Plenarprotokoll 17/171 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 171. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 28. März 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Gesetzentwurf zur Neuausrichtung der Pflegever-sicherung; sonstige Fragen Daniel Bahr, Bundesminister BMG Hilde Mattheis (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Jens Spahn (CDU/CSU) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Diana Golze (DIE LINKE) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Dr. Marlies Volkmer (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Kathrin Vogler (DIE LINKE) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Stephan Stracke (CDU/CSU) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Steffen-Claudio Lemme (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Dr. Carola Reimann (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Mechthild Rawert (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Harald Weinberg (DIE LINKE) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Hilde Mattheis (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 17/9084) Mündliche Frage 6 Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Modellprojekte in der präventiv-pädagogischen Arbeit mit rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfragen Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Petra Pau (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 7 Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Präventiv-pädagogische Projekte im Zusammenhang mit ganzen Gruppen von rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfragen Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Petra Pau (DIE LINKE) Mündliche Frage 17 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Aktivitäten der Bundesregierung zur Schaffung barrierefreier Wohnungen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Mündliche Frage 20 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dem BMU gemeldete Strahlenhöchstwerte bei (Kavernen-)Lagern für mittelradio-aktive Abfälle der Atomkraftwerke Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 21 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage der Szenarienberechnungen zu Radioaktivitätsfreisetzungen bei lange andauernden Atomunfällen in den Atomkraftwerken Unterweser und Philippsburg Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 22 Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitplan für die Vorlage des Gesetzentwurfs zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 23 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anstehende Termine von Bundesminister Dr. Norbert Röttgen bis zum 13. Mai 2012 Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Frank Schwabe (SPD) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 24 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verhinderung des Einsatzes der Fracking-Technologie im Bereich der Trinkwassergewinnung aus Grundwasser und Ermöglichung einer entsprechenden Risikoabwägung für die Unteren Wasserbehörden Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Frank Schwabe (SPD) Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dirk Becker (SPD) Mündliche Frage 26 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Jährlich eingestellte Bundesmittel für das Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien seit 2009 sowie Auflage eines Förderprogramms für kleine Stromspeicher in Kombination mit Photovoltaikanlagen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dirk Becker (SPD) Mündliche Frage 27 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gewährleistung der zugesagten Mittel für die Innovationsallianz Photovoltaik sowie Pläne zur Verlängerung Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 39 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Führung eines Dialogs mit den Teilnehmern der diesjährigen Ostermärsche über die deutschen Positionen beim kommenden NATO-Gipfel in Chicago Antwort Michael Link, Staatsminister AA Zusatzfragen Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Mündliche Frage 40 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Schlussfolgerungen aus der Erklärung des Leiters des Zentrums für Strategische Studien in Den Haag zum Krieg in Afghanistan Antwort Michael Link, Staatsminister AA Zusatzfragen Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen wegen Nichterfüllung der Frauenquote bei den Führungskräften Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Matthias Heider (CDU/CSU) Doris Barnett (SPD) Jörg von Polheim (FDP) Yvonne Ploetz (DIE LINKE) Rita Pawelski (CDU/CSU) Dr. Eva Högl (SPD) Miriam Gruß (FDP) Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) Ingo Egloff (SPD) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 1 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Konsequenzen der in einer Studie festgestellten Preissteigerung bei landwirtschaftlichen Grundstücken in Ostdeutschland für die Bodenpolitik Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 3 Mündliche Frage 2 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Ausrüstung und Einsätze deutscher U-Boote im Rahmen der Überwachung von Piratenbasen Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 4 Mündliche Frage 3 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Verhalten der Bundesregierung im Falle eines möglichen israelischen Militärangriffs auf den Iran angesichts fehlender gesicherter Belege über die Existenz eines iranischen Atomwaffenprogramms Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 5 Mündliche Frage 4 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entstandene Kosten durch die Aussendung von drei Bundeswehrsoldaten für die Ausbildung auf das System LUNA in Saudi-Arabien Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 6 Mündliche Frage 5 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anzahl der in den letzten zwölf Monaten desertierten afghanischen Sicherheitskräfte Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 7 Mündliche Frage 8 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Information der Öffentlichkeit über die Aufklärung der gegenüber der Deutschen Stiftung Organtransplantation erhobenen Vorwürfe Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 8 Mündliche Frage 9 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Information über die Ergebnisse der Sonderuntersuchung zu den gegenüber der Deutschen Stiftung Organtransplantation erhobenen Vorwürfen Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 9 Mündliche Frage 10 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auslandsdienstreisen des Bundesministers Ramsauer in der 17. Legislaturperiode Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 10 Mündliche Frage 11 Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entwicklung des Güterverkehrs auf der Oberelbe, Mittelelbe und Saale in 2010 und 2011 im Vergleich zu anderen Bundeswasserstraßen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 11 Mündliche Frage 12 Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anzahl der Tage mit Unterschreitung der vorgesehenen Fahrrinnentiefen auf den einzelnen Elbestrecken in 2010 und 2011 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 12 Mündliche Frage 13 Gustav Herzog (SPD) Durchführung der angekündigten „Flussgebietskonferenz Elbe“ Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 13 Mündliche Frage 14 Gustav Herzog (SPD) Konsequenzen aus der Verwendung der Begrifflichkeiten „Ausbau“ und „Optimierung“ bei der Kategorisierung der Bundeswasserstraßen für Aus- und Neubaumaßnahmen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 14 Mündliche Frage 15 Sören Bartol (SPD) Inhalt des Forschungsvorhabens zur Vorbereitung einer Konkretisierung der Winterreifenpflicht Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 15 Mündliche Frage 16 Sören Bartol (SPD) Zeitplan zur Konkretisierung der Winterreifenpflicht Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 16 Mündliche Frage 18 Manfred Nink (SPD) Zuständigkeit für die Risikobewertung und Gefahrenabwehr für die deutsche Bevölkerung im Fall des französischen Atomreaktors Cattenom Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 17 Mündliche Frage 19 Manfred Nink (SPD) Verhandlungsdruck der Bundesregierung im Bereich der Energiepolitik im Vergleich zur Haushaltspolitik auf europäischer Ebene Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 18 Mündliche Frage 25 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Maßnahmen im Rahmen künftiger EEG-Novellen zur Minderung der verzerrenden Wirkung des EEG-Vergütungssystems am Pacht- und Bodenmarkt in Deutschland Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 19 Mündliche Fragen 28 und 29 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Für den Ideenwettbewerb zum Auf- und Ausbau innovativer FuE-Netzwerke mit Partnern in Ostseeanrainerstaaten eingereichte und bewilligte Anträge Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 20 Mündliche Fragen 30 und 31 Michael Gerdes (SPD) Verhinderung der Finanzierung des ITER-Projekts zulasten der Energieforschungsförderung; Zukünftige Finanzierung des ITER-Projekts im Rahmen des EU-Haushalts Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 21 Mündliche Frage 32 Willi Brase (SPD) Kosten der Erstellung und Versendung der wahlkreisbezogenen Informationen zu Förderprojekten Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 22 Mündliche Frage 33 Klaus Hagemann (SPD) Festhalten am Beschluss des Dresdener Bildungsgipfels und Erbringung der noch in dieser Wahlperiode vorgesehenen Bildungs- und Forschungsmaßnahmen vor dem Hintergrund der jetzt beschlossenen Eckwerte zum Haushalt 2013 und Finanzplan bis 2016 Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 23 Mündliche Frage 34 Heike Hänsel (DIE LINKE) Angemessenheit des Aufwands und der Kosten für den Umbau der BMZ-Liegenschaft in Bonn im Zusammenhang mit der Neuaufstellung der Leitungsstrukturen Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 24 Mündliche Frage 35 Thomas Jarzombek (CDU/CSU) Zweifel an der Staatsferne einzelner Anbieter von Bundesligaübertragungen Antwort Bernd Neumann, Staatsminister BK Anlage 25 Mündliche Frage 36 Frank Schwabe (SPD) Zuschüsse an stromintensive Unternehmen im Jahr 2013 als Ausgleich für emis-sionshandelsbedingte Strompreiserhöhungen Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 26 Mündliche Frage 37 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesetzgeberischer Handlungsbedarf hinsichtlich eines offenen Internets und der Wahrung der Netzneutralität Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 27 Mündliche Frage 38 Hans-Joachim Hacker (SPD) Vereinfachung des visumfreien Aufenthalts für deutsche Langzeiturlauber in der Türkei Antwort Michael Link, Staatsminister AA Anlage 28 Mündliche Frage 41 Inge Höger (DIE LINKE) Schlussfolgerungen aus dem Amoklauf eines angeblichen Einzeltäters in Kandahar im Hinblick auf nächtliche Razzien von Spezialeinheiten im deutschen Verantwortungsbereich Antwort Michael Link, Staatsminister AA Anlage 29 Mündliche Fragen 42 und 43 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berichte zur Anwendung von Folter in afghanischen Haftanstalten Antwort Michael Link, Staatsminister AA Anlage 30 Mündliche Frage 44 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pläne für den Rückzug deutscher Einsatzkräfte aus der Operation ALTHEA Antwort Michael Link, Staatsminister AA Anlage 31 Mündliche Frage 45 Andrej Hunko (DIE LINKE) Vorschlag zur Aufnahme der staatlichen syrischen Telefongesellschaft in die Liste der mit Sanktionen der EU und ihrer Mitgliedstaaten belegten Unternehmen Antwort Michael Link, Staatsminister AA Anlage 32 Mündliche Frage 46 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Seit dem 26. März 2009 abgeschlossene Vereinbarungen mit anderen Staaten und internationalen Organisationen, insbesondere zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention Antwort Michael Link, Staatsminister AA Anlage 33 Mündliche Frage 47 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung für die in Baku festgenommenen aserbaidschanischen Rocksänger Jamal Ali und Natig Kamilov Antwort Michael Link, Staatsminister AA Anlage 34 Mündliche Frage 48 Heike Hänsel (DIE LINKE) Verhinderung eines Militärschlags Israels gegen den Iran sowie Ausschluss einer deutschen Beteiligung Antwort Michael Link, Staatsminister AA Anlage 35 Mündliche Frage 49 Oliver Kaczmarek (SPD) Sachstand im Auswärtigen Amt bezüglich der Nutzung von freier und proprietärer Software Antwort Michael Link, Staatsminister AA Anlage 36 Mündliche Frage 50 Oliver Kaczmarek (SPD) Zukünftige Nutzung von freier und pro-prietärer Software im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 37 Mündliche Frage 51 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ressorts der Bundesregierung mit Überschreitung des jährlichen Sollansatzes für Dienstreisen in der 17. Legislaturperiode Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 38 Mündliche Frage 52 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Folgen der Antwort des Bundesministeriums des Innern auf eine Anfrage der EU-Kommission zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 39 Mündliche Frage 53 Andrej Hunko (DIE LINKE) Einbindung von BMI und BMVg in die Sicherheitszusammenarbeit anlässlich der Sportereignisse UEFA 2012 in Polen/Ukraine und Olympia 2012 in Großbritannien Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 40 Mündliche Frage 54 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vereinbarkeit des vereinfachten Zugangs Schweizer Kreditinstitute zum deutschen Markt mit EU-Recht im Rahmen des Abkommens mit der Schweiz über Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 41 Mündliche Frage 55 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagungstermine des ständigen Ausschusses für Finanzstabilität und Krisenmanagement des BMF, der BaFin und der Deutschen Bundesbank in den Jahren 2010 und 2011 Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 42 Mündliche Frage 56 Hans-Joachim Hacker (SPD) Überführung der Reiseländer Ägypten und Israel in die Anlage 1 des Luftverkehrsteuergesetzes Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 43 Mündliche Frage 57 Frank Schwabe (SPD) Berechnungsgrundlage für den Preis von 10 Euro je CO2-Zertifikat im Jahr 2013 Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 44 Mündliche Frage 58 Klaus Hagemann (SPD) Vorwurf der Verschwendung von EU-Mitteln und Maßnahmen zur Schaffung von Transparenz über die EU-Mittel Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 45 Mündliche Frage 59 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Einrichtung eines zusätzlichen Wahlrechts für die Personalräte der Herkunftsdienststellen für Beschäftigte der Jobcenter Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 46 Mündliche Frage 60 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Aussagen des IAB-Forschungsberichts 3/2009 über den Verbleib der Teilnehmer nach den Qualifizierungsmaßnahmen bzw. dem Austritt aus der strukturellen bzw. Transfer-Kurzarbeit sowie weitere Kenntnisse der BA bzw. des IAB Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 47 Mündliche Frage 61 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Durchführungsort des Treffens der Bund-Länder-Arbeitsgruppe am 14. März 2012 zur Erarbeitung eines gemeinsamen Eckpunktepapiers zur Zukunft des Asylbe-werberleistungsgesetzes und Zeitplan für die Vorlage eines entsprechenden Beschlusses Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 48 Mündliche Frage 62 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bilanz zum einjährigen Bestehen des Bildungs- und Teilhabepakets Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS 171. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 28. März 2012 Beginn: 13.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich. Ich könnte das jetzt im Einzelnen namentlich tun. Das würde uns aber gewaltig aufhalten; deswegen verzichte ich darauf. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung. Das Wort für den einleitenden Bericht erhält der Bundesminister für Gesundheit, Daniel Bahr. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat sich heute mit dem Pflege-Neuausrichtungsgesetz beschäftigt und den Gesetzentwurf beschlossen. Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt für die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung. Nachdem eine christlich-liberale Koalition Mitte der 90er-Jahre die Pflegeversicherung eingeführt und damit deutliche Verbesserungen für die betroffenen Menschen erreicht hat, ist es nun an der Zeit, die Pflegeversicherung im Hinblick auf den besonderen Betreuungsaufwand bei Menschen mit Demenzerkrankungen weiterzuentwickeln. Derzeit sind 2,4 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig. Aufgrund der demografischen Entwicklung wissen wir, dass diese Zahl weiter steigen wird, während gleichzeitig die Zahl der jungen Menschen immer geringer wird, um die Pflege zu leisten. Die Bundesregierung hat also das Ziel, mit dem Pflege-Neuausrichtungsgesetz für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen. Wir wollen auch im hohen Alter eine menschenwürdige Pflege sicherstellen. Die Menschen sollen so lange wie möglich selbstbestimmt leben können und ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechend Unterstützung bekommen. Derzeit sind etwa 1,2 Millionen Menschen von Demenz betroffen. Wir schätzen, dass die Zahl der an Demenz erkrankten Menschen bis zum Jahre 2030 auf 1,7 Millionen Menschen steigen wird. Es ist also eine enorme Herausforderung, die Gesellschaft und die Pflege auf die besonderen Anforderungen der Demenz vorzubereiten. Der Pflegebedürftigkeitsbegriff, der seinerzeit von der christlich-liberalen Koalition eingeführt wurde, war verrichtungsbezogen. Es ist das Ziel des Bundestages – im Januar wurde ein entsprechender Beschluss von den Koalitionsfraktionen gefasst –, den Pflegebedürftigkeitsbegriff neu zu definieren und ihn auf den besonderen Betreuungsaufwand für Menschen mit Demenz -auszurichten. Ich bin sehr dankbar, dass es einen Expertenbeirat unter Vorsitz von Wolfgang Zöller und Karl-Dieter Voß gibt, der die noch offenen Umsetzungsfragen beantworten wird. Es gibt noch einige Dinge zu klären, insbesondere die neuen Begutachtungskriterien, die Abgrenzung zu anderen Sozialleistungen, die Frage des Bestandsschutzes und viele andere Fragen mehr. Damit wollen wir keine Zeit verlieren. Insofern ist das Pflege-Neuausrichtungsgesetz ein Vorgriff auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. Wir wollen, dass den Menschen zum 1. Januar 2013 konkrete Verbesserungen zur Verfügung stehen. Dazu gehört, dass Menschen, die bisher keine oder kaum Leistungen aus der Pflegeversicherung bekommen, aber aufgrund der Demenzerkrankung einen besonderen Betreuungsaufwand erfordern, nun Unterstützung erhalten. Insbesondere in der Pflegestufe 0, aber auch in den Pflegestufen I und II wird es jetzt zusätzliche Leistungen geben, sodass wir dem Grundgedanken des seinerzeitigen Beirates, ein differenziertes Bild der Pflegebedürftigkeit bei der Eingruppierung zu erhalten, Rechnung tragen. Jemand mit eingeschränkter Alltagskompetenz beispielsweise erhält künftig in der Pflegestufe 0 erstmalig ein Pflegegeld von bis zu 120 Euro bzw. eine Pflegesachleistung von bis zu 225 Euro monatlich. Für die Menschen ist das eine deutliche Verbesserung und eine Lösung für ihre Alltagsprobleme. Darüber hinaus werden wir dafür sorgen, dass dem, was die Menschen möchten, Rechnung getragen wird, nämlich so lange wie möglich in ihrem häuslichen Umfeld zu bleiben. Zwei Drittel der Menschen werden zu Hause gepflegt. Die Hauptlast der Pflege tragen die Familien bzw. die Angehörigen. Diese gilt es zu unterstützen. Mit dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ wollen wir Familien und Angehörigen weiterhin die Möglichkeit geben, ihre pflegebedürftigen Eltern oder Groß-eltern zu Hause zu pflegen. Dazu gehört, auch einmal eine Auszeit nehmen zu können. Dieser Grundgedanke wird gestärkt, indem die Krankenversicherung bei anstehenden Rehabilitationsmaßnahmen die besonderen Belange pflegender Angehöriger berücksichtigt. Sie sollen leichter die Möglichkeit erhalten, eine Auszeit zu nehmen, indem zum Beispiel künftig das Pflegegeld zur Hälfte weitergezahlt wird, wenn pflegende Angehörige eine Kurzzeit- oder Verhinderungspflege in Anspruch nehmen. Auch die rentenversicherungsrechtliche Absicherung wird verbessert. Das erfordert eine Mindestpflegeaufwendung von 14 Stunden pro Woche. Unser Grundgedanke ist – nicht alles kann der Staat machen –, in erster Linie die Familien und Angehörigen zu unterstützen. Wir wollen daher die Selbsthilfegruppen in der Pflege weiter stärken. In der Krankenversicherung haben wir gute Erfahrungen mit der Selbsthilfe gemacht, und das findet nun Eingang in die Pflege. Erstmals werden Selbsthilfegruppen in der Pflegeversicherung mit 10 Cent pro Versichertem und Jahr gefördert, sodass auch hier das Prinzip, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu helfen, gestärkt wird. Wichtig ist: Die Menschen wollen so lange wie möglich zu Hause, in ihrem häuslichen Umfeld bleiben. Das ist jedoch nicht bei allen Wohnungen ohne Weiteres möglich. Deswegen fördern wir den Aufbau von neuen Wohnformen, zum Beispiel den der sogenannten Pflegewohngruppen. Wenn sich Pflegebedürftige entscheiden, in Wohngruppen zusammenzuleben, werden diese Pflege-WGs zusätzlich gefördert. Für solche Wohngruppen gibt es dann pro Pflegebedürftigem 200 Euro zusätzlich, um dem erhöhten Organisationsaufwand gerecht zu werden. Darüber hinaus ist eine einmalige Förderung von bis zu 10 000 Euro zusätzlich möglich. Beispielsweise für eine Gruppe aus vier Menschen, die sich bei Pflegestufe I zu einer Pflege-WG zusammenschließen, stehen dann pro Monat künftig bis zu maximal 3 400 Euro zur Verfügung. Damit kann man durchaus eine Unterstützung in Anspruch nehmen. Letzter Punkt. Wir wollen die medizinische und zahnmedizinische Versorgung in Heimen deutlich verbessern. Aus den Dialogen und Gesprächen, die wir bei unseren Besuchen geführt haben – das wird Ihnen auch so gehen –, hören wir immer wieder heraus, dass die medizinische Versorgung in Heimen verbesserungswürdig ist. Währende andere eine Praxis aufsuchen, funktioniert es bei Besuchen von Ärzten und Zahnärzten in Heimen nicht so gut, wie wir uns das wünschen. Deswegen setzen wir gezielt Anreize, dass Ärzte und Zahnärzte in Heime gehen, um dort die medizinische Versorgung zu verbessern. Damit wollen wir perspektivisch auch Kosten sparen; denn die Einweisung in ein Krankenhaus, der Rettungsdienst und der Krankentransport können eher zu höheren Kosten führen. Das bedeutet also auch hier eine klare Investition in eine bessere medizinische Versorgung. Das ist das Pflege-Neuausrichtungsgesetz. Zu den Eckpunkten des Kabinetts gehörte seinerzeit auch die Förderung privater freiwilliger Pflegevorsorge. Dieser Punkt ist aber nicht im Rahmen des Sozialgesetzbuchs geregelt, sondern hier steht eine Regelung noch an. In der Umsetzung dieses Eckpunkts sind noch einige Fragen zwischen Bundesfinanz- und Bundesgesundheits-ministerium zu klären. Dieses Thema ist aber im Rahmen dessen, was wir bei der Pflege noch erreichen wollen, mit zu bedenken. Alle Verbesserungen, die das Gesetz vorsieht, werden vollständig durch die Beitragssatzerhöhung von 0,1 Prozentpunkten zum 1. Januar 2013 finanziert. Das ist eine maßvolle Beitragssatzerhöhung, die aber spürbar -gezielte Verbesserungen für betroffene Menschen er-reichen wird. Das heißt, wir tun etwas dafür, den Zu-sammenhalt in der Gesellschaft zu stärken und den -Menschen bei ihren Alltagsproblemen Unterstützung zu gewähren. Vielen Dank. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. – Jetzt gibt es jede Menge Nachfragen. Ich erinnere an die Ein-Minuten-Regelung. Das Wort hat zunächst die Kollegin Mattheis. Hilde Mattheis (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie haben ausgeführt, dass nach Ihrem Konzept Menschen mit Demenz bessere Leistungen erhalten werden. Ich frage Sie: Warum führen Sie nicht sofort einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff ein? Seit 2009 liegen hervorragende Unterlagen vor, und zwar vom Beirat, der sich schon in zwei großen Berichten mit diesem Thema auseinandergesetzt und uns entsprechende Vorschläge unterbreitet hat. Jetzt geht es darum, die politische Umsetzung in die Wege zu leiten. Wie gehen Sie damit um, dass Menschen mit Demenz zwar diese neuen Leistungen bekommen können, dass es aber eine große Unsicherheit gibt und möglicherweise das Problem besteht, dass es für Menschen mit rein körperbezogener Pflegebedürftigkeit zu Ungerechtigkeiten im Hinblick auf Leistungsansprüche kommt? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Wenn es so leicht wäre, einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff einzuführen, dann hätte die Vorgängerregierung das noch in der letzten Legislaturperiode machen können; denn die Ergebnisse liegen bereits seit Januar 2009 vor. Schon damals hat man gesehen, dass dies noch viele Fragen aufwirft, die es zu beantworten gilt. Meine Vorvorgängerin Ulla Schmidt hat vor kurzer Zeit in einem Interview gesagt, dass es zur Umsetzung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs eines Zeitraums von drei bis vier Jahren bedarf. Ich will das nicht bestätigen, aber dem auch nicht widersprechen. Denn wir wissen, dass in der Tat viele Abgrenzungsfragen zu klären sind. Das hat auch die SPD-Fraktion in ihrem gestrigen Beschluss eindeutig dargelegt. Sie hat explizit gesagt: Die Fragen der Eingliederungshilfe sind vorab zu klären, bevor ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff definiert wird. Es sind viele Fragen zu klären. Das machen wir; wir wollen keine Zeit verlieren. Ich bin dankbar, dass sich der Beirat erneut zusammengefunden hat, um die Umsetzungsfragen zu beantworten. Das Gesetz ist ausdrücklich ein Vorgriff auf den neuen Pflegebedürftigkeits-begriff und setzt ihn schon um, ohne dass jemand schlechtergestellt wird; den Menschen kommen konkrete Verbesserungen zugute. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die nächste Frage stellt Kollege Spahn. Jens Spahn (CDU/CSU): Danke, Herr Präsident. – Herr Minister, vielen Dank für die Vorstellung des Gesetzentwurfes. Sie haben schon darauf hingewiesen: Wir stellen 1 Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung. Die Fragen lauten: Wie ist dieses Volumen im Vergleich zu dem zu bewerten, was bisher in der Pflegeversicherung zur Verfügung steht? Welche Schwerpunkte sollen gesetzt werden, um dieses Geld effizient einsetzen zu können? Heute konnten wir lesen, dass die SPD gerne 6 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stellen will. Was ist denn in der pflegepolitischen Debatte von einem Vorschlag zu halten, ohne jegliche Gegenfinanzierung 6 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen? Jenseits der finanziellen Fragen geht es auch darum, inwiefern sich die Pflegeversicherten und Pflegebedürftigen insgesamt angenommen und akzeptiert fühlen, wie die Rückmeldung und die Zusammenarbeit mit den Pflegekassen aussehen. Was ist hier geplant? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Die erste Frage kann ich ganz leicht beantworten. 1 Milliarde Euro zusätzlich bedeuten eine deutliche Verbesserung, auch gemessen am Volumen des Budgets der sozialen Pflegeversicherung, der jährlich etwa 19 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Vergleichen wir das einmal mit der gesetzlichen Krankenversicherung: Würde dort ein Gesetz eine entsprechende Leistungsverbesserung vorsehen, entspräche dies einer Summe von 9 Milliarden Euro. Damit erkennt man die Dimension und sieht, dass das ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist. Die SPD-Fraktion hat Leistungsverbesserungen im Umfang von 6 Milliarden Euro vorgeschlagen. Das würde in den folgenden Jahren zu enormen Ausgabensteigerungen führen. Ich glaube, dass man dafür eine faire Gegenfinanzierung finden muss; diese habe ich in dem Beschluss der SPD-Fraktion noch nicht erkennen können. Das würde bedeuten, dass der Beitragssatz erneut um 0,6 Prozentpunkte ansteigen müsste. Ich glaube aber, es ist wichtig, dass man die Wünsche auch finanzierbar hält. Wir haben einen Einstieg geleistet, mit deutlichen Verbesserungen, die den Menschen zugutekommen. Eine halbe Million Pflegebedürftige wird von unseren Verbesserungen deutlich profitieren. Es geht nicht nur um Mehrausgaben, sondern insbesondere auch um Verbesserungen in der Betreuung. Das betrifft gerade die Servicegrundsätze für die Pflegekasse und den Medizinischen Dienst. Die Begutachtung muss innerhalb einer Frist gewährleistet sein; sonst muss gezahlt werden. All das ist im Gesetz festgehalten. Denn hier geht es um ein Ärgernis vieler Betroffener, von dem ich immer wieder höre. Betroffene wollen schnell Bescheid wissen, welche Leistungsansprüche sie haben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Golze, bitte. Diana Golze (DIE LINKE): Herr Minister Bahr, nach meiner Auffassung ist ein gesetzlicher Mindestlohn die unterste Haltegrenze bei der Entlohnung von Arbeit. Wenn Sie sich dieser Auffassung anschließen können, dann würde ich gerne wissen, ob es nicht gerade in Zeiten des Notstands beim Pflegepersonal ein falsches Zeichen ist, wenn man, wie in diesem Gesetzentwurf vorgesehen, die reguläre Bezahlung an dieser untersten Haltegrenze ausrichtet. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Das machen wir nicht; da muss ich widersprechen. Der Pflegemindestlohn ist von dieser Regierung eingeführt worden. Zuvor war eine Regelung zur Entlohnung nach der ortsüblichen Vergütung in Kraft. Da gab es Diskussionen, ob sich das nicht widerspricht; beide Regelungen haben weiterhin Bestand. Sie sagen, es müsse das Ziel sein, den Beruf attraktiver zu machen. Dabei ist für mich nicht die Festlegung eines Mindestlohns entscheidend – wir haben eine Regelung, die eine untere Grenze festlegt, auch um Dumping zu verhindern –, sondern in erster Linie sind die Arbeitsbedingungen ausschlaggebend. Bei einer leistungs-gerechten Vergütung der Betreffenden ist nicht der -Mindestlohn entscheidend; die Entwicklung und die Perspektive nach oben spielen eine ganz entscheidende Rolle. Dazu leisten wir einen Beitrag. Dieses Gesetz wird auch einen Beitrag zur Entbürokratisierung leisten. Viele Pflegekräfte beschweren sich, dass sie zu wenig Zeit für die Pflege der Betroffenen haben. Wir haben eine Ombudsfrau als Ansprechpartnerin zum Thema Entbürokratisierung eingesetzt. Es gibt viele Vorschläge zur Entbürokratisierung, die wir sammeln und die Eingang finden werden, um die konkreten Arbeitsbedingungen zu verbessern. Es gibt viele andere Fragen betreffend die Berufsausbildung, die Zusammenführung und die Weiterentwicklung. Der Beruf des Pflegenden muss attraktiver werden. Wir werden entsprechende Rahmenbedingungen dafür schaffen. Wir haben eine Untergrenze gezogen. Wir müssen aber immer im Blick behalten, dass Schwarz-arbeit auch in der Pflege ein Problem ist; eine solche Arbeit wollen wir nicht fördern. Vielmehr wollen wir weiterhin die reguläre Beschäftigung in der Pflege sichern. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. – Frau Aschenberg-Dugnus. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, in vielen Gesprächen erfährt man immer wieder, dass sehr viele Pflegebedürftige so lange wie möglich in ihrem vertrauten, heimischen Umfeld leben und gepflegt werden wollen. Wie reagieren Sie darauf? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Das ist das Ziel dieser Reform. Wir wollen nicht nach dem Gießkannenprinzip allen ein bisschen mehr Geld geben, sondern ganz gezielt Familien und Angehörigen helfen. Die Leistungsverbesserung kommt den Betroffenen in der ambulanten Pflege zugute, also gerade denjenigen, die bisher keine oder kaum Leistung bekommen haben. Wir verbessern die Möglichkeit für Angehörige, eine Auszeit zu nehmen. Die Hauptlast der Pflege schultern die Familien bzw. die Angehörigen, die häufig nach einer gewissen Zeit nicht mehr können. Das gilt insbesondere für die Pflege von Demenzerkrankten. Das Gesetz sieht vor, dass der Pflegegeldanspruch nicht verloren geht, dass der Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen erleichtert wird, dass Leistungen bei Demenzerkrankung insbesondere in der ambulanten Pflege den Betroffenen wirklich zugutekommen. Die Betroffenen werden nicht alleine gelassen werden und sollen mehr Rechte erhalten. Beispielsweise wird eine erste Versorgungsleistung gezahlt, wenn die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst nicht innerhalb von fünf Wochen erfolgt. Wir stärken so weiterhin die Rechte von Familien und Angehörigen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Scharfenberg. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Minister. – Ein wesentliches Versprechen Ihres Vorgängers in Bezug auf die Pflege-reform war, dass pflegende Angehörige besser unterstützt werden sollten. Im Entwurf des PNG finden wir dazu nicht mehr viel. Der Referentenentwurf hob noch auf den Anspruch gemäß SGB XI ab und sah vor, dass auf pflegende Angehörige gerade in Bezug auf Rehaleistungen besondere Rücksicht genommen werden soll. Das wurde wohl vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales wieder gestrichen. Wie bewerten Sie die Streichung dieses Punktes? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Die Bundesregierung legt Ihnen heute ein Gesetz vor, das den Angehörigen in der Tat einen besseren Zugang zu Rehabilitationsleistungen ermöglicht. Wir sorgen dafür, dass in der Krankenversicherung die besonderen Belange von pflegenden Angehörigen bei anstehenden Rehabilitationsmaßnahmen berücksichtigt werden. (Hilde Mattheis [SPD]: Ja, wie?) Wir sorgen dafür, dass die Möglichkeit, eine Auszeit zu nehmen, leichter genutzt werden kann, indem das Pflegegeld künftig zur Hälfte weitergezahlt wird, wenn -pflegende Angehörige eine Kurzzeit- oder Verhinderungspflege in Anspruch nehmen. Im Rahmen der Kabinettsbefassung ging es auch um die bessere Berücksichtigung in der Rentenversicherung. Die Bundesregierung hat sich aber entschieden, im Bereich der Krankenver-sicherung für eine erste deutliche Verbesserung zu sorgen, um eine Perspektive aufzuzeigen, wie Rehabilita-tionsmaßnahmen insgesamt verbessert werden können. Ich will aber den Beratungen über den Gesetzentwurf nicht vorgreifen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Volkmer. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Herr Minister, Sie haben einen neuen Beirat zur Klärung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes eingesetzt. Mich interessiert: Wann erwarten Sie, dass der Beirat seine Arbeit abgeschlossen hat? Welche finanziellen Folgen erwarten Sie, wenn der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff zum Tragen kommt? Wie wollen Sie das finanzieren? Ich frage Sie das vor dem Hintergrund, dass unter den jetzigen Bedingungen und nach Ihren eigenen Berechnungen ab dem Jahr 2015 eine kontinuierliche Finanzierungslücke in der Pflegeversicherung auftreten wird. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Der Pflegebeirat ist wieder eingesetzt worden. Ich habe mich sehr gefreut, dass alle Institutionen und Organisationen, die seinerzeit im Pflegebeirat mitgearbeitet haben, erneut mitarbeiten. Sie haben großes Interesse und große Bereitschaft gezeigt, die noch offenen Umsetzungsfragen zu klären und die bestehenden Probleme zu lösen. Der Beirat arbeitet unabhängig. Insofern kann ich seinen Arbeitsergebnissen nicht vorgreifen. Ich selbst war bei der konstituierenden Sitzung dabei. Dort gab es sehr unterschiedliche Meinungen. Während die einen der Meinung sind, man könne sehr schnell ein Ergebnis vorlegen, sind andere der Meinung, dafür brauche man Zeit. Ich möchte auf Folgendes hinweisen, weil ich den -Beschluss der SPD-Fraktion von gestern gelesen habe: Wer möchte, dass wir beim Pflegebedürftigkeitsbegriff schnell vorankommen, den bitte ich, die zu klärenden Fragen nicht zu überfrachten. Wenn gleichzeitig, wie ich dem Beschluss der SPD-Fraktion entnehme, auch noch die Probleme der Eingliederungshilfe gelöst werden sollen, dann wird es viele Jahre dauern, bis man alle diese Fragen geklärt hat. Ich glaube, wir sollten uns darauf konzentrieren, den Pflegebedürftigkeitsbegriff weiter zu fassen und dabei Abgrenzungsfragen zu klären, ohne gleich alle Sozialleistungen einzubeziehen. Was die Finanzierung angeht: Es ist die Logik des Umlagesystems, dass, wenn Mehrausgaben aufgrund -politischer Wünsche oder Entwicklungen zu verzeichnen sind, auch über Einnahmen zu sprechen ist. Ich sage nur: Die Pflegeversicherung ist solide finanziert. Auch ohne diese Reform stünde im Jahr 2015 erneut eine Entscheidung an. Damit haben wir übrigens die Entscheidung weiter hinausgeschoben. Als die Legislaturperiode begann, stand das im Jahr 2013 an. Das heißt, die soziale Pflegeversicherung ist solide finanziert und wird es weiterhin sein. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Vogler. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, wir alle sind sehr besorgt, nachdem am Wochenende die Studie von Herrn Glaeske kommuniziert worden ist; denn danach werden viele Menschen in deutschen Pflegeheimen und auch in der ambulanten Pflege offensichtlich mit Psychopharmaka ruhiggestellt. In diesem Zusammenhang interessiert mich – im Fünften Bericht über die Entwicklung der Pflegeversicherung wird festgestellt, dass der Anteil der Menschen mit erhöhtem Betreuungs-bedarf in der Pflegestufe III stark ansteigt, und zwar sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich –, wie Sie vor diesem Hintergrund begründen, dass für Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz in der Pflegestufe III keine zusätzlichen Leistungen vorgesehen werden. Sehen da nicht auch Sie Anlass zur Besorgnis, dass diese sicherlich von uns allen kritisierte Praxis noch weiter zunehmen wird? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Ich kann die Ergebnisse der Studie von Herrn Glaeske bisher nicht bestätigen; auch ich habe davon gelesen. Aber wir wissen aus den Dialogen, die wir mit Experten und Bürgern geführt haben, aus eigenen Erfahrungen und aus Besuchen vor Ort, dass die medizinische Versorgung in Heimen ein dringend anzugehendes Thema ist. Deswegen leisten wir mit dem Pflege-Neuausrichtungsgesetz einen Beitrag zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in Heimen. 77 Millionen Euro aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung werden nun budgetär zur Verfügung gestellt, damit die Ärzte in die Heime gehen und sich dort um die medizinische Versorgung kümmern. Das ist unser Ziel. Des Weiteren hatten Sie nach der Pflegestufe III gefragt. Wir haben es immer mit begrenzten Ressourcen zu tun. Keine im Deutschen Bundestag vertretene Partei – auch die Linke nicht – stellt infrage, dass die Pflegeversicherung eine Teilkostenabsicherung ist, auch wenn gelegentlich ein anderer Eindruck erweckt wird. Wir wissen: Uns stehen immer begrenzte Ressourcen zur Verfügung. Wir haben Prioritäten gesetzt und geben gezielt denjenigen, die bisher kaum oder keine Leistungen bekommen und in der Regel zu Hause gepflegt werden – die Familien tragen die Hauptlast –, eine Unterstützung. Das ist eine klare Prioritätensetzung dieser Regierung. Ich halte diese für richtig. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Stracke. Stephan Stracke (CDU/CSU): Herr Präsident! Herr Minister, Sie haben Ihren Gesetzentwurf zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung vorgelegt und setzen den Schwerpunkt darauf, dass den Demenzerkrankten und auch den pflegenden Angehö-rigen deutliche Verbesserungen zugutekommen. Mich interessiert, wie Sie die Pflegeleistungen, speziell die Sachleistungen, im ambulanten Bereich flexibler gestalten wollen, welche Vorstellungen Sie damit verknüpfen und welche Wirkungen Sie sich erhoffen, insbesondere für die Pflegebedürftigen, aber auch für die pflegenden Angehörigen. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Eine Klage, die wir immer wieder hören – zum Beispiel in Dialogen, die wir veranstaltet haben, aber auch in persönlichen Gesprächen mit Betroffenen und Pflegenden –, ist, dass das heutige Pflegekonzept ein sehr starres Minutenkorsett ist und wenig Spielraum lässt, den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Deswegen sieht das Pflege-Neuausrichtungsgesetz mehr Flexibilität und Wahlfreiheit vor. Künftig können zwischen den Pflegebedürftigen und den Pflegediensten beispielsweise Zeitkontingente vereinbart werden. Dadurch entstehen mehr Freiheit und Flexibilität, um den individuellen Bedürfnissen besser gerecht werden zu können. So können dem individuellen Bedarf entsprechend unterschiedliche Leistungen erbracht werden. Ich glaube, damit werden wir den Wünschen und Bedürfnissen sowohl der Pflegebedürftigen gerecht als auch der Pflegenden, die dadurch mehr Freiheiten haben und ihre Arbeit wieder stärker selbst gestalten können. Sie müssen nicht länger das Gefühl haben, schnell alles abhaken und die Leistung in sehr kurzer Zeit, minutengenau berechnet, erbringen zu müssen. Diese Flexibilität und mehr Wahlfreiheit sind nötig, um den individuellen Bedürfnissen gerecht werden zu können. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Lemme. Steffen-Claudio Lemme (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Bahr, ich habe zwei Fragen. Die erste bezieht sich auf Aussagen im Koalitionsvertrag. Darin steht, dass es im Bereich der Pflege eine private Zusatzversicherung geben soll. Meine Frage: Wann kommt es dazu, und welche Mehrbelastungen kommen dadurch auf die Menschen zu? Zum Zweiten. Bei Vorortterminen in Pflegeeinrichtungen bzw. bei Diskussionen stelle ich immer wieder fest, dass die Situation der Pflegefachkräfte eine hohe Brisanz besitzt. Was sehen Sie im Rahmen der geplanten Neuordnung der Pflegeversicherung vor, um Fachkräften in diesem Bereich ein besseres Image zu verschaffen? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Das waren zwei Fragen. Ganz kurz zur ersten Frage: Die freiwillige Pflegevorsorgeförderung kommt zum 1. Januar 2013. So ist das in den Eckpunkten des Kabinetts festgehalten. Über die Details der genauen Ausgestaltung der Förderung wird gerade beraten, weil das nicht in den sozialgesetzlichen Regelungen, sondern in anderen Gesetzen zu fassen ist. Ich weiß nicht, worin Sie eine Mehrbelastung sehen. Im Gegenteil: Wir wollen die Menschen entlasten, indem sie schon heute für den Pflegefall, in dem sie häufig einen hohen Eigenanteil zu tragen haben, mithilfe einer Förderung leichter vorsorgen können. Das heißt, wir senken die Belastung kommender Generationen. Wir entlasten die Bürgerinnen und Bürger, indem wir ihnen heute schon die Möglichkeit geben, dafür Vorsorge zu treffen. Zur zweiten Frage, zu den Fachkräften. Wir tun im Rahmen des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes und weiterer Vorhaben viel gegen den drohenden Fachkräftemangel. Durch dieses Gesetz sollen beispielsweise die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Ich habe eben gesagt, dass Zeitkontingente vereinbart werden können. Durch mehr Wahlfreiheit des Pflegenden werden auch die Arbeitsbedingungen attraktiver. Mit der Ombuds-person leisten wir einen Beitrag zur Entbürokratisierung. Diese Ansprechpartnerin bündelt alle Vorschläge, die dann Eingang in das Gesetzgebungsverfahren finden werden. Wir stärken die ambulante Pflege durch mehr Leistungen für Demenzerkrankte. Auch dadurch wird das Berufsbild attraktiver. Daneben sind andere Vorhaben zu berücksichtigen, zum Beispiel die Neuordnung der Berufsausbildung. In einem Bund-Länder-Gespräch haben wir uns darauf geeinigt, die Pflegeausbildungen zusammenzulegen. Auch dadurch wird das Berufsbild attraktiver. Ich wehre mich gegen alle Vorschläge, die im Moment aus Brüssel kommen und darauf abzielen, den Zugang zu Pflegeberufen erst nach Abschluss von zwölf Schuljahren zu ermöglichen. Ich glaube, das wäre die falsche Antwort auf einen drohenden Fachkräftemangel. Auch Haupt- und Realschüler müssen weiterhin die Möglichkeit haben, einen Pflegeberuf zu ergreifen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Müller-Gemmeke. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, könnten Sie bitte begründen, warum Sie zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung deutliche Steigerungen der ärzt-lichen Honorare planen und gleichzeitig bei den Pflegekräften, deren Situation ja nicht besonders rosig ist, nie-drigere Löhne in Kauf nehmen, indem Sie in § 72 SGB XI die Bindung einer zugelassenen Pflegeeinrichtung an die ortsübliche Vergütung kippen und die Löhne somit auf das Niveau des Mindestlohns absenken? Wie sollen so gute und faire Löhne gesichert werden? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Sie stellen hier etwas gegeneinander, das nicht gegeneinanderzustellen ist. Die Grundthese, dass dieses Gesetz zu einer Absenkung der Löhne im Bereich der Pflege führt, ist falsch. Es gilt die Regelung betreffend die ortsübliche Vergütung im Pflegebereich. Zusätzlich hat diese Regierung einen Pflegemindestlohn eingeführt. Nun beseitigen wir die Widersprüche zwischen diesen Regelungen. Das führt nicht zu einer Absenkung der Löhne. Ich bin sehr dafür, dass im Bereich der Pflege weiterhin leistungsgerecht vergütet wird und die Leistungen, die in diesem Bereich erbracht werden, besser honoriert werden. Gleiches gilt aber auch für den Bereich der Medizin. Wir wissen, dass mit den bisherigen Vergütungsregelungen Arztbesuche in Heimen – das ist offensichtlich – nicht gewährleistet sind. Also haben wir gesagt: Wir müssen gezielte, zusätzliche Anreize setzen, damit diejenigen Pflegebedürftigen, die nicht ohne Weiteres eine Arztpraxis aufsuchen können, von einem Arzt aufgesucht werden. Das macht man am besten, indem man Geld zur Verfügung stellt. Im Übrigen werden wir das evaluieren. In ein paar Jahren kann ich Ihnen als Bundesgesundheitsminister das Ergebnis der Evaluation vorlegen. (Lachen der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]) Dann werden wir sehen, dass wir dadurch Kosten eingespart haben. Wenn der Arzt nicht zum Patienten ins Heim kommt, ruft das Heim vielleicht den Rettungsdienst, und der Patient wird dann ins Krankenhaus eingewiesen. Dies verursacht viel mehr Kosten im System. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das Pfeifen im Walde!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Seifert. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Herr Minister, Sie haben ja eine ganze Menge vorgetragen, sodass man eigentlich sehr viele Fragen stellen müsste. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Wir machen ja auch viel. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Ich möchte mich auf einen Punkt konzentrieren. Sie haben vorhin gesagt, dass Sie das Geld nicht nach dem Gießkannenprinzip ausgeben wollen. Jetzt haben Sie aber gesagt, dass für einen Menschen mit Demenz 120 Euro pro Monat zur Verfügung gestellt werden sollen, also, wenn ich den Betrag durch 30 teile, 4 Euro pro Tag. Wie wollen Sie mit 4 Euro pro Tag tatsächlich mehr Teilhabe gewährleisten? Das ist der Kern des neuen Pflegebegriffes, um den Sie sich bisher etwas herumdrücken. Wie wollen Sie mit diesem Betrag, mit 4 Euro pro Tag, erreichen, dass Menschen, die dement werden, mehr und besser teilhaben können? Wieso glauben Sie, dass dies keine Verteilung nach dem Gießkannenprinzip ist? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Zunächst einmal, Herr Seifert, will ich darauf hinweisen, dass diese 120 Euro zu den bestehenden 100 bzw. 200 Euro für die Betroffenen in der Pflegestufe 0 – Sie haben bewusst die geringste Zahl genannt – hinzukommen. Es geht also um bis zu 320 Euro für Menschen, die bisher keine oder kaum Leistungen bekommen haben. Im Rahmen der Pflegesachleistung werden zusätzlich nicht 120 Euro, sondern 225 Euro gezahlt. (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: 7 Euro!) Sie haben es sehr zugespitzt dargestellt. Deswegen will ich die Zahlen vergleichen. Sie sprechen von 4 Euro pro Tag. Die bisherigen Leistungen liegen bei etwas über 7 Euro pro Tag. Ich glaube, dass man so nicht rechnen kann. (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Wie denn sonst?) Ich habe gesagt: Die Hauptlast tragen die Familien und Angehörigen. Jetzt wird es möglich, dass ihnen zusätzlich Geld zur Verfügung gestellt wird. Es bedeutet für einen Betroffenen sehr viel, wenn er sich dadurch einmal pro Woche als Unterstützung eine Betreuungskraft leisten kann, die er sich bisher nicht leisten konnte. Dies ist auch eine Entlastung der Angehörigen. Ich kenne keinen Vorschlag, auch nicht von den Linken hier im Bundestag, der besagt, dass aus der Pflegeversicherung eine Vollkaskoversicherung werden soll. (Zuruf des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]) Sie bleibt eine Teilkostenabsicherung. Das heißt, ein Eigenanteil ist zu schultern. Wir sorgen dafür, dass die Leistungen jetzt gezielter auf Demenzerkrankte ausgerichtet werden. Ich sage noch einmal: Es sind Verbesserungen. Niemand wird schlechter gestellt. Das Geld wird ausschließlich zur Verbesserung der Situation betroffener Menschen, die bisher kaum oder nichts bekommen haben, zur Verfügung gestellt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Reimann. Dr. Carola Reimann (SPD): Herr Präsident! Herr Minister, Ergebnis der Pflege-dialoge war das Ziel, die Angehörigen zu entlasten. Ein wichtiger Punkt dabei – Ihr Vorgänger hat diesen immer hervorgehoben – ist der Zugang zu Rehaleistungen für pflegende Angehörige. Jetzt haben Sie gerade ausgeführt, dass es nicht gelungen ist, weitere Verbesserungen bei der Rentenversicherung zu erzielen, dass es aber die Möglichkeit gibt, Rehaleistungen von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten. Bedeutet das auch – darüber wurde in diesem Zusammenhang ebenfalls gesprochen –, dass es für einen pflegenden Angehörigen einen verbesserten Zugang zu Rehaleistungen in Kombination mit Rehaleistungen für den zu Pflegenden gibt und dass diese von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden? Welche Mittel veranschlagen Sie dafür? Gehe ich recht in der Annahme, dass diese Rehaleistungen nur Menschen zugänglich sind, die nicht im erwerbsfähigen Alter sind? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Durch das Pflege-Neuausrichtungsgesetz werden die Zuständigkeiten der Renten- und Krankenversicherung nicht infrage gestellt; die in diesem Zusammenhang bestehenden Regelungen und die Zuständigkeiten von Renten- und Krankenversicherung werden nicht verändert. Ich hatte – ich glaube, es war auf die Frage der Kollegin Scharfenberg – auf die These, es würde hinsichtlich Rehabilitationsmaßnahmen nichts für pflegende Angehörige verbessert werden, geantwortet. Im Bereich der Krankenversicherung wird es deutliche Verbesserungen geben: Ein leichterer Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen für pflegende Angehörige wird, sofern die Krankenversicherung zuständig ist, gewährleistet. Dies zeigt, dass diese Regierung einen erleichterten Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen erreichen will und einen ersten Schritt getan hat. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Klein-Schmeink. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, Sie kommen wie ich aus Münster und wissen, welchen Stellenwert dort die Wohngruppen für Demenzkranke in der Versorgung von Demenzkranken haben. Sie wissen, dass diese Wohngruppen ein sehr probates Instrument sind und insgesamt dazu beitragen, dass Formen des selbstständigen Wohnens etabliert werden. Jetzt haben Sie ein kleines Progrämmchen für diese Wohngemeinschaften aufgelegt. Ich frage Sie, warum Sie die Mittel für dieses Programm gedeckelt haben – dadurch wird ja nicht gerade sehr viel möglich gemacht –, und warum Sie dieses Programm, wenn Sie doch einen Schwenk hin zu diesen Wohnformen wollen, auch noch befristet haben. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Weil es nicht unbefristet Geld gibt, Frau Kollegin!) Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Klein-Schmeink, seien Sie mir nicht böse. Aber ich rate Ihnen, einmal mit den Kolleginnen und Kollegen der Grünen aus dem Land Nordrhein-Westfalen – sowohl mit Frau Steffens, der Gesundheitsministerin in Nordrhein-Westfalen, (Jens Spahn [CDU/CSU]: Noch-Gesundheitsministerin!) als auch mit Frau Kollegin Scharfenberg – zu sprechen. Ich habe der Presseberichterstattung entnommen, dass sie meine Vorschläge zur Pflege-WG ausdrücklich begrüßt haben. Ich nehme für mich im Übrigen gar nicht in Anspruch, einziger Erfinder der Pflege-WG zu sein, sondern ich weiß, dass viele Bundesländer und Vorgänger-regierungen in diesem Bereich schon etwas getan haben. Uns eint, dass wir etwas für neue Wohnformen tun wollen, weil die Menschen so lange wie möglich in ihrem häuslichen Umfeld bleiben wollen. Für Menschen, die nicht mehr alleine in ihrer bisherigen Wohnung bleiben können, ist eine Wohngruppe eine gute Alternative. Die Förderung ist so angelegt, dass vier Pflegebedürftige der Pflegestufe I jeden Monat bis zu maximal 3 400 Euro erhalten können. Für Umbaumaßnahmen bei Gründung einer Pflegewohngruppe werden einmalig bis zu 20 000 Euro zur Verfügung gestellt. Ich glaube, man kann nicht sagen, das sei wenig und stelle für die Betroffenen keine wirkliche Verbesserung dar. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Für Grüne ist das wenig! Die sind nämlich die Partei der Besserverdiener!) Vielmehr denke ich, darauf können wir aufbauen und das kann sich durchaus sehen lassen. Wir haben kalkuliert, wie viele Personen die Förderung in Anspruch nehmen werden. Wenn dieses Vorhaben so viel Zuspruch erfährt, wie wir hoffen, sind wir sehr glücklich, weil das zeigt, dass dies der richtige Weg ist. Dann werden wir weitere Entscheidungen treffen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Graf. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Dazu, dass das Pflege-Neuausrichtungsgesetz auch ein Initiativprogramm zur Förderung von Wohngruppen enthält, haben wir schon einiges gehört. Ich habe zwei Fragen. Meine erste Frage bezieht sich auf die Finanzierung. Nach den Informationen, die mir zugänglich sind, wollen Sie dieses Vorhaben aus Restmitteln für die Finanzierung der Pflegestützpunkte finanzieren. Halten Sie das für zielführend – schließlich ist dann keine Beratung mehr möglich –, und meinen nicht auch Sie, dass die Befristung der Mittel ein großes Problem darstellen wird, ganz abgesehen von dem Windhundverfahren, das der Situation, wie ich denke, nicht gerecht wird? Die zweite Frage, die ich habe, betrifft die Wohngruppen. Aus Erfahrung weiß ich, dass die bereits existierenden Wohngruppen sehr große Probleme mit den Heimgesetzen der Länder haben. Wie wollen Sie dieses Problem in den Griff bekommen? Nach der Föderalismusreform ist die Zuständigkeit für das Heimrecht ja auf die Länder übergegangen. Das bedeutet, dass Sie, wenn Sie entsprechende Vorschläge vorlegen, verhindern müssen, dass aus Ihrem Vorhaben eine Mogelpackung wird. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Das wird nicht geschehen; diese Sorge kann ich Ihnen nehmen. Die Regelung, dass die Zuständigkeit für das Heimgesetz im Rahmen der Föderalismusreform mit breiter Zustimmung des Parlaments in die Hände der Länder gegeben wurde, kann ich durch das Pflege-Neuausrichtungsgesetz nicht aufheben. Das wollen wir auch nicht tun. Das war seinerzeit eine vom Bundestag gemeinsam getragene Entscheidung, der auch Sie und Ihre Fraktion zugestimmt haben. Was die Förderung betrifft, werden wir sicherlich einen Rahmen setzen. Aber die Ausgestaltung des Heimrechts bleibt weiterhin in den Händen der Länder. Im Übrigen stellen Sie hier etwas gegenüber, das nicht gegenüberzustellen ist. Wenn es bei der Finanzierung der Pflegestützpunkte Restmittel gibt und diese verwendet werden, dann stellt dies die bestehenden Pflegestützpunkte nicht infrage. Das möchte ich klarstellen, weil Sie gerade sagten, in Zukunft sei keine Beratung mehr möglich. Das stimmt nicht. Vielmehr handelt es sich um Gelder, die nicht abgerufen worden sind. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Genau!) Insofern wird dadurch kein Pflegestützpunkt, der bereits aufgebaut worden ist, infrage gestellt. So will ich das verstanden wissen. Es gibt ein bestimmtes Finanztableau, und wir stellen für die Pflegewohngruppen bewusst Geld zur Verfügung. Ich habe Sie so verstanden, dass Sie dies nicht grundsätzlich kritisieren, sondern es ebenfalls für nötig halten, neue Wohnformen zu fördern. Dadurch werden die bereits aufgebauten Pflegestützpunkte, wie gesagt, nicht infrage gestellt. Die mit den Pflegestützpunkten verbundenen Hoffnungen und Erwartungen mancher Länder haben sich nicht erfüllt. Das ist nicht parteipolitisch gemeint. Auch in SPD-geführten Ländern sind nicht so viele Pflegestützpunkte aufgebaut worden, wie es sich manch ein SPD-Minister gewünscht hätte. Präsident Dr. Norbert Lammert: Wir haben das Ende der üblichen Befragungszeit erreicht. Ich habe mir noch drei Wortmeldungen notiert, und zwar der Kolleginnen Rawert, Mattheis und Scharfenberg. Ich schlage vor, diese Fragestellerinnen noch aufzurufen und dann zu den übrigen Fragen zu kommen. – Das ist offenkundig einvernehmlich. Frau Rawert, bitte. Mechthild Rawert (SPD): Herr Minister, mein Kollege Lemme hat das Thema Pflegeausbildung vorhin schon aufgegriffen. Sie haben gesagt, es werde jetzt zügig in Angriff genommen. Ihre Pressesprecherin hat in den letzten Tagen mitgeteilt, es gebe noch keinen Zeitplan für die Umsetzung der Reform der Pflegeausbildung. Zunächst einmal würde ich gerne diesen Zeitplan von Ihnen erfahren. Zum anderen: Ein großes Problem ist die Finanzierung der Reform der Pflegeausbildung. Könnten Sie sich diesbezüglich bitte äußern? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Herr Präsident, das ist nicht Gegenstand des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes, sondern anderer Vorhaben, und hat mit dem Pflege-Neuausrichtungsgesetz nichts zu tun. Ich antworte dennoch kurz zu dem Thema. Es gibt eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über Eckpunkte, die seit Anfang März 2012 vorliegt. Das ist gut, weil uns das einen deutlichen Schritt vorangebracht hat, die verschiedenen Ausbildungen im Bereich der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege zusammenzuführen und hier eine generalisierte Ausbildung mit der Möglichkeit der Spezialisierung einzuführen. Die Altenpflege spielt genauso im Krankenhaus eine Rolle, wie die medizinische Versorgung im Pflegeheim eine Rolle spielt. Das heißt, die Ausbildungen müssen hier zusammengeführt werden. Es ist erfolgreich gelungen, Bund und Länder hier zu einer gemeinsamen Vereinbarung zu bewegen. Das ist eine gute Grundlage für die jetzigen Beratungen. Über die Finanzierung müssen wir in der Tat weiter reden und noch entscheiden. Hier gibt es unterschiedliche Wünsche und Vorstellungen. Ich als Bundesgesundheitsminister werde meinen Beitrag dafür leisten, dass wir mit den Ländern zu einer Lösung für die Finanzierung kommen. Im Juni wird wieder eine Gesundheitsministerkonferenz stattfinden. Dort wird das sicherlich auf der Tagesordnung stehen. Ich werde mit Nachdruck und Tatendrang daran arbeiten, dass wir schnell ein Gesetzgebungsverfahren starten können. Ich kann aber heute noch nicht festlegen, wann ein konkreter Gesetzentwurf vorliegen wird, weil wir das nicht alleine machen können, sondern auch hier die Länder bewusst einbinden wollen. Das liegt in unserer gemeinsamen Zuständigkeit. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich habe vorhin den Kollegen Weinberg übersehen, der sich fraglos rechtzeitig gemeldet hatte. Ihm möchte ich jetzt das Wort geben. Bitte. Harald Weinberg (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, können Sie erläutern, wie Sie die konkreten Beträge der im Pflege-Neuausrichtungsgesetz vorgesehenen zusätzlichen Leistungen für Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz zusammen ermittelt haben? Der Hintergrund meiner Frage ist: Im Arbeitsentwurf vom Dezember 2011 standen noch höhere Beträge. Zum Beispiel sollte das Pflegegeld in der Pflegestufe I ursprünglich um 105 Euro auf 340 Euro erhöht werden. Jetzt ist nur noch eine Erhöhung um 70 Euro auf 305 Euro vorgesehen. Es war damals geplant, die Pflegesachleistungen in der Pflegestufe II um 325 Euro auf 775 Euro zu erhöhen, jetzt ist nur noch eine Erhöhung um 215 Euro auf 665 Euro vorgesehen. Meine Frage lautet: Was hat dazu geführt, dass diese Beträge jetzt abgesenkt worden sind? War das dem Rotstift geschuldet, oder hat sich sozusagen der pflegerische Bedarf verändert? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Das kann ich kurz beantworten: Es ist übliches Verfahren im Rahmen der Ressortabstimmung, dass man sich zwischen den Ressorts über die Kabinettsfassung einigt. Wir haben das Ziel, dass die Verbesserungen vollständig aus der Beitragssatzerhöhung finanziert werden. Eben gab es die Sorge, dass die Belastungen für die Pflegeversicherung durch diese Reform höher werden, was sich ja nicht bestätigt. Im Gegenteil: Wir sorgen für beides, nämlich mit Augenmaß für die Finanzierbarkeit der Pflegeversicherung und gleichzeitig für Verbesserungen, die den Menschen konkret zugutekommen. Im Rahmen der differenzierteren Ausgestaltung der bisherigen drei Pflegestufen haben wir Zwischenstufen für Menschen mit einer Demenzerkrankung geschaffen: Vor der Stufe I, nach der Stufe I und nach der Stufe II werden Zwischenstufen eingeführt, und die Menschen bekommen differenzierte Leistungen. Damit tragen wir dem Grundgedanken Rechnung, den der Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs seinerzeit entwickelt hat, der ja auch eher ein Fünfstufenmodell vorgestellt und gesagt hat: Wir brauchen eine differenziertere Betrachtung des Betreuungsaufwandes. – Das ist die Grundidee, die dahintersteckt: mit den vorhandenen Ressourcen das Bestmögliche für die Betroffenen zu erreichen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Mattheis. Hilde Mattheis (SPD): Herr Minister, ich frage Sie jetzt erstens noch einmal: Können Sie uns hier zusichern, das Positionspapier der SPD noch einmal genau zu lesen. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Ja. Hilde Mattheis (SPD): Dann werden Sie nämlich feststellen, dass wir die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs nicht mit dem Problem der Eingliederungshilfe verknüpfen, sondern das unabhängig davon sehen? Zweitens. Wie bewerten Sie die Aussage des pflegepolitischen Sprechers Ihres Koalitionspartners, dass eine Pflegereform, ordentlich durchgeführt, 6 Milliarden Euro kosten würde? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Ich zitiere aus Ihrem Orientierungspapier. (Hilde Mattheis [SPD]: Ich habe es hier!) Da heißt es – Zitat –: Die leistungsgerechten Abgrenzungen und Überschneidungen sind daher neu zu gestalten. Hierfür ist die Reform der Eingliederungshilfe voranzutreiben. Danach verknüpfen Sie Ihre Vorschläge noch mehr mit dem Pflegebedürftigkeitsbegriff; denn Sie sagen zur Umsetzung auf der kommunalen Ebene weiterhin – Zitat –: Zum Ausbau der kommunalen Pflegeinfrastruktur brauchen die Kommunen eine bessere Finanzausstattung. Deshalb setzen wir uns für eine Weiterentwicklung der Gewerbesteuer und weitere Entlastungen bei den Sozialausgaben ein. Das heißt, Sie kombinieren den Pflegebedürftigkeitsbegriff mit den ganzen Fragen sowohl der kommunalen Finanzierung als auch der Eingliederungshilfe. Das kann man machen. Das kann man diskutieren. Das erschwert aber, dass wir beim Pflegebedürftigkeitsbegriff vorankommen. Ich sage Ihnen – das ist meine Haltung –: Wir werden beim Thema Pflegebedürftigkeitsbegriff nicht weiterkommen, wenn wir noch mehr Fragen damit verknüpfen, die nicht im Bereich der Pflege zu lösen sind, sondern kommunale Aufgaben und Fragen der Eingliederungshilfe sind. Vielmehr würden wir das Weiterkommen -damit erschweren. Deshalb habe ich jetzt Ihren Beschluss zitiert. Ich kann ihn aber gerne noch einmal intensiver lesen. Wenn Sie aber sagen, hierfür sei die Reform der Wiedereingliederungshilfe voranzutreiben, ist eindeutig eine Verknüpfung gegeben. (Hilde Mattheis [SPD]: Lesen Sie es!) – Ich habe es ja gelesen. Vielleicht sollten Sie diesen Beschluss korrigieren; (Hilde Mattheis [SPD]: Ganz bestimmt nicht!) vielleicht habe nicht nur ich ihn so missverstanden. Dann wird es vielleicht besser. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollegin Scharfenberg. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Herr Minister, der Presse der letzten Tage war zu entnehmen, dass Sie als Gesundheitsminister und der Bundesfinanzminister sich darauf verständigt haben, dass zukünftig freiwillige private Zusatzversicherungen steuerlich gefördert werden sollen. Eine freiwillige Zusatzversicherung muss man sich natürlich auch leisten können. Das heißt, man braucht das nötige Kleingeld. Wie können Sie denn glaubhaft den Eindruck entkräften, dass dieses Vorhaben vor allem den Gutverdienern und der privaten Versicherungsindustrie dient, (Jens Spahn [CDU/CSU]: Industrie?) aber nicht denen, die eine bessere Absicherung brauchen, sich diese aber nicht leisten können? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Ich kann diesen Eindruck entkräften, indem ich mir eine Entscheidung einer rot-grünen Bundesregierung zum Vorbild nehme. Ich habe großen Respekt davor, dass es die rot-grüne Bundesregierung war, die seinerzeit erkannt hat, dass die Altersvorsorge nicht allein auf der gesetzlichen Rentenversicherung als Umlagesystem aufbauen kann, sondern private Vorsorge erforderlich ist. Sie haben seinerzeit – ich kann das ausdrücklich begrüßen – mit der Riester-Rente einen Einstieg geleistet, der viel Akzeptanz findet. Heute haben wir rund 16 Millionen Riester-Verträge. (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Eine wahnsinnige Performance!) Einen Riester-Vertrag haben nicht nur die Spitzenverdiener abgeschlossen. Im Gegenteil, sehr viele Facharbeiter mit kleinem Einkommen und sehr viele Familien nehmen diese Förderung in Anspruch. Das hat klein begonnen und mittlerweile eine große Akzeptanz gefunden. Deswegen sage ich: Es gibt noch keine Einigung innerhalb der Bundesregierung über die genaue Ausgestaltung der Förderung. Es gibt aber den Beschluss, dass wir die freiwillige Pflegevorsorge besser fördern wollen. Für mich ist wichtig, dass das einfach und unbürokratisch geschieht und dass möglichst viele Menschen davon profitieren, damit es sich für sie lohnt, privat vorzusorgen. Wenn man schon frühzeitig mit kleinen Beiträgen anfängt, kann man einen erheblichen Eigenanteil leisten, den es zu schultern gilt. Insofern nehme ich Anleihe an die seinerzeit vom Bundestag beschlossenen roten und grünen Ideen zur -Altersvorsorge, ohne das Konzept genau zu kopieren. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank, Herr Minister. – Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? – Das ist nicht der Fall. Gibt es sonstige Fragen an die Bundes--regierung? – Es liegt eine Wortmeldung der Kollegin Enkelmann vor. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. – Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat festgestellt, dass noch circa 200 000 Betreuungsplätze an Kitas sowie Tausende von Erzieherinnen und Erziehern fehlen. Ab 2013 soll ein Betreuungsanspruch für jedes Kind von unter drei Jahren gelten. Was will die Bundesregierung unternehmen, um diese Entscheidung, die auf Bundesebene getroffen worden ist, umzusetzen, oder will sie die Kommunen tatsächlich im Regen stehen lassen? Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Parlamentarischer Staatssekretär Kues, vielleicht erheben Sie sich und erklären, ob und was Sie dazu erklären können. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Ich stehe auch. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich fühlte mich nicht angesprochen. Ich dachte, es gehe um die Kabinettsbefassung. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Nein. Man kann auch sonstige Fragen stellen. Diese Möglichkeit habe ich genutzt. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Können Sie die Frage bitte wiederholen? Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Haben Sie gar nicht zugehört? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Nein. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das ist nun wirklich nicht zu beanstanden. Der Kollege Kues konnte nicht wissen, dass Sie eine Frage stellen, die er möglicherweise beantworten kann und soll. Wenn Sie freundlicherweise noch einmal sagen, worum es geht. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Präsident, ich wiederhole die Frage natürlich gerne. Ich finde aber, wenn wir uns hier im Parlament bewegen, sollten wir schon einander zuhören. Es geht um folgende Frage: Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat festgestellt, dass bundesweit noch etwa 200 000 Betreuungsplätze in Kitas und Tausende von Erzieherstellen fehlen. Außerdem gibt es die Entscheidung der Bundesregierung, ab dem Jahr 2013 einen Betreuungsanspruch für Kinder von unter drei Jahren durchzusetzen. Die Frage ist: Was tut die Bundesregierung, um diesen Betreuungsanspruch durchzusetzen, oder will sie die Kommunen tatsächlich im Regen stehen lassen? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Nein, wir wollen die Kommunen natürlich nicht im Regen stehen lassen. Wir haben eine Vereinbarung mit den Ländern und den Kommunen getroffen. Wir haben ein Programm aufgelegt, das in der Tat bis 2013 umgesetzt werden soll. Dafür gibt es einen rechtlichen Rahmen. Es gibt auch einen finanziellen Rahmen in der Form, dass der Bund 4 Milliarden Euro, die Länder 4 Milliarden Euro und die Kommunen 4 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Wir drängen darauf, dass dieses Programm umgesetzt wird. Wir veröffentlichen regelmäßig die Zahlen. Wir halten auch die Länder an, darauf zu achten – einzelne Länder melden sich –, die Vorgaben umzusetzen. Uns steht als Bund keine Maßnahme zur Verfügung, um die Länder zu einem beschleunigten Ausbau zu zwingen. Aber wir sind im ständigen Gespräch mit den Ländern, um zum Ziel zu kommen. Im Übrigen wird es auch einen gewissen Wettbewerb zwischen den Ländern, aber auch zwischen einzelnen Regionen geben, weil einzelne Regionen längst so weit sind, diesem Anspruch zu genügen, auch wenn sie keine anderen finanziellen Bedingungen als solche Kommunen haben, die nicht so weit sind. Man wird politisch -darüber zu diskutieren haben, weshalb einzelne Regionen das schaffen und andere nicht. Aber wir bemühen uns, das Ganze zu begleiten, sodass wir das Ziel 2013 erreichen können. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ich nehme Sie beim Wort!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich beende damit die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde – Drucksache 17/9084 – Ich rufe die mündlichen Fragen in der üblichen Reihenfolge auf. Die Frage 1 der Kollegin Dr. Tackmann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wird schriftlich beantwortet. Gleiches gilt für die Fragen 2 und 3 der Kollegin Da?delen, die Frage 4 der Kollegin Keul und die Frage 5 des Kollegen Nouripour im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes--ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Der Kollege Kues kann zur Beantwortung der Fragen gleich stehen bleiben. Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Daniela Kolbe auf: Welche erfolgreichen Modellprojekte in der präventiv--pädagogischen Arbeit mit rechtsextremistisch orientierten -Jugendlichen sind der Bundesregierung bekannt? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Darauf will ich gerne antworten. Bei den pädagogischen Angeboten geht es darum, mit Jugendlichen, die sich in rechtsextremistischen Organisationen bewegen und entsprechend ausgerichtet sind, zu arbeiten und einer Verfestigung dieser Einstellung entgegenzuwirken. Das passierte schon 2007 bis 2010 im Rahmen des Bundesprogramms „Vielfalt tut gut“. Es gibt insgesamt 18 Modellprojekte. Ich will Ihnen drei erfolgreiche nennen. Erstens: Das Projekt des Trägers „Gesicht Zeigen!“ für gefährdete Hauptschüler. Für die Arbeit mit Hauptschülern ist damit ein neues Konzept erarbeitet worden. Zweitens: Bei dem Projekt des Trägers „Arbeit und Leben“ ging es um junge Menschen in strukturschwachen Regionen und Kommunen. Drittens: Das Projekt der DGB-Jugend Rheinland-Pfalz hat als Zielgruppe ebenfalls junge Menschen in strukturschwachen Regionen und Kommunen. In Schulen, die den Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ tragen, sind Lernorte geschaffen worden, um die Jugendlichen zur Reflexion anzuregen. Auch das aktuelle Bundesprogramm nimmt das auf, nämlich die Auseinandersetzung mit rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen. Hier werden aktuell 14 Modellprojekte gefördert, die im Herbst 2011 gestartet sind. Ich nenne Ihnen einige wichtige Träger und Partner: Amadeu-Antonio-Stiftung, Miteinander e. V., das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung in Rheinland-Pfalz. Ergebnisse können natürlich noch nicht vorliegen, weil die Projekte erst im Herbst des vergangenen Jahres begonnen wurden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Ich habe diese Frage vor allen Dingen deshalb gestellt, weil in den Antworten der Bundesregierung zum Thema Kampf gegen Rechtsextremismus dieser Passus der präventiv-pädagogischen Arbeit mit rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen verstärkt auftaucht. Sie haben jetzt Projekte aus der Vergangenheit genannt. „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ würde ich zum Beispiel eher in den Bereich Prävention und Stärkung der Zivilgesellschaft einordnen, also eine Schule als Gemeinschaftsraum stärken, damit dort Rechtsextreme nicht Fuß fassen können. Sie scheinen den Fokus gerade relativ stark zu verschieben. Meine Nachfrage ist deshalb: Kann man von einem Paradigmenwechsel der Bundesregierung im Hinblick auf den Kampf gegen Rechtsextremismus sprechen und davon, dass sie sich umorientiert? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Nein, davon kann man nicht sprechen. In den Programmen für Vielfalt und Toleranz kommt zum Ausdruck: Wenn Sie die Arbeit mit Jugendlichen konsequent angehen, dann werben Sie für Pluralismus und sprechen sich dadurch letztlich gegen Extremismus jeglicher Art aus. Aber die Akzente verschieben wir ausdrücklich nicht; vielmehr waren die allgemeinen Programme, die auch Sie kennen und die es seit vielen Jahren gibt, immer geeignet, etwas gegen Rechtsextremismus zu tun, und sie sind dort anzusiedeln. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Ich habe noch eine zweite Nachfrage. Der Passus hat mich ein bisschen an das erinnert, was man früher akzeptierende Jugendarbeit genannt hat, bei der der Fokus stark auf Jugendliche gelegt wird, die schon rechtsextremistisch orientiert sind. Das kann man machen, und mir sind auch Programme bekannt, die das durchaus erfolgreich umsetzen. Allerdings geht man mit solchen Programmen auch immer das Risiko ein, die Rechtsextremen noch zu stärken, sie stärker in die Szene zu bringen und ihnen Räume oder sogar ganze Jugendklubs zu öffnen. Wenn ich böse wäre, würde ich jetzt an die drei Neonazis erinnern, die in einem Jugendklub in Jena verkehrten, in dem es eine solche akzeptierende Jugendarbeit gab. Inwiefern ist Ihnen bewusst, dass für diese Arbeit sehr hohe Qualitätsstandards notwendig sind? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Frau Kollegin, ich habe bewusst einige Stiftungen genannt, die auf dem Gebiet arbeiten und, glaube ich, unverdächtig sind, gegenüber rechtsextremistisch geprägten Jugendlichen nicht hinreichend kritisch zu sein. Ich finde das nicht ganz unwichtig. Keine der Einrichtungen, die ich eben genannt habe, steht in dem Verdacht, mangelndes Gespür zu haben. Im Gegenteil: Ich finde es gut, dass sie sich dieser Aufgabe stellen und offenkundig auch die Notwendigkeit sehen, das zu tun. Die Amadeu-Antonio-Stiftung beispielsweise, die auch Sie kennen, ist dafür bekannt. Sie hat ein hohes Ansehen und arbeitet seit vielen Jahren erfolgreich in diesem Bereich. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön, Frau Kollegin Pau. Petra Pau (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, wir haben Anfang des Jahres erfahren, dass Ihr Ministerium und das Bundesinnenministerium ein Kompetenzzentrum gründen wollen, welches offensichtlich die Erfahrungen dieser Arbeit bündeln soll. Inwieweit beziehen Sie sich auch schon auf die Evaluation solcher Projekte bzw. welches Handwerkzeug holen Sie sich beispielsweise von Stiftungen wie der Amadeu-Antonio-Stiftung, um der Gefahr entgegenzutreten, dass gerade Rechtsextremen mit einem schon verfestigten neonazistischen Weltbild mit Steuermitteln gefördert eine öffentliche Bühne geboten wird? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Frau Kollegin, ich glaube, Letzteres darf nicht der Fall sein. Wir haben aber einen Beirat und beziehen dort ausdrücklich verschiedenste Träger der politischen Jugendbildung, die ich eben teilweise genannt habe, mit ein. Man muss dabei sicherlich Obacht geben, aber wir machen das als Bundesregierung auch nicht allein, sondern wir arbeiten mit den Ländern über die Landes--jugendämter bei verschiedenen Projekten zusammen, auch wenn sie strittig gewesen sind. Es ist auch nie ausgeschlossen, dass Projekte jeweils überprüft und gekippt werden, wenn sie den Anforderungen nicht genügen. Ich glaube, wir gehen durchaus mit einer hinreichenden Sensibilität vor. Wenn Sie andere Beobachtungen gemacht haben, dann sollten Sie sie mir mitteilen. Mir ist dazu nichts bekannt. Das Zentrum gegen Rechtsextremismus hat zum Ziel, dass alle Erfahrungen, die in diesem Zusammenhang -gesammelt worden sind, auch in der allgemeinen politischen Jugendbildung nutzbar gemacht werden. Dort werden wir das Ganze auch ansiedeln. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe in diesem Zusammenhang eine Rechtsfrage an das Ministerium. Ich möchte bezogen auf die Frage von Frau Kolbe nachfragen, wie sich präventiv-pädagogische Projekte rechtlich mit der Unterzeichnung der -Extremismusklausel vertragen (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) und wie Sie diese rechtlich in diesem Zusammenhang auslegen. Wenn Sie das jetzt nicht aus juristischer Sicht beantworten können, dann hätte ich dazu gerne – das meine ich jetzt ernsthaft – eine Ausarbeitung Ihrer Rechtsabteilung; denn ich verstehe das nicht. (Iris Gleicke [SPD]: Sehr schön!) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Die Extremismusklausel bedeutet, dass jemand erklären muss, dass er mit Partnern zusammenarbeitet, die sich dem Grundgesetz verpflichtet fühlen. Es geht nicht um die Zielgruppe im Einzelnen. Von betroffenen -Jugendlichen wird nicht verlangt, dass sie sich im Sinne der Extremismusklausel äußern, sondern die Träger der politischen Bildungsarbeit müssen eine Erklärung ab--geben. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!) Wie Sie wissen, Herr Beck, tun sie es überwiegend, bis auf sehr wenige Ausnahmen. Gerade auch die Amadeu-Antonio-Stiftung hat das bei den verschiedensten Projekten getan. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber sie kritisiert es trotzdem!) Das ist hier immer wieder ein Thema, und das ist auch in Ordnung. Aber es ist in der Breite der Träger kein Thema. (Iris Gleicke [SPD]: Wenn sie das nicht -machen, würde ihre Arbeit zum Erliegen -kommen!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Jetzt rufe ich die Frage 7 der Kollegin Kolbe auf: Sind der Bundesregierung erfolgreiche präventiv-pädagogische Projekte bekannt, die mit ganzen Gruppen von rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen arbeiten, und, wenn ja, welche? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich habe diese Frage eben schon beantwortet; was für die Frage 6 gilt, gilt auch hier. Natürlich geht man bei der präventiv-pädagogischen Arbeit immer von der Arbeit mit Gruppen aus. Insofern gilt das Gleiche, was ich bei der Beantwortung der Frage 6 gesagt habe. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kolbe, eine Nachfrage. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Herr Dr. Kues, dem möchte ich zunächst einmal widersprechen. Es ist schon eine bewusste Entscheidung, mit einer ganzen Gruppe von rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen zu arbeiten. Man muss schon ein großes Vertrauen in die Trainer haben, wenn man glaubt, dass man das bewältigt. Sie haben jetzt Mittel für das Modellprogramm „Dortmund den Dortmundern“ bewilligt. Soweit ich informiert bin, sollen in dieses Programm 300 000 Euro fließen. Im Rahmen dieses Programms wird mit einer ganzen Gruppe von etwa 20 organisierten autonomen Nationalisten gearbeitet werden. Ich möchte Sie schon fragen, was für eine Zielstellung Sie damit verfolgen. Was glauben Sie in den Köpfen von 20 autonomen Na-tionalisten, die in ein und demselben Raum sitzen, bewegen zu können? Auf welcher Ebene – Einstellungsebene, Verhaltensebene – glauben Sie etwas bewegen zu können? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Wir müssen uns über dieses Projekt im Einzelnen unterhalten. Wie Sie wissen, führen wir es zusammen mit der Stadt Dortmund durch. Sie hat ein Interesse daran bekundet, auch was eine methodische Auswertung angeht. Die Stadt Dortmund hat sich nach einer politischen Debatte aus diesem Projekt zurückgezogen. Wir werden uns damit noch im Einzelnen zu beschäftigen haben. Beispielsweise im Falle von Fußballfans, bei denen man den Verdacht hat, dass es in ihr rechtsextremistisch ausgerichtete Jugendliche gibt, arbeitet man im Rahmen einer Gruppe. Man geht davon aus, dass man dabei die entsprechenden Fragestellungen aufwerfen und bei dem einen oder anderen Nachdenklichkeit hervorrufen kann. Präsident Dr. Norbert Lammert: Eine weitere Zusatzfrage. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Ich habe verschiedene Wissenschaftler darauf angesprochen. Es gibt ja erfolgreiche Projekte, zum Beispiel das Violence Prevention Network, bei dem mit rechts-extrem eingestellten Personen, die in Gefängnissen sind, gearbeitet wird. Wenn man die Mitarbeiter solcher Projekte fragt, was sie von diesem Projekt halten, bei dem es um eine ganze Gruppe von rechtsextremen Jugendlichen geht, dann antworten sie: Die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns ist extrem hoch; es ist sogar möglich, dass man damit in die falsche Richtung wirkt, dass Rechts-extreme noch stärker in die Szene hineinrutschen und dass man ihnen Räume öffnet. Was entgegnen Sie denen, die das behaupten? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Wir müssen die Methoden derjenigen, die solche Projekte durchführen, immer wieder überprüfen und dahin gehend auswerten, ob sie geeignet sind oder nicht. Wir lassen uns bei solchen Projekten auch von Fachleuten beraten; das wissen Sie. Das ist für uns letztlich die Grundlage für die Entscheidung, ob wir solche Projekte weiter durchführen. Ich gebe gerne zu, dass sich ein solches Projekt und auch die Bedingungen, unter denen es abläuft, weiterentwickeln; schließlich sammeln wir Erfahrungen in diesem Bereich. Wir haben mittlerweile einen Schwerpunkt entwickelt, der über das hinausgeht, was in den vergan-genen Jahren passiert ist. Wir werden immer wieder zu hinterfragen haben, ob unser Vorgehen hinreichend ist. Dafür muss man über die einzelnen Projekte reden. Da-rüber tauschen wir uns auch mit Fachleuten aus, und aus diesem Austausch ziehen wir Konsequenzen. Im Übrigen handelt es sich nicht um alleinige Entscheidungen der Bundesregierung; vielmehr erfolgt unser Handeln in der Regel in enger Abstimmung mit den Landesjugendämtern und den Jugendbehörden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Noch einmal zur Klarstellung: Die Amadeu-Antonio-Stiftung kritisiert diese Extremismusklausel ebenfalls, obgleich sie sie unterzeichnet hat. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Sie hat sie aber unterschrieben. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. Trotzdem wollen wir hier nicht so tun, als ob eine Unterschrift eine Zustimmung zur Methode wäre. Da ich ein schlichtes Gemüt habe, wollte ich Sie einfach fragen, wie sich der Wortlaut der von Ihnen geforderten Erklärung mit dieser Art von Projekten verträgt. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass ein solches Vorgehen sinnvoll sein kann. In dem zu unterschreibenden Text heißt es: Als Träger der geförderten Maßnahme haben wir zudem im Rahmen unserer Möglichkeiten … und auf eigene Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls zu den Zielen des Grundgesetzes verpflichten. Uns ist bewusst, dass keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass einer Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird. Das ist selbst bei einem erfolgreichen Projekt in der Anfangsphase schlechterdings nicht zu machen. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Herr Beck, ich möchte Ihnen zunächst nicht bestätigen, dass Sie ein schlichtes Gemüt sind, sondern ausdrücklich das Gegenteil betonen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich fühle mich von der Bundes-regierung geschmeichelt!) Sie haben allerdings selbst vorgelesen, dass es um die Organisation geht. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Referenten etc.!) – Da ist von Organisationen und Referenten die Rede. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Referenten etc.“!) Es sagt nichts darüber aus, ob man mit extremistisch ausgerichteten Jugendlichen zusammenarbeitet bzw. ob man sie mit einbezieht oder nicht. Wenn Sie es also genau lesen – Sie haben es ja richtig zitiert – und richtig deuten, dann wissen Sie, dass es kein Problem ist. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es darf nicht der Eindruck der Unterstützung entstehen! Ich habe es ja vorgelesen!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Pau, die sicherlich auch kein schlichtes Gemüt ist, hat nun das Wort. Bitte schön. Petra Pau (DIE LINKE): Davon gehe ich aus. (Heiterkeit bei der LINKEN und der SPD) Ich möchte auf die zweite Nachfrage der Kollegin Kolbe eingehen. Sie hat den Titel des Dortmunder Projektes hier genannt; ich möchte es nicht wiederholen. Da bei der Beantragung des Projekts nicht aufgefallen ist, dass in dem Titel eine Problematik steckt, möchte ich wissen, wie die Bundesregierung aus heutiger Sicht die Tatsache beurteilt, dass sich nach Veröffentlichung dieses Projekts mehrere Nationalisten auf einschlägigen Internetseiten bereit erklärten, sich der Diskussion zu stellen, um dem breiten politisch interessierten Publikum vor Augen zu führen, warum ein radikaler Politikwechsel in unserem Land unumgänglich ist. Das heißt, hier bieten sich Referenten und Diskutanten aus der bekanntermaßen gewaltbereiten rechtsextremen Szene an, die Plattform, die ihnen hier geboten wird, zu nutzen, um ihre menschenverachtenden Positionen nun im Rahmen dieses Programmes zu propagieren. Ich wüsste gerne, wie die Bundesregierung das bewertet und welche Konsequenzen gezogen werden. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich will mich gerne noch einmal genauer informieren. Mein Kenntnisstand ist, dass die Grundlage für diese Entscheidung der aus der Problemlage resultierende Handlungsbedarf, die Erfahrungen des Trägers in diesem Tätigkeitsbereich und ein fachliches Votum gewesen sind. Das heißt, Fachleute sind gebeten worden, das Ganze zu beurteilen. Beispielsweise ist das Jugendamt Dortmund um eine Einschätzung gebeten worden, ob das Programm vom fachlichen und auch methodischen Vorgehen her geeignet sei. Darüber hinaus ging es um die Modellhaftigkeit und den Innovationsgehalt. All das wurde mit berücksichtigt. Sie sagen jetzt, eine rechts bzw. nationalistisch aus-gerichtete Gruppe habe das als Aufhänger genommen, um ihre Dienste anzubieten. Ich muss das erst einmal so zur Kenntnis nehmen; gelesen habe ich das auch. Bis jetzt hatte ich keinen Anlass, anzunehmen, dass es falsch sei. Um dieses Projekt, das so bewertet worden ist, jetzt schon abzubrechen, müsste man zu Erkenntnissen kommen, die in die Richtung gehen, die Sie gerade angedeutet haben. Aber ich will das gerne noch einmal überprüfen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Wortmeldungen sehe ich hierzu nicht. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Fragen 8 und 9 der Kollegin Kathrin Vogler werden schriftlich beantwortet. Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Die Frage 10 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter, die Fragen 11 und 12 des Kollegen Stephan Kühn, die Fra-gen 13 und 14 des Kollegen Gustav Herzog sowie die Fragen 15 und 16 des Kollegen Sören Bartol werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 17 des Kollegen Seifert auf: Inwieweit hält die Bundesregierung angesichts des Anteils von nur 1,6 Prozent barrierefreien bzw. barrierearmen Wohnungen am Gesamtbestand von 40,5 Millionen Wohnungen (siehe Antwort der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 35, Plenarprotokoll 17/167, Seite 19848 A) ihre eigenen Aktivitäten zur Schaffung von barrierefreien Wohnungen im Neubau und zum Abbau von Barrieren im Wohnungs-bestand für ausreichend, und was wird sie tun, um sich – auch mit Blick auf Art. 31, Statistik und Datensammlung, der UN-Behindertenrechtskonvention – einen besseren Überblick über Fragen der Barrierefreiheit bei Wohnungen in Deutschland zu verschaffen? Ich bitte den Kollegen Ferlemann um Beantwortung. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich gebe folgende Antwort: Die Ausweitung des Angebots an barrierefreien bzw. barrierereduzierten Wohnungen ist ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung. Sie ist daher bemüht, die Eigentümer und Investoren sowie die bauplanenden und bauausführenden Berufe für den Abbau von Barrieren im Bestand sowie für die Vermeidung von Barrieren beim Neubau zu sensibilisieren. Dazu dienen unter anderem das KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ sowie die hierzu geförderten Modellprojekte. Die Bundesregierung geht davon aus, dass auch die Länder, auf die im Rahmen der Föderalismusreform I die Zuständigkeit für die Wohnungsbauförderung ab 2007 vollständig übergegangen ist, das gleiche Anliegen verfolgen. Um Fortschritte bei der Anpassung des Wohnungsbestandes festzustellen, stehen der Bundesregierung verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. So gaben 2007 in einer repräsentativen BBR-Bevölkerungsumfrage 30 Prozent der befragten Haushalte an, in einer barrierefrei erreichbaren Wohnung zu leben. Ferner hat die Bundesregierung zum Beispiel beim DIW dafür geworben, das Thema Barrierefreiheit in das Erhebungsprogramm des Soziooekonomischen Panels aufzunehmen. Seit dem Jahr 2009 werden dort Anpassungsmaßnahmen für barrierefreies, altengerechtes Wohnen sowie das Vorhandensein eines Aufzugs erfasst. Ergebnis: 8 Prozent der Haushalte hatten im Jahr 2010 einen Aufzug/Fahrstuhl im Haus zur Verfügung. Bei 0,4 Prozent der Eigentümer- und Mieterhaushalte sind seit Anfang 2009 in den Wohnungen Anpassungsmaßnahmen für barrierefreies, altengerechtes Wohnen vorgenommen worden. Art. 31 der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet die Vertragsstaaten zur Sammlung geeigneter Informationen zur Situation von Menschen mit Behinderungen. Im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung dieser Konvention hat die Bundesregierung beschlossen, einen neuen Bericht über die Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen zu konzipieren. Der Bericht soll ein solides Datenfundament bereitstellen, das die tatsächliche Situation von Menschen mit Behinderungen anhand von ausgewählten Lebenslagen darstellt. Der indikatorengestützte Bericht wird zukünftig die Grundlage für zielgerichtetes politisches Handeln im Bericht zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sein. In diesem Zusammenhang wird auch das Thema Wohnen für Menschen mit Behinderungen eine Rolle spielen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Seifert. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Zahlen. Einige muss ich mir im Protokoll noch einmal in Ruhe ansehen. Ich darf darauf hinweisen, dass es beim Thema Bar-rierefreie Bauten nicht nur darum geht, wo Menschen mit Behinderungen jetzt wohnen, sondern unter anderem auch darum, wohin sie in Zukunft ziehen können, sowie darum, wie erreicht werden kann, dass Menschen, die jetzt noch gar nicht in der Situation sind, mit irgendwelchen Mobilitätseinschränkungen zu tun zu haben, wohnen bleiben können, wenn sie einmal in diese Situation kommen. Insofern verstehe ich nicht, wieso Sie nur an-regen und darauf hinwirken wollen, das zu berücksichtigen. Es geht doch darum, gesetzlich festzulegen, dass zukünftig keine neuen Barrieren mehr errichtet werden dürfen. Wir bräuchten auch ein Programm, um bestehende Barrieren zu beseitigen. Sie haben auf das KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ hingewiesen. Aber die Mittel werden immer weiter heruntergefahren. Da ist nicht gerade ein Fortschritt, sondern eher ein Rückschritt zu erkennen. Was wollen Sie konkret gesetzlich tun, dass zukünftig keine neuen Barrieren mehr errichtet werden, und welche Programme haben Sie, bestehende Barrieren zu beseitigen? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrter Kollege, ich habe schon darauf hingewiesen: Die Zuständigkeit für die Wohnungsbauförderung ist komplett auf die Bundesländer übergegangen. Das ist ein Ergebnis der Föderalismusreform I. Nun kann man darüber diskutieren, ob das sinnhaft war oder nicht; aber die Entscheidungen sind so gefallen. Mithin sind die Bundesländer für die Umsetzung der Programme verantwortlich. Wir geben Geld aus dem Haushalt des BMVBS, und die Länder entscheiden in eigener Zuständigkeit darüber, wie sie dies in der Wohnungsbauförderung einsetzen. Gleichwohl ist es natürlich so, dass wir versuchen, an vielen Punkten Auflagen durchzubringen. Denken Sie an all die Programme im Bereich der Mobilität, die wir unterstützen und fördern; das ist Ihnen ja bekannt. Natürlich weisen wir die Bundesländer in den gemeinsamen Bauministerbesprechungen darauf hin, dass wir auf dieses Thema großen Wert legen. Das hängt vor allem damit zusammen, dass wir im Zuge der demografischen Entwicklung – da haben Sie vollkommen recht – in Zukunft deutlich mehr Wohnungen brauchen, die barrierefrei gebaut sind. Deswegen fordern wir die Länder immer wieder auf, einen besonderen Schwerpunkt darauf zu setzen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage? Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Ja, gern, Herr Präsident. – Gegen die Einführung der Kleinstaaterei kann ich momentan nichts tun. Das ist Geschichte; da haben Sie recht. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es ein Baugesetzbuch gibt. Niemand in diesem Lande käme auf den Gedanken, ein Haus ohne Blitzableiter oder ohne Brandschutzmaßnahmen zu bauen; denn das ist im Baugesetzbuch festgelegt. Warum schreiben Sie nicht ins Baugesetzbuch, dass es verboten ist, so zu bauen, dass damit Barrieren verbunden sind? Es ist ja nicht so, dass der Bund überhaupt keine Möglichkeiten hätte, lenkend einzugreifen und etwas verbindlich zu machen. Im Übrigen fehlt mir immer noch die Aussage zu Maßnahmen, Programmen oder wie auch immer, die Sie über die Länder abwickeln und die das Ziel haben, bestehende Barrieren abzubauen. Das sind ja zwei verschiedene Bereiche. Das eine ist, zu verhindern, dass neue Barrieren entstehen – das müsste ab sofort zu 100 Prozent machbar sein –, und das andere ist, bestehende Barrieren zu beseitigen. Es geht momentan um den Wohnungsbestand. Ich rede nicht vom Verkehrswesen. Das ist ein anderes Thema; dort gibt es aber ähnliche Pro-bleme. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich muss Sie leider enttäuschen und wieder darauf hinweisen: Für die Wohnraumförderung sind wir nicht zuständig. (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Aber für die Gesetzgebung doch!) Wir können den Ländern in dem Sinne keine Vorgaben machen. Das ist Ausfluss der Föderalismusreform. Zu Ihrer Frage, ob wir im Baugesetzbuch solche Regelungen aufnehmen: Nein, das machen wir grundsätzlich nicht. Das wird untergesetzlich geregelt, auch in -einzelnen Baunutzungsverordnungen, die die Länder erlassen, im Zuge von Baugenehmigungen sogar auch von den kommunalen Behörden. Wie ich aus eigener Anschauung weiß, wird zumindest bei öffentlichen Gebäuden sehr stark darauf geachtet, dass die Auflagen eingehalten werden. Es wird aber auch bei vielen Neubauten darauf geachtet und hingewirkt, diese Auflagen einzuhalten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): In vielen Kommunen gibt es einen Beschluss zum barrierefreien Bauen. So gibt es in meiner Heimatstadt Bernau das Projekt „Bernau Barrierefrei“; Ähnliches gibt es auch in vielen anderen Städten. Das schließt den Wohnungsbau und die Infrastruktur ein. Wäre es nicht denkbar, zur Unterstützung solcher Initiativen ein Bundesförderprogramm aufzulegen, um Kommunen zu helfen, denen es schwer fällt – so etwas kostet natürlich mehr, als wenn man einfach nur drauflosbaut –, entsprechende Beschlüsse zu fassen? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrte Frau Kollegin, denkbar wäre ein solches Programm. (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Dann tun Sie es doch!) Dafür braucht man nur erhebliche zusätzliche Bundesmittel. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Oder eine Umverteilung! Gut, wir verteilen um!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Wortmeldungen außer lautstarken Appellen kann ich im Augenblick nicht registrieren. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Präsident, wenn ich auf die Zwischenrufe eingehen darf: Es steht nicht der Bundesregierung zu, dieses Geld bereitzustellen. Das ist Sache des Bundestages. Da können Sie, Frau Kollegin, gerne einen entsprechenden Antrag stellen. (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Sie müssen es aber befürworten! – Weiterer Zuruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Hier werden qua Zuruf wechselseitig interessante Anregungen ausgetauscht. Diese gehen alle zu Protokoll, und wir warten einmal ab, wer sie wann in welcher Weise aufgreift. Ich bedanke mich, Herr Staatssekretär Ferlemann. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Wenn ich es richtig sehe, ist der Kollege Nink nicht da. Seine beiden Fragen 18 und 19 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl auf: Welche aktuellen bzw. aus den letzten Jahren stammenden gemessenen Strahlenhöchstwerte/Ortsdosisleistungen bei Kavernenlagern/Lagern für mittelradioaktive Abfälle von AKW-Standorten (in Betrieb und in Stilllegung) sind dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, durch schriftliche oder mündliche Auskünfte seitens Länder und/oder Betreiber bekannt (bitte je Lager möglichst mit Auskunfts- und Messdatum)? Ich bitte die Kollegin, Frau Staatssekretärin Reiche, um Beantwortung. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Kollegin Kotting-Uhl, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Dem Bundesumweltministerium ist durch die Veröffentlichung auf der Internetseite des Ministeriums für Justiz, Gleichstellung und Integration des Landes Schleswig-Holstein ein Messwert von 500 Millisievert pro Stunde in einer Kaverne des Kernkraftwerks Brunsbüttel zwischen den dort lagernden Fässern bekannt. Sperrbereiche wie die -Kavernen und Lagerstätten sind gemäß Strahlenschutzverordnung grundsätzlich nicht zugänglich. Durch Abschirmungen wird sichergestellt, dass außerhalb der Sperrbereiche gefahrlos gearbeitet werden kann. Zur Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen werden in Kontrollbereichen Ortsdosisleistungen von fest installierten Messeinrichtungen permanent überwacht. Diese Daten liegen den Aufsichtsbehörden der Länder vor. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte sehr, Zusatzfrage. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine erste Frage wäre eine Frage zum Verständnis: Wenn da mehrere Fässer korrodiert sind und es eine Ortsdosisleistung von 500 Millisievert gibt – das ist ja nun brandgefährlich; da sind wir uns sicher alle einig –, wie muss ich mir dort das Arbeiten konkret vorstellen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Das ist ein Sperrbereich. Da kommen Mitarbeiter nicht hinein. Das Bewegen der Fässer wird mit Greif-armen absolviert. Deswegen bezieht sich auch die gemessene Dosisleistung zwischen den Fässern nicht auf eine Strahlung, die auf Menschen treffen könnte. Der Bereich ist abgesperrt; Menschen haben keinen Zugang. Die Absperrungen erfolgen so, dass die gemessenen Dosisleistungen nicht in die Umwelt gelangen. Vielleicht ein Vergleich, der das plastisch macht: Sie messen auch nicht in Castorbehältern die Ortsdosisleistung, sondern außerhalb. Unter Ortsdosisleistung versteht man die Leistung einer Strahlung, die tatsächlich auf eine Person treffen würde. Das ist hier nicht der Fall. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut, ich nehme das einmal so hin. – Noch eine andere Frage im Anschluss daran: Ich habe auf eine Frage an das Bundesumweltministerium, welchen Überblick man über Kavernen in anderen Kernkraftwerken hat, die Antwort bekommen: Der Bundesregierung liegt keine Übersicht über Kavernen in den Kernkraftwerken und deren Nutzung vor … Auch die Zahl der möglicherweise noch dort gelagerten Abfallgebinde ist nicht bekannt. Ich habe des Weiteren inzwischen die Antwort bekommen, dass die Länder Ende April vor dem Bund-Länder-Ausschuss Berichte abgeben sollen, in denen es genau um diese Frage geht. Es geht um ein einigermaßen brisantes Szenario. Deshalb habe ich die Frage – Sie haben das erste Schreiben vom MJGI aus Schleswig-Holstein am 2. März erhalten –, warum diese Berichte erst Ende April abgegeben werden sollen und nicht schon vorher schriftliche Berichte eingefordert werden. Die Länder müssen ja über die Lage informiert sein. Warum fordert das BMU nicht innerhalb dieser zwei Monate bis Ende April schriftliche Informationen über die Sachlage ein? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Das Bundesumweltministerium hat versucht, sich -einen Überblick zu verschaffen. Die Kontakte zu den Ländern sind da; in diesem Zusammenhang wurde der Termin im April vereinbart. Wir können Ihnen zum heutigen Zeitpunkt keinen kompletten Überblick geben. Aber die Informationen, die wir haben, haben wir Ihnen zur Verfügung gestellt. Sie haben gesagt, es gebe viele korrodierte Fässer. Es sind aber zum Beispiel fast 650 Fässer umkonditioniert worden, davon 211 aus der Kaverne, von der wir sprechen. Die Fässer müssen ja für Schacht Konrad konditioniert werden. Dort wurde keine Auffälligkeit festgestellt. Wir tragen jetzt die Daten zusammen und wollen sie dann gemeinsam auswerten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dann rufe ich jetzt die Frage 21 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl auf: Seit wann genau (bitte Datum) im Herbst 2011 liegen dem BMU die in den Berichterstattungen der tageszeitung und des Spiegel vom 19. März 2012 genannten Szenarienberechnungen zu Radioaktivitätsfreisetzungen bei lange andauernden Atomunfällen in den AKW Unterweser und Philippsburg vor, und welche Stellungnahmen/Vermerke zu diesen Szenarienberechnungen gibt es im BMU (bitte mit Angabe der wesentlichen Inhalte, des Verfassers und des Datums)? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Präsident! Frau Kollegin Kotting-Uhl, ich beantworte die Frage wie folgt: Die Studie wurde dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit mit Schreiben vom 13. September 2011 vom Bundesamt für Strahlenschutz zugeleitet. Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit wurde daraufhin vom BMU mit einer Prüfung der vom Bundesamt für Strahlenschutz verwendeten Annahmen zur Freisetzung beauftragt. In ihrer Stellungnahme vom 15. November 2011 bestätigt die GRS, dass die gewählten Annahmen über freigesetzte Radioaktivität – die sogenannten Quellterme – für den Untersuchungszweck zwar geeignet sind, es jedoch keinen direkten anlagentechnischen Hintergrund für diese Quellterme in einem deutschen Kraftwerk gibt. In einem Ergebnisprotokoll zu einer Besprechung zwischen BMU, BfS und GRS am 12. März 2012 sind die Besprechungsergebnisse zum weiteren Vorgehen festgehalten. Danach sind die nächsten Schritte die Vorstellung der Studie in der Strahlenschutzkommission, sodann die Veröffentlichung der Studie sowie parallel dazu die Erarbeitung repräsentativer Freisetzungsszenarien. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte sehr, Zusatzfragen. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine erste Frage betrifft den Zeitpunkt. Wie ich jetzt gehört habe, haben Sie am 15. November die Stellungnahme der GRS bekommen; die Studie haben Sie schon vorher erhalten. Die SSK soll Ende April darüber befinden. Danach geht das Ganze sozusagen seinen normalen parlamentarischen Gang. Gab es denn keine reguläre Sitzung der SSK seit dem 15. November, bzw. gibt es keine bis Ende April, und, wenn nein, warum hat man nicht darauf gedrängt, dass die SSK schneller damit befasst wird, sodass auch das Parlament etwas schneller auf offiziellem Weg – nicht über die Presse – informiert werden könnte? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Zum einen sind wir davon überzeugt, dass wir sehr schnell handeln und die Dinge in Bewegung setzen. Die Konsequenzen aus der Reaktorkatastrophe für den Notfallschutz müssen mit großer Sorgfalt gezogen werden. Das tun wir auch. Bund, BfS, Strahlenschutzkommission und die Länder sind in ständigem Gespräch. Zum anderen weise ich noch einmal darauf hin, dass es hier um eine hypothetische Übertragung von Freisetzungsszenarien von Fukushima auf die deutschen Kernkraftwerke Unterweser und Philippsburg geht. Das BfS selbst meint, dass sich die Studie nicht eigne, um daraus Schlüsse über die Wahrscheinlichkeit schwerer Unfallabläufe in Deutschland und über andere Fragestellungen abzuleiten. Gleichwohl betrachten wir auch solche Szenarien, um Vorkehrungen zu treffen. Aber ich glaube, der Vorwurf der Langsamkeit kann in diesem Zusammenhang nicht gemacht werden. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut. Ich teile diese Einschätzung nicht ganz. – Ich verstehe Sie so, dass die Bewertung der GRS, die, wenn ich es richtig verstanden habe, in einem Vorwort zur Studie des BfS veröffentlicht werden soll, von einer geringen Wahrscheinlichkeit ausgeht. Stimmen Sie mir zu, dass das der Schlussfolgerung, die die Kanzlerin und -anschließend das ganze Parlament aus dem GAU von Fukushima gezogen haben, dass man nämlich auch mit dem Eintreten des Unwahrscheinlichen rechnen muss, widerspricht? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Es widerspricht ihr deshalb nicht, weil wir längst dabei sind, alle bisherigen Annahmen und Szenarien zu überarbeiten und daraus neue Schlüsse zu ziehen. Mit der Überprüfung des Regelwerkes haben wir längst begonnen. Die SSK hat eine Arbeitsgruppe zum Erfahrungsrückfluss Fukushima eingerichtet; sie arbeitet seit September 2011 eng mit dem BMU zusammen. Die Arbeiten sind aber komplex und müssen sorgfältig durchgeführt werden. Manche wird man schneller abschließen können. Bei manchen Arbeiten gehen wir aber davon aus, dass sie ob ihrer Komplexität erst in zwei bis drei Jahren abgeschlossen sein werden. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dann bin ich auf die Bewertungen gespannt, wenn sie uns vorliegen!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Nachfragen zu diesem Punkt gibt es nicht. Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Steiner auf: Wann ist mit der Vorlage des Gesetzentwurfs zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes zu rechnen, mit dem die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 12. Mai 2011 in deutsches Recht umgesetzt werden, an dem die Bundesregierung laut eigener Aussage schon seit Sommer 2011 (Antwort auf die schriftliche Frage 111 auf Bundestagsdrucksache 17/6658) arbeitet und der laut Aussagen der Abgeordneten Dr. Thomas Gebhart, CDU/CSU, und Judith Skudelny, FDP, schon im Dezember 2011 in der Ressortabstimmung war (vergleiche Plenarprotokoll 17/149), und was sind die Gründe für die lange Dauer der Ressortabstimmung? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Präsident! Frau Kollegin Steiner, mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die Ressortabstimmung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften eingeleitet. Nach dem derzeitigen Stand der Ressortabstimmung wird die Anhörung von Ländern und Verbänden zu dem Gesetzentwurf voraussichtlich im April 2012 beginnen. Die bisherige Dauer der Ressortabstimmungen entspricht dem üblichen Zeitrahmen bei politisch wichtigen Rechtssetzungsvorhaben der Bundesregierung. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön, Ihre Nachfrage. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, Sie haben sich elegant um die Beantwortung der eigentlichen Frage gedrückt. Bereits im Mai 2011 gab es das Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Das ganze Jahr ist nichts passiert, obwohl es eine entsprechende Auflage gab. Wir möchten wissen – deswegen frage ich nach –, warum das so lange gedauert hat. Ich vermute, dass man sich jetzt damit beschäftigt, liegt daran, dass wir Grüne einen Gesetzentwurf eingebracht haben. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Wir schätzen jede Aktivität der Grünen, entfalten gleichwohl selber Aktivitäten. Deswegen sind wir in der Ressortabstimmung zu einem komplexen Sachverhalt. Wir werden – das habe ich eben ausgeführt – mit der Ressortabstimmung im April 2012 so weit sein, dass wir mit den Anhörungen der Länder und Verbände beginnen können, um möglicherweise im Mai 2012 einen Regierungsentwurf zu beschließen. Die Vorarbeiten und Abstimmungen sind zeitaufwendig. Ich weise noch einmal darauf hin, dass dies in einem durchaus üblichen Rahmen geschieht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zweite Nachfrage? Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. – Wir teilen nicht die Auffassung, dass das in einem üblichen Rahmen geschieht, vor allem was den Beginn Ihrer Aktivität angeht. Man muss schon feststellen, dass Sie es versäumt haben, die Auflagen der EU rechtzeitig umzusetzen. Vor dem Hintergrund, dass wir Sacharbeit geleistet haben, die juristisch bewertet worden ist und die von der Fachöffentlichkeit, wie man an den Reaktionen sieht, anerkannt worden ist, fragen wir Sie: Inwieweit beziehen Sie unsere Vorschläge in Ihren Entwurf ein, oder haben Sie diese gleich in die runde Ablage getan? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin Steiner, Hinweise aus dem Parlament und Initiativen sind immer willkommen. Wir sehen es gleichwohl als unsere Aufgabe an, einen Regierungsentwurf vorzulegen, der alle notwendigen Belange und Erfordernisse mit einbezieht. Insofern werden wir unseren Entwurf einbringen, den Sie dann konstruktiv begleiten können. (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann werden wir mal sehen, ob das der 12. Mai wird!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Krischer auf: Welche Termine wird der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Norbert Röttgen, bis zum 13. Mai 2012 in seiner Funktion als Bundesumweltminister nach heutigem Kenntnisstand wahrnehmen (bitte einzeln auflisten)? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Präsident! Herr Kollege Krischer, Sie machen sich Sorgen um den Herrn Bundesminister. Herr Dr. Röttgen wird als Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bis zum 13. Mai wie bisher alle internen und externen Termine zu umweltpolitischen Vorhaben und Themen umfassend wahrnehmen. Termine lassen sich aber nur in wenigen Fällen, wie etwa die Teilnahme an Sitzungen des Bundeskabinetts, eindeutig nach der Funktion als Bundesminister abgrenzen. So nimmt Herr Dr. Röttgen zahlreiche Termine, wie zum Beispiel Parlamentsberatungen, Firmenbesuche und öffentliche Diskussionsveranstaltungen, immer auch als Bundesminister wahr. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank. – Ich bedauere, dass Sie nicht näher spezifizieren können, welche Termine er wahrnehmen wird, weil es gerade mit Blick auf die Aufgaben hinsichtlich der Energiewende und andere wichtige Aufgaben, die der Bundesumweltminister gerade jetzt zu bearbeiten hat, interessant wäre, zu erfahren, welche Termine das sein werden. Daran schließe ich folgende Frage an: Seine Parlamentarische Staatssekretärin, Ihre Kollegin Frau Heinen-Esser, ist – wenn ich das der Presse richtig entnommen habe – als Schattenministerin für Bundesangelegenheiten und Europa in Nordrhein-Westfalen im Gespräch. Deshalb möchte ich wissen, inwieweit die Vertretung von Herrn Minister Röttgen durch die Parlamentarischen Staatssekretäre gewährleistet ist, wenn Ihre Kollegin auch noch ausfällt? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Erstens. Es fällt keiner aus. Zweitens. Wahlkampf ist Teil der parlamentarischen Demokratie. Der Bundesminister und auch die Parlamentarische Staatssekretärin Heinen-Esser nehmen ihre Aufgaben wahr. Zum Glück haben wir ja noch eine weitere Staatssekretärin, die jetzt vor Ihnen steht, und noch einen beamteten Staatssekretär. Sie müssen also keine Sorge haben, dass wir in personelle Nöte geraten. Zurück zum Ernst der Frage. Noch einmal möchte ich betonen: Wahlkampf ist Teil unserer parlamentarischen Demokratie. Der Minister wird weiterhin in seinem Amt die Energiewende vorantreiben. Das scheint Ihre größte Sorge zu sein, und die möchte ich Ihnen ganz gerne nehmen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ihre weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich muss feststellen: Für das Bundesumweltministerium scheint es kein Problem zu sein, wenn der Herr Minister wichtige Aufgaben in einem besonderen Bundesland annimmt und seine Parlamentarische Staats-sekretärin dasselbe tut. Der Betrieb kann offensichtlich ganz normal weiterlaufen. Daher meine Frage: Haben Sie dann nicht im Normalbetrieb, wenn eine solche Kandidatur nicht ansteht und diese beiden Führungspersonen zur Verfügung stehen, eigentlich zu viele Führungspersonen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Krischer, die Energiewende ist eine große Aufgabe, der sich das gesamte Haus – die Spitze wie die Arbeitsebene – tagtäglich stellt. Das tun wir jetzt und auch in Zukunft, unabhängig von Wahlkämpfen. Diese Aufgabe beschäftigt permanent das ganze Haus und insbesondere den Minister. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke für die interessante Antwort!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Jetzt ist zunächst der Kollege Schwabe dran, dem folgt dann der Kollege Beck, der sicher auch die Praxis früherer Regierungen erläutern will. Frank Schwabe (SPD): Frau Staatssekretärin, wir machen uns weniger Sorgen um den Umweltminister, dafür umso mehr um die sehr ambitionierte Energiewende. Ich spare mir jetzt die Frage, was denn passieren würde, wenn noch eine weitere Staatssekretärin ins Schattenkabinett eintreten würde; scheinbar ist es nicht so leicht, entsprechende Mitglieder zu finden. Meine Frage: Mitte April findet auf europäischer Ebene ein wichtiges Treffen des Umwelt- und Energieministerrats statt. Dabei geht es um Fragen rund um den Emissionshandel: zur Preisstabilisierung und ganz konkret um das „Set-aside“, also Emissionshandelszertifikate, die man sozusagen aus dem Markt nimmt. Das ist eine entscheidende Sitzung. Daher würde es mich sehr interessieren, ob der Umweltminister persönlich daran teilnehmen wird. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Bislang sieht die Planung vor, dass er teilnehmen wird. Ich weise darauf hin, dass der Minister am letzten, ebenso wichtigen Treffen des Umweltministerrats – dabei ging es um ein ambitioniertes internes EU-Reduk-tionsziel – persönlich teilgenommen und sich sehr ambitioniert in die Debatte geworfen hat. Sie sehen also, dass beides sehr gut miteinander vereinbar ist: ein Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen sowie vor allem das ambitionierte Kämpfen für Klimaschutz in Europa. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wahlkämpfe gehören eher zur Parteiarbeit als zur parlamentarischen Arbeit. (Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: Aber nicht bei den Grünen!) Deshalb möchte ich wissen – wir befragen Sie ja als Regierung zu Ihrer exekutiven Arbeit –, wie viele Termine der Bundesminister und die Staatssekretärin Heinen--Esser bis zum 13. Mai außerhalb von Nordrhein-Westfalen und wie viele sie in Nordrhein-Westfalen zu absolvieren haben. Falls Sie das jetzt nicht beantworten können, weil Sie den Terminkalender nicht dabei haben, wäre ich auch mit einer schriftlichen Nachunterrichtung einverstanden. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich hielte es für ungewöhnlich, wenn komplette Kalender veröffentlicht würden. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nur nach der Zahl gefragt!) Aber beruhigenderweise befinden sich noch zwei Drittel des Ministeriums in Bonn. Somit ist die Präsenz im Ministerium in Bonn, auch bei internen Gesprächen, jederzeit bei kurzen Wegen zu gewährleisten. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kann er ja Bundesminister und Oppositionsführer gleichzeitig werden!) Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zur Frage 24 des Kollegen Oliver Krischer: Wie beabsichtigt die Bundesregierung sicherzustellen, dass die Fracking-Technologie in Regionen, in denen Trinkwasser aus Grundwasser gewonnen wird, nicht zum Einsatz kommt, wie von Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen bereits vor fast acht Monaten angekündigt (dpa-Meldung vom 30. Juli 2011), gerade auch angesichts der Tatsache, dass das Umweltbundesamt in seiner Stellungnahme zur Fracking-Technologie vom Dezember 2011 dringend empfohlen hat, die konkreten Maßstäbe des § 48 des Wasserhaushaltsgesetzes („Besorgnisgrundsatz“) in dieser Hinsicht zu konkretisieren, und wie beabsichtigt die Bundesregierung, die Unteren Wasserbehörden in die Lage zu versetzen, eine Risikoabwägung gemäß § 48 des Wasserhaushaltsgesetzes im Hinblick auf die Risiken der Fracking-Technologie vorzunehmen? Bitte, Frau Staatssekretärin. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Gerne, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Krischer, die Bundesregierung prüft derzeit den Bedarf zur Änderung bundesrechtlicher Vorschriften. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe wird dem federführenden Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Kürze erste Ergebnisse ihres Forschungsprojekts zur Abschätzung des Schiefergaspotenzials vorlegen. Darin werden auch die Umweltaspekte der Fracking-Technologie betrachtet werden. Die Ergebnisse dieser Studie werden in die Prüfungen des Bedarfs zur Änderung der bergrechtlichen Regelungen eingehen. Hinweise dazu werden auch von der im Auftrag des Bundesumweltministeriums vergebenen Studie mit dem Titel „Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten – Risikobewertung, Handlungsempfehlungen und Evaluierung bestehender rechtlicher Regelungen und Verwaltungsstrukturen“ erwartet. Bereits jetzt muss der wasserrechtliche Besorgnisgrundsatz nach § 48 Wasserhaushaltsgesetz von den zuständigen Behörden bei der Erteilung einer Erlaubnis für Benutzungen des Grundwassers berücksichtigt werden. Zudem können die Länder nach § 52 Wasserhaushaltsgesetz durch Verordnung oder behördliche Entscheidung zum Schutz von Wasserschutzgebieten bestimmte Handlungen verbieten oder nur eingeschränkt zulassen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre erste Zusatzfrage. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich freue mich über diese Antwort, weil sie doch deutlich macht, dass Sie nun schon seit vielen, vielen Monaten prüfen. Denn Herr Röttgen hat am 30. Juli 2011 angekündigt, dass etwas passieren wird. Der CDU-Landesvorsitzende Norbert Röttgen hat einen Beschluss gefasst, mit dem er die Bundesregierung auffordert, unverzüglich zu handeln. Der Bundesumweltminister Norbert Röttgen – das ist auch heute im Umweltausschuss durch Äußerungen aus Reihen der Koalition deutlich geworden – liefert an der Stelle nicht. Meine Frage wäre: Wann werden Sie konkret mit Gesetzentwürfen, Initiativen etc. kommen, die Regelungen zur Steuerung und Reglementierung der Fracking-Technologie vorsehen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich erinnere Sie daran, dass ich selbst im Ausschuss auf ähnliche Fragen hin auch Ihnen vorgetragen habe, dass die eben von mir zitierte Studie eine Laufzeit von sechs Monaten hat und die Ergebnisse im Juli dieses Jahres vorliegen werden. Wir wollen diese Studie nutzen, um Rückschlüsse zu ziehen. Keine andere Antwort habe ich Ihnen im Ausschuss gegeben. Insofern verstehe ich Ihre Nachfrage nicht. Der betreffende Zeitpunkt ist der Juli dieses Jahres. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Grund für die Nachfrage ist ganz einfach die heutige Umweltausschusssitzung; da waren Sie leider nicht. Ein Kollege der Koalition hat dort gesagt, der Umweltminister liefere an der Stelle nicht; deshalb könne man bei dem Thema jetzt nichts machen; die Anträge der Opposition würden abgelehnt. Zu meiner Nachfrage. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat gehandelt: Sie hat die Fracking-Technologie vorläufig untersagt; Probebohrungen können nicht stattfinden. Es ist aber klar, dass das nur für einen relativ kurzen Zeitraum gelten kann, weil Unternehmen aufgrund der geltenden Rechtslage – Bergrecht etc. – irgendwann Anspruch auf Genehmigung haben. Sind Sie bereit, sich je nachdem, wie die Gutachten ausfallen werden, darauf einzulassen, dass man sagt: „Wir machen für einen gewissen Zeitraum, etwa zwei Jahre, ein Moratorium, damit wir genau überprüfen können, unter welchen Bedingungen und Risiken diese Technologie anzuwenden ist, um dann eine politische Entscheidung darüber zu treffen“? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Studien sind dazu da, genutzt und angewendet zu werden. Da uns die entsprechende Studie noch nicht vorliegt, werde ich jetzt keine hypothetischen Antworten darauf geben, was gegebenenfalls sein könnte. Wir lassen diese Studie durchführen, weil wir die Besorgnisse sehen, weil wir es mit dem Trinkwasserschutz ernst meinen und sehen, dass unter anderem Stoffe verwendet werden, die besorgniserregend sind, die möglicherweise toxisch sind. Wir sind uns der damit verbundenen Aufgabe bewusst. Aber ich stelle jetzt nicht Initiativen in den Raum, ohne die Ergebnisse der umfassenden Analysen zu haben, von denen wir erwarten, dass sie uns Hinweise und Aufschluss geben. Ich bitte Sie, sich bis Juli dieses Jahres zu gedulden. Dann werden wir mit dem Parlament über die Vorgaben sprechen. Vizepräsidentin Petra Pau: Eine weitere Nachfrage stellt der Kollege Schwabe. Frank Schwabe (SPD): Frau Staatssekretärin, bei Ihnen hört sich das ein bisschen so an, als ob wir uns im luftleeren, theoretischen Raum bewegen würden. Das ist nicht so. Es gibt eine ganze Reihe von konkreten Projekten und konkreten Besorgnissen der Bürgerinnen und Bürger. Deswegen ist es mitnichten so, dass wir unendlich Zeit haben, miteinander zu diskutieren. Wir haben heute im Umweltausschuss in der Tat über diese Fragen diskutiert. Wir sind auf die Äußerung von Herrn Kalkoffen, das ist der Chef von Exxon Mobile Central Europe, eingegangen, der sich in einem Interview dahin gehend geäußert hat, dass man keine Fracking-Maßnahmen mit wassergefährdenden Chemikalien vornehmen müsse, dass man in zwei Jahren so weit sei, darauf verzichten zu können. Kollege Meierhofer aus der FDP-Fraktion hat deutlich gemacht, dass das eine Position ist, die er nachvollziehbar findet. Vor dem Hintergrund ganz konkreter Projekte überall in der Republik, frage ich Sie konkret – vielleicht gibt es dazu eine Positionierung –: Finden Sie, dass man ein Moratorium bräuchte, bis man so weit ist, eine Methode ohne wassergefährdende Chemikalien anwenden zu können? Ja oder Nein? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Wir haben im Ausschuss darüber gesprochen, nicht nur heute, sondern auch in meiner Anwesenheit. Ich habe Ihnen unter anderem die Stellungnahme des Umweltbundesamtes vorgestellt. Wir haben nicht nur darüber gesprochen, welche Besorgnisse, sondern auch welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt. Aber an diesem Punkt sind wir noch nicht. Insofern wird es von mir keine Aussagen zu theoretischen Einflussmöglichkeiten geben. Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, die noch läuft. Wir warten die Ergebnisse ab, dann werden wir handeln. Vizepräsidentin Petra Pau: Eine weitere Nachfrage stellt nun die Kollegin Dorothea Steiner. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, wir haben eben noch einmal gehört, dass es in Nordrhein-Westfalen erst einmal ein Moratorium gegeben hat. Ich komme aus Niedersachsen. Ich glaube, ich sage nichts Neues, wenn ich darauf hinweise, dass es in Niedersachsen mit allen möglichen Anfragen wegen Genehmigung von Bohrungen und auch tatsächlichen Bohrungen munter weitergeht. Vor dem Hintergrund, dass die Anfragen wegen Genehmigung von Bohrungen an die Kommunen gerichtet werden, und da es sehr schwierig ist, die Genehmigung abzulehnen, frage ich Sie: Warum wollen Sie uns vertrösten mit dem Hinweis auf eine Studie, die im Juli veröffentlicht wird und deren Ergebnisse dann erst noch mühsam ausgewertet werden müssen? Wie können Sie es verantworten, kein Moratorium durchzuführen, solange die offenen Fragen nicht geklärt sind? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich weise noch einmal darauf hin, dass die nach § 48 Wasserhaushaltsgesetz zuständigen Behörden auf Ebene der Länder zu finden sind, die dies zu regeln haben. Bei diesen zuständigen Behörden müssen die Anträge eingereicht werden. Die Länder haben gemäß § 52 WHG bereits die Möglichkeiten, durch Verordnungen und behördliche Entscheidungen einschränkend zu wirken oder eine Maßnahme zu untersagen; das ist möglich. Gleichwohl: Wenn es um eine bundesgesetzliche Regelung geht, die angestrebt werden soll, bedarf es einer vertieften Prüfung. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Dirk Becker hat eine weitere Nachfrage. Bitte. Dirk Becker (SPD): Frau Staatssekretärin, ich muss noch einmal auf den Umweltausschuss heute Morgen Bezug nehmen. Der Obmann der FDP-Fraktion, Herr Meierhofer, hat erklärt, der Bundesumweltminister verzögere an der Stelle. Es war nicht von einem gemeinsamen Fahrplan die Rede oder davon, dass erst im Juli Näheres vorliegen soll. Parallel dazu geht die NRW-CDU durch die Lande und verspricht eine schnelle Regelung. Ist davon auszugehen, dass es die Bundesregierung schafft, bis zur nächsten Sitzungswoche einen abgestimmten Fahrplan im Umweltausschuss vorzulegen, damit für alle nachvollziehbar ist, bis wann das Bundesumweltministerium getragen von der Bundesregierung und den Fraktionen Konkretes vorlegen will? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Becker, ich habe Ihnen zum Zeitplan alles Notwendige gesagt. Ich weise noch einmal den Vorwurf der Verzögerung zurück. (Dirk Becker [SPD]: Der ist von der FDP -gekommen!) Wir arbeiten daran. Auch andere Behörden wie das Umweltbundesamt haben sich mit Studien zu Wort gemeldet. All das wird zusammengenommen, um zügig voranzukommen, um einen größtmöglichen Schutz des Grundwassers dauerhaft sicherstellen zu können. Das werden wir tun. Bis zur nächsten Sitzungswoche wird Ihnen das nicht vorliegen können. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Frage 25 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 26 des Kollegen Hans-Josef Fell: Wie viele Bundesmittel sind von 2009 bis 2012 (bitte um jährliche Darstellung) jährlich für das Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien vorgesehen (bitte um Angabe in Sollzahlen), und beabsichtigt die Bundesregierung, zeitnah ein Förderprogramm für kleine Stromspeicher in Kombination mit Photovoltaikanlagen aufzulegen? Bitte, Frau Staatssekretärin. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Gerne, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Fell, im Bundeshaushalt 2009 wurden bei Kap. 1602 Tit. 686 24 – Förderung von Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien – Ausgaben in Höhe von 465,533 Millionen Euro veranschlagt. Davon standen für das Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien – kurz: MAP – rund 400 Millionen Euro zur Verfügung. Im Jahr 2010 betrug der Ansatz für das MAP circa 380,5 Millionen Euro. In 2011 waren im Bundeshaushalt Ausgaben in Höhe von 312 Millionen Euro für das MAP vorgesehen. Zudem standen im Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ Mittel von 40 Millionen Euro zur Verfügung. Für das MAP stehen in diesem Jahr circa 250 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung. Dazu kommen 116 Millionen Euro Restmittel aus dem eben genannten Titel, welche dem MAP zusätzlich aus dem Bundeshalt zur Verfügung gestellt werden können. Somit ergibt sich für dieses Jahr eine gesamtverfügbare Summe von 366 Millionen Euro. Ob ein Förderprogramm für Stromspeicher aufgelegt wird und wie dieses gegebenenfalls ausgestaltet werden könnte, wird derzeit geprüft. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre erste Nachfrage. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Damit haben Sie die deutliche Kürzung der Mittel für das Marktanreizprogramm bestätigt, die eigentlich diametral zu den Vorstellungen der Bundesregierung steht, im Rahmen der Energiewende auch die erneuerbare Wärme entsprechend zu unterstützen. Hier wird jetzt gekürzt. Von daher kann von einer zusätzlichen und deutlichen Unterstützung keine Rede sein. Für eine Unterstützung kleiner Speicher von Strom aus Solarstromanlagen sollen – so entnehme ich es zumindest dem Entschließungsantrag, der heute im Umweltausschuss von den Koalitionsfraktionen vorgelegt wurde – nun zusätzliche Mittel der KfW bereitgestellt werden. Es soll aber keine Mittelerhöhungen geben. Deswegen meine Frage: Aus welchen Töpfen soll denn dieses KfW-Sonderprogramm finanziert werden? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Das waren zwei Fragen. Zunächst zu Ihrer Behauptung, wir würden Einschnitte vornehmen. Ich möchte Ihnen die Zahlen noch einmal referieren: 366 Millionen Euro stehen in diesem Jahr zur Verfügung. Im letzten Jahr wurden 229,4 Millionen Euro verausgabt, also deutlich weniger als in diesem Jahr zur Verfügung steht. Wir müssen weder im BAFA-Teil noch im KfW-Teil kürzen. Die Mittel stehen zur Verfügung. Zum zweiten Teil Ihrer Frage, ob es ein Speicherprogramm geben wird, welchen Umfang es gegebenenfalls haben wird und wie es aussehen kann: Das wird gerade erarbeitet. Die Koalitionsfraktionen haben heute im Ausschuss mit ihrem Antrag den Auftrag an die Bundes-regierung erteilt, Vorschläge für ein solches Programm vorzulegen. Das werden wir tun. Ich kann Ihnen diese Frage zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht beantworten, weil der Auftrag gerade erst an uns gegangen ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Feststellung hinsichtlich der Kürzung der Mittel bezog sich auf den gesamten Regierungszeitraum, und da ist es eine deutliche Kürzung. Sie selbst sprachen ja von einem Rückgang von 412 Millionen Euro auf 366 Millionen Euro. Das ist eine Kürzung. Anders kann ich es nicht sagen. Insofern noch einmal meine Nachfrage, weil es wirklich bedeutsam ist. Wenn die Mittel gekürzt worden sind, also der Kuchen kleiner geworden ist, und aus diesem Kuchen zusätzlich Mittel für einen neuen Fördertatbestand bereitgestellt werden: Ist es wirklich so, dass aus diesem kleiner gewordenen Kuchen über die Wahl-periode hinweg zusätzliche Fördertatbestände finanziert werden sollen und dass dies zulasten der bestehenden und schon gekürzten Fördertatbestände geht? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Von einer Kürzung würde ich dann sprechen, wenn in einem laufenden Jahr mehr Anträge da sind, als Geld zur Verfügung steht, oder wenn man in einem laufenden Haushaltsjahr zu Kürzungen kommt, sodass ein Antragsteller nicht mehr zum Zuge kommt. Noch einmal: Weder die Zahlen noch die abgearbeiteten Anträge unterstützen das, was Sie sagen. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Wir wissen, dass die Energiewende nur dann gelingen kann, wenn wir Speicherkapazitäten ausbauen. Wir brauchen auf diesem Gebiet tatsächlich eine Vielzahl von Forschungsaktivitäten, um Möglichkeiten zu finden, im Kleinen wie im Großen, fluktuierende Energien besser durch Speicher auszugleichen. Wie und in welchem Umfang durch welches Programm konkret gefördert werden soll, kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Wir haben den Auftrag, dies zu prüfen; ich glaube, bis zur Sommerpause. Dann werden wir dem Parlament mitteilen, wie das aussehen kann. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Becker das Wort. Dirk Becker (SPD): Frau Staatssekretärin, meine Frage zielt in dieselbe Richtung wie die Frage des Kollegen Fell. Wir haben heute im Umweltausschuss einen Antrag beschlossen, in dem die Koalitionsfraktionen schreiben, dass sie mehr für Speichertechnologie tun möchten, was zunächst einmal zu begrüßen ist. Sie haben das als Voraussetzung für das sogenannte Marktintegrationsmodell angeführt. Ihrer Antwort entnehme ich aber, dass Sie bis heute nicht einmal wissen, woher das Geld kommen soll. Es gibt eine Kürzungsansage. Andere Programme müssen gestrichen werden, um Geld für das Thema Speicher loszueisen. Sie können dem Bundestag, der morgen entscheiden soll, noch nicht einmal sagen, woher das Geld kommen soll. Ist das richtig? Gilt das auch für das Marktanreizprogramm – Thema: Speicher –, das Sie für Herbst ankündigen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Becker, noch einmal: Das Marktanreizprogramm steht gar nicht zur Disposition. Es ist mit so viel Geld ausgestattet, dass alle laufenden Anträge im privaten wie im KfW-Teil abgebildet werden können. Punkt eins. Punkt zwei: Die mittelfristige Finanzplanung sieht sogar eine Sicherung des Marktanreizprogramms bis 2015 vor. Ich bitte Sie wirklich, keine Ängste zu schüren, die nicht gerechtfertigt sind. (Dirk Becker [SPD]: Das steht in Ihrem -Antrag!) Zur Frage nach den Speichern: Wir haben uns bewusst entschieden, keine Speicherkomponente zusätzlich im EEG abzubilden. Wir glauben, dass es schon jetzt durchaus Anreize gibt. Wir sehen den zusätzlichen Bedarf, in größere Speicher zu investieren. Wir fanden aber, dass wir das EEG mit diesem Punkt nicht überlasten können. Wir werden jetzt zusammentragen, welches Volumen nötig ist, was an Geld zur Verfügung stehen muss und wie dies in einem Haushalt abgebildet werden kann. Das werden wir vorlegen. Wir wissen, dass wir im Bereich Speicher fördern müssen. Übrigens fördern wir bereits in diesem Bereich massiv. Umwelt-, Wirtschafts- und Forschungsministerium stellen in einer ressortübergreifenden Initiative 200 Millionen Euro für Forschungs-, -Entwicklungs- und Demonstrationsprojekte zu Speichertechnologien bereit. Wir versuchen jetzt, mittels der KfW einen Weg zu finden, um zusätzliche Anreize zu setzen. Noch einmal: Wie das genau aussehen soll, wird noch entschieden. Wir werden die Programmstruktur vorlegen. Dazu brauchen wir aber tatsächlich noch ein paar Tage Zeit. (Dirk Becker [SPD]: Also beschließen wir morgen ohne Kenntnis!) Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen nun zur Frage 27 des Kollegen Hans-Josef Fell: Kann die Bundesregierung angesichts der Entwicklung der Mittel des Energie- und Klimafonds verbindlich zusagen, dass die zugesagten Mittel der Innovationsallianz Photovoltaik weiterhin vollumfänglich zur Verfügung stehen, ohne dass an anderen Stellen bei der Photovoltaikforschung gekürzt wird, und beabsichtigt die Bundesregierung, die Innovationsallianz Photovoltaik angesichts der neuen Herausforderungen zeitlich zu verlängern, was auch die Bereitstellung zusätzlicher Mittel in der Zeitskala bedeuten würde? Bitte, Frau Staatssekretärin. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Gerne, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Fell, die Bundesregierung hat im Juli 2010 die Innovationsallianz Photovoltaik ins Leben gerufen. Anträge konnten bis zum 30. September 2010 eingereicht werden. Förmlich bewilligt wurden bereits Fördermittel in Höhe von über 88 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Bewilligungen für weitere 23 Millionen Euro werden gegenwärtig vom BMBF und vom BMU bearbeitet. Es kann davon ausgegangen werden, dass bis 2014 durch das BMU und das BMBF für die Innovationsallianz Photovoltaik über 110 Millionen Euro bereitgestellt werden. Für den Erfolg dieser Innovationsallianz ist allerdings die Bereitschaft der Industrie entscheidend. Sie muss sich mit maßgeblichen Eigenbeiträgen beteiligen. Die PV-Industrie hat zugesagt, im Ergebnis der Forschungsmaßnahmen 500 Millionen Euro für Investitionsmaßnahmen und weitere Forschungsleistungen einzusetzen. Es ist vorgesehen, die Forschungsförderung in den Folgejahren, abhängig von den zur Verfügung stehenden Mitteln, der Entwicklung des Forschungsbedarfs in dem Bereich der erneuerbaren Energien und auf der Grundlage der beantragten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben fortzuschreiben. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre erste Nachfrage. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, herzlichen Dank. – Die Mittelausstattung des Energie- und Klimafonds ist aufgrund des Wegbrechens der Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten besorgniserregend. Es ist zu fragen, ob das auch Auswirkungen auf die Höhe der Forschungsmittel haben wird. Können Sie klar ausschließen, dass diese Entwicklung, dass der Rückgang der Einnahmen im Energie- und Klimafonds keine negativen Auswirkungen auf die Forschungsförderung, auch die im Bereich der Photovoltaik, haben wird? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass das Umweltministerium – wir sind eigentlich kein klassisches Förderministerium – immer rund 30 Prozent der Mittel für Forschungsförderung im Bereich erneuerbare Energien für die Photovoltaik zur Verfügung gestellt hat; wir werden auch weiterhin im großen Umfang fördern. Ich kann sagen, dass aufgrund der jetzigen Ausstattung des EKF aus dem hieraus finanzierten Forschungstitel für erneuerbare Energien keine weiteren Projekte bewilligt werden können, die einen Mittelbedarf in diesem Jahr haben, die Förderung bestehender Forschungsvorhaben aber in jedem Fall fortgesetzt wird. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dies ist ein Hinweis auf eine Sorge, die mich umtreibt. Wir sehen gerade in diesem Jahr die Entwicklung, dass die Wettbewerber im internationalen Markt, vor -allem die aus Asien, einen hohen Druck auf die in der Photovoltaikbranche führenden deutschen Technologieunternehmen ausüben. Wir haben im Ausschuss sehr viel darüber diskutiert. Die Koalitionsfraktionen haben uns klargemacht, dass sie keine Unterstützung der Industrie über Regelungen des EEG schaffen wollen. Sie haben gesagt, dass man die Unternehmen über andere Wege unterstützen müsse, zum Beispiel durch zusätzliche Forschungsmittel für die Photovoltaik. Jetzt sagen Sie, dass es gar keine zusätzlichen Mittel gibt und dass keine weiteren Anträge auf Förderung genehmigt werden können. Meine Nachfrage jetzt möchte ich mit Ihrer Antwort auf meine erste Frage verbinden, in der Sie sagten, die Industrie solle Kofinanzierung leisten. Dies ist richtig, aber die Industrie wird durch die starke Vergütungskürzung enorm unter Druck gesetzt, schreibt schon jetzt rote Zahlen und wird dadurch noch rotere Zahlen schreiben, sodass es weitere Konkurse – einige gab es bereits – geben wird. Wie soll in dieser Situation die Gegenfinanzierung der Forschungsmittel, die von der Industrie zur Verfügung gestellt werden, gelingen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Zunächst einmal: Ursprünglich waren 100 Millionen Euro für die Innovationsallianz Photovoltaik angekündigt. Diese Summe wird voraussichtlich sogar übertroffen. Insofern kann man sehen, dass wir, wenn wir uns etwas vornehmen, es richtig und gründlich tun. Zum Zweiten. Die Unternehmen, die jetzt in Schwierigkeiten sind, haben möglicherweise mit Fehlern aus der Vergangenheit zu kämpfen. Forschung und Innovation müssen sich permanent im Budget eines Unternehmens abbilden. Rückfragen haben ergeben, dass in den einzelnen Unternehmen oftmals gar nicht bekannt war, wie hoch der Forschungsetat ist; auf jeden Fall betrug er nicht die 7 bis 10 Prozent, die mindestens notwendig sind, um bei der Produktentwicklung weiterhin vorne zu sein. Seitens der Regierung fangen wir nun mit zusätzlichen Forschungsmitteln zumindest einen Teil von dem auf, was auf der Seite der Unternehmen im Bereich Forschung versäumt wurde. Wir alle sind uns einig: Wir wollen die Photovoltaikindustrie in Deutschland halten. Der Markt muss sich weltweit entwickeln. Es ist nun einmal so, dass die Unternehmen in Fernost nicht geschlafen haben. Das müssen wir jetzt ausgleichen, und zwar nicht nur über Regelungen des EEG, sondern auch über die laufenden Forschungsvorhaben. Aber kein -Forschungsvorhaben kann so umfangreich sein, dass es eigene Forschungsleistung im Unternehmen ersetzen kann. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Frau Staatssekretärin. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Helge Braun zur Verfügung. Die Fragen 28 und 29 der Kollegin Marianne Schieder werden schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 30 und 31 des Kollege Michael Gerdes. Wir kommen zur Frage 32 des Kollegen Willi Brase, welcher allerdings nicht im Raum ist. Dann verfahren wir nach unserer Geschäftsordnung. Die Frage 33 des Kollegen Klaus Hagemann wird schriftlich beantwortet. Damit bedanke ich mich schon beim Herrn Staats-sekretär für seine Bereitschaft, hier Rede und Antwort zu stehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der LINKEN) Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Frage 34 der Kollegin Heike Hänsel wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Frage 35 des Kollegen Thomas Jarzombek wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto zur Verfügung. Die Frage 36 des Kollegen Frank Schwabe und die Frage 37 des Kollegen Dr. Konstantin von Notz sollen schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung der Fragen steht der Staats-minister Michael Link zur Verfügung. Die Frage 38 des Kollegen Hans-Joachim Hacker soll schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 39 des Kollegen Wolfgang Gehrcke auf: Ist die Bundesregierung bereit, mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der diesjährigen Ostermärsche der Kriegsgegner in einen Dialog über die deutschen Positionen beim kommenden NATO-Gipfel in Chicago einzutreten? Bitte, Herr Staatsminister. Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage des Kollegen Gehrcke beantworte ich wie folgt: Die Bundesregierung steht zu einer Vielzahl von Themenbereichen in einem regelmäßigen und engen -Dialog mit der Zivilgesellschaft. Wie allen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern stehen auch den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Ostermärsche mehrere Wege zum Dialog mit der Bundesregierung offen. Dazu gehört unter anderem die Möglichkeit, Anfragen an die Bundesministerien zu richten. Die demokratische Mehrheitsfindung findet, wie wir alle wissen, im Deutschen Bundestag statt. Auch hier haben zivilgesellschaftliche Vertreter jederzeit die Möglichkeit, durch den Dialog mit Abgeordneten auf die Willensbildung einzuwirken. Das gilt für die Abgeordneten genauso wie für die Bundes-regierung. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Gehrcke hat das Wort zur ersten Zusatzfrage. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Herr Staatsminister, ich freue mich über Ihre Antwort. Ich habe natürlich nicht erwartet, dass die Bundesregierung die Bevölkerung dazu aufruft, am Ostermarsch teilzunehmen; das mache ich schon selber. Ich habe aber zum ersten Mal erlebt, dass ein Vertreter der Bundes-regierung erklärt, dass die Bundesregierung Wert auf einen Dialog mit denjenigen legt, die seit Jahren auf die Straße gehen und zu diesen Themen demonstrieren. Ich finde, das ist ein Fortschritt. Wenn es so ist, wie Sie sagen: Sieht sich die Bundesregierung nicht in der Pflicht – ich frage Sie das, weil Sie gerade selbst auf die Gewaltenteilung aufmerksam gemacht haben –, den Bundestag besser darüber zu informieren, mit welchem Konzept die Bundesregierung zum NATO-Gipfel in Chicago fährt und um welchen Inhalt es dort gehen wird, um auch hier im Parlament für Transparenz zu sorgen? Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Gehrcke, natürlich: Was den NATO-Gipfel, der Ende Mai dieses Jahres in Chicago stattfinden wird, betrifft, ist die Bundesregierung selbst-verständlich bereit, den Bundestag ausführlichst zu informieren. Nur: Man kann nicht jedes Ergebnis vorwegnehmen. Die Bundesregierung ist zu Gesprächen bereit, sowohl in den zuständigen Ausschüssen – dort verfügen wir auch über die notwendigen Rahmenbedingungen, um tiefer in die Debatte einzusteigen, länger zu diskutieren und auf Nachfragen zu antworten – als auch hier im Plenum. Selbstverständlich stehen wir – das möchte ich ganz ausdrücklich sagen – auch außerhalb des Bundestages für Gespräche zur Verfügung. Bisher gibt es aber, wie schon gesagt, noch keine konkreten Anfragen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage, bitte. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Wir nähern uns allmählich dem Kern der Probleme. – Sie sagten, dass die Bundesregierung bereit ist, im Bundestag umfänglich Auskunft zu geben. Wenn das so ist, halte ich eine Regierungserklärung zum NATO-Gipfel für notwendig. Ich möchte Sie fragen, ob die Bundes-regierung das erwogen hat und möglicherweise dazu -bereit ist, und zwar nicht erst nach dem Gipfel. Mich interessiert nämlich, mit welcher Konzeption die Bundesregierung zu diesem NATO-Gipfel, in dessen Zentrum die Situation in Afghanistan und die Frage des Rückzugs aus Afghanistan stehen werden, fahren wird. Diese Information muss vorher erfolgen, damit man auf den Inhalt Einfluss nehmen kann. Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Zur Frage einer möglichen Regierungserklärung gibt es bisher keinerlei Überlegungen. Auf Ihre Frage zu -Afghanistan – ich vermute, das ist auch Gegenstand Ihrer nächsten Frage – würde ich gerne bei der Beantwortung der nächsten Frage eingehen, da ich mich nicht wiederholen will. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Okay; schlau ausgedacht. Vizepräsidentin Petra Pau: Dann kommen wir schon zur nächsten Frage. Ich rufe die Frage 40 des Kollegen Wolfgang Gehrcke auf: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Erklärung des Leiters des Zentrums für Strategische Studien in Den Haag, Rob de Wijk: „Der Krieg ist für das westliche Bündnis verloren. Jetzt geht es nur noch darum, einen Grund dafür zu finden, um sich selbst zum Sieger erklären zu können“ (www.n-tv.de/politik/Nato-Berater-Krieg-ist-verloren- article5774981.html)? Bitte, Herr Staatsminister. Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Danke, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Gehrcke, Ihre Frage beantwortet die Bundesregierung wie folgt: Die Bundesregierung teilt die von Herrn de Wijk zum Ausdruck gebrachte Meinung, der Krieg sei für das westliche Bündnis verloren etc. – aus Zeitgründen erspare ich mir, das gesamte Zitat vorzutragen –, ausdrücklich nicht. Klar ist aber, dass die Aufgabe der von den Vereinten Nationen mandatierten ISAF-Truppe noch nicht vollständig erfüllt ist und dass Afghanistan auch nach dem Ende des Einsatzes internationaler Kampftruppen, also auch nach 2014, noch lange internationale Unterstützung benötigen wird. Dies wurde auf der Bonner Afghanistan-Konferenz von allen teilnehmenden Nationen anerkannt, und entsprechend wurde diese Unterstützung für die Transformationsdekade 2015 bis 2024 auch zugesichert. Vizepräsidentin Petra Pau: Die erste Nachfrage, bitte. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Wenn es so ist: Müsste die Bundesregierung dann nicht in ganz anderer Art und Weise zum Beispiel auf die Vorstellung des afghanischen Präsidenten Karzai eingehen, der ja gebeten hat, alle Truppen – ohne Unterscheidung zwischen Kampftruppen und Nichtkampftruppen – bereits 2013 abzuziehen? Wenn man ernsthaft von einer Übergabe in Verantwortung spricht, dann muss doch der Wunsch des afghanischen Präsidenten zu einer öffentlichen Erörterung führen und Grundlage der Entscheidung auch für die Bundesregierung sein. Vizepräsidentin Petra Pau: Bitte, Herr Staatsminister. Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Gehrcke, Präsident Karzai hat lediglich das gefordert, was bereits beschlossen ist. Die Transition ist bereits jetzt in der Hälfte des afghanischen Territo-riums in vollem Gange. Mitte 2013 soll der Transformationsprozess in allen Gebieten Afghanistans begonnen haben. Die Rolle von ISAF wird sich dann vom derzeitigen Partnering hin zur unterstützenden und befähigenden Rolle verändern. Das wissen wir; wir haben darüber im Ausschuss geredet und können das gerne auch vor dem Gipfel noch einmal vertiefen. ISAF zieht sich dann in die zweite Reihe zurück. Die afghanischen Sicherheitskräfte sollen dann die operative Führung übernehmen. Dieser Transitionsprozess soll bis Ende 2014 abgeschlossen sein. Das ist der Inhalt der in Lissabon zwischen ISAF und Afghanistan – das hat Karzai nur wiederholt und bekräftigt – vereinbarten Transitionsstrategie, die auf der Internationalen Afghanistan-Konferenz in Bonn ebenfalls noch einmal bestätigt wurde. Deshalb kann ich hier keinen Strategiewechsel erkennen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre nächste Nachfrage. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ich finde, es gibt schon einen Unterschied zwischen der Aussage des afghanischen Präsidenten Karzai, der von 2013 und allen Truppen gesprochen hat, und dem, was die NATO und auch die Bundesregierung angeboten haben. Unabhängig davon: In Chicago soll ein neues strategisches Konzept der NATO vereinbart werden. Das ist ja die Auskunft. Wenn es zu einem neuen strategischen Konzept der NATO kommt: Muss dieser Deutsche Bundestag, der jetzt elf Jahre lang Truppen für Afghanistan gestellt hat, nicht darauf bestehen, dass dieses Konzept vorher hier im Deutschen Bundestag erörtert wird, sodass man pro und kontra Stellung nehmen kann? Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die Bundesregierung wird selbstverständlich gerne alle Fragen eines strategischen Konzeptes mit dem Bundestag erörtern, aber nicht in der Form, wie zum Beispiel bei der Euro-Stabilisierung, wo es in Teilbereichen gesetzliche Vorschriften über vorherige Zustimmungs-erfordernisse gibt, sondern im Wege der Debatte und der Befassung im Ausschuss und dann natürlich auch im Lichte der Ereignisse. Kollege Gehrcke, wir wissen beide: Bei dem Gipfel werden selbstverständlich auch vor Ort noch Dinge auf den Tisch kommen, die vorher im Einzelfall gar nicht klar zu sehen sind. Die Debatte in den Ausschüssen und auch vertiefte Gespräche vorher in den geeigneten Formaten bieten wir also gerne an. Ich bin mir sicher, dass der Bundestag – er ist Herr seiner eigenen Tagesordnung – auch im Plenum über die NATO-Strategie debattieren wird. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sie haben unseren Antrag vorweggeahnt! Ich bedanke mich!) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Frage 41 der Kollegin Inge Höger, die Fragen 42 und 43 des Kollegen Tom Koenigs, die Frage 44 der Kollegin Katja Keul, die Frage 45 des Kollegen Andrej Hunko und die Frage 46 des Kollegen Dr. Ilja Seifert sollen schriftlich beantwortet werden. Auch die Frage 47 der Kollegin Viola von Cramon-Taubadel, die Frage 48 der Kollegin Heike Hänsel und die Frage 49 des Kollegen Oliver Kaczmarek werden schriftlich beantwortet. Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Auswärtigen Amtes. Herzlichen Dank, Herr Staatsminister. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums des Innern. Die Frage 50 des Kollegen Oliver Kaczmarek, die Frage 51 des Kollegen Dr. Anton -Hofreiter und die Frage 52 des Kollegen Dr. Konstantin von Notz sollen schriftlich beantwortet werden. Das Gleiche gilt für die Frage 53 des Kollegen Andrej Hunko, auch sie wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir im Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums der Finanzen. Die Fragen 54 und 55 des Kollegen Dr. Gerhard Schick sollen schriftlich beantwortet werden wie auch die Frage 56 des Kollegen Hans--Joachim Hacker. Die Frage 57 des Kollegen Frank Schwabe wird schriftlich beantwortet wie auch die Frage 58 des Kollegen Klaus Hagemann. Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Fragen 59 und 60 der Kollegin Sabine Zimmermann werden schriftlich beantwortet wie auch die Fragen 61 und 62 des Kollegen Markus Kurth. Mir liegen keine weiteren Fragen vor. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich unterbreche die Sitzung des Deutschen Bundestags bis 15.30 Uhr. Ich bitte, die abweichende Sitzungszeit zu beachten. Wir setzen die Sitzung um 15.30 Uhr fort mit der Aktuellen Stunde zum Thema „Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen wegen Nichterfüllung der Frauenquote bei den Führungskräften“. Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 15.11 bis 15.30 Uhr) Vizepräsidentin Petra Pau: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe auf den Zusatzpunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen wegen Nichterfüllung der Frauenquote bei den Führungskräften Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Renate Künast für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Ich sehe die Wortmeldung zur Geschäftsordnung der Kollegin Haßelmann. Ich hatte allerdings vor, den Kollegen Lindner zu fragen, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn die Ministerin?) ob wir jetzt mit der Debatte beginnen können. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sehr gerne, Frau Präsidentin!) – Das freut mich. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich sehe, dass das Haus der Frauenministerin nicht vertreten ist. Wir sind natürlich konsterniert darüber, dass es die Ministerin nicht für nötig hält, an einer Debatte zum Thema Frauenquote teilzunehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Aber dass sie wirklich die Chuzpe besitzt, noch nicht einmal einen Staatssekretär zu schicken, halten wir für unerträglich. Deshalb bitte ich, jetzt sofort dafür Sorge zu tragen, dass dieses Haus erscheint. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lieber Kues als Schröder!) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich gehe davon aus, dass wir nicht das Haus, sondern eine Vertreterin oder einen Vertreter des Hauses um das Erscheinen bitten. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Präzisierung!) Deshalb frage ich erst einmal die Bundesregierung. – Der Herr Staatssekretär ist erschienen. Ist damit diesem Wunsch Rechnung getragen? (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt weiß ja die Öffentlichkeit, dass es die Ministerin nicht für nötig hält, zu kommen! – Gegenruf des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Die Millionen Zuschauer haben es registriert! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Dann können wir ja die Veranstaltung abbrechen! Dann ist ja Ihr Ziel erfüllt!) Das Ministerium ist jetzt vertreten. Das Wort hat die Kollegin Renate Künast für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute findet diese Aktuelle Stunde aufgrund eines peinlichen Anlasses statt, und der heißt: Blockadehaltung der Bundesregierung, speziell der Bundesministerin für Frauen, bei der Herstellung von Wettbewerbsfähigkeit für Deutschland. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) – Bitte. (Zuruf von der CDU/CSU: Alle oder keiner!) Wir stellen eines fest: Im Auswärtigen Amt analysiert ein Schreiben bestehende und drohende Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen. Warum? Weil deutsche Unternehmen im Führungsbereich durchgehend männlich sind – teilweise bis zu 100 Prozent –, können sie sich in Ländern, die Ausschreibungen an einen Frauenanteil in den Vorständen und Aufsichtsräten knüpfen, nicht bewerben. Die Feststellung lautet an dieser Stelle, dass viele Länder – zum Beispiel Frankreich, zum Beispiel Spanien und einige andere – längst vorgeschrieben haben, dass bei der Besetzung von Vorständen und Aufsichtsräten bis 2015 eine Frauenquote zu erreichen ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Es gibt vier oder fünf Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die das zumindest für die öffentlichen Unternehmen festgelegt haben. Deshalb muss ich eines festhalten: Schwarz-Gelb hat immer behauptet, die Koalition zu sein, die Regierung zu bilden, die die meiste Wirtschaftskompetenz hat. Ich sage Ihnen: Diese Behauptung ist nicht wahr. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Wahr ist: Sie sorgen für wirtschaftliche Nachteile für Deutschland, und das ist schlecht für unser Land. Aber es geht nicht nur um diese Ausschreibungen, an denen deutsche Unternehmen nicht teilnehmen können und für die sie nicht den Zuschlag bekommen. Vielmehr stelle ich fest: Sie machen das in allen Bereichen. (Miriam Gruß [FDP]: Was ist mit der Arbeitslosenquote in dieser Zeit?) Was die Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, das Leben in einer Wissensgesellschaft angeht, wenn es darum geht, die Kreativszene zu unterstützen und neue Kommunikationstechnologien reinzuholen, tun Sie faktisch nichts. Bei der Frage der ökologischen Ausrichtung der Wirtschaft, dem sparsamen Umgang mit Rohstoffen und Energie, um wettbewerbsfähig zu sein, tun Sie faktisch nichts. Bei der Frage, Fachkräfte nach Deutschland reinzuholen, geben Sie heute mit einer Regelung an, die besagt: Der Zuzug von Fachkräften ist ab einem Gehalt von 44 000 Euro möglich; in einigen Berufen ab einem Gehalt von 33 000 Euro. Meine Damen und Herren, das ist auch nicht viel mehr als nichts. Welcher Ingenieur, welche Ingenieurin bekommt denn diese 44 000 Euro oder jedenfalls mehr als 33 000 Euro? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Zudem gibt es nur ein Aufenthaltsrecht für zwei Jahre. (Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Thema! – Zuruf des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]) Welchen Mann oder, besser noch, welche Frau wollen Sie damit in dieses Land locken, Herr Lindner, dass man für zwei Jahre ein Aufenthaltsrecht in Deutschland bekommt? (Manfred Grund [CDU/CSU]: Das Thema reicht nicht mal für zwei Sätze!) Wenn ich Frau im Ausland wäre, würde ich sagen: Angesichts dieser Regelung und wegen fehlender Frauenförderung bewerbe ich mich gleich woanders. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: In Saudi-Arabien! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Ich denke, wir haben eine Frauenquote!) So viel zu Ihrer Fachkompetenz an dieser Stelle! Beim Thema Bindung von Fachkräften – solchen, die kommen sollen, oder solchen, die schon in Deutschland sind – nehmen Sie die Frauen auf dem Arbeitsmarkt überhaupt nicht wahr. Wie wollen Sie denn Frauen in Unternehmen in Deutschland kriegen, wenn Sie weder außerhalb der Unternehmen die notwendige Infrastruktur schaffen, zum Beispiel für Familienarbeit, Pflege und Kinderbetreuung, noch innerhalb der Unternehmen dafür sorgen, dass der Weg nach oben für Frauen wirklich möglich ist, dass Karriereschritte für Frauen möglich sind? Ich sage Ihnen: In Schweden, Norwegen, Frankreich, in den USA (Manfred Grund [CDU/CSU]: Überall besser als in Deutschland?!) kommen Frauen schneller nach oben. Und: In China, Brasilien und Russland (Manfred Grund [CDU/CSU]: Noch besser!) gibt es mehr Frauen in Vorstandsfunktionen als in Deutschland. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich, peinlich!) So viel zu Ihrer Kompetenz! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn die Frauen dann aufgestiegen sind, verdienen sie selbst in mittleren Managementfunktionen immer mindestens 1 000 Euro weniger im Monat als die Männer. Ich sage Ihnen ganz klar: Wenn Sie weiter so agieren, wenn Sie sich nicht trauen, endlich zu Frauenförderungsregelungen zu kommen, wenn Sie sich nicht trauen, endlich eine Quote für Aufsichtsräte und Vorstände der DAX-Unternehmen einzuführen, wird Ihnen eines nicht gelingen: Sie werden weder die Vielfalt in den Führungsetagen bekommen, die Sie gerade für den Wettbewerb mit dem Ausland brauchen, noch werden Sie Frauen hier binden können, noch bekommen Sie Fachkräfte aus dem Ausland. Das ist die ganze Wahrheit! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich frage mich an dieser Stelle nicht nur, wo Kristina Schröder als Frauenministerin Deutschlands ist, sondern auch, was sie in dieser Funktion, in diesem Amt eigentlich will. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das kann man wohl sagen! Gute Frage!) Heute Morgen wachte ich auf und hatte beim Aufstehen in der Dämmerung so einen komischen Gedanken. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Was, nur einen?) Da dachte ich: Herr Lammert, unser Parlamentspräsident, wird ja für manches gehandelt. Vielleicht sollten wir ihn auch einmal als Frauenminister Deutschlands handeln. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Der Mann weiß, dass wir eine Quote brauchen. Das ist doch was, oder? Nichthandeln, meine Damen und Herren, geht nicht. Nichthandeln ist ungerecht gegenüber den Frauen. Das Grundgesetz sagt uns: Frauen sind gleichzubehandeln. Wir haben einen aktiven Gleichstellungsauftrag. Nichthandeln heißt auch, die wirtschaftlichen Chancen Deutschlands, gerade die der großen Unternehmen, aber auch die der mittelständischen Unternehmen, an dieser Stelle zu versemmeln. Nichthandeln geht auch nicht, weil die EU-Kommissarin Reding in diesem Sommer sowieso einen Vorschlag macht. Nichthandeln geht ebenfalls nicht, weil 75 Prozent der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger sowieso schon sagen: Ja, wir brauchen eine Quote. Daraus schließe ich: Wer die Frauen als Fachkräfte hier haben will, wer auch aus den anderen EU-Staaten Frauen hierherholen will, muss an dieser Stelle zwingend zu einer Quote kommen. Deshalb – so höre ich bei jedem Redebeitrag auf – wende ich mich als Allererstes an die Frauen: Wir Frauen brauchen noch in diesem Jahr einen Gruppenantrag für – als Minimum – die Quote in Aufsichtsräten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Mit Blick auf Herrn Lammert und viele andere Männer hier: Vielleicht wäre es gut, einen von Frauen initiierten Gruppenantrag zu machen, und vielleicht wäre es gut, wenn dem viele Männer beitreten würden, weil ihnen an den Frauen liegt, aber auch an der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Unionsfraktion hat der Kollege Dr. Matthias Heider das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Künast, ich hatte eigentlich erwartet, dass Sie über den Zusammenhang von Wettbewerbsfähigkeit und Frauenquote sprechen würden. Sie haben jedoch all die Argumente wiederholt, die wir hier vorletzte Woche schon einmal gehört haben. (Caren Marks [SPD]: Weil sie richtig sind!) Ich glaube, wir müssen sie dazu einfach noch einmal in die richtige Reihenfolge bringen. Und auch das müssen wir an dieser Stelle für Sie tun. Wir sprechen hier auf Antrag der Grünen über mögliche negative Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation deutscher Unternehmen im Ausland. Das ist ein wichtiges Thema; hiervon hängen viele Arbeitsplätze in unserem Land sowohl im produzierenden Gewerbe als auch im Dienstleistungsbereich ab, und – das betone ich – es geht um Arbeitsplätze von Frauen und Männern. Weil in den Debatten zum Thema Frauenquote schnell der Eindruck entsteht, über eine Quote für Vorstände oder Aufsichtsräte würde sich wie von selbst die Beschäftigungssituation von Frauen in Wirtschaftsunternehmen zum Guten wenden, freue ich mich, dass Sie ausgerechnet das öffentliche Vergabewesen als Aufhänger gewählt haben. Ich möchte von hier aus zunächst einmal klarstellen: Alle Parteien haben das Anliegen der Förderung von Frauen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kenne zwei, die das nicht haben: Das sind CDU/CSU und die Liberalen! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) Welcher Weg der richtige ist, darüber diskutiert auch die Union. Ob und in welcher Höhe eine Frauenquote, flexibel oder nicht, zielführend ist und wie sie überhaupt erfüllt werden kann, das ist nicht nur in der Politik umstritten. Es darf auch nicht um die Privilegierung einiger weniger gehen, sondern es muss um die Erhöhung von Chancen für alle Arbeitnehmerinnen, seien sie nun Managerinnen oder Angestellte, gehen. (Beifall des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]) Es kommt mit Blick auf die Frauen auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf an. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: So ist das! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was ist jetzt mit der Wettbewerbsfähigkeit?) Deshalb muss es uns um alle Arbeitsplätze gehen, nicht nur um diejenigen in Vorstand oder Aufsichtsrat. Ein falscher Ansatz wird auch nicht richtiger, wenn die Hemmnisse erhöht werden. Sie beziehen sich mit Ihrer Aktuellen Stunde ja offenbar auf einen Artikel in der Rheinischen Post, in dem geschrieben steht, dass es deutsche Unternehmen in Frankreich oder Spanien schwerer haben könnten. Meine Damen und Herren, eines muss klar sein: Eine politische Instrumentalisierung des Auftragsrechts und der Auftragsvergabe darf es nicht geben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Lachen des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber nicht EU-kompatibel, was Sie machen!) – Bevor Sie weiter zwischenrufen, sollten Sie zuhören. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt reden Sie aber gegen das Auswärtige Amt! Das sage ich dem Guido!) Die EU-Vergabevorschriften verpflichten öffentliche Auftraggeber ab einem bestimmten Volumen zu europaweiten Vergabeverfahren. Transparente, diskriminierungsfreie und auf Wettbewerb ausgerichtete Abläufe sollen gewährleistet sein. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stinner, das dürfen Sie nicht auf sich sitzen lassen!) Sachfremde Kriterien dürfen nach dem Willen der EU-Gesetzgebung explizit keine Rolle spielen. Das macht auch der europäische Gesetzgeber in einer Richtlinie aus dem Jahr 2004 deutlich – ich zitiere –: Die vorliegende Richtlinie gründet sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere auf die Urteile zu den Zuschlagskriterien, wodurch klargestellt wird, welche Möglichkeiten öffentliche Auftraggeber haben, auf Belange im sozialen Bereich einzugehen, sofern derartige Kriterien im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen. Meine Damen und Herren, auch die Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof Juliane Kokott hat in einem laufenden Verfahren im Dezember letzten Jahres in ihrem Schlussantrag klargestellt, dass es in einem solchen Fall um Qualitätsanforderungen an Bieter geht, denen im rechtlichen Zusammenhang Rechnung getragen werden muss. Hier ging es um etwas, was Sie alle mögen, nämlich um den Einkauf von nachhaltig angebautem Kaffee, insbesondere für Kaffeeautomaten, und Tee. Da kommt die Generalanwältin zu dem Schluss: Außerdem darf der öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe seines Auftrags nicht die allgemeine Einkaufspolitik der Bieter berücksichtigen, sondern nur ihr Einkaufsverhalten in Bezug auf die konkret zu liefernden Produkte. Verlangt der öffentliche Auftraggeber von den Bietern Informationen und Nachweise zur Nachhaltigkeit ihrer Produkte und ihrer Geschäftspolitik, so muss diese Anforderung einen hinreichenden Bezug zum Auftragsgegenstand haben und konkret abgefasst sein. Ich kann durchaus nicht einsehen, in welchem Bezug denn zum Beispiel eine in Spanien zu bauende Autobahn – das haben Sie ja heute vorgebracht – mit einer Frauenquote stehen sollte. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie doch mal beim AA nach! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie doch mal das Auswärtige Amt! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Telefónica und Telekom!) Da müssen Sie sich schon fragen lassen, welche Bezüge Sie hier ins Feld führen wollen. Meine Damen und Herren, ich will noch einmal auf Nordrhein-Westfalen zu sprechen kommen. Auch dort gibt es das Tariftreue- und Vergabegesetz, wodurch Unternehmen gezwungen werden, wenn sie für das Land Nordrhein-Westfalen arbeiten wollen, für bestimmte Fördermaßnahmen für Frauen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen. Auch hier stelle ich die Frage: Welchen Bezug hat das eigentlich zum Auftragsgegenstand? Diese Frage stelle ich schon deshalb, weil die Gesetzgebungskompetenz dafür in diesem Haus, beim Bund, liegt und nicht etwa beim Land Nordrhein-Westfalen. Wenn Sie versuchen, auf solchen Ebenen Politik zu machen, müssen Sie sich fragen lassen: Was wollen Sie eigentlich für die Frauen, was wollen Sie eigentlich für die Wirtschaft tun? Ein Zusammenhang ist da nicht erkennbar. Ich bin dafür, über die vorgeschlagenen Quoten zu diskutieren, aber vor allen Dingen sollten wir versuchen, für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen. Das ist die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und nicht das Filetieren von Wirtschaftsaufträgen aus anderen europäischen Ländern. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – -Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das interessiert doch nur die Männer!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Doris -Barnett das Wort. (Beifall bei der SPD) Doris Barnett (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Heider, Familie fängt wie Frau mit F an. Aber deswegen gehört die Familie nicht allein den Frauen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Caren Marks [SPD]: Sehr gut!) Wir Frauen haben ja lange genug auf ein faires Vorankommen in unserer Karriere gehofft – ohne Quote. Denn eigentlich haben wir das Grundgesetz auf unserer Seite. Deswegen haben wir, Rot-Grün, vor über zehn Jahren mit der Wirtschaft eine entsprechende Frauenförderung auf freiwilliger Basis vereinbart – also ganz ohne Zwang. Das Ergebnis kennen wir: 85 Prozent der Aufsichtsratsposten und 97 Prozent der Vorstandsposten sind auch im elften Jahr der Vereinbarung nur mit Männern besetzt. Jetzt komme mir bloß keiner – oder sollte ich besser sagen: „Bloß keine Ministerin“? – und sage, das läge an den überragenden Qualitäten der Männer oder daran, dass die Frauen nicht wollten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Fest steht: Mit guten Worten alleine richten wir in -unserer Gesellschaft nichts aus. Die Quote wird uns -helfen, das Gesellschafts- und Rollenbild der Frauen zu verändern. Wir Sozialdemokratinnen wissen das aus eigener Erfahrung. Als wir die Quote 1988 in unser Grundsatzprogramm aufgenommen haben, war das Gezeter groß. Mittlerweile ist es ganz normal, dass Frauen nicht nur für den Posten des Revisors oder Beisitzers kandidieren, sondern Oberbürgermeisterin, Abgeordnete, Ministerpräsidentin werden und alle das für ganz normal halten. Dass Frauen gute Zugpferde bei Wahlen sind, ist ja bekannt. Was wir in der Politik schon längst begriffen haben, sollten eigentlich auch die Wirtschaftsführer begreifen: Frauen sind gut fürs Geschäft! Frauen sind gut ausgebildet, sie arbeiten hart und klug, auch wenn sie sich nicht unbedingt an dem Wettbewerb „Wer kann am längsten im Büro bleiben?“ beteiligen. Wer so etwas liebt, dem empfehle ich die TV-Serie Mad Men. Da werden Sie in die 50er- oder 60er-Jahre in eine Werbeagentur in der Madison Avenue zurückversetzt. Hier lernt man nämlich, wie männliche Netzwerke funktionieren, wie man – Mann – es schafft, dazuzugehören oder auch aus dem Club rauszufallen. Aber ehrlich gesagt: So ticken Frauen nicht! Und außerdem: Wir sind in der Zwischenzeit auch 60 Jahre weiter. Obwohl: Nicht wenige dieser Rituale haben die Zeit überlebt und blockieren auch heute noch in vielen Unternehmen ein neues Denken. Die Vision des Ernährers, der die Familie versorgt, und der Frau, die etwas für die -Familie dazuverdient – Herr Heider, das ist Ihr Bild –, (Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Das sagen Sie! Dann haben Sie in der letzten Debatte nicht zugehört!) ist so stark verwurzelt, ja fast eingebrannt in manche -Unternehmenskultur, dass Veränderungen selbst mit -Engelsgeduld nicht durchgesetzt werden können. Aber es gibt auch Hoffnung! Als erster DAX-Konzern hat sich die Telekom vor zwei Jahren ihre eigene Quote verpasst: Bis 2015 will sie 30 Prozent aller Positionen vom mittleren bis zum oberen Management mit Frauen besetzen. Also wird sich die Telekom für diese Personalentwicklung fünf Jahre Zeit lassen. Hätte sie zum Zeitpunkt unserer freiwilligen Vereinbarung damit begonnen, wäre sie heute ein Leuchttrum. Aber immerhin: Die Telekom zeigt, dass es geht. Es ist schon traurig, dass sich deutsche Unternehmen gerne in der Wirtschaftswelt umschauen, wenn es um -Effizienz, Rationalisierung, Kostenreduzierung usw. geht, aber beim Personaleinsatz, insbesondere bei der Frauenförderung, das Interesse aufhört. International renommierte Wissenschaftler weisen darauf hin, dass die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes gerade auch mit der Frauenförderung zu tun hat. Wer heutzutage die gut ausgebildeten, talentierten Frauen auf das Abstellgleis Mittelmanagement schiebt, der verbaut sich seine eigenen Chancen im globalen Wettbewerb. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Rita -Pawelski [CDU/CSU]) Leider passiert genau das in unserem Land. Wenn ein Vorstand mir versichert, man fördere gerne Frauen, aber es brauche halt 15 Jahre – genauso lange, wie bei der Förderung von Männern –, dann kann ich nur sagen: Hätte man zu Beginn der freiwilligen Vereinbarung mit der Förderung angefangen, hätten wir heute schon viele Frauen in den Führungsetagen; vielleicht bräuchten wir dann auch die Quote nicht mehr. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Rita Pawelski [CDU/CSU]) Denn vor elf Jahren gab es sicherlich nicht nur Berufsanfängerinnen in den Betrieben. Andere Länder, gerade auch in der EU, sind schon viel weiter als Deutschland. Es wurde schon gesagt: Dort schätzt man Frauen nicht fürs Kaffeekochen, sondern wegen ihres scharfen Verstandes, ihrer umsichtigen, sozialen Abwägungsfähigkeit – Eigenschaften, die wir hierzulande in den sich ausweitenden Ehrenamtsbahnen benötigen, weil sie dem Zusammenhalt dienen und viel Geld sparen. In der Tat, Frauen können gut ehrenamtliche Strukturen aufbauen, leiten oft große Vereine und sind zunehmend hervorragende Unternehmerinnen, wenn sie sich selbstständig machen. Aber das kann doch in Deutschland nicht die Antwort auf die berechtigte Forderung der Frauen sein, auch in Führungspositionen, also im oberen Management, im Vorstand und im Aufsichtsrat von großen Unternehmen, angemessen vertreten zu sein. Liebe Kollegen – ich richte mich jetzt an die Männer –, verstehen Sie bitte das Wort „angemessen“ richtig! Wenn wir die 40 Prozent fordern, sind wir noch harmlos; denn gemessen an unserem Bevölkerungsanteil würden uns Frauen 52 Prozent zustehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Dann machen wir das doch!) Zurück zur EU. Hier plant nicht nur die Justizkommissarin Viviane Reding eine Frauenquote in Höhe von 40 Prozent für Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen bis zum Jahr 2020. Es wurde schon gesagt: -Spanien und Frankreich haben schon eine feste Frauenquote. Dazu gehören auch Belgien, Italien, Norwegen, die Niederlande und Österreich. Wenn sich Deutschland hier nicht bald einreiht, dann schadet es mutwillig der Zukunftsfähigkeit und der Wettbewerbsfähigkeit seiner Unternehmen – und das bei oder trotz einer jungen Frauenministerin, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die heißt ja nur so!) die sich damit begnügt, es ja für sich geschafft zu haben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Jörg von Polheim für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Jörg von Polheim (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Obwohl ich erst seit rund drei Monaten Bundestagsabgeordneter bin, habe ich bereits eine Sache gelernt: Die Grünen holen bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit die Frauenquote hervor. (Caren Marks [SPD]: Frauenpolitik passt immer!) Mag der Aufhänger auch noch so nichtig sein, eines ist gewiss: Die Grünen schwingen ihre Moralkeule und empören sich über die Maßen. Dabei muss ich Ihnen diesmal zugutehalten, dass Sie sich einmal mit Wirtschaftsthemen auseinandersetzen. Plötzlich liegt Ihnen die Wirtschaft am Herzen, die Sie sonst geißeln und gängeln, wo es nur geht. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch wohl ein FDP-Ministerium! Sie haben uns auf die Idee gebracht! -Dafür können wir doch nichts!) Herzlichen Glückwunsch zu der Einsicht, dass die Politik der Wirtschaft sogar helfen kann, auch wenn dies im aktuellen Fall gar nicht nötig ist. Mit dieser Aktuellen Stunde möchten Sie skandalisieren, dass sich deutsche Unternehmen, wollen sie an Ausschreibungen im Ausland teilnehmen, an die Gesetze des jeweiligen Landes halten müssen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber wollen Sie jetzt sagen, dass der Herr Westerwelle unrecht hat? Das fördert das Auswärtige Amt! Ihr Außenminister, Herr Kollege! Ich bin erschüttert! Hat der Westerwelle gar nichts mehr zu sagen?) – Hören Sie doch einfach mal zu, dann wird es einfacher. – Daraus einen Vorwurf an die Bundesregierung zu kon-struieren, zeugt von einer Chuzpe, die wiederum zu Ihrer sonstigen Wirtschaftspolitik passt. Die FDP-Fraktion weist die immer bizarrer werdenden Belehrungen von EU-Kommissarin Viviane Reding wegen einer angeblich fehlenden Frauenquote in Deutschland zurück. Die Unterstellung, dass deutsche Unternehmen wegen einer fehlenden Quote keine Aufträge mehr erhalten, ist unnötige Panikmache. Das sollte Frau Reding wissen, und Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, auch. Dieser Anwurf dient nur dazu, die Bundesfrauenministerin Kristina Schröder plump unter Druck zu setzen. (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee, das müssen wir nicht mehr! Das ist vorbei! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie soll denn das gehen, Herr Polheim?) Wir Liberalen im Bundestag unterstützen die Ministerin in ihrer Auffassung (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – einfach einmal ausreden lassen; dann wird es einfacher –, dass die Europäische Kommission der Bundesrepublik keine Quote vorschreiben kann. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Spanier!) Im Übrigen ist es längst nicht sicher, ob derart marktabschottende Ausschreibungsbedingungen mit EU-Recht vereinbar sind. Die Bundesregierung prüft das und wird gegebenenfalls Schritte einleiten, sollte sich herausstellen, dass diese Rahmenbedingungen gegen EU-Recht verstoßen. Denn dann gilt es, sich wirklich für die deutsche Wirtschaft einzusetzen, und zwar nicht nur polemisch, wie Sie, meine Damen und Herren der Grünen, es tun. Zur Klarstellung. Derzeit dürfen EU-Partnerländer, in denen eine nationalgesetzliche Frauenquote existiert, deutsche Firmen bei öffentlichen Ausschreibungen wegen der Nichteinhaltung dieser Frauenquote nicht benachteiligen. Derartige Fälle sind auch nicht bekannt – Quelle: DIHK. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der FDP: So ist es!) Durch das EU-Vergaberecht erübrigt sich eine gesetzlich vorgeschriebene deutsche Frauenquote ohnehin. Es liegt im Verantwortungsbereich der einzelnen Unternehmen, sich so aufzustellen, dass sie die Vorgaben erfüllen, um nicht von Ausschreibungen in Spanien oder Frankreich ausgeschlossen zu werden. Die FDP-Fraktion lehnt weiterhin eine Quote ab, weil wir damit nur an Symptomen herumdoktern. (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: -Tosender Applaus bei der gesamten FDP--Fraktion!) Wir wollen keine Fehlentwicklungen wie in Norwegen, wo die Quote lediglich dafür gesorgt hat, dass die -gleichen Frauen in mehr Aufsichtsräten sitzen. Goldene Röcke helfen niemandem. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Goldene Röcke? – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Goldene Röcke, ja. Erkundigen Sie sich einmal! (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt geht es aber los! – Ingo Egloff [SPD]: Wer hat denn die ganzen Aufsichtsratsmandate?) – Ich nicht. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich würde mich für Sie fremdschämen! – Dr. Eva Högl [SPD]: Da könnten auch die Frauen aus der FDP mal was sagen!) Ich möchte an dieser Stelle nicht wieder alle sozial-politischen Maßnahmen der Bundesregierung zur Verbesserung der Situation der Frauen im Berufsleben aufzählen. Nur wer für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Beruf und Pflege sorgt, kämpft erfolgreich für die gerechte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft. Das liegt im Übrigen auch im Interesse der deutschen Wirtschaft. Die Selbstverpflichtung der Wirtschaft ist zwar der schwierigere, dafür aber der nachhaltigere Weg. Die deutsche Wirtschaft ist auf dem richtigen Weg, auch wenn dieser Weg noch lange nicht am Ende ist. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Redner ist am Ende! Das war er aber schon vor Ablauf der Redezeit! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Glück, dass gleich Frau -Pawelski kommt!) Vizepräsidentin Petra Pau: Bevor wir fortfahren, nur eine kurze Information an diejenigen, die uns zuhören oder zuschauen: Wir sind in einer Aktuellen Stunde, deshalb äußern Kolleginnen und Kollegen ihre Zustimmung oder Nichtzustimmung -sowie ihre Meinung zu den Redebeiträgen durch Zwischenrufe, haben aber nicht die Chance, Fragen zu stellen oder zu intervenieren. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kann man nur froh sein! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war Artenschutz für Herrn von Polheim!) Das war eine Erklärung an die Zuhörenden zu dem Vorgang gerade. Nun hat die Kollegin Yvonne Ploetz für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Yvonne Ploetz (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In China erobern Frauen das Weltall, in Deutschland noch nicht einmal den Chefsessel. Ich finde echt abenteuerlich, was hier gerade passiert. (Beifall bei der LINKEN) In China erklärt man einfach, dass künftig eines von drei Besatzungsmitgliedern eines Raumschiffs eine Frau sein soll – und in Deutschland streitet die Frauenministerin gegen so etwas Läppisches wie eine Frauenquote. Ganz ehrlich: Ich muss mich hier wirklich manchmal schämen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Anscheinend kommen auf Frau Schröder gerade ganz einsame Zeiten zu. Selbst in ihrer eigenen Partei ist die Flexiquote mehr und mehr umstritten. Annegret Kramp-Karrenbauer zum Beispiel, die gerade wiedergewählte CDU-Ministerpräsidentin im Saarland, hat schon vor Monaten gefordert, bei der gesetzlichen Frauenquote endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Selbst bei ihren männlichen Kollegen scheint der Widerstand gegen die Quote zu schwinden. Das sicherlich prominenteste Beispiel ist unser Bundestagspräsident Norbert Lammert. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Das hat auch Applaus verdient. Frau Schröder hat im Spiegel gesagt, dass ihr – ich -zitiere – „das Denken in Geschlechterkollektiven fremd“ sei. Für eine amtierende Frauenministerin ist das ein wirklich sehr, sehr bedenkliches Zitat, wie ich finde. Es zeigt nämlich eindeutig, dass ihr jede Sensibilität im Hinblick auf die Benachteiligung von Frauen fehlt. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sehr souverän ist die Ministerin!) Gerade erst hat EU-Kommissarin Viviane Reding die seltsame Gleichstellungspolitik dieser Bundesregierung kritisiert: Mit dem Betreuungsgeld setze sie völlig falsche Anreize, die Kinderbetreuung in Deutschland sei mangelhaft und die freiwillige Quote gescheitert. Deshalb fordert Brüssel nun die deutsche Quote, gesetzlich, verbindlich, für Aufsichtsräte und Vorstände. Das ist der richtige Weg. Dass die Bundesregierung jedoch eine solche Belehrung braucht, ist wirklich peinlich. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dabei gibt es doch richtig gute Beispiele für den Erfolg einer Quote. Norwegen hat als erstes europäisches Land eine 40-Prozent-Quote eingeführt. Den Erfolg machten – neben sehr empfindlichen Sanktionen – zum Beispiel Projekte wie ein Mentoringprogramm aus. Im Rahmen dieses Programms wurden weibliche Nachwuchskräfte gemeinsam mit ihren zukünftigen Kollegen und mit ihren Chefs über Monate hinweg geschult, und zwar in Sachen Führungsstärke, Unternehmenskultur und Genderkompetenz. Das sorgte für ein echtes Umdenken, nicht nur in den Unternehmen, sondern auch in der gesamten Gesellschaft. Plötzlich ist so etwas wie eine Kinderbetreuungszeit oder eine Familienzeit ganz selbstverständlicher Arbeitsalltag. Das sind doch wunderbare Akzente, von denen wir wirklich viel lernen können und sollten. (Beifall bei der LINKEN) Aber Quoten alleine reichen nicht aus, und schon gar nicht uns Linken. Uns geht es um die ganze Frauenfrage. Frauenquoten sagen nämlich noch gar nichts darüber aus, wie es Frauen in Unternehmen wirklich geht; da spielen noch ganz andere Faktoren eine Rolle. Uns geht es unter anderem auch darum, dass Armutsfallen wie Minijobs, Niedriglöhne und Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau endlich bekämpft werden. (Beifall bei der LINKEN) Altbackene Unternehmenskulturen müssen verändert werden. Wir brauchen Individualbesteuerungen statt eines Ehegattensplittings. Die Frauen müssen bei ihrer sogenannten ehrenamtlichen Gratisarbeit in den Bereichen Pflege und Erziehung endlich vom Staat und von den Männern entlastet werden. Darüber hinaus muss die Arbeitszeit verkürzt werden. Außerdem brauchen wir einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es schon ziemlich merkwürdig, dass immer dann, wenn es um die Gleichstellung von Mann und Frau geht, wenn es um Gehalt, Macht und Einkommen geht, auf Freiwilligkeit gesetzt wird. Ich sage Ihnen eines: Das liegt daran, dass hinter jeder erfolgreichen Frau mindestens ein Mann steht, der die Frauenquote zum Teufel jagen möchte. (Beifall bei der LINKEN) Ich glaube, genau diese Männer brauchen die Frauenquote dringender als jede Frau, und zwar auf Augenhöhe; sie beträgt 50 Prozent. (Beifall bei der LINKEN) Eines möchte ich auch noch anmerken: Es darf bei der Quotendebatte doch nicht darum gehen, die Profite von Unternehmen zu vermehren. Es geht bei der Frauenquote darum, Geschlechtergerechtigkeit herzustellen, soziale Gerechtigkeit herzustellen und Verfassungsaufgaben zu erfüllen. Sie ist von Grund auf ein ganz demokratisches Projekt, das Frauen und eben nicht dem Kapital Vorteile bringen soll. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm sagte bereits 1910: Glaube nicht, es muß so sein, weil es so ist und immer so war. Unmöglichkeiten sind Ausflüchte steriler Gehirne. Schaffe Möglichkeiten. Ich glaube, genau das sollte endlich zum Leitsatz dieser Regierung werden. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD] und Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Rita Pawelski hat nun für die Unionsfraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Rita Pawelski (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es bewegt sich etwas. Die deutschen Unternehmen beginnen, zu begreifen. Seit etwa zwei Jahren brechen die männlichen Monokulturen in den Chefetagen auf. Im vergangenen Jahr wurden 16 Prozent der neu zu besetzenden DAX-Vorstände von Frauen besetzt. (Ingo Egloff [SPD]: Von 12 auf 14 Prozent! Nur 2 Prozentpunkte mehr!) Aber was sich so gigantisch anhört, ist bei genauem Hinsehen ziemlich bescheiden: (Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) Die Zahl stieg real von drei auf acht Frauen, acht Frauen von insgesamt 187 DAX-Vorständen. Na ja. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) In den Aufsichtsräten wuchs der Anteil der Frauen um sagenhafte 2,8 Prozentpunkte, von 10 auf 12,8 Prozent. Sie sehen, es bewegt sich etwas, allerdings im Tempo einer Schnecke. Unsere Wirtschaft leistet sich ein Schneckentempo ausgerechnet bei der wichtigen Frage: Wie mache ich in Zeiten des demografischen Wandels mein Unternehmen fit für die Zukunft? Meine Damen und Herren, die CDU hat einen sehr guten Slogan: „Ohne Frauen ist kein Staat zu machen“. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich formuliere diesen Satz einmal um: Ohne Frauen ist kein Unternehmen wettbewerbsfähig. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Jetzt heißt es, dass deutsche Unternehmen bei Ausschreibungen in der EU womöglich mit Nachteilen zu rechnen hätten. Es steht in allen Zeitungen; ich habe hier die FAZ. Wenn es wirklich solch ein Papier gibt, dann müssen wir darüber diskutieren. Ich wüsste übrigens gerne, ob es so ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, es gibt ein solches Papier!) Es kann nicht sein, dass es Pamphlete oder anonyme Unterlagen aus einer Behörde gibt, in denen – wenn es denn stimmt – jetzt schon klar gesagt wird, dass Unternehmen Nachteile haben werden, wenn sie nicht über genug Frauen verfügen. Ich sage Ihnen: Frankreich oder Spanien, die hier zitiert werden, werden sich nicht darum kümmern, ob es uns recht ist oder nicht; sie werden ihre Gesetze voranstellen, nicht unser Denken und Wünschen. (Dr. Eva Högl [SPD]: Genau!) Ich bitte das Auswärtige Amt, hier wirklich für Klarheit zu sorgen. Ich möchte wissen, ob es das Papier gibt. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, es darf nicht sein, dass unsere Wirtschaft mit Nachteilen zu rechnen hat, wenn sie die Quote nicht erfüllt. Darum ist für mich ganz klar: Wir brauchen mehr Tempo in der Frauenfrage. Dazu müssen wir aus dem langsamen Oldtimer aus- und in den schnellen Formel-1-Boliden einsteigen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen auch den Treibstoff wechseln, weg von der wirkungslosen freiwilligen Verpflichtung, die seit 2001 nur ein Stück Papier ist. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich sage ganz deutlich: Wenn die Unternehmen das, was sie damals unter Kanzler Schröder unterzeichnet haben, auch nur ansatzweise erfüllt hätten, würden wir heute nicht über dieses Thema sprechen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber die Unternehmen haben bis 2010 nichts getan. Es gibt da ein Sprichwort: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht. (Beifall des Abg. Sönke Rix [SPD] – Lachen des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Diese Diskussion haben nicht wir zu verantworten, sondern die Unternehmen, die sich nicht an ihre eigenen -Zusagen, an die schriftlich gegebenen Versprechen, gehalten haben; sie haben sich diese Diskussion selber zuzuschreiben. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Sibylle Laurischk [FDP]) Am Ziel sollen mindestens 30 Prozent Frauen in den Spitzengremien der börsennotierten Unternehmen vertreten sein. Frauen in den Chefetagen bringen den Unternehmen Erfolg. Sie sind ein Wettbewerbsvorteil. Das beweisen zahlreiche Studien. Ich weiß, dass jetzt jeder die Studie herausholt, die ihm gerade passt. So werden Experten zu Kronzeugen. Ich habe auch einen Kronzeugen, nämlich das renommierte Beratungsunternehmen Ernst & Young. Dessen Analyse ergab, dass Unternehmen mit Vorständen, in denen Frauen vertreten sind, beim Umsatz um 20 Prozent, beim Gewinn um 22 Prozent und beim Börsenwert um 7 Prozent besser sind als Unternehmen ohne Frauen im Vorstand. Das sind doch Signale, die verstanden werden müssen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN) Das macht deutlich: Es geht hier ganz konkret darum, wirtschaftliche Potenziale zu nutzen und Wettbewerbsnachteile für unsere Unternehmen in Deutschland, aber möglicherweise auch in der Europäischen Union zu verhindern. Wer jetzt sagt, wir hätten nicht genügend erfahrene weibliche Kandidaten, der verschließt die Augen vor der Wirklichkeit. Kienbaum oder Headhunter wie Heiner Thorborg haben festgestellt: Wenn die Unternehmen wirklich Frauen finden wollen, dann finden sie diese Frauen auch in Deutschland. – Es gibt also genügend Frauen, die können und wollen. Dass die Chefetagen dennoch unter einem Frauenmangel leiden, zeigt doch, dass Leistung, Kompetenz und Einsatz nicht immer ausreichen, um die Tür zu Führungspositionen aufzustoßen. Was anscheinend reicht, sind – außer Kompetenz und Leistung – Netzwerke und Seilschaften. Da sind die Old Boys halt routinierter und erfahrener. Aber ich verspreche Ihnen: Wir lernen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie mich zum Schluss eines sagen: Es macht keinen Sinn, dass wir uns gegenseitig Fehler vorhalten. Hier sitzen einige, die 2001 aus Angst oder aus Disziplin – wie auch immer – verhindert haben, dass es ein entsprechendes Gesetz gibt, und hier sitzen welche, die möchten kein Gesetz. Sich gegenseitig Naivität und Passivität vorzuwerfen, bringt gar nichts. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE]) Wir sollten nach vorne sehen und dafür sorgen, dass die Frauen in unserem Land, egal in welchem Bereich, Chancen haben. Vielen Dank. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Dr. Eva Högl das Wort. (Beifall bei der SPD) Dr. Eva Högl (SPD): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Pawelski, das war eine mutige Rede. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich hoffe, dass viele aus den Koalitionsfraktionen Ihre Rede gehört haben und sich daran bei der weiteren Beratung über das Thema Frauenquote orientieren. Dafür wünsche ich Ihnen persönlich, aber auch im Namen meiner Fraktion viel Erfolg. Wir wollen etwas erreichen für die Frauen in unserem Land. Deshalb eignet sich dieses Thema überhaupt nicht – Frau Pawelski hat es angesprochen –, um in einem permanenten Parteien-Hickhack zerrieben zu werden. Wir wollen, dass Frauen in Führungspositionen kommen, und suchen gemeinsam nach dem richtigen Weg. Wenn wir feststellen, dass Selbstverpflichtungen nichts bringen, dann müssen wir zu einer gesetzlichen Regelung kommen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Staatsminister Link, da Sie heute hier anwesend sind: Seien Sie bitte so freundlich und übermitteln Sie uns das Papier, über das wir heute reden. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir können sonst nur auf der Basis von Spekulationen diskutieren. Ich habe heute schon bei Ihnen angerufen, das Papier aber leider nicht bekommen, obwohl wir sonst einen guten Austausch haben. Übermitteln Sie es uns bitte, dann wissen wir, auf welcher Grundlage wir hier diskutieren. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle haben ein Interesse daran, dass deutsche Unternehmen im Wettbewerb gut aufgestellt sind, und zwar nicht nur im europäischen Binnenmarkt, sondern weltweit. Es ist sonnenklar – das möchte ich noch einmal bekräftigen –: Es gibt keinen Widerspruch, keine Differenz zwischen wirtschaftlichem Erfolg im Wettbewerb und der Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Im Gegenteil: Je mehr Gleichstellung, je mehr Gleichberechtigung, umso erfolgreicher sind die Unternehmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das belegen nicht nur Studien. Wir führen auch zunehmend eine Debatte über Standortentscheidungen. Wir alle wissen: Gleiche Bezahlung von Frauen und Männern, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und mehr Frauen in Führungspositionen – das zeigt die aktuelle Debatte über die Regelung in Spanien – werden zunehmend zum Kriterium für wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen und damit für die Standortentscheidung, und das ist gut so. Es handelt sich um ein europäisches Thema; denn wir hatten diese Debatte schon bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, nämlich als der Art. 119 formuliert wurde, der gleiches Entgelt für gleiche Arbeit vorsieht. Dieser Artikel wurde in den europäischen Vertrag aufgenommen, weil Frankreich der Auffassung war, dass es im Zusammenhang mit der geringeren Bezahlung von Frauen keinen unzulässigen Wettbewerb geben darf, und dies als Problem der gleichen Wettbewerbsbedingungen angesehen hat. Wir wollen keinen Wettbewerb auf der Basis von Niedriglöhnen und der Diskriminierung von Frauen. Das sind unsere Prinzipien in Europa. Deswegen bewundere ich es sehr, wenn einzelne Länder voranschreiten und das zum Kriterium in Europa machen. Es ist peinlich und ein Skandal, dass die deutschen Unternehmen hier nicht viel fortschrittlicher und an der Spitze der Bewegung sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Heider, Sie haben das Vergaberecht falsch verstanden, wenn ich das so offen sagen darf. Wir haben im europäischen Vergaberecht ganz klare Regeln. Soziale Kriterien können zum Ausgangspunkt für Vergabeentscheidungen genommen werden; das hat der EuGH -bestätigt. Daran orientieren sich die anderen Mitgliedstaaten. Es ist ein Trauerspiel, dass die deutsche Bundesregierung diese europäischen Vorgaben bisher noch nicht umgesetzt hat. (Beifall bei der SPD – Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Das steht aber im Vergaberecht!) Ich darf Sie – wir regieren ja gemeinsam in Berlin – an ein gutes Beispiel aus Berlin erinnern. Wir haben im Koalitionsvertrag festgeschrieben – das haben wir gemeinsam getan; vielleicht schauen Sie sich das einmal an –: Die Darlegung von Frauenfördermaßnahmen bleibt ein wichtiges Kriterium bei der öffentlichen Auftragsvergabe. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) Wir haben eine entsprechende Regelung im Landesgleichstellungsgesetz. Vielleicht schauen Sie sich das einmal an. Ich glaube, man kann nicht sagen, dass die Berliner Unternehmen nicht wettbewerbsfähig sind. Wir haben das gemeinsam vereinbart. Vielleicht ist das ein gutes Beispiel für eine bundesweite Regelung im Vergaberecht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die deutschen Unternehmen hätten längst etwas tun können. Wenn sie jetzt Wettbewerbsnachteile haben, dann bedauere ich das ganz ausdrücklich. Aber die freiwillige Vereinbarung ist bereits elf Jahre alt. Sie hätte längst erfüllt werden können; es hätte längst etwas getan werden können. Ich fordere Sie von den Koalitionsfraktionen auf: Helfen Sie den deutschen Unternehmen auf die Sprünge! Sorgen Sie dafür, dass sich die Unternehmen, wenn sie es nicht selbst tun, an die Spitze der Bewegung stellen, in Europa eine fortschrittliche Politik machen, Frauen in Führungspositionen befördern und so wettbewerbsfähig sind! Die SPD-Fraktion hat einen Gesetzentwurf vorgelegt. Ich denke, das ist eine gute Basis für Gespräche über die Fraktions- und Parteigrenzen hinweg, wie Sie dies angesprochen haben, Frau Pawelski. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir auf dieser Basis zu einer Einigung kämen. Ich fordere alle auf, die jetzt noch dagegen sind: Kommen Sie aus Ihrem Bremserhäuschen heraus! Gehen Sie nach vorne! Frauenpolitik ist etwas, womit man moderne Politik machen kann. Ich glaube, wir würden da ein ganzes Stück für die Frauen in unserem Land nach vorne kommen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Miriam Gruß hat nun für die FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP) Miriam Gruß (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind die Letzten, die Wettbewerbsnachteile nicht abbauen wollten. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mövenpick!) Aber sich aus einer Nichterfüllung der Frauenquote ergebende Wettbewerbsnachteile sehen wir weiß Gott nicht. Ich darf vielleicht aufklären, worüber wir in dieser Aktuellen Stunde reden. Wir reden de facto über einen Vermerk, den zwei Rechtsreferendare auf eigene Initiative verfasst haben, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Woher wissen Sie als FDP-Fraktion denn das?) ohne dass er genehmigt oder offiziell nach draußen gegeben worden ist. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Hier wird wieder unterschiedlich informiert! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher wissen Sie das denn? Ich will das Papier haben!) Ich darf Ihnen die Informationen aus dem Auswärtigen Amt kundtun, weil der Herr Staatsminister keine Möglichkeit hat, hier zu sprechen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das stimmt doch nicht! Der Staatsminister kann jederzeit das Wort ergreifen!) – Nehmen Sie das einfach an. – Jeder, der dieses Papier haben möchte, kann es gerne haben und darf sich Zugang zu diesem Papier verschaffen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das, was Sie sagen, ist doch gar nicht wahr! Das ist unerhört!) Darüber reden wir heute. Deswegen haben wir jetzt hier einen Riesenaufschrei. Ich sehe allerdings nicht solche Wettbewerbsnachteile in Deutschland. Schauen wir uns einmal die Fakten an (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Fordern Sie doch Ihren Staatsminister einmal auf, das Wort zu ergreifen!) – hören Sie mir doch endlich einmal zu, welche Fakten ich hier vortrage! –: (Beifall bei der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Offensichtlich haben Sie hier andere Informationen als andere Parteien! Das, was Sie hier erzählen, ist ja unerhört! – Gegenruf des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sie pöbeln hier nur herum! Hören Sie doch einmal zu!) Wir haben die höchsten Beschäftigungszahlen, nämlich 2,25 Millionen mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als unter Rot-Grün. Wir haben 1,8 Millionen weniger Arbeitslose als zur Zeit von Rot-Grün. (Zuruf von der SPD: Damit haben Sie nichts zu tun!) Wir haben die Zahl der Kinder, die in Armut leben, um ein Fünftel verringert. Das sind die Fakten! Das ist der Unterschied zu Rot-Grün! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und der Export boomt. (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 2011 haben wir Waren im Wert von 1 Billion Euro exportiert. Ich sehe keine Nachteile für die Wirtschaft in Deutschland. Der deutschen Wirtschaft geht es gut, weil wir einen guten ordnungspolitischen Kompass haben. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist doch unglaublich, was Sie da erzählen!) Wir halten die Freiheit nach wie vor hoch, die Freiheit für die Unternehmen in Deutschland. Wir glauben nicht, dass starre Personalquoten den Unternehmen irgend-einen Vorteil verschaffen würden. Wenn die Unternehmen eigene Quoten einführen wollen, dann können sie das ja gerne machen. Daraus können sie auch gerne Vorteile ziehen. Wir glauben aber nicht, dass eine flächen-deckende Personalquote für deutsche Unternehmen zu deren Wohl wäre. Wir glauben, das würde ihnen die Luft zum Atmen nehmen. (Caren Marks [SPD]: Schnappatmung!) Das wäre zu ihrem Nachteil. (Beifall des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]) Ja, auch wir sind für mehr Frauen in Führungspositionen. Es bringt aber nichts, hier ständig diese Debatten zu führen. Es muss sich etwas in den Köpfen ändern. Weil Frau Ploetz gesagt hat, hinter jeder erfolgreichen Frau stehe ein Mann, der die Quote einführen wolle, (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Sie haben nicht zugehört!) sage ich: Hinter mir steht ein Mann, mein Mann, der zu Hause bleibt. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hinter Ihnen sitzt Petra Pau!) Wir müssen die Stereotypen aufbrechen. Die Stereo-typen in den Köpfen müssen sich wandeln. Die Männer müssen genauso selbstverständlich Familienzeiten nehmen können, ohne stigmatisiert zu werden, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können sie doch!) wie Frauen arbeiten können müssen – dafür kämpfen wir hier –, (Caren Marks [SPD]: Sie kämpfen?) ohne stigmatisiert zu werden und ohne den Stempel -„Rabenmutter“ aufgedrückt zu bekommen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das entscheidet über das Wohl und Wehe der Personalpolitik in den nächsten Jahren. Diese Stereotypen müssen sich auflösen. Wir müssen weiter daran arbeiten, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Diesbezüglich hat sich Nordrhein-Westfalen in den letzten zwei Jahren, in denen es von Rot-Grün regiert wurde, nicht gerade mit Ruhm bekleckert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ganz nebenbei: Laut BDA-Zahlen hat sich etwas gewandelt. Auch Frau Pawelski hat es gesagt: Es ist etwas im Wandel. Die Zahl der Frauen in Führungspositionen hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Ja, wir sind dafür, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Wir sind aber auch dafür, die unternehmerische Freiheit zu wahren. So haben wir jede Krise in Deutschland gemeistert. Das werden wir auch in Zukunft tun. (Beifall bei der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die FDP will nichts! Das ist das Ergebnis dieser Rede!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Dr. Tobias Lindner das Wort. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin mit einer Frau verheiratet – – (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN) – Sie wird sich freuen, dass Sie klatschen. Das ist aber nicht das Argument. – Ich bin mit einer Frau verheiratet, die Karriere machen möchte. (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Rita -Pawelski [CDU/CSU]: Sehr gut!) Ich bin mit einer Frau verheiratet, die mich als Mitglied im Haushaltsausschuss nach der Bereinigungssitzung zu Hause mit einem Wischmopp begrüßt hat. Sie hat gesagt: Schatz, du hast eine sitzungsfreie Woche – Bereinigungssitzung in dieser Wohnung ist auch mal wieder notwendig. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP) Wenn Kollegen wie Herr von Polheim Begriffe wie „goldene Röcke“ verwenden, dann ist das eine bodenlose Unverschämtheit gegenüber Frauen wie meiner Gattin. Das wird nur noch dadurch getoppt, dass der Kollege, nachdem er eine solche Rede hier im Bundestag gehalten hat, aus dem Plenarsaal geflüchtet ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das sagt alles! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit wehenden goldenen Röcken aus dem Plenarsaal!) Die Bundesfrauenministerin sagt, eine Selbstverpflichtung reiche aus. Frauen wollten kein Mitleid, sondern eine faire Chance. Das ist die Welt, die Kristina Schröder oder Herr von Polheim gerne hätten. Aber sind wir doch einmal ehrlich; schauen wir uns an, was in den letzten zehn Jahren beim Thema Frauen in Führungs-positionen geschehen ist. Ihre Vorstellungen grenzen schon fast an Wunderheilung und Wunschdenken. Wenn man berücksichtigt, dass mehr Frauen als Männer an Universitäten erfolgreich ein Studium beenden und dabei meist schneller und erfolgreicher sind als Männer, muss man sich umschauen und fragen: Was ist mit einer Promotion? Was ist mit einer Habilitation? Was ist mit Frauen in Führungspositionen? Eigentlich gibt es nur zwei Thesen: Entweder werden Frauen nach dem Abschluss ihres Studiums dümmer und unfähiger, und es gibt irgendeinen Bruch, oder es gibt andere Gründe. Die Welt, die Sie gerne hätten, ist die Welt der Selbstverpflichtung. Schauen wir uns das einmal an: In den letzten zehn Jahren ist die Frauenquote in DAX-Vorständen von 2,5 auf 3,7 Prozent gestiegen. Dies ist – ähnlich verhält es sich mit der FDP – statistisch kaum messbar. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Miriam Gruß [FDP]: Ha, ha! Selten so gelacht!) Die Welt ist leider nicht so, wie Sie sie gerne hätten. Wenn Sie nichts tun, dann wird der Riss zwischen der Welt, die Sie gerne hätten, und der Realität nur noch größer. Das wird dann massive Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Deutschland und auf die Wettbewerbs-fähigkeit unserer Wirtschaft haben. Es gibt im Wesentlichen zwei Argumente, die man – unabhängig davon, ob man diesen Vermerk kennt oder nicht – sehr leicht nachvollziehen kann. Ich habe vor fünf Jahren mein Studium beendet. Wenn ich mit Kommilitoninnen von damals rede und sie frage, was sie jetzt beruflich machen, dann höre ich oft: Ich bin zu einem ausländischen Unternehmen gegangen. Wenn ich nach den Gründen dafür frage, bekomme ich unter anderem als Antwort: In deutschen Unternehmen ist es für mich als Frau schwer, in eine Führungsposition zu kommen. Ausländische Unternehmen sind hinsichtlich der Kinderbetreuung und verpflichtender Quoten weiter. Ich habe Angst, dass ich in Deutschland keine Karriere machen kann. – Das ist ein Teil der Realität. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Yvonne Ploetz [DIE LINKE]) Ein anderes Argument ist: Wenn wir uns in Europa umschauen, sehen wir, dass fünf Länder bereits eine Frauenquote eingeführt haben. In vielen Ländern ist die Diskussion viel weiter als in Deutschland, nicht nur in der Politik und der Rechtslage, sondern auch in der Gesellschaft. Wenn in solchen Ländern Aufträge vergeben werden, sei es durch die öffentliche Hand oder durch private Unternehmen, besteht die Gefahr, dass es für deutsche Unternehmen immer mehr zum Wettbewerbsnachteil wird, dass zu wenige Frauen in Führungspositionen sind. Beispielsweise hat die Deutsche Telekom ihren Frauenanteil im Vorstand erhöht; denn sie steht in Konkurrenz zur spanischen Telefónica, die in dieser Hinsicht schon viel weiter ist. Diesen Zustand müssen wir be-enden, und zwar durch eine gesetzliche Frauenquote. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Europa ist viel weiter; das habe ich schon gesagt. Wir erleben in dieser Debatte Stereotypen, wie wir sie bei anderen Themen in der Europapolitik gewohnt sind. Zuerst dementiert die Bundesregierung, dass sie etwas will. Dann dementiert sie es entschieden und härter, und dann – schauen Sie sich nur die Euro-Debatte an – knickt die Bundesregierung ein. Meine Damen und Herren von der Koalition, für die Frauen und für die Unternehmen in Deutschland müssen Sie sich nicht einmal einen Ruck geben. Uns würde genügen, wenn Sie bei diesem Thema einknicken. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Peter Tauber für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dr. Peter Tauber (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht würden wir im Laufe der Woche gar nicht über die Maßnahmen zum ESM diskutieren, vielleicht hätten wir die Finanz- und Wirtschaftskrise so gar nicht erlebt, wenn in der Politik und in der Finanzwirtschaft in -Europa in der Vergangenheit mehr Frauen Führungsverantwortung getragen hätten. (Beifall bei der CDU/CSU – Michaela Noll [CDU/CSU]: Richtig! Gut erkannt, Peter!) Dieses Argument hört man immer wieder. Wenn man weiß, wie unterschiedlich Männer und Frauen, die in Unternehmen und in der Politik Verantwortung tragen, teilweise agieren und reagieren, dann, glaube ich, kann man dieses Beispiel nicht ohne Weiteres vom Tisch wischen. Ich habe deshalb großes Verständnis für diejenigen, die enttäuscht sind, dass die Wirtschaft die freiwillige Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der Wirtschaft nicht eingehalten hat. Die Frage, ob die Tatsache, dass der damals amtierende Bundeskanzler das Thema als „Gedöns“ abgetan hat, geholfen hat oder nicht, (Caren Marks [SPD]: Oh!) soll nicht Gegenstand der Debatte sein. (Doris Barnett [SPD]: Aber man muss es doch immer wieder sagen!) – Man darf es durchaus sagen, weil es eines dokumentiert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Vor allen Dingen muss man Konsequenzen daraus ziehen, Herr Kollege!) Es dokumentiert, dass sich die Wahrnehmung dieser Debatte verändert. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Der Joschka war der größte Frauenfreund! Der hat Andrea Fischer vom Hof gejagt wie einen Putzlappen!) Eines kann man, glaube ich, sagen: Diejenigen, die damals engagiert für dieses Thema gekämpft haben, haben nicht die Aufmerksamkeit in unserem Land bekommen, die es heute für dieses Thema gibt. Das hat damit zu tun, dass sich gesellschaftliche Veränderungsprozesse – zu unserem Bedauern; aber wir müssen die Wirklichkeit nun einmal so betrachten, wie sie ist – zum Teil sehr langsam einstellen. Das beste Beispiel ist das Elterngeld. Vor wenigen Jahren hieß es noch: Das macht doch keiner. Man wird schief angesehen, wenn man als junger Vater zum Chef geht und sagt: Hör mal zu, ich will ein paar Vätermonate nehmen. – Diese Debatte gibt es nicht mehr. Ich kann bestätigen – ich weiß das aus meinem eigenen Freundeskreis –: Es gibt große Akzeptanz, wenn junge Väter auf diese Art und Weise Verantwortung für ihre Familie übernehmen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU) Das ist ein Beispiel dafür, wie langsam – viel zu langsam – diese Veränderungsprozesse manchmal verlaufen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das wissen wir jetzt!) Wenn Sie sich die Zahlen von Women on Boards anschauen, stellen Sie fest: Innerhalb eines Jahres kam es, was den Anteil von Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen von MDAX-, SDAX-, TecDAX- und DAX-Unternehmen angeht, zu einer Steigerung von 6 Prozent auf knapp über 8 Prozent. Das ist eine Zahl, die uns nicht zufriedenstellen kann. Wenn Sie sich die Zahlen genauer anschauen, stellen Sie aber fest, dass sich etwas verändert hat. In 6 der über 100 Unternehmen, die dort gelistet sind, ist der Anteil der Frauen leider sogar gesunken. (Rita Pawelski [CDU/CSU]: Ja!) Aber in 55 Unternehmen – das ist mehr als die Hälfte – ist der Anteil der Frauen gestiegen, zum Teil sogar deutlich. Ich bin ein Anhänger des Prinzips, diejenigen, die etwas gut machen, zu loben, und diejenigen, die etwas nicht gut machen, beim Namen zu nennen. (Klaus Barthel [SPD]: CDU/CSU und FDP!) Das will ich gerne anhand von zwei Beispielen tun. Wenn die Douglas Holding AG einen Anteil von Frauen in Führungsgremien von über 33 Prozent hat, dann ist das gut; (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) ihr Anteil kann vielleicht sogar noch ein bisschen höher sein, aber das ist schon einmal gut. Wenn Kabel Deutschland den Anteil von Frauen in Führungsgremien innerhalb eines Jahres von 12 auf über 20 Prozent gesteigert hat, dann ist auch das gut. Wenn aber Unternehmen wie Tom Tailor oder SMA Solar Technology einen Anteil von Frauen in Führungsgremien von sage und schreibe null Prozent haben, dann ist „nicht gut“ wahrscheinlich nicht die treffende Umschreibung für diesen Zustand, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich finde, Schuldzuweisungen helfen uns am Ende des Tages nicht weiter. Es wurden in Treu und Glauben Vereinbarungen mit der Wirtschaft unterzeichnet, und man hat darauf gehofft, dass sich die Wirtschaft daran hält. Das kann ich niemandem vorwerfen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir in der gesellschaftlichen Debatte, auch was die Einsicht in die Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen betrifft – das Beispiel Telekom ist mehrfach genannt worden –, mittlerweile viel weiter sind. Die Unternehmen haben mittlerweile erkannt, dass sie nicht etwas tun, was die Politik ihnen diktiert, sondern dass sie sich selber einen großen Gefallen tun, wenn sie Frauen Führungsaufgaben übertragen. Diesen Wandel in den Köpfen müssen wir hinbekommen, damit es nicht heißt: „Jetzt trifft die Politik eine Entscheidung, und wir setzen sie um“, sondern alle sagen: „Das ist genau der richtige Weg. Das funktioniert. “ (Caren Marks [SPD]: Das reicht aber nicht!) Ich erlebe das am eigenen Leib. Ich habe um mich herum nur Frauen in Führungspositionen. Meine Arbeitsgruppe wird von einer Frau geleitet, von Dorothee Bär, und ich kann damit sehr gut leben. Ich bin sehr froh, dass ich mit ihr jemanden habe, der mich leitet und an die Hand nimmt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Caren Marks [SPD]: Oh! Oh! – Dr. Eva Högl [SPD]: Was soll das denn jetzt heißen? Wir leben im 21. Jahrhundert!) Das Ministerium wird von einer Frau geleitet, von Kristina Schröder, und ich glaube, dass sie das gut macht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ist aber anderer Meinung als Frau Bär!) Auch die Bundesregierung wird von einer Frau geleitet, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) und ich glaube, Angela Merkel ist die richtige Bundeskanzlerin. Das alles funktioniert ohne Quote. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das zeigt, dass dies auch eine Frage der inneren Einstellung ist. Wir haben die richtige Einstellung. Wenn die Wirtschaft sie nicht hat und die notwendigen Maßnahmen nicht rechtzeitig ergreift, dann muss das Damoklesschwert, das über den Unternehmen schwebt, am Ende des Tages dazu führen, dass wir eine gesetzliche Regelung in Form eine Quote haben. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Trotzdem glaube ich: Besser funktioniert eine Gesellschaft über Einsicht und innere Überzeugung. Diesen Weg müssen wir weitergehen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Ingo Egloff für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Ingo Egloff (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in dieser Debatte Argumente gehört, die wir schon aus den letzten Debatten kennen. Herr Heider, wir können uns natürlich über das Thema Ver-gaberecht streiten. Wir können auch überlegen, ob das, was Sie gesagt haben, geht oder nicht. Aber Fakt ist, dass das Auswärtige Amt die genannte Befürchtung in einem Vermerk geäußert hat. Hier heißt es zwar, er sei lediglich von zwei Referendaren verfasst worden. Wenn die Rheinische Post diese Aussage am 24. März dieses Jahres veröffentlicht hat und das Auswärtige Amt eine andere Rechtseinschätzung hat, dann verstehe ich nicht, warum nicht längt öffentlich gemacht worden ist, dass die Rechtseinschätzung, die anscheinend im Namen des Auswärtigen Amts verteilt worden ist, nicht zutreffend ist. Das hätte doch schon lange passieren können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Im Übrigen – darauf ist schon hingewiesen worden – haben zehn EU-Länder Frauenquoten für Unternehmen beschlossen. Es nützt überhaupt nichts, dass Frau Ministerin Schröder sich hinstellt und sagt: Die EU darf das gar nicht regeln. – Hier ist schon auf die Römischen Verträge von 1957 hingewiesen worden. Natürlich kann die EU das regeln. Wenn diese zehn EU-Länder dies in ihren Vergabegesetzen, wenn sie denn welche haben, zu einem Kriterium der Auftragsvergabe für öffentliche Aufträge machen, dann werden wir das erst einmal hinzunehmen haben. Wenn deutsche Unternehmen dieses Kriterium nicht erfüllen, dann haben sie ein Problem. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das können die doch selber lösen!) Wir sind die Exportnation Nummer eins im Bereich Maschinenbau und in anderen Bereichen. Auf solche Märkte müssen wir uns eben einstellen. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Die Unternehmen können das dann doch selber lösen, indem sie Frauen einstellen!) Ich bin ein großer Freund von freiwilligen Selbstverpflichtungen, wenn sie denn funktionieren. Die, die hier vereinbart und beschlossen worden ist, funktioniert aber seit zehn Jahren nicht, sonst hätten wir doch schon ganz andere Verhältnisse haben müssen. Deshalb bin ich der Auffassung, dass der Staat an dieser Stelle handeln muss. Er muss hier durchsetzen, was das Grundgesetz verlangt: die Benachteiligung im Verhältnis der Geschlechter abzubauen und Ungleichbehandlungen in der Gesellschaft zu verhindern. Das ist unsere Aufgabe als Gesetzgeber. (Beifall bei der SPD) Die EU-Kommissarin Viviane Reding, beileibe keine Sozialdemokratin oder Grüne, sondern Mitglied der konservativen Christlich-Sozialen Volkspartei, hat drei Argumente dafür genannt, warum es für die Wirtschaft klug ist, Frauen in Führungsfunktionen zu bringen: Das Erste hat auch Frau Pawelski schon benannt: Eine Reihe internationaler Studien von renommierten Instituten und Wirtschaftsberatungsunternehmen – das waren Ernst & Young, McKinsey und andere – hat gezeigt, dass Unternehmen, die auch von Frauen geführt werden, erfolgreicher sind. Sie haben auf die Zahlen hingewiesen. Das belegen diese Studien. Das zweite Argument, das sie benennt, ist: 60 Prozent der Hochschulabsolventen sind weiblich. Das dritte Argument, das in dieser Debatte überhaupt noch keine Rolle gespielt hat, ist: Die geburtenstarken Jahrgänge gehen zu Ende. Wenn man das letzte Argument betrachtet: Die Unternehmen sind schlecht beraten, auf den Teil der Bevölkerung zu verzichten, der in der Regel die besseren Examina macht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Konkurrenz um gute Köpfe wird entscheidend dazu beitragen, ob deutsche Unternehmen in Zukunft noch konkurrenzfähig sind. Wer das nicht verstanden hat und nicht dafür sorgt, der hat seinen Job nicht richtig verstanden und wird am Ende zum Schaden der deutschen Wirtschaft handeln. (Beifall bei der SPD) Deshalb ist es wichtig, die Strukturen jetzt aufzubrechen, wenn man in Zukunft erfolgreich sein will. Da die jetzt in den Unternehmen regierenden 55- bis 65-jährigen Männer anscheinend nicht in der Lage dazu sind, selbst das Steuer herumzuwerfen, weil sie in anderen Strukturen groß geworden sind, müssen wir als Gesetzgeber sie schon im Interesse der Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft dazu zwingen. (Beifall bei der SPD – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Dann gebrauchen Sie Zwang! Das fällt euch Sozis ein!) Das ist also nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit und der Umsetzung von Art. 3 des Grundgesetzes, sondern das ist auch ein Gebot ökonomischer Klugheit, ein Gebot der Wahrung der Zukunftschancen der deutschen Wirtschaft. Herr Dr. Lindner, deshalb verstehe ich überhaupt nicht, dass die FDP, die sich ja immer als Wirtschaftspartei geriert, hier die Augen vor der Zukunft verschließt. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das kann man wohl sagen!) Dass Frau Ministerin Schröder keine Ahnung davon hat, mag an ihrer politischen oder beruflichen Biografie liegen, weil sie nie irgendetwas mit Wirtschaft zu tun hatte; aber da Sie sagen, Sie seien die Partei der Wirtschaft, müssten Sie sich dieser Problematik anders stellen, als Sie das hier im Moment tun. Wenn Sie uns als Sozialdemokraten oder den Grünen oder den Linken in diesem Punkt nicht glauben, dann glauben Sie wenigstens einer Konservativen wie Viviane Reding. Sie hat das Nötige dazu gesagt. Lesen Sie das noch einmal nach! Dann sind wir auf dem richtigen Weg. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Elisabeth Winkelmeier--Becker für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anlass der heutigen Aktuellen Stunde ist die Studie des Auswärtigen Amtes. Ich habe sie auch nicht bekommen. Die Zeitungen haben sie anscheinend. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Und die FDP hat sie! Das wollen wir hier einmal für das Protokoll festhalten! – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Da steht nichts Aufregendes drin!) Ich hätte sie auch gerne und würde mir wünschen, dass Sie uns sie zuleiten, damit man sie sich einmal anschauen kann. Ich muss sagen: Ich nehme es der Fraktion der Grünen nicht richtig ab, dass es die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ist, die sie hier so umtreibt. Wo ist denn das Problem? Die Chancen der Unternehmen steigen nicht deshalb, weil wir hier eine gesetzliche Quote hätten, sondern sie steigen, wenn die Unternehmen mehr Frauen in ihre Führungspositionen bringen. Das liegt aber an dem jeweiligen Unternehmen. An dieser Stelle muss ich der Logik der FDP in der Tat recht geben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Da haben Sie auch recht! Das ist zwingend!) Ich nehme es Ihnen auch deshalb nicht ab, weil Sie dann konsequenterweise den Wirtschaftsminister hätten zitieren müssen, aber nicht die Frauenministerin. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Frauenministerin haben wir nicht!) Wenn es Ihnen in diesem Zusammenhang primär um die Wirtschaft ginge, (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Um -Klamauk!) dann hätten Sie das an dieser Stelle konsequent durchziehen müssen. Zwischenergebnis: Es geht Ihnen darum, dies zum Aufhänger zu nehmen, um über die Frauenquote zu sprechen. Das nehme ich Ihnen aber nicht übel. Also nehme ich diese Chance gerne wahr. Wenn man die öffentliche Diskussion der vergangenen Wochen und Monate in den Medien verfolgt, dann fällt auf, dass gerade Entwicklungen in der Union – im wahrsten Sinne des Wortes – im Fokus stehen, und das auch zu Recht. Denn das, was real erreichbar ist, was sich an diesem Punkt wirklich ändern kann, wird maßgeblich von meiner Fraktion mitbestimmt. Vielleicht ergeben sich hier Entwicklungen, die auch zu realen Mehrheiten führen können. Meinen Standpunkt habe ich hier schon des Öfteren dargelegt, er ist auch unverändert so. Mein Standpunkt entspricht im Wesentlichen dem, was wir in der Berliner Erklärung formuliert haben, für die ich bei dieser Gelegenheit weiter werben möchte. Ich halte es nach wie vor für richtig, einen verbindlichen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent in Aufsichtsräten mit einer angemessenen Übergangsfrist bis 2018 zu fordern. Etliche Kolleginnen und auch einige Kollegen haben mittlerweile diese Erklärung unterschrieben. In den vergangenen Wochen und Monaten gab es immer mehr Äußerungen, die ein Umdenken zeigten. Ich denke, das ist nicht das erste Thema, bei dem es zu einem Umdenken in meiner Fraktion kommt. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wahr! Da haben Sie recht!) Als Volkspartei, die zu sein wir für uns in Anspruch nehmen, steht uns das auch sehr gut an. Genau solche Prozesse brauchen wir manchmal. Da bin ich sehr stolz auf meine Partei. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte die Zeit nutzen, um für diesen Prozess zu werben. Neben der wirtschaftlichen Bedeutung, die dieses Thema durchaus hat, wie viele Frauen in Führungspositionen sind, möchte ich ein paar Punkte ansprechen, die vielleicht auch meine Kollegen noch überzeugen. Der erste Aspekt betrifft die Wahlfreiheit, die uns sehr am Herzen liegt. Für mich ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Quote ganz wichtig. Denn für die Frage, ob sich jemand bereit erklärt, auf Zeit Sorgearbeit wahrzunehmen, ein oder zwei Jahre aus dem Beruf auszuscheiden, ist ganz entscheidend, ob er oder sie glaubt, dass man hinterher wieder an dieser Stelle weitermachen kann, ohne berufliche Chancen verloren zu haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Gerade in diesem Zusammenhang ist es ganz wichtig, dass wir Strukturen haben, die das unterstützen und die auch zu garantierten Ergebnissen führen. Genau das würde eine gesetzliche Mindestanteilsquote mit unterstützen und fördern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dies entspricht insbesondere dem Sinne der Wahlfreiheit, dass jemand den Mut hat, zu Hause zu bleiben, ohne hinterher auf Dauer dafür bestraft zu werden, dass man Sorgearbeit übernommen hat. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Mensch, bei der breiten Mehrheit müsst ihr das doch endlich machen!) Zum zweiten Aspekt. Wir brauchen in der Tat eine verbindliche Regelung. Bleiben wir bei der Freiwilligkeit, dann bleiben die Verantwortlichen freiwillig beim Status quo. Das ist ganz klar. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir brauchen eine gesetzliche Regelung, die durchgängig verbindlich ist. Verbindlichkeit ist nur so stark, wie jedes Glied in der Kette verbindlich ist. Es reicht nicht, verbindliche Sanktionen an eine freiwillige Selbsteinschätzung anzuknüpfen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Das macht so viel Sinn, als wenn man eine Steuerpflicht an eine Selbsteinschätzung knüpft und Sanktionen vorsieht, wenn man diese selbstgesetzte Verpflichtung nicht einhält. Dabei geht das eine Unternehmen mutig voran und schätzt sich hoch ein, verfehlt dieses Ziel dann und muss deshalb mit Sanktionen rechnen. Ein anderes Unternehmen springt nur so hoch, wie es muss, schafft das auch und wird gelobt, und das hat keine Konsequenzen. Das führt zu ungerechten Ergebnissen. Deshalb müssen alle Stufen der Regelung verbindlich sein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Dritter Aspekt. Die Frauenquote ist kein Thema nur für Eliten. Es geht nicht darum, dass hier einige hochqualifizierte Frauen gegen Ende ihres beruflichen Lebens noch einmal die Chance auf eine bessere, bisher verpasste Position bekommen, sondern es geht darum, insgesamt ein Umdenken zu fördern, die Einstellung gegenüber Frauen in verantwortlichen Positionen zu verändern. Das ist ein viel umfassenderes Thema. Wir haben insgesamt den Befund, dass Frauen vor allem dafür, dass sie Sorgearbeit übernehmen, berufliche Nachteile hinnehmen müssen. Für die einen spielt sich das beim Thema Minijob ab. Bei den anderen ist es die Schwierigkeit, wieder in den Beruf einzusteigen. Insgesamt zeigen sich diese Nachteile in geringerer Entlohnung für Frauen. Das Gender Pay Gap liegt nach wie vor bei 23 Prozent. All das sind Facetten ein und desselben Problems, das wir umfassend auf allen Stufen angehen müssen, auch beim Thema Frauen in Führungspositionen. Lassen Sie uns darüber alle zusammen konstruktive Gespräche führen; da schließe ich mich meiner Kollegin Rita Pawelski an. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 29. März 2012, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch einen erfolgreichen Abend. (Schluss: 16.41 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Ahrendt, Christian FDP 28.03.2012 Bär, Dorothee CDU/CSU 28.03.2012 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 28.03.2012 Dittrich, Heidrun DIE LINKE 28.03.2012 Groth, Annette DIE LINKE 28.03.2012* Günther (Plauen), Joachim FDP 28.03.2012 Keul, Katja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 28.03.2012 Kunert, Katrin DIE LINKE 28.03.2012 Lindemann, Lars FDP 28.03.2012 Lindner, Christian FDP 28.03.2012 Möhring, Cornelia DIE LINKE 28.03.2012 Möller, Kornelia DIE LINKE 28.03.2012 Nahles, Andrea SPD 28.03.2012 Dr. Neumann (Lausitz), Martin FDP 28.03.2012 Nord, Thomas DIE LINKE 28.03.2012 Pieper, Cornelia FDP 28.03.2012 Rachel, Thomas CDU/CSU 28.03.2012 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 28.03.2012 Schäfer (Saalstadt), Anita CDU/CSU 28.03.2012 Schlecht, Michael DIE LINKE 28.03.2012 Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 28.03.2012 Simmling, Werner FDP 28.03.2012 Veit, Rüdiger SPD 28.03.2012 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 28.03.2012 Wagner, Daniela BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 28.03.2012 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 28.03.2012 Wicklein, Andrea SPD 28.03.2012 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 28.03.2012 Winkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 28.03.2012 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/9084, Frage 1): Welche Konsequenzen hat aus Sicht der Bundesregierung die von einer aktuellen Studie des Bundesverbandes der -gemeinnützigen Landgesellschaften, BLG, festgestellte Preissteigerung landwirtschaftlicher Grundstücke in Ostdeutschland von 85 Prozent innerhalb von nur fünf Jahren, und welche Maßnahmen ergeben sich daraus hinsichtlich der -Bodenpolitik? Der Preisanstieg auf dem landwirtschaftlichen Boden-markt in Deutschland und weltweit ist das Ergebnis verschiedener Faktoren, unter anderem der steigenden Nachfrage nach Agrarrohstoffen, der Bioenergiepolitik vieler Länder, dem Entzug von landwirtschaftlichen Flächen durch Umwandlung zu nichtlandwirtschaftlichen Zwecken, aber auch dem Wunsch nach der Anlage von Vermögen in wertbeständige Güter. Die gegenüber den alten Bundesländern besonders hohen Steigerungsraten in den neuen Bundesländern sind auch eine Folge des nach wie vor feststellbaren Preisniveauunterschieds. Trotz der hohen Zuwachsraten liegt das Preisniveau in den neuen Bundesländern im Durchschnitt immer noch deutlich unter dem der alten Bundesländer. Der Preisanstieg führt in vielen Fällen dazu, dass -berechtigte Pächter ihre von der BVVG gepachteten -Flächen sofort kaufen und nicht die ihnen eingeräumten 4 Jahre bis zum Erwerb abwarten. Der Preisanstieg bewirkt aber auch im Einzelfall, dass Betriebe, die über den Zukauf von Flächen zu entscheiden haben, von -einem Kauf Abstand nehmen oder aber versuchen, diesen durch Aufnahme von Fremdkapital zu finanzieren. In jedem Fall ist eine sorgfältige betriebliche Kalkulation erforderlich, ob sich ein Kauf zu den jeweiligen Grundstückspreisen auch längerfristig wirtschaftlich darstellen lässt. Das Gutachten, das sich im Wesentlichen mit dem -bodenpolitischen Ordnungsrahmen befasst, richtet sich an die Länder. Mit der Föderalismusreform I sind die Gesetzgebungskompetenzen für den landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr, das landwirtschaftliche Pachtwesen sowie das Siedlungswesen auf die Länder übergegangen. Das bisherige Bundesrecht gilt nur so lange und so weit fort, bis die Bundesländer das Bundesrecht durch Landesrecht ersetzen. Von dieser Ersetzungsbefugnis hat bislang Baden-Württemberg Gebrauch gemacht. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 17/9084, Frage 2): Mit welchen Systemen, die nach Aussage des Fregatten-kapitäns Sascha Albrecht für die Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik bereits bei verdeckten Überwachungsoperationen der NATO im Mittelmeer zum Einsatz kamen, sind deutsche U-Boote ausgerüstet, die es ermöglichen, „potenzielle Piratenbasen bei Tag und Nacht und mit großer Ausdauer zu überwachen und Aufklärungsergebnisse schnell zu übermitteln“ (bitte mit Angaben über die spezifischen Leistungsmerkmale wie Auflösung und Übertragungsgeschwindigkeit) sowie „verdeckt Piratenschiffe (zu) beobachten“, und im Rahmen welcher Einsätze wurden diese U-Boote bislang zur verdeckten Aufklärung welcher Ziele im Mittelmeer eingesetzt (www.swp-berlin.org/de/publikationen/kurz-gesagt/pirateriebekaempfung-an-land-maritime-optionen- deutschlands.html)? Die Deutsche Marine betreibt derzeit vier U-Boote der Klasse 212 A, ein zweites Los mit zwei Booten befindet sich im Zulauf. Zur Unterwasseraufklärung verfügen die Boote über mehrere passive Niederfrequenz-Sonarbasen und ein aktives Hochfrequenzsonar. Damit können Überwasserkontakte in großer Entfernung detektiert oder klassifiziert werden. Als weiterer Sensor für die Seeraumüberwachung stehen zusätzlich zwei Sehrohre der Firma Carl Zeiss Optronics GmbH zur Verfügung. Diese optischen Systeme arbeiten mit 1,5- bis 20facher Vergrößerung und verfügen über einen optischen und einen Laserentfernungsmesser. Sie sind zusätzlich mit einer Wärmebildkamera ausgestattet. Des Weiteren befindet sich an den Sehrohrmasten eine GPS-Antenne und eine Antenne für elektronische Unterstützungsmaßnahmen. Diese Systeme ermöglichen das Entdecken, Erkennen und Identifizieren von Objekten und versetzen die Boote in die Lage, auch bei Nacht Ziele sowohl auf See als auch an Land aufzuklären. Gleichwohl werden die Leistungsparameter von den jeweiligen vorherrschenden Umweltbedingungen (Regen, Nebel oder anderes) grundsätzlich beeinflusst. Zur Verbindungsaufnahme mit vorgesetzten Dienststellen sowie zur Übermittlung von Aufklärungsergebnissen verfügen die Boote über verschiedene Fernmeldeanlagen, darunter auch UHF SATCOM, welche eine Übermittlung von Fotos und Dokumenten erlauben. U-Boote der Klasse 212 A wurden seit 2002, letzt-malig im Jahr 2011, im Rahmen der Operation ACTIVE ENDEAVOUR, OAE, zur Seeraumüberwachung im Mittelmeer eingesetzt. Eine Aufklärung von Zielen an Land erfolgte dabei nicht. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 17/9084, Frage 3): Welche überprüfbaren Hinweise auf die tatsächliche Existenz eines iranischen Atomwaffenprogramms wurden bei dem Treffen zwischen dem deutschen Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière, und seinem israelischen Amtskollegen, Verteidigungsminister Ehud Barak, während seines Besuches am 20. März 2012 in Berlin erörtert, die -Israel „notfalls mit einem gezielten Militärschlag stoppen“ will (www.tagesschau.de/inland/barakdemaiziere100.html), und wie gedenkt sich die Bundesregierung angesichts der möglicherweise fehlenden gesicherten Erkenntnisse bzw. Belege über die Existenz eines solchen iranischen Atomwaffenprogramms im Falle eines möglichen israelischen Militär-angriffs auf den Iran zu verhalten? Die Bundesregierung führt vertrauensvolle Gespräche mit anderen Regierungen in dem beiderseitigen Einvernehmen, dass Informationen aus diesen Gesprächen nicht weitergegeben werden. Daneben stellen bilaterale Treffen – wie das von Bundesminister de Maizière mit seinem israelischen Amtskollegen – für die Bundes-regierung wichtige Bausteine dafür dar, sich über die jeweilige Situation, deren Hintergründe und die Position der betroffenen Länder zu informieren und aus diesen Erkenntnissen letztlich eine Bewertung herzuleiten. Das Gespräch bzw. dessen Inhalt ist damit Bestandteil der Willensbildung der Bundesregierung und unterliegt daher – jedenfalls zum derzeitigen Zeitpunkt – dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Die Internationale Atomenergie-Organisation, IAEO, hat in ihren jüngsten Berichten, insbesondere in dem vom 8. November 2011, umfangreiche und detaillierte Hinweise auf eine mögliche militärische Dimension des Nuklearprogramms dargestellt und diese als „insgesamt glaubwürdig“ bezeichnet. Die mangelnde iranische -Kooperation mit der IAEO zur Klärung dieser Verdachtsmomente, der langjährige Verstoß Irans gegen Meldeverpflichtungen im Rahmen seines Sicherungsabkommens mit der IAEO und die Ausrichtung seines Nuklearprogramms auf Urananreicherung ohne nachvollziehbaren zivilen Bedarf, begründen erhebliche Zweifel am rein zivilen Zweck des iranischen Programms. Es liegt an Iran, diese Zweifel durch vollständige Kooperation mit der IAEO und die Umsetzung der verbindlichen Auflagen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen aus der Welt zu räumen. Die Bundesregierung und Israel sind sich einig, dass ein Iran mit Kernwaffen eine ernste Bedrohung für die Sicherheit und Stabilität der Region und darüber hinaus sowie eine gravierende Herausforderung für das internationale Nichtverbreitungssystem darstellen würde. Gemeinsam mit seinen Partnern im sogenannten E3+3-Format, China, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA, setzt sich Deutschland für eine di-plomatische Lösung im Atomkonflikt mit dem Iran ein. Dabei verfolgen die E3+3 einen zweigleisigen Ansatz von Gesprächsbereitschaft und politischem Druck. Am 23. Januar 2012 beschlossen die Außenminister der Europäischen Union ein neues Paket präzedenzloser Sanktionsmaßnahmen. Die E3+3 haben wiederholt ihre Bereitschaft erklärt, substanzielle Gespräche mit Iran zu führen, um eine -Lösung zu finden, die das Vertrauen in die friedliche Zielsetzung des iranischen Nuklearprogramms wiederherstellt. Dazu ist jetzt mit dem Iran eine neue Gesprächsrunde für April 2012 vereinbart worden. Die Bundesregierung wird weiterhin versuchen, mit diplomatischen und politischen Mitteln eine nukleare Bewaffnung Irans zu verhindern. An Spekulationen über einen möglichen israelischen Militärangriff beteiligt sie sich nicht. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 4): Welche genauen Kosten (Dienstbezüge, Zuschläge etc.) sind Deutschland bei der Unterstützung der Firma EMT Ingenieurgesellschaft Dipl.-Ing. Hartmut Euer mbH bei der Ausbildung auf das System LUNA in Saudi-Arabien durch die Aussendung von drei Bundeswehrsoldaten entstanden? Der Bundesrepublik Deutschland sind bei der Unterstützung der Firma EMT bei der Ausbildung auf das System LUNA in Saudi-Arabien durch die Aussendung von drei Bundeswehrsoldaten im Zeitraum vom 8. Januar bis 2. März 2011 keine Kosten entstanden. Die Firma EMT hat vertragsgemäß sämtliche Kosten für Transporte, Unterkunft und Verpflegung getragen. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Soldaten die Inlandsdienstbezüge weitergezahlt. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 5): Wie viele Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind in den letzten zwölf Monaten nach Informationen der Bundesregierung desertiert, und bei wie vielen der afghanischen Nationalarmee handelte es sich um Offiziere? Die afghanischen Sicherheitskräfte, Afghan National Security Forces – ANSF, bestehend aus der afghanischen Nationalarmee, Afghan National Army/ANA, und der afghanischen Nationalpolizei, Afghan National Police/ANP, haben mit Stand Februar 2012 eine Gesamtstärke von 336 800 Männern und Frauen erreicht. Davon bekleiden 53 600 einen Offiziersrang. Aufbau, Training und Ausrüstung der ANSF erfolgen in Verantwortung der NATO Training Mission-Afghanistan, NTM-A. Diese erfasst auch die qualitativen und quantitativen Angaben zu den ANSF im Sinne eines „Controlling“. Nach Angaben der NTM-A betrug die Anzahl der ANSF-Angehörigen, die die Sicherheitskräfte ohne -vertragliche Regelung verlassen haben, im Zeitraum März 2011 bis Februar 2012 jeden Monat durchschnittlich 6 600 Männer und Frauen. Die Anzahl der ANA--Angehörigen, die die Streitkräfte ohne vertragliche Regelung verlassen haben, betrug im Zeitraum März 2011 bis Februar 2012 jeden Monat durchschnittlich 4 320 Soldaten. Eine Unterscheidung nach Dienstgradgruppen innerhalb der einzelnen Teile der ANSF liegt nicht vor. Der derzeitige personelle Aufwuchs der ANSF liegt bereits deutlich über der für März 2012 vorgegebenen Zielmarke von 332 750 Sicherheitskräften. Dies berücksichtigt auch personellen Schwund durch Verlassen der ANSF ohne vertragliche Regelung. Der Aufwuchs kompensiert den personellen Schwund deutlich. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Druck-sache 17/9084, Frage 8): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Bürgerinnen und Bürger ein berechtigtes Interesse an der Aufklärung der in den letzten Monaten erhobenen Vorwürfe gegen Organe der Deutschen Stiftung Organtransplantation, DSO, haben können und darüber informiert werden sollten? Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass ein berechtigtes Aufklärungsinteresse hinsichtlich der anonymen Vorwürfe gegen Organe der DSO besteht und die Öffentlichkeit transparent informiert werden sollte. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Druck-sache 17/9084, Frage 9): Auf welchem Wege kann die Öffentlichkeit Einblick in die Ergebnisse der Sonderuntersuchung zu den gegen die Organe der DSO erhobenen Vorwürfen nehmen, wenn der Bundes-regierung zwar seit Februar 2012 ein Vorentwurf des schriftlichen Berichts zu dieser forensischen Sonderuntersuchung der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Hamburg, vorliegt, dieser aber zur ausschließlichen Verwendung innerhalb des Bundesministeriums für Gesundheit bestimmt sein soll? Auftraggeber der forensischen Sonderuntersuchung anonymer Vorwürfe gegen Organe der DSO durch die BDO AG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Hamburg ist der Stiftungsrat der DSO. Ein Vorentwurf des Berichts ist dem Bundesministerium für Gesundheit auf entsprechende Anforderung mit Schreiben vom 1. März 2012 zur Verfügung gestellt worden. Dieser Vorentwurf enthält keine Anlagen und wurde ausschließlich zur vertraulichen Verwendung übermittelt. Das Bundesministerium für Gesundheit hatte den Stiftungsrat um Prüfung gebeten, auf welche Weise eine Weitergabe des Berichts an Dritte ermöglicht werden kann. Am 27. März 2012 hat der Vorsitzende des Stiftungsrates gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit die Weitergabe dieses Berichts als vertrauliche Unterlage an die Mitglieder des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages freigegeben und dieser wurde dem Ausschusssekretariat übergeben. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 10): Wann und wohin hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, in dieser Legis--laturperiode dienstliche Auslandsreisen unternommen (bitte einzeln auflisten)? Es wurden folgende Reisen durchgeführt: 21./23. November 2009, Doha/Emirat Katar; 16./17. Dezember 2009, Brüssel/Belgien; 4. Februar 2010, Paris/Frankreich; 12./13. Februar 2010, La Coruna/Spanien; 7./9. März 2010, Tel Aviv/Israel; 11. März 2010, Brüssel/Belgien; 27./29. März 2010, Abu Dhabi; 29./30. März 2010, Prag/Tschechische Republik; 4. Mai 2010, Brüssel/Belgien; 12. Mai 2010, Wien/Österreich; 3./6. Juni 2010, Rom und Nettuno, Onna/Italien; 24. Juni 2010, Luxemburg/Luxemburg; 14./16. Juli 2010, Moskau und Jekaterinburg/Russische Föderation; 19./22. Juli 2011, Paris/Frankreich; 29./30. Juli 2012, Warschau/Polen; 11./13. Oktober 2010, Ulan Bator und die Kupferlagerstätte Oyu Tolgoi/Mongolei; 13./18. Oktober 2010, Peking, Shanghai Urumqui/VR China; 19. Oktober 2010, London/Vereinigtes Königreich; 20. Oktober 2010, Paris/Frankreich; 21. Oktober 2010, Findel/Luxemburg; 5. November 2010, Venedig/Italien; 8. November 2010, Budapest/Ungarn; 14./16. November 2010, Kabul und Masar-i-Scharif/-Afghanistan; 2. Dezember 2010, Brüssel/Belgien; 9./10. Dezember 2010, Strasbourg/Frankreich; 31. Januar/1. Februar 2011, Tel Aviv und Jerusalem/Israel; 1. /2. Februar 2012, Damaskus/Syrien; 3. Februar 2011, Madrid/Spanien; 7./8. Februar 2011, Schloss Gödöllö/Ungarn; 17./18. Februar 2011, London/Vereinigtes Königreich; 26. März/2. April 2011, Kap Verde, Sao Paulo, Rio de Janeiro und Brasilia/Brasilien; 17./21. April 2011, Neu-Delhi und Mumbai/Indien; 26./27. April 2011, Istanbul/Türkei; 28./29. Mai 2011, Zürich/Schweiz; 30. Mai/1. Juni 2011, Neu-Delhi/Indien; 16. Juni 2011, Luxemburg/Luxemburg; 21. Juni 2011, Warschau/Polen; 5./6. September 2011, Sopot/Polen; 6. Oktober 2011, Luxemburg/Luxemburg; 24./26. Oktober 2011, Chengdu/VR China; 13./15. November 2011, Moskau und St. Petersburg/Russische Föderation; 16./18. November 2011, Den Haag und Rotterdam/Niederlande; 20./21. November 2011, London/Vereinigtes Königreich; 27./29. November 2011, New York/USA; 8./12. Januar 2012, Osaka und Tokio/Japan; 27./28. Januar 2012, Davos/Schweiz; 16. Februar 2012, Wien/Österreich; 12./15. März 2012, Riad und Jidda/Saudi-Arabien; 22. März 2012, Brüssel/Belgien. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 11): Wie hat sich der Güterverkehr auf der Ober- und Mittelelbe und der Saale jeweils in den Jahren 2010 und 2011 entwickelt (Angabe in Millionen Tonnen pro Jahr erbeten), und wie hoch war entsprechend der Anteil des Güterverkehrs auf der Elbe (Ober- und Mittelelbe) und der Saale im Vergleich zum Gesamtgüteraufkommen aller Bundeswasserstraßen? Der Güterverkehr auf der Elbe betrug im Bereich der Stadtstrecke Magdeburg rund 1,2 Millionen Tonnen im Jahr 2010 und rund 0,8 Millionen Tonnen im Jahr 2011. Auf der Saale fand in beiden Jahren nur wenig Güterverkehr statt (im Jahr 2010 1418 Tonnen, im Jahr 2011 260 Tonnen). Das Transportaufkommen auf der Elbe ist im bundesweiten Vergleich unterdurchschnittlich. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 12): An wie vielen Tagen im Jahr wurde 2010 und 2011 die Fahrrinnentiefe von 1,50 bzw. 1,60 Meter auf den Elbestrecken E1 bis E9 jeweils unterschritten? Die Beantwortung der Frage erfolgt mit folgender Tabelle. Elbe- strecke Fahrrinnen- tiefen [cm] 2010 [Anzahl] 2011 [Anzahl] E1 <150 13 46 <160 16 80 E2 <150 8 26 <160 13 55 E3 <150 7 24 <160 7 44 E4 <150 19 75 <160 20 116 E5 <150 3 0 <160 6 2 E6 <150 3 0 <160 6 0 E7 <150 8 7 <160 11 27 E8 <150 12 5 <160 15 16 E9 <150 19 27 <160 21 37 Legende: E1 Schöna bis Dresden E2 Dresden bis Riesa E3 Riesa bis Elstermündung E4 Elstermündung bis Saalemündung E5 Saalemündung bis RVK E6 RVK bis Niegripp E7 Niegripp bis Mühlenholz E8 Mühlenholz bis Dömitz E9 Dömitz bis Lauenburg Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/9084, Frage 13): Wann und wo wird die Bundesregierung die von ihr in ihrer Antwort auf meine schriftliche Frage 66 auf Bundestagsdrucksache 17/5815 noch für das Jahr 2011 angekündigte „Flussgebietskonferenz Elbe“ durchführen, um die zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vereinbarten „Eckpunkte für ein Gesamtkonzept Elbe“ vorzustellen und die „breite Einbindung aller Interessengruppen“ sicherzustellen? Wesentliche Teile des Gesamtkonzepts Elbe wie zum Beispiel Hochwasserschutz, Naturschutz/Auenentwicklung und Gewässergüte können nur gemeinsam mit den dafür zuständigen Bundesländern weiterentwickelt werden. Die Bundesregierung ist Mitte 2011 auf die Elbe anliegenden Bundesländer zugegangen, um mit diesen die Eckpunkte für ein Gesamtkonzept Elbe und ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen. Die Abstimmungen mit den Bundesländern dauern an. Erst nach Abschluss dieser Abstimmung kann zusammen mit den Bundesländern eine Flussgebietskonferenz Elbe durchgeführt werden. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/9084, Frage 14): Wie definiert die Bundesregierung die unterschiedlichen Standards für die Begrifflichkeiten „Ausbau“ und „Optimierung“, wie sie in den bisherigen Überlegungen zur Kategorisierung der Bundeswasserstraßen und dem daraus folgenden Umfang an Unterhaltungs-, Aus- und Neubaumaßnahmen von der Bundesregierung verwendet werden, und welche rechtlichen Konsequenzen erwachsen daraus jeweils? Die Unterscheidung zwischen den Begriffen „Ausbau“ und „Optimierung“, die im Zusammenhang mit der Kategorisierung des Bundeswasserstraßennetzes getroffen wird, ist im „2. Bericht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung an den Deutschen Bundestag zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung“ wie folgt erläutert: Ausbau (Vorrangnetz) im Sinne des Konzeptes beinhaltet Baumaßnahmen an Bundeswasserstraßen und wasserbaulichen Anlagen, die mit erheblichen Eingriffen verbunden sind und die Befahrbarkeit mit wesentlich größeren Fahrzeugen als bisher ermöglichen (zum Beispiel Neubau einer Schleuse für größere Fahrzeuge, durchgehende Verbreiterung und Vertiefung einer Wasserstraße). Optimierung (Haupt- und Ergänzungsnetz) im Sinne des Konzeptes umfasst alle Maßnahmen, die die Verhältnisse für die Schifffahrt verbessern (zum Beispiel Brückenanhebungen, Anpassung von Kurvenradien Sohlbaggerungen, Errichtung von wasserbaulichen Anlagen zur Verbesserung der nautischen Verhältnisse). Rechtliche Konsequenzen werden mit dieser Begriffsdefinition nicht impliziert. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Sören Bartol (SPD) (Drucksache 17/9084, Frage 15): Was sind die wesentlichen Fragen, die im Rahmen des im Herbst 2011 angekündigten Forschungsvorhabens zur Vorbereitung einer Konkretisierung der Winterreifenpflicht bearbeitet werden sollen, und welche Institution wurde mit der Studie beauftragt? Im Rahmen des Forschungsvorhabens ist die Untersuchung folgender Punkte vorgesehen: Mindestprofiltiefe bei Pkw-Reifen, Mindestprofiltiefe bei Lkw-Reifen, Einfluss der Alterung von Reifen, Winterreifen an der Lenkachse von Nutzfahrzeugen und Schneekettenpflicht bei Nutzfahrzeugen. Das Projekt wird durch die Bundesanstalt für Straßenwesen durchgeführt. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Sören Bartol (SPD) (Drucksache 17/9084, Frage 16): Wie sieht der weitere Zeitplan zur Konkretisierung der Winterreifenpflicht aus, und wird die Bundesregierung im Herbst 2012 eine Novellierung der entsprechenden rechtlichen Regelungen vorlegen? Das Forschungsvorhaben wird im September 2012 beginnen und eine Laufzeit von drei Jahren haben. Eine vorbereitende Studie ist bereits für die kommenden Monate vorgesehen. Unabhängig von dem Forschungsvorhaben ist aktuell eine Präzisierung der Winterreifenpflicht in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung mit Festlegung definierter Kriterien für Winterreifen und die Einführung einer Ausrüstungsvorschrift für die richtige Ausrüstung des Fahrzeugs bei winterlichen Wetterverhältnissen geplant. Anlage 16 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Manfred Nink (SPD) (Drucksache 17/9084, Frage 18): Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass in -Europa jeder Staat dafür verantwortlich ist, die Sicherheit seiner Atomkraftwerke, AKW, zu gewährleisten, gleichzeitig -jeder Staat aber auch die Aufgabe hat, seine Bevölkerung vor Gefahren zu schützen und Risiken für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger abzuwenden, und wer ist dann im konkreten Fall des störanfälligen französischen Atomkraftwerks Cattenom für die Bewertung der Risiken und die -Abwehr der Gefahren für die deutsche Bevölkerung – nicht für die Gewährleistung der Sicherheit des französischen AKW – zuständig, wenn das nach der eingangs benannten Aufgabenzuschreibung eigentlich nur die Aufgabe des deutschen Staates sein kann? In der Europäischen Union wurde mit der im Juni 2009 vom Europäischen Rat verabschiedeten Richtlinie über die Sicherheit kerntechnischer Anlagen ein gemeinschaftlicher Rechtsrahmen geschaffen, nach dem jeder Mitgliedstaat für die Sicherheit seiner nuklearen Anlagen allein verantwortlich ist. Es obliegt ausschließlich der jeweiligen nationalen Atomaufsichtsbehörde, für die Sicherheit der Anlagen zu sorgen. Im Rahmen des vom Europäischen Rat 2011 beschlossenen EU-Stresstests werden alle Kernkraftwerke in der EU überprüft. Teil des Stresstests sind auch sogenannte Peer Reviews, in deren Rahmen Experten aus den teilnehmenden Staaten wechselseitig Überprüfungen der nationalen Berichte vornehmen und Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Sicherheit vorschlagen. -Dieser europäische Prozess ist ein effektiver und angemessener Rahmen, um der jeweiligen nationalen Verantwortung für die nukleare Sicherheit wie auch der Schutzpflicht des jeweiligen Staates für seine Bevölkerung gerecht zu werden. Der Stresstest ergänzt in dieser Hinsicht die seit Jahrzehnten bestehende Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland mit den Nachbarstaaten im Rahmen von bilateralen Kommissionen. Anlage 17 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Manfred Nink (SPD) (Drucksache 17/9084, Frage 19): Wie ernst nimmt die Bundesregierung die Sorgen der Menschen in der grenznahen Region, die ihre Sicherheit durch das AKW Cattenom bedroht sehen, und wieso legt die Bundesregierung im Bereich der Energiepolitik – unter anderem bei der Frage nach der Abschaltung von störanfälligen AKW wie dem AKW Cattenom, wo im Katastrophenfall die Sicherheit der deutschen Bevölkerung bedroht ist – nicht den gleichen Verhandlungsdruck in Europa an den Tag wie zum Beispiel im Bereich der Haushaltspolitik, wo sie bei den europäischen Partnern viel Überzeugungsarbeit für die Schuldenbremse nach deutschem Vorbild leistet? Die Bundesregierung nimmt die Sorgen der Bevölkerung sehr ernst. Daher setzt sie sich auf internationaler, europäischer und bilateraler Ebene für höchstmögliche Standards im Bereich der nuklearen Sicherheit, des Strahlenschutzes sowie der Ver- und Entsorgung ein. Anlage 18 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/9084, Frage 25): Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Rahmen künftiger EEG-Novellen (EEG: Erneuerbare-Energien-Gesetz), um die verzerrende Wirkung des EEG-Vergütungssystems am Pacht- und Bodenmarkt in Deutschland zu mindern? Im Rahmen der regelmäßigen Evaluierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, EEG, werden insbesondere die Vergütung für Strom aus erneuerbaren Energien und ihre Auswirkungen auf andere Lebens- und Wirtschaftsbereiche untersucht. Dies gilt grundsätzlich auch für Auswirkungen auf den Pacht- und Bodenmarkt. Eventuelle Maßnahmen und Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung des EEG werden im nächsten EEG-Erfahrungsbericht dokumentiert. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Fragen der Abgeordneten Marianne Schieder (SPD) (Drucksache 17/9084, Fragen 28 und 29): Wie viele Bewerbungen für den „Ideenwettbewerb zum Auf- und Ausbau innovativer FuE-Netzwerke mit Partnern in Ostseeanrainerstaaten“ (FuE: Forschung und Entwicklung) wurden bis zum Ende der Antragsfrist (12. Juli 2011) eingereicht, und warum wurde die Antragsfrist um einen Monat verlängert? Welche Anträge waren erfolgreich und werden nunmehr in einer ersten Förderphase gefördert, und wie wurden diese Anträge ausgewählt? Zu Frage 28 Bis zum Ende der Antragsfrist am 12. Juli 2011 wurden 36 Anträge eingereicht. Mit der Verlängerung der Antragsfrist (vorgesehen war zunächst der 15. Juni 2011) auf den 12. Juli 2011 reagierte das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, zum einen darauf, dass die Zahl der im Verlauf des Monats Mai 2011 eingehenden Anträge nicht den Erwartungen entsprach, zum anderen auf Hinweise aus der Forschungslandschaft, dass die für eine Antragsstellung erforderlichen schriftlichen Vereinbarungen mit nationalen und internationalen Partnern sehr viel Zeit in Anspruch nehmen würden. Das BMBF entschied daraufhin, die Frist um einen Monat zu verlängern. Zu Frage 29: Von den eingegangenen 36 Anträgen wurden 18 für eine Förderung ausgewählt. Mit der organisatorischen Durchführung der Förderausschreibung wurde das Internationale Büro des BMBF beauftragt. Die Auswahl der Anträge erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren. Zunächst werden die Anträge ausgeschlossen, die die formalen Voraussetzungen der Förderung nicht erfüllen. Die übrigen Anträge werden an Fachprojektträger des BMBF oder Fachprojektträger anderer Ministerien zur fachlichen Begutachtung übermittelt. Für die Bewertung der Anträge sind drei Bewertungsstufen vorgesehen – zur Förderung empfohlen; mit Auflagen zur Förderung empfohlen; nicht zur Förderung empfohlen. Die zur Förderung sowie zur Förderung mit Auflagen empfohlenen Anträge werden dem BMBF zur Entscheidung vorgelegt. Eine positive Förderentscheidung erging in 18 Fällen. Die Titel der geförderten Projekte, Antragsteller und Themenzuordnung auf die Bedarfsfelder der Hightech-Strategie der Bundesregierung, HTS, stelle ich Ihnen gerne schriftlich zur Verfügung. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Fragen des Abgeordneten Michael Gerdes (SPD) (Drucksache 17/9084, Fragen 30 und 31): Wird die Bundesregierung nach dem Wechsel der Zuständigkeit für das ITER-Projekt (ITER: International Thermo-nuclear Experimental Reactor) zum EU-Kommissar für Energie, Günther Oettinger, versuchen sicherzustellen, dass das ITER-Projekt nicht zulasten der Energieforschungsförderung in Höhe von 6,5 Milliarden Euro finanziert wird, und, falls ja, mit welchem Alternativkonzept? Vertritt die Bundesregierung weiterhin die Auffassung, dass das ITER-Projekt über einen eigenständigen Haushalts-titel innerhalb des EU-Haushaltes, jedoch außerhalb des EU-Forschungsrahmenprogramms finanziert werden sollte, und wie ist der Stand der diesbezüglichen Verhandlungen? Die künftige Finanzierung des ITER-Projekts ist derzeit Gegenstand der Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen, MFR, (2014 – 2020). Die Bundesregierung lehnt eine Finanzierung von ITER außerhalb des MFR ab. In Bezug auf die rechtliche Verortung des Projekts votiert die Bundesregierung für eine bleibende Verankerung von ITER in einem alle nu-klearen Forschungsaktivitäten umfassenden Euratom-Programm. Die konkrete Höhe des für ITER zu veranschlagenden Betrages auch im Verhältnis zu anderen Forschungsprojekten ist noch nicht Gegenstand der Verhandlungen. Bevor es zu einer quantitativen Festlegung von Budgets für einzelne Programme kommt, ist zunächst das zur Ver-fügung stehende Gesamtvolumen zu vereinbaren. Die Bundesregierung verfolgt in diesem Zusammenhang das Ziel, das Gesamtvolumen des MFR auf 1 Prozent des EU-Bruttonationaleinkommens, BNE, zu begrenzen. Die Frage der Mittelausstattung einzelner Politikbereiche innerhalb der Energieforschung stellt sich daher gegenwärtig noch nicht. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Drucksache 17/9084, Frage 32): Wie hoch sind die durch die Erstellung und die Versendung der wahlkreisbezogenen Informationen zu Förderprojekten (Projektsteckbriefe) tatsächlich entstandenen Kosten (Porto, Arbeitszeit und Ähnliches)? Die Information über besondere Vorhaben im Bereich der Projektförderung ist ein kleiner Teil der umfassenden Kommunikation in den parlamentarischen Raum, dessen Kosten nicht isoliert bestimmt werden können. Portokosten fallen nicht an, da das Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Deutsche Bundestag an den zentralen Postaustausch der Bundesbehörden angeschlossen sind. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Druck-sache 17/9084, Frage 33): Inwieweit hält die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem jüngsten Eckwertebeschluss zum Haushalt 2013 und dem Finanzplan bis 2016, der in den Jahren 2014 und 2015 sinkende bzw. stagnierende Haushaltsansätze für das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, vorsieht, an dem Beschluss des sogenannten Dresdener Bildungsgipfels fest, wonach bis 2015 die Ausgaben für Bildung und Forschung auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht werden sollen, und wie will die Bundesregierung gegebenenfalls ihren Anteil daran im Hinblick auf die jetzt beschlossenen Eckwerte für die Haushalte des BMBF – unter Angabe des Status quo bei den Aufwendungen des Bundes für das 10-Prozent-Ziel, der jeweils mit den im Finanzplan erreichbaren Gesamtaufwendungen für Bildung und Forschung des Bundes in 2014 und 2015 sowie der wesentlichen in dieser Wahlperiode noch vorgesehenen, neuen Bildungs- und Forschungsmaßnahmen (jeweils mit Finanzvolumen) – erbringen? Gemäß Eckwertebeschluss vom 21. März 2012 wird der Haushalt des BMBF im Jahr 2013 um rund 800 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr aufwachsen. Damit setzt die Bundesregierung weiterhin konsequent ihren Kurs fort, prioritär in Bildung und Forschung zu investieren. Dies zeigt sich in einem historisch einzigartigen Aufwuchs des Plafonds des Einzelplans 30 gemäß Eckwertebeschluss von über 80 Prozent seit 2005. Sowie auch bereits mit den Haushalten 2011 und 2012 erhebliche zusätzliche Mittel gegenüber der Finanzplanung eingestellt wurden – 2012 waren dies rund 1,3 Milliarden Euro – beinhaltet auch der Aufwuchs mit den Eckwerten 2013 zusätzlich rund 320 Millionen Euro, die im ursprünglichen 12-Milliarden-Euro-Paket nicht enthalten waren. Auch für die Finanzplanjahre 2014 und 2015 wird Entsprechendes gelten: Maßnahmen, die bis zur Aufstellung der jeweiligen Haushalte Etatreife erlangen, werden im Rahmen der Verfahren ausfinanziert werden. Dies wird zu weiteren Aufwüchsen führen. Diese Bundesregierung hat ihre Verlässlichkeit bezüglich des 10Prozent-Ziels in jedem Haushalt unter Beweis gestellt. Die in Dresden vereinbarten Maßnahmen haben zu deutlich erhöhten finanziellen Anstrengungen von Bund und Ländern geführt: Der Anteil von Bildung und Forschung am Bruttoinlandsprodukt, BIP, ist zwischen 2008 und 2009 von 8,6 Prozent auf 9,3 Prozent gestiegen. Für die Bildung allein erhöhte sich der Anteil am BIP zwischen 2008 und 2009 von 6,2 Prozent auf 6,8 Prozent (vergleiche Statistisches Bundesamt, Bildungsausgaben – Budget für Bildung, Forschung und Wissenschaft 2008/2009, 2011). Auch im Zeitraum von 2008 bis 2011 wurden die Grundmittel des Bundes für Bildung signifikant gesteigert: von 5,1 auf 6,9 Milliarden Euro. Mit der Fortführung der drei Wissenschaftspakte, die von Bund und Ländern beschlossen wurden – Hochschulpakt 2020, Exzellenzinitiative und Pakt für Forschung und Innovation, investieren Bund und Länder insgesamt rund 23 Milliarden Euro in Bildung und Forschung. Davon bringt allein der Bund trotz der gegenwärtigen Haushaltskonsolidierung rund 15 Milliarden Euro auf. Mit diesen Investitionen leisten Bund und Länder einen erheblichen Beitrag zur Erreichung des 10-Prozent-Ziels. Die Bundesregierung hält an dem Beschluss des Dresdener Bildungsgipfels fest und sieht sich auf gutem Wege, ihren Anteil daran zu erbringen. Anlage 23 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksa-che 17/9084, Frage 34): Kann die Bundesregierung darstellen und begründen, inwiefern Aufwand und Kosten für den Umbau der Liegenschaft des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Bonn im Zusammenhang mit der Neuaufstellung der Leitungsstrukturen angemessen sind? Die BMZ-Liegenschaft Bonn unterliegt keinem Umbau im Zusammenhang mit der Neuaufstellung der Leitungsstrukturen, insofern stellt sich die Frage nach Angemessenheit nicht. Anlage 24 Antwort des Staatsministers Bernd Neumann auf die Frage des Abgeordneten Thomas Jarzombek (CDU/CSU) (Drucksache 17/9084, Frage 35): Sieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund aktueller Presseberichte, dass es Zweifel an der Staatsferne einzelner Anbieter von Bundesligaübertragungen gebe (siehe unter anderem Süddeutsche Zeitung vom 19. März 2012, Seite 15), die Staatsferne rund um die jetzige Ausstrahlung der Fußball-Bundesliga wie auch bei der Neuausschreibung gewährleistet? Der Bundesregierung ist die Wahrung der Staatsferne des Rundfunks ein wichtiges Anliegen. Die Ausgestaltung der inländischen Rundfunkordnung ist nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes Sache der Länder. Der Rundfunkstaatsvertrag und die Mediengesetze der Länder enthalten Bestimmungen, die gegen eine staatliche Einflussnahme auf den Rundfunkanbieter gerichtet sind und so dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks Rechnung tragen. Hierzu gehören Regeln über die Zulassung privater Rundfunkveranstalter. Für den Bereich des privaten Rundfunks obliegt die Überwachung der Einhaltung der einschlägigen Vorschriften den Landesmedienanstalten. Der Bund ist an der Aufsicht in diesem Bereich nicht beteiligt, er geht aber davon aus, dass die Landesmedienanstalten jeden Zweifel an der Staatsferne einzelner Anbieter von Bundesligaübertragungen in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Frank Schwabe (SPD) (Drucksache 17/9084, Frage 36): Weshalb sieht die Bundesregierung für das Jahr 2013 keinen Handlungsbedarf für Zuschüsse an stromintensive Unternehmen zum Ausgleich von emissionshandelsbedingten Strompreiserhöhungen? Die Bundesregierung sieht weiterhin Handlungsbedarf zum Ausgleich emissionshandelsbedingter Strompreiserhöhungen. Die Strompreiskompensation wird jedoch nachschüssig ausgestaltet. Das heißt, dass die den Unternehmen ab 2013 entstehenden beihilfefähigen Kosten im jeweils darauffolgenden Jahr in noch festzu-legender Höhe erstattet werden. Eine solche nachschüssige Kompensation ist als eine Option auch in der aktuellen Entwurfsfassung der EU-Beihilfeleitlinie vorgesehen. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 37): Sieht die Bundesregierung angesichts einer von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebenen und kürzlich vom Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation vorgelegten Studie, die zu dem Schluss kommt, dass zahlreiche Telekommunikationsfirmen gegen das Prinzip des offenen Internets beziehungsweise die Netzneutralität verstoßen und auf deren Basis in Kürze neben der Kommission gegebenenfalls auch der EU-Rat Leitlinien zur Netzneutralität vorschlagen will und trotz der im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP festgehaltenen Absicht, dass man entsprechende Entwicklungen „sorgfältig beobachten und nötigenfalls mit dem Ziel der Wahrung der Netzneutralität gegensteuern“ will, noch immer keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf? Ein freies Internet ist unverzichtbar für moderne Informationsgesellschaften. Wettbewerb und Transparenz bieten den besten Schutz für eine diskriminierungsfreie und neutrale Datenübermittlung. Das geänderte Telekommunikationsgesetz wird in diesem Sinne bedeutende Verbesserungen mit sich bringen: Anbieter sind zur Transparenz verpflichtet. Wird zukünftig festgestellt, dass Wettbewerb und Transparenz keinen ausreichenden Schutz mehr bieten, kann die Bundesregierung im Rahmen einer Rechtsverordnung grundsätzliche Anforderungen definieren, um ungerecht-fertigte Behinderungen oder Verlangsamungen zu verhindern und eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und den diskriminierungsfreien Zugang zu -Inhalten und Anwendungen sicherzustellen. Die Bundesnetzagentur kann technische Anforderungen, insbesondere qualitative Mindeststandards, vorschreiben. Durch den im Jahr 2011 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ins Leben gerufenen Fachdialog Netzneutralität hat die Bundesregierung die Grundlage für eine breit angelegte, wissenschaftlich fundierte und alle relevanten Kreise einbeziehende Debatte geschaffen. Hierbei werden auch die Erkenntnisse der Tätigkeit der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages sowie Entwicklungen auf europäischer Ebene berücksichtigt. Die Bundesregierung hat die Pressemitteilung des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation, GEREK, vom 9. März 2012 zur Kenntnis genommen und weist darauf hin, dass eine abschließende Auswertung der erhobenen Daten durch GEREK noch nicht erfolgt ist. Bis Ende Mai validieren beziehungsweise konsolidieren die nationalen Regulierungsbehörden die erhobenen Daten. Die Bundesregierung stellt fest, dass GEREK die Studie noch nicht vorgelegt hat und in der Presseerklärung vom 9. März 2012 lediglich auf die „am häufigsten gemeldeten Netzwerksteuerungspraktiken“ Bezug genommen wird. Diese Aussage bedeutet nicht, dass Netzbetreiber den Zugang zum Internet mehrheitlich beschränken. Konkrete Rückschlüsse auf spezifische Gegebenheiten in einzelnen Mitgliedstaaten können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gezogen werden. Anlage 27 Antwort des Staatsministers Michael Link auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksa-che 17/9084, Frage 38): Beabsichtigt die Bundesregierung für deutsche Langzeiturlauber in der Türkei eine Vereinbarung mit der Türkei da-rüber abzuschließen, dass sich diese nach einem visumfreien Aufenthalt bis zu 90 Tagen nach einer kurzzeitigen Unterbrechung zu einem weiteren Aufenthalt bis zu 90 Tagen ohne Sichtvermerk im Pass aufhalten können, ohne dass zwischen beiden Aufenthalten eine Frist von 180 Tagen vergangen sein muss? Mit der neuen Regelung, die zum 1. Februar 2012 eingeführt wurde, gleicht die Türkei ihr Aufenthaltsrecht an die in der Europäischen Union und Deutschland geltenden Schengen-Bestimmungen an. Danach dürfen sich Ausländer in einem Zeitraum von 180 Tagen maximal 90 Tage zu touristischen Zwecken im Land aufhalten. Kürzere Aufenthalte werden addiert. Anders als in Ihrer Frage formuliert, liegen zwischen zwei 90-tägigen Aufenthalten in der Türkei demnach nicht 180, sondern – analog zu den Schengen-Bestimmungen – 90 Tage. Personen, die sich bereits in der Türkei aufhalten und einen längeren Aufenthalt planen, können innerhalb von 90 Tagen nach Einreise vor Ort eine Aufenthaltserlaubnis für bis zu sechs Monaten für touristische Zwecke beantragen. Die Türkei beruft sich bei der Neuregelung auf Gegenseitigkeit. Deutsche und andere EU-Staatsangehörige sind im Vergleich zu türkischen Staatsangehörigen trotz der genannten Neuregelung günstiger gestellt, da sie von der Visumpflicht für Kurzzeitaufenthalte befreit sind. Daher scheint die Aufnahme von Verhandlungen zugunsten deutscher Langzeiturlauber wenig aussichtsreich. Anlage 28 Antwort des Staatsministers Michael Link auf die Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Drucksache 17/9084, Frage 41): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hinsichtlich nächtlicher Razzien von Spezialeinheiten im deutschen Verantwortungsbereich im Norden Afghanistans aus dem Amoklauf eines angeblichen Einzeltäters in der Provinz Kandahar, und wird die Bundesregierung, sollten sich die Verdachtsmomente erhärten, dass es sich bei dem Vorfall nicht um die Tat eines Einzelnen und damit einen Ausnahmefall, sondern um ein systematisches Vorgehen (Night Raids) handelt, gegenüber den verbündeten Streitkräften fordern, solche Kampagnen zukünftig im deutschen Verantwortungsbereich nicht mehr durchzuführen? Die Bundesregierung verfolgt die laufenden Untersuchungen zu diesem bestürzenden Vorfall. Sie wird diesen nach Vorlage abschließender Erkenntnisse auf deren Grundlage bewerten und in Abstimmung mit den Partnern gegebenenfalls Schlussfolgerungen ziehen. Erklärungen vor dem Vorliegen der Untersuchungsergebnisse wären spekulativ und werden von der Bundesregierung nicht abgeben. Anlage 29 Antwort des Staatsministers Michael Link auf die Fragen des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Fragen 42 und 43): Wie bewertet die Bundesregierung die Schlussfolgerung des Berichts der Afghan Independent Human Rights Commission und der Open Society Foundation „Torture, Transfers, and Denial of Due Process: The Treatment of Conflict-Related Detainees in Afghanistan“ vom 17. März 2012, in dem anhand von Zeugenaussagen dargelegt wird, dass unter anderen in einer Haftanstalt im Regional Command North (Detention Facility des afghanischen Geheimdienstes in Badakhshan) regelmäßig gefoltert würde, um Aussagen zu erzwingen, und inwieweit haben ISAF-Truppen (insbesondere Combined Detention Facility Assessment and Certification Teams und das Combined Detention Oversight Team) Zugang zu Haftanstalten des afghanischen Geheimdienstes? Wie bewertet die Bundesregierung die Wirksamkeit der Maßnahmen, mit denen die afghanische Regierung die systematische Folter in afghanischen Haftanstalten bekämpft? Zu Frage 42: Der Bericht der Unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans, AIHRC, und der Open Society Foundation ist der Bundesregierung bekannt. Der Bericht der AIHRC deckt sich weitgehend mit den Beobachtungen aus dem Bericht der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan, UNAMA, von Oktober 2011. Die Bundesregierung ist besorgt über die immer noch unzureichende Menschenrechtslage in Afghanistan. Der Bericht zeigt erneut eindrücklich, wie viel hier noch zu tun ist. Wir tragen dazu bei. Allerdings kann der Bericht laut AIHRC ausdrücklich nicht als Erfolgskontrolle für den durch die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe für Afghanistan, ISAF, nach dem UNAMA-Bericht begonnenen 6-Phasen-Plan dienen, da die meisten Foltervorwürfe aus der Zeit vor dem UNAMA-Bericht stammen. Die Bundesregierung hat nach Erscheinen des -UNAMA-Berichts in Reaktion auf die Hinweise der Mission im Regionalkommando Nord unter anderem sogenannte Combined Detention Facility Assessment and Certification Teams, CDFACT, aufgestellt. Sie sollen die mit Vorwürfen behafteten afghanischen Hafteinrichtungen in mehreren Phasen überprüfen. Das bedeutet gegebenenfalls auch, Ausbildungsunterstützung für das dort angestellte Personal zu leisten. Abschließend sollen diese Teams die Einrichtungen nach erneuter Überprüfung dem ISAF-Kommandeur zur Zertifizierung vorschlagen. Die Teams führten bislang neun Überprüfungen durch, drei davon unangekündigt. Nach entsprechenden Vorschlägen an den ISAF-Kommandeur zertifizierte dieser am 28. Januar 2012 die beiden Hafteinrichtungen in Kunduz und dem Distrikt Dasht-e Archi in der Provinz Kunduz sowie am 17. Februar 2012 eine dritte in der Provinz Takhar. Darüber hinaus sammelt das sogenannte Combined Detention Oversight Team, CDOT, im Regionalkommando Nord Daten über dort Gefangengenommene. Es überwacht deren Weg bis zum Strafvollzug und ihren Aufenthalt in Untersuchungshaft. Dies beinhaltet auch die Planung und Durchführung von kurzfristigen Inspektionen von Hafteinrichtungen. Die Aufsichtsteams, CDOT, haben in sieben afghanischen Haftanstalten insgesamt zehn unangekündigte Inspektionen und Befragungen durchgeführt. Dabei wurden keine Verstöße gegen die Menschenrechte oder Misshandlungen der in Gewahrsam genommenen Personen festgestellt. Zu Frage 43: Folter ist gemäß Artikel 29 der afghanischen Verfassung vom 27. Januar 2004 verboten. Die Verantwortung für die Insassen von Haftanstalten liegt ausschließlich bei den afghanischen Sicherheitskräften, die auf der Grundlage der afghanischen Rechtsordnung operieren. Natürlich sieht die Bundesregierung auch die weiterhin bestehenden Herausforderungen Afghanistans auf dem Weg zum Rechtsstaat. Die internationale Gemeinschaft unterstützt Afghanistan auch hier mit einer Vielzahl von Programmen zum Aufbau funktionierender Justiz- und Polizeistrukturen, die allesamt das Ziel haben, Rechtsstaat und Menschenrechte in Afghanistan weiter voranzubringen. In Anbetracht der vom UNAMA-Bericht vom Oktober 2011 aufgedeckten Vielzahl an Mängeln dürfte der Umgang mit Gewalt gegen Häftlinge weiterhin eine große Herausforderung bleiben. In Kürze wird ein Folgebericht der UNAMA erwartet, der zur Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen Auskunft geben soll. Anlage 30 Antwort des Staatsministers Michael Link auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 44): Inwiefern wird vom geplanten Rückzug deutscher Einsatzkräfte aus der Operation ALTHEA auch die deutsche Beteiligung am Reservebataillon betroffen sein, das für etwaige Konfliktsituationen sowohl in Bosnien-Herzegowina als auch in der Republik Kosovo bereitgehalten wird, und wie begründet die Bundesregierung ihren Rückzug vor allem vor dem Hintergrund des derzeitigen Beratungsstandes über die Zukunft der Operation ALTHEA in der Europäischen Union? Die EU-Operation in Bosnien und Herzegowina, -EUFOR ALTHEA, ist seit 2004 ein großer Erfolg der gemeinsamen Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Sie hat seit Beginn nie aktiv militärisch in Bosnien und Herzegowina eingreifen müssen. Trotz der komplexen innenpolitischen Situation hat Bosnien und Herzegowina bewiesen, dass Sicherheit im eigenen Land mit eigenen Sicherheitskräften gewährleistet werden kann. Die Haltung der Bundesregierung ist eindeutig: Die Mission hat ihre Ziele erreicht. Sie ist ein großer Erfolg, auf den wir alle stolz sein können. Jetzt ist es an der Zeit, das exekutive Mandat zu beenden. Wir wollen uns auf die Ausbildung und das Training der bosnisch-herzegowinischen Streitkräfte konzentrieren, damit diese sich weiter europäischen Standards annähern. Wir werben daher weiter bei unseren europäischen Partnern für die Weiterentwicklung der Operation in eine reine Ausbildungs- und Trainingsmission. Es ist konsequent, die Kräfte der Bundeswehr, die für exekutive Aufgaben vorgehalten werden, im November 2012 aus der Operation EUFOR ALTHEA abzuziehen. Das gilt für das Hauptquartier in Sarajevo wie für das Reservebataillon, das bisher für EUFOR ALTHEA und für die Kosovo-Truppe KFOR in Kosovo vorgehalten wurde. Ab Ende des Jahres wird der deutsche Anteil allein für KFOR zur Verfügung stehen. Anlage 31 Antwort des Staatsministers Michael Link auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/9084, Frage 45): Welche weiteren Angaben kann die Bundesregierung zum Ursprung bzw. Hintergrund des Vorschlags machen, die staatliche syrische Telefongesellschaft Telekommunikationsgesellschaft Syrian Telecommunications Establishment, STE, in die Liste der mit Sanktionen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten belegten Unternehmen aufzunehmen, und wie wurde der Vorschlag schließlich in den zuständigen Gremien (zum Beispiel Ratsarbeitsgruppe „Maschrik/Maghreb“, Gruppe der Referenten für Außenbeziehungen bzw. RELEX, Rat für Außenbeziehungen) diskutiert oder entschieden? Die Bundesregierung tritt für eine Erhöhung des Drucks auf das Assad-Regime – auch durch weitere Sanktionen – ein. Informationen darüber, welche Vorschläge von den EU-Mitgliedstaaten oder der Hohen Vertreterin der -Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, unterbreitet werden und welche Positionen in den Beratungen bezogen wurden, sind vertraulich. Ich möchte darauf hinweisen, dass Sanktionen bereits einen Teil ihrer Wirkung verlieren können, wenn über sie im Vorfeld öffentlich in aller Breite diskutiert wird. Das gilt unabhängig von der Frage nach dieser konkreten Firma. Die Bundesregierung ist aber selbstverständlich gerne bereit, im Rahmen vertraulich tagender Gremien des Deutschen Bundestages Auskunft zu geben. Anlage 32 Antwort des Staatsministers Michael Link auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/9084, Frage 46): Wie viele bilaterale und multilaterale Vereinbarungen über die Zusammenarbeit mit anderen Staaten und internationalen Organisationen wurden seit dem 26. März 2009 durch die Bundesregierung abgeschlossen, und welche dieser Vereinbarungen beinhalten Projekte zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention? Nicht erst seit dem Beitritt zur Behindertenkonvention der Vereinten Nationen im Frühjahr 2009 berücksichtigt die Bundesregierung auf nationaler und inter-nationaler Ebene die Belange von Menschen mit Behinderungen. In der deutschen Entwicklungspolitik unterstützten wir seit mehr als 20 Jahren Vorhaben zugunsten von Menschen mit Behinderungen. Dabei werden einerseits Vorhaben spezifisch für Menschen mit Behinderungen gefördert, andererseits sollen Belange behinderter Menschen in allen relevanten Projekten und Programmen berücksichtigt werden. Dadurch soll eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an Entwicklung und an der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen ermöglicht werden. Beispielhaft dafür: In Partnerschaft mit dem Sozialministerium in Bangladesch wird seit Mitte 2011 die Erstellung von lokalen Aktionsplänen zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention unterstützt. Die Entwicklung der Aktionspläne findet in enger Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und Selbstvertretungsorganisationen statt. Auf Grundlage des Nationalen Aktionsplans der Bundesregierung zur Umsetzung der VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen erarbeitet das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft, Vertretungsorganisationen von behinderten Menschen und anderen wichtigen Stakeholdern derzeit einen Aktionsplan, der konkrete strategische Ziele, Handlungsfelder und Maßnahmen zur Umsetzung einer behinderten-inklusiven Entwicklungszusammenarbeit für die kommenden Jahre verpflichtend formuliert. Konkrete behindertenspezifische Maßnahmen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit umfassen insbesondere das Sektorvorhaben „Menschen mit Behinderungen“ der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, sowie die Erarbeitung einer BMZ-Strategie zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Entwicklungszusammenarbeit in den Jahren 2011 und 2012. Das innerhalb der Bundesregierung für die Behindertenkonvention der Vereinten Nationen federführende Bundesministerium für Arbeit und Soziales, BMAS, hat nach Beitritt zur VN-Konvention eine gemeinsame -Absichtserklärung mit dem chinesischen Behindertenverband „China Disabled People's Federation“ unterzeichnet, um die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Behindertenpolitik zwischen beiden Staaten zu intensivieren (am 21. September 2011). Darüber hinaus gab es im BMAS zuletzt bilaterale Kontakte auf Arbeits- und Leitungsebene zu Ländern wie der Russischen Föderation, Bulgarien, Frankreich und der Türkei, bei denen anlässlich von Besuchen mit Delegationen auch über die Behindertenpolitik gesprochen wurde. Zentrales Thema bei diesen Gesprächen ist auch immer die Umsetzung des VN-Übereinkommens über den Schutz und die Rechte behinderter Menschen, VNBehindertenrechtskonvention. Eine Delegation des türkischen Ministeriums für Familien- und Sozialpolitik zeigte sich zuletzt bei Gesprächen mit Vertretern des BMAS am 13. März 2012 vor allem daran interessiert, wie in Deutschland Barrierefreiheit realisiert wird. Anlage 33 Antwort des Staatsministers Michael Link auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 47): Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass die aserbaidschanischen Rocksänger Jamal Ali und Natig Kamilov in Baku am 17. März 2012 festgenommen und anschließend in Polizeigewahrsam mehrfach gefoltert wurden, und was unternimmt die Bundesregierung, um diesen Sängern Unterstützung zukommen zu lassen? Die Bundesregierung hat Kenntnis von diesen Festnahmen. Betroffen war neben den beiden von Ihnen genannten Musikern auch Etimar Salmanly, Aktivist der Jugendorganisation „Nida Youth Movement“ und Mit-organisator der Kundgebung. Alle drei wurden nach Ablauf ihrer Strafe auf freien Fuß gesetzt. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über eine mögliche Folter oder Misshandlung der Betroffenen im Polizeigewahrsam vor. Diese Festnahmen geschahen im Zusammenhang mit einer genehmigten Protestveranstaltung am südlichen Rand von Baku. Mit schätzungsweise 500 Teilnehmern war dies die größte Veranstaltung dieser Art seit mehreren Jahren. Aufgerufen hierzu hatte das „Committee to Protect Youth Rights“, eine Dachorganisation, die verschiedene politische und zivilgesellschaftliche Jugendorganisationen umfasst. Nach einem Bericht des Büros der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE, in Baku vom 19. März 2012 verlief die Veranstaltung zunächst weitgehend reibungslos. Zu den Festnahmen sei es gekommen, nachdem die genannten Musiker im Laufe des Abschlusskonzerts Beleidigungen gegen die Präsidentenfamilie ausgesprochen hätten. Hierbei sei es auch zu Anwendung physischer Gewalt gekommen, da sich die Betroffenen der Festnahme widersetzt hätten. Der Sänger Jamal Ali wurde vom zuständigen Bezirksgericht unter dem Vorwurf des Hooliganismus zu zehn Tagen, das Bandmitglied Natig Kamilov zu sechs Tagen und der Aktivist Salmanly zu fünf Tagen Haft verurteilt. Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Markus Löning, hatte in einer Presseerklärung vom 21. März 2012 zur Freilassung der betroffenen Musiker und zum Schutz des Rechts auf freie Meinungsäußerung aufgerufen. Anlage 34 Antwort des Staatsministers Michael Link auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 48): Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um einen möglichen Militärschlag Israels gegen den Iran zu verhindern, und kann die Bundesregierung jegliche offensive und defensive militärische Beteiligung im Falle eines solchen israelischen Angriffes ausschließen? Die Bundesregierung und Israel sind sich einig, dass ein Iran mit Kernwaffen eine ernste Bedrohung für die Sicherheit und Stabilität der Region und darüber hinaus sowie eine gravierende Herausforderung für das internationale Nichtverbreitungssystem darstellen würde. Gemeinsam mit seinen Partnern im sogenannten E3+3-Format, China, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA, setzt sich Deutschland für eine diplomatische Lösung im Atomkonflikt mit dem Iran ein. Dabei verfolgen die E3+3 einen zweigleisigen Ansatz von -Gesprächsbereitschaft und politischem und wirtschaftlichem Druck. Am 23. Januar 2012 beschlossen die Außenminister der Europäischen Union ein neues Paket präzedenzloser Sanktionsmaßnahmen. Die E3+3 haben wiederholt ihre Bereitschaft erklärt, substanzielle Gespräche mit dem Iran zu führen, um eine Lösung zu finden, die das Vertrauen in die friedliche Zielsetzung des iranischen Nuklearprogramms wiederherstellt. Dazu ist jetzt mit dem Iran eine neue Gesprächsrunde im April 2012 vereinbart worden. Ziel der Bundesregierung ist es, eine diplomatische Lösung zu finden, um eine nukleare Bewaffnung Irans zu verhindern. An Spekulationen über einen möglichen israelischen Militärangriff beteiligen wir uns nicht. Anlage 35 Antwort des Staatsministers Michael Link auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Drucksache 17/9084, Frage 49): Wie ist der aktuelle Sachstand im Auswärtigen Amt, bezüglich der Nutzung von freier und proprietärer Software im Hinblick auf Überlegungen des letzten Jahres eine Umstellung zugunsten proprietärer Software vorzunehmen? Die IT-Strategie des Auswärtigen Amts hat die Bundesregierung bereits in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD auf Bundestagdrucksache 17/4567 vom Februar 2011 umfassend beschrieben. Diese gilt unverändert fort. Das Auswärtige Amt setzt entsprechend weiter einen Mix von quelloffener und proprietärer Software ein. Es orientiert sich dabei an den Erfordernissen der Nutzer, den Sicherheitsanforderungen und der Wirtschaftlichkeit. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Drucksache 17/9084, Frage 50): Erwägt die Bundesregierung im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, BSI, trotz der vom BSI immer wieder betonten Vorteile freier Software den Umstieg von der Nutzung freier auf proprietäre Software an Desktoprechnern und Servern? Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik prüft derzeit, welche Software in den nächsten Jahren auf den Desktops für Standardbüroanwendungen eingesetzt werden soll. Die Prüfung erfolgt im Hinblick auf das einzusetzende Betriebssystem ergebnisoffen. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 51): Welche Ressorts der Bundesregierung haben ihren jährlichen Sollansatz für Dienstreisen innerhalb dieser Legislaturperiode in welchem Haushaltsjahr überschritten? Ungeachtet des Regierungswechsels im Herbst 2009 erfolgen die Angaben für die Haushaltsjahre 2009, 2010 und 2011. Maßgeblich ist der Beginn des Haushaltsjahres am 1. Januar des Jahres. Das Haushaltsjahr 2012 hat erst begonnen und wird daher nicht mit aufgeführt. Der Geschäftsbereich ist bei der Antwort nicht einbezogen. BMWi, AA und BMBF haben ihre Sollansätze für Dienstreisen innerhalb dieser Legislaturperiode nicht überschritten. BMG und BMAS haben ihre Sollansätze für Dienstreisen im Haushaltsjahr 2009 überschritten. BMVg und BMU haben ihre Sollansätze für Dienstreisen in den Haushaltsjahren 2009 und 2010 überschritten. BMF und BMZ haben ihre Sollanstäze für Dienst-reisen im Haushaltsjahr 2011 überschritten. BK-Amt, BMI, BMJ, BMELV, BMFSFJ, BMVBS, BKM und BPA haben ihre Sollansätze für Dienstreisen in den Haushaltsjahren 2009, 2010 und 2011 überschritten. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 52): Welche möglichen, auch rechtlichen Folgen ergeben sich für die Bundesregierung aus der Tatsache, dass nicht das Bundesministerium der Justiz, sondern – offenkundig ohne Abstimmung – das Bundesministerium des Innern mit Schreiben vom 28. Februar 2012 auf eine Anfrage der Europäischen Kommission zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung antwortete und darin trotz der bereits im Raum stehenden Androhung eines Klageverfahrens und entgegen des bisherigen Vortrages („bereits erfolgte Teilumsetzung“) des federführenden Bundesministeriums der Justiz gegenüber der für die Betreibung der Klage verantwortlichen Kommissarin nun vorträgt, das Fehlen von Verkehrsdaten aufgrund der „Nichtumsetzung“ führe zu erheblichen Einschränkungen bei der Verfolgung oder Verhütung von Straftaten? Die Kommission führt im Rahmen der Novellierung der Richtlinie 2006/24/EG zur Vorratsdatenspeicherung derzeit eine Gesetzesfolgenabschätzung durch. In diesem Rahmen hat sie die Mitgliedstaaten gebeten, ihre Erfahrungen mit der Umsetzung der Richtlinie mitzuteilen bzw. auszuführen, welche Folgen gegebenenfalls das Fehlen von Vorratsdaten für die Strafverfolgung habe. Das Schreiben war an den Bundesminister des Innern adressiert, die Bundesministerin der Justiz wurde nachrichtlich angeschrieben. Der Bundesminister des Innern hat am 28. Februar 2012 eine bereits veröffentlichte Studie des Bundeskriminalamts zur Thematik sowie eine ergänzende Fallsammlung übersandt. Der Kommission liegt zudem die ebenfalls veröffentlichte Untersuchung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht zu „Schutzlücken durch den Wegfall der Vorratsdatenspeicherung?“ vor. Es ist in der Folge davon auszugehen, dass die Kommission alle verfügbaren Materialien im Rahmen ihrer Gesetzesfolgenabschätzung nutzen wird. Der bereits erfolgte und zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem Bundesministerium des Innern abgestimmte Vortrag der Bundesregierung in dem Vertragsverletzungsverfahren, in dem die Sach- und Rechtslage einschließlich der bestehenden Zugriffsmöglichkeiten auf Verkehrsdaten dargestellt wurden, bleibt selbstverständlich durch die Übersendung dieses Mate-rials unberührt. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/9084, Frage 53): Mit welchen Aufgaben oder Interessen sind Abteilungen des Bundesministeriums des Innern sowie des Bundesministeriums der Verteidigung in die Sicherheitszusammenarbeit anlässlich der diesjährigen Sportereignisse UEFA 2012 in Polen/Ukraine und Olympia 2012 in Großbritannien eingebunden, und an welchen Treffen hierzu haben Angehörige von Polizei, Geheimdiensten oder des Militärs teilgenommen? Im Rahmen der Verhinderung von Gewalt im Umfeld von (Sport-)Großveranstaltungen bestehen besonders in der Europäischen Union umfassende Handlungsempfehlungen (EU – Handbuch – Entschließung des Rates vom 3. Juni 2010 betreffend ein aktualisiertes Handbuch mit Empfehlungen für die internationale polizeiliche Zusammenarbeit und Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Gewalttätigkeiten und Störungen im Zusammenhang mit Fußballspielen von internationaler Dimension, die zumindest einen Mitgliedstaat betreffen 2010/C 165/01). Gerade die Bundesrepublik Deutschland hat nach den Vorfällen 1998, WM in Frankreich, ein besonderes Interesse, eine Ansehensschädigung durch gewaltbereite Fußballhooligans zu verhindern. Dieser Erfahrungsaustausch und die internationale polizeiliche Zusammenarbeit haben sich in der Vergangenheit bei in Europa stattfindenden Turnieren bewährt (EM 2000 NL/B; EM 2004 POR; WM 2006 DEU; EM 2008 AUT/CH). Auch aus diesem Grund unterstützt das Bundesministerium des Innern und sein Geschäftsbereich Bundespolizei/Bundeskriminalamt/Bundesamt für Verfassungsschutz sowie das Bundeskanzleramt im Vorfeld der Sportgroßveran-staltungen 2012 die Vorbereitungen zur UEFA EURO 2012 in Polen und der Ukraine. Ziel ist ein abgestimmtes Vorgehen gegenüber deutschen gewaltbereiten Störern und die Strafverfolgung etwaiger deutscher Fußballanhänger im Ausland, die bei der Begehung von Straftaten im Zusammenhang mit den Fußballturnieren angetroffen werden. Ein wichtiger Bestandteil ist dabei der polizeiliche Informationsaustausch auf der Grundlage der nationalen rechtlichen Bedingungen und im Rahmen der Regularien des EU-Handbuchs sowie eine enge Einbindung des BMI aufgrund einer etwaigen grenz- und bahnpolizeilichen Zusammenarbeit der Bundespolizei mit den zuständigen Stellen der Republik Polen. Die Geschäftsbereichsbehörden waren daher anlassbezogen bei zahlreichen Veranstaltungen präsent. Das Bundesministerium der Verteidigung und der Militärische Abschirmdienst der Bundeswehr sind nicht in die Sicherheitszusammenarbeit anlässlich der Fußball-Europameisterschaft 2012 und der Olympischen Spiele 2012 eingebunden. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 54): Sieht die Bundesregierung den im Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt vereinbarten vereinfachten Zugang Schweizer Kreditinstitute zum deutschen Markt als vereinbar mit EU-Recht an, und wie begründet sie ihre Haltung? Der Marktzugang selbst ist nicht Gegenstand des Abkommens. Dies wird im Text deutlich klargestellt werden. Es sollen lediglich Vereinfachungen im Verwaltungsverfahren vorgesehen werden. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 55): Wann hat der Ständige Ausschuss für Finanzstabilität und Krisenmanagement des Bundesministeriums der Finanzen, BMF, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin, und der Deutschen Bundesbank in den Jahren 2010 und 2011 jeweils getagt (zu dem gemeinten Ausschuss vergleiche beispielsweise www.ecb.int/press/pr/date/2005/html/pr050518_1.en.html)? Der Ständige Ausschuss für Finanzmarktstabilität tagte im Jahr 2010 am 28. Januar, 15. Juli und 8. Dezember und im Jahr 2011 am 9. Mai, 16. August sowie am 5. Dezember. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/9084, Frage 56): Ist die Bundesregierung bereit, nach entsprechenden Diskussionen auf der Internationalen Tourismusbörse Berlin, ITB, 2012 im Interesse der Förderung von Tourismusreisen von Deutschland nach Ägypten dieses Reiseland zusammen mit Israel aus der Anlage 2 (Steuer 23,43 Euro) des Luftverkehrsteuergesetzes in die Anlage 1 (Steuer 7,50 Euro) zu überführen? Die Einteilung der Steuersätze in § 11 des Luftverkehrsteuergesetzes und der dazugehörigen Anlage erfolgte nach eindeutigen und objektiven Kriterien, die den Geboten von Steuergerechtigkeit und Gleichheit der Besteuerung gerecht werden. Eine Abweichung von dieser an messbaren Entfernungen orientierten klaren und nachvollziehbaren Einordnung und Zuweisung einzelner Länder zu einer anderen Distanzklasse würde das gewählte System durchbrechen und es infrage stellen. Insbesondere dann, wenn eine nicht transparente, aufgrund von einzelfallbezogenen Interessenlagen getroffene Entscheidung erfolgen würde. Zudem würde dies aus Sicht anderer Staaten, die nach der Systematik des Luftverkehrsteuergesetzes ähnlich weit wie Ägypten und Israel von Deutschland entfernt liegen, zu dem Vorwurf der Willkür führen. Flüge nach Ägypten und Israel werden daher genauso hoch besteuert wie Flüge in die Nachbarstaaten (Jordanien, Libanon, Syrien). Eine Überführung der beiden Länder Ägypten und Israel in die Anlage 1 zu § 11 Luftverkehrsteuergesetz ist schon aus rechtssystematischen Gründen abzulehnen und konterkariert und verkompliziert die transparente Distanzklasseneinteilung. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Frank Schwabe (SPD) (Drucksache 17/9084, Frage 57): Aufgrund welcher Analyse geht die Bundesregierung im „Eckwertebeschluss der Bundesregierung zum Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2013 und zum Finanzplan 2012 bis 2016 sowie zum Wirtschaftsplan des Sondervermögens‚ Energie- und Klimafonds“ von einem Preis von 10 Euro je CO2-Zertifikat im Jahr 2013 aus? Die Bundesregierung hatte ihre bisherigen Planungen zum Energie- und Klimafonds auf der Basis einer Preiserwartung von 17 Euro je Zertifikat getroffen. Diese Erwartung wurde durch die Preisentwicklung der letzten Monate nicht bestätigt. Die Bundesregierung hat daher mit nunmehr 10 Euro je Zertifikat für den Wirtschaftsplan 2013 ihre Preiserwartung deutlich zurückgenommen. Sie hat sich dabei zum einen an der Entwicklung der Preise im Vorjahr orientiert – im Jahresdurchschnitt 2011 lag der Preis bei rund 13 Euro mit sinkender Tendenz im zweiten Halbjahr. Zum anderen wurden Einschätzungen von Analysten berücksichtigt. Diese gehen übereinstimmend davon aus, dass unter den derzeitigen Rahmenbedingungen das Preisniveau der vergangenen Jahre auf absehbare Zeit nicht erreicht werden wird. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/9084, Frage 58): Wie bewertet die Bundesregierung – unter Angabe der Höhe und der Zahl der beanstandeten Zahlungen in Deutschland sowie der ergriffenen Maßnahmen – die Aussagen des Präsidenten des europäischen Rechnungshofes, Vitor Caldeira, der „Deutschland Geldverschwendung vorwirft“ (Capital, 22. März 2012), und inwieweit wird die Bundesregierung entsprechend dem Beschluss des Rechnungsprüfungsausschusses Transparenz über die EU-Mittel im Regierungsentwurf 2013 schaffen, in dem diese in den jeweiligen Einzelplänen explizit ausgewiesen werden? Der Präsident des Europäischen Rechnungshofs, -Vitor Caldeira, hat Deutschland in dem mit der Zeitschrift Capital geführten Interview keine „Geldverschwendung“ vorgeworfen. Dies entspricht auch nicht den Tatsachen. Das deutsche Mitglied beim Europäischen Rechnungshof, Dr. Noack, hat dies in einem Schreiben vom 21. März 2012, das unter anderem auch an den Haushaltsausschuss, den Rechnungsprüfungsausschuss und den Europaausschuss des Deutschen Bundestages gerichtet ist, bestätigt. Es entspricht im Übrigen auch nicht der Politik des Europäischen Rechnungshofs, sich zu konkreten Prüfungsergebnissen in den einzelnen Mitgliedstaaten zu äußern. Die Frage der Darstellung der EU-Mittel im Rahmen der Haushaltsaufstellung zum Bundeshaushalt kann nicht mit der in der Zeitschrift Capital wiedergegebenen Schlagzeile verknüpft werden. Das Thema der konkreten Mittelvergabe bzw. -verwendung von EU-Mitteln ist nicht Gegenstand der hier zitierten Beschlüsse des Rechnungsprüfungsausschusses vom 10. Juni 2011 und 10. Februar 2012. Auch hat der Bundesrechnungshof in seinem diesen Beschlüssen zugrunde liegenden Bericht das Thema der konkreten Mittelvergabe und -verwendung von EU-Mitteln nicht angesprochen. Dieser Bericht erfolgte zu der Thematik Darstellung der EU-Mittel im Bundeshaushalt und fokussiert allein die haushaltstechnische Veranschlagung der EU-Mittel. Hiermit wird der Zweck verfolgt, bereits bei Haushaltsaufstellung den Bundeshaushalt transparenter zu gestalten. Unabhängig davon wird die Bundesregierung, wie in ihrem Bericht vom November 2011 zugesagt, die Beschlüsse des Rechnungsprüfungsausschusses konsequent zur Verbesserung der Transparenz der Darstellung der EU-Mittel im Bundeshaushalt 2013 umsetzen. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/9084, Frage 59): Hält die Bundesregierung es zur Verbesserung der Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den gemeinsamen Einrichtungen als SGB-II-Grundsicherungsträger und den Personal zuweisenden Herkunftsdienststellen (Agentur für Arbeit und Kommune) für notwendig, dass die Beschäftigten der Jobcenter grundsätzlich auch ein Wahlrecht für die Personalräte der Herkunftsdienststellen erhalten, da dort weiterhin die Zuständigkeit für elementare Personalangelegenheiten wie Einstellung und Entlassung liegt, und sieht die Bundesregierung politischen bzw. gesetzgeberischen Handlungsbedarf zur Einführung eines Doppelwahlrechtes? Die Personalvertretungsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind eindeutig vom Gesetzgeber geregelt worden. Die gemeinsamen Einrichtungen besitzen eigene Personalvertretungen (§ 44 h Zweites Buch Sozialgesetzbuch – SGB II). Die Regelungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes, BPersVG, gelten entsprechend. Die Beschäftigten, denen Aufgaben in der gemeinsamen Einrichtung zugewiesen wurden, sind dort aktiv und passiv wahlberechtigt. Ein zusätzliches Wahlrecht für die Personalvertretungen der Herkunftsdienststelle, Agentur für Arbeit oder Kommune, ist nicht vorgesehen. Damit greift die allgemeine Regelung des § 13 Abs. 2 BPersVG. Beschäftigte, die zu einer Dienststelle abgeordnet oder zugewiesen werden, sind ausschließlich, vorbehaltlich eventuell abweichender Landesvorschriften, dort wahlberechtigt, wenn die Abordnung oder Zuweisung länger als drei Monate gedauert hat und nicht feststeht, dass sie innerhalb weiterer sechs Monate beendet wird. Lösen Entscheidungen einer Geschäftsführerin oder eines Geschäftsführers Beteiligungsrechte aus, ist der Personalrat der gemeinsamen Einrichtung zu beteiligen. Damit ist grundsätzlich immer der Personalrat der jeweiligen gemeinsamen Einrichtung zuständig. In den Fällen personalrechtlicher Entscheidungen, die in der Zuständigkeit der Träger verbleiben, ist wie bisher der jeweilige Personalrat des betroffenen Trägers zuständig. Insoweit werden die Beschäftigten, wie vom BPersVG vorgesehen, durch den Personalrat der Herkunftsdienststelle weiterbetreut, ohne dort wahlberechtigt zu sein. Aus Sicht der Bundesregierung besteht kein Anlass, von dieser Grundsatzregelung des BPersVG abzuweichen. Die Bundesregierung erachtet es als wichtig, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Jobcentern vor Ort eine zuständige Personalvertretung haben, die für die Belange und Interessen der Beschäftigten eintritt. Dadurch wird zudem das Ziel der Schaffung eines einheitlichen Personalkörpers in den gemeinsamen Einrichtungen gestärkt. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/9084, Frage 60): Was sind die zentralen Aussagen des Forschungsberichtes des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB, 3/2009 („Qualifizierungsmaßnahmen während Kurz-arbeit bei endgültigem Arbeitsausfall“) über den Verbleib der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach den Qualifizierungsmaßnahmen bzw. dem Austritt aus der strukturellen bzw. Transfer-Kurzarbeit (bitte aufführen Anteile nach den Kategorien arbeitslos, geförderte/ungeförderte Beschäf--tigung und weitere sowie, wenn möglich, nach Geschlecht und Alter), und welche neuen Daten bzw. Erkenntnisse -seitens der Bundesagentur für Arbeit bzw. des IAB gibt es darüber hinaus über den Verbleib der Bezieherinnen und -Bezieher von Transferkurzarbeitergeld (wenn möglich bitte auch mit üblicher Vermittlung durch die Arbeitsagentur -vergleichen)? Wie in wissenschaftlichen Publikationen üblich, werden auch im oben genannten IAB-Forschungsbericht die zentralen Aussagen in der Zusammenfassung dargestellt. Hierzu wird auf die Seiten 49 bis 55 des Forschungsberichts verwiesen. Die Ergebnisse stammen aus der Begleitforschung zu einem ESF-BA-Programm, von 2000 bis Mitte 2008 existierte. Ab Oktober 2008 wird die Förderung über das grundsätzlich inhaltsgleiche Programm „ESF mitfinanzierte ergänzende Qualifizierungsmaßnahmen für Bezieherinnen und Bezieher von Transferkurzarbeitergeld“ abgewickelt. Über die Umsetzung dieses Programms muss die Bundesregierung gegenüber der Europäischen Kommission regelmäßig berichten. Dies erfolgt über sogenannte Ergebnisindikatoren, die in Abstimmung mit der Europäischen Kommission festgelegt wurden. Für den -Bereich des Transferkurzarbeitergeld wird hierfür der folgende Indikator genutzt: Anteil der geförderten von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitskräfte, die ihre Arbeitsmarktchancen erhöht haben durch Befragungen von Teilnehmenden an Qualifizierungsmaßnahmen im Jahr 2009 wurde ermittelt, dass der Anteil rund 51 Prozent beträgt. Damit wird der mit der Europäischen Kommission abgestimmte Zielwert in Höhe von 40 Prozent weit überschritten. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 61): Wo fand das Treffen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe am 14. März 2012 zur Erarbeitung eines gemeinsamen Eckpunktepapiers zur Zukunft des Asylbewerberleistungsgesetzes statt, und wann ist nach Auffassung der Bundesregierung mit dem Beschluss eben dieses Papiers zu rechnen? Am 14. März 2012 hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe nicht getagt. Der Meinungsbildungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Ein neuer Sitzungstermin ist noch nicht bestimmt. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9084, Frage 62): Welche Bilanz zieht die Bundesregierung zum einjährigen Bestehen des Bildungs- und Teilhabepakets am 1. April 2012, und inwiefern sieht sie vor dem Hintergrund der geringen -Inanspruchnahme der Leistungen den verfassungsrechtlich garantierten Zugang zu Bildung und Teilhabe gewährleistet? Die Bundesregierung zieht zum einjährigen Bestehen des Bildungspakets eine insgesamt positive Bilanz. Die Inanspruchnahmequote steigt kontinuierlich. Die weitergehende Frage nach dem „verfassungsrechtlich garantierten Zugang zu Bildung und Teilhabe“ ist auslegungsbedürftig. Sollte damit die Förderung einer entsprechenden Infrastruktur gemeint sein – wie zum Beispiel die Einrichtung von Schulen –, so ist der Bund hierfür aufgrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung nicht zuständig. Soweit sich die Frage jedoch auf die Sicherung des spezifischen sozio-kulturellen Existenzminimums von Kindern bezieht, wurde dieses verfassungsrechtliche Gebot durch die Berücksichtigung der Bildungs- und Teilhabebedarfe in den sozialen Sicherungssystemen umgesetzt. Die Verpflichtung des Bundesgesetzgebers ist damit erfüllt, weil bei Vorliegen der entsprechenden materiell-rechtlichen Voraussetzungen ein Anspruch auf Deckung dieser Bedarfe besteht. Anlagen 20194 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 171. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 28. März 2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 171. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 28. März 2012 20193 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 20212 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 171. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 28. März 2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 171. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 28. März 2012 20211