag notwendig ist, und wie begründet die Bundesregierung diese Auffassung? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass das Vertragsgesetz zum Fiskalvertrag entsprechend Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 des Grundgesetzes der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Deutschen Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates bedarf, da der Vertrag eine der Änderung der EU-Verträge vergleichbare Regelung darstellt, durch die sich Deutschland völkerrechtlich bindet, keine Änderungen und Ergänzungen des Grundgesetzes, insbesondere der Regelungen zur Schuldenbremse, vorzunehmen. Kurz: Weil der Ratifizierungsgesetzgeber den verfassungsändernden Gesetzgeber für die Zukunft bindet, die grundgesetzliche Schuldenbremse nicht mehr in Widerspruch zum Fiskalvertrag zu ändern, muss der Ratifizierungsgesetzgeber wie ein verfassungsändernder Gesetzgeber zustimmen. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 25): Kann die Bundesregierung ausschließen, dass es infolge der Überprüfung der Steuereffekte auf den heimischen Flugsektor zum 30. Juni 2012 zu einer Abschaffung der Luftverkehrsteuer kommt? Um die realen Folgen der Luftverkehrsteuer beurteilen zu können, wird das Bundesministerium der Finanzen unter Beteiligung des Bundesministeriums für -Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie dem Deutschen Bundestag gemäß § 19 Abs. 4 Luftverkehrsteuergesetz bis zum 30. Juni 2012 einen Bericht über die Auswirkungen der Luftverkehrsteuer auf den Luftfahrtsektor und die Entwicklung der Steuereinnahmen aus der Luftverkehrsteuer vorlegen. Über die gesetzgeberischen Konsequenzen aus diesem Bericht hat der Deutsche Bundestag zu entscheiden. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Frage 26): Welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung nach dem Beschluss zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung mit den USA, und welche Staaten sieht die Bundesregierung weiterhin als bedingt kooperativ zur gemeinsamen Bekämpfung der Steuerhinterziehung an, auch vor dem Hintergrund der grauen Liste der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung? In einer gemeinsamen Erklärung von 8. Februar 2012 haben Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und die USA ihre Absicht bekundet, bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung enger zusammenzuarbeiten. Der US-Kongress hat im März 2010 ein Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung im grenzüberschreitenden Bereich verabschiedet, das ab 2014 gelten soll. Es sieht vor, dass ausländische Finanzinstitute und Finanzdienstleister der US-Steuerbehörde Informationen zu Konten überlassen, die sie für Kunden führen, die in den USA steuerpflichtig sind. Wie sich gezeigt hat, wirft die Umsetzung des Gesetzes erhebliche Probleme auf. So könnten Verpflichtungen, die ausländische Finanz-institute und Finanzdienstleister übernehmen, Rechtsvorschriften in ihren Ansässigkeitsstaaten verletzen. Vor diesem Hintergrund haben sich die USA bereit erklärt, mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien auf der Grundlage der Gegenseitigkeit eine Vereinbarung auszuarbeiten, die einen regelmäßigen Informationsaustausch, insbesondere zu Kapital-erträgen, vorsieht. Die Ziele dieser Vereinbarung sind vergleichbar mit den Zielen des Informationsaustausches zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf der Grundlage der Zinsrichtlinie. Mit der Ausarbeitung der Vereinbarung, die dann als Vorlage für bilaterale Abkommen dient, wird in Kürze begonnen werden. Die angestrebte Vereinbarung könnte anderen Staaten als Muster dienen, um mit den USA einen entsprechenden Informationsaustausch zu implementieren. Die Anwendung des Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD-Standard, zum Informationsaustausch bleibt durch die gemeinsame Erklärung vom 8. Februar 2012 unberührt. Hier hat sich bisher kein Staat oder Gebiet gegenüber Deutschland als nur bedingt kooperationsbereit gezeigt. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Frage 27): Plant die Bundesregierung gemäß dem Grünbuch der Deutsch-Französischen Zusammenarbeit über Konvergenzpunkte bei der Unternehmensbesteuerung in dieser Legislaturperiode noch eine Lockerung der Mindestbesteuerung des Verlustrücktrags, und stimmt die Bundesregierung damit überein, dass auch hinsichtlich der Umsatzbesteuerung eine Konvergenz erzielt werden sollte, nachdem die EU-Kommission in kürzester Zeit nun erneut die spezielle Regelung der deutschen Umsatzbesteuerung bei Kunstgegenständen kritisiert hat? Die Bundestagsfraktionen der Regierungskoalition haben am 14. Februar 2012 einen Katalog von zwölf Maßnahmen zur Modernisierung und Vereinfachung des Unternehmensteuerrechts vorgestellt. Dieser sieht im Bereich der Verlustverrechnung insbesondere vor, den Höchstbetrag beim Verlustrücktrag von derzeit 511 500 Euro auf 1 Million Euro anzuheben. Als Beitrag zu Vereinfachung des Steuerrechts soll zudem das Wahlrecht entfallen, den Verlustrücktrag innerhalb der bestehenden Höchstbeträge zu begrenzen. Im Hinblick auf die Mindestgewinnbesteuerung ist zu berücksichtigen, dass Frankreich und weitere Staaten jüngst eine Mindestgewinnbesteuerung nach deutschem Vorbild eingeführt haben. Wir werden die Vorschläge aus dem Maßnahmenpaket nun mit Vertretern der Länder und der Wirtschaft erörtern. Der Bereich der Umsatzsteuer ist aufgrund der Vorgaben der für alle Mitgliedstaaten verbindlichen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie bereits weitgehend harmonisiert. Die Frage der Konvergenz stellt sich daher aus Sicht der Bundesregierung nicht. Die Kritik der Kommission an der Regelung der deutschen Umsatzbesteuerung bei Kunstgegenständen bezieht sich demgegenüber auf den Umfang des Anwendungsbereichs des ermäßigten Umsatzsteuersatzes. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 29): Wann und in welcher Form plant die Bundesregierung, sich mit den Bundesländern über die Ausgestaltung der Bundesauftragsverwaltung, die aufgrund der Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund erforderlich ist (Bundestagsdrucksache 17/7141), abzustimmen? Die Bundesregierung wird bis Mitte des Jahres einen Gesetzentwurf vorlegen, der die Erhöhung des Bundesanteils auf 75 Prozent im Jahr 2013 und auf 100 Prozent ab dem Jahr 2014 vorsieht. Zudem wird der Gesetzentwurf die Umsetzung der durch die erhöhten Bundes-beteiligung für das Vierte Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, SGB XII, eintretenden Bundesauftragsverwaltung enthalten. Eine Abstimmung mit Ländern und kommunalen Spitzenverbänden wird im Rahmen des Abstimmungsverfahrens zum Referentenentwurf erfolgen. Angesichts der erforderlichen Änderungen im SGB XII wird eine ausreichend lange Frist für die Stellungnahme zum Referentenentwurf vorgesehen. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/8828, Fragen 30 und 31): Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Anteil der in der deutschen Binnenschifffahrt angestellten Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsvertrag mit einem im Ausland ansässigen Unternehmen abgeschlossen haben und daher keine Abgaben an deutsche Sozialversicherungsträger abführen, obwohl sie dauerhaft auf deutschen Gewässern tätig sind, und wie hoch schätzt die Bundesregierung die finanziellen Ausfälle der -Sozialversicherungsträger durch diese Praxis? Wie bewertet die Bundesregierung die in Frage 30 genannte Praxis in der Binnenschifffahrt, Angestellte über zum Beispiel zypriotische Ausrüsterfirmen zu „mieten“, um durch diesen „Drehtüreffekt“ keine deutschen Sozialabgaben zahlen zu müssen, sowohl unter dem Gesichtspunkt der Wett--bewerbsfähigkeit als auch in Bezug auf die soziale Sicherheit der Angestellten? Zu Frage 30: Der Bundesregierung liegen keine Zahlen über die in der Binnenschifffahrt tätigen deutschen Arbeitnehmer mit Anstellung bei einem ausländischen Arbeitgeber vor. Die Arbeitsverträge unterliegen der Vertragsfreiheit und werden nicht erfasst. Nach dem koordinierenden europäischen Sozialrecht gilt grundsätzlich das Beschäftigungslandprinzip, das heißt, soweit die Beschäftigung in Deutschland ausgeübt wird, gelten die deutschen Vorschriften über die Versicherungspflicht. Für die Rheinschifffahrt gelten jedoch traditionell Sonderregelungen, die nach den Übergangsvorschriften und aufgrund einer Ausnahmevereinbarung nach Art. 16 der Verordnung (EG) 883/2004 fortgelten. Die Ausnahmevereinbarung wurde von den Regierungen der Rheinanliegerstaaten auf ausdrücklichen Wunsch der Sozialpartner abgeschlossen, um eine einheitliche Anwendung desselben Rechts für alle Beschäftigten an Bord eines Schiffes zu gewährleisten. Aufgrund dieser Rechtslage ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der Rheinschiffer abweichend vom Beschäftigungslandprinzip in dem Staat versichert ist, in dem das jeweilige Unternehmen seinen Sitz hat. Die finanziellen -Folgen dieser Regelung lassen sich nicht abschätzen. Den Ausfällen von Beiträgen steht allerdings auch ein Wegfall von Leistungsverpflichtungen der deutschen -Sozialversicherungsträger gegenüber. Zu Frage 31: Die Bundesregierung bewertet diese Praxis kritisch, da sie dem Ziel (siehe auch Antwort zu Frage Nr. 30) entgegensteht, dass für das gesamte Bordpersonal eines Rheinschiffs das gleiche Recht gelten soll. Es ist zu -befürchten, dass es sich bei den zypriotischen Unternehmen um sogenannte Briefkastenfirmen bzw. Scheinausrüster handelt, die zu dem alleinigen Zweck registriert werden, die Bestimmung des anzuwendenden Sozialrechts zu manipulieren. Dadurch werden nicht nur Kosten für -Sozialversicherungsbeiträge zulasten der Arbeitnehmer gespart, sondern auch Wettbewerbsbedingungen verzerrt. Die Problematik ist bereits Gegenstand der Beratungen der Zentralen Verwaltungsstelle für die soziale Sicherheit der Rheinschiffer bei der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 33): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Februar 2012 (BVerwG 7 C 8.11) bezüglich der Vernichtung von bereits ausgesätem, mit gentechnisch veränderten Organismen verunreinigtem Saatgut, insbesondere im Hinblick auf Maßnahmen zur Vermeidung einer schleichenden Saatgutverunreinigung mit nicht für den Anbau zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus für ihr Abstimmungsverhalten auf EU-Ebene bezüglich der Zulassung und Regulierung gentechnisch veränderter Pflanzen? Das Bundesverwaltungsgericht hat am 29. Februar 2012 entschieden, dass nach dem Gentechnikgesetz die Anordnung des Umpflügens von Feldern, auf denen Saatgut ausgebracht wurde, das mit nicht zugelassenen GVO verunreinigt war, auch dann rechtmäßig ist, wenn die Verunreinigung des Saatguts mit diesem GVO nur sehr geringfügig war und der Landwirt die Verunreinigung nicht kannte. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der mündlichen Urteilsbegründung ausgeführt, dass diese Anordnung auch in Umsetzung der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG erfolgt. Danach stellt der betroffene Mitgliedstaat im Falle einer nicht genehmigten Freisetzung von GVO sicher, dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Freisetzung zu beenden. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts macht deutlich, dass das deutsche Gentechnikgesetz eine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine entsprechende Anordnung bietet. Insoweit gibt das Urteil keine Veranlassung, das deutsche Gentechnikrecht anzupassen. Die Überwachung des Saatguts auf nicht zugelassene GVO ist Ländersache. Diese Überwachung ist nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung mittlerweile so ausgestaltet, dass sie rechtzeitig vor der Aussaat abgeschlossen werden kann. Bei der Abstimmung auf EU-Ebene bezüglich der -Zulassung und Regulierung gentechnisch veränderter Pflanzen geht es nicht um die Frage des Eintrags nicht zugelassener GVO in die Umwelt, mit der sich das Bundesverwaltungsgericht zu befassen hatte. Die Bundes--regierung lässt sich bei der Abstimmung über die beantragte Zulassung eines GVO entscheidend davon leiten, dass nach wissenschaftlicher Beurteilung durch die EFSA keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf die Umwelt zu erwarten sind, denn der Schutz von Mensch, Tier und Umwelt bleibt oberstes Ziel des Gentechnikrechts. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 34): Inwieweit wird die Bundesregierung die Initiative Frankreichs für eine EU-weite Aussetzung der Anbauzulassung für den gentechnisch veränderten Mais MON810 unterstützen, mit der auch die anderen EU-Staaten vor den auch von der Bundesregierung anerkannten Risiken durch MON810 geschützt würden? Die Bundesregierung verfolgt das Sofortmaßnahmenverfahren Frankreichs zur Aussetzung der Zulassung für die gentechnisch veränderte Maislinie MON810. Das EU-Recht sieht eine Beteiligung Deutschlands an diesem Verfahren erst vor, wenn die französische Regierung die MON810-Zulassung in Frankreich vorläufig aus--setzen sollte und die Kommission deswegen den zuständigen Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit, StALuT, mit der Frage befasst, ob die französische vorläufige Sofortmaßnahme zu verlängern, zu ändern oder aufzuheben sei. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Frage 35): Wie bewertet die Bundesregierung die Risiken von gentechnisch veränderten Lebendimpfstoffen in der Tierhaltung, und welche Risikoeinschätzung hat sie in diesem Zusammenhang beim Feldversuch an Pferden im Gestüt Lewitz? Die Risikobewertung von gentechnisch veränderten Lebendimpfstoffen zur Anwendung bei Tieren erfolgt nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des Gentechnik- und des Tierimpfstoffrechts. Jeder Einzelfall ist zu prüfen. In Bezug auf eine mögliche Zulassung eines Impfstoffes zur Anwendung bei Tieren erfolgt die Prüfung zentral bei der Europäischen Zulassungsbehörde EMA. Im speziellen Fall – Gestüt Lewitz – sind das Genehmigungsverfahren und die Sicherheitsbewertung zur Freisetzung des gentechnisch veränderten Lebendimpfstoffes gegenwärtig noch nicht abgeschlossen. Der Impfstoff soll zur Immunisierung von Pferden, insbesondere Fohlen, gegen Rhodococcus equi – ein Bakterium, das Lungenentzündungen hervorruft – eingesetzt werden. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 36): Wie häufig und mit welchen Ergebnissen wurden die „kurzfristigen Inspektionen von afghanischen Hafteinrichtungen“ im Regional Command North, die der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt erwähnt hat (vergleiche Antwort der Bundesregierung zu Frage 17, Plenarprotokoll 17/138), durchgeführt, und waren diese Inspektionen unangekündigt? In Reaktion auf die Hinweise der UNAMA hinsichtlich möglicher Menschenrechtsverstöße in afghanischen Hafteinrichtungen wurden im Oktober 2011 im Verantwortungsbereich des Regionalkommandos Nord unter anderem sogenannte Combined Detention Facility Assessment and Certification Teams, CDFACT, aufgestellt, die die mit Vorwürfen behafteten afghanischen Hafteinrichtungen – Detention Facilities – in mehreren Phasen überprüfen, gegebenenfalls Ausbildungsunterstützung für das dort angestellte Personal leisten und die Einrichtung nach erneuter Überprüfung abschließend COM ISAF zur Zertifizierung vorschlagen sollen. Die CDFACT führten seither neun Überprüfungen, hiervon drei unangekündigt, durch. Nach den entsprechenden Vorschlägen an COM ISAF zertifizierte dieser am 28. Januar 2012 die beiden Detention Facilities in Kunduz und Dasht-e Archi sowie am 17. Februar 2012 eine dritte in der Provinz Takhar. Darüber hinaus werden durch die Gruppe Combined Detention Oversight Team, CDOT, im Regionalkommando Nord Daten über in diesem Verantwortungsbereich durch ISAF oder durch afghanische Sicherheitskräfte bei gemeinsamer Operationsführung mit ISAF in Gewahrsam genommene Personen gesammelt, deren Weg bis zum Strafvollzug überwacht sowie deren Aufenthalt in Untersuchungshaft registriert und überwacht. Dies beinhaltet auch die Planung und Durchführung von kurzfristigen Inspektionen von Hafteinrichtungen. Die CDOT führten in sieben afghanischen Detention Facilities insgesamt zehn unangekündigte Inspektionen bzw. Befragungen durch. Dabei wurden keine Verstöße gegen die Menschenrechte bzw. Misshandlungen der in Gewahrsam genommenen Personen festgestellt. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 37): Welcher Personenkreis wurde 2011 in Saudi-Arabien von deutschen Bundeswehrsoldaten bei der Ausbildung auf dem System LUNA unterstützt, und zu welchem Zweck soll das System eingesetzt werden? Zur Unterstützung der Firma EMT wurden im Januar 2011 drei deutsche Soldaten nach Saudi-Arabien entsandt. Der auszubildende Personenkreis bei der Erstinbetriebnahme des Unmanned Aerial Systems Luftgestützte Unbemannte Nahaufklärungsausstattung, UAS LUNA, durch die Firma EMT umfasste insgesamt circa 20 Soldaten, die den Royal Saudi Landforces angehörten. Die Gruppe bestand aus einem Major (Zugführer) und Unteroffizieren (alle im Range eines Feldwebels; Bediener des UAS LUNA). Des Weiteren war ein Hauptmann – Vertreter der -Military Industrial Cooperation; vergleichbar mit dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung – ständig bei der Ausbildung anwesend. Der erste Teil der Ausbildung, circa sechs Wochen, fand an der Prince Sultan Air Base in Al Kharj (Kontingentausbildung), der zweite Teil – taktische Missionsflüge, circa drei Wochen – in einem Bereich nahe der Ortschaft Jizan statt. Die taktischen Missionsflüge wurden im grenznahen Bereich zum Jemen durch die Royal Saudi Landforces durchgeführt. Hieraus lässt sich ableiten, dass Saudi- Arabien das UAS LUNA zu Aufklärungszwecken im Rahmen der Grenzsicherung einsetzt. Anlage 20 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage des Abgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Frage 38): Plant die Bundesregierung, nach den für die Krankenhäuser maßgeblichen Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst die Kostensteigerungen der Krankenhäuser zumindest teilweise aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung, GKV, zu refinanzieren, oder schließt sie dies aus? Für das Jahr 2012 liegen noch nicht alle Tarif--abschlüsse vor. Die aktuelle wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser wird im Lichte der Ergebnisse der teils noch laufenden Tarifverhandlungen zu würdigen sein. Dabei sind auch die Auswirkungen auf die Kostenträger zu berücksichtigen. Anlage 21 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage des Abgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Frage 39): Hat die Bundesregierung die 2011 in Kraft getretenen Kürzungen im Krankenhausbereich im Rahmen des GKV-Finanzierungsgesetzes angesichts der damaligen Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung getroffen, und weshalb macht sie in der derzeitigen guten wirtschaftlichen Lage keine Politik nach Kassenlage? Die im Rahmen des GKV-Finanzierungsgesetzes und weiterer Gesetze beschlossenen ausgabenbegrenzenden Regelungen bei Leistungserbringern und den Verwaltungskosten der Krankenkassen waren angesichts des ansonsten zu erwartenden Defizits der gesetzlichen Krankenversicherung erforderlich. Dabei waren die bei den Krankenhäusern anknüpfenden Maßnahmen auf eine Begrenzung des Einnahmenanstiegs der Krankenhäuser ausgerichtet. Eine Kürzung der Einnahmen der Krankenhäuser ist dagegen nicht erfolgt. Eine rationale Gesundheitspolitik bleibt jedoch auch vor dem Hintergrund einer verbesserten finanziellen -Situation der gesetzlichen Krankenversicherung einem verantwortungsvollen, verlässlichen und vorausschauenden Handeln verpflichtet. Eine Politik nach Kassenlage entspricht diesen Anforderungen nicht. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Aus--gabenanstieg der gesetzlichen Krankenversicherung für Krankenhausbehandlung je Versicherten im Jahr 2011 auf Basis der vorläufigen Finanzergebnisse mit 3,7 Prozent deutlich über dem durchschnittlichen Anstieg aller Leistungsausgaben von 2,6 Prozent lag. Hierdurch erzielten die Krankenhäuser allein von den gesetzlichen Krankenkassen Mehreinnahmen gegenüber dem Jahr 2010 von rund 2 Milliarden Euro. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Fragen 40 und 41): Erwägt die Bundesregierung den Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße, obwohl diese Wasserstraße nach der Neustrukturierung durch die Bundesregierung nur zum Nebennetz gehören soll und Ausbaumaßnahmen eigentlich nicht stattfinden sollen, und welcher konkrete Bedarf rechtfertigt eventuelle Ausbaumaßnahmen? Welche finanziellen Mittel wird die Bundesregierung für einen Ausbau zur Verfügung stellen, vor dem Hintergrund, dass es im Entwurf des Investitionsrahmenplanes 2011 bis 2015 bezüglich der Bundeswasserstraßen heißt, dass für neue Maßnahmen kein Spielraum besteht, und in welchem zeitlichen Horizont sollen die Maßnahmen umgesetzt werden? Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung beabsichtigt, unter Beteiligung von Vertretern Brandenburgs Verhandlungen mit Polen bezüglich der Verbesserung der Situation an den deutsch-polnischen Gewässern aufzunehmen. Ziel ist eine Vereinbarung über eine gemeinsame Stromregelungskonzeption an der Grenz-Oder und über die Gewährleistung eines sicheren und leichten Verkehrs mit Kümos – Küstenmotorschiffen – zwischen Schwedt und der Ostsee. Deutschland geht es dabei nicht mehr um einen Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße in den bisher geplanten Abmessungen. Zur Gewährleistung eines einschiffigen Verkehrs genügen nach neueren Erkenntnissen einige punktuelle Baggerungen, die sich voraussichtlich auf die auf polnischem Gebiet liegende Klützer Querfahrt konzentrieren. Insoweit hängen die Realisierungschancen erheblich von der polnischen Verhandlungsführung ab. Die Planungen zum Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße sollen insofern mit dem Ziel der erheblichen Kostenreduzierung optimiert werden. Neue Planungen liegen noch nicht vor, sodass zu den Gesamtkosten noch keine Aussage getroffen werden kann. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 42): Wann hat der Vorstand der bundeseigenen Deutschen Bahn AG, DB AG, seinen Beschluss von 2001, nach dem Baumaßnahmen erst begonnen werden dürfen, wenn alle Planfeststellungsabschnitte bestandskräftig bzw. rechtskräftig festgestellt sind, aufgehoben, und hält die Bundesregierung als Vertreterin des Eigentümers der bundeseigenen DB AG die entstehenden Risiken für das Unternehmen – und damit für den Eigentümer Bund – für vertretbar, wenn Baumaßnahmen der Eisenbahninfrastrukturunternehmen begonnen werden, ohne dass alle Planfeststellungsabschnitte bestandskräftig bzw. rechtskräftig abgeschlossen sind? Die Fragen zu Vorstandsentscheidungen der Deutschen Bahn AG zu Baumaßnahmen und Planfeststellungsbeschlüssen fallen in die unternehmerische Zuständigkeit der Deutschen Bahn AG. Sie können deshalb vor dem Hintergrund der Umsetzung des Beschlusses des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vom 27. Juni 1996 (Anlage 1 zu Bundestagsdrucksache 13/6149) von der Bundesregierung nicht beantwortet werden. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 43): Für welche Art von unbemannten Luftfahrtgeräten, UAS, hat die Firma Rheinmetall Defence beim Luftfahrt-Bundesamt einen Antrag auf Musterzulassung gestellt, und hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob die Firma Rheinmetall -Defence vor oder nach der Ablehnung dieses Antrags für das entsprechende UAS auch in anderen Staaten Zulassungsanträge gestellt hat? Die Firma Rheinmetall Defence Electronics GmbH hatte für ein unbemanntes Luftfahrtsystem mit dem Namen Scout im Mai 2008 einen Antrag auf Muster-zulassung beim Luftfahrt-Bundesamt gestellt. Eine Musterzulassung für unbemannte Luftfahrtsysteme ist jedoch derzeit rechtlich nicht vorgesehen und somit nicht möglich. Die Bundesregierung hat keine Kenntnis davon, ob die Firma Rheinmetall Defence Electronics GmbH für das entsprechende unbemannte Luftfahrtsystem auch in anderen Staaten Zulassungsanträge gestellt hat. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 44): Wie viele (Nicht-)Wohngebäude im öffentlichen Eigentum würden bei der Umsetzung des Art. 4 des aktuellen Entwurfs der EU-Energieeffizienzrichtlinie in der Bundesrepublik Deutschland energetisch saniert werden, und welche Position vertritt die Bundesregierung bezüglich des Art. 4 des Entwurfs der EU-Energieeffizienzrichtlinie – hier insbesondere, ob sie sich für eine Sanierungsrate aller (Nicht-)Wohngebäude im öffentlichen Eigentum ausspricht oder nur für (Nicht-) Wohngebäude der Bundesregierung bzw. der Zentralregierungen in der EU? Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung geht davon aus, dass der Bund über rund 4 500 Liegenschaften mit einer Gesamtnutzfläche von rund 50 Millionen Quadratmetern verfügt. Belastbare Daten zur tatsächlichen Zahl der zu den Liegenschaften gehörenden Gebäude und der zugehörigen Gebäudeflächen liegen derzeit noch nicht vor. Die Verbesserung der Datenlage zählt zu den wichtigsten Maßnahmen des zu erarbeitenden Sanierungsfahrplans für Bundesliegenschaften. Die Bundesregierung unterstützt eine energetische Sanierungsrate von 2 Prozent für (Nicht-)Wohngebäude im öffentlichen Eigentum, das heißt nicht nur jener im Eigentum der Zentralregierungen. Die Beschränkung auf Gebäude der zentralstaatlichen Verwaltungsebene birgt aus Sicht der Bundesregierung die Gefahr, dass das Ziel des Art. 4 – die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand bei der energetischen Sanierung zu stärken – nur eingeschränkt erreicht werden kann. Die Bundesregierung spricht sich aber dafür aus, Wohngebäude von der Sanierungspflicht auszunehmen. Aus Sicht der Bundesregierung muss bei verpflichtenden Maßnahmen der öffentlichen Hand die Kosten-effizienz bzw. Wirtschaftlichkeit beachtet werden. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen der Abgeordneten Bettina Hagedorn (SPD) (Drucksache 17/8828, Fragen 45 und 46): Welche Staatsverträge hat die Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten in den letzten 15 Jahren geschlossen, die die Regelung von Verkehrsinfrastrukturprojekten zum Inhalt hatten (nach Jahren sortiert) und dabei finanzielle Verpflichtungen begründet haben (bitte nach Staatsverträgen aufgelistet und gesamt), und in welchem Umfang sind diese bereits erfüllt bzw. im Bundeshaushalt und in der Finanzplanung konkret abgesichert? Bis zu welchem Zeitpunkt muss die Bundesrepublik Deutschland die per Staatsvertrag beschlossenen Infrastrukturprojekte finanzieren, und welche Risiken sind dabei in den bei Vertragsabschluss gemachten Kalkulationen vor dem Hintergrund der regelmäßig langen Realisierungsdauer der Infrastrukturprojekte berücksichtigt worden? Zu Frage 45: Die Inhalte von Staatsverträgen zur Regelung von Verkehrsinfrastrukturprojekten beziehen sich nicht in allen Fällen auf den Bau von Verkehrsprojekten allein, sondern betreffen darüber hinaus Betrieb und Unterhaltung oder verkehrliche sowie sonstige Regelungen für die Infrastruktur. Als Staatsverträge des Bundes zur Durchführung künftiger bzw. laufender Verkehrsprojekte ab 1997 sind zu nennen: – für die Bundesschienenwege: – Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Bau einer Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Kehl; Bau abgeschlossen, Instandhaltung fortlaufend; 2006 – Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über eine Feste Fehmarnbeltquerung (Regelungen für Schiene und Straße); 2008 – Vertrag über den Bau und die Instandhaltung von Grenzbrücken in der Bundesrepublik Deutschland im Zuge von Schienenwegen des Bundes, in der Republik Polen im Zuge von Eisenbahnstrecken mit staatlicher Bedeutung; Bau der Oderbrücke bei Frankfurt (Oder) abgeschlossen, Instandhaltung fortlaufend; Bau der Neißebrücke bei Horka – durch die polnische Seite – offen; 2008 – für die Bundesfernstraßen: – Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über den Zusammenschluss der deutschen Autobahn A 17 und der tschechischen Seite Autobahn D 8 an der gemeinsamen Staatsgrenze durch Errichtung einer Grenzbrücke; Bau der Grenzbrücke abgeschlossen, Erhaltung fortlaufend; 2000 – Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über den Bau einer Grenzbrücke an der gemeinsamen Staatsgrenze in Anbindung an die Bundesstraße B 20 und die Staatsstraße I/26; Bau der Grenzbrücke abgeschlossen, Erhaltung fortlaufend; 2001 – Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Schweizerischen Bundesrat über Bau und Erhaltung einer Autobahnbrücke zwischen Rheinfelden (Baden-Württemberg) und Rheinfelden (Aargau); Bau der Grenzbrücke abgeschlossen, Erhaltung fortlaufend; 2003 – Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Polen und der Tschechischen Republik über den Bau einer Straßenverbindung in der Euroregion Neiße, im Raum zwischen den Städten Zittau in der Bundesrepublik Deutschland, Reichenau (Bogatynia) in der Republik Polen und Hrádek nad Nisou/Grottau in der Tschechischen Republik; Bau der Straße auf polnischer Seite und der Grenzbrücke – durch die polnische Seite – offen, Erhaltung sodann fortlaufend; 2004 – Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Schweizerischen Bundesrat, handelnd im Namen des Kantons Aargau, über Bau und Erhaltung einer Rheinbrücke zwischen Laufenburg (Baden-Württemberg) und Laufenburg (Aargau); Erneuerung der Brücke abgeschlossen, Erhaltung fortlaufend; 2005 – Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Schweizerischen Bundesrat, handelnd im Namen des Kantons Schaffhausen, über die Erhaltung einer Straßenbrücke über die Wutach zwischen Stühlingen (Baden-Württemberg) und Oberwiesen (Schaffhausen); Bau der Grenzbrücke abgeschlossen; 2005 – Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über den Zusammenschluss der deutschen Autobahn A 61 und der niederländischen A 74; Zusammenschluss offen; 2005 – Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über den Zusammenschluss der deutschen Autobahn A 52 und der niederländischen Regionalstraße N 280; Bau der Grenzbrücke abgeschlossen, Erhaltung fortlaufend; 2005 – Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über den Zusammenschluss der deutschen Bundesstraße B 56n und der niederländischen Regionalstraße N 297n an der gemeinsamen Staatsgrenze durch Errichtung einer Grenzbrücke; Bau der Grenzbrücke abgeschlossen, Erhaltung fortlaufend; 2005 – Abkommen über die Erneuerung und die Erhaltung der Grenzbrücke über die Mosel zwischen Wellen und Grevenmacher (Luxemburg); Bau der Grenzbrücke über die Mosel offen, Erhaltung sodann fortlaufend; 2010. Darüber hinaus hat die Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten noch diverse Abkommen über das nachgeordnete Straßennetz abgeschlossen. Diese haben jedoch keine Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und werden daher nicht einzeln aufgelistet. – für die Bundeswasserstraßen: – keine – . Zu Frage 46: In der Regel beinhalten Staatsverträge einen angestrebten Realisierungszeitraum oder eine Abspracheklausel mit Bezug auf die Verkehrsentwicklung – vorbehaltlich der haushalterischen Rahmenbedingungen der jeweiligen Vertragsparteien. Sie beinhalten nur in Einzelfällen konkrete Aussagen zu den anteiligen Projektkosten. In diesem Fall sind Regelungen zur Übernahme von Mehrkosten in den jeweiligen Vertrag aufgenommen. In gemeinsamen Kommissionen wird der Projektfortschritt regelmäßig besprochen und gegebenenfalls die Planung angepasst. Im Übrigen werden die aktuellen Kostenentwicklungen vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung dem Parlament unter anderem durch den -regelmäßig vorgelegten Investitionsrahmenplan für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes als Planungsrahmen dargestellt, der den voraussichtlichen, projektbezogenen Finanzbedarf der nächsten fünf Jahre enthält. Der Realisierungsstand und wesentliche Projektkenndaten mit aktualisierten Projektkosten sind unter anderem ersichtlich aus den jährlich vorgelegten Verkehrsinvestitionsberichten des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, die zudem die voraussichtlichen, fortgeschriebenen Inbetriebnahmetermine enthalten. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Werner Dreibus (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Frage 47): Welche Möglichkeiten seitens des Bundes, der Länder und Kommunen gibt es, die Daseinsvorsorge in ländlichen Gebieten bzw. Vorstädten zu fördern? Die Förderpolitik für die ländlichen Räume in Deutschland verbindet die Stärkung von Wirtschaftskraft und Beschäftigungsperspektiven in den Regionen mit Maßnahmen zur Sicherung der Daseinsvorsorge für die dort lebende Bevölkerung sowie für eine wettbewerbs-fähige und zugleich umwelt- und standortgerechte Landwirtschaft. Die Mittel des „Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums“, ELER, werden eingesetzt, um die Wettbewerbsfähigkeit von Land- und Forstwirtschaft zu steigern, Umwelt, Natur und Landschaft zu erhalten sowie die Erwerbschancen und die Lebensqualität in ländlichen Räumen zu verbessern und zur Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft beizutragen. Die dazugehörige Fördermaßnahme LEADER unterstützt innovative Ansätze in den ländlichen Räumen, wie etwa die Erarbeitung und Umsetzung von maßgeschneiderten Entwicklungskonzepten und Projekten von Ak-tionsgruppen vor Ort. In Verbindung mit den nationalen Fördergrundsätzen für eine integrierte ländliche Entwicklung, ILE, werden mit der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, GAK, Maßnahmen der Daseinsvorsorge unterstützt, wie die Errichtung von Arztpraxen und medizinischen Einrichtungen, Kinder-tagesstätten und Mehrgenerationenhäusern. Ebenfalls förderfähig sind alternative Bedienformen des öffentlichen Personennahverkehrs, bürgerschaftliches Engagement und interkommunale Zusammenarbeit. Die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, GRW, ermöglicht den Ländern die Unterstützung spezieller kreativer Maßnahmen der ländlichen Regionen, die über den bisherigen Regelrahmen hinausgehen. In diesem Rahmen können kommunale Infrastrukturinvestitionen, die etwa im Wege der interkommunalen Kooperation durchgeführt werden, besonders gefördert werden. Die „Initiative Ländliche Infrastruktur“ des Bundes setzt auf die regionalen Stärken, auf die Ideen und die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort, um deren Lebensqualität und deren Heimat es geht. Dazu gehört das Städtebauförderungsprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden – über-örtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“. Es unterstützt Klein- und Mittelstädte im ländlichen, dünn besiedelten Räumen, die vom demografischen Wandel stark betroffen sind. Sie sollen insbesondere bei Investitionen zur bedarfs-gerechten Anpassung und Fortentwicklung der städtebaulichen Infrastruktur der Daseinsvorsorge gefördert werden. Im Jahr 2012 stellt der Bund 44,4 Millionen Euro für das Programm bereit. Ein weiterer Bestandteil der „Initiative Ländliche Infrastruktur“ ist das Mo-dellvorhaben der Raumordnung, MORO – Aktions-programm regionale Daseinsvorsorge, mit einem Gesamtvolumen von 6,5 Millionen Euro, mit dem 21 Planungsregionen, Landkreise und Gemeindeverbünde fachlich und finanziell bei der Erarbeitung und Umsetzung interkommunal abgestimmter Maßnahmenbündel zur Sicherung der Daseinsvorsorge unterstützt werden. Ziel der Bundesregierung ist es dabei, die Unterstützungsmöglichkeiten für ländliche Regionen, die unter besonderem demografischen Anpassungsdruck stehen, künftig noch stärker zu koordinieren. Dazu gehört die Verzahnung der EU-Fonds und deutschen Förderinstrumente für ländliche und strukturschwache Räume sowie eine Stärkung der Synergieeffekte zwischen den Gemeinschaftsaufgaben „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ und „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Anlage 28 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Frage 48): Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit -eines länderübergreifenden Herdenschutzkompetenzzentrums zur Ausbildung von Hunden zum Schutz von Weidetieren vor Wolfsübergriffen, und wie wird sie ein solches Vorhaben -unterstützen? Die Bundesregierung sieht die fachliche Notwendigkeit, gegebenenfalls länderübergreifende Herdenschutzkompetenzzentren einzurichten, um Hunderassen -auszuwählen, die zum Schutz von Weidetieren vor Wolfsübergriffen geeignet sind, sowie um Beratung bei der Hundeausbildung zu leisten. An eine Unterstützung des Vorhabens durch den Bund und mit Blick auf die Länderzuständigkeit ist nicht gedacht. Die Bundesregierung begrüßt die Initiative Sachsens, ein Herdenschutz-Kompetenzzentrum aufzubauen. Anlage 29 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 49): Um welche Unterlagen handelt es sich konkret bei den im Plenarprotokoll 17/161, Anlage 46, genannten „nachgereichten Unterlagen“ – bitte mit Angabe des Datums und Absenders bzw. Kraftwerks –, und mit jeweils welchen Schreiben haben die Landesatomaufsichtsbehörden auf das Schreiben des -Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, vom 20. Juni 2011, mit dem das BMU bat, die von der Reaktor-Sicherheitskommission in ihrer ersten Stellungnahme zu den Stresstests aufgezeigten Empfehlungen und offenen Punkte bei den in ihrer Zuständigkeit liegenden Kraftwerken zu klären, bislang reagiert – bitte ebenfalls mit Angabe des Datums? Es wurden mehrere anlagenspezifische Unterlagen eingereicht, zu denen Ende 2011 festgestellt wurde, dass sie eine Überarbeitung der Sicherheitsüberprüfung der Reaktor-Sicherheitskommission vom Mai 2011 nicht rechtfertigen würden. Ich werde Ihnen eine Aufstellung dieser Unterlagen übermitteln. Die Aufsichtsbehörden der Länder mit Kernkraftwerken sind der Bitte des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit nachgekommen und haben über den Stand berichtet. Eine Aufstellung der Antwortschreiben werde ich Ihnen übermitteln. Anlage 30 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 50): Bis wann soll nach aktuellem Stand die deutsche Übersetzung des vor kurzem fertiggestellten tschechischen Umweltverträglichkeitsgutachtens für das Atomkraftwerksprojekt -Temelin 3 und 4 vorliegen – bitte auch mit Angabe, seit wann es der Bundesregierung vorliegt –, und wann findet bezüglich Temelin 3 und 4 das nächste Treffen der Bundesregierung mit der tschechischen Regierung statt – bitte auch mit Angabe des Rahmens bzw. der Art des Treffens? Der Bundesregierung ist bekannt, dass die Tschechische Republik im Rahmen des Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens, UVP, für den Bau von zwei neuen Kernreaktoren am Standort Temelin, KKW Temelin 3 und 4, zwischenzeitlich ein Umweltverträglichkeitsgutachten fertiggestellt hat. Das tschechische Umweltministerium hat dem Bundesumweltministerium mit am 2. März 2012 zugegangenem Schreiben mitgeteilt, dass eine -Veröffentlichung des Umweltverträglichkeitsgutachtens mittlerweile erfolgt sei und insoweit auf die Internetveröffentlichung unter www.cenia.cz/eia verwiesen. Hierbei handelt es sich um die tschechische Sprachfassung des Gutachtens. Eine deutsche Sprachfassung des Umweltverträglichkeitsgutachtens wird durch die tschechische Seite vorbereitet. Diese liegt der Bundesregierung derzeit jedoch noch nicht vor. Die grenzüberschreitende Beteiligung Deutschlands an dem UVP-Verfahren Temelin erfolgt nach den Regeln des deutschen UVP-Gesetzes. Demnach beteiligen sich Bayern und Sachsen an dem Verfahren. Im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit zwischen der Tschechischen Republik und Deutschland berichtet die Tschechische Republik regelmäßig über den Stand des UVP-Verfahrens. An diesen Sitzungen der Deutsch-Tschechischen Kommission, DTK, nehmen neben dem Bundesumweltministerium auch Vertreter aus Bayern und Sachsen teil. Die nächste turnusmäßige Sitzung der DTK ist für den Herbst dieses Jahres vorgesehen. Anlage 31 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 51): Welche konkreten Bedenken (siehe Antwort der Bundesregierung zu Frage 80, Plenarprotokoll 17/161, Seite 19200 (B)) haben die Bundesregierung dazu veranlasst, sich bei der Abstimmung im Komitologieverfahren am 23. Februar 2012 über den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Umsetzung des Art. 7 a der Kraftstoffqualitätsrichtlinie der Stimme zu enthalten, und welche Alternativen zieht die Bundesregierung diesbezüglich in Betracht? Es gab innerhalb der Bundesregierung Bedenken, dass das vorgesehene Berechnungsverfahren zu Wettbewerbsnachteilen und zu einem zu befürchtenden zusätzlichen bürokratischen Aufwand für Raffinerien führen und letztlich zulasten der Versorgungssicherheit gehen könnte. Anlage 32 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 52): Wie hoch sind die durchschnittlichen täglichen Kosten der Marktprämie bzw. der Managementprämie, die bereits durch die im März gemeldeten Anlagen entstehen, und warum hat die Bundesregierung in ihrem Kabinettsbeschluss zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 29. Februar 2012 keinen Vorschlag in ihrer Formulierungshilfe gemacht, wie die Kosten der Marktprämie eingedämmt werden können? Nach Informationen der Übertragungsnetzbetreiber, ÜNB, sind für den Monat März 19 462 MW installierte Leistung für die Marktprämie angemeldet. Unter der Bedingung, dass diese Mengen bis zum Jahresende in der Marktprämie bleiben und bei Berücksichtigung der von den ÜNB im Trendszenario der Mittelfristprognose 2012 bis 2016 angesetzten Vollbenutzungsstunden liegen, belaufen sich die Kosten der Managementprämie auf durchschnittlich rund 1 Million Euro pro Tag. Dem gegenüberzustellen sind allerdings wegfallende Kosten der ÜNB bei der Wälzung des übrigen EEG-Stroms. Bei der Einführung der Marktprämie war klar, dass im Vergleich zum Verkauf der EEG-Strommengen durch die ÜNB an der Strombörse zusätzliche Kosten ent-stehen würden. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG, sieht jedoch eine starke jährliche Absenkung der -Managementprämie vor (bei Wind und PV im Schnitt um etwa 16 Prozent pro Jahr). Anders als bei den EEG-Vergütungen gilt dies auch für Bestandsanlagen. Für eine Änderung der Managementprämie bedarf es keiner Gesetzesänderung, da hierfür eine Verordnungsermächtigung im EEG nach § 64 f Nummer 3 EEG besteht. Etwaige Änderungen an einem neuen Instrument wie der Marktprämie sollten sich auf hinreichende Erfahrungen stützen, die wenige Wochen nach Einführung noch nicht gegeben sind. Die Bundesregierung wird daher die Entwicklung bei der Marktprämie sorgfältig beobachten. Anlage 33 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 53): Welche aktuellen konkreten wissenschaftlichen Berechnungsgrundlagen liegen der Bundesregierung für die Berechnung der neuen Vergütungshöhen und Vermarktungsanteile vor, die sie als Grundlage für die Zahlen ihres Kabinettsbeschlusses zur Formulierungshilfe zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 29. Februar 2012 genommen hat, und ist die Bundesregierung bereit, dem Parlament diese wissenschaftlichen Berechnungen detailliert vorzulegen? Dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit liegen Abschätzungen zu den Stromgestehungskosten zum Jahresbeginn für repräsentative Modellanlagen vor, die vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, ZSW, erstellt wurden. Die Berechnungen beruhen auf den im Erfahrungsbericht zum Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG, erläuterten Methoden und Annahmen. Die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie durchgeführten gutachterlichen Untersuchungen des Konsortiums Consentec/r2b/FGH/IBER haben gezeigt, dass auf jeden Fall eine hohe Einmalabsenkung der Vergütungssätze notwendig ist, um den Zielkorridor des EEG erreichen zu können. Der Vorschlag für das Marktintegrationsmodell geht auf Untersuchungen im Rahmen des Vorhabens „Solare Strahlungsenergie“ zum veröffentlichten EEG-Erfahrungsbericht 2011 zurück. Darin wurden verschiedene Modelle für eine regional differenzierte Vergütung untersucht, darunter auch die Begrenzung der Vergütung auf eine bestimmte Zahl von Vollbenutzungsstunden pro Jahr. Das Marktintegrationsmodell baut auf diesen Vor-überlegungen auf, um Anreize für verstärkten Eigenverbrauch und Direktvermarktung zu setzen. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 54): Welche Maßnahmen über die Bildungsprämie hinaus plant die Bundesregierung als Schlussfolgerungen aus der Empfehlung der Expertenkommission Forschung und Innovation, die im Jahresgutachten 2012 fordert, das Weiterbildungssystem so weiterzuentwickeln, dass insbesondere bisher unterrepräsentierte Gruppen – sowohl Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch Personen, die derzeit nicht erwerbstätig sind – verstärkt an Weiterbildungen teilnehmen? Die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer, ihre beruflichen Chancen wie ihr Schutz vor Arbeitslosigkeit hängen in hohem Maße von ihren Qualifikationen ab. Auch der wirtschaftliche Erfolg von Unternehmen wird davon wesentlich mitbestimmt. Daher gewinnt die kontinuierliche Weiterbildung über den gesamten Erwerbsverlauf große Bedeutung. Dies ist durch das Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation 2012 nochmals bestätigt worden. Bereits zuvor hat die Bundesregierung vielfältige Initiativen ergriffen, um die Qualifizierungs- und Weiterbildungsaktivitäten von Wirtschaft und Sozialpartnern zu fördern und insbesondere die Teilnahme unterrepräsentierter Gruppen zu ermöglichen. Dazu gehören – neben der erwähnten Bildungsprämie – Maßnahmen mit dem Ziel, mehr Jüngere und Ältere für Weiterbildung zu gewinnen, die Förderangebote zielgerichteter einzusetzen, Aus- und Weiterbildung effektiver zu verzahnen und die Transparenz und Qualität des Weiterbildungsangebotes zu erhöhen: – Mit den Ländern, den Sozialparteien und anderen Partnern wurde eine Nationale Strategie für die Alphabetisierung Erwachsener (Start 2011) gestartet. Teil dieser Strategie ist eine im Jahr 2012 stattfindende Öffentlichkeitskampagne. Darüber hinaus hat die Bundesregierung im Dezember 2011 einen neuen Förderschwerpunkt veröffentlicht, in dem Forschungsprojekte zur arbeitsplatzorientierten Alphabetisierung und Grundbildung durchgeführt werden. – Ebenfalls initiiert wurden eine Informationskampagne zur Attraktivitätssteigerung beruflicher Bildung (Start 2011) und eine Workshopreihe mit Wissenschaft und Praxis zur beruflichen Weiterbildungsförderung (Start 2012). – Aus- und Weiterbildung sind zudem wichtige Sicherungspfade des von der Bundesregierung beschlossenen Fachkräftesicherungskonzeptes. Dazu wurde das am 1. April 2012 in Kraft tretende Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt geschaffen. Darin wurde die berufliche Weiterbildungsförderung nach dem Dritten Sozialgesetzbuch und dem Zweiten Sozialgesetzbuch weiterentwickelt (BMAS) – . – Das Sonderprogramm der Bundesagentur für Arbeit zur „Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen, WeGebAU“ sowie das Programm „Initiative zur Flankierung des Strukturwandels, IFLAS“ zur gezielten Qualifizierungsförderung von Arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmern werden auch im Jahr 2012 fortgeführt (BMAS) – . – Die Bundesagentur für Arbeit fördert zudem ein Modellprojekt, das Geringqualifizierten das modulare Nachholen eines Berufsabschlusses ermöglichen soll (BMAS) – . – Aufgrund der wachsenden Bedeutung der Weiterbildung wird auch die Erforschung von beruflicher Weiterbildung und lebensbegleitendem Lernen weiter vorangetrieben. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 55): Wie viele Anträge auf eine Bildungsprämie sind seit dem 2. Dezember 2011 eingereicht, geprüft und bewilligt worden, und wie viele Bewilligungen sind im Zeitraum seit dem Beginn der Bildungsprämie bis zum 1. Dezember 2011 für Antragstellende mit einem Einkommen zwischen 20 001 und 25 600 Euro bei einzeln Veranlagten bzw. 40 001 und 51 200 Euro bei gemeinsam Veranlagten erteilt worden – bitte als absolute Zahlen sowie als Prozentzahlen der Gesamtbewilligungen ausweisen? In der ersten Förderphase wurden 166 139 Prämiengutscheine ausgegeben. Bis zum 1. März 2012 wurden davon 105 908 von den Weiterbildungsanbietern eingereicht. Bewilligt und ausgezahlt wurden bis zum 1. März 2012  68 818 Gutscheine. Bei den Beratenen des Jahres 2011 lag der Anteil der Personen mit einem Einkommen über 20 000 bzw. 40 000 Euro bei etwa 22 Prozent. Verlässliche absolute Zahlen für den Anteil dieser Einkommensgruppen bei den beantragten bzw. bewilligten Gutscheinen liegen noch nicht vor. Anlage 36 Antwort des Staatsministers Bernd Neumann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Fragen 56 und 57): Wie bewertet die Bundesregierung eine direkte Presseförderung von am Markt nachrangigen, kleineren Titeln über eine unabhängige Kommission, und wie bewertet sie die Vergabe von Krediten und verlorenen Zuschüssen auf Zeit durch eine unabhängige Kommission bei drohender Insolvenz eines Presseverlags? Bejaht die Bundesregierung ein Marktversagen im Pressemarkt insbesondere im lokalen Bereich, und sieht die Bundesregierung die fehlenden Marktzugänge wegen zu hoher Zugangsbarrieren im lokalen Pressebereich als Gefahr für die Pressevielfalt? Zu Frage 56: Mit Blick auf die gemäß Art. 30, 70 GG bestehende Zuständigkeit der Länder für das Pressewesen fällt eine Entscheidung über Einführung und mögliche Ausgestaltung einer direkten Presseförderung nicht in die Kompetenz des Bundes. Ungeachtet dessen lehnt die Bundesregierung direkte staatliche Subventionen an Verlage oder Publikationen im Hinblick auf die verfassungsrechtlich verbürgte privatwirtschaftliche Struktur der Presse und deren von Verfassungs wegen strikt zu beachtende Staatsfreiheit ab. Zu Frage 57: Obwohl insbesondere lokal tätige Presseverlage zum Teil vor schwierigen wirtschaftlichen und publizistischen Herausforderungen stehen, ist nach Ansicht der Bundesregierung bisher weder ein Marktversagen noch eine Gefährdung der Meinungs- und Pressevielfalt in Deutschland festzustellen. Anlage 37 Antwort des Staatsministers Bernd Neumann auf die Frage der Abgeordneten Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 58): Was hält die Bundesregierung von der Einführung periodischer Berichte über redaktionelle Kooperationen sowie crossmediale Produktions- und Anbieterstrukturen, und welche Stelle könnte solche Berichte erstellen? Aus Sicht der Bundesregierung sind Berichte über redaktionelle Kooperationen sowie zu crossmedialen Entwicklungen durchaus sinnvoll und hilfreich. Sie sollten von den in diesem Bereich kompetenten wissenschaftlichen Instituten erstellt werden. Anlage 38 Antwort des Staatsministers Bernd Neumann auf die Frage der Abgeordneten Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 59): Wie bewertet die Bundesregierung eine direkte Förderung von Medienunternehmen bzw. einzelnen Journalistinnen und Journalisten nach Bedarf durch eine unabhängige Kommission, wenn das Förderkriterium unter anderem der publizistische Bedarf und die originäre journalistische Leistung wäre, und wie bewertet die Bundesregierung die Errichtung einer Stiftung öffentlichen Rechts zur Förderung des Journalismus? Mit Blick auf die gemäß Art. 30, 70 GG bestehende Zuständigkeit der Länder für die Medienregulierung fällt eine Entscheidung über Einführung und mögliche Ausgestaltung einer solchen Förderung nicht in die Kompetenz des Bundes. Ungeachtet dessen lehnt die Bundesregierung staatliche Subventionen an Medienunternehmen oder Journalistinnen und Journalisten im Hinblick auf die von Verfassungs wegen strikt zu beachtende Staatsfreiheit der Medien und die Unabhängigkeit der Journalistinnen und Journalisten ab. Anlage 39 Antwort des Staatsministers Bernd Neumann auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 60): Wie bewertet die Bundesregierung die Modelle der direkten und indirekten Medienförderung in den europäischen Nachbarstaaten, und hält sie eine Anhebung der pressekartellrechtlichen Aufgreifschwelle vor dem Hintergrund einer solchen Bewertung für das einzig mögliche Instrument, um die Pressevielfalt zu erhalten? Die Bundesregierung lehnt staatliche Subventionen an Medienunternehmen oder Journalistinnen und Journalisten im Hinblick auf die von Verfassungs wegen verbürgte privatwirtschaftliche Struktur der Presse und die strikt zu beachtende Staatsfreiheit der Medien ab. Wie in vielen anderen EU-Mitgliedstaaten gibt es in Deutschland allerdings eine indirekte und strikt inhaltsneutrale Förderung der Presse in Form eines reduzierten Mehrwertsteuersatzes. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Meinungs- und Pressevielfalt. Die geplante maßvolle Erhöhung der Aufgreifschwelle bei der Pressefusionskontrolle erleichtert es Presseunternehmen, ihre wirtschaftliche Basis durch Fusionen abzusichern und ihre Wettbewerbsfähigkeit auch in Konkurrenz zu anderen Mediengattungen zu behaupten. Mittelbar dient dies der Erhaltung der Medienvielfalt. Anlage 40 Antwort des Staatsministers Bernd Neumann auf die Fragen der Abgeordneten Petra Merkel (Berlin) (SPD) (Druck--sache 17/8828, Fragen 61 und 62): Wie bewertet die Bundesregierung angesichts der Entwicklungen auf dem Medienmarkt die Notwendigkeit einer crossmedialen Konzentrationskontrolle, und welche Maßnahmen sind vorgesehen, um crossmedialen Konzentrationstendenzen wirksam zu begegnen? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene eines – gegebenenfalls crossmedialen – Medienkonzentrationsrechts bedarf, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung hierzu ergreifen? Zu Frage 61: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass das in der Gesetzgebungskompetenz der Länder liegende -Medienkonzentrationsrecht stärker als bisher auf crossmediale Entwicklungen ausgerichtet werden muss. Über eine Reform dieser Materie werden in den Ländern seit Jahren Reformgespräche geführt, die bislang aber noch keine konkreten Ergebnisse erbracht haben. Zu Frage 62: Die Bundesregierung sieht für ein europäisches Medien-konzentrationsrecht keine sachliche Notwendigkeit, weil die jeweiligen Medienmärkte nach wie vor national bzw. regional ausgerichtet sind. Anlage 41 Antwort des Staatsministers Bernd Neumann auf die Frage der Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) (Druck--sache 17/8828, Frage 63): Welche Forschungsaufträge zur Behebung der festgestellten Defizite, die die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD (Bundestagsdrucksache 17/6836) vom 23. August 2011 im Zusammenhang mit der Medienvielfalt angekündigt hat, hat die Bundesregierung -darüber hinaus bislang vergeben, und was wird dort genau -untersucht? Die Bundesregierung hat keine weiteren Studien über die zum Zeitpunkt der Beantwortung der Kleinen -Anfrage bereits erteilten Forschungsaufträge hinaus in Auftrag gegeben. Anlage 42 Antwort des Staatsministers Bernd Neumann auf die Fragen des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) (Drucksache 17/8828, Fragen 64 und 65): Wann wird die von der Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD (Bundestagsdrucksache 17/6836) angekündigte Bestandsaufnahme der für die Medienvielfalt relevanten Daten- und Faktenlage abgeschlossen und öffentlich zugänglich sein? Wann wird die in den Haushalt 2009 eingestellte Mediendatenbank – als deren Ziel der Haushaltsgesetzgeber ausdrücklich vorgegeben hat, dass diese den bestehenden Informations- und Datendefiziten im Medienbereich begegnen und belastbare Informationen und Datengrundlagen für medien- und kommunikationspolitische Entscheidungen bieten soll und deren öffentliche Zugänglichmachung auf der Webseite des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien für Ende 2011 angekündigt war – dem Parlament und wann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht? Zu Frage 64: Die vom Hans-Bredow-Institut, Hamburg, in Kooperation mit dem Formatt-Institut, Dortmund, in zwei Studien durchgeführte Bestandsaufnahme wurde erst vor kurzem abgeschlossen. Die Bundesregierung wird die Studien dem Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages in Kürze vorlegen. Sodann werden diese auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zu Frage 65: Die in der Antwort auf Frage 64 genannten Studien enthalten Daten zur Medienvielfalt in Deutschland. Diese werden nach der Unterrichtung des Parlaments wie angekündigt über die Webseite des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien veröffentlicht. Anlage 43 Antwort des Staatsministers Bernd Neumann auf die Frage des Abgeordneten Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 66): Wann wird die Bundesregierung die für das Projekt „Mediendatenbank“ (Einzelplan 04) erstellten Studien des Formatt-Instituts und des Hans-Bredow-Instituts – mit denen die ermittelten Erkenntnisdefizite sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nutzerseite im Medienbereich abgebaut werden sollten und die bis Ende des vergangenen Jahres abgeschlossen sein sollten – dem Deutschen Bundestag und wann der Öffentlichkeit zugänglich machen? Die genannten Studien wurden erst vor kurzem abgeschlossen. Die Bundesregierung wird sie dem Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages in Kürze vorlegen. Sodann werden sie auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 67): Wie bewertet die Bundesregierung den Schwund an Vielfalt bei der Lokalpresse, und geht sie davon aus, dass dieser durch eine Anhebung der Aufgreifschwelle, wie sie im Referentenentwurf zur 8. GWB-Novelle geplant ist, gestoppt wird? Die geplante maßvolle Erhöhung der Aufgreifschwelle bei der Pressefusionskontrolle erleichtert es Presseunternehmen, ihre wirtschaftliche Basis durch Fusionen abzusichern und ihre Wettbewerbsfähigkeit auch in Konkurrenz zu anderen Mediengattungen zu behaupten. Mittelbar dient dies der Erhaltung der Medienvielfalt. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Fragen 68 und 69): Wird die Pressevielfalt, die die Bundesregierung laut dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP von 2009 -erhalten will, durch die im Referentenentwurf zur 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, GWB, aufgenommene Anhebung der Aufgreifschwellen – wonach eine kartellrechtliche Prüfung von Verlagsfusionen dann erst ab -einem gemeinsamen Umsatz von 62,5 Millionen Euro stattfindet – nach Meinung der Bundesregierung gestärkt, und auf welcher Datenbasis beruht diese Annahme? Wie bewertet die Bundesregierung die weitergehenden Änderungswünsche, die die Verlegerverbände für die 8. GWB-Novelle vorgelegt haben, und wird sie diese Vorschläge bei der Vorlage des Gesetzentwurfs aufgreifen? Zu Frage 68: Nach Auffassung der Bundesregierung ist angesichts der Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Presseunternehmen, die durch die fortschreitende Entwicklung der digitalen Mediennutzung eingetreten ist, eine Änderung der pressespezifischen Regelungen im Wettbewerbsrecht sinnvoll. Die geplante maßvolle Erhöhung der Aufgreifschwelle bei der Pressefusionskontrolle erleichtert es Presseunternehmen, ihre wirtschaftliche Basis durch Fusionen abzusichern und ihre Wettbewerbsfähigkeit auch in Konkurrenz zu anderen Mediengattungen zu behaupten. Mittelbar dient dies der Erhaltung der Medienvielfalt. Die Bundesregierung stützt sich dabei auf die Fallzahlen des Bundeskartellamtes. Zu Frage 69: Nach sorgfältiger Erwägung der von den Verleger-verbänden vorgeschlagenen Änderungen ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die über die Änderung der Aufgreifschwelle hinausgehenden Vorschläge zur Änderung der gesetzlichen Regelungen über die Pressefusionskontrolle nicht geeignet sind, den wettbewerb--lichen Rahmen für die Verlagsbranche zu verbessern. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen des Abgeordneten Siegmund Ehrmann (SPD) (Drucksache 17/8828, Fragen 70 und 71): Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die mit dem Referentenentwurf zur 8. GWB-Novelle vorgesehenen Änderungen im Pressefusionsrecht tatsächlich einen Beitrag zur „Erhaltung der Meinungs- und Pressevielfalt“, wie es im Koalitonsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP heißt, leisten können, und wie begründet die Bundesregierung diese Auffassung? Welche Entwicklungen im Pressebereich machen – vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung noch in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 23. August 2011 (Bundestagsdrucksache 17/6836) erlärt hat, es gebe derzeit keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf – eine Änderung des Pressefusionsrechts notwendig, und aus welchen Gründen sieht die Bundesregierung die im Referentenentwurf zur 8. GWB-Novelle enthaltenen Änderungen beim Pressekartellrecht als geeignet an, die Pressevielfalt zu stärken? Nach Auffassung der Bundesregierung tragen die pressespezifischen Regelungen zur Fusionskontrolle den Besonderheiten der Marktstruktur im Pressewesen Rechnung. Dahinter steht die Annahme, dass die Vielfalt wirtschaftlich selbstständiger Verlage mittelbar einen Beitrag zur Meinungsvielfalt leistet. In ihrem gemeinsamen Eckpunktepapier vom September 2011 haben die Verlegerverbände vorgeschlagen, das Pressefusionsrecht im Rahmen der 8. GWB-Novelle zu ändern. Nach sorgfältiger Abwägung der von den Verlegerverbänden vorgeschlagenen Änderungen ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine maßvolle Erhöhung der Aufgreifschwelle bei der Pressefusionskon-trolle es Presseunternehmen erleichtern wird, ihre wirtschaftliche Basis durch Fusionen abzusichern und so ihre Wettbewerbsfähigkeit auch in Konkurrenz zu anderen Mediengattungen zu behaupten. Mittelbar dient dies der Erhaltung der Medienvielfalt. Über die Anhebung der Aufgreifschwelle hinausgehende Vorschläge zur -Änderung der gesetzlichen Regelungen über die Pressefusionskontrolle sind aus Sicht der Bundesregierung dagegen nicht geeignet, den wettbewerblichen Rahmen für die Verlagsbranche zu verbessern. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 72): Wie viele Pressefusionen ohne kartellamtliche Prüfung würde die im Referentenentwurf zur 8. GWB-Novelle enthaltene Anhebung der Aufgreifschwelle tatsächlich möglich -machen, und würden diese einen Erhalt an Pressevielfalt -bedeuten? Die geplante maßvolle Erhöhung der Aufgreifschwelle bei der Pressefusionskontrolle erleichtert es insbesondere kleinen und mittleren Verlagen, ihre wirtschaftliche Basis durch Fusionen abzusichern und ihre Wettbewerbsfähigkeit auch in Konkurrenz zu anderen Mediengattungen zu behaupten. Mittelbar dient dies der Erhaltung der Medienvielfalt. Nach Schätzungen dürften sich etwa 55 unabhängige Zeitungsverlage zusätzlich zum Status quo kontrollfrei zusammenschließen. Es fällt in die unternehmerische Freiheit der Presseunternehmen, inwieweit sie tatsächlich davon Gebrauch machen. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) (Druck--sache 17/8828, Frage 73): Welche Änderungen gibt es auf den Medien- und ins--besondere auf den Lesermärkten bei den Zeitungen, die eine Änderung der Pressefusionskontrolle im Rahmen der 8. GWB-Novelle notwendig machen, und wie haben die -Unternehmen bislang darauf reagiert? Nach Auffassung der Bundesregierung ist angesichts der Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Presseunternehmen, die durch die fortschreitende Entwicklung der digitalen Mediennutzung eingetreten ist, eine Änderung der pressespezifischen Regelungen im Wettbewerbsrecht sinnvoll. Die geplante maßvolle Erhöhung der Aufgreifschwelle bei der Pressefusionskontrolle erleichtert es Presseunternehmen, ihre wirtschaftliche Basis durch Fusionen abzusichern und ihre Wettbewerbsfähigkeit auch in Konkurrenz zu anderen Mediengattungen zu behaupten. Mittelbar dient dies der Erhaltung der Medienvielfalt. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Zypries (SPD) (Drucksache 17/8828, Frage 74): Woraus ergibt sich aus der Sicht der Bundesregierung die Notwendigkeit einer Änderung beim Pressefusionsrecht im Rahmen der 8. GWB-Novelle, und auf welche konkrete Datenbasis gründet die Bundesregierung die vorgeschlagenen Änderungen, insbesondere bei der Anhebung der Aufgreifschwellen? Nach Auffassung der Bundesregierung ist angesichts der Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Presseunternehmen, die durch die fortschreitende Entwicklung der digitalen Mediennutzung eingetreten ist, eine Änderung der pressespezifischen Regelungen im Wettbewerbsrecht sinnvoll. Die geplante maßvolle Erhöhung der Aufgreifschwelle bei der Pressefusionskontrolle erleichtert es Presseunternehmen, ihre wirtschaftliche Basis durch Fusionen abzusichern und ihre Wettbewerbsfähigkeit auch in Konkurrenz zu anderen Mediengattungen zu behaupten. Mittelbar dient dies der Erhaltung der Medienvielfalt. Die Bundesregierung stützt sich dabei auf die Fallzahlen des Bundeskartellamtes. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Zypries (SPD) (Drucksache 17/8828, Frage 75): Inwieweit werden die Erkenntnisse der für das Projekt „Mediendatenbank“ (Einzelplan 04) erstellten Studien des Formatt-Instituts und des Hans-Bredow-Instituts, mit denen die Erkenntnisdefizite sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nutzerseite im Medienbereich ausgeräumt werden sollten, bei der Erstellung des Referentenentwurfs zur 8. GWB-Novelle berücksichtigt, und welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus diesen Erkenntnissen im Detail gezogen? Es wird auf Antwort zur Frage 71 verwiesen. Die Studien des Fomatt-Instituts und des Hans-Bredow-Instituts wurden erst kürzlich fertiggestellt und der Bundesregierung übermittelt. Daher konnten Sie noch nicht ausgewertet werden. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 76): Befindet sich die laut der Antwort der Bundesregierung auf Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 17/8847 von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR, am 25. Januar 2012 an das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, BMWi, übergebene Akte zur Hans--Joachim-Martini-Stiftung bereits wieder bei der BGR oder noch beim BMWi, und, falls Letzteres zutrifft, wie lange soll sie dort verbleiben? Die Akte befindet sich noch beim BMWi. Eine Rückgabe an die Verwaltung der BGR ist in nächster Zeit vorgesehen. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 77): Wie unterscheiden sich die Einsparziele der Bundesregierung und der im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments mit breiter Mehrheit beschlossene Kompromiss zu Art. 6 der EU-Energieeffizienzrichtlinie, nach dem sich die 1,5-prozentige Einsparverpflichtung von Endenergie nicht mehr auf einzelne Unternehmen, sondern auf ein äquivalentes jährliches Einsparziel, gemittelt über drei Jahre, für die Mitgliedstaaten bezieht sowie Maßnahmen wie das CO2-Gebäudesanierungsprogramm auf dieses Ziel anrechenbar sind, und wird die Bundesregierung das im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments beschlossene 1,5-Prozent-Ziel bei den Ratsverhandlungen unterstützen? Nach Auffassung der Bundesregierung sieht der Änderungsvorschlag des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments zu Art. 6 weiterhin eine Einsparverpflichtung für einzelne Unternehmen vor. Eine solche Einsparverpflichtung soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung von den Mitgliedstaaten optional gewählt werden können, nicht aber verpflichtend eingeführt werden. Die Bundesregierung spricht sich dafür aus, dass den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht dahin gehend eingeräumt werden sollte, ob sie sich national zu einer verbindlichen Senkung des Energieverbrauchs von 4,5 Prozent innerhalb von drei Jahren oder einer verbindlichen Steigerung der Energieeffizienz von 6,3 Prozent innerhalb von drei Jahren – bezogen immer auf eine jeweils vorlaufende Referenz-periode – verpflichten. Das Ziel zur Energieeinsparung von 4,5 Prozent innerhalb von drei Jahren beruht auf dem Kommissionsvorschlag, Art. 6, Abs. 1, 9, das Ziel zur Steigerung der Energieeffizienz um 6,3 Prozent innerhalb von drei Jahren auf dem Energieeffizienzziel der Bundesregierung. Energieeffizienzziel und Einsparverpflichtung sind wegen unterschiedlicher Grundansätze nicht vergleichbar. Maßnahmen aus bereits existierenden Programmen, die nach Inkrafttreten der Richtlinie durchgeführt werden, fließen in jedem Falle ein. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 78): Wie beurteilt die Bundesregierung die im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments beschlossenen Änderungen in Art. 12 der EU-Energieeffizienzrichtlinie, nach denen die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen sollen, dass Barrieren, die die Teilnahme von Demand Response an den Märkten – insbesondere für Regelenergie- und Systemdienstleistungen – behindern, entfernt werden, und wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geplante Verordnung zu abschaltbaren Lasten, die ein Doppelvermarktungsverbot beinhaltet und damit ein Agieren der abschaltbaren Lasten auf Märkten verbietet? Betreibern von Lasten steht es in Deutschland grundsätzlich frei, diese als Regelenergie oder Systemdienstleistungen zu vermarkten, soweit diese die netztechnischen Anforderungen zur Teilnahme an diesen Märkten erfüllen. Das Verfahren zur Ausschreibung von Regelenergie, insbesondere Mindestangebotsgrößen, Ausschreibungszeiträume und Ausschreibungszeitscheiben, ebenso wie Veröffentlichungspflichten regelt die Bundesnetzagentur durch Festlegung. Die geplante Verordnung zu abschaltbaren Lasten soll Betreibern von Lasten durch Abschluss von Abschaltvereinbarungen eine weitere Möglichkeit eröffnen, einen Beitrag zur Systemstabilität zu leisten. Soweit sich ein Betreiber von Lasten für den Abschluss einer Abschaltvereinbarung entscheidet, ist sicherzustellen, dass die Last dem Übertragungsnetzbetreiber entsprechend der Abschaltverordnung tatsächlich zur Verfügung steht. Die Details der Abschaltverordnung befinden sich derzeit in der Abstimmung und werden sicherstellen, dass der Einsatz von abschaltbaren Lasten am Stromspot- und vor allem Regelenergiemarkt weiterhin möglich bleibt. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Werner Dreibus (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Frage 79): In welchem Zusammenhang steht nach Ansicht der Bundesregierung die Entwicklung, dass im Einzelhandel laut Zahlen der Deutschen Bundesbank die Unternehmensgewinne von 2000 bis 2010 um schätzungsweise 71 Prozent auf 20,2 Milliarden Euro gestiegen sind und die Reallöhne im Einzelhandel in diesem Zeitraum gesunken sind, und wie bewertet die Bundesregierung diese Entwicklung? Die mit dem Erzeugerpreisindex deflationierten Jahresergebnisse vor Gewinnsteuern im Einzelhandel sind im Zeitraum der Jahre 2000 bis 2009 um jahresdurchschnittlich 4,3 Prozent gestiegen. Die mit dem Verbraucherpreisindex deflationierten Bruttomonatsverdienste der Vollzeitbeschäftigten im Einzelhandel sind im Zeitraum der Jahre 2000 bis 2010 um jahresdurchschnittlich 0,2 Prozent gestiegen. Die schwache Reallohnentwicklung ist Ausdruck der hohen Arbeitslosigkeit am Anfang des Jahrzehnts sowie der ölpreisbedingt höheren Teuerung in den vergangenen Jahren. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Heidrun Dittrich (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Frage 80): Welche Möglichkeiten gibt es – mit welchen Voraussetzungen –, einen Neustart der Firma Schlecker mit staatlichen -Geldern – Bürgschaften, Krediten, Fördergeldern, auch europäischen etc. – zu unterstützen, und prüft die Bundesregierung eine dieser Möglichkeiten? In Sanierungsfällen prüft üblicherweise das jeweilige Bundesland, ob es seine Förderinstrumente einsetzt. Der Bund kann nur in gravierenden Ausnahmefällen, zum Beispiel bei einer übergeordneten wirtschaftlichen Bedeutung eines Unternehmens verbunden mit einer finanziellen Überforderung eines Bundeslandes, die Übernahme einer Bürgschaft zusammen mit dem Sitzland prüfen. Da das Unternehmen Schlecker sich in Insolvenz -befindet und deshalb ein „Unternehmen in Schwierig-keiten“ im Sinne der „Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten“ (ABIEU C 244 vom 1. Oktober 2004, Seite 2 ff.) ist, müsste jede Maßnahme zur Unterstützung von Schlecker mit staatlichen Geldern – Kredite, Bürgschaften, Zuschüsse – bei der -Europäischen Kommission notifiziert und von dieser -genehmigt werden. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Frage 81): Inwiefern sieht die Bundesregierung die Politik in der -Mitverantwortung an der Pleite der Firma Schlecker vor dem Hintergrund, dass die aktuelle Gesetzgebung es zugelassen hat, dass ein einzelner Unternehmenspatriarch ein Unternehmen mit Milliardenumsätzen und Zehntausenden Mitarbeitern mit der Rechtsform des eingetragenen Kaufmanns führen kann wie eine Würstchenbude ohne ausreichende Trans--parenz, dass diese es bis heute verhindert, dass die Beschäftigten wegen fehlender Mitbestimmung realen Einfluss auf die Unternehmenspolitik erhalten, obwohl sie den Reichtum des Unternehmens schaffen, es am besten kennen und im Fall von Schlecker vor Ort in den Filialen oft Veränderungen angeregt haben, und den Verdrängungswettbewerb durch Lockerungen der Ladenöffnungszeiten und der Rabattgesetze im Einzelhandel mit angeheizt hat? Die Bundesregierung sieht keine Mitverantwortung der Politik für die Insolvenz von Schlecker. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Fragen 82 und 83): Ist die Bundesregierung bereit, Bürgschaften abzugeben oder günstige Kredite zu vergeben, um Massenentlassungen bei der Firma Schlecker zu verhindern? Hat die Bundesregierung seit dem Einreichen des Insolvenzantrages der Firma Schlecker den Kontakt mit Gewerkschaften wie Verdi, den Beschäftigten, Kommunen und Sachverständigen gesucht, um einen möglichen Umbau des Unternehmens zum Beispiel in eine Genossenschaft zu beraten, und wenn nein, warum nicht? Zu Frage 82: In Sanierungsfällen prüft üblicherweise das jeweilige Bundesland, ob es seine Förderinstrumente einsetzt. Der Bund kann nur in gravierenden Ausnahmefällen, zum Beispiel bei einer übergeordneten wirtschaftlichen Bedeutung eines Unternehmens verbunden mit einer finanziellen Überforderung eines Bundeslandes, die Übernahme einer Bürgschaft zusammen mit dem Sitzland prüfen. Da das Unternehmen Schlecker sich in Insolvenz befindet und deshalb ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“ im Sinne der „Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten“ (ABIEU C 244 vom 1. Oktober 2004, Seite 2 ff.) ist, müsste jede Maßnahme – Kredite, Bürgschaften, Zuschüsse – zur Unterstützung von Schlecker mit staatlichen Geldern bei der Europäischen Kommission notifiziert und von dieser genehmigt werden. Zu Frage 83: Die Möglichkeiten für eine Rettung des Unternehmens Schlecker zu prüfen, ist Aufgabe des Insolvenzverwalters. Die Bundesregierung steht aber in engem Kontakt mit der Bundesagentur für Arbeit, die ihrerseits mit dem Insolvenzverwalter und der Unternehmensleitung strukturiert und regelmäßig kommuniziert. Die Bundesagentur für Arbeit hat bereits Vorbereitungen getroffen, um betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schnelle Unterstützung anbieten zu können. Anlage 58 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 84): Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass die Kritik des VN-Antifolterausschusses in seinen Concluding Observations zum Staatenbericht Aserbaidschans vom 8. Dezember 2009 (CAT/C/AZE/CO/3), dass in Aserbaidschan Folter nicht rechtlich verfolgt werde und deswegen eine Kultur der Straflosigkeit sich entwickeln könne (Abschnitt C.3), weiterhin gerechtfertigt ist, oder hat sich nach Ansicht der Bundesregierung die Situation in Aserbaidschan hinsichtlich der Strafverfolgung von Folter und unmenschlicher Behandlung durch Sicherheitskräfte gebessert? Das aserbaidschanische Innenministerium und andere zuständige Behörden gehen nach eigenen Angaben Foltervorwürfen gegen Beamte nach und verhängen Sanktionen. So wurden laut Innenministerium im Jahr 2010 276 Beamte wegen Menschenrechtsverletzungen bestraft und 20 von ihrem Posten entfernt. 2011 seien -gegen 232 Mitarbeiter des Strafvollzugsdienstes Diszi-plinarmaßnahmen verhängt und 183 „Verbrechen“ aufgeklärt worden. Nähere Informationen werden nicht veröffentlicht. Daher bleibt unklar, welche Verurteilungen tatsächlich im Zusammenhang mit berichteten Folterfällen stehen und ob die verhängten Strafen verhältnismäßig zur Schwere der Vorwürfe sind. Der am 27. Dezember 2011 beschlossene „Nationale Aktionsplan Menschenrechte“ der aserbaidschanischen Regierung nimmt an mehreren Stellen Bezug auf die Antifolterkonvention der Vereinten Nationen. Der Aktionsplan spricht in Teil 3 von „kontinuierlichen Maßnahmen“, die zum verbesserten Schutz von Häftlingen geführt hätten, und benennt sorgfältige Untersuchungen im Falle von Missbrauch und Rechtsverletzungen gegenüber Häftlingen als Ziel des Aktionsplans. Ferner werden Aufklärung und Training der Vollzugsbeamten über die Verpflichtungen aus der Antifolterkonvention zum Ziel erklärt. Entscheidend wird aus Sicht der Bundesregierung die Umsetzung des Aktionsplans sein. Anlage 59 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 85): Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um den Sonderberichterstatter des Europarates für politische Gefangene, Christoph Strässer, vor den monatelangen Diffamierungen durch die Regierung Aserbaidschans zu schützen? Die Bundesregierung erwartet von der Republik Aserbaidschan, dass sie ihren Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft im Europarat nachkommt und dem Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung für politische Häftlinge, MdB Christoph Strässer, die Einreise im Rahmen seines Mandats gewährt. Die Bundesregierung unterstützt die Parlamentarische Versammlung des Europarates dabei, die Einhaltung ihrer Regeln und Prinzipien durch alle Mitglieder sicherzustellen. Sie setzt sich darüber hinaus in bilateralen Kontakten mit Aserbaidschan sowie im Rahmen der EU und des Europarates für eine umfassende Kooperation Aserbaidschans mit dem Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ein. Zu nennen sind hier unter anderem der Besuch des Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Markus Löning, im August 2011 in Baku und Gespräche der Beauftragten für Osteuropa, Kaukasus und Zentralasien im Auswärtigen Amt, Dr. Patricia Flor, mit Vertretern der aserbai-dschanischen Regierung, zuletzt am 6. Februar 2012 mit dem stellvertretenden aserbaidschanischen Außenminister Khalaf Khalafov in Berlin. Auch das Bundeskanzleramt hat mehrere Gespräche mit der aserbaidschanischen Seite geführt. Darüber hinaus wurden hierzu klare Stellungnahmen anlässlich des letzten Kooperationsrates der EU mit Aserbaidschan am 24./25. November 2011 sowie im Ministerkomitee des Europarates (Berichterstattergruppe Demokratie) abgegeben. Die Forderung nach einer Einladung an MdB Strässer hat zudem Eingang in die Ratsschlussfolgerungen der Außenminister der EU vom 27. Februar 2012 gefunden. Anlage 60 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 86): Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung der Menschenrechtslage in Aserbaidschan vor dem Eurovision Song Contest, ESC, im Hinblick auf Meldungen über Zwangsräumungen zur Vorbereitung des ESC, und wie hat sie ihre Besorgnisse gegenüber der aserbaidschanischen Seite artikuliert? Der fortdauernde Abriss von Wohnhäusern in Baku wird von lokalen Menschenrechtsverteidigern und zunehmend auch in der aserbaidschanischen Öffentlichkeit kritisiert. Dies insbesondere wegen des Fehlens der rechtlichen Voraussetzungen für die Abrisse, der Missachtung von Gerichtsbeschlüssen, des zum Teil gewaltsamen Vorgehens von Sicherheitskräften und Bauarbeitern, einer zu geringen Höhe der Entschädigungszahlungen, der Zuweisung unzureichender Ersatzwohnungen und des Fehlens eines umfassenden Stadtentwicklungskonzepts. Der überwiegende Teil der Häuserabrisse geht dabei nicht auf den Eurovision Song Contest, ESC, sondern auf ein älteres städtisches Sanierungsprogramm von 1987 zurück. Mit Blick auf den Eurovision Song Contest im Mai 2012 ist die Umsetzung einiger Projekte jedoch nochmals beschleunigt worden – vor allem der Abriss von Wohnhäusern am „Platz der Staatsflagge“, wo derzeit die ESC-Arena entsteht. Die Bundesregierung hat sich in zahlreichen Gesprächen mit Vertretern der aserbaidschanischen Regierung für die Wahrung der Rechte der Betroffenen eingesetzt, zuletzt Anfang Februar 2012 in einem Gespräch mit dem stellvertretenden aserbaidschanischen Außenminister Khalaf Khalafov in Berlin. Auch der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Markus Löning, engagiert sich für die Rechte der Betroffenen. Er besuchte die Ruine des vom Abriss betroffenen, von Leyla Yunus geführten „Instituts für Frieden und Demokratie“ im Rahmen seines Besuchs in Baku am 16. August 2011 und sprach dort mit Mitarbeitern des Instituts. Auch der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Republik Aserbaidschan steht mit Betroffenen in Kontakt und setzte sich mit einem Schreiben an die Stadtverwaltung von Baku für die Belange des „Instituts für Frieden und Demokratie“ ein. Auch das Bundeskanzleramt hat mehrere Gespräche mit der aserbaidschanischen Seite geführt. Anlage 61 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Druck-sache 17/8828, Fragen 87 und 88): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der jüngsten gemeinsamen Analyse der US-amerikanischen -Geheimdienste zum iranischen Nuklearprogramm, und welche Auswirkungen haben die Erkenntnisse auf den Fortgang des E3-plus-3-Prozesses? Welche außenpolitischen Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Bericht des Generaldirektors der Internationalen Atomenergie-Organisation, IAEO, vom 24. Februar 2012 und der gemeinsamen Analyse der US-Geheimdienste zum iranischen Nuklearprogramm? Zu Frage 87: Der US-Geheimdienstkoordinator James Clapper hat im Geheimdienstausschuss des US-Senats am 31. Januar 2012 öffentlich wiederholt, was die US-Geheimdienste bereits in ihrer Beurteilung von 2010 im sogenannten National Intelligence Estimate feststellten: Die Vereinigten Staaten von Amerika gehen davon aus, dass Iran systematisch die technischen Voraussetzungen für den Bau einer Kernwaffe schafft. Sie haben jedoch keine Belege dafür, dass die politische Entscheidung zum Bau einer Kernwaffe bereits gefallen wäre. Auch der Bundesregierung liegen keine derartigen Belege vor. Jedoch reichert Iran ohne plausible zivile Begründung tief verbunkert Uran auf 20 Prozent an. Der Bericht der Internationalen Atomenergie-Organisation, IAEO, vom November 2011 gibt umfangreiche Hinweise, dass Iran auch in den -letzten Jahren kernwaffenrelevante Forschungen vorangetrieben hat. Bezeichnend ist, dass Iran die Zusammenarbeit mit der IAEO zur Aufklärung dieser Fragen verweigert. Ein Iran mit Kernwaffen stellt eine ernsthafte Bedrohung für Israel sowie für die Stabilität und Sicherheit der Region dar, zudem wären gravierende Konsequenzen für das internationale Nichtverbreitungssystem zu fürchten. Vor diesem Hintergrund bemühen sich die E3+3 um eine diplomatische Lösung, die sicherstellt, dass das iranische Nuklearprogramm nicht für militärische Zwecke missbraucht werden kann. Zu Frage 88: Der von Ihnen genannte Bericht vom 24. Februar 2012 bestätigt und verstärkt unsere gravierenden Sorgen über das iranische Nuklearprogramm. Iran baute seit dem November-Bericht der Internationalen Atomenergie-Organisation, IAEO, unter Missachtung der Sicherheitsratsresolutionen der Vereinten Nationen und der -Beschlüsse des IAEO-Gouverneursrats die Urananreicherung weiter aus. Insbesondere sind Fortschritte bei der 20-Prozent-Urananreicherung und beim Aufbau weiterer Zentrifugen festzustellen. Iran ignoriert seine Verpflichtung zur umfassenden Kooperation mit der IAEO zur Klärung aller offenen Fragen zu seinem Nuklearprogramm. Iran hat durch sein Verhalten die Zweifel an der ausschließlich friedlichen Zielsetzung seines Nuklearprogramms erneut verstärkt. Zur Analyse der US-Geheimdienste verweise ich auf meine Antwort zu Ihrer ersten Frage. Anlage 62 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Fragen 89 und 90): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung, im Zusammenhang mit der Vorbereitung einer militärischen Intervention in Syrien über die Rolle und den Einsatzzweck israe--lischer und US-amerikanischer Drohnen, darunter vom Typ Predator B, die sich derzeit im syrischen Hoheitsgebiet befinden und trotz anderslautender Berichte des US-Verteidigungsministeriums nicht der Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen dienen (vergleiche www.haaretz.com/news/middle-east/report-u-s-drones-flying-over-syria-to-monitor-crackdown-1.413348), sondern der militärischen Überwachung der syrischen Verteidigungskapazitäten, um im Falle eines Krieges „SCUD-Stellungen aufzuklären und frühzeitig militärische Bewegungen zu erkennen“, wie es im aktuellen Newsletter Verteidigung (Ausgabe 08/2012, Seite 2) heißt? Welche Hinweise hat die Bundesregierung in diesem -Zusammenhang über den Zweck und die Tätigkeit bzw. Anwesenheit von Spezialkräften, Geheimdienstmitarbeitern, Beratern und Ausbildern der NATO-Staaten bzw. der Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrates auf syrischem Staatsgebiet oder in unmittelbarer Nähe seiner Grenzen, insbesondere in der Türkei, sowie Waffenlieferungen an bewaffnete Teile der syrischen Opposition (vergleiche www.zeit.de/news/2011-11/14/eu-moskau-wirft-westen-aufhetzung-in-syrien-vor-14145202)? Zu Frage 62: Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung. Zu Frage 63: Der Bundesnachrichtendienst, BND, erhebt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 BNDG Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung über das Ausland. Eine schriftliche Antwort der Bundesregierung auf diese Frage würde spezifische Informationen zur nachrichtendienstlichen Methodik des BND zur Informationsgewinnung einem nicht eingrenzbaren Personenkreis – auch der Bundesrepublik Deutschland möglicherweise gegnerisch gesinnten Kräfte – nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland zugänglich machen. Dabei könnte die Gefahr entstehen, dass operative Fähigkeiten und -Methoden aufgeklärt würden, die grundsätzlich nicht öffentlich dargestellt werden können. Im Ergebnis würde dadurch die Funktionsfähigkeit unserer Sicherheitsbehörden und damit die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Nicht zuletzt zum Schutz der Arbeitsfähigkeit und der Aufgabenerfüllung des BND – und damit zum Schutz der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland – muss dies verhindert werden. Daher muss bei der Beantwortung dieser Anfrage eine Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten -Informationsrechte des Deutschen Bundestages und -seiner Abgeordneten einerseits mit den dargestellten negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung des BND sowie der daraus resultierenden Beeinträchtigung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiter des BND andererseits erfolgen. Bezogen auf die vorliegende Frage führt die gebotene Abwägung zum Vorrang der Geheimhaltungsinteressen. Dennoch ist die Bundesregierung selbstverständlich bereit, das Informationsrecht des Parlamentes unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen zu befriedigen. Zur Wahrung dieses Informationsrechtes wird auf die Hinterlegung einer ergänzenden, als Verschluss--sache, VS, „VS-Vertraulich“ eingestuften Antwort in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Einsicht durch die Fragestellerin verwiesen. Die Bundesregierung verfügt darüber hinaus über keine eigenen belastbaren Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung sowie spezifisch über Waffenlieferungen von Regierungen oder Beteiligung ausländischer Streitkräfte. Die Bundesregierung geht davon aus, dass Kleinwaffen nach Syrien geschmuggelt werden. Anlage 63 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 91): Welche Angaben macht die Bundesregierung zur Anzahl der Personen, die in den Jahren 2010 und 2011 in Afghanistan unter der Beteiligung von Soldaten der Bundeswehr festgenommen und in das US-Gefängnis in Bagram überstellt wurden, in dem Koranbücher verbrannt worden sind, und welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das weitere Schicksal dieser Gefangenen hinsichtlich deren Behandlung, insbesondere bezüglich Folter, Kontaktmöglichkeiten zum Roten Kreuz oder gar Freilassung, weil die Personen zu Unrecht oder wegen falscher Angaben gelistet waren? Deutsche Soldatinnen und Soldaten haben in den Jahren 2010 und 2011 keine Personen in Gewahrsam genommen. Im Rahmen gemeinsamer Operationen des deutschen Kontingents der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe, ISAF, mit afghanischen Sicherheitskräften oder mit anderen ISAF-Nationen erfolgen Ingewahrsamnahmen grundsätzlich durch diese und in deren eigener nationaler Verantwortung. Zur Überstellung von in Gewahrsam genommenen Personen in die US-Hafteinrichtung in Bagram liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Ein Monitoring dieser Einrichtung durch das deutsche Einsatzkontingent erfolgt nicht. Anlage 64 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 92): Auf welche Weise und aus welchen Finanzmitteln unterstützt die Bundesregierung die unabhängige Zivilgesellschaft in Belarus und Repressionsopfer sowie deren Angehörige? Zur Unterstützung der belarussischen Zivilgesellschaft werden 2012 – wie im Vorjahr – voraussichtlich bilaterale Mittel in Höhe von circa 6,6 Millionen Euro bereitgestellt. Mit dieser Summe wäre Deutschland nach Schweden auch 2012 wieder der zweitgrößte bilaterale Unterstützer in der EU. Die Gelder werden zum großen Teil über das Goethe-Institut, den Deutschen Akademischen Austauschdienst und das Förderprogramm Belarus des Bundesministe-riums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, welches von der Internationalen Bildungs- und Begegnungsstätte Johannes Rau Minsk durchgeführt wird, verwendet. Außerdem kommt aus laufenden Kulturprogrammen und mittels Visumsgebührenerleichterung zivilgesellschaftlichen Gruppen Unterstützung zu. Über das Zivik-Programm fördert die Bundesregierung 2012 auch Projekte der politischen Stiftungen sowie des Bundes für Soziale Verteidigung, die sich gezielt für Repressionsopfer einsetzen. Die Bundesregierung unterstützt nur Projekte mit klaren Durchführungskriterien, die der Zivilgesellschaft zugutekommen. Sie und die Mittler verfolgen die Abwicklung der Projekte genau. Anlage 65 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 93): Welche Informationen hat die Bundesregierung über das Verfahren und die Beweisführung, die in Belarus zu den -Todesurteilen gegen Dmitrij Konowalow und Wladislaw -Kowaljow wegen des Bombenanschlags auf die Minsker Metro im April 2011 führte, und was unternimmt die Bundes-regierung zur Unterstützung der Verurteilten und ihrer Angehörigen in ihren Bemühungen, die Vollstreckung der Urteile zu verhindern? Die Bundesregierung hat nicht die Möglichkeit, den Fall in der Sache zu überprüfen. Richtig ist, dass gravierende Zweifel hinsichtlich der Beweiswürdigung durch das Gericht und der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens bleiben. Das Urteil wurde vom höchsten belarussischen Gericht verhängt, wodurch Rechtsmittel gegen das Urteil nicht möglich sind. Dies ist angesichts der Schwere der Strafe nach unserem Rechtsverständnis nicht akzeptabel. Die Bundesregierung verurteilt die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe und fordert deren sofortige Abschaffung weltweit. Sie setzt sich deshalb auch in Belarus für die Abschaffung der Todesstrafe, zumindest aber für ein sofortiges Moratorium ein. Hinsichtlich der zum Tode Verurteilten Dmitrij Konowalow und Wladislaw Kowaljow hat sich der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, am 6. Februar 2012 in einem Brief an Präsident Alexander -Lukaschenko dafür eingesetzt, die Todesurteile nicht zu vollstrecken. Er erneuerte dabei unser Petitum, die Todesstrafe abzuschaffen. Zuvor hatte am 30. November 2011 der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Markus Löning, den Schuldspruch gegen Kowaljow und Konowalow scharf verurteilt und eine Umwandlung gefordert. Vom 8. bis 10. Februar 2012 hatte der Menschenrechtsbeauftragte Löning zudem Gespräche mit Angehörigen der politischen Gefangenen führen wollen. Dazu ist es wegen der Absage der Reise durch die belarussische Regierung nicht gekommen. Die Bundesregierung bedauert dies. In Minsk hat darüber hinaus die EU-Delegationsleiterin auf deutsche Initiative hin am 21. Februar 2012 de-marchiert. Zudem wurde der Botschafter der Republik Belarus am 1. Dezember 2011 in das Auswärtige Amt einbestellt. Anlage 66 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 94): Welche Informationen hat die Bundesregierung zur Lage der politischen Häftlinge in Belarus, insbesondere zu Michail Autuchowitsch, Dmitrij Bondarenko, Eduard Lobow, Andrej Sannikow, Pawel Sewerinez, Nikolaj Statkewitsch, Dmitrij Dashkewitsch, Ales Belatzki, Sergej Kowalenko, und in welcher Weise setzt sich die Bundesregierung für die politischen Gefangenen in Belarus ein? Die von Ihnen genannten Personen sind weiterhin aus politischen Motiven in Haft. Die Forderung der Bundesregierung, wie auch der EU, an Belarus ist die sofortige Freilassung und Rehabilitierung aller politischen Gefangenen. Deren Haftbedingungen beobachten wir mit größter Sorge. Durch die Deutsche Botschaft in Minsk stehen wir in regelmäßigem Kontakt mit Angehörigen der Gefangenen, da der Zugang zu den Gefangenen auch für diese stark eingeschränkt ist. Die Bundesregierung hat wiederholt in Erklärungen und im Rahmen von Einbestellungen des Botschafters der Republik Belarus in der Bundesrepublik Deutschland ihre Sorge über die Haftbedingungen und die unzureichende medizinische Versorgung zum Ausdruck gebracht und den Zugang von Ärzten und professioneller medizinischer Hilfe angemahnt. Vom 8. bis 10. Februar 2012 hatte der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Markus Löning, Ales Belatzki im Gefängnis besuchen und Gespräche mit -Angehörigen der politischen Gefangenen führen wollen. Dazu ist es wegen der Absage der Reise durch die belarussische Regierung nicht gekommen. Die Bundesregierung bedauert dies. Auch die EU hat wiederholt gefordert, dass alle politischen Häftlinge freigelassen und rehabilitiert werden, und ihre Haftbedingungen scharf kritisiert. Auf Initiative der Bundesregierung wurde am 23. Januar 2012 eine EU-Erklärung über die Haftbedingungen veröffentlicht, die in einer Demarche am 21. Februar 2012 erneuert wurde. Darüber hinaus wird die EU mit aktiver Unterstützung der Bundesregierung ihre Sanktionspolitik gegenüber Belarus sukzessive ausweiten, solange Belarus sich nicht zu einer Freilassung und Rehabilitierung der Gefangenen bereit erklärt. 1Korrektur im nächsten Redebeitrag: Art. 59 Grundgesetz ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 19498 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 164. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 7. März 2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 164. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 7. März 2012 19497 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 19522 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 164. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 7. März 2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 164. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 7. März 2012 19521