Plenarprotokoll 17/174 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 174. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 25. April 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Demografie-strategie der Bundesregierung Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Ulrike Gottschalck (SPD) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Ingbert Liebing (CDU/CSU) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Franz Müntefering (SPD) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Petra Crone (SPD) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Sebastian Körber (FDP) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Ewa Klamt (CDU/CSU) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Franz Müntefering (SPD) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Petra Crone (SPD) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 17/9351) Mündliche Frage 1 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bestandsentwicklung beim Aal seit Inkrafttreten der Aalbewirtschaftungspläne Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Zusatzfragen Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 2 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entwurf des Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Zusatzfragen Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 3 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sanktionen für Pharmaunternehmen bzw. Großhändler wegen Versäumnissen bei der Einreichung der Daten zu verschriebenen Tierarzneimitteln im Jahr 2011 gemäß DIMDI-Arzneimittelverordnung Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Zusatzfragen Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 4 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Position der Bundesregierung zur Einführung eines EU-Schwellenwertes bei Verunreinigungen von Lebensmitteln mit in der EU nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Zusatzfragen Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 5 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Transparenz im Zusammenhang mit der Einführung eines EU-Schwellenwertes bei Verunreinigungen in Lebensmitteln mit in der EU nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Zusatzfragen Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 8 Karin Evers-Meyer (SPD) Effizientere Gestaltung des Betriebs der Offizierheimgesellschaften, Unteroffizierheimgesellschaften und Gemeinsamen Heimgesellschaften durch zivile Betreiber Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Mündliche Frage 9 Karin Evers-Meyer (SPD) Einordnung der im Dritten Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Solda-tinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz -zitierten Problemfälle hinsichtlich der Integration von Frauen in die Bundeswehr Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Mündliche Frage 12 Elke Ferner (SPD) Vereinbarung zwischen der Bundesministerin Schröder und der Referatsleiterin Caroline W. bezüglich der Erarbeitung eines gemeinsamen Buchprojekts Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfrage Elke Ferner (SPD) Mündliche Frage 13 Elke Ferner (SPD) Ausübung der Nebentätigkeit von Caroline W. in der gesamten Freizeit und Fürsorgepflicht des BMFSFJ Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfragen Elke Ferner (SPD) Mündliche Frage 14 Diana Golze (DIE LINKE) Verhältnis von propagierter Wahlfreiheit durch das Betreuungsgeld und geltendem Rechtsanspruch auf eine frühkindliche Förderung Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfragen Diana Golze (DIE LINKE) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Mündliche Frage 15 Jörn Wunderlich (DIE LINKE) Auswirkungen der Einführung des Betreuungsgeldes auf die finanzielle und soziale Lage Alleinerziehender Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfragen Jörn Wunderlich (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Sönke Rix (SPD) Diana Golze (DIE LINKE) Elke Ferner (SPD) Caren Marks (SPD) Mündliche Frage 16 Jörn Wunderlich (DIE LINKE) Positive Effekte einer Ganztagsbetreuung der Kinder von Alleinerziehenden Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfragen Jörn Wunderlich (DIE LINKE) Diana Golze (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) (zur Geschäftsordnung) Mündliche Frage 17 Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Auswirkungen der Einführung des Betreuungsgeldes auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern und zu erwartende Folgekosten Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfrage Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Mündliche Frage 18 Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Etwaiger Verzicht von Eltern auf die Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes zugunsten des Betreuungsgeldes Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfragen Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Mündliche Frage 19 Caren Marks (SPD) Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Einführung eines Betreuungsgeldes Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfragen Caren Marks (SPD) Mündliche Frage 20 Caren Marks (SPD) Zugrunde liegende Annahmen bei der Schätzung der Kosten für ein Betreuungsgeld sowie finanzielle Beteiligung der Länder Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfragen Caren Marks (SPD) Mündliche Frage 21 Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Zahlung des Betreuungsgeldes an Familien im Hartz-IV-Bezug Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfragen Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Mündliche Frage 22 Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Schlussfolgerungen aus der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung über Betreuungsgeldleistungen in den skandinavischen Ländern Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfragen Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Mündliche Frage 26 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Schaffung bundeseinheitlicher Standards für Nachtflugregelungen Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Mündliche Frage 27 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Reaktion des Bundes auf das von der NRW-Landesregierung beschlossene Nachtflugverbot für Passagierflugzeuge am Flughafen Köln/Bonn Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ursula Heinen-Esser (CDU/CSU) Mündliche Frage 28 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Forderung nach Zugeständnissen seitens der EU bei der Einbeziehung von Auslandsflügen in das europäische Emissionshandelssystem Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 34 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Position der Bundesregierung zur beschlossenen Exportquote für Glasaal Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE gemäß Anlage 5 Nr. 1 Buchstabe b GO-BT: zu den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen 15 und 16 auf Drucksache 17/9351 Diana Golze (DIE LINKE) Markus Grübel (CDU/CSU) Dagmar Ziegler (SPD) Miriam Gruß (FDP) Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Daniela Ludwig (CDU/CSU) Caren Marks (SPD) Sibylle Laurischk (FDP) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Max Straubinger (CDU/CSU) Sönke Rix (SPD) Norbert Geis (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 6 Inge Höger (DIE LINKE) Zusatzkosten für 2012 durch die deutsche Beteiligung an den EU-Battle-Groups Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 3 Mündliche Frage 7 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mehrbelastungen für die Bevölkerung durch den Ausbau des Hauptquartiers der US-Army in Wiesbaden Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 4 Mündliche Frage 10 Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage eines Gesetzesvorschlags zu einer Frauenquote durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 5 Mündliche Frage 11 Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erläuterung des von der Bundesministerin Schröder verwendeten Begriffs „feministisches Helikoptersystem“ Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 6 Mündliche Frage 23 René Röspel (SPD) Erkenntnisse der Bundesregierung über die Tätigkeit einer Klinik in Bonn im Zusammenhang mit Stammzelltherapien Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 7 Mündliche Frage 24 René Röspel (SPD) Rechtliches Instrumentarium zum Verbraucher- und Patientenschutz bei Therapien mit Stammzellpräparaten Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 8 Mündliche Frage 25 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Anzahl der im Bundesministerium für Gesundheit beschäftigten externen Mitarbeiter aus Körperschaften des öffentlichen Rechts Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 9 Mündliche Fragen 29 und 30 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umzurüstende Bahnübergänge im Rahmen des Programms zur Nachrüstung des dritten und vierten Seitenlichts; bereits umgerüstete Bahnübergänge und Kosten für das Nachrüstungsprogramm Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 10 Mündliche Frage 31 Gustav Herzog (SPD) Verlegung der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord nach Bonn und Zusammenziehung der Wasser- und Schifffahrtsdirektionen zu einer Generaldirektion in Bonn Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 11 Mündliche Frage 32 Gustav Herzog (SPD) Erster Spatenstich für die neue Schleusenkammer in Brunsbüttel am 17. April 2012 noch vor Ende der Ausschreibungen Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 12 Mündliche Frage 33 Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überprüfung der Kürzungen am Programm „Soziale Stadt“ Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 13 Mündliche Frage 35 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bisherige Zahlungen für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Atomkatastrophe von Tschernobyl Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 14 Mündliche Frage 36 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Meinungsbildung im BMU und BMWi zu der von der EU angestrebten Gleichstellung von Atomkraft und erneuerbaren Energien Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 15 Mündliche Frage 37 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einbeziehung des Flugverkehrs in den europäischen Emissionshandel Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 16 Mündliche Frage 38 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verhinderung eines kritischen Hintergrundberichts des Umweltbundesamtes zur EU-Klimapolitik durch das BMU Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 17 Mündliche Frage 39 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung für den Windpark Moldava im tschechisch-deutschen Grenzraum Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 18 Mündliche Frage 40 Garrelt Duin (SPD) Erarbeitung einer Roadmap für den Ausbau der Offshorewindenergie Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 19 Mündliche Frage 41 Frank Schwabe (SPD) Teilnahme des Bundesministers Röttgen am informellen Umweltministerrat vom 17. bis 19. April 2012 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 20 Mündliche Frage 42 Klaus Hagemann (SPD) Seit 2010 gewährte Fördermittel für Forschung im Bereich Photovoltaik sowie Zukunftsaussichten für die Herstellung von Solarzellen in Deutschland Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 21 Mündliche Frage 43 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Klärung des weiteren Verbleibs von 152 Castoren im Zwischenlager des Forschungszentrums Jülich Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 22 Mündliche Frage 44 Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) Unterstützung der Digitalisierung in Entwicklungsländern Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 23 Mündliche Frage 45 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auslegung des § 151 Abs. 2 Nr. 2 Bundesberggesetz hinsichtlich der Befreiung von Inhabern sogenannter alter Rechte von der Förderabgabe Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 24 Mündliche Frage 46 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Durchsetzung des EU-Waffenembargos gegen Syrien bei deutschen Reedern Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 25 Mündliche Frage 47 Frank Schwabe (SPD) Vorlage eines Gesetzentwurfs zum Thema Fracking Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 26 Mündliche Frage 48 Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Position des Europäischen Rates zu Art. 4 der Energieeffizienzrichtlinie in der Version vom 4. April 2012 Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 27 Mündliche Frage 49 Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kurzfristige Eigenkapitalbeteiligung der KfW am Offshorenetzausbau des Netzbetreibers TenneT Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 28 Mündliche Frage 50 Garrelt Duin (SPD) Beteiligung der KfW an einer Netzgesellschaft Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 29 Mündliche Frage 51 Klaus Brandner (SPD) Auswirkungen der Reduzierung der Bundeswehr in Afghanistan auf den Etat des Auswärtigen Amts Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 30 Mündliche Frage 52 Klaus Brandner (SPD) Zusagen auf dem NATO-Gipfel im Mai 2012 hinsichtlich der künftigen finanziellen Beteiligung Deutschlands am Afghanistan-Einsatz Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 31 Mündliche Frage 53 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schlussfolgerungen aus dem aktuellen Bericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung „Afghanistan Opium Survey 2012“ Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 32 Mündliche Frage 54 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitplan für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 33 Mündliche Frage 55 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Effektivität des Schutzes von Schiffen vor Piraterie im Seeeinsatzgebiet der Operation Atalanta sowie Gewährleistung des Schutzes unbeteiligter Zivilisten bei der beschlossenen Mandatsverlängerung Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 34 Mündliche Fragen 56 und 57 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Ausweitung der militärischen Operationszone im Rahmen von Atalanta Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 35 Mündliche Frage 58 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung der UN-Beobachtermission in Syrien Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 36 Mündliche Frage 59 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Träger, Geldgeber und Tätigkeiten des vom kasachischen Präsidenten Nasarbajew angekündigten Eurasischen Clubs Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 37 Mündliche Frage 60 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Informationsangebote des Bundeswahlleiters in einfacher Sprache Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 38 Mündliche Frage 61 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Anzahl der Menschen mit Behinderung ohne Möglichkeit zur Teilnahme an der Bundestagswahl 2009 sowie Ermöglichung einer Teilnahme aller Menschen mit Behinderung an der kommenden Bundestagswahl Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 39 Mündliche Frage 62 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Entwicklungen im Neonazi-Bereich Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 40 Mündliche Frage 63 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überprüfung von Twitter-Accounts im Rahmen der Buchvorstellung von Bundesministerin Schröder Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 41 Mündliche Frage 64 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anzahl der nicht im Bericht über den Einsatz externer Personen in der Bundesverwaltung erwähnten externen Mitarbeiter in den Bundesministerien Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 42 Mündliche Frage 65 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Sonderregeln für in Bundesministerien beschäftigte externe Mitarbeiter aus Körperschaften des öffentlichen Rechts Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 43 Mündliche Fragen 66 und 67 Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls gegen den in Ingolstadt wohnhaften und in den Niederlanden rechtskräftig verurteilten NS-Kriegsverbrecher Klaas Carel Faber Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 44 Mündliche Fragen 68 und 69 Ulrich Kelber (SPD) Schutz vor überhöhten Abmahnungen bei vermeintlichen Urheberrechtsverletzungen im Internet Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 45 Mündliche Frage 70 Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Unterschiede zwischen den Steuerabkommen Österreich-Schweiz und Deutschland-Schweiz Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 46 Mündliche Frage 71 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Weiterer Ankauf von Daten über Kapitalanlagen deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz nach Unterzeichnung des Steuerabkommens mit der Schweiz Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 47 Mündliche Frage 72 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Handlungsbedarf wegen des vermehrten Einsatzes von erbschaftsteuerlichen Gestaltungsmodellen zur Steuervermeidung Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 48 Mündliche Frage 73 Klaus Hagemann (SPD) Position der Bundesregierung bei der Zubemessung der sogenannten Unternehmereigenschaft an Forschungsorganisationen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 49 Mündliche Frage 74 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Handlungsbedarf im Hinblick auf die -Wertung von Einrichtungen der Grundlagenforschung als umsatzsteuerliche Unternehmen mit Berechtigung zum Vorsteuerabzug Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 50 Mündliche Frage 75 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Schlussfolgerungen aus der Kritik des Bundesrechnungshofes an der Nichtbe-steue-rung von in Deutschland ansässigen und auf Schiffen unter liberianischer Flagge tätigen Seeleuten infolge des geltenden Doppelbesteuerungsabkommen s Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 51 Mündliche Fragen 76 und 77 Siegmund Ehrmann (SPD) Einschränkung der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Lieferungen von Kunstgegenständen entsprechend den Vorgaben der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie sowie geplante Kompensationsleistungen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 52 Mündliche Frage 78 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Übertragung des Griechenland-Portfolios von der Hypo Real Estate Holding auf die FMS Wertmanagement im Oktober 2010 zu Werten über dem Nominalvolumen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 53 Mündliche Frage 79 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Berechnungen in Bezug auf die Übereinstimmung der künftigen Mindestgehaltsgrenze nach § 41 a Beschäftigungsverordnung mit den Vorgaben der Bluecard-Richtlinie der EU Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 54 Mündliche Fragen 80 und 81 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Die zehn Berufsgruppen mit dem größten Anteil Erwerbstätiger mit aufstockenden SGB-II-Leistungen sowie Ausgaben für aufstockende Leistungen und Anteil der Beschäftigten mit Niedriglohnbezahlung Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 55 Mündliche Fragen 82 und 83 Jutta Krellmann (DIE LINKE) Zeitplan und Konzepte im Zusammenhang mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Inhaltsverzeichnis 174. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 25. April 2012 Beginn: 13.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich und rufe gleich den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Demografiestrategie der Bundesregierung. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister des Innern, Herr Dr. Hans-Peter Friedrich. Bitte schön. Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundeskabinett hatte heute in seiner 100. Sitzung in dieser Wahlperiode ein wichtiges Thema auf der Tagesordnung, nämlich die Demografiestrategie der Bundesregierung. Wie Sie sich vielleicht erinnern, haben wir im Oktober im Kabinett den Demografiebericht, also den Bericht der Bundesregierung über die aktuelle demografische Lage und zu Prognosen der demografischen Entwicklung, zur Kenntnis genommen. Damals hat es nicht überrascht und überrascht auch heute nicht, dass sich die demografische Entwicklung in diesem Land dergestalt auswirkt, dass die Bevölkerungszahl sinkt und die Menschen im Durchschnitt älter werden. Es gilt, dieser Tatsache Rechnung zu tragen, statt wie das Kaninchen vor der Schlange abzuwarten, bis die Dinge zum Problem werden. Man sollte also die Chancen, die in einer solchen Entwicklung liegen, wahrnehmen. Ich glaube, die größte Chance besteht darin, dass man sich eine Modernisierung von Staat, von Gesellschaft, von Strukturen, von Arbeitswelt vornimmt. Deshalb hat die Bundesregierung in Form der vorliegenden Demografiestrategie ein Rahmenwerk entwickelt, welches den Titel trägt: „Jedes Alter zählt“. Mit dem Titel wird schon zum Ausdruck gebracht, was wichtig ist: Wir brauchen nämlich jeden in dieser Gesellschaft; wir brauchen das Potenzial eines jeden, um zum Gelingen dieser Gesellschaft beizutragen. Wir haben insgesamt sechs verschiedene Bereiche identifiziert, die als Rahmen für den Dialog mit Gesellschaft, Ländern und Kommunen dienen sollen. Erstens die Familie. Die Familie ist der Ort des engsten sozialen Miteinanders: Alt und Jung, Kinder, Eltern und Großeltern. Zweitens den Bereich der Arbeitswelt. Also: Wie muss sich die Arbeitswelt verändern, um den Anforderungen, den Wünschen und den Bedürfnissen der Menschen Rechnung zu tragen? Drittens selbstbestimmtes Leben auch im Alter. Ich glaube, auch das ist ein wichtiges, zentrales Thema. Viertens die Unterschiede zwischen ländlichen Räumen und Metropolen. Hier gibt es völlig unterschiedliche und sehr ausgeprägte Problemstellungen: Wie halten wir auf der einen Seite den ländlichen Raum attraktiv und lebenswert? Wie können wir auf der anderen Seite die Vielfalt, die sich in den Metropolen in vielerlei Hinsicht abzeichnet, zu einer integrierten Stadtpolitik zusammenfassen? Fünftens. Wie können wir als älter werdende Gesellschaft mit den jungen und dynamischen Volkswirtschaften dieser Welt auch in Zukunft konkurrieren und wettbewerbsfähig bleiben? Hier geht es also um den ökonomischen Aspekt. Sechstens die Frage der Handlungsfähigkeit des Staates, und zwar sowohl in finanzpolitischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die Dienstleistungsfähigkeit und die moderne Verwaltung des Staates. Nach Bekanntgabe des Beschlusses im Kabinett ist es jetzt unser Ziel, das weitere Vorgehen in verschiedenen Arbeitsgruppen, in denen ein Kovorsitz jeweils einem Ressortminister zufallen soll, während der andere Kovorsitzende aus einem der gesellschaftlichen Bereiche kommen soll, mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu diskutieren. Dies soll gruppen-, aber auch ebenenübergreifend geschehen; zugleich sollte aber bei den Ländern und Kommunen das Bewusstsein vorhanden sein, dass wir uns nicht in ihre Kompetenzen einmischen wollen, sondern dass wir gemeinsam mit ihnen eine Politik des demografischen Wandels aus einem Guss gestalten wollen. So weit, Herr Präsident. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank, Herr Minister. – Die erste Nachfrage geht an die Kollegin Bätzing-Lichtenthäler. Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD): Ganz herzlichen Dank, Herr Minister Friedrich. – Sie haben gerade die Demografiestrategie der Bundesregierung vorgestellt. Aktuell wird noch ein anderes Thema heiß diskutiert, nämlich das Projekt der Koalition zur Einführung eines Betreuungsgeldes. Ich würde mich freuen, wenn Sie kurz skizzieren könnten, wie ein solches Instrument wie das Betreuungsgeld mit den Zielen Ihrer Demografiestrategie – bessere Bildungschancen für Kinder, Integration und Fachkräftesicherung – in Einklang zu bringen ist. Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Das ist ein wichtiger Aspekt, der insbesondere mit dem ersten Themenkomplex Familien stärken zusammenhängt. Im Rahmen unserer Strategie haben wir als einen wichtigen Punkt identifiziert, dass sich unsere Familien mehr Zeitsouveränität für sich und ihre Angehörigen wünschen, um ihren jeweiligen familiären Wünschen, Anliegen und Vorhaben gerecht werden zu können. In diesem Rahmen spielt natürlich die Frage eine große Rolle, mit welchen zusätzlichen Möglichkeiten wir bei der Betreuung und Erziehung von Kindern Unterstützung gewähren können. In diesem Kontext geht es auch darum, dass die Zahl der Kitaplätze weiter ausgebaut wird, um für diejenigen – es sind immerhin zwischen 35 und 40 Prozent der Bevölkerung –, die ihr Kind früh in eine Kita geben wollen, eine entsprechende Möglichkeit zu schaffen. Andere entscheiden sich für Tagesmütter, wiederum andere wollen ihre Kinder selbst betreuen. Die entsprechende Wahlfreiheit sollte durch eine Vielfalt der Möglichkeiten in jeder Hinsicht unterstützt werden. Ich denke, dass das Betreuungsgeld, das von der Koalition vereinbart wurde und von der Bundesregierung beschlossen ist, hierzu einen Beitrag leisten kann. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Gottschalck, bitte. Ulrike Gottschalck (SPD): Sie haben im Bericht dargestellt, wie ungleichmäßig die demografische Entwicklung in den Regionen und in den Metropolen verläuft. Fakt ist, dass die Kommunen hierfür vor Ort einen großen Teil der Verantwortung tragen und entsprechende Maßnahmen umsetzen müssen. In dem Zusammenhang möchte ich fragen: Gibt es in Ihrem neuen Papier konkrete Vorschläge für eine Strategie, wie Sie die Kommunen stärken und fördern wollen? Das haben wir in der Beantwortung unserer Großen Anfrage ein wenig vermisst. Deshalb meine Nachfrage: Wo wollen Sie hier Verantwortung übernehmen, und welche Schwerpunkte wollen Sie setzen? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Was die finanzielle Entlastung der Kommunen angeht, hat diese Koalition, glaube ich, bereits Maßstäbe gesetzt; ich erinnere beispielsweise an die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung. Die finanzielle Entlastung aller Kommunen ist ein wichtiger Aspekt. Sie haben recht, dass insbesondere die Kommunen in strukturschwachen Gebieten gefordert sind, die vom demografischen Wandel in besonderer Weise betroffen sind. Es gibt hier – das haben Sie in Ihrer Frage auch bereits zum Ausdruck gebracht – hervorragende Beispiele, insbesondere von Kommunen in den neuen Ländern, die zuallererst gefordert waren – manche schon vor 20 Jahren –, weil sie die Hälfte ihrer Bevölkerung in kürzester Zeit verloren haben. Der Dialog mit den Kommunen ist also sehr wichtig. Wir wollen deswegen eine Internetplattform schaffen, um mit den Ländern – das müssen wir allerdings mit ihnen noch besprechen – und Kommunen zu einem Dialog zu kommen. Ein Problem ist – damit wird auch jeder von uns immer wieder in seinem Wahlkreis konfrontiert –, dass es eigene Programme des Landes, des Bundes und der Kommunen gibt. Das Programm des Bundes läuft dann aus; die Anschlussfinanzierung ist nicht gesichert. Dieses Durcheinander muss beendet werden. Wir brauchen für jeden Bereich, für Kommunen oder etwas größere Regionen, einen Gesamtansatz. Wir wollen versuchen, einen solchen mit einem Dialog über diese Strategie zu erreichen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Dittrich, bitte. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Vielen Dank. – Ich möchte Sie gerne fragen, ob Sie mit mir übereinstimmen bzw. es ebenso sehen: Laut Art. 20 des Grundgesetzes ist die Bundesrepublik ein „sozialer Bundesstaat“. Die Demokratie hat sich im Verlauf der Jahrtausende von der griechischen Antike, als nur freie, besitzende, reiche Bürger abstimmen durften, über den Feudalismus bis hin zum jetzigen Parlamentarismus, in dem alle Bürger, nicht nur die Reichen und Besitzenden bzw. die Unternehmer, abstimmen dürfen, entwickelt. Im Hinblick auf die Demografie bedeutet das, dass man davon ausgehen muss, dass die Menschen, die arbeiten, all diejenigen unterhalten müssen, die noch nicht arbeiten, also die Kinder, diejenigen, die nicht arbeiten können, also die Menschen mit Behinderung, und diejenigen, die schon älter sind und nicht mehr arbeiten müssen, ebenso wie die kleine, radikale Minderheit, die in keiner Gesellschaftsordnung jemals gearbeitet hat, weil sie es nicht nötig hat. Nach Angaben der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung haben wir nun eine demografische Situation, in der der Gesamtquotient der Menschen, die nicht arbeiten bzw. nicht im arbeitsfähigen Alter sind und unterhalten werden müssen, geringer ist als in den 70er-Jahren. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Wie können Sie angesichts dessen von einer „Verteilungsproblematik“, von einer Spaltung zwischen Alt und Jung sprechen? Wie kommen Sie auf solch eine Spaltung? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Zunächst einmal stimme ich Ihnen voll und ganz zu: Ich glaube, dass es in der Geschichte auch im internationalen Vergleich kaum ein Land gibt, das mit einer solchen rechtsstaatlichen Kraft für die Gesamtheit, für die Summe seiner Bürger sorgt wie dieses Land. An der Gestaltung dieses Sozialstaates haben so viele Menschen mitgewirkt. Sie haben recht: Wir können wirklich stolz darauf sein und müssen alles daransetzen, dass es auch in Zukunft unter veränderten Bedingungen so bleibt. Ein Zustand wird jedoch immer bleiben: Diejenigen, die arbeiten können, die aktiv sein können, müssen etwas für die tun, die nicht mehr arbeiten können, die nicht mehr aktiv sind. Dieser Verteilungszusammenhang wird immer existieren. Die Aktiven sind also auch für diejenigen da, die nicht mehr aktiv sein können. Im Idealfall sind nur diejenigen nicht aktiv, die es objektiv nicht können, und nicht auch diejenigen, die es nicht wollen. Notwendig ist, dass wir das Potenzial all derjenigen nutzen, die schaffen, arbeiten und einen Beitrag leisten können. So gewinnen wir – jeder von uns – vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung zusätzliche Jahre. Wir haben diese als „gewonnene Jahre“ bezeichnet, die man für sich nutzen kann, aber auch für die Gesellschaft im Ehrenamt einbringen kann. Ich glaube, wir können auch unter den veränderten Bedingungen das Potenzial, das überall in der Bevölkerung vorhanden ist, optimal nutzen, um diese Gesellschaft, dieses Land voranzubringen und, wie Sie richtig sagen, seine großen sozialen Errungenschaften zu bewahren. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Liebing. Ingbert Liebing (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie haben bei der Darstellung der verschiedenen Handlungsfelder unter viertens darauf hingewiesen, wie unterschiedlich sich die demografische Entwicklung in den ländlichen und den städtischen Regionen vollzieht: In den ländlichen Regionen kommt der demografische Wandel früher an und ist in seinen Wirkungen heftiger; manche Probleme sind schon heute sehr viel stärker spürbar. Ich würde gerne von Ihnen wissen, inwieweit Sie mit dieser Strategie spezielle Lösungsansätze für diese ländlichen Regionen anbieten, welche speziellen Themen- und Handlungsfelder Sie dort identifiziert haben und ob mit dieser Strategie schon bestimmte Maßnahmen verbunden sind, die umgesetzt werden sollen. Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Vielen Dank. – Die Antwort auf die Frage: „Wie können wir die ländlichen Räume lebenswert halten?“, fällt ja sehr individuell aus; denn es ist ein Unterschied, ob eine Kleinstadt im Umfeld von Berlin oder München liegt oder irgendwo fernab der Metropolen. Insofern hat man auch in den ländlichen Räumen durchaus unterschiedliche Ausgangspunkte und -situationen. Wichtig ist aber, dass wir insbesondere in vier Bereichen dafür sorgen, dass der ländliche Raum und die strukturschwächeren Gebiete lebenswert bleiben: im Bereich Bildung, also beim Zugang zu Bildung, auch zu Weiterbildung für junge Menschen, für Kinder; im Bereich Infrastruktur, insbesondere Verkehrsinfrastruktur, Mobilität, aber auch Internet – ein spezielles Thema, über das man ausführlicher sprechen müsste –; im Bereich Gesundheitsversorgung – auch das wird ein Schwerpunkt sein, bei dem sich der Bundesgesundheitsminister in besonderer Weise einbringt – und schließlich im Bereich Kultur; ich glaube, das darf man nicht unterschätzen. Wir müssen dafür sorgen, dass nicht die Situation entsteht, dass es nur noch in den Großstädten und Metropolen einen Zugang zu Kultur gibt und nicht mehr sozusagen draußen in den ländlichen Räumen. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass auch in den ländlichen Räumen der Zugang zu Kultur – Erreichbarkeit von Theatern, von Kinos usw. – gewährleistet ist. Das ist eine große Aufgabe, insbesondere muss man sich hier der Frage stellen: Welche neuen Mobilitätskonzepte brauchen wir? Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Scharfenberg. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie haben in der Demografiestrategie „Selbstbestimmtes Leben im Alter“ als einen der zentralen Punkte identifiziert. In diesem Zusammenhang wird auch auf die pflegerische Versorgung Bezug genommen. Es werden einige wichtige und auch richtige Punkte genannt, beispielsweise die Einführung des neuen Pflegebegriffs oder auch das Thema Prävention. Sie haben zu Beginn gesagt: Wir dürfen nicht abwarten, bis die Dinge zum Problem werden. Darum frage ich Sie: Wenn wir erkannt haben, dass wir die Einführung eines neuen Pflegebegriffs und auch eine Stärkung der Prävention gerade im Bereich „Selbstbestimmtes Leben im Alter“ brauchen, warum wird dann dieses Wissen im aktuellen Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz nicht genutzt? Warum greift man nicht darauf zurück, indem man sich mit dem Pflegebegriff oder auch mit dem Thema Prävention befasst? Warum werden jetzt nur Absichtserklärungen formuliert, denen aktuell nichts folgt, obwohl wir das wissen und auch Sie der Auffassung sind, dass wir nicht abwarten dürfen, bis die Dinge zum Problem werden? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Sie weisen völlig zu Recht darauf hin, dass der Aspekt Pflegebegriff in der aktuellen Diskussion eine wichtige Rolle spielt. Ich will mich in die Auseinandersetzungen der Fachpolitiker nicht einmischen, kann aber sagen, dass wir bei den verschiedenen Veranstaltungen, die wir im Vorfeld durchgeführt haben, ein Faktum festgestellt haben, nämlich dass in Deutschland der Zeitraum zwischen dem Auftreten von Pflegebedürftigkeit und dem Tod relativ lang ist, und zwar viel länger als in anderen Ländern. Hier kommt der Prävention eine besondere Bedeutung zu; denn alle Experten sagen uns: Ihr wärt in der Lage, diesen Zeitraum zu verringern, wenn ihr im Bereich Prävention früher und konsequenter ansetzt. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass Alter – früher war es definiert: Jemand ist nicht mehr im Arbeitsprozess, jemand kann sich nicht mehr beteiligen und bekommt Rente – heute eine völlig neue Dimension hat. Wir haben aktive Senioren, wir haben Menschen, die zwar aus dem aktiven Erwerbsleben ausscheiden, aber die noch für viele erfüllte Jahre Kraft haben und die sich am gesellschaftlichen Geschehen beteiligen können. Insofern hat auch Alter heute ganz verschiedene Abschnitte. Der Pflegeabschnitt ist sehr wichtig, aber ihm geht der Abschnitt der Prävention voraus. Hier wollen wir einen Schwerpunkt setzen. Im Bereich der Pflege ist es notwendig, dass Aspekte des menschenwürdigen Lebens auch in einer solch hilflosen Situation beachtet werden. Als Expertin für den Bereich Pflege werden Sie mit den Kollegen einen fruchtbaren und sinnvollen Dialog führen, der im weiteren Fortgang auch in die Strategie einfließen wird. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Müntefering. Franz Müntefering (SPD): Herr Minister, Sie nehmen die Zahlen bis 2030 als Grundlage für die Strategie. Das ist eine Verniedlichung und auch ein bisschen eine Irreführung, weil man sehr genau weiß, dass wir es 2050 bzw. 2060 mit ganz anderen Dimensionen zu tun haben. Die Menschen, die heute 20 Jahre alt sind, werden 2030  38 Jahre alt sein; es liegen dann aber noch 20, 30 Jahre vor ihnen, in denen sie in aller Massivität mit den Aufgaben konfrontiert sein werden, die sich aus der zukünftigen Situation ergeben. Sie sprechen über Metropolen und ländliche Räume, sagen aber nichts dazu, dass es Städte, auch große Städte, gibt, die längst ganz konkret erhebliche Probleme mit dem demografischen Wandel haben. Sie sind mitten drin. Das Land kann man also nicht in Dörfer und Städte aufteilen, sondern hier geht es um ganz andere Dimensionen. Sie sagen eigentlich nichts dazu, was getan werden soll, damit die Kommunen in entsprechender Weise – so unterschiedlich sie betroffen sind – in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Im Gegenteil, Sie kündigen – sozusagen eine Verkündigung aus dem Kanzleramt – an: Es wird Gipfel geben. Wären Sie bereit, im weiteren Verlauf der Debatte die Zahlen bis 2050/2060 zur Grundlage zu nehmen und dafür zu sorgen, dass es einen Dreieckstisch gibt, an dem Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen und möglichst auch vom Parlament sitzen, damit man zu Regelungen kommt, die wirklich zielführend sind? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Herr Müntefering, Sie geben einen wichtigen Hinweis. Wir haben uns im Demografiebericht vom Oktober auch die Zahlen bis 2050 angeschaut. Je nach Szenario, das man zugrunde legt, kommt man auf bis zu 17 Millionen Menschen weniger in Deutschland. Insofern haben Sie recht: Man könnte einen längeren Zeitraum nehmen. Warum haben wir einen kürzeren gewählt? Weil es ohnehin sehr schwierig ist, in die Zukunft zu blicken. Je weiter man in die Zukunft geht, umso zahlreicher und nebulöser werden die möglichen Szenarien. Deswegen haben wir gesagt: Wir nehmen einen überschaubaren Zeitraum. Ich glaube, 20 Jahre sind eine Zeit, an der man sich auch sehr konkret bei den tagespolitischen Weichenstellungen orientieren kann. Sie sagen darüber hinaus etwas ganz Zentrales: Wir brauchen für das Gelingen der Modernisierung von Staat und Gesellschaft vor allem diejenigen, die unmittelbar vor Ort aktiv sind. Das sind die Kommunen. Deswegen haben wir die Kommunen einbezogen. Dem Bericht – übrigens auch der Strategie – liegen die Handlungsempfehlungen aus den neuen Ländern zugrunde, wo Bürgermeister schon sehr viele Erfahrungen gesammelt haben. Wir haben gestern bei der Veranstaltung im Kanzleramt Landräte und Stadträte aus den Metropolen eingeladen. Selbstverständlich haben wir vor, einen ganz engen Dialog mit den Kommunen zu führen. Mit den Ländern wollen wir über die Einrichtung eines Internetportals sprechen, sodass wir unter Nutzung der modernen Kommunikationsmöglichkeiten sehr zügig ins Gespräch kommen können. Wie genau wir das konkret machen werden – mit Dreiecks-, Vierecks-, Fünfecks- oder runden Tischen –, können wir uns überlegen. Ich bin für alle Vorschläge offen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Rößner. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, lassen Sie mich eine kurze Vorbemerkung zur Information des Bundestages machen. Während wir als Bundestagsabgeordnete die Strategie erst heute zu Gesicht bekommen haben, lag sie einzelnen Medien – wie der Zeit oder der Welt – schon seit mindestens fünf Tagen vor. Das verwundert schon sehr. Vielleicht können Sie dazu etwas sagen; denn auch die Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ wurde der Presse vorab zugespielt, bevor die Öffentlichkeit und der Bundestag darüber informiert wurden. Meine Frage bezieht sich auf die Breitbandversorgung. Sie geben das Ziel an, bis 2014 in drei Vierteln der Haushalte Breitband mit 50 Megabit zur Verfügung zu stellen. Ich frage Sie: Mit welchen Mitteln wollen Sie dieses Ziel in gut eineinhalb Jahren erreichen, da heute nicht einmal 10 Prozent der Haushalte eine solche Bandbreite nutzen oder nutzen können? Bedarf es nicht erst einmal einer flächendeckenden Grundversorgung von richtigem Breitband? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Sie sagen zu Recht, dass diese Strategie schon im Vorfeld diskutiert wurde. Wir haben an der Erarbeitung dieser Strategie – das muss man sehen – fast alle Ressorts beteiligt. Es gab also eine breite Einbindung, und da ist es immer möglich, dass Teile der Strategie vorab bekannt werden. (Caren Marks [SPD]: Das ist die einzige Strategie an der Strategie!) Ich glaube aber, dass es unschädlich ist, wenn man darüber redet und diskutiert. Wir wollen ja eine breite Debatte anstoßen. Das Gesamtwerk ist heute im Kabinett beschlossen worden. Es wird Ihnen heute vorgelegt. Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt, auf den es ankommt. Wir werden sehen, wie wir künftig die Vorschläge, die im Dialog bzw. in den Gesprächen gemacht werden, einbeziehen. Das ist überhaupt keine Frage. Alles, was Ihrerseits, vonseiten des Parlaments und vonseiten der Gesellschaft, an Impulsen kommt, wird aufgenommen. Das ist ein Prinzip, eine Methode, eine Herangehensweise, die wir so vereinbart haben. Wir stehen jetzt ja am Beginn dieses Prozesses. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir am Ende des Strategiepapiers unter der Überschrift „Ebenenübergreifender Dialog“ die Gründung von Arbeitsgruppen angekündigt haben, bei denen die verschiedenen Ressortchefs Kovorsitzende sein sollen. Wenn Sie sich das anschauen, erkennen Sie, dass die Möglichkeit besteht, sich an der einen oder anderen Stelle einzubringen. Ich glaube, das ist insbesondere für das Parlament ein wichtiger Punkt, weil jeder von uns in seinem Wahlkreis gefordert wird. Präsident Dr. Norbert Lammert: Mit Blick auf die nach wie vor beachtliche Anzahl von Wortmeldungen möchte ich noch einmal darum bitten, die vorgesehene Redezeit von einer Minute möglichst einzuhalten. Nächste Frage von Frau Crone. Bitte. Petra Crone (SPD): Danke sehr, Herr Präsident. – Herr Minister, im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel sprechen wir immer vom Fachkräftemangel. Zwei Berufsgruppen sind davon schon jetzt besonders betroffen: die Pflegerinnen und die Erzieherinnen. Die Arbeitsbedingungen und die Ausbildung in diesen Bereichen müssen ganz schnell und ganz massiv verbessert werden. Ich frage Sie: Muss Ihre Strategie in Anbetracht dieser Herausforderung – ich denke vor allem an den erforderlichen Ausbau im Bereich der Kinderbetreuung – nicht bereits heute um dieses Thema ergänzt und entsprechend konkretisiert werden? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Sie haben absolut recht. Das Thema Zuwanderung ist ein zentrales Thema, auch in der aktuellen tagespolitischen Auseinandersetzung. (Petra Crone [SPD]: Zuwanderung?) – Ich dachte, Sie meinten die Zuwanderung von Pflegekräften. (Petra Crone [SPD]: Ausbildung!) – Entschuldigung. Das habe ich missverstanden. Die Ausbildung von Pflegekräften ist ein zentrales Thema. Beim Thema Pflegekräfte dachte ich an die Diskussion über die Pflegekräfte, die aus anderen Ländern zu uns kommen, die heute oder gestern geführt wurde. Ich bitte um Verzeihung. Die Ausbildung von Pflegekräften ist ein wichtiges Thema. Es ist auch dafür zu sorgen, dass in den Kitas bzw. Kindergärten ausreichend Erzieherinnen vorhanden sind. Das werden zentrale Themen sein, über die wir mit Frau von der Leyen und Frau Schröder, aber auch mit der Wissenschaftsministerin sprechen werden. Die Wissenschaftsministerin hat ja angekündigt, das ganze nächste Jahr unter die Überschrift „Forschung und Demografie“ zu stellen. Ich glaube, es wird möglich sein, dass Familien-, Frauen- und Jugendministerium, Arbeitsministerium und Forschungsministerium gemeinsam einen Ansatz finden, wie wir qualitativ hochwertig ausgebildete Erzieherinnen und Pflegekräfte zur Verfügung stellen können; denn – damit haben Sie völlig recht – das sind wir den Menschen schuldig, auch unseren Kindern. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Körber. Sebastian Körber (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Bundesminister, Sie haben viel Richtiges zu den Punkten ausgeführt, die große Konsequenzen für den ländlichen Raum haben werden: Zugang zu Bildung und Mobilität. Vielleicht können Sie noch etwas dazu ausführen, was konkret im Bereich des Wohnens, des Städtebaus gemacht wird. Wenn ältere Menschen so lange wie möglich zu Hause wohnen können, was oftmals ihr Wunsch ist, ist das ja auch günstiger. Bundesminister Bahr hat das Modell der Pflege-WG vorgestellt. Vielleicht können Sie dazu etwas ausführen. Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Sie haben einen wichtigen Hinweis gegeben. Das Modell der Pflege-WG und unsere Überlegungen zum Handlungsfeld „Selbstbestimmtes Leben im Alter“ machen deutlich, dass wir uns hier stark engagieren und uns der Frage stellen, wie wir dafür sorgen können, dass Menschen in ihrem häuslichen Umfeld Pflege erfahren. Es geht hier um zentrale Fragen, die jetzt beantwortet werden müssen. Der Bauminister hat in verschiedenen Zusammenhängen darauf hingewiesen, dass eine große Offensive auf den behindertengerechten und altersgerechten Aus- und Umbau von Wohnungen zielt, sodass man sich in diesen Wohnungen auch mit Rollstühlen und Gehhilfen fortbewegen kann. Das alles sind wichtige Bestandteile der Strategie. Diese müssen jetzt, wie gesagt, von den Fachpolitikern vorangetrieben werden, wobei natürlich eine enge Verzahnung mit den Sozialministerien der Länder notwendig ist. Man muss ja sehen, dass wir vonseiten der Bundesregierung in vielen Bereichen zwar den Rahmen vorgeben und Impulse setzen können, dass vieles aber durch die Länder, insbesondere durch die Sozialministerien, ausgeführt bzw. gesetzlich umgesetzt werden muss. Jetzt kommt es darauf an, dass wir all die Ansätze, die schon existieren, zusammenführen und bündeln, um dann gemeinsame Lösungen zu präsentieren. Ich weiß nicht, wie ich jetzt noch am besten den Bogen zum Breitbandausbau schlagen kann; auch danach haben Sie ja gefragt. Der Breitbandausbau ist ein wichtiges Thema, über das wir natürlich auch mit den Ländern sprechen müssen; denn Breitbandstrategie und -ausbau sind nicht nur Bundesangelegenheit, sondern auch Angelegenheit der Länder und der Kommunen. Über eines sind wir uns, glaube ich, alle im Klaren: Genauso wichtig, wie es ist, weit abgelegene Dörfer mit Strom und Wasser zu versorgen und Straßen dorthin zu bauen, ist es, diese Dörfer mit Internetanschlüssen und Breitband zu versorgen. Hierzu ist eine große Kraftanstrengung erforderlich. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Klamt, bitte. Ewa Klamt (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie haben ausgeführt, dass eines der strategischen Handlungsfelder die Sicherung der Grundlagen für nachhaltiges Wachstum und für Wohlstand ist. Dazu gehört natürlich, die Bildungspotenziale in unserem Land zu sichern. Wir machen derzeit bereits viel, um in den Bereichen Aus- und Weiterbildung sowie Qualifizierung vorwärtszukommen. Ich glaube, das müssen wir uns immer wieder auf die Fahne schreiben. Wir sind heute eines der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder dieser Welt, gleichzeitig schrumpft unsere Bevölkerung, wir haben weniger junge Menschen. Daher stellt sich trotz der gerade genannten Maßnahmen die Frage: Wie decken wir unseren Bedarf an Fachkräften ab? Werden wir dies aus eigener Kraft schaffen, oder müssen wir uns ein Stück weit in Richtung Zuwanderung und einer Willkommenskultur öffnen? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Ich glaube, man muss hier eine bestimmte Reihenfolge einhalten: Erstens muss man alle Potenziale, die man im eigenen Land hat, nutzen und ausschöpfen. Das tun wir – Sie haben es angesprochen – über Bildungsstrategien und Ausbildungsallianzen vor Ort. Wir müssen auch älteren Menschen bei der Weiterbildung, bei der Fortbildung, bei der Umschulung, bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten helfen, damit sie sich einbringen und ihre Fähigkeiten und Potenziale entwickeln können. Wir müssen also erstens die eigenen Potenziale nutzen. Zweitens weise ich in diesem Zusammenhang auf den europäischen Aspekt hin. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Spanien bei etwa 46 Prozent und in Italien bei etwa 32 Prozent. Wir haben einen gemeinsamen Währungsraum und müssen begreifen, dass jeder arbeitslose Jugendliche, zum Beispiel in Italien, in Spanien oder in Portugal, eine Belastung für unsere gemeinsame Währung darstellt. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir europäisch denken und auch das Potenzial nutzen, das in Europa zur Verfügung steht. Wir müssen sehr eng mit den anderen europäischen Ländern zusammenarbeiten. Soweit ich weiß, hat die Bundesagentur für Arbeit bereits eine Offensive gestartet, um beispielsweise junge Leute aus Spanien hierher zu bringen. Drittens muss man sich natürlich auch im Rest der Welt umschauen. Was brauchen wir? Welche Fachkräfte brauchen wir? Wer möchte mit uns zusammen in un-serem Land die Gesellschaft und die Zukunft gestalten? Es ist wichtig, dieses Thema in dieser Reihenfolge – Deutschland, Europa, Welt – zu betrachten. Ich kann Ihnen die freudige Botschaft überbringen, dass Sie daran mitwirken können. Am Freitag ab 9 Uhr wird dieses Hohe Haus über die Umsetzung der Bluecard-Richtlinie der Europäischen Union beraten, durch die die Möglichkeiten von Fachkräften, nach Deutschland zu kommen, erweitert werden. Ich hoffe, dass der Deutsche Bundestag die Umsetzung der Bluecard-Richtlinie am Freitag in zweiter und dritter Lesung verabschieden wird. Insofern, glaube ich, sind wir auch in dieser Frage auf einem richtigen Weg. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dass die Bundesregierung jetzt aktiv für die Teilnahme an Plenarsitzungen wirbt, nehme ich mit besonderer Freude zur Kenntnis. (Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister: Ich dachte, das sei Ihnen recht!) – Absolut. Eben darum habe ich darauf hingewiesen. – Jenseits unserer üblichen 30-Minuten-Regelung liegen mir jetzt noch fünf Wortmeldungen vor. Ich schlage vor, dass wir diese noch aufrufen, dass ich damit aber auch die Liste der Nachfragen abschließe. Ich habe mir notiert: Frau Bätzing, Frau Dittrich, Franz Müntefering, Frau Scharfenberg und Frau Crone. Können wir so verfahren? – Sie wollten auch gerne noch einmal nachfragen? (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hatte mich auch gemeldet! Sie hatten mir sogar zugenickt! – Heiterkeit) – Ich nicke manchmal, ohne dass daraus Rechtsansprüche hergeleitet werden können. – Ich unterstelle, dass allgemeines Einvernehmen besteht, dass ich auch Sie noch einmal aufrufe. Aber wir sollten uns jetzt bemühen, es so kurz und knapp wie eben möglich zu halten. – Frau Bätzing. Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Friedrich, ich bin über Ihre Antwort von eben etwas verwundert. Sie haben gesagt, dass das Programm „Altersgerecht umbauen“ extrem wichtig ist und dass Sie es sehr bemerkenswert finden. Das finden auch wir. Umso mehr verwundert es, dass Sie die finanziellen Mittel für das Programm gekürzt haben; das nur als Vorbemerkung. Ich möchte eine Frage stellen, die sich auf das Thema Altersarmut bezieht. Ihre Kabinettskollegin Frau von der Leyen hat immer wieder vor der drohenden Altersarmut gewarnt. Wir wissen, dass gute Löhne für gute Renten sorgen. Ich frage Sie: Welche Zielsetzungen verfolgen Sie mit Ihrem Konzept bzw. Ihrer Strategie in Bezug auf den Zusammenhang zwischen guter Arbeit, guten Löhnen und guter Rente? Oder spielt dieses Thema vielleicht gar keine Rolle? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Schon allein die Tatsache, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit und die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft thematisieren – es geht nämlich darum, Arbeitsplätze zu schaffen; es gab in diesem Land übrigens noch nie so viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse wie derzeit –, zeigt, wie wichtig uns dieses Thema ist. Jeder Einzelne soll die Möglichkeit haben, sich weiterzuqualifizieren, sich weiterzubilden und vo-ranzukommen. Sie haben das Thema Rente angesprochen. Ich glaube, dies ist einer der Schwerpunkte, über den wir zu reden haben. Es geht um einen veränderten Zugang zu den Fragen: Wie geht man in Rente? Gibt es Übergangsformen? Gibt es eine echte Altersteilzeit, die anders organisiert ist als das, was wir in diesem Bereich einmal hatten? Ist beispielsweise eine Kombination aus Rente und Teilzeitarbeit bzw. eine Zuschussrente möglich? Ich glaube, dies ist ein wichtiger Punkt. Der entscheidende Leitsatz lautet: Wir wollen denjenigen, die gearbeitet haben, und denjenigen, die Vorsorge getroffen haben, gerecht werden, indem wir dafür sorgen, dass sie im Alter eine auskömmliche Rente erhalten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Dittrich. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Herr Minister, ich möchte Sie fragen: Warum wird die Beschäftigung älterer Menschen, auch über das Rentenalter hinaus, von der Bundesregierung so sehr befürwortet – Sie sagten, dass wir jeden brauchen und alle -Potenziale ausschöpfen müssen, auch die von Frauen und Alleinerziehenden –, obwohl es bei uns immer noch Erwerbslose gibt und sogar Erwerbslose aus Spanien nach Deutschland einwandern dürfen? Das hat nämlich zur Folge, dass bei uns in Deutschland Auszubildende nicht übernommen werden. Denken Sie auch an die Frauen, die bei Schlecker gearbeitet haben und nun, mit über 55 Jahren, keinen anderen Arbeitsplatz mehr finden, vielleicht auch deshalb, weil sie zu Hause jemanden pflegen. Was bedeutet es für Sie, dass hauptsächlich Ältere weiterarbeiten sollen, wie es Ihr Vorschlag der Kombirente vorsieht? Wollen Sie für die armen Menschen ein Modell schaffen, das sicherstellt, dass sie lebenslang weiterarbeiten können, solange sie es können? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Wir wollen jedem, der arbeiten will und kann, die Möglichkeit eröffnen, dies zu tun; darum geht es. Wir wollen jedem in diesem Land, der arbeits- und ausbildungswillig ist, die Chance eröffnen, einen Ausbildungsplatz zu finden bzw. zu arbeiten. Deutschland soll ein Land der Chancen sein. Wir als christlich-liberale Regierung gehen von einem mündigen, selbstständigen Menschen aus, der bemüht ist, sich zu entfalten und sich seinen Möglichkeiten entsprechend einzubringen. Ich glaube, wenn wir von diesem Menschenbild ausgehen, wird es gelingen, dieser Gesellschaft eine gute Zukunft zu ermöglichen. (Manuel Höferlin [FDP]: Gute Antwort! – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja! Eine sehr gute Antwort!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Müntefering. Franz Müntefering (SPD): Ich komme auf die Zahlenbasis der Strategie, die Sie uns vorgelegt haben, zurück. Als Grundlage nehmen Sie die Zahlen bis 2030. Das Statistische Bundesamt und viele Wissenschaftler verfügen über entsprechende Erkenntnisse bis zum Jahr 2050 oder 2060; das wissen auch Sie. Meine Frage: Wären Sie bereit, an dieser Stelle nachzuarbeiten und dem Deutschen Bundestag in absehbarer Zeit sozusagen den Teil zwei Ihrer Strategie vorzulegen, damit wir sehen können, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn man über das Jahr 2030 hinausblickt? Oder würden Sie uns raten, Ihnen eine Kleine Anfrage zukommen zu lassen, die Sie uns dann in den nächsten 14 Tagen oder drei Wochen beantworten? (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Sie haben recht, dass wir über den Tag hinausdenken müssen. Da Sie offensichtlich davon ausgehen, dass wir noch sehr lange regieren, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ein paar Wochen!) kann ich Ihnen zusagen: Sie werden auch für die Zeit von 2030 bis 2060 rechtzeitig eine entsprechende Strategie von mir vorgelegt bekommen. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das wird knapp für Sie, Herr Kollege!) Spaß beiseite: Selbstverständlich werden wir uns auch mit der Frage auseinandersetzen, wie es jenseits des Zeitraums, für den wir nun konkrete Weichenstellungen vornehmen müssen, weitergehen kann. Man muss aber natürlich sehen, dass die Stellschrauben und die Rahmenbedingungen so vielfältig sind, dass Sie, je weiter Sie in die Zukunft blicken, natürlich immer mehr verschiedene Szenarien betrachten müssen, ohne zu wissen, was davon im Einzelnen zutrifft. Ich kann Ihnen aber versprechen, dass wir auch im Rahmen der Diskussion um die Strategie immer noch – auch zeitlich – über den Horizont hinausdenken. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Scharfenberg. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Herr Minister! Ich möchte gerne noch einmal auf die Fachkräfte zurückkommen. Mir geht es um die Fachkräfte im Bereich der Pflege. In der Demografiestrategie heißt es, die Bundesregierung werde die Fachkräftebasis in der Pflege sichern und zukunftsweisende Angebotsstrukturen für Betreuung und Pflege unterstützen. Ich frage Sie jetzt ganz konkret: Halten Sie es für den richtigen Weg, dass Sie mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz das Risiko der Lohn-drückerei für die Pflegekräfte in Kauf nehmen, nämlich dadurch, dass Sie die Bindung einer Zulassung von Pflegeeinrichtungen an die ortsübliche Vergütung kippen und die Vergütung auf das Niveau des Pflegemindestlohns absenken wollen? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Wichtig ist natürlich die Erkenntnis: Wir bekommen in allen Bereichen nur dann gute Leute, wenn wir ihnen auch anständiges Geld bezahlen. Das ist überhaupt keine Frage. Umgekehrt verlangen wir natürlich auch eine ordentliche Qualifikation und Ausbildung. Ich kann diese spezielle Frage aus dem Pflegebereich, die Sie vielleicht auch einmal mit der zuständigen Ministerin besprechen sollten, jetzt nicht beantworten, aber ich kann Ihnen sagen: Ja, es ist unser Ziel, die Fachkräfte-basis in der Pflege zu sichern, und zwar auch dadurch, dass wir den Pflegeberuf für diejenigen, die in diesem Bereich arbeiten wollen, in der Zukunft attraktiv und lukrativ halten. Ich glaube, dass wir auch mit unserem Bundesfreiwilligendienst einen Zugang junger Menschen – zunächst auf freiwilliger Basis – zum gesamten Bereich der sozialen Dienstleistungen ermöglichen. Von daher erwarte ich mir sehr viele Impulse für den gesamten Sozialbereich, vor allem aber für den Bereich der Pflege. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Crone. Petra Crone (SPD): Herr Minister, ich freue mich natürlich, dass Sie schon so emanzipiert sind, dass Sie den Gesundheits-minister als Ministerin bezeichnen. Das finde ich wunderbar. Deswegen möchte ich auch eine Frage stellen. Ich vermisse in Ihrer Strategie die Zielsetzung „Förderung einer partnerschaftlichen Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit“. Welchen Stellenwert räumen Sie einer umfassenden Gleichstellung von Frauen und Männern ein? Das bezieht sich auch ein bisschen auf Ihre Aussage. Meinen Sie nicht, dass Ihr Konzept auch in diesem Punkt unbedingt angepasst werden müsste? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Wir räumen dieser Frage einen so hohen Stellenwert ein und dies ist für uns so selbstverständlich, dass wir das nicht extra erwähnen mussten. Das liegt sozusagen allem zugrunde, was wir aufgeschrieben haben. (Zuruf von der FDP: Eine gute kurze -Antwort!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Rößner. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident, dass ich doch noch zu Wort kommen darf. Herr Minister, ich möchte noch einmal kurz auf die Situation der Kommunen eingehen. Sie beschreiben in der Strategie ja immer wieder die Aufgaben der Kommunen. Eine richtige Lösung dafür, wie die Kommunen gestärkt werden können, finde ich in dieser Strategie aber nicht. Sie weisen auf Modellprogramme hin, die Sie weiter fördern wollen, wie beispielsweise das Modellvorhaben „LandZukunft“ und auch das Städtebauförderprogramm „Kleine Städte und Gemeinden“. Daneben betonen Sie die Programme „Die soziale Stadt“ und „Altersgerecht umbauen“. Ich frage mich natürlich – das wurde hier auch schon angemerkt –: Heißt das, dass Sie diese Programme weiter unterstützen, dass Sie also „Altersgerecht umbauen“ wieder neu auflegen und die Kürzungen beim Programm „Die soziale Stadt“ zurücknehmen? In Ihrer Demografiestrategie werden diese ja als besonders familien- und altersgerechte Infrastrukturen mit generationenübergreifenden Angeboten ausdrücklich betont und hervorgehoben. Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Das ist völlig richtig. Ich glaube, die Mehrgenerationenhäuser sind sehr erfolgreich. Ebenfalls sehr erfolgreich ist das Programm „Die soziale Stadt“. Jeder, der entsprechende Fälle kennt, weiß das, wobei die Baupolitiker immer aufbegehrt und gesagt haben: Das gehört eigentlich in den Sozialhaushalt und nicht in den Bauhaushalt. (Elke Ferner [SPD]: Ihre Baupolitiker, nicht unsere!) Das ist eine Frage der Ordnung. Aber ich glaube, wir sind uns einig, dass das ein guter Ansatz ist. Das Programm „Soziale Stadt“ ist im Zusammenhang mit den Stadtquartieren, die sich in den Großstädten ganz unterschiedlich entwickeln – auch innerhalb der Großstädte gibt es Wanderungsbewegungen –, ein wichtiges Thema. Sie haben richtig darauf hingewiesen: Stadtumbau Ost und Stadtumbau West sind zwei wichtige Programme, die auch in der Zukunft fortgeführt werden müssen. Überall da im Lande, wo diese Programme umgesetzt worden sind, kann man sehen, wie segensreich das Geld verwendet worden ist und was man damit wirklich erreicht hat. Nehmen Sie das als ein Bekenntnis zu erfolgreichen Programmen, die wir umgesetzt haben. Glauben Sie mir, dass wir uns nach Kräften bemühen, aber dies immer im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten; denn eines haben wir nicht: Wir haben noch keinen Dukatenesel. Auch bei dieser Strategie wissen wir noch nicht, wie weit wir mit unseren Mitteln kommen; wir müssen immer mit dem Geld, das wir haben, zurechtkommen. Aber glauben Sie mir, dass wir alles tun werden, um die erfolgreichen Programme, die Sie aufgezählt haben, finanziell weiter auszustatten. Ich glaube, dass wir in den Kommunen, die im Umgang mit Mitteln mehr Selbstbestimmungsrecht haben müssen, wichtige Partner und Unterstützer haben werden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank, Herr Minister. – Wir schließen damit diesen Themenbereich ab. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? – Das ist nicht der Fall. Hat jemand sonstige Fragen an die Bundesregierung? (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Heute nicht!) – „Heute nicht“, sagt Frau Enkelmann. – Dann schließen wir damit die Befragung der Bundesregierung ab. Ich rufe unseren Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde – Drucksache 17/9351 – Wir rufen die einzelnen zur mündlichen Beantwortung eingereichten Fragen in der Reihenfolge der Ressorts auf, die Ihnen vorliegt. Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf. Der Kollege Parlamentarischer Staatssekretär Peter Bleser steht zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 1 der Kollegin Cornelia Behm auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Bestandsentwicklung beim Aal nach Inkrafttreten der Aalbewirtschaftungspläne, und welche über die bisherigen hinausgehenden Maßnahmen planen die Bundesregierung und, nach Kenntnis der Bundesregierung, die EU-Kommission – zum Beispiel Exportstopp für Glasaale, Verbot des Glasaalverzehrs, technische Vorgaben zur Senkung der Mortalität beim Glasaalfang, Besatz nur in Gewässer, in denen ein ausreichender Fischabstieg möglich ist, höhere Mindestfanggröße, Fangverbot, technische Vorgaben zur Senkung der Mortalität an den Wasserkraftwerken)? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Danke, Herr Präsident. – Liebe Frau Kollegin, in der Verordnung der Europäischen Gemeinschaft Nr. 1100/2007 des Rates mit Maßnahmen zur Wiederauffüllung des Bestands des Europäischen Aals ist vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten bis 30. Juni 2012 Bericht über die von ihnen getroffenen Maßnahmen erstatten. Die Berichte behandeln die Überwachung, die Wirksamkeit und die Ergebnisse der Aalmanagementmaßnahmen in den Mitgliedstaaten. Die Berichte enthalten die bestmöglichen Schätzungen der Biomasse der zum Laichen ins Meer abgewanderten Blankaale für den betreffenden Mitgliedstaat oder den Anteil der Biomasse der Blankaale, die das Gebiet dieses Mitgliedstaates seewärts zum Laichen verlassen, im Verhältnis zur Abwanderungsrate des jährlichen Fischereiaufwandes für Aale, der außerfischereilichen Mortalitätsfaktoren und der Fangmengen an Aal von weniger als 12 Zentimetern in ihrer prozentualen Aufschlüsselung nach Verwendungszwecken. Der Bericht der Bundesregierung an die Europäische Kommission wird derzeit erarbeitet. Erst nach Vorliegen der Berichte der Mitgliedstaaten am 30. Juni dieses Jahres kann eine Bewertung der Bestandsentwicklung des Europäischen Aals vor dem Hintergrund der Aalbewirtschaftungspläne erfolgen. Ebenfalls danach können weitere, über die bisherigen Maßnahmen hinausgehende Schritte diskutiert werden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für diese doch sehr wenig inhaltsreiche Antwort. (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Was haben Sie auf Ihre Frage sonst erwartet?) Sie sagen, die Antwort bzw. der deutsche Bericht an die EU wird gerade erarbeitet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie über die Situation des Europäischen Aals, zumindest was Deutschland betrifft, keine Aussagen machen können; denn bereits im Februar 2010, als ich danach fragte, also vor reichlich zwei Jahren, wurde die Situation des Aals durch die Bundesregierung – das sagte damals die Staatssekretärin Klöckner – als schwierig eingeschätzt. Ich möchte gerne wissen: Wann wird der Evaluationsbericht der EU vorliegen? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Sehr verehrte Frau Kollegin, ich habe Ihnen schon in meiner Antwort berichtet, dass dies im Juni dieses Jahres der Fall sein soll. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben gesagt: Deutschland bzw. die Mitgliedstaaten müssen bis zum 30. Juni liefern. – Wir wissen aber noch nicht, wann die EU den Bericht vorlegt. Danach habe ich eben gefragt. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Danach wird die Europäische Union natürlich die Berichte auswerten und einen Bericht verfassen. Welchen Zeitraum dies in Anspruch nimmt, kann ich Ihnen nicht voraussagen. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann würde ich gerne eine zweite Frage anschließen. Sie sind dabei, den Bericht zu erstellen, und wissen um die schwierige Situation des Europäischen Aals, jedenfalls auf Deutschland bezogen. Ich frage Sie: Halten Sie es aufgrund der schlechten Bestandsentwicklung, die seit Jahren besorgniserregend ist, für sinnvoll, dass nach wie vor Glasaale gefangen und exportiert werden, auch in Länder und Gebiete, wo sie nicht zur Reproduktion eingesetzt werden können, weil zum Beispiel keine Abwanderungsmöglichkeiten vorhanden sind, und meinen Sie nicht, dass man aus dem gleichen Grund, aus dem man nicht dorthin exportieren sollte, auch den Verzehr von Glasaal unterbinden sollte? Ich halte das für eine dringend notwendige Maßnahme. Ich frage Sie: Warum macht die Bundesregierung da noch nichts? Auf wen muss man an dieser Stelle noch Rücksicht nehmen? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Sehr verehrte Frau Kollegin, Sie werden verstehen, dass die Bundesregierung erst dann Entscheidungen trifft, wenn die entsprechenden Berichte vorliegen und damit eine fundierte Bewertungsmöglichkeit besteht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Ostendorff auf: Wann wird die Bundesregierung ihren Entwurf für das Sechzehnte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, das unter anderem Maßnahmen zur Begrenzung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung enthalten soll, im Kabinett behandeln bzw. in den Deutschen Bundestag einbringen, und warum hat die Bundesregierung die Initiative noch nicht eingebracht, obwohl bei der Präsentation des Entwurfs am 10. Januar 2012 angekündigt wurde, dass dies in einem Zeitraum von vier bis sechs Wochen passieren solle? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Danke, Herr Präsident. – Verehrter Herr Kollege Ostendorff, die Bundesregierung befindet sich derzeit im Abstimmungsprozess zur Kabinettsvorlage des Entwurfes eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes. Nach Abschluss der Vorbereitungen wird der Kabinettsbeschluss zeitnah erfolgen. Die Einbringung in den Bundestag und die weitere Zeitplanung hängen vom Zeitpunkt der Beschlussfassung der Bundesregierung ab. Bei diesem Abstimmungsprozess sind auch die relevanten Beschlüsse der Amtschefskonferenz am 19. Januar dieses Jahres sowie der zu erwartende Beschluss der Amtschefs- und Agrarministerkonferenz vom 25. bis 27. April, also in dieser Woche, zu berücksichtigen. Diese Beschlüsse haben Auswirkungen auf den Entwurf eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schönen Dank, Herr Staatssekretär, für die nichtssagende Antwort. (Heiterkeit bei der SPD) Die Bundesregierung hat am 10. Januar dieses Jahres verlauten lassen, dass es vier bis sechs Wochen dauern werde, diese Dinge einzubringen. Jetzt sind wir weit im April. Ich denke, vier bis sechs Wochen sind vorbei. Sie haben schon Anfang April auf unsere damalige Anfrage sehr nichtssagend geantwortet. Können Sie das, was zumindest kolportiert wird, bestätigen, nämlich dass die Bundesregierung die vier bis sechs Wochen nach dem 10. Januar nicht vor der Sommerpause auszuschöpfen gedenkt, sondern das Ende der Sechswochenfrist erst nach der Sommerpause erreicht sieht? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Sehr verehrter Herr Kollege, die Bewertung von Aussagen steht Ihnen natürlich frei. Ob es eine Frage ist, mag jemand anderes bewerten. Sie werden aber verstehen, dass es gerade bei diesem Problem darauf ankommt, betriebsbezogene Antibiotikaminimierungsstrategien zu verfassen. Hierzu bedarf es einer intensiven Diskussion, bei der auch die Länder eine wichtige Rolle übernehmen müssen, weil sie die Umsetzung der Gesetze vor Ort gestalten müssen. Insofern ist es von entscheidender Bedeutung, wie sich die Länder in dieser Frage positionieren. Das wird selbstverständlich auch in die Beratungen der Bundesregierung mit einfließen. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das bringt mich zwangsläufig zu einer weiteren Frage. Da sich die Länder schon seit Dezember 2011 in der Abstimmung befinden, ist die Frage zu stellen – diese Frage ist ernster gemeint als die zuvor –: Welches sind die strittigen Punkte, die dazu führen, dass die Frist so weit gedehnt worden ist, Herr Staatssekretär? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: In der Tat ist es das, was ich vorhin angesprochen habe, nämlich die Frage, wie wir betriebsbezogene Daten bekommen, aus denen hervorgeht, in welchen Mengen und in welchen Zeiträumen Antibiotika eingesetzt worden sind. Das ist keine einfach zu beantwortende Frage, weil hier verfassungsrechtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind und – ich betone das noch einmal – der Vollzug der Gesetze durch die Länder geregelt sein muss. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Ostendorff auf: Wie viele Pharmaunternehmen bzw. Großhändler haben ihre Daten zu verschriebenen Tierarzneimitteln im Jahr 2011 nicht wie in der Verordnung über das datenbankgeschützte Informationssystem des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information, DIMDI-AMV, vorgesehen bis zum 31. März 2012 beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information eingereicht, und müssen die säumigen Pharmaunternehmen/Großhändler mit Sanktionen rechnen? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Nach den vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information, DIMDI, an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit übermittelten Informationen haben sich mit Stand vom 23. April dieses Jahres 42 Pharmaunternehmen und 20 Großhändler entsprechend der DIMDI-Arzneimittelverordnung registriert. Die Validierung der Daten erfolgt derzeit durch das DIMDI. Im Rahmen des allgemeinen Verwaltungsverfahrens ist es den Ländern möglich, mit Mitteln des Verwaltungszwangs gegen säumige Pharma-unternehmen bzw. Großhändler vorzugehen. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie weit die Länder sind, Sanktionen durchzusetzen, entzieht sich wahrscheinlich Ihrer Kenntnis. Ich frage daher die Bundesregierung: Was gedenken Sie denn zu tun, um die Unternehmen zu zwingen, die Daten, die sie erheben müssen, rechtzeitig einzuspeisen? 42 Unternehmen, die bisher melden, ist eine relativ geringe Zahl. Ich bin verwundert, dass nicht der ganze Bereich erfasst wird. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Kollege Ostendorff, ich erlaube mir nicht, Ihnen die rechtsstaatliche Ordnung in diesem Land zu erklären. Nur so viel: Die Durchführung der Gesetze obliegt den Ländern. Diese werden entsprechende Maßnahmen zu vollziehen haben. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Teile der Tierärzteschaft fragen immer wieder – das ist auch die Frage an die Bundesregierung –, warum nicht die Abgabebelege, die in den Betrieben angefertigt werden, genutzt werden. Ich darf die Praxis kurz darstellen: Die Tierärztin oder der Tierarzt kommt auf den Hof, behandelt ein Tier, und dies wird mit einem Beleg dokumentiert. Tierärzte haben mich nun gefragt, warum diese Belege nicht direkt in die Datenbank eingepflegt werden. Warum geht man mit dem DIMDI einen komplizierten Weg? Die Daten müssen bislang zuerst an das BVL übermittelt werden, das dann zu handeln und die Großhändler anzuschreiben hat. Das ist ein sehr komplizierter Weg. Warum pflegt man die Daten nicht direkt ein? Das kann doch im Computerzeitalter nicht so schwierig sein. Was gedenkt die Bundesregierung hier zu tun? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Kollege Ostendorff, es gibt Maßnahmen, die wir beim Monitoring der Abgabe von Arzneimitteln – hier werden statistische Daten erhoben, die, auf Postleitzahlen bezogen, registriert werden – im Rahmen der DIMDI-Verordnung vollziehen. Es geht zudem darum, wie wir nun durch die neue Änderung des Arzneimittelgesetzes in die Lage versetzt werden können, Daten von Einzelbetrieben zu bekommen. Ich stimme Ihnen zu: Wir haben schon durch eine frühere Änderung des Arzneimittelgesetzes die Möglichkeit geschaffen, dass insbesondere beim Tierarzt entsprechende Daten vorliegen. Wir sind jetzt dabei, die rechtlichen Bedingungen so zu gestalten, dass sie einen verfassungsgemäßen Zugriff auf betriebliche Anwendungs- und Verwendungspraktiken erlauben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Ebner auf: Welche Position vertritt die Bundesregierung im Hinblick auf die – in der Berliner Zeitung vom 18. April 2012 berichtete – Absicht der Europäischen Kommission, Verunreinigungen von Lebensmitteln mit dafür nicht in der Europäischen Union zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen künftig bis zu einem Schwellenwert zu tolerieren – Low Level Presence, LLP? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Kollege Ebner, in dem Artikel der Berliner Zeitung vom 18. April dieses Jahres wurde berichtet, dass die EU-Kommission beabsichtige, eine Verordnung vorzuschlagen, welche bei Lebensmitteln einen Analyseschwellenwert von 0,1 Prozent für in Drittländern oder nicht in der EU zugelassene gentechnisch veränderte Organismen vorsieht. Einen solchen Analyseschwellenwert gibt es bereits bei Futtermitteln. Bisher hat die EU-Kommission einen solchen Vorschlag nicht vorgelegt. Die Bundesregierung wird einen entsprechenden Vorschlag, wenn er dann vorliegt, prüfen und sich hierzu -positionieren. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön, Herr Staatssekretär. – Die Kommission führt nach verlässlichen Informationen seit Wochen Gespräche mit Mitgliedstaaten und lotet deren Positionen aus. Ich gehe davon aus, dass das der Bundesregierung nicht verborgen geblieben sein kann, da Deutschland nach wie vor ein Mitgliedstaat der EU ist. Deshalb frage ich jetzt nach: Inwieweit haben Vertreter der Bundesregierung auf EU-Ebene bereits an Gesprächen über die Einführung eines solchen Schwellenwertes für nicht zugelassene GVO teilgenommen, und, falls ja, welche Positionen zur obigen Frage haben andere Mitgliedstaaten eingenommen? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundes--ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Ich kann Ihnen über die Positionen der anderen Mitgliedstaaten im Detail nichts berichten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir eine Bewertung der Vorschläge erst dann vornehmen, wenn sie vorliegen. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte trotzdem nachfragen, wie sich denn aus Sicht der Bundesregierung bei Lebensmitteln eine Re-gelung analog zu der bei Futtermitteln gefundenen Re-gelung rechtfertigen oder begründen ließe vor dem -Hintergrund, dass im „Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung 2011“ im Zusammenhang mit der Gentechnik eindeutig der Vorrang von Mensch und Umwelt vor ökonomischen Interessen benannt ist, vor dem Hintergrund, dass die fraglichen GVO nicht zugelassen und -damit auch nicht risikogeprüft wären, und vor dem Hintergrund, dass die Mehrzahl der Verbraucherinnen und Verbraucher Gentechnik in Lebensmitteln nicht möchte. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundes--ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Kollege Ebner, auch da muss ich auf das zurückkommen, was ich schon berichtet habe. Die Kommission hat angekündigt, im Lichte der Bewertung der entsprechenden Grenzwertsetzung für Futtermittel zu entscheiden, ob sie für Lebensmittel einen entsprechenden Grenzwert vorschlägt. Diese Entscheidung ist auf der europäischen Ebene noch nicht getroffen worden. Insofern ist eine Bewertung unsererseits noch nicht möglich. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 5 auf: Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung, Transparenz über die Verfahren und Abläufe bezüglich der Frage der Einführung eines Schwellenwertes für Verunreinigungen mit nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen in Lebensmitteln herzustellen? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundes--ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Das Verfahren für den Erlass von EU-Durchführungsvorschriften im Wege einer Kommissionsverordnung zur Einführung eines Analyseschwellenwertes für gentechnisch veränderte Organismen – abgekürzt: GVO – in -Lebensmitteln ist im europäischen Recht geregelt. Gemäß Art. 11 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts -sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz kann die EU-Kommission Verfahren nach Art. 62 Abs. 3 im Wege von Durchführungsvorschriften einen Analyseschwellenwert auch für Lebensmittel festlegen. Das Verfahren zum Erlass von EU-Durchführungsvorschriften regelt die Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren. Danach kann die EU-Kommission den vorgeschlagenen Rechtsakt erlassen, wenn sie hierfür im Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und die Tiergesundheit, StALuT, eine qualifizierte Mehrheit erhält. Ist dies nicht der Fall, kann sie entweder innerhalb von zwei Monaten eine geänderte Fassung -unterbreiten oder den ursprünglichen Entwurf dem Berufungsausschuss vorlegen. Stimmt der Berufungsausschuss dem Vorschlag mit qualifizierter Mehrheit zu, so erlässt die Kommission den Durchführungsrechtsakt. Gibt der Berufungsausschuss keine Stellungnahme ab, so kann die EU-Kommission den Durchführungsrechtsakt erlassen. Bei qualifizierter Mehrheit dagegen ist der Vorschlag der EU-Kommission gescheitert. Der StALuT und der Berufungsausschuss beraten nicht öffentlich. Das Europäische Parlament und der Rat sind rasch über die Ausschussverfahren zu informieren. Sie haben die Möglichkeit, jederzeit darauf hinzuweisen, dass ein Entwurf der Kommission zum Analyseschwellenwert bei Lebensmitteln ihres Erachtens die in der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 vorgesehenen Durchführungsbefugnisse überschreiten würde. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank für den Ausflug in die Komitologie. Danach hatte ich aber gar nicht gefragt. Mir ging es um die Transparenz bei den Verfahrensabläufen hier. Deshalb möchte ich fragen, inwieweit und in welcher Form die Bundesregierung vor der endgültigen Positionierung in dieser Frage jetzt plant, den Deutschen Bundestag und die Öffentlichkeit, insbesondere auch die Umwelt- und Verbraucherverbände, an ihrer Entscheidungsfindung zu beteiligen. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundes--ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Sehr geehrter Kollege Ebner, Sie genießen doch jetzt schon das Recht, hier jederzeit zu fragen. Die Antworten, die ich Ihnen gegeben habe, stellen den derzeitigen Stand der Beratungen dar. Erst nach Vorlage eines Vorschlages werden wir eine Positionierung vornehmen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zweite Zusatzfrage. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann möchte ich abschließend noch fragen, wie denn die Bundesregierung die öffentliche Meinung zu dieser Fragestellung einschätzt. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundes--ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Die öffentliche Meinung hierzu kann durchaus unterschiedlich interpretiert werden. Es liegt aber nicht in meiner Befugnis, eine entsprechende Einschätzung bzw. Wertung vorzunehmen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt steht für die Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Die Frage 6 der Abgeordneten Inge Höger und die Frage 7 des Abgeordneten Omid Nouripour werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 8 der Kollegin Karin Evers-Meyer auf: Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass unter Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Überlegungen zivile Betreiber den Betrieb der Offizierheimgesellschaften, Unteroffizierheimgesellschaften und Gemeinsamen Heimgesellschaften, die durch Kameradschaften geführt werden, effektiver und effizienter gestalten können und dass durch zivile Betreiber die Kameradschaftspflege und das gesellige Miteinander der -Soldatinnen und Soldaten in den Heimgesellschaften besser gewährleistet werden kann als durch kameradschaftliche -Betreiber? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin Evers-Meyer, ich darf die Komplexität der Fragestellung zum Anlass nehmen, vorneweg Folgendes zu sagen: Jeder weiß – auch die Bundesregierung weiß das –, dass es aufgrund der Fürsorgepflicht und mit Blick auf ein kameradschaftliches Verständnis eine ganz wichtige Aufgabe ist, innerhalb der genannten Gesellschaften eine gute Verpflegung und Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung vorzuhalten. Deswegen ist es auch notwendig – das kommt auch in Ihrer Fragestellung zum Ausdruck –, dass man hier sorgfältig abwägt. Die Bereitstellung und der Betrieb von Einrichtungen in der sogenannten bewirtschafteten Betreuung in der Bundeswehr werden zukünftig in eine neue Konzeption überführt werden. Das ergibt sich einfach aus der Tat--sache, dass es bei den Standorten Veränderungen gibt. Deswegen muss auch das Konzept angepasst werden. Wir prüfen in diesem Zusammenhang auch andere -Betriebsformen. Dazu gehört die Beteiligung privater Betreiber. Inwieweit wir da zu einer reinen Fremdvergabe oder zu Mischstrukturen kommen werden – möglicherweise an die einzelnen Standorte angepasst –, ist noch nicht entschieden. Ziel bleibt, mit der Neuausrichtung der bewirtschafteten Betreuung den Bedürfnissen der Bundeswehrangehörigen auch zukünftig im Rahmen der Fürsorgepflicht gerecht zu werden, diese Neuausrichtung allerdings auch mit dem Umfang der vorhandenen Ressourcen in Einklang zu bringen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage? – Keine. Dann rufe ich die Frage 9 der Kollegin Evers-Meyer auf: In welche Kategorien können die im Dritten Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz, Berichtszeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2010, zitierten „wenigen Einzelfälle“, in denen die Integration von Frauen in die Bundeswehr Probleme bereitet hat, geordnet werden, und wie ist die zahlenmäßige Verteilung der Fälle auf die einzelnen Kategorien? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, Sie sprechen im Hinblick auf den Dritten Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz – mit diesem Gesetz hat die Bundesregierung den Auftrag erhalten, -jeweils über den Stand der Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten zu berichten – den Zeitraum von 2009 bis 2010 an. In diesem Bericht sind wenige Einzelfälle genannt, in denen die Integration von Frauen in die Bundeswehr Probleme bereitet hat. Wie sieht die zahlenmäßige Verteilung der Fälle auf die einzelnen Kategorien aus? Vorneweg darf ich sagen: Erfreulicherweise handelt es sich um Einzelfälle. Ich erlaube mir, zu sagen, dass die mit erheblicher Unterstützung des Deutschen Bundestages möglich gewordene konsequente Öffnung sämtlicher Dienstposten der Bundeswehr für Frauen eine gemeinsame Erfolgsstory ist. Im Berichtszeitraum, den Sie ansprechen, lassen sich in der Kategorie „frauenfeindliches Verhalten“ zwei Einzelfälle, in der Kategorie „sexuelle Belästigung“ vier Einzelfälle und in der Kategorie „familienbedingte Benachteiligung“ drei Einzelfälle namentlich dokumentieren. Die Lebenswirklichkeit legt uns nahe, diese Zahlen nicht als endgültig zu betrachten. Ich muss Ihnen sagen, dass ich ein Vorliegen weiterer Einzelfälle nicht völlig ausschließen kann, wenngleich sie sowohl im Bericht des Wehrbeauftragten als auch im Gleichstellungsbericht der Bundesregierung nicht aktenkundig geworden sind. Soweit uns konkrete Fälle aus diesem Zeitraum noch bekannt werden sollten, werden wir Sie darüber grundsätzlich gern informieren. Meine Hoffnung ist aber, dass ich Fehlanzeige vermelden muss. Präsident Dr. Norbert Lammert: Wie ich sehe, haben Sie, Frau Evers-Meyer, auch hier keine Zusatzfragen. Dann sind wir mit diesem Geschäftsbereich durch. Ich bedanke mich bei dem Herrn Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Hermann Kues beantwortet die Fragen. Die Fragen 10 und 11 der Abgeordneten Monika -Lazar werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 12 der Kollegin Ferner: Wie und mit welcher Vereinbarung haben die Bundes--ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder, und die Referatsleiterin des Bundes-ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, -Caroline W., vor Beginn des gemeinsamen Buchprojektes -sichergestellt, dass dafür keinerlei technische und personelle Ressourcen des Bundesministeriums in Anspruch genommen werden und während der Dienstzeit kein Austausch über einzelne Elemente des Buches stattfindet, und wie wurde diese Vereinbarung umgesetzt? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Zunächst einmal ist es selbstverständlich so, dass diese Mitarbeiterin im Mai 2011 eine Nebentätigkeit angezeigt hat, wozu sie laut Tarifvertrag verpflichtet ist, und dass sie als Koautorin ausschließlich in der dienstfreien Zeit, also an den Abenden, an Wochenenden, an Urlaubstagen usw., daran gearbeitet hat. Natürlich haben beide darauf geachtet, dass die dienstliche Arbeit und das Anliegen, ein Buch zu veröffentlichen, strikt getrennt werden. Insofern war es selbstverständlich, dass es diese Trennung von Anfang an gab. Darüber ist keine formelle Vereinbarung getroffen worden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Erste Zusatzfrage. Elke Ferner (SPD): Gut, es ist keine Vereinbarung getroffen worden. Wie wurde praktisch dafür Sorge getragen, dass dieses Buchprojekt nicht während der Dienstzeit angegangen wurde? Wenn diese Referatsleiterin beispielsweise eine Rede für Frau Ministerin geschrieben hat, mit ihr darüber gesprochen hat und eine der beiden eine gute Idee hatte, von der man glaubte, sie für dieses Buch verwenden zu können: Hat man diese Idee dann im Hinterkopf behalten, und hat man dann abends nach Dienstschluss gesimst oder telefoniert? Wie darf man sich das praktisch vorstellen? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Praktisch können Sie sich das folgendermaßen vorstellen: Es ist so abgelaufen, wie es beispielsweise abläuft, wenn Sie mit Kollegen eine Veröffentlichung welcher Art auch immer vorbereiten. Man setzt sich irgendwann hin – hier ist es in der privaten Zeit passiert – und überlegt, was man eigentlich will, was die Grundthesen der Veröffentlichung sind und was alles in das jeweilige Buch hi-neingehört. Das strukturiert man entsprechend. Dann schreibt jeder seinen Teil. Danach trifft man sich noch einmal und tauscht sich darüber aus. Das Konzept für dieses Buch ist also so entstanden wie Konzepte für andere -Bücher auch. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Ferner, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? Elke Ferner (SPD): Nein, ich warte auf die Beantwortung der nächsten Frage, Herr Präsident. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe somit die nächste Frage – das ist die Frage 13 – auf: War dem Bundesministerium insbesondere bei der Bewilligung der Nebentätigkeit gemäß § 3 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst bekannt, dass Caroline W. nicht nur an Wochenenden und in ihrer Freizeit, sondern auch während ihres gesamten Erholungsurlaubes und zusätzlich noch -während zu gewährender Zeitausgleichstage an dem gemeinsamen Buch schreiben wird, und wie ist das mit der Fürsorgepflicht des Bundesministeriums gegenüber Caroline W. als alleinerziehender Mutter zu vereinbaren? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Ich will, was die Freizeit angeht, einmal Folgendes sagen: Ich glaube nicht, dass es die Aufgabe des Arbeitgebers ist, zu überprüfen, was ein Arbeitnehmer, der seine dienstlichen Aufgaben engagiert erledigt, mit seiner freien Zeit anstellt. Zumindest würde das meinem Verständnis widersprechen. Sie beziehen Ihre Frage auf eine alleinerziehende Mutter. Ich gehe einmal davon aus, dass Sie nicht der Auffassung sind, dass die Regelungen für eine alleinerziehende Mutter andere sein müssen als die für einen alleinerziehenden Vater oder für andere Mitarbeiter, sondern dass die Regelungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten. Entscheidend ist, dass die Arbeit im Ministerium im eigentlichen Aufgabenbereich bestens erledigt wird, was in diesem Fall gegeben ist. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage. Elke Ferner (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Sie sind also der Auffassung, dass es ganz normal ist, dass man 40 Tage Jahresurlaub – diese Information hat Ihr Pressesprecher zur Verfügung gestellt – und 26 Tage Zeitausgleich vollständig für eine Nebentätigkeit verwendet, sodass der Erholungsurlaub nicht der Erholung und der Regeneration der Arbeitskraft dient, wie es eigentlich – so habe ich es damals, als ich noch erwerbstätig war, gelernt – der Fall sein müsste. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Kollegin, den Urlaub verbringen die Menschen in Deutschland und anderswo sehr unterschiedlich. Die einen setzen sich hin und lesen ein Buch. (Sönke Rix [SPD]: Die anderen schreiben eines! – Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN) Die anderen setzen sich hin und schreiben ein Buch. Die einen machen dieses, die anderen jenes. Ich finde, es ist auch ein Stück Kultur, dass der Arbeitgeber nicht im Einzelnen überprüft, was jemand in seinem Urlaub oder in seiner Freizeit macht. Wenn ein Arbeitnehmer seinen dienstlichen Verpflichtungen nicht nachkommen würde, dann gäbe es Anlass, einmal nachzufragen. Aber wenn das bestens ist, besteht dafür kein Grund. Im Übrigen ist es so: Wenn man sich etwas Großes vornimmt – das Veröffentlichen eines Buches ist schon eine gewaltige Sache, wenn man das neben seinen dienstlichen Verpflichtungen macht –, dann ist es nicht unüblich, dass man auch Urlaubstage, die man noch hat, bündelt. Das kann einem ein großes Maß an Zufriedenheit verschaffen. Das halte ich überhaupt nicht für abwegig. Ich weiß nicht, ob Sie schon ein Buch veröffentlicht haben. (Elke Ferner [SPD]: Nein, habe ich nicht!) – Das kommt vielleicht noch. (Elke Ferner [SPD]: Das weiß ich nicht!) Wenn Sie ein Buch veröffentlichen würden, würden auch Sie sich überlegen, wie Sie das im Einzelnen organisieren. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das lässt sich mit einer weiteren Zusatzfrage konkretisieren. Elke Ferner (SPD): Sie hatten in der Antwort auf meine Frage auf das Prinzip der Gleichbehandlung hingewiesen. Ich gehe einmal davon aus, dass man daraus durchaus schließen darf, dass jeder Beschäftigte und jede Beschäftigte in Ihrem Haus, der oder die eine Nebentätigkeit anzeigt und ausübt, dafür den gesamten Erholungsurlaub eines Jahres und auch noch Resturlaubstage aus dem Vorjahr verwenden darf. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Erstens ist das eine theoretische Frage. Zweitens muss eine Nebentätigkeit von Tarifbeschäftigten nicht genehmigt werden; sie muss – das ist richtig – angezeigt werden. Ich glaube aber nicht, dass das der Normalfall ist. Es ist schon außergewöhnlich, wenn sich jemand auf diese Art und Weise auf ein Projekt konzentriert. (Elke Ferner [SPD]: Das ist wohl wahr, Herr Staatssekretär!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Möglicherweise deutet sich hier ebenfalls eine gewaltige gesetzliche Regelungslücke in der Frage an, wer wann überhaupt und unter welchen Bedingungen Bücher schreiben darf. Nun rufe ich die Frage 14 der Kollegin Diana Golze auf: In welchem Verhältnis zueinander stehen nach Ansicht der Bundesregierung die Anliegen der propagierten Wahlfreiheit durch das Betreuungsgeld und der gleichfalls geltende Rechtsanspruch auf eine frühkindliche Förderung vor dem Hintergrund, dass die Einflussmöglichkeiten der Kinder auf das eine oder andere Angebot gering sind, da die Eltern diese Entscheidung treffen, und geht die Bundesregierung davon aus, dass Anreize für den Verzicht einer Frühförderung in einer Einrichtung mit der UN-Kinderrechtskonvention vereinbar sind, wonach Kinder den Rechtsanspruch auf eine frühestmögliche und beste Förderung haben? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Kollegin Golze, in der UN-Kinderrechtskonvention steht ausdrücklich, dass in erster Linie die Eltern für die Erziehung und Entwicklung des Kindes verantwortlich sind. Sie können durch den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz auf der einen Seite und durch das Betreuungsgeld auf der anderen Seite ihre Wahlfreiheit unter Berücksichtigung des Kindeswohls ausüben. Insofern steht das Betreuungsgeld dem Ausbau der Betreuung in Kindertageseinrichtungen, in der Kindertagespflege nicht entgegen. Es ist tatsächlich so, dass dieser Ausbau konsequent vorangetrieben wird. Die parallel laufenden Unterstützungsleistungen, die in den letzten Jahren auf den Weg gebracht worden sind, tragen den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention in vollem Umfang Rechnung. Ich sage noch einmal: Der Staat ist verpflichtet, sowohl die Eltern bei der Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgaben zu unterstützen als auch für den Ausbau von Einrichtungen für die Betreuung von Kindern zu sorgen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage. Diana Golze (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, um es noch einmal klarzustellen: Die Eltern haben die Verpflichtung zur Erziehung, und die Kinder haben nach der UN-Kinderrechtskonvention einen Rechtsanspruch auf frühestmögliche und bestmögliche Förderung. Vom Familienministerium gibt es die „Offensive Frühe Chancen“. In diesem Zusammenhang wurden Stellen für Sprachförderung in Kitas geschaffen. Ich frage Sie: Inwieweit orientiert man sich am Wohl und dem Rechtsanspruch des Kindes auf bestmögliche Förderung, wenn man auf der anderen Seite einen milliardenschweren Anreiz setzt, um Kinder von dieser frühen Förderung fernzuhalten? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich sage noch einmal: In der UN-Kinderrechtskonvention steht, dass zunächst einmal die Eltern für die Erziehung und die Entwicklung eines Kindes verantwortlich sind. Die Eltern dürfen entscheiden, wie sie die Erziehung handhaben. (Diana Golze [DIE LINKE]: Das bestreitet niemand!) Das ist keine politische Aussage von mir. Deshalb muss es ein Betreuungsangebot geben. Dieses haben wir in den letzten Jahren auf den Weg gebracht. Es muss aber auch qualitativ gut sein. Die Eltern entscheiden aber letztlich, wie sie die Erziehung des Kindes gestalten. Das ist so. Der Staat hingegen ist für das Schaffen der Rahmenbedingungen verantwortlich. Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage. Diana Golze (DIE LINKE): Dann lassen Sie uns auf diese Entscheidung noch einmal eingehen; denn das Betreuungsgeld wird auch damit begründet, dass man Wahlfreiheit schaffen möchte. Dies setzt aber voraus, dass man eine Wahl hat. Meine Frage ist: Wie sieht es mit der Wahlfreiheit von Eltern aus, wenn es in ihrer Kommune keine ausreichende Anzahl an Kitaplätzen gibt, wovon wir auch 2013 ausgehen müssen? Ich ergänze: Wenn die Kitaplätze knapp sind, werden zuerst diejenigen Eltern einen Kitaplatz bekommen, die erwerbstätig sind. Andere werden auf Wartelisten gesetzt. Das heißt, diesen Kindern wird weder ihr Rechtsanspruch erfüllt noch eine Wahlfreiheit ermöglicht. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Kollegin, es gibt ab 2013 einen Rechtsanspruch. Dies haben wir vor einigen Jahren beschlossen. Alle Länder – sie sind dafür zuständig, dieses Programm umzusetzen – sagen, dass sie es schaffen werden. Wir kennen keine präzisen Zahlen darüber, wie viele Plätze tatsächlich in Anspruch genommen werden. Die Länder, die in der Verantwortung stehen, gehen davon aus, dass sie es schaffen werden, den Rechtsanspruch zu erfüllen. Ob das wirklich in jeder einzelnen Kommune gelingt, muss man sich anschauen. Hier stehen wir in Gesprächen mit den Ländern. Aber wir gehen davon aus – das ist der heutige Stand –, dass wir erfolgreich sind. Wir werden weitere Aktivitäten entfalten, um sicherzustellen, dass die Länder ihrer Verantwortung gerecht werden. Inwieweit die Schaffung einer ausreichenden Zahl von Kitaplätzen in den Kommunen tatsächlich realisiert werden kann, wird, wie schon gesagt, zu überprüfen sein. Es gibt einen Rechtsanspruch. Die Forderung des Vorsitzenden eines kommunalen Spitzenverbandes, diesen Rechtsanspruch außer Kraft zu setzen, unterstützen wir nicht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt, dass der Bund „weitere Aktivitäten“ entfalten wird. Um welche „weiteren Aktivitäten“ könnte es sich handeln? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Es sind verschiedene Varianten denkbar. Der Bund wird mit Sicherheit keine zusätzlichen finanziellen Mittel in die Hand nehmen. Er wird sich besonders darum kümmern, wie man die Schaffung einer ausreichenden Zahl von Kitaplätzen sicherstellen kann. Es gibt Kommunen, in denen das Angebot völlig ausreichend ist. Das zeigen die Zahlen, die uns vorliegen. Allerdings liegen uns die entsprechenden Zahlen nicht immer zeitnah vor; denn die Jugendhilfeplanung erfolgt in der jeweiligen Kommune, und auf Landesebene erfolgt die Koordinierung. Deshalb müssen wir uns im Gespräch mit den Ländern darüber verständigen, wie weit wir beim Ausbau tatsächlich sind. Nicht alle Mittel, die vom Bund zur Verfügung gestellt werden, wurden schon abgerufen. Es gibt also noch verfügbare Mittel. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Welche weiteren Aktivitäten?) Wir werden also überlegen, wie man gewährleistet, dass diese Mittel tatsächlich abfließen. Darüber werden wir mit den Ländern sprechen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage, Frau Hein. Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Herr Präsident, vielen Dank. – Reden wir einmal über die Flächenländer. Das Problem wird am ehesten in den ländlichen Regionen eine Rolle spielen. Gehen Sie davon aus und ist es Bestandteil Ihrer Strategie, dass die Kompensation des Mangels an Kinderbetreuungseinrichtungen im ländlichen Raum zu einem Ausbau von privatwirtschaftlichen Angeboten führen wird, mit denen man die Wahlfreiheit realisieren könnte? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Es gibt schon jetzt privatwirtschaftliche Angebote; darüber hinaus gibt es betriebliche Angebote und auch Überlegungen, den Einsatz von Tagespflegepersonen zu intensivieren. Darüber wird auf Länderebene diskutiert. Es gibt ländliche Regionen, die bereits bestens ausgestattet sind, auch im Westen unseres Landes und in den Flächenländern. Andere Regionen hingegen sind längst noch nicht so weit. Zwischen den Kommunen herrscht ein Wettbewerb; das ist auch völlig in Ordnung. Das hat es bei familienpolitischen Entwicklungen immer gegeben. Einige Kommunen sind eben besonders engagiert, vielleicht engagieren sich dort auch ortsansässige Unternehmen besonders. Es ist jedenfalls nicht so, dass alle Kommunen, die die gleichen Voraussetzungen haben, immer auch zu gleichen Ergebnissen kommen. Denn das politische Engagement ist durchaus unterschiedlich. Wir gehen aber davon aus, dass das Ziel am Ende erreicht werden wird. Wir werden jedenfalls alles tun, die zusätzlichen -Aktivitäten, die man von uns erbittet, auf den Weg zu bringen. Es geht nicht nur um die Schaffung von Kitaplätzen, sondern es geht auch um die Anstellung qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist eine Aufgabe, die der Bund neben vielen anderen mit koordiniert. Wir beschäftigen uns damit und werden zu gegebener Zeit darüber Auskunft geben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Dittrich. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Herr Kues, wissen Sie, dass die Erzieherinnen von den Kommunen bezahlt werden müssen, diese aber finanziell schlecht dastehen, weil die Steuerumverteilung hin zu den Firmen und zu den Banken geht? (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wissen Sie auch, dass nach Berechnungen von Verdi 20 000 und mehr Erzieherinnen mit entsprechender Ausbildung fehlen? Ist Ihnen klar, dass das Betreuungsgeld bei der Bevölkerung daher so verstanden wird, dass es sich quasi um das Freikaufen von einem Rechtsanspruch handelt? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich glaube, dass das Betreuungsgeld von der Bevölkerung noch gar nicht verstanden werden kann, weil es bislang noch kein fertiges Konzept gibt, über das man diskutieren könnte. Wir befinden uns vielmehr inmitten der Diskussion, wie man den Medien unschwer entnehmen kann. (Elke Ferner [SPD]: Was diskutieren Sie denn da?) Man wird darauf zu achten haben, dass ein Weg gefunden wird, der sachgerecht ist und der die Menschen nicht vom Arbeitsmarkt fernhält, sondern der letztlich die Wahlmöglichkeiten verbessert. Das ist der entscheidende Punkt. Im Übrigen weiß ich, dass es Tausende von arbeits-losen Erzieherinnen gibt. Mir ist bekannt, dass es ein Arbeitskräftepotenzial gibt, das für diesen Bereich bislang noch gar nicht aktiviert worden ist. Hier muss man sich etwas einfallen lassen. Was das im Einzelnen ist, wird von Kommune zu Kommune unterschiedlich sein. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 15 des Kollegen Wunderlich auf: Geht die Bundesregierung davon aus, dass sich die finanzielle und soziale Lage von Alleinerziehenden und ihren Kindern nachhaltig durch die Einführung eines Betreuungsgeldes verbessert, oder eher davon, dass Alleinerziehende aufgrund des Betreuungsgeldes ihre Erwerbsbeteiligung reduzieren werden und in dessen Folge ihre Erwerbskarriere eher gebremst wird? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich sage ausdrücklich: Die Familienpolitik der Bundesregierung ist auf alle Familien ausgerichtet, unabhängig davon, nach welchem Modell sie leben. Sie zielt da-rauf ab, durch gute finanzielle, infrastrukturelle und zeitliche Rahmenbedingungen die Situation von Alleinerziehenden zu verbessern und zu stärken. Mit dem Betreuungsgeld soll eine Leistung geschaffen werden, die im Zusammenwirken mit den übrigen Geld- und Infrastrukturleistungen der öffentlichen Hand eine bestmögliche Wahlfreiheit eröffnet. Der Staat hat den Menschen nicht vorzuschreiben, wie sie leben sollen. Er muss ihnen aber helfen, dass sie so leben können, wie sie leben wollen. In diesem Zusammenhang stellt das Betreuungsgeld ein Element von vielen dar. Das gilt selbstverständlich auch für alleinerziehende Eltern. Die Vielfalt der Fami-lienbetreuungsmodelle, die wir in Deutschland kennen, soll auf diese Art und Weise ausgebaut werden. Natürlich sollen und müssen Fehlanreize vermieden werden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön, Herr Kollege Wunderlich. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ich muss vorwegschicken: Ich finde es bedauerlich, dass unsere Familienministerin bei diesem wichtigen Thema heute nicht hier ist. Inzwischen ist man dieses Verhalten von ihr aber gewohnt. Mich interessiert, auf welcher Basis die Bundesregierung zu ihren Äußerungen kommt, dass Alleinerziehende nicht schlechter gestellt würden. Ich denke, wir müssen nicht darüber streiten, dass für Alleinerziehende eine Erwerbstätigkeit ohne Kindergartenplatz nicht möglich ist und dass viele Alleinerziehende infolge eines fehlenden Kindergartenplatzes eben nicht arbeiten gehen können, sondern zu Hause bleiben müssen. Wenn sie dann mit 150 Euro als „Erziehungsleistungsanerkennungsprämie“ abgespeist werden – wie soll das die finanzielle Situation von Alleinerziehenden verbessern und das Armutsrisiko minimieren? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich sage es noch einmal ausdrücklich: Erstens. Es gibt einen Rechtsanspruch. Zweitens. Es wird daran gearbeitet – hier sind in erster Linie die kommunale und die Landesebene gefordert –, das Betreuungsangebot so auszugestalten, dass es tatsächlich die Möglichkeit gibt, eine solche Betreuung in Anspruch zu nehmen. Wir haben im Übrigen mittlerweile in einigen Ländern die Entwicklung, dass sehr stark auf Tagespflege gesetzt wird; das ist offenkundig im Interesse der Eltern. Man wird weiter zu beobachten haben, wie dies tatsächlich abläuft. Damit werden auch die Erwerbsmöglichkeiten der Alleinerziehenden verbessert. Ich stimme Ihnen völlig zu: Es ist absolut notwendig, dass man eine Chance bekommt – und zwar alle, nicht nur Alleinerziehende –, Kinder und Beruf, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Es ist gut, wenn die Menschen in möglichst hohem Umfange selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Das ist auch Ausdruck eines bestimmten Gesellschafts- und Menschenverständnisses. Ich sage ausdrücklich: Deswegen sind wir für ein Betreuungsangebot. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Gerade haben Sie gesagt: Wir beobachten das. – Vorhin, auf die Nachfrage von Frau Dr. Enkelmann, haben Sie gesagt: Wir überlegen das. – Die Familienpolitik der Bundesregierung kann doch nicht nur aus Beobachten und Überlegen bestehen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Handeln ist gefragt!) Schon vor Jahren ist darauf hingewiesen worden, dass 14 000 qualifizierte Erzieherinnen fehlen werden, wenn der Rechtsanspruch in Kraft tritt. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Es gibt viel zu viele Erzieherinnen, die arbeitslos sind!) Es ist darauf hingewiesen worden, dass diese Fachkräfte ausgebildet werden müssen. Seitens der Regierung erfolgte keine Reaktion. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Das ist ja nicht wahr. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Inzwischen sind es – die GEW sagt das Gleiche – 20 000 Fachkräfte, die fehlen. Sie sagen jetzt hier: Es laufen genug herum; sie müssen im Grunde nur aktiviert werden. Woher nehmen Sie diese Überzeugung? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich habe nicht gesagt: Sie laufen herum und müssen nur aktiviert werden. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Sinngemäß!) Ich habe gesagt: Es gibt ein Arbeitskräftepotenzial, das die qualifikatorischen Voraussetzungen erfüllt, um in diesem Bereich tätig zu werden. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: 20 000?) Sie können sich bei der Bundesagentur für Arbeit erkundigen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das sollten Sie mal tun! – Heidrun Dittrich [DIE LINKE]: Das ist doch Ihre Aufgabe! Unglaublich!) Dort ist mehrfach gesagt worden, dass dies der Fall ist. Ich sage nicht, unter welchen Bedingungen sie bereit sind, Erwerbsarbeit aufzunehmen, oder weshalb sie auf Erwerbsarbeit verzichten. Es ist so, dass wir regelmäßig Bund-Länder-Besprechungen durchführen, in denen wir darauf hinweisen, dass es notwendig ist, Ausbildungskapazitäten zu schaffen; das ist eine Aufgabe der Länder. Wir haben ein föderales System; das wollen wir auch nicht ändern. Der Bund hat aber darauf hinzuweisen – das ist seine Aufgabe – und hat Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass dies möglich ist. Wir haben Qualifizierungsprogramme auch für Erzieherinnen auf den Weg gebracht. Diese Programme zeigen tatsächlich Wirkung, sodass wir zu einer qualitativen Verbesserung kommen. Daran werden wir weiter arbeiten müssen; das ist völlig klar. Aber ich sage ausdrücklich: Das ist nicht in erster Linie die Aufgabe des Bundes. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben vorhin, bei der Beantwortung der Frage des Kollegen Wunderlich, eingangs gesagt, dass Sie für die Wahlfreiheit werben. Als Urliberaler bin auch ich für die Wahlfreiheit. Trotzdem verstehe ich das im Zusammenhang mit dem Betreuungsgeld nur rudimentär. Selbstverständlich soll jeder sein Familienleben so organisieren, wie er mag. Die Frage ist: Wofür gibt es staatliche Unterstützungsleistungen? (Caren Marks [SPD]: Eben!) Ich verstehe nicht, was es mit Wahlfreiheit zu tun hat – ich bitte, das einfach zu erläutern –, dass jemand, der sich ganz frei dagegen entscheidet, eine staatliche Leistung, nämlich die Kinderbetreuung, in Anspruch zu nehmen – wir müssen sie erst einmal flächendeckend implementieren, weshalb wir das Geld eigentlich dafür bräuchten –, eine Kompensationsleistung erhält. Das erstaunt mich etwas und führt mich fast zu der Frage, ob das in anderen Bereichen auch angedacht ist. Zum Beispiel wird das Kulturleben in der Regel von der Kommune oder vom Land bezuschusst. Kann ich irgendwo Geld abholen, wenn ich ein Jahr lang nicht in die Oper gehe? Kann ich irgendwo Geld abholen, wenn ich die Autobahnen nicht nutze, die auch vom Staat bereitgehalten werden? Wenn Wahlfreiheit bedeutet, dass man immer dann eine Kompensation erhält, wenn man ein Angebot des Staates nicht nutzt, dann müsste das in allen Bereichen, in denen sich der Bürger frei entscheidet, entsprechend gehandhabt werden. Welche Pläne liegen da vor, und was kostet so etwas? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Herr Beck, es war vor 30, 40 oder 50 Jahren eine politische Entscheidung, zu sagen: Wir gehen davon aus – denn die Mehrheit der Bevölkerung lebte so, zumindest seinerzeit in den westlichen Ländern –, dass ein Elternteil über längere Zeit auf Erwerbstätigkeit verzichtet, wenn man Kinder und Familie hat. Daraus resultieren verschiedene sozialrechtliche Regelungen, die wir getroffen haben: beitragsfreie Mitversicherung usw. Dann haben wir mit breiter Mehrheit beschlossen, dass wir auch ein Kinderbetreuungsangebot brauchen, das über die Betreuung innerhalb der Familie hinausgeht. Wir haben gleichzeitig gesagt: Wir müssen Familien mit ausreichend Kindergeld ausstatten, vor allen Dingen Mehrkinderfamilien. Wir reden jetzt darüber, wie die Arbeitswelt gestaltet sein muss, sodass Familie und Beruf miteinander vereinbar sind, und zwar für Vater und Mutter bzw. Mutter und Vater – das sage ich ausdrücklich –, und darüber, ob es eine ergänzende Leistung für diejenigen geben soll, die sich in freier Wahl gegen eine staatliche Kinderbetreuung entscheiden. Darum geht es in der Diskussion. Grundlage war eine politische Entscheidung der Koalitionsspitze. Jetzt reden wir in aller Offenheit darüber, wie wir das Vorhaben konkret ausgestalten. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt keine Antwort zum Thema Wahlfreiheit!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollegin Dittrich. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Sie haben soeben eine Lanze für die Referatsleiterin bei der Ministerin gebrochen, die dort als alleinerziehende Mutter arbeitet. Sie haben sich in diesem Zusammenhang auf die Alleinerziehenden bezogen, die im Arbeitsleben stehen. Ich möchte mich auf die arbeitenden und armen Alleinerziehenden beziehen. Wissen Sie eigentlich, wie viel Geld eine Alleinerziehende mit drei Kindern mindestens braucht, um aus Hartz IV herauszukommen? Nehmen wir an, sie verdient 8 Euro pro Stunde. Ein Stundenlohn von 8 Euro reicht nicht aus; denn bei einer 40-Stunden-Woche kommt sie auf 1 280 Euro. Rechnet man das Kindergeld für die drei Kinder dazu, dann ergibt das einen Betrag von ungefähr 1 830 Euro. Wenn sie Arbeitslosengeld II erhält – dies umfasst den Regelsatz für den Haushaltsvorstand; sie bekommt je nach Alter der Kinder unterschiedliche Regelsätze; je kleiner die Kinder, desto geringer sind die Regelsätze –, kommt die Frau unter Berücksichtigung des Mehrbedarfs einer Alleinerziehenden über diesen Betrag. Das heißt, sie müsste ungefähr 1 800 Euro netto verdienen, damit es sich für sie überhaupt lohnt, arbeiten zu gehen. Was für ein Bruttogehalt müsste sie dann bekommen? Um die 3 000 Euro. Was passiert mit dem Betreuungsgeld für diese aufstockende Mutter? Bekommt sie es, oder bekommt sie es nicht? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Kollegin, ich bin mir nicht ganz sicher, was Sie mit Ihrer Frage ausdrücken wollen. Sie haben Zahlen genannt, die belegen, wie viel man in Deutschland netto verdienen muss, um das auszugleichen, was man über Hartz IV bekommt. Sie werden nicht der Auffassung sein, dass die Leistungen, die man im Rahmen von Hartz IV erhält, wenn man Kinder hat, zu hoch sind. So habe ich Sie jedenfalls nicht verstanden. Sie haben einen Stundenlohn von 8 Euro genannt. Man könnte in diesem Zusammenhang wieder das Thema Mindestlohn aufgreifen; denn vieles, was in der Debatte genannt wird, löst das Problem, das Sie als Armut beschreiben, überhaupt nicht. Wir sind der Auffassung, dass für alle Menschen der Anreiz gegeben sein muss, auch dann Arbeit aufzunehmen, wenn man am Anfang nicht sehr viel verdient; das hängt von der Qualifikation ab. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Man muss die Möglichkeit dazu haben!) Das ist der entscheidende Punkt. Deswegen müssen wir in Bezug auf das Betreuungsgeld sehr genau darauf achten, dass man eine Alleinerziehende mit drei Kindern (Heidrun Dittrich [DIE LINKE]: Bekommt sie es, oder bekommt sie es nicht?) nicht in die Situation bringt, in der sich die Aufnahme von Arbeit für sie überhaupt nicht rechnet, weil sie sagt: Ich habe nicht mehr, sondern faktisch weniger, wenn ich anfange, erwerbstätig zu werden. Diesen Aspekt wird man bei der Regelung des Betreuungsgeldes in aller Offenheit diskutieren müssen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Rix. Sönke Rix (SPD): Schönen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, wir sprachen gerade darüber, inwieweit es Überlegungen dazu gibt, dass das Betreuungsgeld, wenn es denn eingeführt wird, eventuell nicht an Familien ausgezahlt wird, die Hartz IV beziehen. Das wird damit begründet, dass Kinder aus Hartz-IV-Familien nicht vom Besuch einer Kindertagesstätte ferngehalten werden sollen. Geben Sie mir also recht, dass das Hauptargument, das SPD, Grüne und Linkspartei hier vortragen, nun fruchtet, nämlich dass man mit diesem Bonussystem Kinder von den Kindertagesstätten fernhält? Sehen Sie das zumindest in Bezug auf einen Teil der Bevölkerung nun ein? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich stelle zunächst einmal fest, dass die Haupt- oder Nebenargumente – wie immer Sie wollen – ideologisch wahnsinnig überfrachtet sind. (Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN) Wir werden uns sehr nüchtern mit der Situation beschäftigen, (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie einmal mit Herrn Seehofer sehr nüchtern!) auch mit den Aspekten, die eben schon angesprochen wurden, auch wenn sie vielleicht anders gemeint waren: Was bedeutet das eigentlich? Wann fehlt jeglicher Anreiz, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen? Gerade dies zu beachten, muss eine Nebenbedingung für die Verabschiedung des Betreuungsgeldes sein. Ich bitte Sie aber um Verständnis, dass ich zu Einzelheiten nichts sagen kann; denn die politische Diskussion läuft erst jetzt an. Später wird man sich dann zu entscheiden haben. Es wird einen Gesetzentwurf noch vor dem Sommer geben. (Caren Marks [SPD]: Vor welchem Sommer?) Der Gesetzentwurf wird in das Kabinett eingebracht. Dann wird das Parlament darüber beraten. Danach wird man sehen, wie denn die konkreten Regelungen aussehen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Golze. Diana Golze (DIE LINKE): Vielen Dank. – Bei der Frage von Herrn Wunderlich ging es um den Schutz Alleinerziehender vor Armut und darum, wie dies mit dem Betreuungsgeld zu vereinbaren ist. Ich habe noch einmal nachgeschaut: Im Bildungsbericht des Bundes von 2010 steht, dass 43 Prozent der Kinder von Alleinerziehenden ein Armutsrisiko tragen. 43 Prozent! Ich möchte Sie deshalb fragen: Arbeitet die Bundesregierung – und gerade das Bundesfamilienministerium – eigentlich mit derselben Vehemenz, wie Sie sich jetzt für das Betreuungsgeld einsetzen, an der Verbesserung des Unterhaltsvorschusses und des Kinderzuschlages sowie an der Ausweitung des Elterngeldes? Das alles sind übrigens Vorhaben, die im Koalitionsvertrag stehen. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Sie sitzen ja schon einige Jahre im Familienausschuss, Frau Golze, und Sie werden mitbekommen haben, dass das Kindergeld erheblich erhöht worden ist, und zwar gestaffelt nach der Kinderzahl, dass der Freibetrag – weil wir dazu verpflichtet waren – erhöht worden ist und dass wir auch beim Kinderzuschlag erhebliche Mittel eingesetzt haben (Diana Golze [DIE LINKE]: Kommt aber doch nicht bei den Armen an!) und die diesbezüglichen Regelungen vereinfacht haben, um das noch einmal ausdrücklich zu betonen. Daran arbeiten wir weiterhin. Die Zahl, die Sie eben genannt haben, stimmt meines Erachtens, wenn ich es richtig im Gedächtnis habe. Ich glaube, dass es wichtig ist, zu beschreiben, dass es Armut gibt. Noch wichtiger ist aber, aufzuzeigen, wie Wege aus der Armut aussehen können. Dazu trägt beispielsweise das neue Konzept zum Kinderzuschlag bei. (Caren Marks [SPD]: Wird doch auf Eis gelegt!) Wir haben gesagt: Durch den Kinderzuschlag werden Tausende aus der Armut, so wie wir sie definiert haben, herausgeholt. (Diana Golze [DIE LINKE]: Da passiert ja auch nichts!) Das ist der entscheidende Punkt. Das kann beim Betreuungsgeld durchaus auch der Fall sein. (Diana Golze [DIE LINKE]: In welchem Sommer kommt denn das?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Ferner hat die nächste Frage. Elke Ferner (SPD): Das Betreuungsgeld soll an diejenigen gezahlt werden, die darauf verzichten, ihr Kind in eine Einrichtung zu geben. Wie darf ich mir denn die Antragstellung vorstellen? Wie müssen die Antragsteller beweisen, dass sie keine Einrichtung in Anspruch nehmen? Müssen sie zum Beispiel von allen Einrichtungen in einem Umkreis von 50 Kilometern eine Bescheinigung bringen? Wird die Betreuung durch eine Kinderfrau dann mit 150 Euro bezuschusst? Ich kann mir nicht vorstellen – vor allen Dingen, wenn es ein Gesetz werden soll, das im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist –, wie das praktisch funktionieren soll. Bei welcher Bundesstelle soll denn dann das Betreuungsgeld beantragt werden? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich bitte Sie um Verständnis, Frau Kollegin: Da der Gesetzentwurf noch nicht vorliegt und daher auch noch nicht beschlossen ist, kann ich zu Einzelheiten natürlich nichts sagen. Wie sollte ich auch? Über die Regelungen im Einzelnen wird nachgedacht werden müssen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Marks. Caren Marks (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär Kues, Sie haben eben die Richtung angedeutet, die Sie eventuell beim Kinderzuschlag einschlagen wollen. Dabei handelt es sich um eine Koalitionsvereinbarung von Schwarz-Gelb. Ich zähle dazu auch die Koalitionsvereinbarung bezüglich einer Weiterentwicklung beim Unterhaltsvorschuss. Ich möchte Sie an dieser Stelle daran erinnern, dass Ministerin Schröder im Familienausschuss auf Nachfragen mehrfach darauf hingewiesen hat, dass diese Vorhaben auf Eis gelegt worden sind. Nach Gesprächen, die mit dem Finanzminister und dem gesamten Kabinett geführt wurden – dabei ging es um die Finanzierungsvorbehalte –, würden diese Vorhaben erst einmal nicht weiter verfolgt. Insofern ist es doch ein bisschen erstaunlich, wenn Sie jetzt versuchen, den Kolleginnen und Kollegen im Bundestag, aber auch anderen interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern etwas anderes weiszumachen. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Kollegin, Sie wissen genauso gut wie ich: Zum Unterhaltsvorschuss gibt es einen Kabinettsbeschluss bezüglich einer Entbürokratisierung. Das ist nicht ganz unkompliziert gewesen, weil 16 Bundesländer mit einbezogen werden müssen. Es gibt ausdrücklich keine Ausweitung in Bezug darauf – darüber wurde viele Jahre diskutiert –, wie der Unterhaltsvorschuss gezahlt werden soll. Er wird deswegen gezahlt, weil bestimmte Personen, die unterhaltsverpflichtet sind, ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Das muss man ganz klar sehen; das ist der entscheidende Punkt. Über eine beliebige Ausweitung muss man zweimal nachdenken. Es ist aber auch richtig, dass eine Ausweitung, die zu finanziellen Folgen führen würde, derzeit auf Eis gelegt worden ist. Wir haben allerdings einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der mit allen Ländern abgestimmt worden ist. Es gibt zwar noch Diskussionsbedarf in der Koalition, wie damit weiter umzugehen ist; aber er ist im Kabinett beschlossen worden und kann irgendwann im Parlament beraten werden. Das Parlament entscheidet natürlich, wann und wie es das macht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Jetzt hat sich zwar der Kollege Wunderlich gemeldet, dessen nächste schriftlich eingereichte Frage ich gerne aufrufe, den ich aber nicht zu einer weiteren Zusatzfrage zu seiner vorherigen schriftlich eingereichten Frage aufrufen kann. Deswegen verfahren wir vielleicht so, dass ich jetzt die Frage 16 aufrufe, und wir dann schauen, ob es dazu Zusatzfragen gibt. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das hätte sich auch auf das Unterhaltsvorschussgesetz bezogen!) Ich rufe die Frage 16 des Kollegen Wunderlich auf: Teilt die Bundesregierung das Ergebnis der Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e. V., IW, wonach ein Angebot an Ganztagsbetreuung für die Kinder von Alleinerziehenden „nicht nur bereits kurzfristig das Wohlergehen der Kinder“ erhöhen und die „Armutsgefährdung der Familien“ senken würde, sondern „sich auch mittelfristig für die öffentliche Hand fiskalisch“ auszahlen wird – sogar für den Fall, dass die Kinderbetreuung elterngebührenfrei angeboten würde – und bis 2030 die Mehreinnahmen aus Erwerbsbeteiligung der Alleinerziehenden und eingesparte Transferleistungen die Ausgaben sogar so stark übersteigen werden, dass sich eine jährliche Rendite von 4 Prozent ergeben würde? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Auch in der Frage 16 geht es dem Kollegen Wunderlich um die Erwerbsbeteiligung von Alleinerziehenden. Ich sage noch einmal, dass wir die Auffassung vertreten, dass eine gut ausgebaute, hochwertige Kinderbetreuung für Alleinerziehende besonders wichtig ist, dass sie und ihre Kinder dadurch unterstützt werden. Die Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft, die Sie ansprechen, nach der ein flächendeckendes Betreuungsangebot die Wahrscheinlichkeit einer Erwerbsaufnahme für Alleinerziehende erhöht und die besagt, dass Alleinerziehende dadurch eine bessere Einkommens-position erreichen, kennen wir. Diese Untersuchung wissen wir auch zu schätzen. Darum investieren wir in die öffentliche Infrastruktur. Ich sage es noch einmal: Wir wollen diese Bereiche nicht gegeneinander ausspielen. Wir investieren kräftig in die öffentliche Infrastruktur. Wie wir diese Untersuchung, die die Ministerin selbst vorgestellt hat, im Einzelnen bewerten, können Sie der Pressemitteilung vom 29. März 2012 entnehmen. Darin steht, wie sich Ganztagsbetreuung auf das Wohlergehen von Kindern auswirkt. Dem können Sie zumindest entnehmen, dass unter ganz bestimmten Bedingungen eine qualifizierte Ganztagsbetreuung absolut sinnvoll sein kann, sinnvoll ist – für Alleinerziehende, aber auch für deren Kinder. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Es ist schön, dass inzwischen auch das Ministerium einsieht, dass so etwas sinnvoll sein kann. Vorhin ist immer wieder der Begriff Wahlfreiheit, der von der Regierung stark proklamiert wird, angesprochen worden. Worin sehen Sie denn die Wahlfreiheit einer Alleinerziehenden? Hat sie nicht letztlich nur die Wahl zwischen dem Betreuungsgeld und der vagen Hoffnung auf einen Kindergartenplatz? Worin liegt da nach Ihrer Überzeugung die Wahlfreiheit? Ist das die von Ihnen proklamierte Wahlfreiheit? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Herr Wunderlich, Sie gehen wieder von der Hypothese aus – dazu habe ich eben schon etwas gesagt –, dass es ein ausreichendes Angebot nicht geben wird. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das sind Fakten! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist eine Tatsache!) – Wir sind ja dabei, das aufzubauen. „Wir“, das sind die Länder. – Ich gehe davon aus, dass wir 2013 ein solches Angebot haben werden. Aufgrund der Hypothese, die Grundlage Ihrer Frage ist, kann ich Ihre Frage nicht beantworten, zumindest nicht, wenn ich das ernst nehme, was ich gerade gesagt habe. Ich gehe davon aus, dass es ein solches Angebot geben wird. Als wir ein solches Betreuungsangebot in der Breite noch nicht hatten, gab es auch keine Wahlfreiheit. In dieser Zeit ist man davon ausgegangen, dass man sich entweder um die Familie kümmert oder erwerbstätig ist. Wir wollen die Möglichkeit der Vereinbarkeit. Ich sage es noch einmal: Wir wollen den Menschen nicht vorschreiben, wie sie leben sollen, sondern wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, die es ihnen ermöglichen, zu wählen. Da gibt es verschiedene Varianten; darüber kann man diskutieren. Materielle Anreize sind notwendig; das hat aber auch etwas mit Zeitstrukturen und mit Arbeitsorganisation zu tun. Das hat auch etwas mit Betreuung zu tun. Ich sage ausdrücklich – das hat diese Studie gezeigt –: Ein gutes Betreuungsangebot kann eine sehr positive Wirkung haben. Das ist aber keine neue Erkenntnis des Ministeriums. Diese Studie ist ja schon vor etlichen Wochen vorgelegt worden. Ich sage das, weil Sie vorhin sagten, dass das Ministerium dies erst jetzt so sieht. Diese Studie haben wir selbst mit in Auftrag gegeben. Sie ist ja nicht innerhalb von wenigen Tagen entstanden. Wir wollten das nur belegt haben. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Aber nicht immer fallen die Ergebnisse von Studien wunschgemäß aus. Ich habe noch eine Nachfrage. Wenn irgendetwas Kosten verursacht, wird seitens der Bundesregierung immer kolportiert: Wir wollen keine Kosten verursachen; unsere Kinder sollen nicht auf Schuldenbergen spielen. Wie sieht es denn mit den Kosten des Betreuungsgeldes aus? Daniel Bahr, unser Gesundheitsminister, hat gesagt – ich möchte ihn zitieren –, wir würden damit zukünftige Generationen belasten: Besser wäre es, den Ausbau der Kinderbetreuung voranzutreiben. Das unterstützt Familien am besten. Wie sieht es mit den Kosten und mit der Verlagerung der Mittel innerhalb des Haushalts aus, wenn Kinder – das wäre ein Nebeneffekt – allein aus finanziellen Gründen nicht in den Kindergarten geschickt werden? Erstaunlich ist ja, dass das Betreuungsgeld 2013 eingeführt werden soll, also in dem Jahr, ab dem es einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gibt. Diese miteinander konkurrierenden Säulen – so nenne ich das einmal – habe ich schon immer bemängelt. Wie hoch sind die dadurch entstehenden Kosten, und wie sieht es mit der Verlagerung der Mittel innerhalb des Haushalts aus, wenn das Betreuungsgeld auf Hartz IV angerechnet wird? Dann würde das Familienministerium durch das Betreuungsgeld zwar im Grunde Familien mehr fördern, aber im Arbeitsministerium würden Mittel eingespart. Nach außen könnte man dann damit glänzen, wie viel für Familien getan wird. Tatsächlich käme aber nicht 1 Euro mehr bei den Familien an. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Herr Wunderlich, Sie waren heute Vormittag im Familienausschuss. Sie wissen, dass der Etat des Familienministeriums aufgrund einiger Veränderungen objektiv anwächst. Wir haben zudem eine ausgesprochen gute Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation. Es gibt mehr Menschen, die gut verdienen. Das ist positiv. Von daher steigt die Zahl derjenigen, die Anspruch auf das Elterngeld, zum Teil auch auf ein höheres Elterngeld, haben. Auch die Inanspruchnahme der Vätermonate spielt eine Rolle. Das alles sind positive Entwicklungen. Sie fragen nach den Auswirkungen. Ich bitte um Verständnis, dass ich Ihnen nach wie vor antworten muss, dass ich dazu im Einzelnen nichts sagen kann, solange die Nebenbedingungen nicht hieb- und stichfest sind. Im Haushaltsentwurf des Bundesfinanzministers für 2013, in dem nach dem berühmten Top-down-Verfahren aufgestellten Entwurf, sind – auch das wissen Sie – 400 Millionen Euro für das Betreuungsgeld vorgesehen. Das ist Sachverhalt. Im Finanzplan sind, glaube ich, 1,2 Milliarden Euro für 2014 vorgesehen. Darüber wird dann später zu entscheiden sein. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage Frau Golze, danach Kollege Beck. Diana Golze (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, auch ich frage noch einmal nach der Finanzierung. Die Argumentation, man müsse auf der einen Seite Kitaplätze schaffen und auf der anderen Seite das Betreuungsgeld für den Fall einführen, dass Eltern den Kitaplatz nicht nutzen, damit alle Eltern etwas davon haben, würde ich verstehen, wenn die Nutzung eines Kitaplatzes gebührenfrei wäre. Die Bundesregierung tut gerade so, als wären Kitaplätze ein Geschenk an die Eltern, das diese für ihre Kinder in Anspruch nehmen. Ich kann Ihnen gerne einmal vorrechnen, wie viel ich an Kitagebühren für meine beiden Kinder in den letzten Jahren gezahlt habe. Es ist doch eine Ungleichbehandlung der Eltern, wenn die einen für die Inanspruchnahme eines Kitaplatzes Geld zahlen müssen, während die anderen, die sich privat eine Kinderbetreuung organisieren, zusätzlich Geld bekommen. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Die Situation in den Bundesländern und auch in den Kommunen ist sehr unterschiedlich. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Deswegen gibt es keine Wahlfreiheit!) Es gibt Bundesländer und Kommunen, die sich bei der Finanzierung von Kindergärtenplätzen und nicht nur bei der U-3-Betreuung sehr stark engagieren. Einige Kommunen investieren sehr viel Geld, während andere Kommunen andere – auch politische – Entscheidungen treffen. Man muss deutlich sagen, dass die Kommunen unterschiedliche Schwerpunkte setzen; denn sie können selbstständig darüber entscheiden. Zunächst einmal ist also zu beachten, dass es unterschiedliche Situationen gibt. Ich sage ausdrücklich – auch Sie waren heute Vormittag im Ausschuss –: Sie wollen alles Mögliche kostenlos anbieten. Herr Wunderlich hat einen entsprechenden Antrag vorgelesen. Dieser enthielt zehn, zwölf Punkte, an denen sozusagen kein Preisschild war, das zeigen würde, was die Chose kostet. (Diana Golze [DIE LINKE]: Ich habe Sie nach der Gleichberechtigung der Eltern gefragt!) Das wurde nicht erwähnt; ich weiß das ganz genau. Sie fordern zum Beispiel, Kinderbetreuung absolut kostenlos anzubieten. Das alles kann man fordern, aber Sie sollten einmal die Kosten addieren; denn dann kommen Sie auf zweistellige Milliardenbeträge. Sie müssten auch einmal einen Halbsatz dazu verlieren, wie Sie das finanzieren wollen. Ich finde, dass das zu einer redlichen Politik dazugehört. (Diana Golze [DIE LINKE]: Die Frage zur Gleichberechtigung der Eltern ist nicht beantwortet!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, die Ministerin hat erklärt, dass sie sich an den Auftrag der Koalition, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, gebunden fühlt, solange die Koalition an dem Betreuungsgeld festhält. Auch wenn das nicht nach großem Engagement klingt, kann man ja davon ausgehen, dass es in Ihrem Haus Vorüberlegungen zur Ausgestaltung eines entsprechenden Gesetzentwurfs gibt. Deshalb wollte ich hinsichtlich des Aspekts, den Kollegin Ferner schon angesprochen hat, nachfragen. Sie haben gesagt, dass Sie mit dem Gesetzentwurf noch nicht fertig sind. Das ist okay. Mich interessiert: Welche unterschiedlichen Modelle und Verfahren für den Nachweis der Nichtinanspruchnahme von staatlichen Betreuungsleistungen in Kindergarteneinrichtungen werden im Ministerium erwogen? Ich verstehe, dass Sie sich noch nicht festgelegt haben, aber Sie müssen doch schon Nachweismodelle entwickelt haben. Ich würde gerne erfahren, um welche Modelle es sich handelt, damit wir uns ein Bild von den rechtlichen Verfahren und dem bürokratischen Aufwand machen können, der mit der Gewährung des Betreuungsgeldes verbunden sein wird. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Herr Kollege Beck, einige Bundesländer haben ein Betreuungsgeld, teilweise ein Landeserziehungsgeld, entwickelt. Auch andere Nationen haben dies gemacht. Das alles wird man einbeziehen müssen, wenn man sich über die konkreten Regelungen Gedanken macht. Eine Regelung für Deutschland ist ein ganz eigenes Thema, weil wir ein sehr differenziertes familienpolitisches Leistungssystem haben. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Würden Sie jetzt noch auf meine Frage antworten?) – Ja. – Natürlich beschäftigt sich ein Ministerium mit allen Varianten; (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erzählen Sie die doch mal!) es wäre ja völlig unverantwortlich, das nicht zu tun. Es gibt viele Rechenmodelle. Ich werde in dieser Fragestunde allerdings nur über Dinge berichten, die abgeschlossen sind. (Caren Marks [SPD]: Was ist denn abgeschlossen?) Ich kann Ihnen nicht berichten, welche Varianten es im Einzelnen gibt; im Prinzip kennen Sie sie ja, wenn Sie sich mit dieser Thematik beschäftigen. Zu gegebener Zeit wird ein Gesetzentwurf vorgelegt, der zwischen den Ressorts abgestimmt ist. Dann wird man darüber politisch diskutieren können. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Präsident, ich vermute, wir beide sind uns einig, dass die Bundesregierung zu einem Thema, das in der Öffentlichkeit große Resonanz findet und über das breit diskutiert wird, wenig aussagekräftig antwortet. Der Kollege Staatssekretär ist nicht in der Lage, auf einfache Fragen zu antworten. Ich beantrage deswegen auf Grundlage unserer Richtlinien für Aktuelle Stunden die Durchführung einer Aktuellen Stunde zum Thema Betreuungsgeld. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich nehme das zur Kenntnis und fahre zunächst einmal mit unserer Fragestunde fort. Ich rufe die Frage 17 der Kollegin Heidrun Dittrich auf: Mit welchen Auswirkungen rechnet die Bundesregierung auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern infolge der Einführung des Betreuungsgeldes unter der Berücksichtigung der neuen Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e. V. bzw. des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e. V., und mit welchen Folgekosten rechnet die Bundesregierung insgesamt – unter Berücksichtigung der Sozialkassen, Steuereinkünfte und langfristigen Prognosen? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Ich habe dazu eben etwas gesagt. Weil diese Frage einer anderen Frage, die ich schon beantwortet habe, ähnlich ist – Sie konnten ja nicht wissen, wer welche Frage einreicht –, werde ich ähnlich antworten. Wir werden darauf achten, dass Fehlanreize vermieden werden. Im Übrigen trägt das Betreuungsgeld dazu bei, bestmögliche Wahlfreiheit zu ermöglichen. Die konkrete Ausgestaltung ist noch nicht geklärt. Daran wird gearbeitet, wenn die politischen Entscheidungen gefallen sind. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfragen? – Bitte schön. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Ich habe zu dieser Frage eine Zusatzfrage. Kommt es nicht einem Verbot der Erwerbstätigkeit von Müttern gleich, wenn ihnen Betreuungsmöglichkeiten vorenthalten werden? 150 Euro im Monat können das wirklich nicht ausgleichen. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Ich habe eben eine Antwort darauf gegeben. Müttern sollen keine Betreuungsmöglichkeiten vorenthalten werden. Wir wollen, dass es ein breites Betreuungsnetz gibt. Daran wird gearbeitet, auf Bundesebene, auf Landesebene und vor allen Dingen auf kommunaler Ebene. Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfragen? Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Nein. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dann rufe ich die Frage 18 der Kollegin Heidrun Dittrich auf: Geht die Bundesregierung davon aus, dass Eltern auf die Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes zugunsten des Betreuungsgeldes verzichten, und welche Konsequenzen hat dies für die Kinder in Anbetracht dessen, dass frühkindliche Bildung am besten in Betreuungseinrichtungen gewährleistet werden kann? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der -Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Die Bundesregierung hat keine Veranlassung für eine solche Annahme. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte sehr. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Meine erste Zusatzfrage: Würde die Bundesregierung auch dann an der Einführung des Betreuungsgeldes festhalten, wenn sie sicher wüsste, dass ein Kind nur wegen des Bezugs des Betreuungsgeldes aus der Kindertagesstätte genommen wird und ihm damit die frühkindliche Bildung in Gemeinschaft vorenthalten wird? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich kann Ihnen ausdrücklich sagen, dass die Struktur des Betreuungsgeldes überhaupt noch nicht feststeht. Deswegen kann ich darauf keine Antwort geben. Wir werden dafür sorgen, dass die Struktur bzw. die Konstruktion so sein wird, dass es keine Fehlanreize gibt. Wir sind im Übrigen, wie in der UN-Kinderrechtskonvention festgehalten, der festen Überzeugung, dass die beste Erziehung in der Familie erfolgt und dass Eltern die wichtigsten Erziehungspersonen sind. Insofern sind wir der Auffassung, dass man die öffentliche Betreuung nicht glorifizieren sollte. Sie hat unter bestimmten Bedingungen eine wichtige Funktion. Aber es muss beides nebeneinander geben. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Meine zweite Nachfrage: Wenn die Bundesregierung für Kinder Geld ausgeben möchte, warum wird nicht einfach der Betrag von 150 Euro, der für das Betreuungsgeld vorgesehen ist, auf den Regelsatz für Kinder aufgeschlagen? Dann gäbe es weniger Kinderarmut. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Zur Kinderarmut habe ich eben schon etwas gesagt. Es ist wichtiger, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Eltern und damit die ganze Familie aus der Armut herauskommen können, das heißt, es müssen Erwerbsmöglichkeiten geschaffen werden. In den letzten Jahren hat es für die Eltern, die aus der Erwerbslosigkeit herauskommen möchten, nie eine so günstige Situation wie gegenwärtig gegeben. Über 1 Million Langzeitarbeitslose – sie waren mehr als ein Jahr lang arbeitslos – haben es geschafft, jetzt wieder am Erwerbsleben teilzunehmen. Das ist eine ganz wichtige sozialpolitische und -arbeitsmarktpolitische Entwicklung. Das schafft nicht nur Arbeit für Vater und Mutter, sondern holt die Familien auch aus der Armut heraus. Das beste Mittel zur -Armutsbekämpfung ist eine gute Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe jetzt die Frage 19 der Kollegin Caren Marks auf: Wann legt die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Einführung eines Betreuungsgeldes vor – bitte Datum nennen –, und stimmt sie derzeit einen Referentenentwurf zwischen den Bundesressorts ab? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Die Kollegin Marks fragt – das ist nicht überraschend – auch nach dem Betreuungsgeld. Ich habe die Frage eben schon einmal im Zusammenhang beantwortet. Bis zum Sommer soll ein Gesetzentwurf vorgelegt werden. Dieser Gesetzentwurf wird nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung natürlich zwischen den Ressorts abgestimmt. Vizepräsident Eduard Oswald: Erste Nachfrage, Frau Kollegin Caren Marks. Caren Marks (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, meine Frage war, ob es diesbezüglich schon einen Referentenentwurf gibt, der sich in der Abstimmung befindet. Sie beziehen sich in Ihrer Antwort auf einen Gesetzentwurf. Das schließt die Option, dass ein Referentenentwurf schon in der Abstimmung ist, ja nicht komplett aus. Darum frage ich noch einmal gezielt nach dem Referentenentwurf nach. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Es gibt keinen Referentenentwurf, der sich in der Abstimmung befindet. (Caren Marks [SPD]: Okay, dann hoffen wir einmal, dass er nicht übermorgen in der Zeitung steht!) Vizepräsident Eduard Oswald: Das war noch nicht die zweite Nachfrage, sondern nur ein Zwischenruf. (Caren Marks [SPD]: Genau!) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Ich glaube, dann hätten Sie den Entwurf auch schon. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Wir gehen geordnet vor. – Bitte schön, Frau Caren Marks. Caren Marks (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident, für die Möglichkeit, eine zweite Nachfrage zu stellen. Herr Staatssekretär, können Sie mir beantworten, wie es um die Überlegungen steht, die die Ministerin vor einigen Tagen angedeutet hat, seitens des Ministeriums überhaupt keinen Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld vorzulegen, sondern die Arbeit ausschließlich in die Hände der schwarz-gelben Regierungsfraktionen zu legen, weil sie wahrscheinlich keine Lust hat, durch den Streit sowohl innerhalb der Regierungskoalition als auch in der Öffentlichkeit – die öffentliche Meinung hinsichtlich des Betreuungsgeldes ist ja mehrheitlich ganz klar ablehnend – noch weiter negativ in der Kritik zu stehen? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der -Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Ich sage ausdrücklich: Ich kenne keine derartige Äußerung der Ministerin. Das war eine Spekulation in den Medien. In den Medien steht vieles, aber das ist nicht immer das, was sich tatsächlich abspielt, sondern das, was jemand meint, beobachtet zu haben. Dies wird dann eben geschrieben. Das ist ja auch möglich. Ich gehe davon aus, dass sich die Koalitionsfraktionen in einem geordneten Verfahren darüber verständigen, wie sie das gestalten wollen. Ich sage ausdrücklich: Sie haben sich darauf verständigt, einen Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld einzubringen. Deswegen gehe ich auch davon aus, dass dies entsprechend umgesetzt wird. (Elke Ferner [SPD]: Ist das nicht mehr Sache des Ministeriums?) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Das waren die beiden Nachfragen. Ich rufe jetzt die Frage 20 der Kollegin Caren Marks auf: Welche Annahmen liegen der Berechnung der Kostenschätzung für ein Betreuungsgeld (siehe Eckwertebeschluss der Bundesregierung zum Bundeshaushalt 2013) zugrunde, und ist beim Betreuungsgeld eine finanzielle Beteiligung der Länder vorgesehen? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Der Koalitionsausschuss hat am 6. November 2011 beschlossen, im Jahre 2013 ein Betreuungsgeld in Höhe von 100 Euro für das erste Lebensjahr des Kindes und ab dem Jahre 2014 in Höhe von 150 Euro für das zweite und dritte Lebensjahr des Kindes einzuführen. Die Bundesregierung will damit eine Leistung schaffen, die die Eltern in ihrer Wahlfreiheit hinsichtlich der Kinder--betreuung unterstützt und die Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten entsprechend stärkt. Bei den Eckwerten des Regierungsentwurfs für 2013 ist Vorsorge getroffen worden: 0,4 Milliarden Euro in 2013 und 1,2 Milliarden Euro ab 2014. Das ist das, was im Moment Beschlusslage ist. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage. Bitte schön, Frau Caren Marks. Caren Marks (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, meine Frage wurde leider in keiner Weise beantwortet. Ich habe nicht nach den Kosten gefragt, sondern meine Frage war, welche Annahmen der Kostenschätzung zugrundeliegen. Es interessiert mich, ob Sie auf meine Frage, die eigentlich ziemlich klar formuliert ist, vielleicht eine klare Antwort geben könnten. Das würde mich außerordentlich freuen. Zum anderen überrascht mich die Kostenschätzung grundsätzlich, da Sie in Ihren Antworten auf die vorherigen Fragen mehrfach angeführt haben, dass das Ressort mit Blick auf die Abstimmung innerhalb des Ressorts, erst recht mit Blick auf die Abstimmung im Kabinett noch völlig im Unklaren darüber ist, wohin die Reise beim Betreuungsgeld insbesondere hinsichtlich der -Details geht. Insofern ist es vielleicht ein bisschen schwierig, mit den Zahlen zu jonglieren, wie Sie das gerade eben getan haben. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Ich kann nur die Zahlen nennen, die im Haushaltsentwurf enthalten sind, der demnächst ins Kabinett gehen wird und dort nach Lage der Dinge Mitte Juni beschlossen wird. Das, was ich habe, sind handfeste Zahlen. Den Zahlen liegt die Schätzung zugrunde – ich habe jetzt keine genaue Zahl präsent –, wer das Betreuungsgeld in Anspruch nehmen wird. Ich kann Sie darüber aber im Einzelnen gerne informieren. Das ist das, was konkret vorliegt. Ich kann ansonsten nur allgemein antworten, solange noch kein konkreter Gesetzentwurf vorliegt. Vizepräsident Eduard Oswald: Nachfrage. Caren Marks (SPD): Vielen Dank für die zweite Nachfrage. – Herr Staatssekretär, ich schließe also daraus, dass Sie zwar eine nur sehr vage Vorstellung davon haben, wie das Betreuungsgeld ausgestaltet wird, aber trotz dieser Unwägbarkeiten sehr konkrete Vorstellungen davon haben, was es kostet. Es ist für mich ein bisschen schwierig, das miteinander zu kombinieren, aber mit der Weisheit Ihres Hauses wird das sicherlich gelingen. Meine Nachfrage bezieht sich auf den zweiten Teil meiner Frage. Ich möchte gerne nachhaken, wie es mit der finanziellen Beteiligung der Länder aussieht. Sie argumentieren immer damit, dass das Betreuungsgeld eine Kompensation für diejenigen ist, die die staatlich geförderten Kitaplätze nicht in Anspruch nehmen. Nun ist es so – auch das wurde hier von mehreren Kolleginnen und Kollegen wiederholt ausgeführt –, dass am Ausbau der Kitaplätze, insbesondere auch der U-3-Plätze, alle staatlichen Ebenen, Bund, Länder und insbesondere die Kommunen, finanziell maßgeblich beteiligt sind. Insofern ist es doch ein bisschen aberwitzig, wenn die finanzielle Ausstattung des Betreuungsgeldes, wie Sie es bei der Kostenschätzung bisher angedeutet haben, ausschließlich beim Bund liegt. Ist da eine Beteiligung vorgesehen? Wenn nein: Wie erklären Sie das? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich jetzt zu Einzelheiten nichts weiter sagen kann. Warten Sie doch ein wenig ab, bis der Gesetzentwurf vorliegt. Dann können wir mit handfesten Fakten argumentieren. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe das Gefühl, Ihr Ministerium interessiert sich für dieses Gesetz nicht!) Ich glaube, das ist der Sache dienlicher. (Caren Marks [SPD]: Okay! Ich bedanke mich für die Nichtbeantwortung!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. Wir kommen zur Frage 21 unseres Kollegen Matthias Birkwald: Trifft es zu, dass nach den derzeitigen Plänen der Bundesregierung Familien im Hartz-IV-Bezug für ihre zu Hause betreuten Kinder kein Betreuungsgeld erhalten sollen bzw. dieses vollständig auf die Leistungen angerechnet werden soll und somit ihre Kinder am Ende ohne Frühförderung und die Eltern ohne Anerkennung ihrer Betreuungsleistung dastehen, und wie ist dies in Einklang zu bringen mit der Erkenntnis, dass insbesondere Kinder aus sozial schwachen Schichten zur Erlangung einer Chancengleichheit bestmögliche Förderung benötigen? Herr Staatssekretär. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Herr Kollege Birkwald, ich habe eben in einem anderen Zusammenhang schon einmal erläutert, dass das -Betreuungsgeld so ausgestaltet werden muss, dass es den Bedürfnissen der Familien tatsächlich Rechnung trägt – ich kann nicht anders, als das zu wiederholen, weil das im Endeffekt die gleichen Fragen sind –, und dass die konkrete Ausgestaltung des Betreuungsgeldes geprüft wird. Ich sage Ihnen als Arbeitsmarktpolitiker jetzt noch einmal, dass man sehr genau hinschauen muss, wie sichergestellt werden kann, dass es sich für denjenigen, der daran interessiert ist, eine Arbeit aufzunehmen – ich gehe davon aus, dass das bei den meisten Hartz-IV-Empfängern der Fall ist –, tatsächlich rechnet, dass etwas -übrig bleibt, dass er mehr im Portemonnaie behält, wenn er eine Arbeitsstelle hat. Deswegen dürfen vom Betreuungsgeld keine falschen Anreize ausgehen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Kollege Birkwald. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Dann will ich meine Frage anders ein--leiten. Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2011 hatte die Bundesregierung das Elterngeld für Hartz-IV-Betroffene bereits gestrichen: 300 Euro weniger pro Monat oder 3 600 Euro im ersten Lebensjahr des Kindes. Nun sollen – jedenfalls nach allen Berichten, die wir in der Öffentlichkeit von verschiedenen Seiten erhalten haben – Hartz-IV-Betroffene kein Betreuungsgeld erhalten. Das wären dann 150 Euro weniger pro Monat oder weitere 3 600 Euro im zweiten und dritten Lebensjahr. Im Gesetzentwurf zum Kinderförderungsgesetz der Fraktionen der Union und der SPD aus dem Jahr 2008, also zuzeiten der Großen Koalition, hieß es zum Betreuungsgeld, damit – ich zitiere – „die herausragende Leistung der Eltern bei der Erziehung des Kindes zu würdigen“. Wie rechtfertigt die Bundesregierung, dass ihr die Erziehungsarbeit während der ersten drei Lebensjahre in Hartz-IV-Familien 7 200 Euro weniger wert ist als in -allen anderen erdenklichen Familien, zum Beispiel in einer Managerfamilie mit einer in Teilzeit erwerbstätigen Ehefrau und Mutter? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Sie wissen, dass wir als Begründung für die Anrechnung des Elterngeldes für diejenigen, die Hartz-IV-Leistungen beziehen, gesagt haben: Hartz IV muss so gestaltet sein, dass es auskömmlich ist. Es ist auch keine Leistung, die für Jahre vorgesehen ist, sondern eine Leistung, die dann gezahlt wird, wenn jemand trotz intensiver Bemühungen oder meinetwegen deswegen, weil er bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt, keine Arbeit bekommt. Das ist insofern eine vorübergehende Finanzierung. So ist das gedacht. Der Hartz-IV-Empfänger mit seinen zwei bis drei Kindern bekommt natürlich höhere Familienleistungen, (Dagmar Ziegler [SPD]: Und mit einem?) weil das, was im Bereich von Hartz IV an Kinderleistungen gezahlt wird, höher ist als das Kindergeld. Denn man geht etwa im Vergleich zum Geringverdiener davon aus, dass er einen Teil seines Einkommens für seine Kinder einsetzt. Das ist selbstverständlich, und das tun die Eltern in der Regel auch sehr gerne. Das ist in diesem Fall die Begründung dafür. Vor diesem Hintergrund wird man auch beim Betreuungsgeld diskutieren müssen, dass damit keine falschen Anreize gesetzt werden. Darüber kann man dann noch im Einzelnen reden. Von Ihrer Seite wurde eben schon einmal eine Frage gestellt, bei der aufgelistet worden ist, was jemand, der nicht erwerbstätig ist, jetzt schon bekommt. Der eine oder andere, der sein Geld im niedrigen Einkommensbereich verdient – Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr –, wird sich gewundert haben, was ihm, verglichen mit dem, was ein anderer netto übrig hat, netto bleibt. Man kann das natürlich entsprechend erhöhen, aber wir halten das für problematisch. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Kollege Birkwald. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Wir sind uns doch wohl einig, dass Kinder in Hartz-IV-Familien diejenigen mit dem größten Armutsrisiko sind und dass genau diese Familien familienpolitische Leistungen am dringendsten bräuchten. Das gilt sowohl für das Elterngeld als auch für das Betreuungsgeld. Wenn jetzt die offizielle Begründung für das Betreuungsgeld lautet, dass Eltern eine größere Wahlfreiheit eingeräumt werden soll – das haben Sie auch heute mehrfach gesagt –, frage ich Sie: Warum sollen dann betuchte Eltern das Betreuungsgeld erhalten und es für eine im privaten Haushalt angestellte Kinderfrau ausgeben dürfen – das ist ja durchaus vorgesehen –, und warum haben Hartz-IV-Betroffene diese Wahlfreiheit nicht? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Wir können darüber nicht diskutieren, weil es diese Regelung noch gar nicht gibt. Es gibt noch keinen Gesetzentwurf. Wenn es einen solchen Gesetzentwurf gäbe, dann könnten wir uns darüber austauschen. (Sönke Rix [SPD]: Aber eine Meinung haben Sie doch! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ich denke, Sie bereiten das vor! Ein bisschen sollten Sie schon sagen können!) Es gibt dazu unterschiedliche Meinungen. Es hängt auch davon ab, welche Zielsetzungen man konkret verfolgt. Davon hängt auch die Ausgestaltung des Betreuungsgeldes ab. Dann kann über solche Zusammenhänge diskutiert und entschieden werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Wir kommen jetzt zur Frage 22 ebenfalls unseres Kollegen Matthias Birkwald: Wie beurteilt die Bundesregierung die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung e. V. über Betreuungsgeldleistungen in den skandinavischen Ländern, wonach vor allem Mütter mit geringem Einkommen, niedrigem Bildungsniveau und Migrationshintergrund Betreuungsgeld beziehen und sich das Betreuungsgeld somit negativ auf die Beschäftigungssituation von Müttern auswirkt und Nachteile bei der frühkindlichen Bildung zur Folge hat, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Erkenntnissen dieser Studie, insbesondere vor dem Hintergrund, dass in Norwegen und Schweden über eine Abschaffung des Betreuungsgeldes diskutiert wird? Herr Staatssekretär. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Zu Ihrer Frage sage ich noch einmal ausdrücklich: Das Betreuungsgeld soll so konzipiert werden, dass jungen Eltern im Zusammenwirken mit den übrigen Leistungen, die es gibt – Geld und Infrastruktur –, tatsächlich eine Wahlfreiheit eröffnet wird und dass den tatsächlichen Bedürfnissen Rechnung getragen wird. (Elke Ferner [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht! Sie können doch nichts sagen, weil es noch keinen Gesetzentwurf gibt!) Alle bislang vorgelegten Studien zu Modellen und Konzepten sind deswegen nicht übertragbar, weil das Betreuungsgeld der Bundesregierung differenzierter ausgestaltet wird als bisher herangezogene Modelle. Insofern sagen diese Studien wenig aus. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Wie will denn die Bundesregierung bei ihrer Gestaltung verhindern – wie Sie mehrfach gesagt haben, erarbeiten Sie gerade den Gesetzentwurf und hätten die Chance dazu –, dass sich das Betreuungsgeld genauso wie in Finnland, Schweden und Norwegen eindeutig geschlechtsspezifisch zulasten von Frauen auswirkt und so wie in Finnland die Position der Frauen in der Gesellschaft insgesamt schwächt, wie in Norwegen die ungleiche Arbeitsteilung zwischen Eltern stärkt oder wie in Schweden dazu führt, dass das Einkommen von Frauen sinkt, weil sie eher als Männer aufgrund des Betreuungsgeldes ihre Erwerbsarbeit und damit ihr Erwerbseinkommen verringern? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Es wird die hohe Kunst sein, das Betreuungsgeld so auszugestalten, dass die negativen Effekte, die Sie beschrieben haben, nicht eintreten. (Zurufe von der LINKEN: Also wird es nix! – Können wir das als Versprechen nehmen?) Vizepräsident Eduard Oswald: Wenn wir wieder Ruhe haben, dann können Sie Ihre zweite Frage stellen, Herr Birkwald. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Das heißt, das Betreuungsgeld wird kommen; das haben Sie gerade wohl gesagt. Werden denn Frauen, die es ohnehin schon schwerer auf dem Arbeitsmarkt haben, wie alleinerziehende Frauen, Frauen mit Migrationshintergrund und Frauen mit sogenannten geringen Qualifikationen, nicht durch das Betreuungsgeld ermutigt bzw. geradezu ökonomisch gedrängt, ihre Arbeitsplatzsuche aufzugeben, und könnte sich das Betreuungsgeld somit als Schweigeprämie für ohnehin auf dem Arbeitsmarkt Benachteiligte erweisen? Wie wollen Sie das verhindern? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Wenn Sie eben alles verfolgt haben, was ich gesagt habe – davon gehe ich einmal aus –, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das habe ich! – Caren Marks [SPD]: Da war nichts zu verfolgen!) dann wissen Sie, dass ich ausdrücklich gesagt habe, dass das nicht der Fall sein soll. Vielmehr muss das Betreuungsgeld so ausgestaltet sein, dass auch für Menschen im unteren Einkommensbereich Erwerbsanreize gegeben sind, dass sich Arbeiten lohnt. Das beißt sich teilweise mit Theorien, die eben vertreten worden sind. Arbeiten muss sich auf jeden Fall lohnen. Wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet. Sonst würde das Betreuungsgeld falsche Anreize setzen. Vizepräsident Eduard Oswald: Es gibt eine Nachfrage unserer Frau Kollegin Dr. Barbara Höll. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, darf ich Ihre letzte Antwort so verstehen, dass Sie jetzt, wo Sie Hemmnisse insbesondere für die Erwerbstätigkeit von Frauen beseitigen wollen, die Beseitigung des Ehegattensplittings in Angriff nehmen? Nachgewiesenermaßen müssen verheiratete Frauen, die heutzutage aufgrund der fehlenden Infrastruktur für ihre Kinder nur verkürzt, zum Beispiel sechs Stunden, arbeiten können, zwölf Stunden arbeiten, um aufgrund der Regelung des Ehegattensplittings überhaupt einen adäquaten Lohn zu bekommen. Das Ehegattensplitting wirkt gerade für Frauen, die nur wenige Stunden arbeiten, arbeitsmarktabweisend, weil es sich für die Betreffenden in Steuerklasse V nicht lohnt. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und -Jugend: Die Beseitigung des Ehegattensplittings ist nicht geplant. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das hätte uns auch sehr gewundert!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Damit beenden wir diesen Geschäftsbereich. Ich weise geschäftsleitend darauf hin, dass die Koalitionsfraktionen beantragt haben, nach dem entsprechenden zeitlichen Ablauf der Fragestunde kurz zu unterbrechen. Ich beabsichtige daher, gegen 16 Uhr die Aktuelle Stunde aufzurufen. Jetzt machen wir mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit weiter. Hier werden alle Fragen schriftlich beantwortet. Es handelt sich um die Fragen 23 und 24 des Kollegen René Röspel sowie die Frage 25 der Kollegin Kathrin Vogler. Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Jan Mücke zur Verfügung. Ich rufe die Frage 26 unserer Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann auf: Welchen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung nach dem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig, das das Nachtflugverbot am Flughafen Frankfurt am Main von 23 bis 5 Uhr bestätigte und das Kontingent für die Gesamtnacht auf 133 Flüge beschränkte, sowie der Entscheidung der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, künftig zwischen 0 und 5 Uhr Passagierflüge am Flughafen Köln/Bonn zu verbieten, um bundeseinheitliche Standards für Nachtflugregelungen zu schaffen, die einerseits eine Standortkonkurrenz nach Maßgabe gestatteter Nachtflüge verhindern und andererseits den berechtigten Erwartungen der Anwohner nach einem umfassenden Lärm- und Gesundheitsschutz nachkommen? Herr Staatssekretär, ich bitte. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Dr. Enkelmann, die Antwort auf Ihre Frage lautet: Soweit dies anhand des bisher ausschließlich veröffentlichten Tenors des Urteils erkennbar ist, hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zum Nachtflug am Flughafen Frankfurt am Main seine bisherige Rechtsprechung zu den zu beachtenden Vorgaben zum Schutz der Anwohner im Rahmen der Nachtflugregelung an den Flughäfen Leipzig/Halle und Berlin Brandenburg International fortgeführt. Das Urteil bezieht sich allerdings fallspezifisch auf die Besonderheiten des Verfahrens zum Frankfurter Flughafen. Ob sich aus der noch ausstehenden Begründung des Urteils allgemeingültige Aussagen ergeben, die einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf aufzeigen, bedarf einer sorgfältigen Prüfung, die aber naturgemäß erst nach der vollständigen Veröffentlichung der Entscheidung möglich ist. Grundsätzlich geht die Bundesregierung davon aus, dass das aktuelle Regelwerk im Luftverkehrsgesetz und im Fluglärmgesetz eine geeignete Grundlage für den Luftverkehr in Deutschland darstellt. Im Hinblick auf bundeseinheitliche Standards für Nachtflugregelungen wäre zu berücksichtigen, dass die Übertragung der Aufgaben im Zusammenhang mit der Genehmigung und Planfeststellung von Flughäfen sowie auch mit nachträglichen Betriebsregelungen an die Länder erfolgt ist, weil diese die größere Sachnähe haben und daher lokale Besonderheiten in die entsprechenden Entscheidungen einbeziehen können. Diese Flexibilität, zum Beispiel besondere Siedlungssituationen im Sinne der Anwohner bei den Betriebsregelungen berücksichtigen zu können, würde eine bundeseinheitliche Regelung nicht ohne Weiteres gewährleisten können. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. – Zunächst einmal weise ich darauf hin, dass wir heute den bundesweiten Tag gegen den Lärm haben. Insofern passt die Frage ganz gut. Sie haben deutlich gemacht, dass die Bundesregierung offenkundig nicht vorhat, weiter darüber nachzudenken. Das Umweltbundesamt hat allerdings andere Ansichten, insbesondere was zum Beispiel die im Fluglärm-gesetz festgelegten Grenzwerte anbetrifft. Der Chef des Umweltbundesamtes geht davon aus, dass die Fluglärmgrenzwerte, die heute dort festgelegt sind, zu hoch sind, was gesundheitsschädigend ist, Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System hat und weitere gesundheitliche Probleme verursacht, die inzwischen nachgewiesen sind. Meine erste Frage lautet: Die Regierung sieht auch hier keinen Handlungsbedarf? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin, Ihre Frage bezog sich auf die Planfeststellungen und die Betriebsgenehmigungen der Flughäfen in Frankfurt und Berlin. Diese sind nicht Gegenstand einer Regelung des Fluglärmgesetzes. Das Fluglärmgesetz wird mit herangezogen, wenn eine solche Planfeststellung gemacht wird. Wir sehen aber gegenwärtig keine Notwendigkeit, den Rechtsrahmen zu ändern. Es gibt natürlich laufend Diskussionen und Forschungen über Gesundheitsfolgen. Ich kann nicht ausschließen, dass diese Forschungen irgendwann einmal dazu führen, dass sich daraus ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf ableitet. Ihre Frage bezog sich auf den gesetzgeberischen Handlungsbedarf als Ergebnis des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zum Flughafen Frankfurt. Hier gibt es keine Querverbindung zum Fluglärmgesetz. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Dr. Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Das ist bedauerlich. Könnte möglicherweise ein Grund dafür, dass Sie sagen, es gehe um Frankfurt am Main, aber Berlin und Leipzig/Halle gehe Sie nichts an, sein, dass ein Grundproblem bundesdeutscher Verkehrspolitik ist, dass wir bisher keine nationale Luftverkehrsplanung haben, sondern diese den Ländern überlassen ist? Wäre es nicht allerhöchste Zeit, mit Blick auf Kapazitäten im Luftverkehr über eine nationale Flugverkehrsplanung nachzudenken? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Dr. Enkelmann, das sehe ich anders. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Schade!) Der Gesetzgeber hat das in § 31 des Luftverkehrsgesetzes ausdrücklich anders geregelt. Wir haben insgesamt in der Verkehrspolitik mit der Auftragsverwaltung der Länder für den Bund sehr gute Erfahrungen gemacht. Nehmen Sie zum Beispiel die Auftragsverwaltung der Länder beim Straßenbau. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Bundesverkehrswegeplan!) Die Länder bauen in unserem Auftrag die Bundesfernstraßen, also die Bundesstraßen und die Bundesautobahnen, und das tun sie aus gutem Grund; denn sie sind sehr viel näher an den Problemen und kennen sehr viel genauer die Konflikte in den einzelnen Regionen. Ähnlich verhält es sich bei den Planfeststellungsverfahren für Flughäfen. Ich glaube, dass sich der Gesetzgeber aus gutem Grund dafür entschieden hat, dass die Länder im Auftrag des Bundes tätig werden und Entscheidungen in eigener Verantwortung treffen. Möglicherweise trifft der Bundesgesetzgeber einmal eine andere Entscheidung, aber bisher hat er sie so getroffen. Deshalb kann ich Ihnen dazu keine andere Antwort geben als die, die ich Ihnen gegeben habe. Ich finde, es ist sachgerechter, wenn eine Behörde darüber entscheidet, die vor Ort ist und die die Konflikte vor Ort sehr genau kennt. Das haben wir gerade bei dem Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt gesehen. Dort ist die Genehmigungsbehörde das brandenburgische Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft. Ich glaube, dass es auch die bessere Behörde dafür ist, weil es sehr viel näher dran ist, als das beispielsweise das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig oder das Bundesverkehrsministerium sind. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie denken an die Lichterspiele. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Auf der Straße geht die Bundesverkehrswegeplanung, aber in der Luftfahrt nicht!) Jetzt rufe ich die Frage 27 unserer Kollegin Bärbel Höhn auf: Wird der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, mit Blick auf das von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen beschlossene Nachtflugverbot für Passagierflugzeuge am Flughafen Köln/Bonn von seinem Genehmigungsvorbehalt nach dem Luftverkehrsgesetz Gebrauch machen oder in sonstiger Weise eingreifen, um das Inkrafttreten des Nachtflugverbots zu verhindern oder zu verzögern? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Sie haben das Wort zur Beantwortung. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Präsident! Frau Kollegin Höhn, die Antwort auf Ihre Frage lautet: Das Luftverkehrsgesetz enthält keinen Genehmigungsvorbehalt für Maßnahmen, die die Länder hinsichtlich der Genehmigung und des Betriebs von Flughäfen ergreifen. Eine Einmischung in die entsprechende politische Ausrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der Betriebszeiten der dortigen Flughäfen ist nicht beabsichtigt. Allerdings nehmen die Länder Aufgaben im Zusammenhang mit Flughäfen im Wege der Bundesauftragsverwaltung wahr. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung die Fach- und Rechtsaufsicht über entsprechende Maßnahmen der Länder. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Bärbel Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, stimmt es denn, dass das Bundesverkehrsministerium dem Land Nordrhein-Westfalen vor der Entscheidung des Kabinetts für den Fall des Erlasses eines Nachtflugverbotes schriftlich ein fachaufsichtsrechtliches Eingreifen angedroht hat? Und was wollen Sie mit diesem fachaufsichtsrechtlichen Eingreifen erreichen? Bei der Beantwortung der Fragen der Kollegin Enkelmann haben Sie doch gesagt, dass die Länder die Kompetenz haben, eine solche Entscheidung zu treffen. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin Höhn, wir weisen gelegentlich darauf hin, dass wir als Bund die Fach- und Rechtsaufsicht ausüben. Das werden wir aber erst dann tun, wenn eine entsprechende Entscheidung durch das jeweilige Bundesland tatsächlich ergangen ist. Das ist im Fall von Nordrhein-Westfalen nach meiner Kenntnis bisher nicht der Fall. Wir wissen nur, dass eine Entscheidung beabsichtigt ist. Bisher ist aber kein förmlicher Bescheid an den Flughafenbetreiber ergangen. Deshalb gibt es für die Bundesregierung bisher auch weder eine Möglichkeit noch eine Notwendigkeit, Maßnahmen im Rahmen der Fach- und Rechtsaufsicht zu ergreifen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Um das noch einmal ganz klar zu machen: Bedeutet die von Ihnen eben getroffene Feststellung, es gebe keine Notwendigkeit, fachaufsichtsrechtlich einzugreifen, dass aus Sicht des Bundesverkehrsministeriums das Nachtflugverbot am Flughafen Köln/Bonn sofort nach Verkündung in Kraft treten kann – ja oder nein? Bedeutet das, dass es sofort nach Verkündung durch das Kabinett in Kraft treten kann und keine Intervention des Bundes erfolgt? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Nein, Frau Kollegin, das habe ich ausdrücklich nicht gesagt. Ich habe mich sehr präzise ausgedrückt. Zum einen habe ich ausgeführt, dass es keinen Genehmigungsvorbehalt des Bundesverkehrsministers für eine solche Entscheidung gibt. Der Bund kann erst dann fach- und rechtsaufsichtlich tätig werden, wenn dem Betreiber des Flughafens eine entsprechende Entscheidung zugegangen ist. Das ist bisher nicht der Fall. Der Kabinetts-beschluss allein ist für den Bund keine ausreichende Grundlage, um eine Prüfung vorzunehmen. Entscheidend ist, wie die zuständige Landesluftfahrtbehörde dem Flughafenbetreiber gegenüber agiert. Von ihrer Seite müsste dann ein entsprechender Bescheid ergehen. Das ist meines Wissens bisher nicht der Fall. Wir werden im Lichte einer solchen Entscheidung, wenn sie denn vorliegt, entscheiden, ob wir fach- und rechtsaufsichtlich tätig werden. Heute kann das aber keiner sagen. Das wäre pure Spekulation. Eine solche Entscheidung ist bisher seitens der Landesregierung und insbesondere der Landesluftfahrtbehörde an den Flughafenbetreiber nicht ergangen. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine Nachfrage unseres Kollegen Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Als Kölner Abgeordneter interessiert mich natürlich schon, was das, was Sie hier gerade so verklausulieren, für die Menschen im Ergebnis heißt. Wird die Bundes-regierung gegen eine solche Regelung – deren Inhalt man sich ja denken kann, auch wenn man den Wortlaut des Bescheides, der das Nachtflugverbot für die in Rede stehende Zeit durchsetzt, im Einzelnen noch nicht kennt – auf jeden Fall vorgehen? Oder wird sie nicht dagegen vorgehen; es sei denn, sie beinhaltet irgendetwas juristisch völlig Absurdes? Werden Sie das von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen angekündigte Nachtflugverbot stoppen, oder werden Sie dem Land Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit geben, die durch die Rechtsprechung geschaffene neue Lage zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger in Flughafennähe auszugestalten? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege Beck, diese Entscheidung muss man im Lichte des dann ergangenen Bescheides prüfen. Wir sind hier in einem Verwaltungsverfahren; dazu gibt es Voraussetzungen, die Sie kennen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie nicht drum herum! Reden Sie zum Kern! Danach habe ich Sie gefragt!) Natürlich kann diese Regierung erst dann rechts- und fachaufsichtlich tätig werden, wenn eine solche Entscheidung getroffen wurde. Bisher ist uns ein solcher Bescheid nicht bekannt. Deshalb gibt es für uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit – ich wiederhole mich –, hier fach- und rechtsaufsichtlich tätig zu werden. Das können wir erst dann, wenn eine solche Entscheidung der Landesluftfahrtbehörde dem Flughafenbetreiber zugesagt ist. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie, die Bundesregierung, Ihr Haus, hat doch eine Haltung dazu!) Vizepräsident Eduard Oswald: Eine weitere Nachfrage stellt unser Kollege Oliver Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, ich interpretiere Ihre Äußerungen jetzt so, dass die Bundesregierung es sich ausdrücklich vorbehält und auch in Erwägung zieht, ein fachrechtliches Eingreifen vorzunehmen und diese Entscheidung zu überprüfen. Mich interessiert, in welche Richtung dieses Eingreifen stattfinden soll – den Inhalt, das, was die Landesregierung beschlossen hat, kennen wir alle –: Wollen Sie, dass der Zeitkorridor noch weiter eingeschränkt wird, dass noch weniger Nachtflüge stattfinden, oder soll der Zeitkorridor ausgeweitet werden? Soll der Status quo beibehalten werden? Das würde mich einmal interessieren. In welche Richtung könnte ein solches Eingreifen gehen? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Verzeihen Sie, Herr Kollege: Das sind gleich zwei Suggestivfragen auf einmal. Sie unterstellen, dass eine bestimmte Entscheidung, zu der sich die Bundesregierung im Rahmen der Fach- und Rechtsaufsicht verhalten müsste, schon getroffen wurde. Das ist aber nicht der Fall. Die Landesluftfahrtbehörde hat bisher keinen entsprechenden Bescheid mit einer Änderung oder der Rücknahme der Betriebsgenehmigung oder was auch immer erlassen. Wir haben bisher keine Kenntnis von einer solchen Entscheidung. Deshalb wäre es rein spekulativ, heute eine Aussage zu treffen, ob und gegebenenfalls wie die Bundesregierung die Fach- und Rechtsaufsicht ausüben wird. Diese Möglichkeit besteht immer. Dementsprechend ist unsere Zuständigkeit. Aber ich kann Ihnen heute, da es keine förmliche Entscheidung der Luftfahrtbehörde Nordrhein-Westfalen gibt, nicht sagen, in welcher Art und Weise und ob überhaupt die Rechts- und Fachaufsicht ausgeübt werden muss. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich erteile nun das Wort zu einer weiteren Nachfrage unserer Kollegin Ursula Heinen-Esser. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Befragt sich die Bundesregierung schon selbst?) Ursula Heinen-Esser (CDU/CSU): Da der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen eine Frage als Kölner Abgeordneter gestellt hat, frage ich ebenfalls als Kölner Abgeordnete den Staatssekretär: Habe ich es richtig verstanden, dass das nordrhein-westfälische Kabinett zwar einen Beschluss gefasst hat, aber bislang wohl noch keine Anweisung an die zuständige Behörde ergangen ist, diesen Beschluss auch tatsächlich umzusetzen? Ist also noch kein Bescheid an den Flughafen Köln/Bonn ergangen, sich damit zu befassen? Ist das richtig so, oder ist Ihnen vielleicht schon zu Ohren gekommen, dass es einen solchen Bescheid gar nicht gibt, weil es in die politische Landschaft in Nordrhein-Westfalen passt? (Caren Marks [SPD]: Suggestivfrage!) Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Geschätzte Frau Kollegin, diese Frage möchte ich sehr gern beantworten. Für die Ausübung der Fach- und Rechtsaufsicht ist ein entsprechendes Tätigwerden, ein Verwaltungsakt, der Landesluftfahrtbehörde erforderlich. Die Landesluftfahrtbehörde muss an den Flughafenbetreiber, wenn sie am gegenwärtigen Genehmigungszustand irgendetwas ändern möchte, einen Bescheid verschicken. Nach Kenntnis des Bundesverkehrsministeriums liegt eine solche Entscheidung der Landesluftfahrtbehörde bisher nicht vor. Aus diesem Grund gibt es für den Bund zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Möglichkeit, in irgendeiner Art und Weise fach- und rechtsaufsichtlich tätig zu werden. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, Frau Heinen!) Vizepräsident Eduard Oswald: Die nächste Frage ist die Frage 28, ebenfalls gestellt von unserer Kollegin Bärbel Höhn: Trifft es zu, dass der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, von der Europäischen Union Zugeständnisse im Streit um die Einbeziehung von Auslandsflügen in das europäische Emissionshandelssystem gefordert hat, und welche Art von Zugeständnissen meint er damit konkret (vergleiche unter anderem Stern.de vom 15. April 2012)? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Präsident! Frau Kollegin Höhn, die Antwort auf Ihre Frage lautet: Nein, es trifft nicht zu, dass Bundesminister Dr. Ramsauer Zugeständnisse gefordert hat. Der Bundesminister vertritt die innerhalb der Bundesregierung abgestimmte Haltung. Die EU-Richtlinie legt fest, dass der Luftverkehr wettbewerbsneutral in den Emissionshandel einbezogen wird. Innerhalb der Bundesregierung und der Europäischen Union besteht Einigkeit, hier keine Abstriche zu machen. Wettbewerbsnachteile für deutsche und europäische Luftfahrtunternehmen müssen verhindert werden. Deutschland unterstützt die EU-Kommission in umfassender Weise dabei, Gespräche mit kritischen Drittstaaten abzuwenden und zu einer substanziellen Lösung in der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation beizutragen, aber auch die Position der Europäischen Union klar und geschlossen zu verdeutlichen. Eine Anpassung des Emissionshandelssystems wird in Aussicht gestellt, soweit eine wirksame und verbindliche globale Regelung für den Luftverkehr verabschiedet wird. Hierfür ist Verhandlungsbereitschaft auf allen Seiten notwendig. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Bärbel Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, das bedeutet, dass das Verkehrsministerium weiterhin dafür ist, dass internationale Flüge im Regime des Emissionshandels bleiben, und dass Sie keinerlei Anstrengungen, keinerlei Aktivitäten unternehmen, um internationale Flüge aus dem Emissionshandel herauszunehmen. Verstehe ich das so richtig, ja oder nein? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin, die Position der Bundesregierung dazu ist sehr eindeutig. Wir vertreten über alle Häuser hinweg die Auffassung, dass das europäische Emissionshandelssystem geltende Rechtslage ist. Wir stehen gemeinsam dafür ein, dass es auch in der Art und Weise umgesetzt wird, wie es vereinbart ist. Wir ziehen bei einem globalen Verkehrsträger aber immer eine globale Lösung im Rahmen der ICAO vor. Deshalb setzen wir darauf, dass durch die Debatte über das europäische Emissionshandelssystem und mögliche Wettbewerbsnachteile sich auch die dem europäischen System gegenüber kritischen Staaten bereitfinden, mit uns ein globales System zu schaffen. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein. Gerade auch für Sie als Umweltpolitikerin ist ein Emissionshandelssystem, das weltweit funktioniert und das alle Luftverkehrsunternehmen umfasst, sicher erstrebenswerter. Für uns ist die klare Voraussetzung immer gewesen, dass dieses Emissionshandelssystem keine Wettbewerbsverzerrungen mit sich bringt. Das wird auch weiter die Leitlinie der Bundesregierung bleiben. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Weil Sie gerade die internationale Diskussion angesprochen haben, möchte ich gern einen konkreten Vorschlag von China erwähnen. China diskutiert, Auslandsflüge durch zusätzliche Abgaben zu verteuern und die Einnahmen daraus dem Klimaschutz zugutekommen zu lassen. Wäre das aus Sicht des Verkehrsministeriums ein möglicher Kompromiss? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Die Zuständigkeit für die Findung von möglichen Ausgleichsmaßnahmen für ein Emissionshandelssystem für die internationalen Flüge außerhalb des Gebiets der Europäischen Union liegt bei der EU-Kommission. Wir als Bundesregierung haben nicht die rechtliche Möglichkeit, Vereinbarungen dazu zu treffen. Für uns ist ein globales Emissionshandelssystem für den gesamten Luftverkehr im Rahmen der ICAO erstrebenswerter. Das sollten wir gemeinsam anstreben. Regelungen, die mit einzelnen Luftfahrtnationen getroffen werden, sind demgegenüber immer nur die zweite Wahl. Für uns ist entscheidend, dass wir Wettbewerbsneutralität im gesamten Luftverkehr erreichen. Das ist am besten im Rahmen der ICAO zu erreichen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke für die Nichtbeantwortung!) Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt rufe ich den Kollegen Dr. Hermann Ott zu einer Nachfrage auf. Bitte, Kollege Dr. Ott. Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege, die Aktion der Europäischen Union, die Fluggesellschaften in den Emissionshandel einzubeziehen, kann als ein gutes Zeichen für die positive Wirkung einer Vorreiterrolle gesehen werden. 15 Jahre lang hatte die Europäische Union versucht, innerhalb der ICAO eine globale Regelung zu erreichen. Erst jetzt, nachdem die Union Anstrengungen unternommen hat, bewegt sich etwas innerhalb der ICAO. Sind Sie der Meinung, dass die Äußerungen von Herrn Ramsauer, dass die Europäische Union Zugeständnisse machen sollte, den Prozess gefährden könnten? Andere Staaten könnten sich dann überlegen, dass Sie es nicht so ernst meinen und Ihre Position nicht durchziehen. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege, das sehe ich ein bisschen anders. Wenn Sie mit den Amtskollegen von Herrn Ramsauer oder mit meinen Amtskollegen aus den großen Luftfahrtnationen über dieses Thema sprechen, werden Sie feststellen, dass der Stil der EU-Kommission, die versucht, eine europäische Regelung zu globalisieren, in der Kritik steht. Dahinter vermutet man einen unilateralen Ansatz. Das ist für die Außenpolitik immer ein schlechter Ansatz. Deutschland hat ihn mit Blick auf andere Staaten stark kritisiert. Wir wollten keinen unilateralen Ansatz, sondern ein gemeinsames Handeln der Völkergemeinschaft. Deshalb ist die ICAO die richtige Organisation, in deren Rahmen man eine solche Vereinbarung treffen sollte. Ich gestehe zu, dass durch die Rechtsetzung innerhalb der Europäischen Union Druck in diesen Prozess gekommen ist. Das ist sicher hilfreich, um ein globales System aufzustellen. Dass es aber auch ohne diesen Druck möglich ist, sehen Sie zum Beispiel bei der IMO. Diesen Druck gab es bei der Schifffahrt nicht. Man ist auf einem sehr guten Weg, hier eine Einigung zu finden, die auch global funktioniert. Dies macht Sinn, wenn wir über Verkehrsträger reden, die global tätig sind. Dort sind die Zusammenschlüsse von Nationalstaaten die falsche organisatorische Ebene, um klimapolitisch und wirtschaftspolitisch die richtige Entscheidung zu treffen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Die Fragen 29 und 30 des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, die Fragen 31 und 32 des Abgeordneten Gustav Herzog sowie die Frage 33 der Abgeordneten Daniela Wagner werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht uns Frau Staatssekretärin Heinen-Esser zur Verfügung. Ich rufe die Frage der Kollegin 34 Cornelia Behm auf: Welche Beschlüsse für die Exportquote für Glasaal hat die Wissenschaftliche Prüfgruppe, Scientific Review Group, SRG, für das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen, CITES, für die Fangsaison 2011/2012 und gegebenenfalls für die nachfolgenden Fangsaisons gefasst, und welche Position hat Deutschland in diesem Gremium diesbezüglich vertreten? Bitte schön, Frau Staatssekretärin. Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Liebe Kollegin Behm, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Bei ihrem 57. Treffen im vergangenen Oktober hat die Wissenschaftliche Prüfgruppe bezüglich des europäischen Aals eine negative Stellungnahme für den Export des Aals aus der EU abgegeben. Sie hat beschlossen, diese Entscheidung Ende 2012 für die Fangsaison 2012/2013 zu überprüfen. Das Protokoll dieses Treffens können Sie im Übrigen auch im Internet abrufen. Die Entscheidung ist in der Wissenschaftlichen Prüfgruppe einstimmig erfolgt. Sie steht im Einklang mit den Empfehlungen des Internationalen Rates für Meeresforschung. Infolge dieser Entscheidung auf europäischer Ebene ist eine Nullquote für den Export festgesetzt worden, die das CITES-Sekretariat veröffentlicht hat. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben eine Nachfrage, Frau Kollegin Behm? Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin von dieser Antwort so positiv erschüttert, dass ich keine Nachfrage habe. Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, es würde uns in zeitliche Schwierigkeiten bringen, wenn ich noch weitere Fragen aufrufen würde. Ich schlage also vor, dass wir die Fragestunde jetzt beenden. Die Aktuelle Stunde, die sich aus Frage 16 entwickelt hat, rufe ich gegen 16 Uhr auf. Bis dahin unterbreche ich die Sitzung. Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 15.44 bis 16.01 Uhr) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen unsere Sitzung fort. Ich rufe Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE gemäß Anlage 5 Nr. 1 Buchstabe b GO-BT zu den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen 15 und 16 auf Drucksache 17/9351 Dabei geht es um das Betreuungsgeld. Erste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion Die Linke unsere Kollegin Frau Diana Golze. Bitte schön, Frau Kollegin. (Beifall bei der LINKEN) Diana Golze (DIE LINKE): Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gab in den letzten Wochen und Monaten zahlreiche Vorschläge, mit denen die Regierung versucht hat, das Betreuungsgeld in ihren eigenen Reihen durchzusetzen und es den eigenen Kolleginnen und Kollegen schmackhaft zu machen. Es war die Rede von einer Koppelung an Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt und von höheren Rentenleistungen für Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren worden sind. Gestern und heute haben wir erfahren, dass unsere Befürchtungen, dass das Betreuungsgeld auf Hartz IV angerechnet werden soll, anscheinend zu Recht bestanden und dass das in die Realität umgesetzt werden soll. Das ist für mich die Fortsetzung einer Politik der kalten Herzen und der sozialen Kälte gegenüber Menschen, die von Hartz-IV-Leistungen leben müssen. Hier setzt sich etwas fort, das mit der Anrechnung des Kindergeldes und des Mindestelterngeldes begann. Nun soll das auch noch beim Betreuungsgeld stattfinden. Das heißt, wer schon etwas hat, bekommt mit dem Betreuungsgeld etwas obendrauf; wer nichts hat, bekommt gar nichts. Im schlimmsten Falle bekommt er auch keinen Kitaplatz; denn davon werden wir auch 2013 immer noch nicht genügend haben. (Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Wo haben Sie das gelesen?) Das ist ein Skandal, der sich, wie gesagt, hier fortsetzt – eine Politik der kalten Herzen, die wir hier schon des Öfteren kritisiert haben. Dem kann doch dieser Bundestag nicht einfach so zustimmen. Man kann da doch nicht einfach so weitermachen, als wäre das das Normalste der Welt. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch heute wieder wurde bei der Begründung, warum man es auf Hartz IV anrechnen möchte, nicht nur bürokratisch argumentiert, sondern es wurde gesagt: Es ist ja die Anerkennung der Erziehungsleistung. – Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Sie können doch nicht sagen, dass Eltern, die ihre Kinder in eine öffentliche Kindertagesbetreuung geben, keine Erziehungsleistung erbringen. Das können Sie doch nicht wirklich glauben. Das können Sie doch den Menschen draußen nicht erklären. (Beifall bei der LINKEN) So ist es auch kein Wunder, dass 60 Prozent der Bevölkerung dieses Betreuungsgeld ablehnen. Die Zahlen mögen in Bayern anders sein; das glaube ich gerne. Das kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass heute in der Aktuellen Stunde – wenn ich das richtig überschaut habe – für die Unionsfraktion nur Rednerinnen und Redner der CSU sprechen werden. (Markus Grübel [CDU/CSU]: Widerspruch! Widerspruch!) Ich weiß nicht, welche Meinung die CDU dazu vertritt. Das können Sie uns ja noch übermitteln. Aber es kann doch nicht sein, dass Sie so tun, als wenn eine Erziehungsleistung nur von den Eltern erbracht wird, die ihre Kinder nicht in eine öffentliche Kita bringen. Das Geld sollen ja auch Eltern bekommen, die zum Beispiel eine private Nanny oder die Großmutter engagieren. (Zuruf von der CDU/CSU: Genau das!) „Betreuungsgeld“ heißt doch nicht, dass sie das wirklich selbst tun. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Was ist zum Beispiel mit Aufstockern? Haben Sie, wenn Sie das anrechnen wollen, schon einmal darüber nachgedacht, was mit Leuten ist, die arbeiten gehen und ihre Kinder von den Großeltern betreuen lassen? Die nehmen auch keinen Kitaplatz in Anspruch. Auch sie erbringen Erziehungsleistungen, so wie Sie sie verstehen. Trotzdem sollen sie das Betreuungsgeld nicht bekommen, weil sie aufstockende Sozialleistungen nach Hartz IV in Anspruch nehmen. Das, was Sie da machen, ist doch völlig unlogisch. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diesbezügliche Fragen konnte der Staatssekretär in der Fragestunde leider nicht beantworten. Nach meiner Auffassung ist ein solches Vorgehen auch nicht mit der Verfassung zu vereinbaren. Dort steht, dass Ehe und Familie unter dem Schutz des Staates stehen. Dort steht nicht: Die Einverdienerehe steht unter dem Schutz des Staates. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) In den Zeitungen stand, dass die Kanzlerin hierzu ein Machtwort spricht. (Caren Marks [SPD]: Aber das falsche!) Ich würde mir bezogen auf andere Vorhaben, die im Koalitionsvertrag stehen, ein Machtwort wünschen – ich habe auch danach in der Fragestunde gefragt, aber auch auf diese Fragen keine Antwort bekommen –: Wie steht es denn um die Verbesserungen beim Unterhaltsvorschussgesetz? Dieses Vorhaben liegt auf Eis. Wie steht es um die Ausweitung des Elterngeldes? Auch das liegt auf Eis. Es gibt dazu keinen Vorschlag. Wie steht es um die Unterstützung für Alleinerziehende, also derjenigen, die am meisten von Armut bedroht sind? 43 Prozent der Kinder von Alleinerziehenden sind von Armut bedroht. Wenigstens das hat der Staatssekretär in der Befragung gewusst. Zu diesen Vorhaben würde ich mir ein Machtwort der Kanzlerin wünschen und nicht ausgerechnet zu diesem unsinnigen Betreuungsgeld. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zu alledem hört man von der zuständigen Ministerin leider nichts. Haben Sie in den letzten Tagen mal irgendetwas von ihr gelesen? Haben Sie irgendwas gehört? (Markus Grübel [CDU/CSU], an SPD, LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Vorhin habt ihr gesagt, ihr hättet das Buch gelesen! Und jetzt?) In der heutigen Fragestunde war nur der Staatssekretär anwesend. Frau Ministerin, ich freue mich sehr, dass Sie an dieser Aktuellen Stunde teilnehmen. Zu diesem Thema war von Ihnen in den vergangenen Wochen nichts zu hören. Dabei ist es doch Ihr Haus, das diesen Gesetzentwurf erarbeiten soll. Es ist ebenfalls Ihr Haus, das auch die anderen Vorhaben, die im Koalitionsvertrag stehen – ich habe sie genannt –, umsetzen soll. Ich wünschte mir dazu wirklich einmal eine öffentliche Meinungsäußerung der Ministerin. Diese haben wir bisher nicht gehört. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich habe gerade eben, vor wenigen Minuten, den Vorsitz der Kinderkommission des Deutschen Bundestages übernommen. (Caren Marks [SPD]: Glückwunsch! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Aber nichts für Kinder tun!) – Danke schön. – Der erste Schwerpunkt unter meinem Vorsitz wird sein, dass wir uns mit der sozialen Lage von Kindern und Jugendlichen beschäftigen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Dann sollten Sie Leistungen für Kinder nicht ablehnen!) – Herr Straubinger, hören Sie mir zu! Sie können nicht zuhören, wenn Sie gleichzeitig reden. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Doch, ich schon! Sie sollten als Vorsitzende der Kinderkommission für Kinder reden und nicht gegen Kinder!) Dieses Betreuungsgeld wird die soziale Lage von Kindern und Jugendlichen nicht verbessern. Ich werde in der Kinderkommission mit meinen Kolleginnen und Kollegen dafür sorgen, dass hier Vorschläge auf den Tisch kommen, die genau das leisten, was das Betreuungsgeld nicht leistet. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist eine Fehlbesetzung!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Golze. – Nächster Redner – er steht schon da – ist der Kollege Markus Grübel für die Fraktion der CDU/CSU. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Markus Grübel (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst, Frau Golze: Ich bin nicht Mitglied der CSU, obwohl mir das eine Ehre wäre. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!) Ich bin kein Bayer (Caren Marks [SPD]: Das merkt man gar nicht!) und daher Mitglied der CDU. Es ist gut, wenn wir in dieser aufgeheizten Stimmung und in der Diskussion zunächst einmal die Fakten sammeln: Wir haben in § 16 Abs. 5 SGB VIII geregelt: Ab 2013 soll für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen oder können, eine monatliche Zahlung (zum Beispiel Betreuungsgeld) eingeführt werden. (Dagmar Ziegler [SPD]: Soll!) Das haben wir damals in der Koalition von CDU/CSU und SPD beschlossen. Damals war das nicht verfassungswidrig; (Caren Marks [SPD]: Nein! Falsch! Lesen Sie mal die Protokolle!) damals war das kein Teufelswerk. (Caren Marks [SPD]: Doch!) Es war mit Sicherheit ein Kompromiss. (Zuruf von der SPD: Nein!) Wir haben damals das Fundament für das Betreuungsgeld gemeinsam gelegt. Mit der FDP gab es dann eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag. Im November letzten Jahres wurde im Koalitionsausschuss die Vereinbarung getroffen: Wir werden Familien weiter stärken und die Wahlfreiheit für unterschiedliche Lebensmodelle weiter verbessern. Die Koalition wird deshalb ab dem Jahr 2013 als zusätzliche Anerkennungs- und Unterstützungsleistung ein Betreuungsgeld in Höhe von zunächst 100 Euro für das 2. und ab 2014 in Höhe von 150 Euro für das 2. und 3. Lebensjahr des Kindes einführen. Zweck ist, dass die Würdigung der Leistung der Eltern bei der Kinderbetreuung stärker als bisher zum Ausdruck gebracht wird. Ferner verfolgen wir mit der geplanten Einführung des Betreuungsgeldes das Ziel, den Eltern faktisch mehr Wahlfreiheit hinsichtlich der Art der Kinderbetreuung zu lassen. Zur Wahlfreiheit: Wir unterstützen den Ausbau der Kinderbetreuung – auch das haben wir gemeinsam beschlossen –, der U-3-Betreuung bis 2013 mit 4 Milliarden Euro. Die Vorgängerregierung hat diesbezüglich mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz auch schon etwas gemacht. Damals waren die Geldflüsse für die Kommunen aber nicht so spürbar. Wir unterstützen die Länder und Kommunen bei der Schaffung von mehr Betreuungsplätzen und ermöglichen so mehr Wahlfreiheit. Ab 2014 fördern wir die -Betreuung von Kindern unter drei Jahren jährlich mit 770 Millionen Euro; die Betriebskosten werden dann zum Teil vom Bund getragen. Wir anerkennen aber auch die größere Erziehungsleistung der Eltern, die ihr Kind ohne Hilfe einer öffentlichen Betreuungseinrichtung erziehen. (Zuruf der Abg. Elke Ferner [SPD]) Warum dies so verteufelt wird, ist mir völlig schleierhaft. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) In der Großen Koalition hat die SPD das im Grunde noch mitgetragen. (Zurufe von der SPD: Nein! – Christel Humme [SPD]: Lügen macht es nicht besser!) Über die vorgenannten Vereinbarungen der Koalition hinaus ist die Ausgestaltung noch gar nicht festgelegt. Es wundert mich, dass die Opposition im Detail weiß, welche Passage des Gesetzentwurfs verfassungswidrig sein soll, welche im Bundesrat zustimmungspflichtig ist etc. pp.; denn es gibt noch keinen Gesetzentwurf. Uns ist es ein Anliegen – ich glaube, da haben wir weitgehend Übereinstimmung –, Fehlanreize zu vermeiden und Kinder bestmöglich zu fördern. (Caren Marks [SPD]: Aha!) Das geplante Betreuungsgeld baut auf den Maßnahmen, die wir schon eingeleitet haben, auf. Ich nenne hier den Ausbau der U-3-Betreuung, (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist der Rechtsanspruch schon erfüllbar?) die Einführung des Elterngelds und die Erhöhung des Kindergelds und des Kinderfreibetrags zu Beginn dieser Wahlperiode. Ich fasse zusammen: Das Betreuungsgeld ist ein weiterer Baustein für mehr Wahlfreiheit und stellt eine bessere Anerkennung der Erziehungsleistung der Eltern dar. Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Grübel. – Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin Dagmar Ziegler. Bitte schön, Frau Kollegin Ziegler. (Beifall bei der SPD) Dagmar Ziegler (SPD): Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Grübel, zunächst einmal: Sie werden es nicht schaffen, die Geschichte zu verändern. Dafür sind andere Parteien zuständig. Die historische Wahrheit ist, dass die SPD schon immer gegen dieses Betreuungsgeld war. (Beifall bei der SPD – Caren Marks [SPD]: Sehr wahr! – Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben doch mitgestimmt!) Das war Punkt eins. Punkt zwei. Hätten wir es damals gemeinsam mit Ihnen einführen wollen, hätten wir dies getan. Es gab einen Riesenstreit, und Frau von der Leyen ist schon damals gegenüber der CSU eingeknickt; (Caren Marks [SPD]: Ganz genau! Umfallerin!) denn auch sie wollte es nicht. Sie hat es als bildungspolitisch falsch bezeichnet, dieses Geld einzuführen. Deshalb ist es ohne rechtsverbindliche Wirkung in das SGB VIII aufgenommen worden. (Beifall bei der SPD) Also bitte: Bleiben Sie bei der Wahrheit! Wenn Sie das täten, müssten wir uns heute hier nicht so streiten. Es gab damals eine Verbindung mit dem Ausbau der U-3-Betreuung. Auch das wissen Sie. Uns war der Ausbau der Betreuung der Kinder unter drei Jahren so wichtig, dass wir gesagt haben: Dann lassen wir das Betreuungsgeld als Klammerzusatz zu; denn mit uns wird es nie umgesetzt werden. Das war der Ausgangspunkt. Nun zum Inhalt unserer heutigen Debatte. Sie sagen, dass es nicht mehr um das Ob geht, sondern nur noch um das Wie. Niemand von Ihnen – das Ministerium nicht, die Abgeordneten nicht – kann Aussagen dazu treffen, wie dieses Wie aussehen soll. Sobald es kritisch wird, sagen Sie: Es liegt ja noch nichts vor. Ich kann nur sagen: Sie haben keinen Plan, keine Idee. Sie haben nichts außer Worthülsen, die da heißen: Wir wollen die Leistungen der Eltern anerkennen. Gleichzeitig sagen Sie, wenn wir argumentieren, dass es eine Herdprämie ist: Nein, auch die berufstätigen Eltern bekommen dieses Geld. Herr Geis erzählt uns, die frühkindliche Bindung zwischen Kindern und Eltern solle dadurch gestärkt werden. Nein, das stimmt nicht, denn auch Supernanny, Oma, Opa, Onkel oder sonst wer bekommen dieses Geld. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Das Geld bekommen die Familien! Für was sie es ausgeben, ist deren Entscheidung!) Sie betreiben hier Augenwischerei. Es geht Ihnen eben nicht um die Werte und Inhalte, die Sie vor sich hertragen, sondern es geht Ihnen wieder lediglich um Klientelpolitik, die Sie schon von Anbeginn dieser Legislaturperiode durchhalten. (Beifall bei der SPD – Markus Grübel [CDU/CSU]: Wenn die Klientel Familien sind, können wir damit leben!) – Nein, die Supernanny gehört nicht zur Familie. Erzählen Sie nicht immer solchen Unsinn! Wenn Sie von jemandem von außen eine Leistung einkaufen, zählt diese Person nicht zur Familie. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Wahlfreiheit, die Sie immer so hochhalten, ist erst dann gegeben – das hat heute sogar die Ministerin in einem Interview bestätigt –, wenn es sowohl einen Kitaplatz als auch die Möglichkeit, zu Hause zu bleiben, gibt. 2013 – wir wünschen uns das nicht, aber es wird wahrscheinlich so eintreten – werden wahrscheinlich nicht ausreichend Kitaplätze zur Verfügung stehen. Es gibt also keine Wahlfreiheit der Eltern. Das ist wieder nur Augenwischerei. Sie bedienen damit die Eltern, damit sie ruhig sind und gar nicht erst einen Kitaplatz beantragen. Heute sagte der Staatssekretär, dass er auf die Frage, wie der Nachweis, dass Eltern gar nicht gewillt sind, einen Kitaplatz in Anspruch zu nehmen, erbracht werden soll und ob sie Schreiben von 50 Kitas vorlegen müssten, in denen steht: „Wir haben leider keinen Platz für Sie“, keine Antwort geben kann. Keiner weiß, wie dieser Nachweis überhaupt erfolgen soll. Also: Die Eltern werden einfach pauschal sagen können: „Wir wollen keinen Kitaplatz“ und das Betreuungsgeld bekommen, auch wenn im Ort gar kein Kitaplatz zur Verfügung stünde. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Das mag in SPD-regierten Ländern der Fall sein!) Das ist Betrug; das ist Wahlbetrug, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Auch Frau Schavan sagt: „Das wurde nun einmal vereinbart; das müssen wir wohl machen“, in der Hoffnung, dass ihr Ansatz, frühkindliche Bildung gerade für Kinder, die aus bildungsfernen Schichten kommen, zu gewährleisten, tatsächlich wirkt. Auch sie versteckt sich hinter der Aussage: Das steht halt im Koalitionsvertrag. – Wir könnten Ihnen reihenweise Vorhaben aufzählen, die in Ihrem Koalitionsvertrag stehen, aber nicht umgesetzt werden. Aber diesen Schwachsinn machen Sie! (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was Sie sich mit den ALG-II-Beziehern erlauben, ist eine Frechheit sondergleichen. (Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Keine Hysterie!) Herr Geis sagte in einer der letzten Plenardebatten: Auch die arbeitslosen Eltern werden selbstverständlich für ihre Erziehungsleistung honoriert und selbstverständlich das Betreuungsgeld bekommen. – Davon ist ab heute offensichtlich nicht mehr die Rede. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Was? Ich habe doch noch gar nichts gesagt!) Offensichtlich sind sie Eltern zweiter Klasse. Offensichtlich sind sie Eltern, deren Erziehungsarbeit nichts wert ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wo leben wir eigentlich, wenn in dieser Republik nur noch Spaltung betrieben wird, anstatt gemeinsam daran zu arbeiten, dass Kinder, egal ob sie zu Hause erzogen oder in eine Kita gegeben werden, gleiche Chancen auf Bildung und Teilhabe bekommen? Wir diskriminieren nicht die Eltern, die zu Hause bleiben. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Doch!) – Nein, das tun wir nicht. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Natürlich!) Wir wollen echte Wahlfreiheit und keinen Betrug. Sie sind die Betrüger der Nation; das muss man deutlich sagen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Sie wollen keine Wahlfreiheit! – Zurufe von der FDP: Oh! – Na, na, na!) Frau Ministerin, ich freue mich, dass Sie der heutigen Debatte beiwohnen. Ihnen wird ja nachgesagt, Sie seien keine Verfechterin des Betreuungsgeldes. Sie sagten heute, wenn Sie richtig zitiert worden sind, dass Sie die Betreuung in Kitas über das Betreuungsgeld stellen. Dann tun Sie es endlich! Tun Sie etwas, woran man merkt, dass Sie eine Ministerin sind und nicht nur eine Frau, die zufällig auf diesem Platz sitzt! Tun Sie bitte mal was! (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Diese Rede war voller Heuchelei!) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der FDP unsere Kollegin Miriam Gruß. Bitte schön, Kollegin Miriam Gruß. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Miriam Gruß (FDP): Danke schön. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat sind in den letzten Wochen und Monaten viele öffentliche Äußerungen zum Betreuungsgeld gefallen. An dieser Stelle will ich betonen: Mir bzw. uns liegt bisher kein Entwurf vor. Das heißt, wir reden bisher eigentlich nur über heiße Luft bzw. über Vorschläge, die von einzelnen Kollegen und Kolleginnen verlautbart wurden. (Sönke Rix [SPD]: Haben Sie denn eine Meinung? – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Koalition der heißen Luft!) Ich will zu zwei Punkten, die ganz aktuell vorgeschlagen wurden, etwas sagen. Zunächst zur Hartz-IV-Anrechnung, um die es in dieser Aktuellen Stunde hauptsächlich geht: Ja, beim Elterngeld ist es so gemacht worden. Das heißt aber nicht, dass es beim Betreuungsgeld zwangsläufig auch so gemacht werden muss. Aber: Auch das ist bisher noch heiße Luft. Es liegt nichts, aber auch gar nichts Konkretes vor. (Michaela Noll [CDU/CSU]: Genau!) Von daher brauchen wir heute nicht darüber zu diskutieren. (Beifall bei der FDP) Zu den Rentenerhöhungen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was kosten die eigentlich? Wie viele Milliarden sind es denn? – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ständig Interviews geben, aber nicht im Bundestag diskutieren wollen!) Ja, auch wir als FDP-Bundestagsfraktion sind dafür, Erziehungsleistungen bei der Rente besser anzuerkennen. Allerdings muss eine generationengerechte Familienpolitik auch im Blick haben, dass wir keine Schuldenberge anhäufen dürfen, die wir der nächsten Generation aufbürden. Von daher müssen wir sehr darauf achten, was es kostet. Wir sind der Meinung – heute sind die aktuellen Zahlen bekannt gegeben worden –, dass gerade Deutschland gut daran tut, auf die Schulden zu achten. Wir dürfen nicht das Ziel aus den Augen verlieren, die Schulden abzubauen. Hier sollten wir europaweit Vorbild sein. Alle anderen Staaten um uns herum – das merkt man ja – fallen um. Deutschland muss Vorbild sein. Schuldenabbau ist ganz klar unser erklärtes Ziel. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, Sie alle wissen: Das Betreuungsgeld war nie der Wunsch der FDP-Fraktion. Herr Brüderle hat für die FDP-Fraktion auch in letzter Zeit des Öfteren öffentlich erklärt, dass wir uns vertragstreu verhalten werden. Allerdings nehmen auch wir wahr, dass es innerhalb der Union noch Diskussionsbedarf gibt. Es muss ein Gesetzentwurf vorgelegt werden. (Michaela Noll [CDU/CSU]: Genau! Dann reden wir darüber!) Dann können wir gerne wieder über dieses Thema diskutieren, auch hier im Plenum. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Caren Marks [SPD]: Das war aber schon mal besser!) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: unsere Kollegin Katja Dörner. Bitte schön, Frau Kollegin Dörner. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das Betreuungsgeld ist eine unsinnige und absurde Maßnahme. Ich möchte erst gar nicht in die Situation kommen, dass ich mich über die Spitzen der Absurditäten unterhalten muss, wie wir das jetzt offensichtlich aber doch tun müssen, weil die Familien, die es in diesem Land am schwersten haben, nämlich die, die im ALG-II-Bezug leben, vom Bezug des Betreuungsgeldes ausgeschlossen werden sollen. Das ist für uns überhaupt nicht akzeptabel. Ich möchte mich darüber unterhalten, wie wir dieses unsinnige Betreuungsgeld aus dem Gesetz wieder gestrichen bekommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Wir müssen erleben, dass die Bundesregierung ihre unsoziale Politik auf dem Rücken und zulasten der Familien weiter fortsetzt: Erst wird die Erhöhung des Elterngeldes auf Hartz IV angerechnet, dann wird der Sockelbetrag beim Bezug des Elterngeldes gestrichen, und jetzt steht im Raum, dass auch das Betreuungsgeld nicht an Familien im ALG-II-Bezug ausgezahlt werden soll. Diese Politik zulasten der Familien muss ein Ende haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Wer dieses unsinnige Betreuungsgeld immer damit begründet, es solle Wahlfreiheit geben und man wolle die Erziehungsleistung der Eltern anerkennen, (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Genau! Sehr richtig!) der sagt mit dem heute vorliegenden Vorschlag, dass Eltern im ALG-II-Bezug kein Recht darauf haben, (Caren Marks [SPD]: Keine Wahlfreiheit haben! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Völlig falsch! Sie haben es nicht verstanden! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Völlig falsch ist das!) dass ihre Erziehungsleistung gewürdigt wird. Ich finde es ungeheuerlich, dass ein derartiger Vorschlag überhaupt zur Diskussion gestellt wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Damit stellt sich die Bundesregierung ein absolutes Armutszeugnis aus, und sie begibt sich damit – davon bin ich überzeugt – rein rechtlich und juristisch auf ganz dünnes Eis. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Ist ja nicht wahr!) Vor einem Monat haben zehn Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen hier in namentlicher Abstimmung ein ganz klares Zeichen dafür gesetzt, dass sie vom Betreuungsgeld nichts halten. Kurz darauf haben 23 Unionsabgeordnete klargemacht, dass sie der Kanzlerin beim Betreuungsgeld die Gefolgschaft verweigern werden. Das Betreuungsgeld hat in diesem Parlament keine Mehrheit, und dabei muss es bleiben! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir erleben aktuell aber einen unwürdigen Kuhhandel. Im Gegenzug zur Zustimmung zum Betreuungsgeld soll es eine Rentenerhöhung für Mütter geben, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Es stimmt: Bei der Stichtagsregelung gibt es ein Gerechtigkeitsproblem. Aber wer, wie Herr Kauder, einen derartigen Vorschlag in den Raum stellt, der muss auch sagen, wer es bezahlen soll. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Und vor allem: Das Betreuungsgeld als solches wird damit keinen Deut besser. Für uns ist ganz klar: Es darf keinen billigen Kuhhandel zulasten der Familien in diesem Land geben. Das Betreuungsgeld darf erst gar nicht Realität werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir Grüne werden alles dafür tun, damit das Betreuungsgeld nicht kommt – bis hin zu einer Verfassungsklage. Ich freue mich, dass wir die SPD hier an unserer Seite haben. An dieser Stelle will ich aber auch sagen: Es wäre noch schöner gewesen, wenn die SPD ihre weitreichenden Bedenken, die sie jetzt hat, schon 2007 klar geäußert und dieses Betreuungsgeld erst gar nicht ins Gesetz geschrieben hätte. (Caren Marks [SPD]: Haben wir klar gesagt!) – Nein. (Sönke Rix [SPD]: Wir hatten ja keine Mehrheit! Sie müssen die Realitäten sehen! – Dagmar Ziegler [SPD]: Dann hätten wir auch keinen U-3-Ausbau!) Wenn man es erst gar nicht ins Gesetz geschrieben hätte, dann wäre uns allen hier eventuell sehr viel Aufregung erspart geblieben (Max Straubinger [CDU/CSU]: Wenn Sie die Familien unterstützen würden, bräuchten Sie sich gar nicht aufzuregen!) und dann müssten wir in unserem Land nicht über eine Maßnahme diskutieren, über die Frau Ministerin von der Leyen völlig zu Recht gesagt hat, dass sie eine bildungs- und gleichstellungspolitische Katastrophe wäre. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Rednerin ist für die Fraktion der CDU/CSU Kollegin Daniela Ludwig. Bitte schön, Frau Kollegin Ludwig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Daniela Ludwig (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich zitiere für jeden zum Mitschreiben noch einmal § 16 Abs. 5 SGB VIII. (Dagmar Ziegler [SPD]: Ohne Rechtsfolge! – Caren Marks [SPD]: Absichtserklärung!) Es wird geregelt – Zitat –: Ab 2013 soll für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen oder können, eine monatliche Zahlung (zum Beispiel Betreuungsgeld) eingeführt werden. (Dagmar Ziegler [SPD]: In Klammern!) Das wurde 2008 in der Großen Koalition mit Ihnen beschlossen. Ich darf noch jemanden zitieren. Sie dürfen raten, wen ich zitiere, liebe Frau Ziegler. Er hat gesagt: Ich freue mich, dass wir gemeinsam diesen vernünftigen Kompromiss gefunden haben. Das sagte Herr Steinbrück. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Caren Marks [SPD]: Das hat sich auf den Rechtsanspruch bezogen!) Glückwunsch! – Wissen Sie, Frau Ziegler, wenn Sie sich heute hier hinstellen und versuchen, sich nach dem Motto vom Acker zu machen: „Wir haben etwas in der Hoffnung beschlossen, dass es nicht kommt“, dann muss ich Ihnen sagen: Mehr Peinlichkeit geht fast nicht! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dagmar Ziegler [SPD]: Das machen Sie doch jeden Tag! So regieren Sie seit zweieinhalb Jahren!) – Das ist immer bitter. Das ist nicht nur peinlich, sondern das offenbart – das möchte ich schon sagen – ein interessantes parlamentarisches Verständnis. (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD) Es ist halt so: Wenn in einer Großen Koalition ein vernünftiger Kompromiss gefunden wird, dann muss man sich daran halten und sich daran messen lassen. Das ist bitter. Die meisten von Ihnen, die damals die Hand gehoben haben, sind auch heute noch dabei. Ich weiß, dass Ihnen das extrem wehtut. Da müssen Sie jetzt durch, auch wenn Ihnen das schlaflose Nächte bereitet. So ist das halt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das ist peinlich für Sie!) Nun das Ganze von Anfang an. Sie haben gesagt: Wir müssen uns jetzt über das Betreuungsgeld unterhalten. (Caren Marks [SPD]: Sie können doch mal begründen, warum dieser Quatsch aus Ihrer Sicht sinnvoll ist!) Diese Aktuelle Stunde hat die Linke beantragt. – Ich sehe, Frau Golze ist jetzt weggegangen. (Miriam Gruß [FDP]: Sie musste zur Kinderkommission!) – Okay, zur Kinderkommission. Das ist halt ihre Art der Prioritätensetzung. (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Caren Marks [SPD]: Dass Kinder für Sie keinen hohen Rang haben, ist auch nicht neu!) – Ich habe zwei Kinder. Diese haben für mich den höchsten Rang. – Ihr schlechter Stil, über Familienpolitik zu debattieren, trägt unter anderem dazu bei, dass sich immer mehr Familien, die sich dafür entscheiden, ihre Kleinstkinder bei sich zu Hause zu betreuen, so richtig veräppelt vorkommen. Das möchte ich an dieser Stelle einmal ganz deutlich sagen. (Beifall bei der CDU/CSU) Noch etwas. Das Betreuungsgeld bekommt nicht irgendwer, sondern zunächst einmal die Familien, im Übrigen – hallo! – genauso wie das Kindergeld. Wenn jetzt wieder einer kommt und aus Misstrauen gegen bestimmte Familien sagt: „Das wollen wir so nicht“, dann sage ich: Die große Mehrheit der Familien macht sich ständig Gedanken darüber, wie sie ihre Kinder am besten betreuen lässt, sei es in der Krippe, sei es durch eine Tagesmutter, sei es durch die Großeltern oder sei es vielleicht sogar durch die Eltern selber. Wahnsinn! Wer hätte sich vorstellen können, dass unter dreijährige Kinder auch von der Mutter oder vom Vater betreut werden? Scheren Sie diese Familien bitte nicht ständig mit denjenigen ganz wenigen Familien über einen Kamm, bei denen es einfach nicht so gut klappt. Um die kümmern wir uns. Liebe Frau Ministerin, vielen Dank für das Kinderschutzgesetz. Ein erster Schritt in die richtige Richtung! Da haben wir bewiesen, dass wir Familienpolitik können! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber schön in Armut belassen, diese Kinder! Unglaublich!) Deswegen stehen wir selbstverständlich – auch wir haben diesen „vernünftigen Kompromiss“, Zitat Steinbrück, und die entsprechenden Regelungen im Sozialgesetzbuch gerne mitgetragen – zum Ausbau der Krippenbetreuung. Darüber gibt es nirgends eine Debatte. Wir sagen aber auch: Wo ist das Problem? Wenn Kindererziehung aus guten Gründen in irgendeiner Familie anders organisiert wird, sei es durch eine zeitweise Aufgabe der Erwerbstätigkeit, sei es dadurch, dass ich eine andere Person, die für mich die Lieblingsperson ist und von der ich gerne mein Kind betreut haben möchte, damit beauftrage, während ich meiner Arbeit nachgehe: Wo ist da Ihr Problem? Ein Wort zu den sogenannten Migrationsfamilien und den einkommensschwachen und bildungsfernen Familien, die Sie immer anführen. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sollen es ja auch nicht kriegen!) Wissen Sie was? Die Fähigkeit, einem unter dreijährigen Kind Liebe und Zuwendung zu geben, hängt nicht davon ab, ob ich einen Hochschulabschluss habe, hängt auch nicht davon ab, woher ich komme, hängt auch nicht davon ab, ob ich viel Geld oder eher weniger Geld habe. (Caren Marks [SPD]: Aber von Hartz IV, oder was?) Das kann jeder, wenn er will. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Hören Sie einfach auf, hier ständig Klischees zu bedienen! Wir stehen für Wahlfreiheit. Deswegen wird das Betreuungsgeld kommen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin Frau Caren Marks. Bitte schön, Frau Kollegin Marks. (Beifall bei der SPD) Caren Marks (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst einmal ist auffällig, dass von den Rednerinnen und Rednern der Unionsfraktion ausschließlich die mit einem sehr konservativen Familienbild sprechen. Politikerinnen und Politiker der Union mit einer modernen und zeitgemäßen Familienpolitik kommen bei Ihnen in diesen Debatten nicht zu Wort. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Das bestimmen Sie, Frau Marks, wer modern oder konservativ ist!) Modernität hat nichts mit Jahren zu tun, wie man eben bei Frau Ludwig in ihrem unterirdischen Auftreten hören und auch sehen konnte. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich frage mich, Frau Ludwig, ob Ihre Rede, die mich in der Performance ein bisschen an Miss Rumpelstilzchen erinnert hat, insbesondere an die vehementen Kritikerinnen und Kritiker in Ihren eigenen Reihen gerichtet war. Ich würde gern die Diskussion zwischen Ihnen und Frau Pawelski, zwischen Ihnen und Frau von der Leyen oder zwischen Ihnen und beispielsweise Herrn Schlarmann, dem Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung hören. Wir können ganz aktuell bei Spiegel Online lesen, dass Herr Schlarmann trotz eines Machtwortes von Kanzlerin Merkel das Betreuungsgeld in der Bild-Zeitung – Spiegel Online bezieht sich darauf – klar und deutlich als „völlig falschen Ansatz“ bezeichnet. Deutschland brauche, so Ihr CDU/CSU-Mittelstandschef Herr Schlarmann, „ein breit angelegtes Betreuungsangebot, damit jede Frau entscheiden kann, ob sie ihr Kind selbst betreut oder in die Kita gibt“. Recht hat er, Ihr Parteikollege. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN – Markus Grübel [CDU/CSU]: Ein Baustein!) Zugleich möchte ich, weil es sehr deutlich macht, welches Chaos in Ihren eigenen Reihen herrscht, weiter Herrn Schlarmann zitieren. Er wies nämlich auch den Vorschlag von Unionsfraktionschef Kauder zurück, Müttern von Kindern, die vor 1992 geboren wurden, höhere Rentenansprüche einzuräumen, indem er sagte: Ein politisches Problem dadurch zu lösen, dass man auf eine umstrittene Sozialleistung eine weitere draufsattelt, ist schon aus haushaltspolitischen Gründen nicht zu verantworten. Eine unsinnige Leistung wird nicht dadurch besser, dass man eine Leistung, die jedenfalls nicht gegenfinanziert ist, oben draufsattelt. (Jens Ackermann [FDP]: Sie haben doch zugestimmt!) Ich denke, das wird an dieser Stelle ganz klar. Völlig zu Recht titelte gestern die nicht gerade linkslastige Financial Times Deutschland zum Betreuungsgeld: „Kauderwelsch“. Alle Oppositionsfraktionen hätten, glaube ich, den Artikel in der Financial Times Deutschland sofort unterschrieben. Sie haben sich mit dem Betreuungsgeld mehr als -verrannt, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition. Die Ausgestaltung ist unklar. Die Verfassungsfragen sind nicht geklärt. Die Finanzierung ist völlig nebulös und unsolide. Das wurde auch vorhin bei den Fragen an Herrn Staatssekretär Kues deutlich. Es zeichnet sich ab: Es ist einzig und allein die CSU, die das Betreuungsgeld als eine Gegenleistung für den Kitaausbau weiter erpresst. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Für die Familien in diesem Land! Das interessiert Sie ja nicht!) Nichts anderes war es auch damals in der Großen Koalition. Leider ist Frau von der Leyen der CSU auf den Leim gegangen. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer will das Betreuungsgeld als Wahlkampfgeschenk für Bayern umsetzen. Es geht ihm um nichts anderes. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Quatsch!) Ich denke, das ist auch mehrfach in öffentlichen Äußerungen von Herrn Seehofer sehr deutlich geworden. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Seehofer für ganz Deutschland!) Jeden Tag gibt es bei Ihnen einen neuen Konflikt beim Betreuungsgeld. Jeden Tag treiben Sie, so sagt man bei uns in Niedersachsen, eine neue Sau durchs Dorf. Es gibt neue Konflikte. Die Fragen, die alle anderen, selbst in den eigenen Reihen, stellen, bleiben unbeantwortet. Finanzielle Verantwortung liegt Ihnen fern. Jetzt komme ich zu dem Punkt, der heute schon angesprochen wurde, nämlich dass es kein Betreuungsgeld für Familien mit Hartz-IV-Bezug geben soll. (Sibylle Laurischk [FDP]: Verstehe ich Sie richtig? Sie wollen das Betreuungsgeld offenbar!) Ich möchte Sie gerne auf ein Schreiben aufmerksam machen, das am 17. Dezember 2010 vom Ministerium für Arbeit und Soziales an das Thüringer Sozialministerium ging. In diesem Schreiben des Bundesarbeitsministeriums an das thüringische Sozialministerium heißt es, das Betreuungsgeld könne nicht auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet werden. Auch das ist heute in mehreren Presseberichten nachzulesen. Da Sie immer sagen, die Ausgestaltung soll sich am thüringischen Landesbetreuungsgeld orientieren, frage ich mich, wie Sie jetzt zu diesem Sinneswandel kommen. Fakt ist: Das Betreuungsgeld ist und bleibt widersinnig. Absurd ist schon alleine, Bürgerinnen und Bürgern für eine staatliche Leistung, die nicht in Anspruch genommen wird, Geld zu geben. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Absurd ist lediglich Ihre Argumentation!) Denn Sie könnten auch sagen: Es gibt eine Kompensation für die Menschen – hier könnte man ebenfalls das Argument der Wahlfreiheit anführen –, die keine Bücherei nutzen und nicht ins Theater gehen, weil sie sich -Bücher kaufen und – genauso wie Sie täglich in der Union – selbst Theater machen. Ich sage Ihnen: Legen Sie Ihren Streit bei! Es lohnt sich nicht, um dieses unsinnige Betreuungsgeld zu streiten. Kinder und Familien warten auf den Kitaausbau. Nur wenn wir eine ausreichende Zahl an Kitaplätze haben, haben wir Wahlfreiheit in unserem Land. Dann können auch Sie zu Recht von Wahlfreiheit reden, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Rednerin ist für die Fraktion der FDP unsere Kollegin Sibylle Laurischk. Bitte schön, Frau Kollegin. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sibylle Laurischk (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon eine reichlich absurde Debatte, die von der Fraktion der Linken angestoßen wurde. Als Erste verabschiedet sich aus dem Kreis der Kollegen die Hauptrednerin der Linken. (Herbert Behrens [DIE LINKE]: Kinderkommission!) Also scheint das Ganze doch nicht so wichtig zu sein. Man muss richtig planen und wissen, was man tut. Das weiß die Linke offensichtlich nicht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das zeigt, worüber wir reden, nämlich über ungelegte Eier, nichts anderes. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Es gibt keinen Gesetzentwurf, sondern lediglich eine versuchte Inszenierung der Opposition. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können heute sagen, dass das Betreuungsgeld nicht kommt!) Diese ist gründlich danebengegangen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie, das Betreuungsgeld kommt nicht!) Die SPD hat zu Zeiten der Großen Koalition das Betreuungsgeld offensichtlich mitgetragen. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommt das Betreuungsgeld, oder kommt es nicht mit der FDP als Regierungsfraktion?) Dass sie jetzt versucht, mit dem Hinweis auf Hartz IV davon abzulenken, zeigt doch, wie absurd diese Debatte ist. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Sönke Rix [SPD]: Was machen Sie denn jetzt? Machen Sie mit, oder nicht?) Ich kann dazu nur sagen: Große Koalitionen neigen offensichtlich zum Ausgeben von Geld, das ihnen noch gar nicht zur Verfügung steht. So muss ich das heutige Auftreten der SPD wohl verstehen. (Sönke Rix [SPD]: Frau Laurischk, was -machen Sie denn jetzt?) Die Position der FDP ist wohlüberlegt. Wir weisen immer darauf hin, dass wir vertragstreu sind (Christel Humme [SPD]: Langweilig! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Egal, wie schwachsinnig der Inhalt ist, wir machen mit: Das ist die FDP!) und dass die Ausgestaltung und die gesetzliche Realisierung des Betreuungsgeldes, dessen Einführung im Ko-alitionsvertrag steht, davon abhängen, ob die Finanzierung gesichert ist. (Sönke Rix [SPD]: Sie schlagen sich in die Büsche!) Die Finanzierung ist nach meinem Kenntnisstand bisher noch nicht geklärt. Die FDP ist in diesen Dingen genau. Wir wollen einen klaren, sauber aufgestellten Haushalt. Wir wollen keinen unsinnigen und völlig überzogenen Verschuldungshaushalt auf den Weg bringen. Wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir Haushaltsfragen sehr ernst nehmen. Das ist meiner Ansicht nach ein wesentlicher Punkt. Ich habe im Übrigen vor wenigen Tagen in einer -Debatte über das Betreuungsgeld gesagt, dass ich persönlich es für verfassungsrechtlich problematisch halte. Es sind weiterhin Fragen zu klären. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vertragstreu oder verfassungstreu, da müssen Sie sich entscheiden!) Wir sollten daher nicht wie die Linke und die SPD versuchen, über ungelegte Eier zu sprechen, sondern uns dem Tagesgeschäft und den Fragen, die wir eigentlich zu klären haben, widmen. Ich danke. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion Die Linke unser Kollege Matthias -Birkwald. Bitte schön, Herr Kollege. (Beifall bei der LINKEN) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Laurischk, Ihr Einstieg in die Debatte war unterirdisch. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Nein, der war richtig!) Frau Golze ist die Vorsitzende der Kinderkommission; diese tagt jetzt. Wenn der Staatssekretär Kues vorhin anständig geantwortet hätte, dann gäbe es diese Aktuelle Stunde jetzt nicht. So sieht es aus. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ihre Rede hat deutlich gemacht, dass Ihre Wertschätzung für Kinder und die Belange der Kinderkommission gleich null ist. Das spricht doch für sich. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Linke will, dass Lebensleistung anerkannt wird. Dazu gehört – darüber sind wir uns alle hier im Hause wohl einig – auch Arbeit in der Familie, also die Erziehung von Kindern und die Pflege von Angehörigen. Wir wollen aber auch, dass die Menschen ihren Lebensweg so weit wie möglich selbst gestalten können. Politik soll dabei helfen. Sie soll ermöglichen und nicht verhindern. Sie soll Raum für freie Entscheidungen schaffen, statt diese Räume immer weiter einzuschränken. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Beides ist wichtig: freie Lebenswege eröffnen und Lebensleistung anerkennen. Deswegen halten wir das Betreuungsgeld für falsch. (Beifall bei der LINKEN) Das Betreuungsgeld ist so, wie es jetzt gedacht ist, eine Bildungsfernhalteprämie für die Kinder und für viele Frauen eine Herdprämie, nichts anderes. Das lehnen wir ab. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Weil wir wollen, dass die Lebensleistung anerkannt wird, wollen wir auch, dass die Erziehungsleistung von Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren worden sind, in der Rente genauso belohnt wird wie die der Eltern, deren Kinder nach 1992 auf die Welt gekommen sind. (Beifall bei der LINKEN) So ist es bisher: Die Rentenpunkte erhalten grundsätzlich alle, die Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben. Niemand wird einfach so, willkürlich ausgeschlossen. Hier wird so einfach wie gerecht Leistung anerkannt. Wenn nun endlich die unterschiedliche Bewertung der Erziehungsarbeit beendet würde und alle Eltern unabhängig vom Geburtsjahr ihrer Kinder drei Rentenpunkte in den ersten drei Kinderjahren erhielten, dann wäre alles in Ordnung. Nebenbei bemerkt: Das fordert die Linke schon seit 2007, und die PDS hat es vorher auch schon gefordert. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Leider haben einige Unionskollegen eine verquere Logik. In der taz war vorgestern unter der Überschrift „Mehr Rente für ein Ja zur Herdprämie“ zu lesen, dass Herr Kauder, immerhin der Fraktionsvorsitzende der Union, mit seinem Vorschlag nicht im Traum an eine Gleichbehandlung aller Eltern denkt. Die Rentenpunkte für vor 1992 geborene Kinder sollen – so war zu lesen, und es wurde nirgends dementiert – nur jene Eltern erhalten, die während der ersten drei Lebensjahre des Kindes auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet haben. Wer also beides versucht und geschafft hat, wer seine Kinder erzogen hat und gleichzeitig ins Büro, in die Fabrik, aufs Feld oder in die Praxis arbeiten gegangen ist, soll leer ausgehen. Das ist doch eine Arbeitsmarktfernhalte--prämie. Wenn das stimmt, wäre das ungeheuerlich und ein immenser gesellschaftlicher Rückschritt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ein solcher Vorschlag tritt die Lebensleistung dieser Eltern mit Füßen und bestraft nachträglich die Entscheidung, Familie und Beruf vereinbart zu haben. Ein solcher Vorschlag trifft vor allem Frauen, die die doppelte Last, ja die doppelte Leistung von Familien- und Berufsarbeit vollbracht haben. Das heißt doch nichts anderes, als dass dieser Vorschlag nicht nur leistungs-, sondern auch krass frauenfeindlich ist. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Soll etwa wieder gelten: Papi Vollzeit ins Büro und Mami heim an den Herd? Es fehlt nur noch, dass Herr Kauder die anderen Frauen als Rabenmütter beschimpft; denn nichts anderes ist sein Vorschlag: eine finstere, längst überholte und vergessen geglaubte Rabenmütterklausel. Für diese reaktionäre Rolle rückwärts in die 50er-Jahre sollte er sich schämen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Noch etwas: Der Vorschlag diskriminiert vor allem ostdeutsche Frauen; denn in der großen Mehrheit sind sie es, die diese doppelte Leistung, also Kindererziehung und Berufstätigkeit, erbracht haben. Das wäre ganz -typisch für die schwarz-gelbe Rentenpolitik; denn Sie weigern sich auch noch nach 20 Jahren deutscher -Einheit, den Ostdeutschen für die gleiche Leistung im Erwerbsleben die gleiche Rente wie den Westdeutschen zu zahlen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Da reden wir mal über das, was die Menschen an Rente in der DDR bekommen haben!) Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gleiche Rente für gleiche Lebensleistung. Sie haben das in den Koalitions--vertrag geschrieben, aber Ihr Versprechen gebrochen. Sie machen es nicht. Das ist die Lage. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Wer hat denn die Rentner beschissen? Das war doch die SED!) Es gibt eine Umfrage von Forsa im Auftrag von RTL und Emnid. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Die DDR und Mielke haben die Rentner in Ostdeutschland betrogen! So war das!) Danach lehnen 60 Prozent der Bevölkerung Ihr Betreuungsgeld ab; 36 Prozent sind dafür. Das sind immer noch viel zu viel. Deswegen sage ich Ihnen: Lassen Sie die Finger vom Betreuungsgeld! Geben Sie den Frauen und Männern, die vor 1992 Kinder erzogen haben, die 49 bis 55 Euro mehr Rente! Sorgen Sie endlich dafür, dass -Eltern Beruf und Familie gut miteinander vereinbaren können, um ausreichend Rentenanwartschaften erwerben zu können! Das wäre die richtige Politik, die wir jetzt brauchen, aber nicht das unsinnige Betreuungsgeld. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Max Straubinger. (Beifall bei der CDU/CSU) Max Straubinger (CDU/CSU): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Linke in diesem Haus versucht wieder, hier einen -Popanz gegen das Betreuungsgeld, aber vor allen Dingen auch gegen die Familien in unserem Land aufzubauen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) CDU/CSU und FDP werden gemeinsam ein Betreuungsgeld durchsetzen, weil es die jungen Familien stützt und ihnen vor allen Dingen auch die Wahlfreiheit ermöglicht, sich zu entscheiden, ob sie sehr schnell wieder in das Berufsleben einsteigen wollen oder sich eventuell etwas länger der Kindererziehung zu Hause widmen möchten – was sehr viele junge Frauen wollen. Umfragen zeigen klar – der Kollege Kues hat es gerade dargestellt –: 51 Prozent der jungen Eltern wollen länger die Möglichkeit, ihre Kinder selber zu betreuen. Deshalb ist das Betreuungsgeld goldrichtig, verehrte Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Es ist schon bemerkenswert – da möchte ich an Frau Kollegin Laurischk anschließen –, wenn die Fraktion Die Linke hier eine Aktuelle Stunde vom Zaun bricht und deren Rednerin den Saal sofort wieder verlässt, weil sie einen anderen Termin hat. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Kinderkommission!) – Da hilft auch keine Entschuldigung, lieber Herr Birkwald. Als Zeichen des Anstands ist es notwendig, dass man hier bleibt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Hätte der Staats-sekretär gescheit geantwortet, hätte es keine Aktuelle Stunde gegeben! Wo war die Ministerin bei der Fragestunde? Warum wird vonseiten der Regierung nicht gescheit geantwortet? Herr Straubinger, denken Sie einmal nach!) Dann muss man von Ihrer Fraktion hier eine andere Rednerin ins Parlament schicken. Man darf doch nicht einfach das Feld verlassen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Anscheinend ist sie – so wie sie heute hier gegen Kinder argumentiert hat – auch als Vorsitzende der Kinderkommission eine glatte Fehlbesetzung. (Beifall bei der CDU/CSU – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unverschämt! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Die Fehlbesetzung ist im Ministerium!) Außerdem ist es erstens pure Heuchelei, was SPD, Grüne und Linke heute hier verzapfen; denn in erster Linie die SPD hat mit beschlossen, dass wir ein Betreuungsgeld einführen. Dafür stehen wir in der Kontinuität der Politik. Zweitens – und das ist sehr bemerkenswert – haben wir vier Länder, in denen es ein Landeserziehungsgeld gibt. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Norwegen schafft es gerade ab!) Alle diese Länder rühmen sich, dass das eine großartige Leistung ist. Wir in Bayern haben es sowieso; das ist völlig klar. Dieses Landeserziehungsgeld gibt es aber zum Beispiel als Betreuungsgeld auch in Thüringen. Dort ist die SPD mit an der Regierung. Wieso wäre etwas, was in Thüringen richtig ist, auf Bundesebene dann falsch? (Caren Marks [SPD]: Das gab es schon, bevor die SPD an die Regierung kam! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist auch in Thüringen falsch!) Noch toller wird es in Baden-Württemberg. Dort haben Sie auch ein Landeserziehungsgeld. Die grün-rote Regierung steht dafür. Was in Baden-Württemberg richtig ist, kann doch auf Bundesebene nicht falsch sein, verehrte Kolleginnen und Kollegen. (Dagmar Ziegler [SPD]: Doch!) Deshalb verstehe ich Ihre Entrüstung überhaupt nicht. Sie hätten doch in Baden-Württemberg die Möglichkeit, es abzuschaffen. Das tun Sie aber nicht, weil Sie für dieses Landeserziehungsgeld stehen. (Sönke Rix [SPD]: Sie täuschen! Sie Täuscher! – Caren Marks [SPD]: Aber das Geld gibt es nicht, weil die Kinder nicht in die Krippe gehen!) Das zeigt sehr deutlich: Es ist richtig, junge Familien zu unterstützen. (Beifall bei der CDU/CSU) Das haben Sie in diesen Ländern erkannt. Wir werden dies auf Bundesebene zur Durchsetzung bringen. Das ist meines Erachtens auch der richtige Weg. Ich halte auch nichts davon, wenn es immer heißt, das sei eine Fernhalteprämie (Caren Marks [SPD]: Das ist es doch!) bzw. eine bildungspolitische Fernhalteprämie, wie es der Herr Kollege Birkwald dargestellt hat. (Caren Marks [SPD]: Das sagt Frau Schavan!) So hat man mit diesem Betreuungsgeld die Wahlmöglichkeit, damit auch besondere Unterstützung für das Kind zu gewähren – sei es, dass man damit dann möglicherweise auch eine Logopädin in Einzelbetreuung bezahlen kann. (Zuruf von der SPD: Jetzt hört es aber auf!) Hier liegt es in der Entscheidungsgewalt der Eltern, das bewusste Fördern der Kinder voranzubringen. (Caren Marks [SPD]: Das ist eine gesundheitliche Leistung, wenn es notwendig ist!) Diese Leistung, die mit dem Betreuungsgeld bewerkstelligt wird, kann in einer Kinderkrippe in keinster Weise bewerkstelligt werden, weil dort eine Erzieherin für fünf, sechs oder sieben Kinder die Verantwortung trägt und nicht jedem Kind gleichzeitig ihre Aufmerksamkeit widmen kann. Ein Letztes noch: Es wird immer behauptet, das Betreuungsgeld sei eine Prämie zum Fernhalten vom Arbeitsplatz. Das stimmt in keinster Weise. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Antikitaprämie!) In Bayern ist die Frauenerwerbstätigkeit am höchsten und in Thüringen am zweithöchsten in Deutschland. Das zeigt sehr deutlich: Der Bezug von Landeserziehungsgeld – dieses Geld ist einem Betreuungsgeld gleichzusetzen – heißt nicht, dass man vom Erwerbsleben ausgeschlossen ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Im Gegenteil: Die Wahlmöglichkeit fördert den Zugang zum Erwerbsleben. Auch deshalb habe ich für die Vorwürfe von der Arbeitgeberseite, vom BDA-Präsidenten bzw. von Herrn Schlarmann, kein Verständnis. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zahlen Sie auch ein Bibliotheksgeld, auch ein Museumsgeld?) Wir fördern die Familien. Das ist ein Kernelement unserer gesellschaftspolitischen Auffassungen. (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Ausgezeichnet!) Darüber lässt sich weiterhin streiten. Ihre Einstellung bringt zum Ausdruck, dass Sie gegen die Familien sind. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Heinz Golombeck [FDP]) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, will ich noch darauf hinweisen, dass es in dieser Debatte – bei aller Leidenschaft; sie ist auch notwendig – um unsere Kinder und deren besten Weg in die Zukunft geht. Deshalb sollten wir diese Debatte – das gilt für alle – in der entsprechenden Würde führen. Nächster Redner ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Sönke Rix. Bitte schön. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sönke Rix (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal zu den anderen Ländern: In Norwegen wird das Betreuungsgeld gerade wieder abgeschafft. In Schweden wird darüber sehr viel diskutiert. – Passen Sie mit Begrifflichkeiten wie Erziehungsgeld, Betreuungsgeld und Elterngeld – Sie haben da allerhand durcheinandergeworfen – auf: (Caren Marks [SPD]: Das sind völlig unterschiedliche Dinge!) In Baden-Württemberg ist es nicht so, dass Menschen eine entsprechende Leistung bekommen, wenn sie ihr Kind nicht in eine Krippe schicken. Deshalb ist es nicht mit dem zu vergleichen, was hier gerade debattiert wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Auf die Frage, ob man nicht lieber länger zu Hause bleiben möchte, nachdem man ein Kind in die Welt gesetzt hat, ist das Betreuungsgeld keine Antwort. Vielmehr geht es darum, über Elternzeit und Elterngeld zu reden, anstatt ein Betreuungsgeld einzuführen. Wenn junge Menschen mit kleinen Kindern länger zu Hause bleiben wollen, dann müssen wir uns mit Änderungen bei der Elternzeit auseinandersetzen. Das Elterngeld ist keine Fernhalteprämie. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Max Straubinger [CDU/CSU]: Elterngeld, das ist eine Fernhalteprämie!) Ich will etwas dazu sagen, wie der Beschluss, das Betreuungsgeld einzuführen, eigentlich zustande gekommen ist. Ich will uns, genauer: die Große Koalition, loben, und zwar für die historische Leistung, den Krippenplatzausbau vorangebracht zu haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU]) Das war eine historische Leistung; diese Leistung haben wir gemeinsam erbracht. Wahrscheinlich hätten Sie das allein nicht zustande gebracht und brauchten ein bisschen Unterstützung von uns. (Markus Grübel [CDU/CSU]: Ihr allein habt es auch nicht hinbekommen!) Diese Unterstützung haben wir sehr gerne gegeben. Das dürfen wir an dieser Stelle auch nicht kleinreden. Wir haben damit einen großen Schritt hin zur wirklichen Wahlfreiheit gemacht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Markus Grübel [CDU/CSU]: Und jetzt hör auf mit deiner Rede, dann war es eine gute! – Heiterkeit) – Ich höre natürlich nicht auf, lieber Kollege Grübel. Bei den Verhandlungen der Großen Koalition von CDU, CSU und SPD mit den Ländern ging es um die Frage, ob ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz eingeführt werden soll. An dieser Stelle hat die CSU das Betreuungsgeld gefordert. Für uns Sozialdemokraten war da die Frage, ob eine windelweiche Formulierung in einer Klammer, „zum Beispiel Betreuungsgeld“, die keine Rechtsverbindlichkeit hat, in den Gesetzestext aufgenommen oder ob dieser Rechtsanspruch fallen gelassen werden soll. Wir haben uns für den Rechtsanspruch ausgesprochen, und das ist auch gut so. (Beifall bei der SPD) Was bisher aufgeschrieben worden ist, hat keine Rechtsverbindlichkeit. Die Kollegin der FDP und andere hier im Hause, auch die Kollegen der Union, können in dieser Debatte jetzt nicht so tun, als ob sie gar nichts dafür können, dass im Koalitionsvertrag steht, dass Sie das Betreuungsgeld einführen wollen. Wir hätten uns nicht beschwert, wenn Sie es nicht vereinbart hätten – keine Angst, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Sibylle Laurischk [FDP]: Sie haben mir nicht zugehört, Herr Kollege Rix!) Dadurch, dass Sie sich heute wegducken und nicht positionieren, glauben Sie, erreichen zu können, dass dieses Gesetz nicht kommen wird. Wenn Sie es wirklich nicht wollen, dann stellen Sie sich doch heute hier hin und sagen Sie: In der Koalitionsvereinbarung haben wir Mist aufgeschrieben. Wir haben noch viel mehr Mist aufgeschrieben, den wir nicht umsetzen, und an dieser Stelle setzen wir den Mist mit dem Betreuungsgeld ebenfalls einfach nicht um, weil wir den Kritikern – Vertretern der Arbeitgeberseite und der Gewerkschaften, der Arbeitsministerin, Politikern aus unseren eigenen Reihen – folgen und sagen: Nein, wir wollen diesen bildungspolitischen Unsinn nicht umsetzen. – Sie haben die Gelegenheit dazu. Machen Sie es auch! (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Nun noch etwas zur Frage der Finanzierbarkeit. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Dazu hat sich die SPD in der Regel noch nie irgendwelche Gedanken gemacht!) Im Moment werden für das Betreuungsgeld 2 Milliarden Euro kalkuliert. Gleichzeitig ist es leider eine Tatsache, dass der Krippenplatzausbau ins Stocken geraten ist. Angesichts dessen müssen Sie jetzt begründen, warum Sie 2 Milliarden Euro nicht lieber in den Krippenplatz-ausbau stecken. Dass eine Wahlfreiheit gar nicht erst -zustande kommen kann, weil es nicht genügend Krippenplätze gibt, das müssen Sie begründen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Aber meistens in den SPD-regierten Ländern!) Noch ein Argument ist, glaube ich, an dieser Stelle sehr wichtig. Sie tun bei dem Argument der Wahlfreiheit so, als ob diejenigen, die sich dafür entscheiden, ihr Kind in die Krippe, in den Kindergarten zu geben, dafür nichts bezahlen müssten. In der Regel ist es aber so, dass sie etwas dafür bezahlen müssen. Also bestrafen Sie diejenigen, die ihre Kinder in die Krippe geben, doppelt, weil sie einerseits nicht das Betreuungsgeld bekommen sollen und weil sie andererseits für das, für das sie sich bei der angeblichen Wahlfreiheit entschieden haben, auch noch eine Gebühr bezahlen müssen. Sie benachteiligen diejenigen, die ihre Kinder in die Krippe geben wollen, und das ist der Skandal an der Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Wie gesagt, Sie haben die Gelegenheit, das, was im Koalitionsvertrag steht, so wie auch einiges andere, was im Koalitionsvertrag steht, einfach nicht umzusetzen. Unsere Unterstützung haben Sie dabei. Ich hoffe da ein bisschen auf die Vernünftigen in der Union, die sich häufig lautstark äußern, (Caren Marks [SPD]: Aber heute nicht reden dürfen!) und auch auf die in der FDP. Ich würde mich freuen, wenn es denn irgendwann einmal zu einer gemeinsamen Linie Ihrer Koalition käme, und würde mich noch mehr freuen, wenn die hieße: Kein Betreuungsgeld. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner und auch letzter Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/CSU Kollege Norbert Geis. Bitte schön, Kollege Geis. (Beifall bei der CDU/CSU) Norbert Geis (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein nicht enden wollendes Thema. Wir werden uns auch weiterhin streiten müssen. Wenn es wenigstens nur um den Weg ginge! Aber Ihnen geht es ja darum, dass das Betreuungsgeld überhaupt nicht kommt. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) Da sehe ich einen Widerspruch zu Ihrem Verhalten in der Zeit, als Sie noch in der Großen Koalition waren; daran kommen Sie nicht vorbei. Sie haben damals mit dafür gestimmt, dass das Betreuungsgeld parallel zur Krippe kommt. (Sönke Rix [SPD]: Das stimmt nicht! – Caren Marks [SPD]: Das hat Herr Rix Ihnen doch gerade erklärt!) Es geht hier auch nicht um die Kindergartenkinder, also nicht um die Kinder ab dem dritten Lebensjahr, sondern es geht um die Krippenkinder, um die Kinder, die vom ersten bis zum dritten Lebensjahr in die Krippe kommen. Das wird häufig auch draußen verwechselt. Das wollte ich noch einmal klarstellen. Sie haben damals in der Großen Koalition mit dafür gestimmt; daran kommen Sie nicht vorbei. Das Betreuungsgeld hatte einen Vorläufer. Das war das Erziehungsgeld. Dagegen haben Sie überhaupt nichts unternommen. (Caren Marks [SPD]: Das war das Elterngeld!) – Nein. Ich will es Ihnen genau sagen: Zunächst war das Erziehungsgeld, das jede Mutter bekam, 300 Euro, für das erste und das zweite Jahr. Das wurde vom Bund gezahlt. Dann haben sich Länder angeschlossen, darunter Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen, und haben gesagt: Für das dritte Jahr zahlen wir einkommensabhängig – das will ich dazusagen – das Landes-erziehungsgeld. – Es gibt also einen Vorläufer für das Betreuungsgeld. Dann kam das Elterngeld. Wir haben darauf gedrängt, dass für die Frauen, die kein Elterngeld bekommen können, weil sie vorher nicht erwerbstätig waren, Erziehungsgeld gezahlt wird. (Caren Marks [SPD]: Es geht auch immer um Männer!) Das Erziehungsgeld wird so wie das Elterngeld im Augenblick nur für das erste Lebensjahr gezahlt. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Sie bringen alles durcheinander!) Wir wollen die Fortsetzung dieser Zahlung für das zweite und für das dritte Jahr – genauso wie vorher beim Erziehungsgeld. Es geht beim Betreuungsgeld lediglich darum, dass wir für das zweite Jahr Betreuungsgeld zahlen und keine Lücke lassen. Wir sind der Auffassung, dass das Erziehungsgeld damals eine richtige Entscheidung war. Sie alle haben sie mitgetragen. Die SPD hat sie mitgetragen. (Petra Ernstberger [SPD]: Nein!) Die Grünen haben sie mitgetragen. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? – Caren Marks [SPD]: Sie bringen alles durcheinander!) Niemand kam auf die Idee, das Erziehungsgeld abzuschaffen. Niemand! Das wäre auch verfassungswidrig gewesen. Es gibt eine ganz klare verfassungsgerichtliche Entscheidung, nach der es notwendig ist, der Frau, die daheimbleibt, um ihre Kinder zu erziehen, einen entsprechenden Ausgleich zu geben. Darum geht es. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt kein Erziehungsgeld mehr!) – Es gibt jetzt kein Erziehungsgeld. Das war der Vorläufer vom Betreuungsgeld. (Caren Marks [SPD]: Jetzt schmeißen Sie aber alles durcheinander!) – Nein! Sie unterscheiden nicht! Ich wiederhole noch einmal, damit es klar ist: Wir hatten zunächst das Erziehungsgeld. (Dagmar Ziegler [SPD]: Das ist wie bei Stoiber: In zehn Minuten zum Flughafen!) Dann kam das Elterngeld. Daneben zahlen wir nur noch für das erste Jahr Erziehungsgeld, das jetzt „Elterngeld II“ heißt. (Lachen bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der SPD) – Nein! Wenn Sie Ihre eigenen gesetzlichen Grundlagen nicht kennen, dann tut es mir leid. (Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Fremdschämen!) Ich verstehe nicht, weshalb Sie gegen die Fortsetzung dieses Erziehungsgeldes in der Form des Betreuungsgeldes sind. Das verstehe ich nicht. Das ist auch nicht nachvollziehbar. Meine sehr verehrten Damen und Herren, warum sind Sie so sehr gegen das Betreuungsgeld? Es gibt in ganz Schweden Betreuungsgeld. Die Schweden zahlen Betreuungsgeld. Die Norweger zahlen über 400 Euro Betreuungsgeld. Die Dänen zahlen Betreuungsgeld. Island zahlt Betreuungsgeld. Finnland zahlt Betreuungsgeld. In Frankreich wird Betreuungsgeld gezahlt. In Österreich wird Betreuungsgeld gezahlt. Es kann doch nicht sein, dass dort nur die ganz Konservativen sitzen. Es ist eine vernünftige Entscheidung dieser Länder. Wir wollen jetzt nachziehen. Ich will ein Weiteres dazu sagen. (Caren Marks [SPD]: Pippi Langstrumpf! – Weitere Zurufe von der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Das Wort hat immer noch der Kollege Norbert Geis. Norbert Geis (CDU/CSU): Sie behaupten, die Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita, nicht in die Krippe geben, hätten ein veraltetes Familienbild. (Caren Marks [SPD]: Das hat keiner gesagt! Nur Sie!) Wir haben eine Million Eltern, die ihr Kind im Augenblick nicht deshalb in die Krippe geben, weil sie keinen Platz finden, sondern weil sie es nicht wollen. Das wird es auch in Zukunft geben. Wir werden in Zukunft Eltern haben, die ihr Kind nicht in die Kindertagesstätte geben. (Caren Marks [SPD]: Das können die doch auch! – Dagmar Ziegler [SPD]: Völlig in Ordnung!) Wir zahlen von Staats wegen für die Kindertagesstätte – es ist richtig, dass die Eltern einen Teil dazubezahlen – zwischen 700 und 900 Euro im Monat. Es ist nicht gerecht, wenn wir den Eltern, die ihr Kind nicht in die Kita geben, dafür keinen Ausgleich geben. Wir wollen einen Minimalausgleich in Höhe von 150 Euro geben. Davon kann man nicht behaupten, das sei eine Fernhalteprämie. Was ist das für eine Vorstellung von den Menschen, die nicht bereit sind, ihr Kind in die Kita zu geben? Diese Entscheidung haben wir zu achten. Es ist eine freie Entscheidung. (Caren Marks [SPD]: Wie ist das mit den Hartz-IV-Familien?) Deswegen glaube ich, dass Sie falsch liegen. Heute sind die neuesten Umfragen von RTL und Stern heraus-gekommen. Diese Umfragen zeigen, dass die 18- bis 29-Jährigen mit absoluter Mehrheit das Betreuungsgeld haben wollen. (Sönke Rix [SPD]: Wollen Sie auch die belohnen, die keine Kinder in die Welt setzen? – Weiterer Zuruf von der SPD: Genau! Betreuungsgeld für Kinderlose!) Sie werden sehen: Wenn das Betreuungsgeld eingeführt ist, dann wollen es 90 Prozent haben. Dann werden wir Sie an Ihre heutige Argumentation erinnern, die völlig falsch ist. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 26. April 2012, 9 Uhr, ein. Ich freue mich, Sie dann alle hier begrüßen zu dürfen. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 17.02 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 25.04.2012 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25.04.2012* Becker, Dirk SPD 25.04.2012 Beckmeyer, Uwe SPD 25.04.2012** Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25.04.2012 Binding (Heidelberg), Lothar SPD 25.04.2012 Brandner, Klaus SPD 25.04.2012 Dr. Braun, Helge CDU/CSU 25.04.2012 Brinkmann (Hildes-heim), Bernhard SPD 25.04.2012 Groth, Annette DIE LINKE 25.04.2012* Heil, Mechthild CDU/CSU 25.04.2012 Hunko, Andrej DIE LINKE 25.04.2012* Jelpke, Ulla DIE LINKE 25.04.2012 Kolbe (Leipzig), Daniela SPD 25.04.2012 Kolbe, Manfred CDU/CSU 25.04.2012 Dr. Lauterbach, Karl SPD 25.04.2012 Lindner, Christian FDP 25.04.2012 Möller, Kornelia DIE LINKE 25.04.2012 Nahles, Andrea SPD 25.04.2012 Dr. Neumann (Lausitz), Martin FDP 25.04.2012 Nord, Thomas DIE LINKE 25.04.2012 Rupprecht (Tuchen-bach), Marlene SPD 25.04.2012* Schlecht, Michael DIE LINKE 25.04.2012 Schmidt (Aachen), Ulla SPD 25.04.2012** Schneider, Ulrich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25.04.2012 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25.04.2012 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 25.04.2012 Werner, Katrin DIE LINKE 25.04.2012 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung der NATO Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Druck-sache 17/9351, Frage 6): Welche Zusatzkosten fallen durch die deutsche Beteiligung an den EU-Battle-Groups im ersten und zweiten Halbjahr 2012 an (bitte für beide Halbjahre getrennt angeben)? Der Haushaltsmittelbedarf für die Herstellung und Aufrechterhaltung der organisatorischen, personellen und materiellen Einsatzbereitschaft, einschließlich der Ausbildung und Zertifizierung von Anteilen an EU-Battle-Groups wird in Abhängigkeit der Zweckbestimmung in einer Vielzahl von Titeln im Verteidigungshaushalt veranschlagt und in der Regel nicht separat ausgewiesen. Auf der Grundlage der Ausgabenprognose für die Übungen im Rahmen des EU-Battle-Group-Konzepts stehen im ersten Halbjahr 2012 Haushaltsmittel in Höhe von bis zu 2,1 Millionen Euro und im zweiten Halbjahr 2012 in Höhe von bis zu 2,4 Millionen Euro zur Verfügung. Für vorbereitende Übungen zur Teilnahme der Bundeswehr an den EU-Battle-Groups wurden bislang rund 80 000 Euro verausgabt. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 7): Welche Mehrbelastungen für die Bevölkerung erwartet die Bundesregierung durch den Ausbau des Hauptquartiers der US-Army in Wiesbaden inklusive des Flughafens in Erbenheim, und welche Maßnahmen sollen gegen die Mehrbelastungen bzw. zum Schutz der Bevölkerung ergriffen werden? Vor dem Hintergrund der Verlegung des Hauptquartiers der US-Army Europe in Heidelberg sowie des 1. Bataillons des 214. Heeresfliegerregiments aus den Coleman Barracks in Mannheim auf das Wiesbaden Army Airfield wurden die geltenden freiwilligen Nutzungsbeschränkungen mit Vereinbarung zwischen der US-Army und der Bundesanstalt für Immobilienauf-gaben als Grundstückseigentümer vom 12. März 2012 angepasst. Die Nutzungsbeschränkungen wurden auf maximal 40 stationierte Luftfahrzeuge und jährlich maximal 20 000 Flugbewegungen festgelegt. Die Flugbetriebszeiten unterliegen den „Allgemeinen Bestimmungen des Bundesministeriums der Verteidigung über den Hubschrauberflugbetrieb an militärischen Hubschrauberflugplätzen in der Bundesrepublik Deutschland“. Die US-Streitkräfte haben sich ferner bereit erklärt, den Schwerpunkt des Flugplatzbetriebes sowie die überwiegende Anzahl der Flugbewegungen mit Hubschraubern in die vereinbarten Zeiträume zu legen, sofern es der militärische Betrieb zulässt. Die Stadt Wiesbaden wurde schriftlich und dann in einem mündlichen Gespräch informiert. Aufgrund des bestehenden gerichtlichen Vergleichs aus dem Jahr 1994 zwischen dem Magistrat der Stadt Wiesbaden und den US-Streitkräften, der eine Stationierung von maximal 60 Luftfahrzeugen und maximal 30 000 Flugbewegungen jährlich vorsieht, stellt die nunmehr vorgenommene Nutzungsbeschränkung keine unzumutbare Belastung für die Flugplatzanrainer dar. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 10): Wann ist mit einem Gesetzesvorschlag zu irgendeiner Form der Frauenquote aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu rechnen, und wenn kein Gesetzesvorschlag geplant ist, warum nicht? Der Anteil von Frauen in Führungspositionen sowohl in der Wirtschaft als auch in der Verwaltung ist nicht zufriedenstellend. Die Bundesregierung wird sich deshalb – in Umsetzung des Koalitionsvertrages – weiter dafür einsetzen, den Anteil von Frauen in Spitzenpositionen nachhaltig zu fördern. Die Bundesregierung prüft dazu Maßnahmen auf freiwilliger und gesetzlicher Basis, insbesondere gesetzliche Maßnahmen zur Steigerung des Anteils von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen und Unternehmen, die dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer unterliegen. Diese Prüfung ist innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 11): Was versteht die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder, unter „feministisches Helikoptersystem“ (Zitat aus ihrem Buch Danke, emanzipiert sind wir selber!), und hat sie dafür irgendeinen Beleg? Die Bundesregierung nimmt schon aus formalen Gründen grundsätzlich keine Stellung zu privat geschriebenen Büchern von Regierungsmitgliedern. Als besonderen Service kann ich Ihnen in diesem Fall aber mitteilen, dass sich der von Ihnen beschriebene Ausdruck „feministisches Helikoptersystem“ gar nicht in dem Buch von Frau Dr. Schröder findet. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/9351, Frage 23): Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Tätigkeit einer Klinik in Bonn im Zusammenhang mit Stammzelltherapien vor (vergleiche Spiegel Online vom 15. April 2012, „Deutsche Klinik bietet Stammzelltherapie an“), und kann die Bundesregierung bestätigen, dass der ehemalige Chefarzt der Anästhesieabteilung und Experte für Diagnostik und Behandlung mit Stammzellen des XCell-Centers nunmehr an dieser Klinik tätig ist? Das Paul-Ehrlich-Institut hat Informationen über die Aktivitäten einer Klinik in Bonn zusammen mit einer fachlichen Einschätzung an das zuständige Ministerium in Nordrhein-Westfalen weitergegeben. Die zuständige Behörde, die Bezirksregierung Köln, hat mit Datum 21. Dezember 2011 die Herstellung von Stammzellzubereitungen aus Knochenmark, soweit die Zellen oder Gewebe nicht dazu bestimmt sind, im Empfänger im Wesentlichen die selbe Funktion auszuüben wie im Spender, mit Sofortvollzug untersagt. Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft Bonn unter Mitwirkung von Sachverständigen der Bezirksregierung Köln auf der Grundlage eines Beschlusses des Amtsgerichts Bonn am 23. März 2012 eine Durchsuchung in der Bonner Klinik durchgeführt. Die Behörden informieren sich gegenseitig über alle Erkenntnisse oder Verdachtsmomente über Verstöße in Zusammenhang mit nicht zugelassenen Stammzelltherapien. Die zuständige Behörde trifft die zur Beseitigung festgestellter und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Weitere Einzelheiten können wegen des noch laufenden Verfahrens derzeit nicht mitgeteilt werden. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/9351, Frage 24): Vertritt die Bundesregierung trotz des erneuten Bekanntwerdens eines fragwürdigen und potenziell gefährlichen -Angebots einer Stammzelltherapie in Deutschland weiterhin die Auffassung, „dass das rechtliche Instrumentarium zum Verbraucher- und Patientenschutz bei Therapien mit Stammzellpräparaten ausreicht“ (vergleiche Antwort auf meine schriftliche Frage 112 auf Bundestagsdrucksache 17/1645, Seite 92), und welche rechtlichen Konsequenzen hat die Bundesregierung aus der Debatte über die Aktivitäten des XCell-Centers in Düsseldorf im Jahr 2010 gezogen, damit zukünftig nicht Geschäftemacher unter dem Deckmantel eines hohen Patientenschutzniveaus in Deutschland medizinisch unsinnige und potenziell sogar gefährliche „Therapien“ anbieten? Die Bundesregierung vertritt weiterhin die Auffassung, dass das rechtliche Instrumentarium zum Verbraucher- und Patientenschutz bei Therapien mit Stamm--zellen ausreicht, wie dies in dem Verfahren bezüglich der Behandlung mit stammzellhaltigen Knochenmark-zubereitungen durch die XCell-Center GmbH ersichtlich wurde. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Drucksache 17/9351, Frage 25): Wie viele externe Mitarbeiter aus Körperschaften des öffentlichen Rechts sind im Bundesministerium für Gesundheit beschäftigt? Derzeit befinden sich vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Unterstützung im Bundesministerium für Gesundheit. Die kurzzeitige personelle Unterstützung ist aufgrund der Vorschriften aus den Sozialgesetzbüchern zulässig. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Fragen 29 und 30): Wie viele Bahnübergänge – aufgeschlüsselt nach Bundesländern – können nach jetzigem Kenntnisstand mit dem Programm zur Nachrüstung des dritten und vierten Seitenlichts für die technisch gesicherten Bahnübergänge mit nur jeweils rechts stehendem Blinklicht/Lichtzeichen voraussichtlich umgerüstet werden, und welcher Zeitplan ist dafür vorgesehen? Wie viele Bahnübergänge wurden nach jetzigem Kenntnisstand bereits umgerüstet, und mit welchen Kosten ist für das Nachrüstungsprogramm – aufgeschlüsselt nach Haushaltsjahren seit 2005 – zu rechnen? Für die technisch gesicherten Bahnübergänge mit nur jeweils rechts stehendem Blinklicht/Lichtzeichen wurde ein Programm zur Nachrüstung des dritten und vierten Seitenlichts aufgenommen. Bei umfassenden Umbauten an Bahnübergängen werden grundsätzlich beiderseits der Straße Lichtzeichen errichtet. Eine Übersicht der Ausrüstung der Bahnübergänge wird beim Eisenbahn-Bundesamt und auch der Deutschen Bahn AG sowie den Ländern nicht geführt, weshalb ein ganzheitlicher Überblick über den Umrüstungsstand und die dadurch entstehenden Umrüstungskosten der Bundesregierung nicht vorliegt. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/9351, Frage 31): Kann die Bundesregierung bestätigen, dass das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Zuge der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord von Kiel nach Bonn verlegen möchte (vergleiche Kieler Nachrichten vom 17. April 2012, „Kieler Schifffahrtsbehörde droht Umzug nach Bonn“), und trifft es zu, dass alle sieben Wasser- und Schifffahrtsdirektionen zu einer Generaldirektion in Bonn zusammengezogen werden sollen? Nein. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/9351, Frage 32): Wie erklärt die Bundesregierung, dass der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, den ersten Spatenstich für die neue Schleusenkammer in Brunsbüttel bereits am 17. April 2012 feierlich gesetzt hat, obwohl mit einem Ende der Ausschreibungen erst im Sommer 2012 gerechnet wird und der Beginn der Bauarbeiten – eigentlicher Anlass für den traditionellen Spatenstich – daher noch in weiter Ferne liegt, und welche Rolle spielte bei der Terminierung dieses Festaktes das Datum der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 6. Mai 2012? Die Durchfinanzierung der Gesamtmaßnahme „Neubau der 5. Schleusenkammer in Brunsbüttel“ konnte erst im November 2011 über das Infrastrukturbeschleunigungsprogramm gesichert werden. Am Anfang solcher großen Baumaßnahmen stehen die Ausschreibung und Durchführung größerer bauvorbereitender Maßnahmen sowie die Feinplanung und anschließende Bauvergabe der Hauptmaßnahmen. Der erste Spatenstich am 17. April 2012 bündelt symbolisch als Startschuss für die neue Schleusenkammer alle begonnenen Aktivitäten und unterstreicht die herausragende Bedeutung dieses Bauprojekts für die Bundesregierung und die gesamte Küstenregion. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Abgeordneten Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 33): Wann und inwiefern wird die von der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (Quelle: Pressemitteilung der Senats--verwaltung für Arbeit, Integration und Frauen des Landes Berlin vom 22. März 2012) angekündigte Überprüfung der Kürzungen durch die Bundeshaushalte 2010, 2011 und 2012 (inklusive der Streichung der nichtinvestiven Maßnahmen) am Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ erfolgen? Die künftige Mittelausstattung des Städtebauförderungsprogramms „Soziale Stadt“, sowie auch der anderen Programme der Städtebauförderung, wird im Rahmen der jährlichen Aufstellung des Regierungsentwurfs des Bundeshaushalts erörtert. Der regierungsinterne Prozess ist erst mit Beschlussfassung des Kabinetts im -Sommer abgeschlossen. Insofern können derzeit noch keine Angaben zur künftigen Mittelausstattung des Programms „Soziale Stadt“ gemacht werden. Anlage 13 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 35): In welcher Höhe wurden seit der Antwort der Bundes--regierung auf meine schriftliche Frage 164 auf Bundestagsdrucksache 17/5422 weitere Ausgleichsleistungen aufgrund § 38 Abs. 2 des Atomgesetzes beispielsweise für radioaktiv kontaminiertes Wildfleisch geleistet (bitte differenzierte -Angabe für 2011 sowie März 2011 bis jetzt), und in welcher Gesamthöhe hat Deutschland seit der Atomkatastrophe von Tschernobyl bis dato Zahlungen für damit in Verbindung stehende Maßnahmen, beispielsweise die Sanierung des Tschernobyl-Sarkophags, die Errichtung des neuen Tschernobyl-Einschlusses, Sicherungsmaßnahmen, Dekontaminationsarbeiten oder Ähnliches, geleistet? Hinsichtlich der Ausgleichsleistungen aufgrund § 38 Abs. 2 Atomgesetz, AtG, infolge des Reaktorunfalls von Tschernobyl für Wildfleisch hat der Bund seit der oben genannten Anfrage bis zum 20. April 2012 für Wild, das eine erhöhte Strahlenbelastung aufwies, Ausgleichsleistungen in Höhe von circa 453 000 Euro gewährt. Auf das Gesamtjahr 2011 entfielen circa 619 000 Euro, auf das Jahr 2012 circa 63 000 Euro. Die Gesamtsumme der Ausgleichszahlungen seit 1986 beläuft sich auf circa 238,895 Millionen Euro. In Bezug auf Zahlungen für Maßnahmen wie die Sanierung des Sarkophags etc. hat der Bund seit dem Zerfall der Sowjetunion für vorrangig sicherheitstechnische Maßnahmen, die in engerer Verbindung mit dem Reaktorunfall stehen, finanzielle Unterstützungsleistungen in Höhe von insgesamt circa 101,687 Millionen Euro erbracht. Anlage 14 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 36): Weshalb ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, im Gegensatz zum Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, BMWi, noch nicht in der Lage, der von Staaten wie Großbritannien und Frankreich angestrebten Gleichstellung von Atomkraft und erneuerbaren Energien in der neuen „Energy Roadmap 2050“ der Europäischen Union bereits ablehnend gegenüberzustehen (vergleiche Frankfurter Rundschau vom 14. April 2012: Das Bundeswirtschaftsministerium teilte auf FR-Anfrage mit, man stehe den Plänen ablehnend gegenüber. Aus dem Umwelt-ministerium wurde verlautbart, die dortige Meinungsbildung zur EU-Energiepolitik sei noch im Gange), und welche konkreten Gründe sprechen aus Sicht des BMU für eine derartige Gleichstellung von Atomkraft und erneuerbaren Energien im Rahmen der EU-Energiepolitikziele bis 2050? Das Bundesumweltministerium lehnt, wie die Bundesregierung insgesamt, eine Gleichstellung von Atomenergie und erneuerbarer Energie klar ab. Das Bundesumweltministerium setzt sich für eine Fortführung der bewährten 2020-Zieltrias aus einem Klimaziel, einem Erneuerbarenziel und einem Effizienzziel auch für 2030 ein. Die Einführung eines Low-Carbon-Energiezieles neben der Zieltrias ist insoweit nicht notwendig und deshalb abzulehnen. Der Bericht der Frankfurter Rundschau ist insoweit missverständlich. Richtig ist jedoch, dass es zur Frage der Fortführung eines Erneuerbarenziels sowie zur Fortführung der Zieltrias über 2020 hinaus bislang noch keine abgestimmte Ressorthaltung gibt. Anlage 15 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 37): Inwieweit hat sich die Position der Bundesregierung zur Einbeziehung des Flugverkehrs in den europäischen Emissionshandel angesichts der Äußerungen des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, und des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler, geändert, die gegenüber dem Nachrichtenmagazin Focus die Europäische Kommission zu Zugeständnissen aufgefordert haben? Die Position der Bundesregierung zur Einbeziehung des Luftverkehrs in den EU-Emissionshandel ist unverändert. Die Richtlinie ist geltendes Recht und wird für alle in der EU tätigen Unternehmen gleichermaßen umgesetzt. Deutschland unterstützt die EU-Kommission umfassend dabei, Gespräche mit kritischen Drittstaaten zu führen mit dem Ziel, Spannungen zu entschärfen, Gegenmaßnahmen abzuwenden und zu einer substanziellen Lösung in der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, ICAO, beizutragen, aber auch die Position der EU klar und geschlossen zu verdeutlichen: Eine Anpassung des EU-Emissionshandelssystems, EU ETS, wird in Aussicht gestellt, soweit eine wirksame und verbindliche globale Regelung für den Luftverkehr verabschiedet wird. Anlage 16 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 38): Trifft die Berichterstattung der Wochenzeitung Die Zeit zu (19. April 2012, Seite 24), nach der das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die Veröffentlichung eines kritischen Hintergrundberichts des Umweltbundesamtes zur EU-Klimapolitik verhindert hat, und, wenn ja, aus welchen Gründen ist dies erfolgt? Der in der Zeit beschriebene Text war kein Bericht, der für eine Veröffentlichung gedacht war, sondern eine interne Zuarbeit. Ziel war es, den Bundesumweltminister mit guten Argumenten für die Brüsseler Verhandlungen zu versorgen. Da die Zuarbeit des Umweltbundesamtes der Vorbereitung sensibler Sitzungen auf europäischer Ebene dient, ist es selbstverständlich, dass solche Papiere intern bleiben. Anlage 17 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) (Drucksache 17/9351, Frage 39): Wie steht die Bundesregierung zur grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung, UVP, in Sachen Windpark Moldava im tschechisch-deutschen Grenzraum, insbesondere vor dem Hintergrund der Konflikte der Windparkinvestition bzw. dem Vorrang erneuerbarer Energien mit dem Schutzinteresse und der Schutzgebietssystematik der europäischen Schutzgebiete Natura 2000, und welche Fristen für offiziell autorisierte Übersetzungen sehen das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, UVPG, oder andere bundesgesetzlichen Regelungen für Übersetzungen von ausländischen Gutachten (hier: amtlich tschechisches Gutachten) vor, die in diesem Fall Grundlage für Stellungnahmen der sächsischen Landkreise Mittelsachsen, Erzgebirge, Vogtland sind? Die Einrichtung von Windparks in Schutzgebieten Natura 2000 ist nicht generell ausgeschlossen. Die konkrete Beurteilung hängt vom Einzelfall ab. In diesem Fall haben aus Deutschland die betroffenen Landratsämter und einzelne Gemeinden kritisch Stellung genommen und Einwendungen erhoben. Nach Übergabe der Stellungnahmen von deutscher Seite wurde von der tschechischen Seite ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass das Vorhaben Umweltauswirkungen haben kann. Die Umweltauswirkungen werden auf der Grundlage der Stellungnahmen nun in einer Ergänzung der Dokumentation berücksichtigt: Präzisierung der Anzahl und der Standorte der geplanten Windkraftanlagen; Lösungsvarianten werden erarbeitet, die die Aspekte von Natur- und Landschaftsschutz berücksichtigen; Bewertung der Auswirkungen auf Natura 2000, einschließlich der Auswirkungen des Vorhabens auf die Birkhuhnpopulation; ausführliche biologische Untersuchung, wobei die Untersuchung auch die vorkommenden Flora und Fauna zu allen Jahreszeiten erfassen muss; Bewertung der Auswirkungen auf das Landschaftsbild. Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass es in diesem konkreten Fall zu einer Lösung kommt, die die betroffenen Interessen gleichermaßen angemessen berücksichtigt. Nach dem einschlägigen Völker- und EU-Recht sind im Rahmen einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung, UVP, den Bürgerinnen und Bürgern im Ursprungsstaat und im betroffenen Nachbarstaat gleichwertige Beteiligungsmöglichkeiten einzuräumen. Dazu gehört unter anderem, dass die Bevölkerung des betroffenen Staates zumindest diejenigen Teile der UVP-Unterlagen in übersetzter Form erhält, die sie benötigt, um zu den sie betreffenden grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen eines Projektes Stellung nehmen zu können. Ohne solche zumindest teilweise übersetzten Unterlagen kann keine gleichwertige Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgen und gesetzte Fristen damit nicht erfüllt werden. Die Kosten für die Übersetzung solcher Unterlagen soll nach dem Verursacherprinzip der Ursprungsstaat tragen; die eventuelle Refinanzierung durch den privaten Vorhabenträger unterfällt dem internen Bereich eines Staates. Wir haben gebeten, auch weiterhin regelmäßig über das weitere Verfahren informiert zu werden. Anlage 18 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Druck-sache 17/9351, Frage 40): Wie bewertet die Bundesregierung Vorschläge, für den Ausbau der Offshorewindenergie eine mittel- bis langfristige „Roadmap“ aufzustellen, in der die technischen, planerischen und regulatorischen Rahmenbedingungen und Schritte im Einzelnen dargestellt werden, und welche Konsequenzen zieht sie daraus? Die Bundesregierung beabsichtigt, mögliche Hemmnisse beim Ausbau der Offshorewindenergie zügig zu beseitigen, um das Ziel von 25 Gigawatt installierter Offshoreleistung bis 2030 zu erreichen. In diesem Zusammenhang prüft die Bundesregierung auch Möglichkeiten zur besseren Koordinierung der erforderlichen Planungs- und Genehmigungsprozesse sowie der Errichtung von Offshorewindparks mit den jeweiligen Netzanbindungen. Grundsätzlich unterstützt die Bundesregierung eine längerfristig angelegte, ganzheitliche Planung des Ausbaus der Offshorewindenergie. Anlage 19 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Frank Schwabe (SPD) (Drucksache 17/9351, Frage 41): Wie erklärt die Bundesregierung die Aussage der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Katherina Reiche, in der Fragestunde vom 28. März 2012 (vergleiche Plenarprotokoll 17/171), dass geplant sei, dass der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Norbert Röttgen, am informellen Umweltministerrat vom 17. bis 19. April 2012 teilnehmen werde, vor dem Hintergrund der Nichtteilnahme des Bundesministers an besagtem Umwelt-ministerrat? Entgegen Ihrer Fragestellung hat meine Kollegin in der Fragestunde auf eine vorläufige Planung hingewiesen. Bundesumweltminister Dr. Röttgen war es aufgrund anderer Termine nicht möglich, am informellen Umweltministerrat am 18. und 19. April in Dänemark teilzunehmen. Er wurde – wie dies bei informellen Umweltministertreffen durchaus üblich ist – durch Frau Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche sowie den zuständigen Abteilungsleiter vertreten. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Druck-sache 17/9351, Frage 42): Wie hoch sind im Hinblick auf die Geschäftsaufgabe bzw. die Insolvenz mehrerer Unternehmen der Solarwirtschaft die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung jeweils seit 2010 gewährten Fördermittel für Forschung im Bereich Photovoltaik an Unternehmen, Universitäten sowie Wissenschaftsorganisationen, die seit 2010 gewährten Fördermittel für die „Innovationsallianz Photovoltaik“, die für 2012 noch zur Bewilligung anstehenden Fördermittel für diese Allianz, die von der Solarbranche im Rahmen der Zusage für die Allianz bisher erbrachten Investitionsmittel zur Umsetzung der Ergebnisse in Deutschland, die seit 2008 für den „Spitzencluster Solarvalley Mitteldeutschland“ bislang gewährten Bundesmittel sowie die an zwischenzeitlich insolvente Unternehmen der Branche seit 2010 gewährten Fördermittel, und wie beurteilt die Bundesregierung im Hinblick auf Pressemeldungen („Das Ende der deutschen Solarzelle“, Spiegel Online vom 2. April 2012) und Erklärungen der Wissenschaft („… ohne starke produzierende Photovoltaikunternehmen … wird es auch für die hiesige Solarforschung sehr schwer“, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, 24. Februar 2012) die Zukunftsaussichten für die Herstellung von Solarzellen in Deutschland unter Angabe der wesentlichen Ergebnisse der bisherigen Forschungsförderung, der Aktivitäten der Bundesregierung zur Unterstützung der Umstrukturierung der Branche sowie zur Sicherung und Verwertung der Forschungsergebnisse in der Bundesrepublik Deutschland? Ihre Frage bezieht sich auf die Förderung der Forschung von Photovoltaik, insbesondere der „Innova-tionsallianz Photovoltaik“ und des „Spitzenclusters Solarvalley Mitteldeutschland“, im Lichte der Insolvenz deutscher Unternehmen der Solarbranche. Hinsichtlich der Daten verweise ich Sie auf die beigefügte Übersicht. Hierin sind die von Ihnen angefragten Daten zusammengestellt. Die Aufwendungen der Industrie für Forschung und Innovation betrugen zu Beginn der „Innovationsallianz Photovoltaik“ weniger als 2 Prozent vom Umsatz. Die Branche strebt zukünftig eine FuE-Quote von 5 Prozent an. Inwieweit diese Quote erreicht wird, kann erst zu einem späteren Zeitpunkt seriös beurteilt werden. Die von der Industrie im Rahmen der Innovationsallianz zur Umsetzung der Ergebnisse in Deutschland zu erbringenden Investitionsmittel können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beziffert werden, da die entsprechenden Vorhaben Ende 2011 gestartet wurden bzw. sich in Bewilligung befinden. Erste Ergebnisse zeigen, dass Unternehmen die Fertigung ganzer Module in Deutschland und Europa als eine aussichtsreiche Option für sich ansehen. Durch die Forschungsförderung macht die Bundesregierung der deutschen Photovoltaikindustrie konkrete Angebote. Die Unternehmen stehen nun in der Verantwortung, ihre FuE-Quote zu erfüllen, neue Photovoltaiktechnologien zu entwickeln und neue Exportmärkte zu erschließen. Sie stehen überdies in der Verantwortung, erworbenes Knowhow in Deutschland zu verwerten. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 43): Warum hat sich die Bundesregierung als beherrschender Anteilseigner des Forschungszentrums Jülich GmbH, FZJ, nicht für einen früheren Termin für eine Aufsichtsratssitzung bezüglich der Wiederaufnahme des zuvor am 16. Juli 2010 -ruhend gestellten Verlängerungsantrags für die Genehmigung des Zwischenlagers in Jülich eingesetzt, angesichts der Tat--sache, dass spätestens seit dem 15. März 2012 bekannt ist, dass der Transport der 152 Castorbehälter nach Ahaus nicht bis 30. Juni 2013 – Genehmigungsende für das Zwischenlager Jülich – abgewickelt werden kann und deshalb zur Lösung der ungeklärten Frage der Zwischenlagerung höchste Eile geboten ist, und welche Position wird die Bundesregierung in der kommenden Sitzung bezüglich des weiteren Verbleibs der 152 Castoren vertreten? Bei der vom Vorstand des FZJ vorgeschlagenen Befassung des Aufsichtsrates geht es nur um einen Antrag auf eine temporäre Verlängerung der Genehmigung für das Zwischenlager in Jülich oder auf eine Duldung durch die atomrechtliche Aufsichtsbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen, um so den nach Auslaufen der Genehmigung am 30. Juni 2013 drohenden rechtswidrigen Zustand zu vermeiden. Eine Entscheidung für den Neubau des Zwischenlagers oder einen Transport nach Ahaus wäre damit nicht verbunden. Der Bund hat hierzu die von Nordrhein-Westfalen angeregte Bildung einer Arbeitsgruppe aufgegriffen, da zu wesentlichen Punkten – insbesondere den an die Atomaufsichtsbehörde des Landes gerichteten Fragen – von Nordrhein-Westfalen keine schriftliche Stellungnahme zu erhalten war. Daher ist zu hoffen, dass eine Klärung im Rahmen einer solchen Arbeitsgruppe herbeigeführt werden kann. Der im Aufsichtsrat des FZJ zu beschließende Antrag auf Verlängerung der Genehmigung für eine kurzfristige weitere Aufbewahrung der Brennelemente im FZJ -sichert ein rechtmäßiges Handeln des FZJ ab und greift damit möglichen Ergebnissen der vom Land vorgeschlagenen Arbeitsgruppe nicht vor. Eine Befassung des Aufsichtsrates im schriftlichen Verfahren oder in seiner nächsten regulären Sitzung ist daher ausreichend. Anlage 22 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) (Drucksache 17/9351, Frage 44): Inwiefern begleitet und unterstützt die Bundesregierung bzw. das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die zunehmende Digitalisierung in Entwicklungsländern – insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft, Medizin und Katastrophen- sowie Krisenprävention –, und gibt es bereits Initiativen von der Bundesregierung für Projekte und Kooperationen, die die Digitalisierung dort nachhaltig gestalten und auf lokale Anforderungen abstimmen? Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zielt darauf ab, den Partnerländern die Nutzung der Potenziale von Informations- und Kommunikationstechnologien, IKT, für eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Dazu gehören auch neue, innovative IKT-Anwendungen, die lokal relevante Lösungen bieten. Beispiele sind die Förderung der Einführung von Telemedizinsystemen in Vietnam, den palästinensischen Gebieten und Tansania. Ebenso unterstützt das BMZ, gemeinsam mit BMELV, Maßnahmen zur Transparenz auf Agrarmärkten, so den Ausbau von satellitengestützten Wetter- und Erntedaten, sowie lokale Marktinformationssysteme, zu denen auch Kleinstbauern per Mobiltelefon Zugang haben. Auch spielen IKT bei der Frühwarnung und der Vorbereitung auf den Katastrophenfall, Preparedness, in der Krisenprävention eine bedeutende Rolle. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 45): Wird der § 151 Abs. 2 Nr. 2 des Bundesberggesetzes, BBergG, welcher unter anderem eine Befreiung von Inhabern sogenannter alter Rechte von der Förderabgabe gemäß § 31 BBergG vorsieht, von der Bundesregierung derart ausgelegt, dass diese Befreiung dauerhaft gilt (bitte Zutreffendes begründen)? Ja. In der Amtlichen Begründung zu § 151 BBergG wird zum Hauptfall alter Rechte, dem in § 149 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBergG genannten Bergwerkseigentum, im Zusammenhang mit Art. 14 GG ausgeführt, dass dieses Bergwerkseigentum alten Rechts als unbefristetes Recht aufrechterhalten bleiben und aus diesem Grund die -Anwendbarkeit der Förderabgabenvorschrift des § 31 BBergG ausgeschlossen werden muss (Bundestagsdrucksache 8/1315, Seite 159, 163). Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 46): Welche Fracht befindet sich an Bord des Schiffes „Atlantic Cruiser“ der deutschen Reederei Bockstiegel, das Berichten zufolge schweres Militärgerät und Munition aus dem Iran nach Syrien bringen sollte und deswegen in der Türkei festgesetzt wurde, und welche Maßnahmen ergreift die Bundes--regierung, um das EU-Waffenembargo gegen Syrien auch bei deutschen Reedern durchzusetzen? Dem Schiff „Atlantic Cruiser“ ist von türkischen -Behörden die Erlaubnis erteilt worden, den türkischen Hafen Iskenderun anzulaufen, um kurzfristig eine Überprüfung der Ware dort durchführen zu lassen. Die Überprüfung der Fracht der „Atlantic Cruiser“ durch die zuständigen türkischen Behörden hat ergeben, dass keine Waffen und Munition für Syrien an Bord waren. Hiervon unabhängig möchte ich darauf hinweisen: Das EU-Waffenembargo gegen Syrien (Beschluss 2011/782/GASP des Rates vom 1. Dezember über restriktive Maßnahmen gegen Syrien und zur Aufhebung des -Beschlusses 2011/273/GASP) richtet sich an die Mitgliedstaaten der EU. Danach sind Verkauf, Lieferung, Weitergabe oder Ausfuhr von Rüstungsgütern an bzw. nach Syrien durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten oder vom Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aus oder -unter Benutzung von ihre Flagge führenden Schiffen -untersagt. Die Bundesregierung hat das EU-Waffenembargo gegen Syrien in § 69 r der Außenwirtschaftsverordnung in deutsches Recht umgesetzt. Nach dieser Vorschrift ist die Ausfuhr von Rüstungsgütern nach Syrien unter Benutzung eines unter deutscher Flagge fahrenden Schiffs untersagt. Verstöße gegen das Waffenembargo sind nach dem Außenwirtschaftsgesetz strafbewehrt. Wenn die Beförderung allerdings auf einem auf Hoher See unter fremder Flagge fahrenden Schiff erfolgt, ist die Durchsetzung des Waffenembargos nach dem Völkerrecht für die Bundesregierung dagegen nicht -zulässig. Erst mit Zustimmung des Flaggenstaates sind solche Aktionen zulässig. Gleichwohl nutzt die Bundesregierung in Fällen mit möglichem oder erkennbarem deutschen Bezug alle ihr im Einzelfall zur Verfügung stehenden – auch informellen – Möglichkeiten, um zur Aufklärung etwaiger -Embargoverstöße angemessen beizutragen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Frank Schwabe (SPD) (Drucksache 17/9351, Frage 47): Hält es die Bundesregierung nach den Aussagen von -Exxon-Mobil-Europa-Chef Gernot Kalkoffen, dass sein Unternehmen auf giftige Stoffe beim Fracking verzichten wolle, noch für vertretbar, dass Fracking unter Einsatz von Chemikalien in Deutschland weiterhin gesetzlich möglich sein soll, und wann plant die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf zum Thema Fracking vorzulegen? Aus Sicht der Bundesregierung müssen im Rahmen von Zulassungsentscheidungen bei Erdgasförderung aus unkonventionellen Lagerstätten die Umweltauswirkungen grundsätzlich berücksichtigt werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat deshalb Ende 2010 die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe mit einem Forschungsprojekt zur Erfassung und Bewertung des Potenzials von nichtkonventionellen Kohlenwasserstoffen in Deutschland, Erdöl und Erdgas aus Tonsteinen – Potenziale für Deutschland, beauftragt. Erste Ergebnisse werden in Kürze vorgelegt werden. Das Umweltbundesamt hat im Auftrag des BMU eine Studie über Umweltauswirkungen bei Fracking ausgeschrieben. Ergebnisse werden im Juli 2012 vorliegen. Vor diesem Hintergrund wird der gesetzliche Änderungsbedarf geprüft. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 48): Wie beurteilt die Bundesregierung die vorläufige Position des Europäischen Rates zu Art. 4 der Energieeffizienzrichtlinie in der Version vom 4. April 2012, nach welcher lediglich Gebäude, welche in Besitz und in Nutzung der Zentralregierungen sind und die energetischen Mindestanforderungen nicht bereits erfüllen, bei der Berechnung der zu sanierenden Fläche berücksichtigt werden, und wie viele der rund 4 500 Liegenschaften im Besitz des Bundes mit einer Gesamtfläche von etwa 50 Millionen Quadratmeter müssten nach dieser Formulierung nach Auffassung der Bundesregierung saniert werden? Die Bundesregierung unterstützt grundsätzlich eine energetische Sanierungsrate von 2 Prozent für Nichtwohngebäude, die im Eigentum der Öffentlichen Hand stehen und von ihr genutzt werden. Ausnahmen sollen auch für denkmalgeschützte und militärisch genutzte Gebäude gelten. Die Beschränkung auf Gebäude der zentralstaatlichen Verwaltungsebene birgt aus unserer Sicht die Gefahr, dass das Ziel des Art. 4 – die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand bei der energetischen Sanierung zu stärken – nur eingeschränkt erreicht werden kann. Allerdings sehen wir aufgrund der fortgeschrittenen Verhandlungen die Notwendigkeit für eine gemeinsame Ratsposition, sodass sich die Bundesregierung vorstellen kann, einem Gesamtkompromiss auf Basis der neuen Vorschläge der Präsidentschaft zuzustimmen. Hinsichtlich der Frage, wie viele Liegenschaften des Bundes danach zu sanieren wären, wird auf die Antworten zu den kleinen Anfragen 17/6618 vom August 2011 und 17/9102 vom April dieses Jahres verwiesen. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 49): Wie bewertet die Bundesregierung eine kurzfristige Eigenkapitalbeteiligung der KfW Bankengruppe am Offshorenetzausbau des Netzbetreibers TenneT TSO GmbH, und, falls die Bundesregierung dies nicht für eine geeignete Lösung hält, wie will sie die drohenden Verzögerungen beim Ausbau der Offshorewindkraft durch die Finanzierungsprobleme der TenneT TSO GmbH anderweitig verhindern? Die Bundesregierung prüft derzeit verschiedene Op-tionen zur Beschleunigung der Herstellung von Netzanbindungen von Offshorewindparks. Dies umfasst in erster Linie regulatorische Fragen, gegebenenfalls auch Fragen der Finanzierung. Aus Sicht der Bundesregierung ist es grundsätzlich Aufgabe der Anteilseigentümer eines Übertragungsnetzbetreibers, diesem die notwendige Finanzausstattung für die wirtschaftliche Tätigkeit und die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung zur Verfügung zu stellen oder gegebenenfalls Änderungen in der Eigentümerstruktur herbeizuführen. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache 17/9351, Frage 50): Sind aktuelle Presseberichte (vergleiche unter anderem Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. April 2012) zutreffend, nach denen die Bundesregierung eine Beteiligung der KfW Bankengruppe an einer Netzgesellschaft erwägt, und, wenn ja, wie gestaltet sich das weitere Verfahren konkret? Die Bundesregierung prüft derzeit verschiedene -Optionen zur Beschleunigung der Herstellung von Netzanbindungen von Offshorewindparks. Dies umfasst in erster Linie regulatorische Fragen, gegebenenfalls auch Fragen der Finanzierung. Aus Sicht der Bundesregierung ist es grundsätzlich Aufgabe der Anteilseigentümer eines Übertragungsnetzbetreibers, diesem die notwendige Finanzausstattung für die wirtschaftliche Tätigkeit und die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung zur Verfügung zu stellen oder gegebenenfalls Änderungen in der Eigentümerstruktur herbeizuführen. Anlage 29 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Klaus Brandner (SPD) (Drucksache 17/9351, Frage 51): Welche Auswirkungen wird der innerhalb der Bundesregierung abgestimmte Plan zur Reduzierung der Bundeswehr in Afghanistan auf den Etat des Auswärtigen Amts (Einzelplan 05) im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens 2013 sowie der mittelfristigen Finanzplanung bis 2016 haben? Der Abzug der internationalen Kampftruppen im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanische Regierung bis Ende 2014 hat zunächst keine direkten Auswirkungen auf den Haushalt des Auswärtigen Amts. Das Ende der Transition bedeutet nicht das Ende des internationalen Engagements in Afghanistan. Im Einklang mit den auf der Internationalen Afghanistan-Konferenz in Bonn formulierten Zielen verlagert sich der Schwerpunkt des internationalen Engagements von einem militärischen Einsatz hin zu ziviler Zusammenarbeit und Unterstützung im Zuge der angekündigten Transformationsdekade. Vor diesem Hintergrund sagte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in Bonn zu, auch nach Ende der Transition „die Entwicklungsarbeit zu verstetigen“. Diese Verstetigung soll dem gemeinsamen Ziel der Menschen in Afghanistan und der internationalen Gemeinschaft dienen, den zivilen Wiederaufbau eines stabilen und pluralistischen afghanischen Staates verwirklichen zu können. Folglich strebt die Bundesregierung an, den zivilen Wiederaufbau Afghanistans auch über 2013 hinaus in insgesamt unvermindertem Umfang fortzusetzen. Die konkrete Ausgestaltung dieses Engagements wird im Zuge der Ressortkoordinierung abgestimmt. Anlage 30 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Klaus Brandner (SPD) (Drucksache 17/9351, Frage 52): Plant die Bundesregierung, zum NATO-Gipfel am 20./21. Mai 2012 konkrete Zusagen hinsichtlich der künftigen finanziellen Beteiligung Deutschlands am Afghanistan-Einsatz zu machen, und, wenn ja, wann wird die Bundesregierung den Deutschen Bundestag über diese Planungen unterrichten? Die Bundesregierung hat sich bei der Afghanistan-Konferenz in Bonn dazu verpflichtet, ab 2015 einen substanziellen Beitrag zur Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte zu leisten. Die Bundesregierung beabsichtigt, sich bis zum NATO-Gipfel in Chicago auf einen konkreten finanziellen Betrag zu verpflichten. Die Unterrichtung des Deutschen Bundestages soll zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgen. Der genaue Zeitpunkt ist abhängig von Verlauf und Abschluss des derzeit stattfindenden regierungsinternen Abstimmungsprozesses. Anlage 31 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 53): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem aktuellen Bericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung, UNODC, „Afghanistan Opium Survey 2012“, nach welchem 2012 von einem Anstieg der Opiumproduktion in Afghanistan ausgegangen und dies vor allem mit der schlechten Sicherheitslage, massiver Korruption und ökonomischen Ängsten begründet wird, und mit welchen Schritten will die Bundesregierung gemeinsam mit ihren Verbündeten dem Problem begegnen? Der vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, UNODC, herausgegebene Bericht „Afghanistan Opium Survey 2012 – Opium Risk Assessment for all Regions“ vom April 2012 enthält Trends für den Opiumanbau im Jahr 2012. Eine Prognose zum Gesamtumfang der Opiumernte findet sich hierin nicht – da diese von verschiedenen und teilweise unvorhersehbaren Faktoren abhängig sei. Es geht hier um eine Risikoabschätzung auf Basis der derzeit vorliegenden Informationen. Insgesamt zeigen die prognostizierten Trends, dass neben erfreulichen Entwicklungen wohl auch Rückschläge in einigen Provinzen zu erwarten sind. Erfreulich ist, dass für die Provinz Kandahar – und damit eine Hauptanbauprovinz für Opium – mit einem Rückgang des Anbaus gerechnet wird. 71 Prozent der für den UNODC-Bericht Befragten gaben als Hauptgrund für den Drogenanbau den hohen Opiumpreis an. Im Jahr 2010 zerstörte Schädlingsbefall einen Großteil der Schlafmohnernte. Ein derart verringertes Angebot führte zu erhöhten Preisen und in der Folge zu erhöhtem Anbau. Diese Entwicklung war bereits seit 2010 absehbar. Die Drogenbekämpfung in Afghanistan ist komplex, und nur die Zusammenführung unterschiedlicher Ansätze kann langfristig zum Erfolg führen. Die Erfahrungen aus anderen „Drogenstaaten“ legen nahe, dass eine Lösung vermutlich nur langfristig herbei geführt werden kann. Der Drogenanbau wird weiterhin eine große Herausforderung bleiben, vor allem für Afghanistan selbst. Die internationale Gemeinschaft und auch die Bundesregierung unterstützen die afghanische Regierung bereits bei der Bewältigung dieser Herausforderung, beispielsweise durch Maßnahmen zur nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung, die Arbeitsplätze und damit Einkommensquellen jenseits des Drogenanbaus schaffen. Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung die Arbeit von UNODC in Afghanistan allein in diesem Jahr mit rund 750 000 Euro, die hauptsächlich für Maßnahmen zur Drogenprävention und Nachfragereduzierung sowie zur Kapazitätenstärkung der Strafverfolgungsbehörden im Bereich der Kontrolle von Vorläuferprodukten eingesetzt werden sollen. Ferner beabsichtigt die Bundesregierung, die deutsche Unterstützung für Forschungs- und Analysearbeiten zur Erstellung des jährlichen UNODC-Opiumberichts fortzusetzen. Anlage 32 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 54): Inwieweit trifft es zu, dass der US-Präsident Barack Obama Ende März 2012 die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, gebeten hat, den Abzug der US-Truppen aus dem Verantwortungsbereich der Bundeswehr im Norden Afghanistans entgegen der bisherigen Planung durch weitere Bundeswehreinheiten zu flankieren, und wird die Bundesregierung, insbesondere die Bundeskanzlerin, dieser Bitte entsprechen oder aber, wie durch Spanien, Holland, Kanada und jetzt Australien sowie Frankreich im Falle eines Wahlsieges des französischen Präsidentschaftskandidaten François Hollande angekündigt, die Bundeswehrsoldaten vollständig oder zum Teil früher als bisher geplant bis Ende 2014 aus Afghanistan abziehen? Der Bundesregierung ist von einer entsprechenden Bitte des US-Präsidenten Barack Obama nichts bekannt. Die Bundeswehr hat im Rahmen der Übergabe der -Sicherheitsverantwortung an die afghanische Regierung damit begonnen, ihre Truppenstärke in Afghanistan zu verringern und einzelne Standorte zu schließen. Entscheidend ist, dass diese Reduzierung mit der afghanischen Regierung und im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe für Afghanistan, ISAF, abgestimmt ist und geordnet verläuft. Die Bundesregierung hält an dem gemeinsamen Ziel der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft fest, die „Transition“ bis Ende 2014 abgeschlossen zu haben. Nach 2014 sollen keine internationalen Kampftruppen mehr in Afghanistan im Einsatz sein. ISAF soll ihren Auftrag dann erledigt haben. An diesen Zielsetzungen hält die Bundesregierung fest. Im Übrigen hat der australische Außenminister Carr beim Treffen der Außen- und Verteidigungsminister der NATO am 18./19. April 2012 erklärt, dass australische Truppen nicht nur bis Ende 2014, sondern auch danach die Ausbildung der Sicherheitskräfte in Afghanistan unterstützen werden. Anlage 33 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 55): Inwieweit trifft es zu, dass im Seeeinsatzgebiet der Marine im Rahmen der Operation Atalanta vor der Küste Somalias und im Indischen Ozean kein Schiff von Piraten gekapert und die Besatzung als Geisel genommen wurde, das entweder durch private Sicherheitsdienste geschützt wurde oder das sich an die internationalen Richtlinien „Best Management Practices“, BMP, für Reedereien für die Fahrt durch das Gefahrengebiet gehalten hat, das heißt sich einem Konvoi angeschlossen, an Reling und Außenbord Verstärkungen wie Stacheldraht angebracht hat und mit hoher Geschwindigkeit gefahren ist (vergleiche Ehrhart/Petretto, The EU and Somalia: Counter-Piracy and the Question of a Comprehensive Approach, Seiten 38 ff.), und wie soll nach dem von der Bundesregierung diese Woche beschlossenen Mandat zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EUgeführten Operation Atalanta die 2000-Meter-Begrenzung des Einsatzgebietes an Land jeweils ausgemessen sowie sichergestellt und kontrolliert werden, dass die EU-Einsatzkräfte zwischen Piraten und Zivilisten, Waffen und sonstigem Gerät auch unter Bedeckung unterscheiden, keine Zivilisten und deren Habe wie etwa Fischereiausrüstung gefährden und die Begrenzung des Einsatzgebietes einhalten? Zu dem ersten Teil Ihrer Frage: Nach Kenntnis der Bundesregierung ist noch kein Schiff mit privaten Sicherheitskräften an Bord entführt worden. Das Einhalten der sogenannten Best Management Practices durch Handelsschiffe, die pirateriegefährdete Gewässer befahren, gilt allgemein als wesentlicher Faktor, um die Gefahr erfolgreicher Piraterieangriffe zu vermindern. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Die militärischen Führungsebenen der EU-geführten Operation Atalanta identifizieren geeignete Objekte der Piraterielogistik am Strand (pirate logistic dumps) basierend auf entsprechenden Aufklärungsergebnissen. Das Einhalten der im Mandat festgelegten maximalen Tiefe von 2 000 Metern am Strand wird durch den Einsatz technischer und taktischer Hilfsmittel wie zum Beispiel Radar und GPS-Sender/Empfänger sichergestellt. Ich möchte noch einmal betonen, dass nicht gegen Personen vorgegangen wird, auch nicht gegen Piraten. Ziel ist einzig und allein die Piraterielogistik, also das für Piraterie am Strand von Somalia bereitgelegte Material. Ein mögliches Vorgehen gegen Piraterielogistik am Strand erfolgt erst nach intensiver Prüfung eines im Operationskonzept sowie im Operationsplan Atalanta festgelegten Kriterienkataloges – den sogenannten Go-/No-go-Kriterien – durch die EU-Operationsführung. Die von Ihnen angesprochenen Punkte werden im Rahmen dieser Prüfung, die darüber hinaus noch weitere Prüfkriterien enthält, vollständig abgedeckt. Anlage 34 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/9351, Fragen 56 und 57): Warum verzichtet die NATO darauf, analog zur Ausdehnung der Atalanta-Mission ihre Anti-Piraterie-Operation auf Land auszuweiten? Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die bisher erfolgreiche Zusammenarbeit und Koordinierung mit anderen in den Gewässern vor Somalia operierenden Nationen auch nach Ausweitung der militärischen Operationszone problemlos fortgesetzt werden kann? Zu Frage 56: Die NATO konzentriert die Pirateriebekämpfung im Rahmen der Operation „Ocean Shield“ angesichts knapper Ressourcen derzeit auf ein rein seeseitiges Vorgehen. Auch die NATO wird in diesem Rahmen robuster gegen Piraten vorgehen, allerdings lediglich auf See. Entsprechende Diskussionen hat es aber auch in der NATO gegeben. Diese sind noch nicht endgültig abgeschlossen. Die NATO ist der EU beispielsweise bei Fragen wie der Ausplanung und der Einrichtung einer Antipiraterieoperation oder der Bemühung um Transferabkommen mit einem gewissen zeitlichen Abstand gefolgt. Tendenziell ist im Bereich der Pirateriebekämpfung eine Vorreiterrolle der Europäischen Union zu beobachten. Eingebettet ist dieses Vorgehen in einen umfassenden Ansatz, welcher neben dem notwendigen militärischen Vorgehen unter anderem auf die Finanzierung von Maßnahmen in den Bereichen Ernährungssicherheit, Bildung und Gesundheit abstellt, aber auch die Finanzströme der Piraterie in das Visier nimmt. Zu Frage 57: Im Seegebiet vor Somalia sind neben der EU-Operation Atalanta auch die NATO mit der „Operation Ocean Shield“ sowie die US-geführten „Combined -Maritime Forces“ aktiv. Gleiches gilt für eine Vielzahl von Einzelstaaten wie China, Russland, Japan, Indien und andere. Die Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen allen diesen Verbänden funktioniert auch über traditionelle Bündnisgrenzen hinweg erfreulich gut, dies auch dank regelmäßiger Treffen militärischer Vertreter in Bahrain im Rahmen des so genannten „Shared Awareness and Deconfliction-Mechanism“, SHADE. Die Bundesregierung betrachtet SHADE als erfolgreichen, pragmatischen Koordinierungsmechanismus. Diese Auffassung wird von den weiteren an SHADE beteiligten Akteuren geteilt. Im Seegebiet selber haben alle Verbände Zugang zu dem IT-System „Mercury“, mit dem taktische Informationen ausgetauscht werden. All diese Verbände verfügen über unterschiedliche Prioritäten, Einsatzgebiete und „Rules of Engagement“, was der Kooperation und der Koordinierung aber keinen Abbruch tut. Die Bundesregierung sieht deswegen keine Anhaltspunkte dafür, dass die bislang hervorragende Zusammenarbeit und Koordinierung durch die Ausweitung des Einsatzgebietes von Atalanta in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Anlage 35 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 58): Inwiefern kommt die Bundesregierung dem Aufruf von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon an die Europäische Union nach, die UN-Beobachtermission in Syrien zu unterstützen? Die einstimmige Verabschiedung der Resolutionen 2042 und 2043 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen am 14. und 21. April 2012 zur Indossierung des Sechs-Punkte-Plans von Kofi Annan und zur Entsendung einer Beobachtermission waren wichtige Schritte. Die ersten Mitglieder des Vorausteams haben vor Ort unter schwierigen Bedingungen ihre Arbeit aufgenommen. Die Bundesregierung hat den Vereinten Nationen in diesem Zusammenhang technisch-logistische Unterstützung angeboten. Zu personeller Unterstützung liegen bislang jedoch keine Anfragen vor. Die Bundesregierung stimmt sich hierzu eng mit ihren EU-Partnern ab. Auch diese haben bereits teilweise Unterstützung in Aussicht gestellt. Anlage 36 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 59): Wer sind Träger und Geldgeber des vom kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew in seiner Rede in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V. im Februar 2012 angekündigten Eurasischen Clubs, und welche bisherigen bzw. anstehenden Tätigkeiten dieses Eurasischen Clubs sind der Bundesregierung bekannt? Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, DGAP, ist das Berthold-Beitz-Zentrum der DGAP Träger des Berliner Eurasischen Clubs. Die Anschubfinanzierung erfolgt durch die kasachische „Stiftung des ersten Präsidenten der Republik Kasach-stan“. Mittel- und langfristig wird angestrebt, auch Geldgeber aus anderen Staaten der eurasischen Region einzubinden. Der Bundesregierung sind keine bisherigen Tätigkeiten des Berliner Eurasischen Clubs bekannt. Die erste Sitzung des Klubs fand am 24. April 2012 in der -Botschaft der Republik Kasachstan in Berlin statt. Laut Einladungsschreiben sind drei Treffen pro Jahr vorgesehen – in Berlin, Brüssel und Astana. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/9351, Frage 60): Welche der Informationsangebote des Bundeswahlleiters werden noch im Jahr 2012 in einfacher Sprache zur Verfügung stehen? Der Bundeswahlleiter beabsichtigt, sein Internetangebot barrierefrei zu gestalten, um den Anforderungen möglichst vieler Besucher gerecht zu werden. Er folgt dabei den Vorgaben der Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung, BITV 2.0, in welcher der Gesetzgeber die Vorgaben der Barrierefreiheit für öffentliche -Einrichtungen, Behörden und Ämter festgelegt hat. Barrierefrei bedeutet, dass ein Internetangebot für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen lesbar und bedienbar ist. Dies gilt sowohl unter technischen Aspekten (Browser, Betriebssystem) als auch bezogen auf die inhaltlichen Gesichtspunkte (Verständlichkeit, Benutzerfreundlichkeit). Das Angebot des Bundeswahlleiters berücksichtigt bisher die Einhaltung aktueller Webstandards, die strikte Trennung von Inhalt und Design, den Verzicht auf grafische Navigationselemente und grafische Überschriften, den Einsatz von relativen Schriftgrößen im ganzen Internetangebot, sodass alle Schriften skalierbar sind, die Auszeichnung von Überschriften, Kopfzeilen und Vorspalten in Tabellen und die Verwendung barrierefreier PDF-Dokumente. Für Fragen oder Anmerkungen zur barrierefreien Nutzung des Internetangebots steht ein Ansprechpartner zur Verfügung. Der Bundeswahlleiter plant darüber hinaus, bei der anstehenden Überarbeitung seines Internetangebots Seiten mit wichtigem Informationsgehalt noch im Jahr 2012 in leichter Sprache zur Verfügung zu stellen. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/9351, Frage 61): Wie viele Menschen mit Behinderung konnten bei der Bundestagswahl 2009 auf Grundlage des § 13 Nrn. 2 und 3 des Bundeswahlgesetzes nicht an der Wahl teilnehmen, und was unternimmt die Bundesregierung mit Blick auf Art. 29 der UN-Behindertenrechtskonvention sowie die diesbezüglichen Stellungnahmen der UN-Vollversammlung vom 20. März 2012 (A/HRC/19/L.9/Rev.1) und des Deutschen Instituts für Menschenrechte e. V. („Gleiches Wahlrecht für alle? – Menschen mit Behinderungen und das Wahlrecht in Deutschland“ vom Oktober 2011), damit bei der kommenden Bundestagswahl alle Menschen mit Behinderung ihr Wahlrecht ausüben können? Die Bundesregierung hat bereits in früheren Antworten auf entsprechende Fragen mitgeteilt, dass zu der Zahl der unter die Wahlrechtsausschlussgründe nach § 13 Nrn. 2 und 3 des Bundeswahlgesetzes, BWahlG, fallenden Personen keine statistischen Daten vorhanden sind (siehe Bundestagsdrucksache 16/6535, Seite 8; Plenarprotokoll 17/77, Seite 8496). Durch die restriktive Fassung der gesetzlichen Regelung ist der Kreis der Betroffenen möglichst klein gehalten. § 13 Nr. 2 BWahlG sieht nur vor, dass solche Personen vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, für die vom Betreuungsgericht ein Betreuer zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten bestellt werden musste, weil sie aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten nicht besorgen können. § 13 Nr. 3 BWahlG ordnet einen Wahlrechtsausschluss nur für solche Personen an, die sich aufgrund einer richterlichen Anordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden, weil sie im Zustand der Schuldunfähigkeit eine rechtswidrige Tat begangen haben und von ihnen infolge ihres Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sind. Die Bundesregierung hat sich im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen dazu entschlossen, in einer Studie die tatsächliche Situation behinderter Menschen bei der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts zu -untersuchen und Handlungsempfehlungen für die verbesserte Partizipation von Menschen mit Behinderungen zu entwickeln. Bei der im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl anstehenden Überarbeitung der Bundeswahlordnung wird das Bundesministerium des Innern die Belange von Menschen mit Behinderungen berücksichtigen. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 17/9351, Frage 62): Inwieweit trifft nach Kenntnis der Bundesregierung die vom Landesamt für Verfassungsschutz Brandenburg festgestellte Entwicklung im Neonazi-Bereich, derzufolge sich Rechtsextremisten verstärkt als sogenannte Freie Kräfte organisieren und an Einfluss in der Szene gewinnen, wohingegen die NPD an Einfluss verliere, auch auf andere Bundesländer zu, und welche konkreten Zahlen kann sie hierzu angeben? Innerhalb der neonazistischen Szene ist bundesweit seit einigen Jahren ein Trend zur Abkehr von festen -organisatorischen Strukturen feststellbar. Parallel dazu nimmt die Größe der Zusammenschlüsse im neonazistischen Spektrum erkennbar ab. Die Mehrzahl der Gruppierungen haben zumeist kaum mehr als 15 Mitglieder. Diese zahlenmäßig geringe Gruppengröße sowie der zunehmende Einsatz moderner Kommunikationsmedien erfordern nur mehr schwach ausgeprägte, zum Teil nur mehr informelle Organisationsstrukturen. Diese bieten zugleich den „Vorteil“ reduzierter Ansatzpunkte für Maßnahmen der Sicherheitsbehörden und erschweren damit die Bekämpfung des Rechtsextremismus. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 63): Wie viele Twitter-Accounts wurden im Rahmen der Buchvorstellung von der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder, überprüft, und zu welchen Mitteln haben die Sicherheitsbehörden dafür gegriffen (vergleiche das Zitat von Dr. Kristina Schröder auf www.tagesschau. de/multimedia/audio/audio87130.html etwa ab Minute 0:50)? Weder im Rahmen noch in Vorbereitung der Buch-vorstellung von Frau Bundesministerin Dr. Kristina Schröder wurden durch Sicherheitsbehörden des Bundes Twitter-Accounts überprüft. Während der Veranstaltung wurde durch Einsatzkräfte des Bundeskriminalamts der Personenschutz von Frau Bundesministerin Dr. Kristina Schröder im üblichen Umfang gewährleistet. Die Veranstaltung wurde zusätzlich durch Einsatzkräfte der Berliner Polizei gesichert. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 64): Wie viele externe Mitarbeiter werden in den Bundesministerien beschäftigt (Hauptarbeitgeber bzw. Organisation und jeweiliges Bundesministerium einzeln aufzählen), die nicht im „Bericht über den Einsatz externer Personen in der Bundesverwaltung“ erwähnt werden, und warum? Die Fragestellung steht im zeitlichen Zusammenhang mit dem Achten Bericht über den Einsatz externer Personen in der Bundesverwaltung. Dieser Bericht wurde vom BMI erstellt und zum 31. März 2012 dem Innen- und Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages übermittelt. Der Bericht erfasst den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011. Es wird daher davon ausgegangen, dass sich die Frage auch auf diesen Zeitraum bezieht. Der Bericht beruht auf der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Einsatz von außerhalb des öffentlichen Dienstes Beschäftigten, externen Personen, in der Bundesverwaltung, nachfolgend VV-externe Personen, vom 17. Juli 2008. Die VV-externe Personen definiert in Ziffer 1.2 externe Personen als Personen, die außerhalb des öffentlichen Dienstes stehen und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Arbeitsverhältnisses vorübergehend in der Bundesverwaltung tätig sind. Öffentlicher Dienst im Sinne dieser Vorschrift ist die Tätigkeit im Dienste des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder anderer Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder ihrer Verbände. Der Tätigkeit im öffentlichen Dienst steht eine Tätigkeit in einer juristischen Person, Gesellschaft oder anderen Personenvereinigung gleich, die sich ausschließlich in öffentlicher Hand befinden. Ausgehend von dieser Definition wurden im Berichtszeitraum keine externen Personen in Bundesministerien beschäftigt, die nicht im Achten Bericht über den Einsatz externer Personen in der Bundesverwaltung erwähnt werden. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Drucksache 17/9351, Frage 65): Kann die Bundesregierung Presseberichte (zum Beispie taz vom 19. April 2012) bestätigen, wonach für den Einsatz sogenannter externer Mitarbeiter (also in der Regel Lobbyisten, die in Bundesministerien beschäftigt sind und zum Teil auch an der Erarbeitung von Gesetzentwürfen beteiligt sind, aber nicht vom Bundesministerium bezahlt werden, sondern weiterhin auf der Gehaltsliste ihres Unternehmens oder Verbandes stehen) gesonderte Regeln gelten und diese deshalb nicht in dem Bericht des Bundesministeriums des Innern aufgelistet werden, wenn diese Mitarbeiter von Körperschaften des öffentlichen Rechts entsandt werden, und gelten diese Sonderregeln neben Krankenkassen beispielsweise auch für die Kassenärztliche Bundesvereinigung? Externe Personen sind keine Lobbyisten (auch nicht in der Regel), sondern gemäß Ziffer 1.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Einsatz von außerhalb des öffentlichen Dienstes Beschäftigten in der Bundesverwaltung (nachfolgend VV-externe Personen) vom 17. Juli 2008 Personen, die außerhalb des öffentlichen Dienstes stehen und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Arbeitsverhältnisses vorübergehend in der Bundesverwaltung tätig sind. Zum öffentlichen Dienst im Sinne dieser Vorschrift zählt die Tätigkeit im Dienste des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder anderer Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder ihrer Verbände. Der Tätigkeit im öffentlichen Dienst steht eine Tätigkeit in einer juristischen Person, Gesellschaft oder anderen Personenvereinigung gleich, die sich ausschließlich in öffentlicher Hand befinden. Die AOK, der GKV-Spitzenverband aber auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung sind öffentlich-rechtliche Köperschafte (§ 29 Abs. 1 SGB IV, § 217 a Abs. 2 SGB V bzw. § 77 Abs. 5 SGB V.). Für diese Mitarbeiter gelten keine Sonderregelungen, stattdessen fallen sie per definitionem nicht unter den Anwendungsbereich der VV-externe Personen. Deren Mitarbeiter sind nicht in die Berichte über externe Personen aufzunehmen. Für Personen, die nicht unter den Anwendungsbereich der VV-externer Personen fallen, gelten auch nicht deren Tätigkeitsbeschränkungen nach Ziffer 2.5, etwa dem Verbot der Mitwirkung an Gesetzentwürfen oder die Betrauung mit leitenden Funktionen. Die Mitarbeit von Personen dieser öffentlich-rechtlichen Körperschaften an Gesetz- und Verordnungsentwürfen ist vom Gesetz zudem ausdrücklich gewünscht (§ 30 Abs. 3 Satz 1 SGB IV, bzw. § 77 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) (Drucksache 17/9351, Fragen 66 und 67): Welche Maßnahmen hat das Bundesministerium der Justiz eingeleitet, um den bereits im November 2010 erlassenen -Europäischen Haftbefehl gegen den in Ingolstadt wohnhaften und in den Niederlanden rechtskräftig verurteilten NS-Kriegsverbrecher Klaas Carel Faber durchzusetzen, und welche Mechanismen existieren, um die zuständigen bayerischen Landesstellen gegebenenfalls zum Vollzug zu drängen? Warum sind seit Ausstellung des Europäischen Haftbefehls bereits mehr als 15 Monate ergebnislos verstrichen, und wann ist mit einer Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls zu rechnen? Zu Frage 66: Der Auslieferungsverkehr auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls findet auf dem direkten Geschäftsweg zwischen den Justizbehörden der betroffenen Mitgliedstaaten Niederlande und Deutschland statt. Die Bundesregierung hat grundsätzlich keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Durchsetzung bzw. den Vollzug eines Europäischen Haftbefehls. Die niederländischen Behörden haben mit dem Europäischen Haftbefehl um Auslieferung des Klaas Carel Faber zur Strafvollstreckung ersucht. Dem war eine Anregung des Bundesministeriums der Justiz an das niederländische Justizministerium vorausgegangen, die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls zu prüfen. Die Auslieferung von Herrn Faber auf der Grundlage des niederländischen Europäischen Haftbefehls wurde jedoch vom Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 16. Mai 2011 mit der Begründung abgelehnt, Herr Faber sei deutscher Staatsangehöriger und mit seiner Auslieferung zur Strafvollstreckung nicht einverstanden. Deutsche Staatsangehörige können nach § 80 Abs. 3 IRG grundsätzlich nur mit ihrer Zustimmung zur Strafvollstreckung ausgeliefert werden. Es besteht keine Einflussnahmemöglichkeit der Bundesregierung auf die bayerische Landesjustiz, die für den Vollzug des niederländischen Europäischen Haftbefehls zuständig ist. Die Landesjustizverwaltung ist gegenüber der Bundesregierung nicht weisungsgebunden. Im Übrigen ist die Frage der Zulässigkeit der Auslieferung eine solche, die ein unabhängiges deutsches Gericht zu prüfen hat. Eine Einflussnahme der Bundesregierung auf ein Gericht verbietet sich. Zu Frage 67: Auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls erging im gerichtlichen Verfahren am 16. Mai 2011 eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München, dass die Auslieferung zur Strafvollstreckung unzulässig ist. Eine Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls ist daher nicht mehr möglich. Das Auslieferungsverfahren ist im Hinblick auf den Europäischen Haftbefehl abgeschlossen. Die Niederlande haben im Anschluss an die abgelehnte Auslieferung um Übernahme der Strafvollstreckung ersucht. Zuständig für die Entscheidung über die Übernahme der Strafvollstreckung ist das Landgericht Ingolstadt. Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt hat am 2. Januar 2012 bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ingolstadt beantragt, die Vollstreckung aus dem niederländischen Urteil für zulässig zu erklären und entsprechend dem niederländischen Urteil eine lebenslange Freiheitsstrafe festzusetzen. Eine Entscheidung des Landgerichts Ingolstadt steht noch aus. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Ulrich Kelber (SPD) (Drucksache 17/9351, Fragen 68 und 69): Welche konkreten gesetzlichen Regelungen plant die Bundesregierung, um Internetnutzerinnen und -nutzer mit eigenen gesicherten WLAN-Netzen vor überhöhten Abmahnungen bei vermeintlichen Urheberrechtsverletzungen – Filesharing-Abmahnungen – zu schützen, und wann wird der entsprechende Gesetzentwurf vorgelegt? Welche konkreten gesetzlichen Regelungen plant die Bundesregierung, um die Anbieter von offenen WLAN-Netzen in Gaststätten und Hotels vor massenhaften Abmahnungen wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen durch Kunden zu schützen, und welche Sicherheitsvorkehrungen vor unerlaubten Downloads durch die Kunden müssen diese Anbieter aus Sicht der Bundesregierung treffen? Zu Frage 68: Die Frage berührt zwei Themenfelder. Zum einen die der Verantwortlichkeit und Risikoverteilung, wenn es zu Missbrauch gesicherter WLAN-Netze durch Dritte kommt. Zum anderen geht es um Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen. Das erste Thema kann nach Auffassung der Bundesregierung weiterhin der Rechtsprechung überlassen bleiben, die sich bereits damit befasst hat. Was die Abmahnungen betrifft, ist zunächst festzuhalten, dass es sich hierbei um ein außergerichtliches Instrument der Rechtsdurchsetzung handelt, das sich grundsätzlich bewährt hat. Abmahnungen helfen, zu vermeiden, dass in jedem Verdachtsfall ein für alle Beteiligten potenziell kostenträchtiges Gerichtsverfahren in Gang gesetzt wird. Leider wird dieses Instrument teilweise missbraucht. Das Bundesministerium der Justiz hat im März den Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken vorgelegt, der auch Regelungen zur Bekämpfung von missbräuchlichen Abmahnungen im Urheberrecht enthält. Der Entwurf wird derzeit zwischen den Ressorts abgestimmt. Ein konkreter weiterer Zeitplan steht derzeit nicht fest. Zu Frage 69: Die Bundesregierung plant derzeit keine Regelungen hinsichtlich Abmahnungen gegen die Anbieter von offenen WLAN-Netzen in Hotels oder Gaststätten. Die Frage, welche Sicherheitsvorkehrungen solche Anbieter gegen unerlaubte Downloads treffen müssen, sollte aus Sicht der Bundesregierung wie bisher der Rechtsprechung überlassen bleiben. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) (Drucksache 17/9351, Frage 70): Welche Unterschiede bestehen zwischen dem Steuerabkommen Österreich-Schweiz und dem Steuerabkommen Deutschland-Schweiz? Die beiden genannten Abkommen sind weitgehend identisch. Zur Sicherung des Abkommenszwecks enthält Art. 32 des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens eine Kontrollmöglichkeit für die zuständige deutsche Behörde, sodass künftig unversteuerte Vermögensanlagen in der Schweiz entdeckt werden können. Diese Kontrollmöglichkeit schafft ein unkalkulierbares Entdeckungs-risiko. Eine solche Regelung ist im österreichisch-schweizerischen Steuerabkommen nicht enthalten. Eine weitere wesentliche Unterscheidung in den beiden Abkommen liegt in der Höhe des Steuersatzes für die sogenannte Nachversteuerung. Unversteuerte Vermögenswerte deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz werden auf der Grundlage des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens mit einem Steuersatz in Höhe von 21 bis 41 Prozent auf das Kapital nachversteuert. Der Steuersatz im österreichisch-schweizerischen Steuerabkommen beträgt für die Nachversteuerung hingegen 15 bis 38 Prozent. Zwischen dem Steuerabkommen Österreich-Schweiz und dem Steuerabkommen Deutschland-Schweiz bestehen zudem Unterschiede, die den unterschiedlichen Steuerregimen und verfahrensrechtlichen Vorschriften in dem jeweiligen Staat geschuldet sind. Dies betrifft die Höhe des Steuersatzes auf künftige Erträge, wonach Art. 17 Abs. 2 des österreichisch-schweizerischen Steuerabkommens lediglich 25 Prozent vorsieht. Das deutsch-schweizerische Steuerabkommen bildet hingegen die deutsche Rechtslage ab, sodass noch der Solidaritätszuschlag und auf Antrag der betroffenen Person die Kirchensteuer erhoben werden – vergleiche Art. 18 Abs. 3 und 6 des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens. Das österreichisch-schweizerische Steuerabkommen verzichtet auf die Einbeziehung der Erbschaftsteuer sowie auf eine Vorauszahlung durch schweizerische Zahlstellen, die für Deutschland entscheidende Punkte in den Verhandlungen mit der Schweiz waren. Das deutsch-schweizerische Steuerabkommen enthält als Anhang II eine sogenannte Konkordanztabelle. Eine solche Konkordanztabelle ist im österreichisch-schweizerischen Steuerabkommen nicht enthalten. Vielmehr wurde in die Schlussakte eine gemeinsame Erklärung der Vertragsstaaten zur Umsetzung von Teil 3 des Abkommens aufgenommen. Danach erklären die Vertragsstaaten, dass sie nach der Unterzeichnung eine Konkordanztabelle zur praktischen Anwendung des Abkommens vereinbaren werden. Abschließend ist auch darauf hinzuweisen, dass die deutschen und die österreichischen Verfahrensvorschriften anders ausgestaltet sind, sodass es diesbezüglich unterschiedliche Formulierungen in den jeweiligen Abkommen gibt. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/9351, Frage 71): Können nach dem am 21. September 2011 unterzeichnete Steuerabkommen mit der Schweiz – inklusive Ergänzungsprotokoll – weiterhin Daten über Kapitalanlagen deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz durch die deutsche Finanzverwaltung aus der Schweiz angekauft werden, und welche Haltung vertritt die Bundesregierung hierzu im Fall eines Inkrafttretens des besagten Steuerabkommens mit der Schweiz? Die Bundesregierung hat anlässlich der Unterzeichnung des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens erklärt, dass sich die deutschen Finanzbehörden nicht aktiv um den Erwerb von bei Banken in der Schweiz entwendeten Kundendaten bemühen werden. Mit Inkrafttreten des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens können die betroffenen Personen, deren Daten auf den erworbenen CDs gespeichert waren, sich auf Art. 17 Abs. 1 des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens berufen. Steuerstraftaten oder Steuerordnungswidrigkeiten, die vor Unterzeichnung des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens von Beteiligten begangen worden sind, werden grundsätzlich nicht verfolgt. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der zuständigen deutschen Behörde zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens zureichende tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne des § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung für eine Beteiligung an der Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit vorgelegen haben und die Beteiligten dies wussten oder bei verständiger Würdigung der Sachlage klar damit rechnen mussten. Daher stellt sich nach Ansicht der Bundesregierung nicht mehr die Frage eines Erwerbs von steuererheblichen Daten über Kapitalanlagen in der Schweiz. Das deutsch-schweizerische Steuerabkommen stellt sicher, dass nach seinem Inkrafttreten zunächst keine unversteuerten Vermögenswerte in der Schweiz sind. Kapitalerträge werden in der Zukunft wie in Deutschland versteuert. Sollten unversteuerte Vermögensanlagen nach Inkrafttreten in der Schweiz angelegt werden, so sichert die Kontrollmöglichkeit nach Art. 32 des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens, dass auch diese unversteuerten Vermögensanlagen entdeckt werden können. Diese Kontrollmöglichkeit schafft ein unkalkulierbares Entdeckungsrisiko, das dem Entdeckungsrisiko von Datenerwerben gleichkommt. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/9351, Frage 72): Ist der Bundesregierung bekannt, dass es zu einem vermehrten Einsatz von erbschaftsteuerlichen Gestaltungsmodellen kommt, bei denen die erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln genutzt werden, indem liquide Mittel aus dem Privatvermögen in eine neu gegründete Unternehmung transferiert werden und durch Ausnutzung von unternehmerischen Verschachtelungen insgesamt dieses originäre Privatvermögen infolge der Anwendung von § 13 a des Erbschaftsteuergesetzes, ErbStG, nicht mehr der Erbschaftsteuer unterliegt, und sieht die Bundesregierung in diesen in der Praxis vermehrt aufkommenden Fällen eine nicht vom Gesetzgeber gewollte Steuervermeidungsstrategie, die dringend unterbunden werden muss? Die Bundesregierung verfügt über keine Erkenntnisse darüber, dass die geschilderten Gestaltungsmodelle tatsächlich vermehrt für eine Ausnutzung der Verschonungsregelungen der §§ 13 a und b Erbschaftsteuergesetz, ErbStG, gewählt werden. Die Erhebung der Erbschaft- und Schenkungsteuer obliegt den Finanzverwaltungen der Länder, denen auch das Aufkommen der Steuer zufließt. Die Bundesregierung plant derzeit keine Änderungen der Verschonungsregelungen. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Druck-sache 17/9351, Frage 73): Welche Position vertritt die Bundesregierung bei der Zubemessung der sogenannten Unternehmereigenschaft (nach § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes) an Forschungsorganisationen im Hinblick auf divergierende öffentliche Äußerungen von Vertretern des Bundesministeriums der Finanzen, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung („Fiskus bedroht Deutschlands Spitzenforschung“, Financial Times Deutschland vom 19. April 2012), und bis wann beabsichtigt die Bundesregierung, gegebenenfalls eine Initiative um die Begünstigung der Wissenschaftsorganisationen auch weiterhin verlässlich zu gewährleisten? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass sich die Unternehmereigenschaft von Forschungseinrichtungen nach den allgemeinen Regelungen des § 2 des Umsatzsteuergesetzes richtet. Diese nationalen Regelungen sind an das Unionsrecht und insbesondere die Mehrwertsteuersystem-Richtlinie gebunden. Forschungseinrichtungen pauschal, das heißt ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall, als Unternehmer zu behandeln, stünde im Widerspruch zu diesen unionsrechtlichen Vorgaben. Forschungseinrichtungen sind insoweit Unternehmer, als ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, nachhaltig entgeltliche Lieferungen oder sonstige Leistungen zu bewirken. Der unternehmerische Bereich umfasst dabei die gesamte zur Ausführung der entgeltlichen Leistungen entfaltete Tätigkeit einschließlich aller unmittelbar hierfür dienenden Vorbereitungen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/9351, Frage 74): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass nach Presseberichten (vergleiche Financial Times Deutschland vom 19. April 2012, „Fiskus bedroht Deutschlands Spitzenforschung“) diverse Grundlagenforschungseinrichtungen mit einer Rückzahlung erstatteter Umsatzsteuer im dreistelligen Millionenbereich konfrontiert sind, und sieht die Bundesregierung in diesen Fällen Handlungsbedarf, damit Einrichtungen der Grundlagenforschung per se als umsatzsteuerliche Unternehmen mit Berechtigung zum Vorsteuerabzug gewertet werden können? Die Bundesregierung trifft grundsätzlich keine Aussagen zu den steuerlichen Verhältnissen einzelner Steuerpflichtiger. Die Unternehmereigenschaft von Forschungseinrichtungen richtet sich nach den allgemeinen Regelungen des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes. Diese nationalen Regelungen sind an das Unionsrecht und insbesondere die Mehrwertsteuersystem-Richtlinie gebunden. Forschungseinrichtungen pauschal, das heißt ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall, als Unternehmer zu behandeln, stünde im Widerspruch zu diesen unionsrechtlichen Vorgaben. Forschungseinrichtungen sind insoweit Unternehmer, als ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, nachhaltig entgeltliche Lieferungen oder sonstige Leistungen zu bewirken. Der unternehmerische Bereich umfasst dabei die gesamte zur Ausführung der entgeltlichen Leistungen entfaltete Tätigkeit einschließlich aller unmittelbar hierfür dienenden Vorbereitungen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/9351, Frage 75): Plant die Bundesregierung nach der Kritik des Bundesrechnungshofes (in: Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2011 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes – Weitere Prüfungsergebnisse, Bundestagsdrucksache 17/9250), wonach in Deutschland ansässige Seeleute auf Schiffen unter liberianischer Flagge infolge des geltenden Doppelbesteuerungsabkommens, DBA, nicht besteuert werden, diese Steuerausfälle durch Neuverhandlung des DBA zu beseitigen, und mit welchen Staaten bestehen DBA, durch die es zu vergleichbaren Steuerausfällen kommen kann? Für Vergütungen des Bordpersonals von Seeschiffen im internationalen Verkehr enthalten die meisten deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, DBA, eine dem Art. 15 Abs. 3 des OECD-Musterabkommens entsprechende Sonderregelung. Nach dieser steht dem Staat das Besteuerungsrecht zu, in dem sich die Geschäftsleitung des Schifffahrtunternehmens befindet. Abweichend hiervon regelt das deutsch-liberianische DBA vom 25. November 1970 die Zuweisung des Besteuerungsrechts für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von Seeleuten nicht gesondert. Diese Einkünfte können daher grundsätzlich in der Republik Liberia besteuert werden, wenn die Tätigkeiten auf hoher See oder im Hoheitsgebiet von Liberia an mehr als 183 Tagen innerhalb von 12 Monaten ausgeführt werden. Liberia besteuert jedoch Arbeitslöhne von Seeleuten nicht. Dadurch werden die Arbeitslöhne in keinem der Vertragsstaaten besteuert. Um insoweit eine Änderung herbeizuführen, ist beabsichtigt, eine Einigung mit Liberia zu einer Teilrevision des DBA anzustreben. Eine vergleichbare Situation besteht nach hiesigen Erkenntnissen im Verhältnis zu anderen Staaten nicht. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fragen des Abgeordneten Siegmund Ehrmann (SPD) (Drucksache 17/9351, Fragen 76 und 77): Wie wird die Bundesregierung bis zum 28. April 2012 die Aufforderung der Europäischen Kommission, die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Lieferungen von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken in Deutschland entsprechend den Vorgaben der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie einzuschränken, Stellung nehmen, um das bereits eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren zu beenden, und inwieweit werden dabei die von allen Fraktionen im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages formulierten Forderungen an die Bundesregierung (siehe Pressemitteilung vom 7. März 2012, verfügbar unter: www. bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2012/PM_1203071.html) berücksichtigt werden? Weche konkreten Kompensationsleistungen – bezugnehmend auf eine Pressemeldung der dpa vom 17. April 2012 – schlägt die Bundesregierung vor, um die von ihr offensichtlich als unabwendbar erachtete Anhebung des Umsatzsteuersatzes für den Kunsthandel in Deutschland auszugleichen, und inwieweit sind diese Vorschläge mit den davon Betroffenen, unter anderem den Vertretern des Kunsthandels und den bildenden Künstlerinnen uns Künstlern sowie den Ländern, abgestimmt, damit sich die wirtschaftliche Situation der Künstlerinnen und Künstler wie auch vieler kleiner Kunsthandlungen und Galerien nicht, wie von diesen befürchtet, verschlechtert? Zu Frage 76: Es wird der Europäischen Kommission voraussichtlich mitgeteilt werden, dass ein Entwurf zur Beseitigung der Unionsrechtswidrigkeit gegenwärtig noch innerhalb der Bundesregierung abgestimmt wird und voraussichtlich im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013 umgesetzt wird. Das Bundesfinanzministerium wird einen Gesetzesvorschlag erarbeiten, in dem der ermäßigte Steuersatz auf Kunstgegenstände unter Ausschöpfung der unionsrechtlichen Möglichkeiten beibehalten wird. Zu den von allen Fraktionen im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages formulierten Forderungen an die Bundesregierung möchte ich Ihnen mitteilen: Die Begründung der Europäischen Kommission wurde eingehend geprüft. Die von der Europäischen Kommission getroffene Feststellung ist zutreffend, dass die deutschen Regelungen hinsichtlich des ermäßigten Steuersatzes für den Verkauf, den innergemeinschaft--lichen Erwerb und die Vermietung von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken gegenüber der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, MwStSystRL, zu weit gefasst sind. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass andere Mitgliedstaaten mit einem ähnlichen Vertragsverletzungsverfahren zu rechnen haben. Die für alle Mitgliedstaaten verbindliche Mehrwertsteuersystemrichtlinie sieht vor, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz neben der Einfuhr nur für Verkäufe von Kunstgegenständen durch ihren Urheber selbst (und ihre Rechtsnachfolger) sowie auf Gelegenheitsverkäufe Anwendung finden darf. Diese Möglichkeiten des -Unionsrechts sollen im Rahmen des zu erarbeitenden Gesetzesvorschlags ausgeschöpft werden. Zu Frage 77: Die Bundesregierung prüft derzeit, mit welchen Maßnahmen die sich aus der notwendigen Steueränderung ergebenden Mehrbelastungen für den Kunstsektor ausgeglichen werden können. Zum einen soll der ermäßigte Steuersatz auf Kunstgegenstände unter Ausschöpfung der unionsrechtlichen Möglichkeiten beibehalten werden. Der Kunstbranche steht zudem die Anwendung der Differenzbesteuerung offen. Daneben werden die folgenden Maßnahmen diskutiert: Senkung des Abgabesatzes für die Künstlersozialkasse unter Anhebung des Bundeszuschusses, Anhebung von Ankaufstiteln, Erhöhung des Etats der Initiative Kultur und Kreativwirtschaft. Die Bundesregierung hat sich noch nicht entschieden, sie steht dabei in engem Kontakt mit der Kunstbranche und den Ländern. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9351, Frage 78): Was ist der Grund dafür, dass das von der Hypo Real -Estate Holding auf die FMS Wertmanagement AöR im Oktober 2010 übertragene Griechenland-Portfolio zu Werten über Nominalvolumen übertragen wurde (vergleiche Vermerk des Bundesministeriums der Finanzen „Auswirkungen des griechischen Schuldenschnitts auf die Abwicklungsanstalten“ vom 12. April 2012), und wie hoch war der Marktwert dieses Portfolios zum Übertragungszeitpunkt? Die FMS-WM hatte die Vermögensgegenstände, Rückstellungen, Verbindlichkeiten, Rechnungsabgrenzungsposten sowie schwebende Verträge mit Wirkung zum 1. Oktober 2010 erworben. Die Buchwerte der abgebenden HRE-Gruppe bildeten die Anschaffungskosten der FMS-WM. Grundsätzlich betrug der Übertragungswert 100 Prozent des Nominalwerts. Die Wertpapiere – so auch das Griechenlandportfolio – wurden von der HRE-Gruppe in der Regel aber als ein „Asset Swap Paket“, bestehend aus einem Wertpapier und einem zugehörigen Zinssicherungsderivat, übernommen. Die Übertragungssystematik bei den „Asset Swap Paketen“ führte dazu, dass die Anleihen (als Teil des Paketes) über pari übernommen wurden. Diesen Teilbeträgen über den Nominalwerten standen grundsätzlich in gleicher Höhe negative Marktwerte der dabei übernommenen Derivate gegenüber. Beides beruhte auf einem Rückgang des Zinsniveaus nach Erwerb der Anleihen durch die HRE, aber vor der Übertragung. Der Übertragungswert des jeweiligen „Asset Swap Pakets“ betrug damit per Saldo grundsätzlich 100 Prozent bezogen auf das jeweilige Nominal. Die Marktwerte der Wertpapiere des übernommenen Griechenland-Portfolios betrugen zum 1. Oktober 2010 angabegemäß rund 4,0 Milliarden Euro, die verbundenen Stillen Lasten lagen bei 4,5 Milliarden Euro. Die Stillen Lasten wurden damals im Buchwert nicht berücksichtigt, weil man davon ausging, dass es keine Ausfälle auf europäische Staatsanleihen geben würde. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 17/9351, Frage 79): Wie genau, insbesondere mit Bezug auf welche Quelle bzw. statistische Größe zum durchschnittlichen Bruttojahresgehalt, hat die Bundesregierung errechnet, dass die künftig nach § 41 a der Beschäftigungsverordnung zu erfüllende Mindestgehaltsgrenze den Vorgaben der sogenannten Bluecard-Richtlinie der EU entspricht (vergleiche Gesetzentwurf auf Bundestagsdrucksache 17/8682, dessen Begründung zu Nr. 8, Abs. 1 und 2 keine klaren Darlegungen enthält), und warum wurde an einem Prozentsatz der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung statt an das durchschnittliche Bruttojahresgehalt angeknüpft, obwohl hierdurch in der Zukunft regelmäßige Gesetzesänderungen erforderlich sein könnten, wenn die Entwicklung der Beitragsbemessungsgrenze hinter der Gehaltsentwicklung zurückbleibt? Die Gehaltsgrenzen im neuen § 41 a der Beschäftigungsverordnung orientieren sich an den durchschnittlichen Bruttolöhnen und -gehältern in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung wurde als Anknüpfungsmaßstab gewählt, weil sie bereits in § 19 Aufenthaltsgesetz bei der Berechnung der dort vorgesehenen Gehaltsgrenze als Referenzgröße herangezogen wird und dadurch gewährleistet wurde, dass innerhalb desselben Gesetzes keine unterschiedlichen Maßstäbe genutzt werden. Ein weiterer Vorteil der Bezugnahme besteht darin, dass die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung jährlich zum Ende des Vorjahres durch Rechtsverordnung der Bundesregierung bestimmt und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird und damit die Vorgabe der Richtlinie erfüllt wird, die Gehaltsschwelle jährlich öffentlich bekannt zu machen. Die gewählten prozentualen Anteile der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung entsprechen dem entsprechenden Wert des 1,5-Fachen bzw. 1,2-Fachen der durchschnittlichen Bruttolöhne und -gehälter nach den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Damit werden die Vorgaben der EU-Richtlinie erfüllt. Für die Entwicklung in den Folgejahren gilt, dass die jährliche Anpassung der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung berücksichtigt, wie sich die durchschnittlichen Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer im Vorjahr im Verhältnis zum Vorvorjahr entwickelt haben (§§ 159 und 160 Nr. 2 in Verbindung mit § 68 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VI). Durch diesen Anpassungsmechanismus ist gewährleistet, dass sich auch die Gehaltsgrenzen der Blauen Karte in den Folgejahren entsprechend der Entwicklung der durchschnittlichen Bruttolöhne und gehälter in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen anpassen. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/9351, Fragen 80 und 81): Was sind die zehn Berufsgruppen mit den meisten Erwerbstätigen mit aufstockenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, SGB II – wenn möglich, nach Anzahl und Anteil aufführen –, und inwiefern werden diese Berufsgruppen von Mindestlohnregelungen erfasst (bitte im entsprechenden Fall die Mindestlohnregelung nennen)? Wie hoch sind in den oben genannten Berufsgruppen jeweils die monatlichen Ausgaben für die aufstockenden Leistungen – wenn möglich, bitte insgesamt sowie je Erwerbstätigen –, und wie hoch ist in diesen Berufsgruppen jeweils der Anteil der Beschäftigten, die zu Niedriglöhnen arbeiten? Zu Frage 80: Die Antwort nimmt Bezug auf erwerbstätige Arbeitslosengeld-II-Bezieher, also erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende und gleichzeitig Bruttoeinkommen aus abhängiger oder selbstständiger Erwerbstätigkeit beziehen. Auswertungen zu Berufsgruppen sind nicht für alle, sondern nur für sozialversicherungspflichtig und geringfügig beschäftigte Arbeitslosengeld-II-Bezieher möglich. Im Juni 2011 waren die meisten sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitslosengeld-II-Bezieher in folgenden Berufsgruppen tätig: Reinigungsberufe, Warenkaufleute, Hilfsarbeiter ohne nähere Tätigkeitsangabe, Bürofach- und -hilfskräfte, Speisenbereiter, Landverkehrsberufe, Lagerverwalter, Lager- und Transportarbeiter, übrige Gesundheitsdienstberufe, Gästebetreuer sowie sozialpflegerische Berufe. Absolute Zahlen und Anteile – auch differenziert nach sozialversicherungspflichtig und ausschließlich geringfügig Beschäftigte – stelle ich Ihnen in einer tabellarischen Übersicht zur Verfügung. Hinweisen will ich darauf, dass erwerbstätige Arbeitslosengeld-II-Bezieher sowohl Personen sein können, für die ein Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung oder gegebenenfalls aus einer anderen Teilzeiterwerbs-tätigkeit eher eine Ergänzung der Leistungen der Grundsicherung ist, als auch Personen, deren Einkommen aus Vollzeitbeschäftigung nicht ausreicht um den Lebensunterhalt zu sichern, sodass es durch die Grundsicherung aufgestockt werden muss. Ursache für ergänzende Grundsicherungsleistungen bei Vollzeitbeschäftigung ist jedoch nicht zwangsläufig ein niedriger Lohn, sondern auch der Haushaltskontext, also der Grundsicherungsbedarf der gesamten Bedarfsgemeinschaft, kann ursächlich sein. Zur Frage, inwiefern diese Berufsgruppen von Mindestlohnregelungen erfasst werden, kann keine Aussage gemacht werden. Bei Mindestlöhnen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz, AentG, handelt es sich um Branchenmindestlöhne. Sie sind nicht an spezifische Berufe geknüpft. Zu Frage 81: Zur Bestimmung der Geldleistungen für erwerbstätige Arbeitslosengeld-II-Bezieher für die unterschiedlichen Beschäftigungsformen (insbesondere für sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigte) nach Berufsgruppen sind komplexe und aufwendige statistische Auswertungen der Bundesagentur für Arbeit, BA, notwendig, die aufgrund der Kürze der zur Beantwortung verfügbaren Zeit nicht durchgeführt werden konnten. Grundlage für die Beantwortung der zweiten Teilfrage ist die Entgeltstatistik der BA. Auswertungen liegen derzeit bis 2010 vor. Um den unteren Lohnbereich abzugrenzen, muss zunächst definiert werden, wer als geringverdienend zählt. In Anlehnung an die Definition der OECD gilt hier als geringverdienend, wer als sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigter (ohne Auszubildende) weniger als zwei Drittel des Medianentgelts aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten (ohne Auszubildende) erzielt. Die Einschränkung auf Vollzeitbeschäftigte erfolgt deshalb, weil in der Beschäftigungsstatistik nur Angaben zu Bruttomonatsentgelten und keine Angaben zu Stundenlöhnen vorliegen und die Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigten oder Auszubildenden zu Verzerrungen führen würde. Für Deutschland berechnet sich so für 2010 eine Schwelle im unteren Lohnbereich von 1 802 Euro im Monat. Bezogen auf die in Beantwortung von Frage 80 genannten zehn Berufsgruppen ist der Anteil der Beschäftigten im unteren Lohnbereich an allen Beschäftigten bei Gästebetreuern (68,1 Prozent) und bei Hilfsarbeitern (64,3 Prozent) besonders hoch. Auch hier stelle ich Ihnen die vollständige Auswertung der Statistik der Bundesagentur für Arbeit in Form einer tabellarischen Übersicht zur Verfügung. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/9351, Fragen 82 und 83): Wie ist der Zeitplan der Bundesregierung für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, und bis wann soll es -einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland geben? Welche Konzepte werden derzeit innerhalb des Bundes-ministeriums für Arbeit und Soziales bezüglich der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns diskutiert (Festsetzungsmechanismen, Reichweite, Ausnahmemöglichkeiten, Verbindlichkeit), und wie bewertet die Bundesregierung die Dringlichkeit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns? Zu Frage 82: Grundlage des Handelns der Bundesregierung sind die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages. Zu Frage 83: Die CDU hat auf ihrem Bundesparteitag am 14. November 2011 beschlossen „eine allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze in den Bereichen einzuführen, in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert.“ Über die Möglichkeiten einer Umsetzung dieses Beschlusses wird derzeit innerhalb der Fraktion der CDU/CSU beraten. Es ist nicht Aufgabe des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales oder der Bundesregierung, innerhalb von Fraktionen des Deutschen Bundestags stattfindende Diskussionen zu kommentieren. 20584 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 174. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 25. April 2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 174. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 25. April 2012 20585 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 20606 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 174. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 25. April 2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 174. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 25. April 2012 20605