Plenarprotokoll 17/183 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 183. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Vereinbarung über die Errichtung, Finanzierung und Verwaltung des Fonds "Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990"; sonstige Fragen Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Katharina Landgraf (CDU/CSU) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Rolf Schwanitz (SPD) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Johanna Voß (DIE LINKE) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Arnold Vaatz (CDU/CSU) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Dr. Sascha Raabe (SPD) Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Dr. Bärbel Kofler (SPD) Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Kathrin Vogler (DIE LINKE) Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 17/9888, 17/9910) Dringliche Frage 1 Harald Weinberg (DIE LINKE) Haltung der Bundesregierung zur Notwendigkeit von Nothilfen oder Notkrediten für das griechische Gesundheitssystem Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Zusatzfragen Harald Weinberg (DIE LINKE) Kathrin Vogler (DIE LINKE) Dr. Marlies Volkmer (SPD) Dringliche Frage 2 Harald Weinberg (DIE LINKE) Etwaige Auswirkungen bei einem Ausbleiben von Hilfen für das griechische Gesundheitssystem Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Zusatzfragen Harald Weinberg (DIE LINKE) Kathrin Vogler (DIE LINKE) Mündliche Frage 2 Dr. Matthias Miersch (SPD) Umsetzung der Forderungen des einstimmig angenommenen Antrags auf Bundestagsdrucksache 17/8344 durch die Bundesregierung Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Dr. Matthias Miersch (SPD) Mündliche Frage 3 Dr. Matthias Miersch (SPD) Verbot der Patentierung von konventionell gezüchteten Nutztieren und -pflanzen Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Dr. Matthias Miersch (SPD) Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 4 Sonja Steffen (SPD) Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Sonja Steffen (SPD) Mündliche Frage 5 Sonja Steffen (SPD) Vom BMJ geplante Änderungen im Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen gegenüber dem Referentenentwurf Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfrage Sonja Steffen (SPD) Mündliche Frage 6 Burkhard Lischka (SPD) Vorlage einer Rechtsgrundlage für den Einsatz der Quellen-Telekommunikationsüberwachung Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Burkhard Lischka (SPD) Mündliche Frage 7 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Verlängerung der auslaufenden Regelung von § 52 a Urheberrechtsgesetz Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Mündliche Fragen 8 und 9 Brigitte Zypries (SPD) Vorlage des Dritten Korbs zur Reform des Urheberrechts; Ausgestaltung des Leistungsschutzrechts für Presseverlage Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Zusatzfragen Brigitte Zypries (SPD) Mündliche Frage 24 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Inanspruchnahme des Programms "Initiative zur Flankierung des Strukturwandels" Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Mündliche Frage 25 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung im SGB III und Voraussetzungen zur Teilnahme an dem Programm "Initiative zur Flankierung des Strukturwandels" für Schlecker-Beschäftigte Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Mündliche Frage 28 Jutta Krellmann (DIE LINKE) Einrichtung eines Sozialfonds bei der Bundesagentur für Arbeit für Schlecker-Beschäftigte und Bildung einer Transfergesellschaft für die von der zweiten Kündigungswelle betroffenen Beschäftigten Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Jutta Krellmann (DIE LINKE) Mündliche Frage 29 Jutta Krellmann (DIE LINKE) Nutzung des EU-Globalisierungsfonds zur Unterstützung der Schlecker-Beschäftigten Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Jutta Krellmann (DIE LINKE) Mündliche Frage 32 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zustimmung zum Freisetzungsversuch mit einem gentechnisch veränderten Lebendimpfstoff gegen den Erreger Rhodococcus equi trotz erheblicher Risiken Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Zusatzfragen Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 33 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Einwände gegen den Entwurf neuer Richtlinien für die Risikobewertung von gentechnisch veränderten Organismen in der EU Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Zusatzfragen Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 40 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Suizidversuche bei der Bundeswehr seit 2001 nach erfolgter Malaria-Chemoprophylaxe mit dem Medikament Lariam Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 42 Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kritik an der vorgesehenen staatlichen Förderung für eine private Pflegezusatzversicherung Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Zusatzfragen Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 43 Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Alternative Investition der für die staatliche Förderung für eine private Pflegezusatzversicherung vorgesehenen Mittel in eine solidarische Pflegeversicherung Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Zusatzfragen Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 44 Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verwaltungskosten der vorgesehenen staatlichen Förderung für eine private Pflegezusatzversicherung Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Zusatzfragen Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 45 Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gründe für das Festhalten an dem Vorhaben einer privaten Pflegezusatzversicherung trotz breiter Kritik Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Zusatzfragen Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 46 Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wirksamkeit der beschlossenen staatlichen Förderung von 5 Euro monatlich für eine private Pflegezusatzversicherung im Niedriglohnbereich; Gründe für den Verzicht auf eine solidarische gesetzliche Pflegeversicherung mit einer demografiefesten und stabilen Finanzierung Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Zusatzfragen Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 47 Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Monatliche Gesamtkosten für die staatliche Förderung für eine private Pflegezusatzversicherung Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Zusatzfragen Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 61 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verzicht des BMVBS auf eine bundesaufsichtliche Weisung hinsichtlich des Bescheids des damaligen hessischen Landesverkehrsministers Dieter Posch zur Anpassung der Flugbetriebsbeschränkungen des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau des Frankfurter Flughafens an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Umstrittene Nutzung des Auslandsnachrichtendienstes für den Transport eines von BM Niebel privat gekauften Teppichs Dr. Sascha Raabe (SPD) Dirk Niebel, Bundesminister BMZ Heike Hänsel (DIE LINKE) Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) Dr. Bärbel Kofler (SPD) Patrick Döring (FDP) Fritz Rudolf Körper (SPD) Florian Hahn (CDU/CSU) Dr. Barbara Hendricks (SPD) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Dringliche Frage 3 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Medienberichte über einen drohenden Kollaps der griechischen Kliniken Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 3 Mündliche Frage 1 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Auswirkungen der geplanten Änderungen des Mietrechts auf Menschen mit Behinderungen; Beteiligung der Behindertenverbände am Entwurf des Mietrechtsänderungsgesetzes Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 4 Mündliche Frage 10 Andrea Wicklein (SPD) Aufbewahrungsfristen für Rechnungen und Belege nach dem Handels- und Steuerrecht ab 2013 Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 5 Mündliche Frage 11 Andrea Wicklein (SPD) Geringeres Entlastungsvolumen bei Unternehmen durch nicht so stark verkürzte Aufbewahrungsfristen für Rechnungen und Belege nach dem Handels- und Steuerrecht ab 2013 Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 6 Mündliche Frage 12 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Anwendung des Steuerabkommens mit der Schweiz Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 7 Mündliche Frage 13 Richard Pitterle (DIE LINKE) Behandlung privater Versicherungsaufwendungen im Rahmen der Sonderausgaben nach der beschlossenen Förderung der privaten Pflegeversicherung; Verzicht auf eine einkommensabhängige Förderung Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 8 Mündliche Frage 14 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Geplante Änderungen im Reisekostenrecht und bei der Verlustverrechnung sowie zur Vereinfachung des Steuerrechts Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 9 Mündliche Frage 15 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Ausnutzung von Sonderregelungen zur Steuerfreistellung von Entgeltbestandteilen; Absenkung der Freigrenze für Sachbezüge Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 10 Mündliche Frage 16 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Verhinderung eines Zusammenbruchs des Euro Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 11 Mündliche Frage 17 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Überarbeitungsbedarf der deutschen Griechenland-Strategie zum Schuldenabbau Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 12 Mündliche Frage 18 Andrej Hunko (DIE LINKE) Ergebnisse der Prüfung des Kreditportfolios griechischer Banken durch den Vermögensverwalter BlackRock Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 13 Mündliche Frage 19 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) EU-Pläne zur Begegnung einer etwaigen Eskalation der Wirtschaftskrise Griechenlands auf die Sicherheitslage Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 14 Mündliche Frage 20 Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Forderung Spaniens nach Rekapitalisierung der Banken direkt aus dem ESM Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 15 Mündliche Frage 21 Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eignung des deutschen Stabilitätsrates zur Überwachung des Korrekturmechanismus Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 16 Mündliche Frage 22 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Einbeziehung von Menschen mit Behinderung und deren Verbände bei der Erarbeitung der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 17 Mündliche Frage 23 Anton Schaaf (SPD) Definition des Begriffs "Einstandsgemeinschaft" in Bezug auf die geplante Zuschussrente; Regelung der Einkommensanrechnung Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 18 Mündliche Fragen 26 und 27 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umschulung gekündigter Beschäftigter der Handelskette Schlecker in Pflege- und Betreuungsberufe und Einrichtung einer Transfergesellschaft zur Qualifizierung Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 19 Mündliche Fragen 30 und 31 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Unabhängigkeit von Bundeseinrichtungen und deren Kommissionen im Bereich Gentechnik Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 20 Mündliche Frage 35 Sevim Dagdelen (DIE LINKE) Etwaiger Zusammenhang des Kenterns des Fischerbootes "Beluga" vor Bornholm mit dem Testen von U-Booten der Dolphin-Klasse im März 1999 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 21 Mündliche Frage 36 Sevim Dagdelen (DIE LINKE) Einsatzauftrag der Fregatte "Bremen" im Arabischen Meer bis zum 29. Mai 2012 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 22 Mündliche Frage 37 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bereitstellung von Personal für die Familienbetreuungsstellen der Bundeswehr Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 23 Mündliche Frage 38 Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wirkungsspektrum der Anfangsbefähigung der Bundeswehr für Angriffe auf gegnerische Computernetzwerke Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 24 Mündliche Frage 39 Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entscheidung über das Nachfolgesystem der Drohnen vom Typ IAI Heron Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 25 Mündliche Frage 41 Richard Pitterle (DIE LINKE) Ermittlung des Einkommens im Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 26 Mündliche Frage 48 Hans-Joachim Hacker (SPD) Erarbeitungsstand und Erlass einer Verordnung für ein Qualitätssicherungssystem für Fahrschulen gemäß § 34 Abs. 4 Fahrlehrergesetz Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 27 Mündliche Frage 49 Hans-Joachim Hacker (SPD) Bearbeitungsstand des Eckpunktepapiers der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Reform des Fahrlehrerrechts" und Vorlage eines entsprechenden Entwurfs zur Novellierung des Fahrlehrergesetzes Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 28 Mündliche Frage 50 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung der Eurovignettenrichtlinie in nationales Recht Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 29 Mündliche Frage 51 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Interoperabilität im Bahnverkehr durch STM (Specific Transmission Modules) ab 2015 Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 30 Mündliche Frage 52 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Technische Probleme bei einem Nürnberger S-Bahn-Zug vom Typ "Talent 2" am 31. Mai 2012 und Auswirkungen auf den bundesweit geplanten Einsatz dieses neuen Zugtyps Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 31 Mündliche Frage 53 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Neuklassifizierung der Bundeswasserstraßen in den ostdeutschen Bundesländern Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 32 Mündliche Frage 54 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Langfristige Gewährleistung der Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen für den geplanten Bau der Bundesautobahn 14 Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 33 Mündliche Fragen 55 und 56 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kenntnisse der Bundesregierung aus der Machbarkeitsstudie zum geplanten Elbtunnel an der A 20; Zugang der Öffentlichkeit zu dieser Machbarkeitsstudie Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 34 Mündliche Frage 57 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Beauftragung externer Controlling-Berichte zum Fortgang der Bauarbeiten durch den Aufsichtsrat der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 35 Mündliche Frage 58 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Einbau lärmschutzkonformer Schallschutzfenster vor Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 36 Mündliche Fragen 59 und 60 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesetzliche Grundlage und Rechtssicherheit durch die sogenannte Planklarstellung Hessens zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig zum Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 37 Mündliche Fragen 62 und 63 Sören Bartol (SPD) Auswirkungen der Einführung des Betreuungsgeldes auf die Inanspruchnahme von Wohngeld; Leitungsvorbehalt des BMVBS wegen möglicher Haushaltsrisiken bei der Finanzierung des Wohngeldes Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 38 Mündliche Frage 64 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitplan der Entsorgungskommission für den Stresstest bei Zwischenlagern für radioaktive Abfälle und vorgesehene Ausnahmen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 39 Mündliche Frage 65 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) In Deutschland betroffene Gebiete des tschechischen Atomkraftwerksvorhabens Temelin 3 und 4 und zuständige deutsche Behörde im grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 40 Mündliche Fragen 66 und 67 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Empfehlung des Sachverständigenrats für Umweltfragen zur Anhebung des europäischen Klimaziels; Änderung der Kriterien für die kostenlose Verteilung von Emissionszertifikaten Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 41 Mündliche Frage 68 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Höhe der durchschnittlichen Vergütung pro Kilowattstunde für Windenergieanlagen an Land in Großbritannien und in Deutschland Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 42 Mündliche Frage 69 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Höhe der täglichen Kosten der Marktprämie bzw. der Managementprämie durch die im Juni gemeldeten erneuerbaren Energien sowie für dieses Jahr zu erwartende Gesamtkosten Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 43 Mündliche Fragen 70 und 71 René Röspel (SPD) Kraftstoffbilanz und CO2-Emission des vom BMBF eingesetzten Ausstellungsschiffes "MS Wissenschaft" in den Jahren 2009 bis 2012 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 44 Mündliche Fragen 72 und 73 Willi Brase (SPD) Anmeldung zu Seminaren an der Freien Universität Berlin im Rahmen der Honorarprofessur von Bundesministerin Schavan über die dienstliche E-Mail-Adresse im BMBF; dort entstandener Aufwand und Rechtsgrundlage Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 45 Mündliche Frage 74 Oliver Kaczmarek (SPD) Umsetzung der Öffentlichkeitskampagne des BMBF im Rahmen der nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 46 Mündliche Frage 75 Oliver Kaczmarek (SPD) Förderung von Tagungen der Bildungsträger mit der Thematik Netzwerkbildung in dieser Legislaturperiode Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 47 Mündliche Frage 76 Klaus Hagemann (SPD) Nachträgliche Erreichung des 2010 verfehlten Lissabon-Ziels Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 48 Mündliche Frage 77 Klaus Hagemann (SPD) Pläne zur Anhebung der BAföG-Sätze und Verkürzung der Bearbeitungsdauer von Anträgen Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 49 Mündliche Fragen 78 und 79 Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entsorgung von Giftmüll aus Bhopal in Deutschland durch die GIZ Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 50 Mündliche Frage 80 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Unterstützung der Bundesregierung für den Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft zu Art. 6 der Energieeffizienzrichtlinie Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 51 Mündliche Frage 81 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 52 Mündliche Frage 82 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Jährliche Investitionen der Übertragungsnetzbetreiber in die Stromnetze seit 1990 Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 53 Mündliche Fragen 83 und 84 Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Kosten für die Bereitstellung von gepanzerten Fahrzeugen und den Transport von Claudia Roth von Tripolis/Libyen bis zur Grenze Tunesiens Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 54 Mündliche Frage 85 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung internationaler Projekte zur Stärkung des Sicherheitssektors und der Waffenkontrolle in Libyen durch die Bundesregierung Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 55 Mündliche Frage 86 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konkrete Positionen der Bundesregierung in Bezug auf die mittel- und langfristige Weiterentwicklung der EU Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 56 Mündliche Frage 87 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aussage von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zur Kompetenzerweiterung der Europäischen Kommission Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 57 Mündliche Frage 88 Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Thematisierung der vom russischen Parlament beschlossenen Einschränkung des Demonstrationsrechts Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 58 Mündliche Frage 89 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Übergabe der Sicherheitsverantwortung für Gebiete von der ISAF an afghanische Behörden und Meldungen über die Schließung staatlicher Schulen durch die Taliban Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 59 Mündliche Fragen 90 und 91 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dissens innerhalb der Bundesregierung zum Thema Datenschutz im Internet und Auswirkungen auf die Verhandlungen über die Datenschutz-Grundverordnung der EU; Berücksichtigung der Datenschutzauflagen des Bundesverfassungsgerichts Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 60 Mündliche Frage 92 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beurteilung der Kreditwürdigkeit mittels Daten aus sozialen Netzwerken; Gewährleistung des Datenschutzes in diesem Bereich Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 61 Mündliche Frage 93 Burkhard Lischka (SPD) Fortschritte bei der Entwicklung einer eigenen Software zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 62 Mündliche Frage 94 Andrej Hunko (DIE LINKE) Auswirkungen des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. Juni 2010 auf die deutsche Kontrollpraxis entlang der Binnengrenzen oder in Zügen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 63 Mündliche Frage 95 Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung von Grenzkontrollen im nationalen Alleingang in einzelnen EU-Staaten ohne Beteiligung des EU-Parlaments und der EU-Kommission Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 64 Mündliche Frage 96 Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorschläge zur Unterstützung der EU-Randstaaten bei der Außengrenzkontrolle und zur Lastenteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 65 Mündliche Fragen 97 und 98 Aydan Özoguz (SPD) Kosten und Frequentierung des beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingerichteten Telefonservice "Beratungsstelle Radikalisierung" Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI 183. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsidentin Petra Pau: Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Vereinbarung über die Errichtung, Finanzierung und Verwaltung des Fonds "Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990" Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Herr Dr. Hermann Kues. - Bitte. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Kabinett hat heute die Einrichtung des Fonds "Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990" beschlossen. Damit soll Menschen geholfen werden, die in Einrichtungen der Jugendhilfe und in Dauerheimen für Säuglinge und Kleinkinder in der DDR schweres Leid und Unrecht erleiden mussten. Wir kennen die vielen erschütternden Schicksale. Die Einrichtung des Fonds ist darauf eine Antwort. Der Bund, die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt sowie die Freistaaten Sachsen und Thüringen werden diesen Fonds gemeinsam errichten und mit 40 Millionen Euro finanzieren. Die Kosten teilen sich der Bund und die ostdeutschen Länder jeweils zur Hälfte. Mit dem Start des Fonds steht auch den Heimkindern in der DDR ein zusätzliches Hilfsangebot zur Verfügung, das vergleichbar ist mit dem Hilfsangebot für die Heimkinder in der Bundesrepublik Deutschland. Basis für die Errichtung des Fonds ist der am 7. Juli 2011 angenommene fraktionsübergreifende Antrag mit dem Titel "Opfern von Unrecht und Misshandlungen in der Heimerziehung wirksam helfen". Bei der Einrichtung des Fonds sind die Bundesregierung und die ostdeutschen Länder in zwei Schritten vorgegangen. In einem ersten Schritt wurde ein Bericht zur Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR erarbeitet. Dieser wurde am 26. März dieses Jahres vorgestellt. Ergebnis des Berichtes ist, dass nicht alles im Heimkindersystem der DDR Unrecht war, die Heimerziehung aber von Unrecht geprägt war. Zwang und Gewalt gehörten für viele Kinder und Jugendliche im Heim zum Alltag. Man hat ihnen Bildung verweigert. Man hat sie zur Arbeit gezwungen. Viele von ihnen haben dadurch dauerhafte Beeinträchtigungen und Schädigungen erlitten. Sie leiden auch heute noch an den Folgen. Darum spricht der Bericht auch Empfehlungen zur Wiedergutmachung aus. An diese Empfehlungen knüpft der Fonds "Heimerziehung in der DDR" an, den wir in einem zweiten Schritt nun einrichten wollen. Grundlage für die Satzung des nicht rechtsfähigen, gemeinnützigen Fonds ist eine Verwaltungsvereinbarung über die Errichtung, Finanzierung und Verwaltung des Fonds zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den ostdeutschen Ländern sowie Berlin. Leistungen aus diesem Fonds können bis zum 30. Juni 2016 beantragt werden. Sie werden bis Ende Juni 2017 ausgezahlt. Wie der Fonds "Heimerziehung West" stellt dieser Fonds ein ergänzendes Hilfssystem dar, das die bestehenden sozialrechtlichen Versorgungssysteme nicht ersetzen, sondern erweitern soll. Es sollen zum Beispiel Rentenersatzzahlungen und andere materielle Leistungen möglich sein, beispielsweise einmalige Geldleistungen für erbrachte Arbeit zwischen dem 14. und 21. Lebensjahr, soweit dafür keine Beiträge in die Sozialversicherung der DDR gezahlt worden sind. Hierzu gehören aber auch Hilfen zur Überwindung von Traumata, zum Nachholen von Bildungsabschlüssen. Die Vereinbarung soll möglichst unbürokratisch erfolgen, wenn nötig auch durch Vorleistungen. Es gibt Anlauf- und Beratungsstellen, bei denen die Betroffenen Ansprechpartner finden, die sich ihrer Anliegen annehmen und ihnen Hilfestellungen geben. Zu den Leistungen aus dem Fonds "Heimerziehung in der DDR" gehören eben auch die Begleitung bei Ämtergängen sowie Hilfen bei der Akteneinsicht. Wir freuen uns sehr, dass der Fonds, so wie er jetzt gestaltet ist, bei den Betroffenen viel Zustimmung gefunden hat. Die Betroffenen wollen aber auch eine Weiterentwicklung des SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes, insbesondere des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes. Ziel ist es, vor allem die Heimunterbringung in den Spezialheimen der DDR generell als politisch motiviert einstufen zu lassen. Dieser schon früher geäußerten Bitte ist der Bundestag im Dezember 2010 mit der Ergänzung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes zumindest weitgehend gefolgt. Die Ergänzung stellt klar, dass allen Betroffenen, die aufgrund politisch motivierter oder damit vergleichbarer Einweisungsgründe in ein Heim gekommen sind, individuelle Rehabilitierungsmöglichkeiten zustehen. Der Fonds "Heimerziehung in der DDR" kann das unfassbare Leid - das sei noch einmal ausdrücklich gesagt -, das vielen Heimkindern in den Einrichtungen angetan wurde, nicht ungeschehen machen. Mit dem Fonds erkennen wir allerdings an, dass den Heimkindern in der DDR, auch außerhalb der vom Rehabilitierungsgesetz erfassten Entscheidungen, von DDR-Behörden Leid und Unrecht geschehen ist. Wir unterstützen sie bei der Bewältigung der Folgen dieses Unrechts. Wir bieten zusätzliche Unterstützung an, die helfen soll, die auch heute noch andauernden Folgeschäden aus der Zeit ihrer Heimunterbringung zu mildern. Wir haben damit insgesamt ein umfassendes Hilfesystem geschaffen, und zwar sowohl für die ehemaligen Heimkinder im Westen als auch für diejenigen im Osten. Insgesamt werden dafür 160 Millionen Euro eingesetzt. Es handelt sich um eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und - das gilt für den Westen - auch den beiden Kirchen, die das Ganze möglich gemacht hat. Herzlichen Dank. Vizepräsidentin Petra Pau: Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. Das Wort zur ersten Frage hat die Kollegin Katharina Landgraf. Katharina Landgraf (CDU/CSU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, zunächst möchte ich ausdrücklich feststellen: Wir sind froh, dass wir endlich so weit sind. Zwar können wir das Unrecht nicht völlig wiedergutmachen, aber mit diesem Schritt können wir doch zumindest etwas für die Betroffenen tun. In diese Richtung geht auch meine Frage: Wie finden die Betroffenen Zugang zu den schon erwähnten Anlauf- und Beratungsstellen? Wie erfahren sie überhaupt von diesem von uns verabschiedeten Paket? Gibt es eine Strategie, um die Betroffenen zu erreichen? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Eine solche Strategie gibt es. Wir werden öffentlich über dieses Paket aufklären. Es gibt eine Telefonnummer, an die man sich wenden und unter der man Informationen erhalten kann. Es existieren Anlauf- und Beratungsstellen in allen ostdeutschen Ländern. Außerdem haben wir zusammen mit Betroffenen und auch Beratern einen Leitfaden erarbeitet. In diesem Leitfaden wird erläutert, wie in einem Beratungsgespräch der individuelle Hilfebedarf ermittelt werden kann. Die Anlauf- und Beratungsstellen sollen auf Augenhöhe agieren. Es wird einen Lenkungsausschuss geben, der diese Vorgaben mit den jeweiligen Vertretern der Länder in diesem Ausschuss regelmäßig abstimmt und überprüft. Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Leistungen ist der Nachweis eines Heimaufenthalts in der Zeit von 1949 bis 1990. Soweit ein solcher Nachweis nicht erfolgen kann, wird die Anlauf- und Beratungsstelle auch bei Recherchearbeiten helfen, indem Unterlagen überprüft werden, um so Nachweise in Bezug auf Heim-erfahrung, Folgeschäden usw. erbringen zu können. Im Mittelpunkt der Beratung dort steht das Gespräch. In diesem wird man individuell den konkreten Hilfebedarf benennen können, so ähnlich wie es auch beim Fonds "Heimerziehung West" erfolgt. Möglich sind Gelder für Folgeschäden aus der Heimerziehung, Sachleistungen, aber auch Rentenersatzleistungen, soweit keine oder zu geringe Sozialversicherungsbeiträge eingezahlt worden sind. Das wird in Form von Einmalzahlungen erfolgen. Damit wird nicht alles ausgeglichen, aber es ist immerhin eine Anerkennung des begangenen Unrechts. Die Rentenersatzleistung erfolgt direkt durch Auszahlung von Geldern an die Betroffenen, bei den Hilfeleistungen teilweise. Dabei wird es bei Sachleistungen unter 1 000 Euro eine vereinfachte Nachweispflicht geben. Wir versuchen, das Ganze möglichst unbürokratisch hinzubekommen. Bei einer Summe über 1 000 Euro wird es ein wenig komplizierter werden. Ausschließlich bei Leistungen, die durch Dritte erbracht werden, zum Beispiel bei Therapien, kann die Auszahlung auch direkt an die Leistungsbringer erfolgen. Letztlich soll alles so entwickelt und konzipiert sein, dass die Betroffenen möglichst nicht belastet sind. Wer einmal mit Betroffenen gesprochen hat, der weiß, dass sie häufig gar nicht fähig sind, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Da muss erst ein Zugang gefunden werden. Insofern brauchen wir sehr einfühlsame Berater, die das gewährleisten. Wir glauben aber, dass das zu bewältigen ist. Die Länder haben uns dort jegliche Unterstützung zugesagt. Vizepräsidentin Petra Pau: Bevor ich die nächste Frage aufrufe, sei mir der Hinweis gestattet, dass wir uns in den letzten Monaten darauf geeinigt haben, dass für Frage und Antwort je eine Minute vorgesehen ist. Es ist natürlich verständlich, dass Sie möglichst viele Informationen für potenziell Betroffene über die Fragestunde transportieren wollen; aber ich denke, das wird uns gelingen, indem wir die zahlreichen Fragestellerinnen und Fragesteller hier zu Wort kommen lassen. Die nächste Frage stellt die Kollegin Heidrun Dittrich. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Staatssekretär Kues. Wie Sie wissen, waren beim westdeutschen Runden Tisch Heimerziehung - auf ihn bezieht sich der Antrag der Bundesregierung, das hinsichtlich der Heimkinder in der ehemaligen DDR gleichwertig zu regeln - unter den 21 stimmberechtigten Teilnehmern nur 3 ehemalige Heimkinder. In der Anhörung wurde von den Wissenschaftlern empfohlen, die ehemaligen Heimkinder ab jetzt stärker einzubeziehen. Wie geschieht das in den neuen Anlaufstellen in den neuen Bundesländern? Das heißt: Zu welchem Anteil ist die Beteiligung ehemaliger Heimkinder gesichert? Erhalten sie ein Gehalt, oder bleibt das ein Ehrenamt? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Wir haben, wie ich schon sagte, einen Lenkungsausschuss eingerichtet. An diesem ist auch ein Vertreter der ehemaligen Heimkinder beteiligt. Wir haben den Bericht auch mit ehemaligen Heimkindern gemeinsam erstellt. Im Prinzip haben wir Zustimmung zu dem erfahren, wie es jetzt organisiert ist. Man muss gleich dazusagen - wir haben das auch im Zusammenhang mit dem Fonds "Heimerziehung West" diskutiert -, dass die Erwartungen natürlich erheblich sind. Aber wir können zumindest sagen, dass wir die Erwartungen der Betroffenen - so schätze ich das jedenfalls ein; ich selbst habe die Erfahrung gemacht - alles in allem erfüllen können. Ich sage ausdrücklich: Es geht für viele Betroffene in erster Linie nicht um materielle Leistungen, sondern darum, überhaupt aufzuarbeiten, was ihnen widerfahren ist, und zu lernen, damit umzugehen. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt der Kollege Rolf Schwanitz. Rolf Schwanitz (SPD): Herr Staatssekretär, ich will zunächst für meine Fraktion ausdrücklich feststellen, dass ich mich sehr freue, dass der Fonds heute auf den Weg kommt und damit der, wenn ich das so sagen darf, noch offene zweite Teil der Thematik, die vom Deutschen Bundestag aufgegriffen worden ist, letztendlich vonseiten der Regierung und der beteiligten Länder eine Untersetzung findet. Ich möchte eine Frage zur Finanzierung stellen. Bei allen Gesprächen, die ich mit den Betroffenen der Heimerziehung in der DDR geführt habe, habe ich immer wieder gehört, dass sie die verständliche Erwartung haben, dass die Leistungen, die sie aus diesem Fonds erhalten, nicht durch Kürzungen im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik des Bundes gegenfinanziert werden. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen, wie Sie denn die Tatsache bewerten, dass die Koalition gestern bei der Beratung und Verabschiedung des Nachtragshaushalts 2012 im Haushaltsausschuss gesagt hat - so ist jetzt zumindest die Beschlusslage -, dass sie die 20 Millionen Euro an Bundesgeld, um die es hier geht, durch Kürzungen im Einzelplan 17, also im Familienetat, ab dem Jahr 2016 finanzieren will und finanzieren wird? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Zunächst einmal ist es so - das haben Sie jetzt nicht angesprochen -, dass die Gegenfinanzierung über den Einzelplan 60 erfolgt und dass geklärt werden muss, wie es ab 2016 weitergeht. Der Haushaltsausschuss hat dies zunächst einmal so beschlossen. Wir werden uns dann zu gegebener Zeit damit auseinanderzusetzen haben. Bis dahin werden wir besser einschätzen können, wie hoch der Bedarf tatsächlich ist. Wir werden jeweils auch die Leitlinien anpassen müssen. Dann kann man konkreter über finanzielle Leistungen sprechen. Gegenwärtig ist das kaum möglich. Deswegen ist diese Form der Gegenfinanzierung in der Finanzplanung erfolgt; in der Haushaltsplanung sieht es anders aus. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Fragestellerin ist Johanna Voß. Johanna Voß (DIE LINKE): Danke schön. - Herr Kues, es sollen 40 Millionen Euro für Entschädigungsleistungen in den Fonds ein-gestellt werden. Lassen Sie uns ein bisschen rechnen. Nehmen wir an, dass sich der Anteil der Auszahlungen ähnlich gestaltet wie im entsprechenden Fonds zu den Rentenersatzleistungen der Bundesrepublik Deutschland. Wäre das der Fall, dann würde von den 40 Mil-lionen Euro nur ein Sechstel ausgezahlt werden, weil der Fonds selbst auch Geld verschlingt. Ein Sechstel wären 6,7 Millionen Euro. Nun gibt es schätzungsweise 400 000 ehemalige Heimkinder aus der DDR, die Opfer von Missbrauch wurden. Wenn davon beispielsweise 30 000 Leistungen aus dem Fonds in Anspruch nehmen würden, dann bekäme jedes ehemalige Heimkind gerade einmal 233 Euro an Ersatzleistungen. Halten Sie eine solche geringe Einmalzahlung für angemessen? Vizepräsidentin Petra Pau: Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Zunächst einmal ist der Fonds nicht so gegliedert, wie Sie das eben beschrieben haben. Wir sind von den geschätzten Zahlen in West und Ost ausgegangen, dadurch kommt die Korrelation zwischen 120 Millionen Euro und 40 Millionen Euro zustande. Dann gehen wir davon aus, dass der Fonds letztendlich auskömmlich sein wird. Eine Aufteilung, wie Sie sie gerade vorgetragen haben, gibt es nicht. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt die Kollegin Katja Dörner. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen herzlichen Dank für Ihren Bericht, Herr Staatssekretär. Es war in unser aller Interesse - insofern kann ich das für die Fraktion der Grünen begrüßen -, analog zum Fonds für die Heimkinder im Westen einen Fonds für die Heimkinder aus der ehemaligen DDR aufzulegen. Gestatten Sie mir noch eine Vorbemerkung: Ich habe diverse Tickermeldungen verfolgt, in denen Aussagen der Ministerin zu dem heute im Kabinett beschlossenen Fonds zu lesen waren. Ich fände es schön, wenn wir uns gemeinsam darum bemühen könnten, zu vermeiden, durch verbale Äußerungen eine Art Opfer erster und zweiter Klasse zwischen den Heimkindern aus dem Westen und den Heimkindern aus dem Osten zu etablieren. Zu meiner Frage: Im Zuge der Einrichtung des Fonds werden auch in den östlichen Bundesländern Beratungs- und Anlaufstellen eingerichtet. In diesem Zusammenhang ist den Vertretungen der Heimkinder zugesagt worden, dass sie auf die Auswahl der dort tätigen Fachkräfte Einfluss nehmen können. Dieses Versprechen seitens der Bundesregierung ist nicht eingehalten worden. Ich würde gerne wissen, warum nicht und ob Sie noch die Möglichkeit sehen, dies wieder zu heilen. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich kann Ihre Ausführungen im Einzelnen nicht bestätigen, da die Länder für die Durchführung zuständig sind. Die Länder handeln logischerweise in eigener Verantwortung; das halte ich in der Sache auch für richtig. Ich weiß nicht, inwieweit die Länder die Betroffenen bereits im Vorfeld der Einrichtung der Beratungsstellen beteiligt haben. Dem müssten wir nachgehen. Ich werde Ihnen dann gerne darauf eine Antwort geben. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann ich das weder bestätigen noch dementieren. Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Ilja Seifert. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, Sie haben uns vorgetragen, wie mit den Heimkindern der DDR verfahren werden soll. Was ist mit denjenigen, die wegen ihrer Behinderung in verschiedenen Heimen untergebracht wurden, seien es konfessionelle oder staatliche Einrichtungen? Gibt es eine Übersicht darüber, um wie viele es sich handelt und wie vielen möglicherweise Gewalt oder Ähnliches angetan wurde? Können auch diese Betroffenen Leistungen aus dem Fonds in Anspruch nehmen? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Sie kennen den Bericht, den wir im März dieses Jahres vorgelegt haben. Aus ihm geht hervor, wie sich nach jetzigem Kenntnisstand die Sachverhalte im Einzelnen darstellen. Ich betone ausdrücklich: Es gibt verschiedene sozialrechtliche Regelungen für Behinderte, die natürlich auch für Heimkinder aus Ost oder West entsprechend gelten. Sollte jemand aufgrund der Tatsache, dass er behindert ist, spezielle Benachteiligungen erfahren haben, die durch die üblichen Entschädigungsleistungen nicht ausgeglichen werden, kann man im Einzelfall darüber nachdenken, wie man für einen Ausgleich zum Beispiel in Form von Therapie, wenn diese notwendig ist, sorgt. Im Bereich der Behindertenheime, bei denen es sich ja um besondere Einrichtungen handelte, sind wir noch nicht so weit. Wir sind noch dabei, dieses Feld aufzuarbeiten. Vieles ist noch ungeklärt, aber die Aufarbeitung muss jetzt erfolgen, allerdings nicht nur auf Bundesebene, sondern in jedem einzelnen Bundesland. Daran wird auch gearbeitet werden. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Arnold Vaatz stellt die nächste Frage. Arnold Vaatz (CDU/CSU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich möchte an das Stichwort "sprechfähig werden" anknüpfen. Die Betroffenen haben in ihrem Leben dramatische biografische Einschnitte hinnehmen müssen, die ihre Erwerbsbiografie teilweise bis heute und auch ihre Sozialbiografie entscheidend verändert haben. Sehen Sie die Möglichkeit, dass für die Aufarbeitung und Bewertung dieser biografischen Folgen finanzielle Mittel bereitgestellt werden, um die "Sprechfähigkeit" der Betroffenen zu verbessern und um die Gesellschaft in die Lage zu versetzen, besser einzuschätzen, um welche Problemlagen es hier geht? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Die Anlauf- und Beratungsstellen haben zunächst einmal die Aufgabe, zu informieren, welche gesetzlichen Möglichkeiten und welche besonderen Möglichkeiten es aufgrund dieses Fonds gibt. Natürlich haben sie auch die Aufgabe, darüber zu informieren, dass es Hilfen gibt, um sich seiner Biografie überhaupt erst einmal zu vergewissern. Wir haben alle Stellen, die dafür infrage kommen, gebeten, das Material zusammenzustellen und zur Verfügung zu stellen, damit es ausgewertet werden kann. Damit soll dem Einzelnen, der vielleicht gar nicht weiß, was ihm widerfahren ist, der seine Geschichte vielleicht gar nicht kennt, die Möglichkeit gegeben werden, sich zu informieren bzw. sich zu vergewissern, wer sie sind, wo sie herkommen und was ihnen widerfahren ist. Dafür gibt es Möglichkeiten. Das geht sogar so weit, dass Fahrtkosten pauschal erstattet werden können; denn wir kennen Betroffene, die gar nicht in der Lage sind, zu den jeweiligen Stellen zu fahren. Teilweise sind sie ja auch mehrfach umgezogen. Diese unkomplizierten Hilfestellungen sind möglich. Ich sage ausdrücklich: Wir werden auch dabei Erfahrungen sammeln, und wir werden bei der Umsetzung der Leitlinien diese Erfahrungen berücksichtigen. (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Vielen Dank!) Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt die Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, ich habe gerade heute ein Gespräch mit der Beratungsstelle Gegenwind aus Berlin geführt. In diesem Gespräch sagte man mir, dass man im Zusammenhang mit dem Fonds für Westheimkinder die Erfahrung gesammelt hat, dass es notwendig ist, flexibler mit den Mitteln umzugehen. Weil die Traumata bzw. die Folgen der Heimerfahrung sehr unterschiedlich sind, besteht ein sehr unterschiedlicher Bedarf bezogen auf den Ausgleich. Das kann eine Therapie sein, das kann eine medizinische Begleitung sein, das können aber auch ganz andere Formen des Ausgleichs sein. Inwieweit ist tatsächlich gesichert, dass deutlich flexibler vorgegangen, das heißt, auf den konkreten Bedarf des Betroffenen eingegangen werden kann? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Bund und Länder haben das Ziel, das möglichst un-bürokratisch zu machen. Aber Sie haben recht: Man muss die Regelungen immer den Erfahrungen, die gemacht worden sind, anpassen. Deswegen haben wir ja -einen Lenkungsausschuss eingesetzt, der überprüft, ob das bislang praktizierte Vorgehen richtig ist. Erfahrungen wie die, die in Berlin gesammelt wurden, können miteinfließen. Wir haben gemeinsam mit Betroffenen Leitlinien für die Umsetzung abgestimmt. In der Umsetzung werden diese praktisch weiterentwickelt, wenn wir erkennen, dass das Verfahren nicht treffsicher, zu kompliziert, zu bürokratisch ist. Diesbezüglich sind wir für Hinweise dankbar; denn dann kann das thematisiert werden. Wir - ich sage das auch für alle Länder - sind darum jedenfalls bemüht. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt der Kollege Josef Winkler. Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich möchte an die Frage des Kollegen Vaatz anknüpfen, der die Brüche in den Biografien angesprochen hat. Wir müssen häufig feststellen, dass bei Opfern von Heimerziehung schwerste Traumatisierungen vorliegen, die dazu geführt haben, dass eine Berufsausbildung nicht absolviert werden konnte oder im Laufe des Lebens irgendwann eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, sodass eine Rente oder andere Transferleistungen bezogen werden müssen. Ist sichergestellt, dass die Leistungen, die die Betroffenen aus dem Fonds "Heimerziehung in der DDR" erhalten, in keiner Weise mit Leistungen verrechnet werden, die die Betroffenen aus anderen Töpfen erhalten, zum Beispiel aufgrund der Traumatisierung, oder ist das noch ungeklärt? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Nein, das ist nicht ungeklärt. Von Bundesseite müssen wir das nicht speziell regeln, weil es im Sozialgesetzbuch II und XII diese Möglichkeit im Prinzip gibt. Diese Leistungen sind nicht Einkommen im klassischen Sinne. Die Absicht ist, diese Leistung nicht anzurechnen. Das ist eine Frage des vernünftigen Verwaltungshandelns in den Ländern. Wenn Sie dort etwas anderes hören, sollten Sie uns das sagen. Dann würden wir das thematisieren. Das soll ausdrücklich nicht angerechnet werden. Es handelt sich um entschädigungsähnliche Leistungen, die gegeben werden. Ich muss es noch einmal sagen: Wir können das Leid finanziell nicht ausgleichen. Angesichts dessen wäre es komisch, wenn die Summen, die gezahlt werden, mit anderen Leistungen verrechnet würden. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das wäre nichts Besonderes! Das hat man an anderer Stelle auch!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Marlene Rupprecht. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, der Bundestag hat mit seinen Beschlüssen und überhaupt mit seiner Befassung mit Missbrauch und Misshandlung in Heimen in Westdeutschland, aber auch in der ehemaligen DDR einen neuen Weg beschritten, der vorher noch nie gegangen wurde. Daher ist es oftmals schwierig, das, was wir uns vorstellen, dann auch in Handeln umzusetzen. Folgendes möchte ich gerne wissen: Erstens. Ich habe kürzlich Beratungsstellen für Westheimkinder besucht. Hier muss ich dem zustimmen, was Herr Winkler gerade gesagt hat. Ich kann nur sagen: Weiß die Katze, dass ich keine Maus bin? Das heißt: Weiß die Behörde, dass das, was ich bekomme, nicht angerechnet werden darf? - Dass wir das so beschlossen haben, ist klar. Allerdings muss die Behörde, beispielsweise die Bundesagentur für Arbeit, wenn es um Leistungen geht, eigentlich wissen, dass sie diese Gelder nicht anrechnen darf. Die Betroffenen müssen das der Behörde aber mitteilen; diese Rückmeldung bekomme ich. Sie werden - bis auf einzelne Ausnahmen - höflich und freundlich behandelt; das höre ich von den Betroffenen auch. Die Frage ist aber: Sind alle Institutionen so gut informiert worden, dass sie das, was der Bundestag will, auch umsetzen? Zweitens. Bei der Umsetzung bezüglich der Heimkinder West gibt es verschiedene Modelle. Es geht von Niedersachsen, wo an jedem Jugendamt eine Beratungsstelle angesiedelt ist - dort sehe ich die Fachlichkeit nicht mehr gewährleistet -, bis hin zu Bayern mit einer Beratungsstelle; was ich sehr sinnvoll finde, weil das mit den Betroffenen ausgehandelt wurde und weil dadurch eine hohe Fachlichkeit entsteht. Wie können wir es schaffen, dass das in Ostdeutschland wirklich gut funktioniert? In Berlin wird eine Beratungsstelle beides machen. Wie bekommen wir es also hin, dass wir sagen können: "Dort könnt ihr hingehen; dort werdet ihr gut beraten"? Drittens. Als Letztes möchte ich wissen - ich weiß, dass eigentlich nur eine Frage - - Vizepräsidentin Petra Pau: Frau Kollegin Rupprecht, wir setzen Sie gerne noch einmal auf die Liste. Aber lassen Sie doch dem Staatssekretär auch die Chance, in der vorgegebenen Zeit Ihre Fragen zu beantworten. Sonst sind Sie erst recht unzufrieden, wenn Sie jetzt noch eine dritte Frage dranhängen. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Ganz kurz: Die Initiativen, die sich um die Beratungsstellen bilden, brauchen Unterstützung. Diese Unterstützung kann nicht nur ehrenamtlich erfolgen. Da braucht man Hauptamtlichkeit. Wie wollen wir diese Initiativen unterstützen? Insgesamt bin ich froh, dass wir es auf den Weg bringen. Aber wie schaffen wir es, das dann auch tatsächlich gut umzusetzen? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Präsidentin, ich kenne die Kollegin Rupprecht seit vielen Jahren sehr gut. Ich weiß, dass sie sich intensiv um diese Thematik kümmert. Das ist auch ein wichtiger Punkt. Schließlich ist das Ganze zunächst einmal eine Initiative des Parlaments gewesen. Daher sollte das Parlament die Sache auch im Blick behalten. Ich glaube, dass wir bei den Heimkindern Ost einen Vorteil haben. Wir konnten bei den Heimkindern West nämlich schon Erfahrungen sammeln. Daher wissen wir, was geht und was nicht geht. Außerdem haben wir die Leitlinien bereits entsprechend angepasst. Es muss aber auch dafür gesorgt werden, dass die Fondsmittel tatsächlich den Betroffenen unmittelbar zugutekommen. Darum müssen wir uns kümmern. Das werden wir auch tun. Wir werden das auch noch einmal mit den Ländern besprechen. Zur Frage, inwieweit sich der einzelne Mitarbeiter korrekt verhält: Davon gehe ich jetzt einmal aus. Ich habe schon das Gefühl, dass das ehrliche Bemühen bei allen Ländern und bei den Ministern da ist. Wir haben mehrfach mit ihnen zusammengesessen. Wenn es nicht funktioniert, dann muss man es auch im jeweiligen Land thematisieren. (Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Unterstützung der Initiativen?) - Das wird auch im jeweiligen Land zu klären sein. Wir werden es bundesweit prüfen, was machbar ist. Das ist unsere Aufgabe als Bund. Aber es gibt sicher auch Möglichkeiten der Umsetzung im jeweiligen Land. Das ist völlig klar. Da werden die Länder auch ihre Erfahrungen sammeln müssen. Bislang haben wir aber keine Hinweise, dass man sich nicht ernsthaft darum bemüht. Die Länder sammeln allerdings auch erst ihre Erfahrungen mit dieser Thematik. (Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Okay!) Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt der Kollege Matthias W. Birkwald. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, die Anlauf- und Beratungsstellen für ehemalige Heimkinder sollen in den neuen Bundesländern ausschließlich bei staatlichen Stellen angesiedelt werden, also in Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen-Anhalt beispielsweise bei den Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Wäre eine Ansiedlung bei unabhängigen Beratungsstellen wie Wildwasser, Violetta oder ähnlichen nicht sinnvoller? Halten Sie das nicht für angemessener für die Opfer der Heimerziehung in der DDR? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Das ist letztlich ein Wunsch und eine Entscheidung der Länder gewesen. Viele Betroffene verfügen nämlich bereits über Erfahrungen mit den Landesbeauftragten, weil sie dort die Möglichkeit haben, ihre Akten einzusehen und sich zu informieren, soweit sie etwa in Spezialheimen untergebracht waren. Es war der Wunsch, das zusammenzufassen; denn die Landesbeauftragten sind erfahrene Institutionen, die auch bei den Menschen bekannt sind. Man kann immer darüber diskutieren, ob man es anders organisieren sollte. Ich gehe davon aus, dass die Länder die Initiative ergreifen werden, wenn sich herausstellen sollte, dass es nicht funktioniert. Wir können es dann aber auch gerne seitens des Bundes thematisieren. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Heidrun Dittrich hat noch eine Nachfrage. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Sie haben vorhin geantwortet, dass der Fonds, der 40 Millionen Euro umfasst und in den neuen Bundesländern zur Auszahlung kommt, als Rentenersatzleistung fungieren könnte, wenn entsprechende Anträge gestellt werden würden. Daher frage ich: Wenn nach den Kriterien der Internationalen Arbeitsorganisation bzw. nach den Kriterien des Völkerrechtes Zwangsarbeit vorliegt - demnach ist Zwangsarbeit jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die eine Person unter Androhung einer Strafe zu tun hat und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat -, kann dann nicht zusätzlich zu der Zahlung aus diesem 40-Millionen-Euro-Fonds eine Schadensersatzleistung eingeklagt werden? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Nein, das wird nicht so sein. Ich habe ja gesagt: Die Zahlung aus dem Fonds wird kein Ausgleich für erlittenes Unrecht sein. Wir werden uns noch einmal gesondert damit beschäftigen müssen, was den Menschen in den Spezialheimen widerfahren ist, in die sie eingewiesen worden sind, damit dort aus ihnen "sozialistische Persönlichkeiten" geformt werden. Wie das im Einzelnen zu bewerten ist, ist ein ganz anderes Thema, das wir noch nicht hinreichend erfasst haben; bisher gibt es erste Hinweise. Die gesetzlichen Regelungen, zum Beispiel auch die des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes, gelten natürlich auch für Heimkinder. Hier geht es um Zusatzleistungen, die erbracht werden, wenn etwas durch die bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht abgegolten ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Rupprecht hat jetzt das Wort zu einer Nachfrage. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich will an das anknüpfen, was Herr Schwanitz sagte. Er sagte, dass langfristig eine Finanzierung aus dem Etat des Familienministeriums erfolgt. Unser Haushalt ist ja nicht gerade riesig. Mir stellt sich deshalb die Frage, ob die Bundesregierung, also der Finanzminister und die anderen Ressorts, das prinzipiell als ressortübergreifende Aufgabe ansieht. Auch der Bundestag war davon ausgegangen, dass der Fonds von allen Ressorts finanziert wird oder prinzipiell aus dem Einzelplan 60 gespeist wird. Ich finde, wir sollten ihn nicht im Etat des Fami-lienministeriums ansiedeln. Das heißt, Familien und Kinder der heutigen Generation sollten nicht für das zahlen, was andere früher falsch gemacht haben. Gibt es von der Ministerin das klare Zeichen an den Finanzminister und an die anderen Ressorts, dass alle ihren Beitrag leisten sollten und nicht nur das Familienministerium? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Kollegin Rupprecht, Sie wissen, dass wir im Etat des Familienministeriums einen regelmäßigen Aufwuchs haben. Das ist sehr positiv. Die Familienpolitik ist zudem sehr erfolgreich, angefangen beim Elterngeld über den Kinderzuschlag bis hin zu anderen Leistungen. Herr Schwanitz achtet als Haushälter sehr genau darauf, dass wir sparsam mit den Mitteln umgehen; das ist sein gutes Recht. Ich gebe Ihnen recht: Unterschiedliche Finanzierungsformen sind möglich. Der Einzelplan 60 ist kein Steinbruch für alle Leistungen. Dass man diesen Bereich nun der Familien- und Jugendpolitik zuordnet, ist von der Logik her nachvollziehbar. Das Familienministerium könnte natürlich noch mehr Geld sinnvoll einsetzen; das wissen Sie. Wir haben uns in den letzten Jahren erhebliche Anteile am Bundesetat erarbeiten können. Gleichzeitig wissen wir aber, dass die Bundesrepublik Sparvorgaben einhalten muss. Ich glaube, daher ist klar, wo die Grenzen sind und dass wir nicht ganz umhinkommen, hier mitzufinanzieren. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Dittrich hat mir signalisiert, dass sie noch eine Nachfrage hat. Bitte. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, besteht für die Heimkinder die Möglichkeit, Leistungen aus dem Fonds und Leistungen aufgrund des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes zu kumulieren? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich habe eben gesagt: Der Fonds tritt nur ein, wenn alle gesetzlichen Ansprüche abgegolten sind bzw. wenn andere Möglichkeiten, Ansprüche zu befriedigen, nicht mehr gegeben sind. Wir zeigen: Es werden zunächst einmal die Möglichkeiten anderer Gesetze genutzt. Ist dies nicht möglich, greift der Fonds. Hier handelt es sich also nicht um unbegrenzte, sondern um begrenzte praktische Möglichkeiten. So kommen wir auf die Summen, die wir errechnet haben. Es wird allerdings keine Anrechnung auf StrRehaG-Leistungen stattfinden. Eine andere Vorgehensweise würde von der Logik her auch nicht funktionieren. Wir sagen: Es werden zunächst einmal die Möglichkeiten anderer Gesetze genutzt. Ist dies nicht möglich, greift der Fonds. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke. - Ich habe vor - ich kündige das schon einmal an -, die drei mir signalisierten Fragen zu sonstigen Inhalten der Kabinettssitzung oder sonstigen Themen noch zuzulassen. (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Dazu wollte ich auch noch etwas fragen!) - Dann müssen Sie sich melden. - Eine allerletzte Nachfrage stellt Frau Dittrich. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Eine kurze Frage: Was beabsichtigen Sie für die Menschen zu tun, die vor dem 14. Lebensjahr in Heimen untergebracht waren und die, da Kinder unter 14 Jahren nicht arbeiten dürfen, keine Rentenersatzleistungen geltend machen können? Was für eine Entschädigung planen Sie für diese Personen? Nur Leistungen für die Folgeschäden? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Wir werden uns mit den Folgen zu beschäftigen haben. Wir werden uns auch mit der Frage zu beschäftigen haben, ob ihnen Bildungsabschlüsse verweigert worden sind, weil sie keine Möglichkeit hatten, eine Schule zu besuchen. Damit muss man sich auseinandersetzen; denn all das ist den Betroffenen vorenthalten worden. Es wird natürlich Geld kosten, beispielsweise dafür zu sorgen, dass sie Schulabschlüsse nachholen können. Es ist vielleicht sogar mit das Wichtigste, zu gewährleisten, dass Menschen die Chance bekommen, etwas aus ihrem Leben zu machen. In den Heimen ist ihnen diese Chance verwehrt worden. Hier greifen die Leitlinien für den Fonds. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Raabe hat mir vorhin dringenden Fragebedarf signalisiert. (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Es ging mir um die sonstigen Fragen! Aber die haben Sie ja noch nicht aufgerufen!) - Dann bitte ich, das auch so anzuzeigen. Herr Staatssekretär, wir danken Ihnen recht herzlich. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Auch ich bedanke mich. Vizepräsidentin Petra Pau: Offensichtlich sind wir am Ende der Befragung der Bundesregierung zu diesem Thema. Es gibt die Möglichkeit, die Dauer der Befragung der Bundesregierung zu verlängern. Dies wiederum heißt aber, dass sich die Dauer der anschließenden Fragestunde verkürzt. Die erste Frage zu sonstigen Inhalten stellt der Kollege Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Mir geht es um die sogenannte Fliegender-Teppich-Affäre. Ich möchte gerne über den genauen Ablauf der Vorgänge unterrichtet werden. Wann ging bei Bundesminister Niebel die Anfrage des Spiegel ein, und wann wurde der Antrag auf Nachverzollung gestellt bzw. Selbstanzeige erstattet? Meine zweite Frage, die damit im Zusammenhang steht, lautet: Inwiefern entrichtete Bundesminister Niebel für die Verbringung eines privat gekauften Teppichs per BND-Flugzeug eine entsprechende Gebühr? Oder ist dies beim Transport von Privatgegenständen per BND-Flugzeug grundsätzlich nicht üblich? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Sehr geehrter Herr Kollege Beck, der Sachverhalt, den Sie eben angesprochen haben - der Teppichkauf von Herrn Minister Niebel -, war nicht Gegenstand der heutigen Kabinettssitzung. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das spielt nach der Geschäftsordnung keine Rolle!) Im Übrigen findet im Anschluss an diese Fragestunde eine Aktuelle Stunde statt, in deren Rahmen es um dieses Thema gehen wird und in der Bundesminister Niebel selbst das Wort ergreifen wird. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind hier gegenüber dem Parlament auskunftspflichtig!) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Bundesregierung hat geantwortet. Es ist natürlich das gute Recht eines jeden Abgeordneten, mit dieser Antwort zufrieden oder unzufrieden zu sein (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war eine Verweigerung!) und darüber nach den von uns selbst getroffenen Regelungen mit der Bundesregierung zu diskutieren. Ich muss keine Hellseherin sein, um vorherzusagen, dass wir darüber andernorts noch diskutieren werden. Die nächste Frage stellt die Kollegin Ute Koczy. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin. - Auch in meiner Frage geht es um die Nachverzollung. Ich möchte von der Bundesregierung erfahren, ob der Antrag von Minister Dirk Niebel auf Nachverzollung mit einer Selbstanzeige gemäß § 371 der Abgabenordnung verbunden ist und ob der Bundesregierung ein anderer Fall in der bundesdeutschen Geschichte bekannt ist, in der sich ein aktives Mitglied der Bundesregierung selbst angezeigt hat. Vizepräsidentin Petra Pau: Bitte, Herr von Klaeden. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Frau Kollegin, ich bitte um Verständnis dafür, dass ich diese Fragen hier jetzt nicht beantworten kann, und will auf die Möglichkeit hinweisen, Fragen einzureichen. Dann besteht für uns die Möglichkeit, die detaillierten Fragen angemessen zu beantworten, sodass Sie schneller die Informationen bekommen, auf die Sie Anspruch haben. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage liegt der Bundesregierung seit Freitag vor!) Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Frithjof Schmidt. Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da Sie sagen, dass Sie jetzt keine Fragen zu dem Transport des von Bundesminister Niebel gekauften Teppichs durch ein Flugzeug des Bundesnachrichtendiensts beantworten wollen, möchte ich eine generelle Frage an die Bundesregierung richten: Ist es üblich, dass für den Transport privater Gegenstände von Regierungsmitgliedern durch Flugzeuge des Bundesnachrichtendiensts Gebühren erhoben werden, oder nicht? Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Herr Kollege, generell ist es selbstverständlich nicht üblich, dass private Gegenstände mit dem Flugzeug des Bundesnachrichtendiensts transportiert werden. Das hat Bundesminister Niebel in seinen Stellungnahmen ja auch selber deutlich gemacht. Insofern erübrigt sich die Frage nach Gebühren oder Weiterem. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Dr. Sascha Raabe stellt die nächste Frage. Dr. Sascha Raabe (SPD): Frau Staatssekretärin, wenn Sie die Frage jetzt nicht mündlich beantworten können, dann können Sie ja versuchen, die Antwort schriftlich nachzureichen; denn der Minister ist nicht verpflichtet, in der Aktuellen Stunde - das ist ja keine Fragestunde - auf Fragen einzugehen. Sie waren bei uns im Ausschuss und wissen, dass das Thema Kinderarbeit für uns wichtig ist. Ich hätte gerne gewusst, ob Ihnen bekannt ist, ob der Teppich, den Minister Niebel erworben hat, mit einem GoodWeave-Siegel versehen ist, das wir ja auch mit Mitteln der deutschen Entwicklungszusammenarbeit fördern, oder ob er einfach blind irgendeinen Teppich gekauft hat, ohne einen entsprechenden Nachweis zu haben. Meine zweite Frage an Minister Niebel, die Sie gegebenenfalls bitte weiterleiten können, lautet, ob er auch auf vorherigen Dienstreisen Einkäufe getätigt hat, die den Wert von 430 Euro überstiegen haben, und ob er diese dann auch verzollt hat. Vielleicht können Sie diese Fragen dem Minister freundlicherweise weiterleiten. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Das tue ich gerne. Wir beantworten Ihre Fragen gerne schriftlich. Vizepräsidentin Petra Pau: Gut. Die schriftliche Beantwortung ist zugesagt. - Die nächste Frage stellt die Kollegin Bärbel Kofler. Dr. Bärbel Kofler (SPD): Herzlichen Dank. - Weil es jetzt sicher schwierig ist, spezielle Fragen im Detail zu beantworten - die Fragen der Kollegen zum Vorgehen des Ministers und zur Verzollung und Versteuerung sind schon sehr interessant -, habe ich eine ganz generelle entwicklungspolitische Frage. Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, gute Regierungsführung sei ein Schlüsselkriterium für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Würden Sie das Vorgehen des Entwicklungsministers - ich möchte "Entwicklungsminister" an dieser Stelle unterstreichen - in Bezug auf den Transport eines Teppichs aus Afghanistan, das immer wieder als ein Land kritisiert wird, in dem man um gute Regierungsführung ringen muss, als gutes Beispiel für gute Regierungsführung und Integrität im Amt bezeichnen? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Kofler, Sie haben selbstverständlich recht damit, dass es das oberste Ziel nicht nur des Bundesentwicklungsministers, sondern auch der gesamten Bundesregierung ist, gute Regierungsführung zu zeigen. Ich sehe diese weder in der Vergangenheit noch heute in irgendeiner Form beeinträchtigt. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber eine Einzelmeinung!) Das bleibt auch weiterhin unser Ziel. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Dr. Jürgen Koppelin hat das Wort. Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Anlass für meine Frage an die Bundesregierung ist der Besuch der Kollegin Claudia Roth in Libyen. Gibt es auch für Abgeordnete Richtlinien bezüglich Reisen? Wenn zum Beispiel in Nordafrika ein Flug ausfällt: Kann dann ein Abgeordneter gepanzerte Fahrzeuge ordern, damit er zum Beispiel von Tripolis nach Tunesien gefahren werden kann? Man konnte sogar in einem Video sehen, dass die Kollegin Claudia Roth auf einem Basar in Libyen reichlich eingekauft hat. Diese Waren sind sicher auch mit dem gepanzerten Fahrzeug transportiert worden. Werden dafür Kosten erhoben, und ist das auch verzollt worden? (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gute Frage!) Vizepräsidentin Petra Pau: Wer aus der Bundesregierung fühlt sich in der Lage, zu antworten? - Bitte. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Herr Kollege Koppelin, ich kann Ihre Fragen jetzt leider nicht beantworten und bitte um Verständnis dafür, dass ich das schriftlich nachholen muss. Vizepräsidentin Petra Pau: Das ist damit zugesagt. - Die letzte Frage in diesem Bereich stellt die Kollegin Kathrin Vogler. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Es ist aber schade, dass das schon die letzte Frage ist! Ich finde, das Thema ist viel zu gewichtig, um das jetzt hier abzubrechen!) Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, da Sie konkrete Fragen zu dem Thema Teppichkauf nicht beantworten können, habe ich eine inhaltliche Frage zum Besuch von Minister Niebel in Afghanistan. Trifft es zu, dass er bei diesem Besuch unter anderem mit Regierungsvertretern über Good Governance, also gute Regierungsführung, gesprochen hat? Wurden dabei auch Fragen wie der Aufbau von Rechtsstaatlichkeit und die Korruptionsbekämpfung angesprochen? Gibt es inzwischen Reaktionen seiner Gesprächspartner auf die aktuelle Debatte hier in Deutschland? (Manfred Grund [CDU/CSU]: Hat sich denn zum Beispiel das afghanische Kabinett damit befasst?) Vizepräsidentin Petra Pau: Bitte, Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin, der Bundesminister wie auch andere Minister, die nach Afghanistan reisen, sind daran interessiert, bessere Lebensverhältnisse für die Menschen vor Ort zu schaffen. Dazu gehören natürlich eine gute Regierungsführung und die Beachtung von Menschenrechten. Selbstverständlich sind dies Themen, die bei allen Besuchen immer wieder angesprochen werden. Mir ist nicht bekannt, dass sich die afghanische Regierung in irgendeiner Weise mit dem von Ihnen angesprochenen Thema befasst hat. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Frau Staatssekretärin. - Ich beende die Befragung. Die neun Minuten, um die wir die Befragung verlängert haben, ziehen wir von der Zeit für die Fragestunde ab. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 17/9888, 17/9910 - Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen auf Drucksache 17/9910 auf. Zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit steht die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach zur Verfügung. Wir beginnen mit der dringlichen Frage 1 des Kollegen Harald Weinberg: Wird bei der Bundesregierung angesichts der dramatischen Versorgungslage und des drohenden Komplettzusammenbruchs des Gesundheitssystems in Griechenland (vergleiche Die Welt vom 12. Juni 2012) die Notwendigkeit von Nothilfen oder Notkrediten für das griechische Gesundheitssystem bzw. die Krankenkasse EOPYY gesehen, und erwägt die Bundesregierung, Nothilfen zu gewähren? Bitte, Frau Staatssekretärin, Sie haben das Wort. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Unsere Antwort ist wie folgt: Die Probleme im griechischen Gesundheitssystem sind nicht neu. Sie bestanden schon vor dem Beginn des Hilfsprogramms. Sie sind daher nicht ursächlich mit der aktuellen Schuldenkrise oder den notwendigen Strukturreformen innerhalb des Memorandums verbunden. Die Mitgliedstaaten der Euro-Zone und der Internationale Währungsfonds haben auch aus diesem Grund Griechenland im Rahmen des Anpassungsprogramms Kredite von insgesamt 237,5 Milliarden Euro zugesagt. Hierdurch soll Griechenland in die Lage versetzt werden, seinen Verpflichtungen gegenüber nationalen und internationalen Gläubigern nachzukommen und hierdurch Spielräume für die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen, unter anderem im Gesundheitsbereich, zu schaffen. Voraussetzung für den Erfolg des zweiten Programms ist jedoch, dass Griechenland die Strukturreformen fortsetzt. Die Bundesregierung ist darüber hinaus bereit, Griechenland strukturell und organisatorisch zu unterstützen. Insbesondere sind weitere Reformen im Gesundheitswesen notwendig. Da beispielsweise das Abrechnungssystem in griechischen Krankenhäusern intransparent ist, nimmt das Bundesministerium für Gesundheit in seiner Funktion als "Domain Leader" im Rahmen der Taskforce gemeinsam mit dem griechischen Gesundheitsministerium und der Taskforce Griechenland bei der Europäischen Kommission gestaltenden Einfluss, um nachhaltige Verbesserungen in der griechischen Gesundheitsversorgung zu bewirken. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Frau Staatssekretärin. - Herr Weinberg, Sie haben die Möglichkeit zur ersten Nachfrage. Harald Weinberg (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Eine Nachfrage habe ich in diesem Zusammenhang schon. Trifft es nach Ihrer Erkenntnis zu, dass ein Bestandteil der aufgelegten Reformmaßnahmen darin besteht, dass der Anteil der Gesundheitskosten von bisher etwa 9,6 Prozent auf 6,5 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts zurückgefahren werden soll? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege Weinberg, wir sind vordringlich beratend unterwegs. Aus diesem Grunde haben wir das Memorandum of Understanding unterschrieben. Wir befassen uns vor allen Dingen mit dem Versuch, eine grundlegende Strukturreform im griechischen Gesundheitssystem vorzubereiten. Sie können sich vorstellen, dass dies angesichts der Lage und der bevorstehenden Wahlen in Griechenland ein sehr schwieriger Akt ist. Deswegen sind wir in einem laufenden Prozess. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. - Sie verzichten. Dann hat die Kollegin Kathrin Vogler das Wort. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, Sie sprachen gerade von nachhaltigen Verbesserungen und strukturellen Veränderungen. Uns erreichen täglich Pressemitteilungen, in denen die Lage als mehr als dramatisch geschildert wird: Krankenhäuser können keine Operationen mehr durchführen. Es gibt keine Desinfektionsmittel, Handschuhe und Katheter mehr. Die Patientinnen und Patienten müssen ihre Medikamente in der Apotheke bar bezahlen, weil die staatliche Gesundheitskasse bei den Apothekern keinen Kredit mehr hat. Viele Menschen können es sich angesichts der auch aufgrund der Vorgaben der Troika gesunkenen Löhne und der sinkenden Renten nicht mehr leisten, sie zu kaufen. Halten Sie das Streben nach nachhaltigen Verbesserungen wirklich für ausreichend, um den akuten Versorgungsbedarf der Patientinnen und Patienten in Griechenland in irgendeiner Weise zu decken? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Vogler, bis zum jetzigen Zeitpunkt sind keinerlei Kreditanfragen der griechischen Regierung bei uns eingetroffen. Wir würden solche Kredite natürlich nicht in vorauseilendem Gehorsam gewähren. Das ist das eine. Das Zweite ist - in Ihrer Frage haben Sie einen rein humanitären Bereich angesprochen -: Die Europäische Kommission diskutiert, wie Sie wissen, zurzeit die Situation dort. Auch das ist ein laufender Prozess, sodass ich zu dem Abschluss der Verhandlungen derzeit noch nichts sagen kann. Aber auch wir sind in diese Diskussionen eingebunden. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Dr. Marlies Volkmer. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Vielen Dank. - Ich kann nahtlos an die Frage der Kollegin Vogler anschließen. Halten Sie es für notwendig, schnell zu Hilfsmaßnahmen für Griechenland bzw. die griechische Bevölkerung zu kommen? Denn wenn sich chronisch kranke Menschen wie Diabetiker, Asthmakranke und Herzkranke keine Medikamente mehr leisten können und sie diese aber auch nicht über die Krankenversicherung bekommen, dann sind Todesfälle absehbar. Wie lange werden Ihres Erachtens die Beratungen und Abstimmungen innerhalb der Europäischen Union dauern, um Hilfe gewähren zu können? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Liebe Kollegin Dr. Volkmer, wir sind momentan nicht in der Lage, einen Zeitraum zu nennen. Das Verfahren läuft zurzeit. Wie Sie wissen, ist das BMG für europäische Verhandlungen nicht zuständig. Ich bin aber gerne bereit, Sie schriftlich zu informieren, was die ungefähre Abschätzung des Zeitraums angeht. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen damit zur zweiten dringlichen Frage des Kollegen Harald Weinberg: Arbeitet die Bundesregierung in der Europäischen Union darauf hin, dass es Nothilfen oder Notkredite für das griechische Gesundheitssystem bzw. die Krankenkasse EOPYY gibt, und welche Auswirkungen wären zu befürchten, falls keinerlei Hilfen für das griechische Gesundheitssystem gewährt würden? Bitte, Frau Staatssekretärin. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Ich habe in meiner Antwort auf die erste dringliche Frage bereits darauf hingewiesen, dass es keine Anfragen seitens der griechischen Regierung und aus diesem Grunde auch keine Überlegungen in unserem Hause zu diesem Thema gibt. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre erste Nachfrage. Harald Weinberg (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Ich wiederhole noch einmal die Frage, um deutlich zu machen, worum es geht. Die Frage lautet: Arbeitet die Bundesregierung in der Europäischen Union darauf hin, dass es Nothilfen oder Notkredite für das griechische Gesundheitssystem bzw. die Krankenkasse dort geben soll? Die Frage ist also nicht, ob Griechenland Kreditanfragen an Sie gerichtet hat und ob Sie Kredite gewähren, sondern ob Ihre politische Strategie in der Europäischen Union darauf ausgerichtet ist, diese Nothilfen zur Verfügung zu stellen. Auf diese Frage hätte ich gerne eine Antwort. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege Weinberg, ich habe eben schon darauf verwiesen, dass das ein laufender Prozess innerhalb der Europäischen Kommission ist, über den ich gerne informiere, wenn ich das notwendige Wissen habe. Zurzeit habe ich es nicht. Vizepräsidentin Petra Pau: Eine zweite Nachfrage. Harald Weinberg (DIE LINKE): Ich habe noch eine zweite Nachfrage. Einem Bericht der Bundesregierung habe ich Folgendes entnommen: In einem am 5. Juni in Brüssel geführten Gespräch zwischen Vertretern des BMG und dem Leiter der Taskforce bei der Europäischen Kommission, Herrn Reichenbach, bestand Einvernehmen darüber, dass die bisherigen Initiativen zur Unterstützung Griechenlands im Gesundheitsbereich im Falle einer Regierungsbildung durch bislang die Regierung tragende Parteien grundsätzlich fortgesetzt werden können. Ich betone: im Falle einer Regierungsbildung durch bislang die Regierung tragende Parteien. Wenn es nun in Griechenland zu einer Regierungsbildung ohne die bislang die Regierung tragenden Parteien kommt, stellt sich die Frage: Wird die Initiative dann eingestellt, oder wird sie fortgesetzt? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege Weinberg, das werden wir entscheiden, wenn es so weit ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Vogler. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Frau Staatssekretärin, wollen Sie uns allen Ernstes erzählen, dass sich die Bundesregierung angesichts der am nächsten Wochenende stattfindenden Wahlen in Griechenland und vorliegender Umfrageergebnisse im Hinblick auf den Wahlausgang keine strategischen Gedanken gemacht hat, wie sie mit einem möglicherweise ihren Plänen entgegenstehenden Wahlausgang umgehen wird? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Liebe Kollegin Vogler, es gibt zurzeit keine Pläne, über die ich eine Aussage machen könnte. Ich finde es auch merkwürdig, hier über den Ausgang einer demokratischen Wahl in einem anderen Land zu spekulieren. Das steht mir nicht zu. Vizepräsidentin Petra Pau: Die dringliche Frage 3 der Kollegin Dr. Martina Bunge wird schriftlich beantwortet. - Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin. Nachdem die dringlichen Fragen aufgerufen und beantwortet worden sind, rufe ich jetzt die mündlichen Fragen auf Drucksache 17/9888 in der üblichen Reihenfolge auf. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler zur Verfügung. Die Frage 1 des Kollegen Dr. Ilja Seifert wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Dr. Matthias Miersch auf: Hat das Bundesministerium der Justiz die Forderungen des einstimmig angenommenen Antrags auf Bundestagsdrucksache 17/8344 - keine Patentierung von konventionell gezüchteten landwirtschaftlichen Nutztieren und -pflanzen - bereits umgesetzt, und wenn nein, warum nicht? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedauere, dass die Frage des Kollegen Seifert schriftlich beantwortet werden muss, weil ich zu der in dieser Frage thematisierten Behindertenkonvention gerne mündlich vorgetragen hätte. Selbstverständlich betrifft die Frage des Kollegen Miersch ebenfalls eine äußerst wichtige Thematik. Herr Kollege, Sie fragen nach der Umsetzung eines Antrags, der im Februar 2012 vom Bundestag bezüglich der EU-Biopatentrichtlinie beschlossen worden ist. Der genannte Antrag vom 17. Januar 2012 zielt unter anderem auf die Konkretisierung und Änderung der EU-Biopatentrichtlinie ab. Die Bundesministerin der Justiz hat bereits unmittelbar nach der Plenardebatte, die zu diesem Antrag stattgefunden hat, nämlich mit Schreiben vom 31. Januar 2012, den zuständigen EU-Binnenmarktkommissar Barnier auf die Meinungslage im Deutschen Bundestag aufmerksam gemacht. Die Bundesregierung hat in diesem Schreiben die Notwendigkeit unterstrichen, dass die EU-Kommission noch unter dänischer Ratspräsidentschaft einen neuen Bericht zur Umsetzung der Biopatentrichtlinie in den Mitgliedstaaten der EU vorlegen möge. Der Brief der Justizministerin enthält schließlich die Bitte, dass entsprechend Nr. 6 des Antrags und des Beschlusses des Bundestags in diesem Bericht "die ethischen Aspekte" von biotechnologischen Patenten "sowie die Folgen für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit und für die Forschung berücksichtigt" werden. Kommissar Barnier hatte bereits im November 2011 die Vorlage dieses Berichts zugesagt. Nach neueren Informationen soll der Bericht nunmehr im Oktober oder November dieses Jahres vorgelegt werden. Frau Präsidentin, die Frage erfordert leider, etwas ausführlicher auszuholen; denn der Antrag auf der genannten Drucksache spricht auch die Schaffung des EU-Patents an. Die Bundesregierung hat sich in den Beratungen dazu im Hinblick auf die Belange der deutschen Bauern und Züchter für eine sogenannte Unberührtheitsklausel zugunsten nationaler Sonderregelungen eingesetzt. Dazu besteht unter den EU-Mitgliedstaaten Konsens. Danach können sich deutsche Bauern und Züchter wie bisher gegenüber deutschen und europäischen Patenten künftig auch gegenüber den Inhabern des neu zu schaffenden EU-Patents auf die deutschen Sonderbestimmungen berufen, das heißt auf das Pflanzenzüchterprivileg und das Landwirteprivileg mit der Beweislastumkehr bei zufälliger Auskreuzung von Saatgut. Ich glaube, ich belasse es dabei. Der Herr Kollege setzt sowieso schon zu einer Zusatzfrage an. Ich kann Ihnen vielleicht dann den Rest meiner geplanten Antwort vortragen. Vizepräsidentin Petra Pau: Er stellt garantiert eine Nachfrage. - Bitte, Kollege Miersch. Dr. Matthias Miersch (SPD): Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für diese Antwort. Ich möchte mir die Anmerkung erlauben, dass sich diese Antwort auf meine zweite Frage bezogen hat. In meiner ersten Frage habe ich ganz bewusst nicht nach der europäischen Rechtslage gefragt. Der Antrag, den wir hier über alle Fraktionsgrenzen hinweg beschlossen haben, bezog sich vielmehr auf das nationale Patentgesetz und die Einführung eines Biopatentmonitorings. Können Sie mir dazu noch etwas sagen? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege, es ist in der Tat so, dass genau dieser Teil meiner Antwort der Zeitregel zum Opfer gefallen ist. Ich kann jetzt Ihre Zusatzfrage dazu nutzen, Ihnen den weiteren Teil meiner Antwort wie geplant vorzutragen. Soweit sich der von Ihnen zitierte Antrag auf das deutsche Patentgesetz bezieht, hat der Deutsche Bundestag eine Prüfung erbeten, ob und inwieweit auch ohne Änderung der EU-Biopatentrichtlinie Änderungen oder Klarstellungen zur Einschränkung der Patentierung von Tieren und Pflanzen möglich sind. Diese Prüfung läuft derzeit. Sie wirft ziemlich schwierige Fragen auf, einerseits Fragen des nationalen Regelungsspielraums im Rahmen EU-rechtlicher Vorgaben, andererseits auch Fragen der rechtlichen Konsequenzen einer abweichenden Regelung auf nationaler Ebene für die Wettbewerbssituation deutscher Unternehmen im Binnenmarkt. Zusammengefasst: Diese Prüfung läuft derzeit noch. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Dr. Matthias Miersch (SPD): Können Sie uns einen Zeitraum nennen, wann wir mit einem Ergebnis rechnen können? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Ja. Ich rechne mit einem Abschluss dieser Prüfung bis zum Ende dieses Jahres. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zur Frage 3 des Kollegen Miersch: Wird sich das Bundesministerium der Justiz im europäischen Patentrecht für ein klares Verbot der Patentierung von Züchtungsverfahren, von Züchtungsmaterial und Pflanzen und Tieren aussprechen und sich für eine Änderung der Biopatentrichtlinie auf EU-Ebene einsetzen? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Ich darf wie folgt antworten: Zunächst ist klarzustellen - das haben Sie aber selber schon gesagt -, dass sich der Beschluss des Bundestags, den wir gerade schon erörtert haben, nur auf konventionelle Züchtungsverfahren bezieht und nicht auf solche technischen Charakters wie etwa gentechnische Verfahren. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass das Verbot der Patentierung im Wesentlichen biologischer Verfahren, soweit die Verfahren selbst Gegenstand der Patentansprüche sind, in der EU-Biopatentrichtlinie ebenso wie im Europäischen Patentübereinkommen und im deutschen Patentgesetz eindeutig geregelt ist und dass diese Rechtslage durch den sogenannten Brokkoli-Beschluss der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 9. Dezember 2010 bestätigt worden ist. Die Bundesregierung ist weiterhin der Auffassung, dass sich aus dieser Rechtslage zwingend ergibt, dass auch die mittels solcher vom Patentschutz ausgeschlossenen Verfahren gewonnenen Erzeugnisse nicht patentierbar sind. Mit dieser Thematik wird sich übrigens die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts auch noch im Zusammenhang mit dem sogenannten Tomaten-Patent befassen. Was die Prüfung eines möglichen Änderungsbedarfs der Biopatentrichtlinie der EU angeht, wird die Bundesregierung den vorhin schon erwähnten Bericht der EU-Kommission abwarten, um ein Gesamtbild über den Stand der Umsetzung und den gegebenenfalls erkennbaren Reformbedarf zu erhalten. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Dr. Matthias Miersch (SPD): Herr Staatssekretär, in diesem Zusammenhang hat sich der Deutsche Bundestag angesichts der Entwicklung, die wir auf europäischer Ebene beobachten -können, und der Tatsache, dass sehr vielfältig in die Ernährung der Menschen in Europa eingegriffen wird, -einvernehmlich dafür ausgesprochen, ein Biopatentmonitoring nationalstaatlich zu organisieren. Deswegen meine Frage: Haben Sie dieses Monitoring gestartet, bzw. wann tritt es in Kraft? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Dies ist in der Tat auch Gegenstand des Beschlusses des Parlaments vom 8. Februar. Nach meiner Information ist es so, dass nachgeordnete Stellen des Landwirtschaftsministeriums - dafür ist das Justizministerium nicht zuständig - dieses Anliegen des Parlaments -erfüllen werden. In diesem Beschluss sind wir weiterhin aufgefordert worden, den Dialog mit den von Biopatenten betroffenen gesellschaftlichen Gruppen zu führen. Auch dies geschieht laufend. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Dr. Matthias Miersch (SPD): Auch hierzu frage ich ganz konkret: Wann können wir damit rechnen, dass wir dieses Monitoring installiert bekommen? Wann startet die Bundesregierung damit? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Es wird kein Monitoring in dem Sinne geben, dass die Bundesregierung sozusagen die letzte Revisionsinstanz wäre. Was gewünscht wird, nämlich Entwicklungen frühzeitig erkennen zu können und in angemessenen Zeiträumen einen Bericht über die Auswirkungen des Patentrechts vorzulegen, wird jetzt laufend durch nachgeordnete Stellen des Landwirtschaftsministeriums -geleistet werden. Vizepräsidentin Petra Pau: Für eine weitere Nachfrage hat der Kollege Harald Ebner das Wort. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, Sie hatten beschrieben, dass die Bundesregierung die Patentierung der biologischen Verfahren für eindeutig geregelt hält. Der Bundestag war mit seinem interfraktionellen Antrag einer anderen Meinung. Alle Fraktionen haben sich geeinigt, diesen Antrag zu verabschieden, weil da Regelungsbedarf gesehen wurde. Ich möchte Sie fragen, wie Sie sich angesichts Ihrer Erläuterungen die große Zahl von mehreren Hundert faktisch erteilten Patenten auf konventionelle Züchtungen erklären. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Kollege, noch einmal: Ich habe die Rechtslage dargestellt. Ich habe auch ausgeführt, dass das Ganze -unserer Meinung nach geregelt ist. Es wird aber Gesetzgebungsverfahren geben bzw. solche sind schon im Gang, bei denen diese Fragen und die von Ihnen angeführten Beobachtungen aus der Praxis in dem Sinne erörtert werden können, ob es dennoch einen Klarstellungsbedarf gibt. Dabei ist auch die Frage zu beantworten, inwieweit hierbei nationaler Regelungsspielraum besteht. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Herr Staatssekretär. - Wir bleiben im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Sonja Steffen auf: Für wann sind die Verabschiedung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen durch das Kabinett und die Einbringung in den Deutschen Bundestag geplant? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Die Frage der Kollegin Steffen berührt in der Praxis wirklich sehr viele Menschen, sodass die potenziell -Betroffenen sicherlich darauf warten, dass die Gesetz-gebung hierbei voranschreitet. In der Tat ist die Verabschiedung des Gesetzentwurfs, den Sie mit Ihrer Frage ansprechen, durch das Kabinett noch für den Sommer 2012 geplant. Die Einbringung in den Deutschen Bundestag wird dann den üblichen Regeln entsprechend erfolgen, also dann, wenn sich der Bundesrat damit befasst hat. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Sonja Steffen (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Die erste Nachfrage betrifft den Inhalt des Entwurfs in Bezug auf das jetzige Vorhaben, dass die Rechtspfleger am Insolvenzverfahren stärker beteiligt werden sollen. Nach dem Entwurf ist beabsichtigt, dass die Rechtspfleger das Insolvenzverfahren und auch das Restschuldbefreiungsverfahren übernehmen sollen. Ist dies auch weiterhin beabsichtigt? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Frau Kollegin Steffen, die Ressortabstimmung zu diesem Gesetzentwurf ist noch nicht abgeschlossen, sodass ich im Moment keine verbindlichen Aussagen darüber machen kann, wie genau der Kabinettsbeschluss aussehen wird. Wir müssen das noch abwarten. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Sonja Steffen (SPD): Die zweite Nachfrage betrifft auch den jetzt vorgesehenen Inhalt des Entwurfs. Sie bezieht sich auf das -Vorhaben, das Verfahren der Restschuldbefreiung zu verkürzen. Dies ist allerdings an die Tilgung von Gläubigerforderungen gekoppelt. Wie ist denn dazu der aktuelle Stand im Ministerium? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Frau Kollegin Steffen, ein wesentlicher Teil des Gesetzentwurfs ist, dass die Restschuldbefreiung deutlich früher erlangt werden kann, als dies nach bisherigem Recht der Fall ist. Bekanntlich ist das nicht völlig unumstritten; denn auf der anderen Seite stehen die Interessen der Gläubiger. In der Praxis hat sich die jetzige Restschuldbefreiung sehr bewährt. Nach dem Prinzip, dass jeder eine zweite Chance verdient, hat sich nämlich ergeben, dass mit diesem Instrument eben kein Missbrauch betrieben worden ist. Vielmehr zeigte sich: Menschen, die in eine finanzielle Notlage gekommen sind, konnten nach der Restschuldbefreiung wieder von vorne beginnen. Dieses In-strument ist durchaus erfolgreich gewesen. Aus diesem Grund schlagen wir vor, dass künftig schon nach drei Jahren die Restschuldbefreiung eintreten kann, falls eine bestimmte Quote der Forderungen erfüllt ist. Der Gedanke war, bei etwa 25 Prozent anzusetzen. Aber selbstverständlich sind in der politischen Debatte gerade die Fragen der Fristen und der zu erreichenden Quote strittig. Daher muss ich Sie noch um wenige Wochen Geduld bitten, bis nach der Ressortabstimmung der endgültige Entwurf dem Parlament vorgelegt werden kann. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen dann zur Frage 5 der Kollegin Sonja Steffen: Welche Änderungen sind vom Bundesministerium der Justiz nach Einholung der Stellungnahmen der Verbände gegenüber dem Referentenentwurf geplant? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Die Frage 5 geht ein wenig in die Richtung der zweiten Nachfrage von Kollegin Steffen nach den geplanten Änderungen. Hierzu habe ich schon ausgeführt, dass die Ressortabstimmung gerade im Gange ist; sie ist noch nicht abgeschlossen. Stellungnahmen der Länder und der interessierten Verbände sind eingeholt und werden jetzt ausgewertet. Nach dieser Auswertung und nach der Abstimmung können wir Ihnen vortragen, ob es zu Änderungen gegenüber dem Entwurf, den ich skizziert habe, kommen wird. Dieser Entwurf basiert, wie gesagt, auf der Idee, schon nach der relativ kurzen Zeit von drei Jahren bei -einer bestimmten Wohlverhaltensquote zur Restschuldbefreiung zu gelangen. Dem zugrunde liegen gute Erfahrungen mit dem jetzt geltenden Recht, das wir damit ausbauen würden. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben die Möglichkeit zu einer weiteren Nachfrage. Sonja Steffen (SPD): Ich habe eine Frage in Bezug auf die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens. Wir können dann also damit rechnen, dass der Entwurf nach der Sommerpause hier ins Plenum kommt? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Ich rechne damit, dass der Bundesrat nach der Sommerpause seinen ersten Durchgang durchführen wird. Wenn dies geschehen ist, kommt der Gesetzentwurf ins Plenum. Vizepräsidentin Petra Pau: Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Nein. Dann kommen wir zur Frage 6 des Kollegen Burkhard Lischka: Wird die Bundesregierung einen Regelungsvorschlag für eine eigene Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung, Quellen-TKÜ, vorlegen? Bitte, Herr Stadler. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Das ist eine Thematik, Herr Kollege Lischka, über die wir uns im Rahmen der Fragestunde schon einmal -ausgetauscht haben. Nach wie vor gilt, dass es eigenständige Rechtsgrundlagen für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung im präventiven Bereich teilweise bereits gibt, beispielsweise in § 20 I Abs. 2 des Bundeskriminalamtgesetzes. Für den Bereich der Strafverfolgung - darauf zielt Ihre Frage sicherlich ab - wenden die Gerichte § 100 a Strafprozessordnung auch für diese Art der Überwachung von Telefonaten an der Quelle an. Hierzu gibt es mittlerweile eine Rechtsprechung, die sich verfestigt hat. Ob es geboten ist, gesetzliche Regelungen zusätzlich vorzusehen, ist gerade Gegenstand einer intensiven -Prüfung der Bundesregierung, in die die Erkenntnisse aus der derzeit noch laufenden Entwicklung der für die Durchführung einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung erforderlichen Software ebenso einfließen -werden wie die Hinweise, die wir zwischenzeitlich von Experten, übrigens auch im Unterausschuss Neue -Medien des Bundestags, erhalten haben. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Burkhard Lischka (SPD): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Darf ich dann -Ihrer Antwort entnehmen, dass nach Auffassung der Bundesregierung § 100 a StPO im Bereich der Strafverfolgung trotz gewichtiger Gegenstimmen in der Rechtsliteratur und in der Wissenschaft eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Quellen-TKÜ darstellt? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Sie dürfen meiner Antwort entnehmen, dass es mittlerweile einhellige Praxis der Gerichte ist, § 100 a als Rechtsgrundlage heranzuziehen, und dass wir diese in richterlicher Unabhängigkeit getroffenen Entscheidungen respektieren. Wir hatten darüber ja schon einmal, in der Fragestunde im Oktober 2011, gesprochen. Nachträglich ist bekannt geworden, dass es insoweit nicht nur Entscheidungen von Instanzgerichten gibt, sondern auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die sich auf § 100 a StPO gestützt hat. Gleichwohl bleibt offen, ob wir für die Zukunft noch Modifizierungen brauchen, die der Gesetzgeber vorzunehmen hätte. Das hängt ein wenig davon ab, wie sich die technische Entwicklung darstellt. Es wird ja jetzt versucht, eine, wenn ich das so unjuristisch sagen darf, grundrechtsschonendere Software zu entwickeln. Von der Frage, was diese Software kann und was man in diesem Zusammenhang verbieten muss, hängt letztlich ab, ob es für den Gesetzgeber noch Regelungsbedarf über den § 100 a StPO hinaus gibt. Eine Entscheidung haben wir noch nicht getroffen; wir prüfen noch. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Burkhard Lischka (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben die Entwicklung einer Software angesprochen. Daran schließe ich meine zweite Frage an: Liegen der Bundesregierung denn Erkenntnisse darüber vor, ob derzeit bei den Bundesbehörden die Quellen-TKÜ angewandt wird? Oder wird die Quellen-TKÜ nicht angewandt, solange eine Software entwickelt wird? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Ich habe jedenfalls die sichere Erkenntnis, dass in Bayern, wo sich ein Fall ereignet hat, der die Debatte darüber überhaupt erst ausgelöst hat, und wo durch das Landgericht Landshut festgestellt werden musste, dass die sogenannten Screenshots nicht zulässig sind, die Staatsregierung entschieden hat, diese Software nicht mehr einzusetzen. Ich habe jetzt keinen schriftlichen Beleg dazu, ob das im Bereich der Bundesregierung auch so ist. Ich würde vorschlagen, dass ich diesen Teil der Antwort schriftlich nachtrage, bevor ich hier etwas Unrichtiges sage. Dann haben Sie eine zuverlässigere Information, als wenn ich jetzt aus der Lamäng eine Antwort geben würde. Vizepräsidentin Petra Pau: Das halten wir so fest. Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Marianne Schieder auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, die Regelung des § 52 a des Urheberrechtsgesetzes, welche die Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material in engen Grenzen für Unterricht und Forschung, zum Beispiel im Intranet der Universität, erlaubt und zum 31. Dezember 2012 ausläuft, zu verlängern bzw. zu entfristen, und, wenn nein, warum nicht? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Beim § 52 a des Urheberrechtsgesetzes geht es bekanntlich darum, dass für Unterricht und Forschung urheberrechtlich geschütztes Material in engen Grenzen und unter bestimmten Voraussetzungen genutzt werden kann. Diese Regelung ist noch unter Regierungsverantwortung der SPD eingeführt worden, jedoch befristet, weil man die praktischen Auswirkungen sehen wollte. Es gab dann erneute Befristungen. Nun läuft die Frist zum 31. Dezember 2012 aus, sodass zu entscheiden ist, wie man weiter vorgeht. Zur Vorbereitung dieser Entscheidung hat das Bundesministerium der Justiz eine Evaluierung des § 52 a des Urheberrechtsgesetzes vorgenommen. Diese Evaluierung ist noch nicht vollständig abgeschlossen. Das Bundesministerium der Justiz wird den entsprechenden Bericht demnächst dem Deutschen Bundestag zuleiten. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Herr Staatssekretär, bis zum 31. Dezember ist nicht mehr viel Zeit. Können Sie denn wenigstens in groben Zügen sagen, wie das Ergebnis dieser Evaluierung aussieht? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Ich kann nur sagen, dass das Bundesministerium der Justiz anstrebt, dass es bei der Regelung des § 52 a des Urheberrechtsgesetzes bleibt. Vizepräsidentin Petra Pau: Zweite Nachfrage. Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): In welcher Form, Herr Staatssekretär? Streben Sie das an, indem Sie die Frist wieder verlängern oder indem Sie das Ganze entfristen? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Diese beiden Möglichkeiten stehen zur Debatte. Darüber ist eine Entscheidung noch nicht getroffen. Insbesondere gibt es auch noch keine abgestimmte Haltung der Bundesregierung, weil, wie gesagt, der Evaluierungsbericht gerade erst ausgewertet wird. Aber bei den von Ihnen zu Recht genannten zeitlichen Vorgaben ist klar, dass Sie in allernächster Zeit mit einem Entwurf rechnen können. Vizepräsidentin Petra Pau: Damit kommen wir zur Frage 8 der Kollegin Brigitte Zypries: Wann wird die Bundesregierung, der Ankündigung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP folgend, den Dritten Korb zur Reform des Urheberrechts vorlegen, und welche konkreten Regelungen werden darin enthalten sein? Bitte. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, würde ich gern die Fragen 8 und 9 von Frau Kollegin Zypries im Zusammenhang beantworten. Darin geht es um den sogenannten Dritten Korb zum Urheberrecht und um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Vizepräsidentin Petra Pau: Natürlich. Dann rufe ich auch die Frage 9 der Kollegin Brigitte Zypries auf: Wie wird das vom Koalitionsausschuss am 4. März 2012 beschlossene Leistungsschutzrecht für Presseverlage genau ausgestaltet sein? Damit gibt es die Möglichkeit, vier Nachfragen zu stellen. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Das innerhalb der Bundesregierung für das Urheberrecht zuständige Bundesministerium der Justiz wird noch vor der Sommerpause den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage vorlegen. Mit einem solchen Leistungsschutzrecht soll den Presseverlegern das ausschließliche Recht eingeräumt werden, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Urheber sind angemessen an der Vergütung zu beteiligen. Darüber hinaus erarbeitet das Bundesministerium der Justiz derzeit Eckpunkte für ein weiteres Gesetz mit Änderungen im Urheberrecht. Diese Eckpunkte werden verschiedene Bereiche umfassen, beispielsweise Regelungen zur Nutzung sogenannter verwaister Werke. Die Arbeiten hieran sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Brigitte Zypries (SPD): Herr Staatssekretär, Sie hatten ja vor einigen Wochen im Unterausschuss Neue Medien gesagt, dass das Justizministerium prüfe, in welcher Form der Beschluss des Koalitionsausschusses zum Leistungsschutzrecht tatsächlich umgesetzt werden könne. Jetzt entnehme ich Ihren Worten, dass es dabei bleiben soll, dass Herausgeber von Zeitungen das ausschließliche Recht haben, ihr Presseerzeugnis ganz oder in Teilen zu gewerblichen Zwecken online öffentlich zugänglich zu machen. Das heißt, die streitige Frage der Snippets wäre damit entschieden: Es bleibt nach wie vor Sache der Verlage, ob sie sie zugänglich machen wollen oder nicht. Habe ich Sie da richtig verstanden? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Ich habe Ihnen das Grundprinzip des geplanten Leistungsschutzrechts dargestellt. Zu dem Zeitpunkt, als ich in Ihrem Ausschuss vortragen durfte, war noch fraglich, wie der Beschluss des Koalitionsausschusses umgesetzt wird. Wir machen jetzt den Vorschlag, dass ein Leistungsschutzrecht eingeführt wird. Das heißt, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen, ist dann das ausschließliche Recht der Presseverlage - also nicht mehr ein von den Urhebern abgeleitetes Recht -, mit den Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, etwa bei Verstößen Unterlassungsklage zu erheben oder mit anderen Nutzern Gebührenvereinbarungen zu treffen. Über die genaue Abgrenzung muss man dann im Gesetzgebungsverfahren reden. Klar ist beispielsweise, dass das Recht, zu zitieren, weiterhin besteht, so wie es dem jetzigen Urheberrecht entspricht. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Brigitte Zypries (SPD): In Bezug auf Zitate ist das richtig. Ich muss aber noch einmal auf die Snippets zurückkommen. Die Sonder-regelung, dass man Ausschnitte aus Werken bei Google findet, ist eigentlich der wesentliche Kern des Streits. Ich habe noch nicht ganz verstanden, wie Sie dieses Problem lösen wollen. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Das Problem wird in der Weise gelöst, dass eine bloße Verlinkung selbstverständlich nicht das Leistungsschutzrecht tangiert. Wenn hingegen ein News-Aggregator auch nur kleine Teile eines Presseerzeugnisses ins Netz stellt, wäre das von dem neuen Leistungsschutzrecht erfasst, mit der gerade schon genannten Folge, dass entweder das Unterlassen begehrt werden kann oder aber, was wir als wahrscheinlicher ansehen, die Beteiligten sich über eine finanzielle Vergütung einigen. Wichtig ist, dass die private Nutzung vom Leistungsschutzrecht nicht berührt wird; das sage ich noch einmal, damit kein Missverständnis bezüglich dessen Reichweite entsteht. Das Leistungsschutzrecht bezieht sich auf einen eng begrenzten Bereich und soll für diesen ähnliche Regelungen schaffen, wie es sie für Rechteverwerter in anderen Bereichen schon gibt. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur nächsten Nachfrage. Brigitte Zypries (SPD): Gehe ich recht in der Annahme, Herr Staatssekretär, dass Sie nicht mit Filtersoftware kontrollieren wollen, ob jemand Google News gewerblich oder privat nutzt? Wie aber wollen Sie das kontrollieren? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Die Frageform "Gehe ich recht in der Annahme" geht ja auf die berühmte Sendung Was bin ich? mit Robert Lembke zurück. (Brigitte Zypries [SPD]: Ich nehme die 5 Euro auch!) Dort war es ja so, dass ein Nein zum Ende der Fragezeit und damit des Fragerechts geführt hat. Diese Gefahr besteht bei Ihnen nicht, weil Sie noch die Möglichkeit einer weiteren Nachfrage haben. Ich kann Ihre Frage aber kurz und bündig mit Ja beantworten. Es soll also keine Überwachungssoftware eingesetzt werden. Ob eine private oder gewerbliche Nutzung vorliegt, hängt natürlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Aber die grundsätzliche Trennlinie wird im Gesetz klar enthalten sein. Sicherlich wird es in der Praxis Einzelfälle geben, in denen geklärt werden muss, ob eine Nutzung noch privat oder schon gewerblich ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre vierte Frage. Brigitte Zypries (SPD): Ich habe immer noch nicht ganz verstanden, wie man das feststellen will. Es stellt sich doch die Frage: Ist es privat oder gewerblich, wenn ich an meinem PC sitze und google und Zeitungsausschnitte für meine Arbeit als Abgeordnete suche? Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Noch einmal: Es ist nicht die Sache des Staates, Sie zu überwachen. (Brigitte Zypries [SPD]: Das denke ich auch!) Das werden Sie von einem liberal geführten Bundesjustizministerium zu Recht nicht erwarten. Zeitungsverleger erhalten vielmehr das Recht, ein Leistungsschutzrecht geltend zu machen. Wenn Sie der Meinung sind, dass ein Nutzer dieses Recht verletzt, dann muss man sich darüber auseinandersetzen, ob eine private Nutzung vorliegt. Da Sie als Abgeordnete nicht gewerblich tätig sind, kann ich Sie beruhigen: Der Fall wird hiervon nicht erfasst. Ich habe dabei nicht berücksichtigt, dass Sie natürlich auch eine Nebentätigkeit gewerblicher Art ausüben könnten und dann in den gewerblichen Bereich kämen. Das haben Sie aber, glaube ich, nicht gemeint. Vizepräsidentin Petra Pau: Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Wir kommen zur Frage 10 der Kollegin Andrea Wicklein. - Ich sehe, dass der Parlamentarische Staats-sekretär Steffen Kampeter nicht anwesend ist. Kann mir die Bundesregierung Auskunft erteilen, ob Herr Kampeter auf dem Weg ist? - Ich schlage vor, wir stellen die Fragen 10 und 11 einen Moment zurück, bis ich Informationen bekommen habe. Die Frage 12 des Kollegen Dr. Axel Troost, die Frage 13 des Kollegen Richard Pitterle, die Fragen 14 und 15 der Kollegin Dr. Barbara Höll, die Fragen 16 und 17 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, die Frage 18 des Kollegen Andrej Hunko, die Frage 19 des Kollegen Hans-Christian Ströbele sowie die Fragen 20 und 21 der Kollegin Priska Hinz werden schriftlich beantwortet. Bis mir weitere Informationen vorliegen, rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe zur Verfügung. Die Frage 22 des Kollegen Dr. Ilja Seifert und die Frage 23 des Kollegen Anton Schaaf werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 24 der Kollegin Sabine Zimmermann auf: Wie wurde das Programm "Initiative zur Flankierung des Strukturwandels" bisher genutzt - bitte Mittelabfluss, Teilnehmerzahlen nach Maßnahmenart sowie durchschnittliche jährliche Ausgaben je Teilnehmer, Eingliederungsquote nennen -, und wie stellt sich die Mittelbindung durch Verpflichtungsermächtigungen für das Jahr 2012 und die Folgejahre dar? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin, die Ausgaben für die Initiative zur Flankierung des Strukturwandels, IFlaS, der Bundesagentur für Arbeit beliefen sich im Haushaltsjahr 2010 auf 126 Millionen Euro und im Haushaltsjahr 2011 auf 244 Millionen Euro. Im Jahr 2011 wurden rund 22 000 Eintritte in IFlaS-Maßnahmen gefördert, davon rund 13 000 mit dem Ziel Berufsabschluss, rund 1 500 Vorbereitungslehrgänge für die Externenprüfung und rund 7 300 sonstige berufliche Weiterbildungen, wie zum Beispiel Teilqualifikationen. Bis Ende März 2012 sind rund 5 000 Eintritte in IFlaS-Maßnahmen erfolgt, davon rund 2 500 berufliche Weiterbildungen mit Abschluss, rund 280 Vorbereitungslehrgänge für die Externenprüfung und rund 2 100 sonstige berufliche Weiterbildungen. Die durchschnittlichen jährlichen Ausgaben je Teilnehmer lagen nach Angaben der Bundesagentur für -Arbeit in der beruflichen Weiterbildung bei rund 7 700 Euro im Jahr 2011. Durchschnittszahlen für das angesprochene Programm liegen nicht vor. Angaben zur Eingliederungsquote der Teilnehmer an IFlaS-Maßnahmen liegen ebenfalls nicht vor. Für die Initiative zur Flankierung des Strukturwandels stehen mit 400 Millionen Euro im Jahr 2012 innerhalb des Eingliederungstitels der Bundesagentur für Arbeit mehr Mittel zur Verfügung als im Jahr 2011; da waren es 350 Millionen Euro. Von den 400 Millionen Euro wurden nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bis Mai dieses Jahres rund 114 Millionen ausgegeben. Für das Jahr 2013 sind Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 300 Millionen Euro vorgesehen. Das Programm ist also finanziell mehr als ausreichend ausgestattet. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Danke schön, Frau Präsidentin. - Es war die Rede davon, dass die Schlecker-Beschäftigten zu Erzieherinnen umgeschult werden sollen und auch andere Bereiche in Betracht kommen. Können Sie sicherstellen, dass die Maßnahmen im Rahmen des IFlaS-Programms zu einem qualifizierten Abschluss führen, das heißt, dass die Kolleginnen und Kollegen hier nicht nur mit einfachen Lehrgängen abgespeist werden? Vizepräsidentin Petra Pau: Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin, im Rahmen von IFlaS wird niemand "abgespeist". Die Bundesregierung kann natürlich keine erfolgreichen Abschlüsse von Weiterbildungsmaßnahmen garantieren. Ich kann Ihnen jedoch sagen, dass das Programm für diejenigen vorgesehen ist, die über keinen Berufsabschluss verfügen. Nach unseren bisherigen -Erkenntnissen trifft das für rund 35,4 Prozent der -Schlecker-Beschäftigten zu. Es handelt sich um ein Angebot im Rahmen dieses Programms, um diejenigen, die bisher über keinen Abschluss verfügen, entsprechend auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Darüber hinaus gibt es ein Angebot für diejenigen - wobei wir den Bedarf nicht quantifizieren können -, die länger als vier Jahre nicht mehr in ihrem erlernten Beruf tätig waren. Auch diese Beschäftigten werden über IFlaS gefördert. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Frage bitte. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Sie sprachen von den Ausbildungsmöglichkeiten zur Erzieherin oder zur Altenpflegerin. In dem Zusammenhang lautete meine Frage ganz konkret, ob es sich um Ausbildungen mit einem anerkannten Abschluss handeln soll. Immerhin geht die Ausbildung zur Altenpflegerin und auch zur Erzieherin über drei Jahre. Darüber hinaus würde mich noch etwas anderes interessieren. Viele Frauen haben gesagt, dass sie aus dem Bereich des Einzelhandels heraus möchten und lieber einen anderen Beruf erlernen wollen. Warum hat man sich gerade für die Ausbildungsgänge zur Erzieherin bzw. zur Altenpflegerin entschieden? Es gibt viele Frauen, die gerne in den Metallbereich wechseln würden. Das habe ich auf vielen Betriebsversammlungen gehört. Frauen haben sich eindeutig dahin gehend artikuliert, dass sie etwas anderes machen möchten, aber ganz gezielt in den Metallbereich wollen. Hier gibt es ebenfalls einen großen Bedarf an Arbeitskräften. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin, ich habe bei der Beantwortung der Frage 24 nicht über Erzieherinnen gesprochen, und Sie haben auch nicht danach gefragt. Ich will aber im Rahmen dieser Zusatzfrage gerne den Hinweis geben, dass wir nach den Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im ersten Quartal dieses Jahres bundesweit von rund 966 000 offenen Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt ausgehen. Es geht darum, Menschen, die in Arbeitslosigkeit geraten, für diese vielen offenen Stellen zu qualifizieren, die es eben unter anderem im Erziehungsbereich gibt. Niemand wird in einen solchen Weg gezwungen. Denjenigen jedoch, die geneigt sind, sich in diesem Bereich weiterzuqualifizieren, umzuschulen und die dafür auch geeignet sind, steht dieser Weg grundsätzlich zur Verfügung. Wir stellen sehr viel öffentliches Geld bereit - das habe ich Ihnen skizziert -, um Menschen in solche Bereiche umzuschulen, wenn sie es denn wollen. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen damit zur Frage 25 der Kollegin Sabine Zimmermann: Inwiefern erfüllen die Schlecker-Beschäftigten in der Regel die Voraussetzungen der Initiative zur Flankierung des Strukturwandels, und wie haben sich die Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung im Dritten Buch Sozialgesetzbuch, SGB III, gegenüber dem Vorjahr entwickelt, nach Teilnehmerzahlen und Ausgaben absolut wie relativ? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Zimmermann, in dieser Frage sprechen Sie das Programm in Bezug auf die Schlecker-Beschäftigten an. Ich antworte Ihnen wie folgt, wobei ich mich zum Teil wiederhole: Ziel der Initiative zur Flankierung des Strukturwandels - IFlaS - der Bundesagentur für Arbeit ist es unter anderem, durch berufliche Weiterbildungsförderung Arbeitslosen bzw. von Arbeitslosigkeit bedrohten Geringqualifizierten den Erwerb anerkannter Berufsabschlüsse bzw. Teilqualifikationen zu ermöglichen. Von den insgesamt seit Beginn der Schlecker-Insolvenz arbeitsuchend oder arbeitslos gemeldeten Schlecker-Beschäftigten haben nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 35,4 Prozent keine abgeschlossene Berufsausbildung und erfüllen damit grundsätzlich die Fördervoraussetzungen für IFlaS. Hinzu kommen diejenigen Beschäftigten bei Schlecker, die zwar über einen Berufsabschluss verfügen, aber mehr als vier Jahre in an- oder ungelernter Tätigkeit gearbeitet haben. Zu diesem ebenfalls grundsätzlich förderberechtigten Personenkreis liegen keine Zahlenangaben vor. Nach den statistischen Daten der Bundesagentur für Arbeit sind bis Ende Mai dieses Jahres im Rechtskreis des SGB III rund 50 000 Personen in eine geförderte berufliche Weiterbildung eingetreten. Das sind rund 25 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Gemäß den statistischen Daten der Bundesagentur für Arbeit wurden von Januar bis Mai 2012 rund 680 Millionen Euro für die Förderung der beruflichen Weiterbildung im Rechtskreis des SGB III verausgabt. Das sind rund 17 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. In diesem Vorjahreszeitraum, von Januar bis Mai 2011, betrugen die entsprechenden Ausgaben rund 820 Millionen Euro. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Insgesamt kann man feststellen, dass wir gegenüber dem letzten Jahr bei den Maßnahmen zur beruflichen Umschulung einen Rückgang von 30 Prozent haben. Da stellt sich mir schon die Frage, ob es angesichts des Sparkurses der Bundesregierung, der dazu geführt hat, dass es bei den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten zu enormen Einsparungen kommt, im Moment überhaupt richtig möglich ist, eine Vollzeitumschulung anzubieten. Sind Sie der Meinung, dass es möglich ist, diese Umschulung über die einzelnen Programme für mehrere Tausend Euro zu finanzieren? Stellt sich nicht auch Ihnen die Frage, woher das ganze Geld kommen soll? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin, der aktuelle Rückgang der Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei den Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung trägt insbesondere der deutlich verbesserten Arbeitsmarktlage und dem Auslaufen krisenbedingter Sonderregelungen Rechnung. Das heißt, der Umstand, dass wir eine Rekordbeschäftigung haben, dass die Arbeitslosigkeit so niedrig ist wie seit rund zwei Jahrzehnten nicht mehr, schlägt sich natürlich auch darin nieder, dass weniger Menschen solche Maßnahmen brauchen. Für diejenigen, die sie brauchen, steht in ausreichendem Maße Geld zur Verfügung. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Sie haben uns heute die Zahlen genannt, nach denen wir im Einzelhandelsbereich 27 000 offene Stellen und rund 300 000 arbeitslose Menschen haben. Da ist die Marktlage aus meiner Sicht eigentlich relativ schwierig: Das Verhältnis zwischen offenen Stellen und arbeitslosen Menschen liegt ungefähr bei 1 : 10 oder 1 : 12. Da stellt sich mir schon die Frage: Haben die Kolleginnen und Kollegen, die schon von der ersten Entlassungswelle betroffen waren, dieselbe Chance, zum Beispiel in das IFlaS-Programm zu kommen? Kann man angesichts der zweiten Entlassungswelle, die jetzt ansteht, und der sogenannten dritten Entlassungswelle, die bei Ihr Platz losgetreten werden soll, davon ausgehen, dass alle Beschäftigten die gleichen Chancen haben? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin, das IFlaS-Programm ist an die Kriterien gebunden, die ich Ihnen genannt habe: Da geht es um Menschen, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, oder um Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung, die seit mehr als vier Jahren nicht mehr im Beruf tätig gewesen sind. Auf sie ist das Programm IFlaS zugeschnitten, für das im nächsten Jahr 300 Millionen Euro vorgesehen sind. Ich habe Ihnen heute Morgen in der Ausschusssitzung berichtet, dass davon bisher weniger als 1 Million Euro - 1 von 300 Millionen Euro - für andere Zwecke gebunden sind. Ich wiederhole deswegen gerne so oft, wie Sie danach fragen, dass hier für die verschiedenen Gruppen in den verschiedenen Programmen ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Die 27 000 Stellen, die ich Ihnen heute Morgen genannt habe, sind die bei der BA bekannten offenen Stellen im Einzelhandel. Ich kann Ihnen die Zahl der offenen Stellen nennen, die im Mai bundesweit bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet waren: 499 217. Geschätzt wird, dass es, wie gesagt, im ungeförderten ersten Arbeitsmarkt ungefähr doppelt so viele offene Stellen gibt, das heißt rund 1 Million Stellen im ersten Arbeitsmarkt, die auch den rund 30 000 Menschen zur Verfügung stehen, die bedauerlicherweise von der Schlecker-Pleite betroffen sind. Deswegen haben wir dieses umfangreiche arbeitsmarktpolitische Instrumentarium: um eine Zahl von Menschen bundesweit für die vorhandenen Arbeitsplätze zu qualifizieren, um sie dafür fit zu machen, in dem Umfang, der jeweils notwendig ist. IFlaS ist da eine Maßnahme unter sehr vielen, für ganz bestimmte Personengruppen. Für sie steht genauso in ausreichendem Maße Geld zur Verfügung wie für andere. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Herr Staatssekretär. - Die Fragen 26 und 27 der Kollegin Brigitte Pothmer werden schriftlich beantwortet. Bevor wir fortfahren, halten wir für das Protokoll fest, dass die Fragen 10 und 11 der Kollegin Andrea Wicklein zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 28 der Kollegin Jutta Krellmann auf: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, für die Schlecker-Beschäftigten einen Sozialfonds bei der Bundesagentur für Arbeit einzurichten, um Zeit dafür zu gewinnen, vielleicht doch Investoren für einzelne Teile von Schlecker zu finden, vor dem Hintergrund, dass bei Schlecker wegen der Rechtsform des Einzelkaufmanns und der damit verbundenen fehlenden umfassenden Bilanzierungspflicht das Insolvenzgeld nicht zweckgerecht zur Überbrückung der Zeit der Investorensuche genutzt werden konnte, und prüft die Bundesregierung unabhängig davon die Bildung einer Transfergesellschaft für die von der zweiten Kündigungswelle betroffenen -Schlecker-Beschäftigten? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Vielen Dank, Frau Kollegin Krellmann. - Die Bundesregierung kann bei der Bundesagentur für Arbeit keinen Sozialfonds einrichten; hierzu fehlt es unter anderem an den maßgeblichen Rechtsgrundlagen. Unabhängig davon ist ein solcher Sozialfonds auch nicht erforderlich. Nachdem der Gläubigerausschuss am 1. Juni 2012 die Liquidation der Firma Anton Schlecker e. K. beschlossen hat, hat Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen am 7. Juni 2012 ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Verdi, Herrn Frank Bsirske, und dem Vorsitzenden des Vorstands der BA, Herrn Frank-Jürgen Weise, geführt. Ergebnis des Gesprächs ist, dass die BA die Beschäftigten von Schlecker mit dem gesamten zur Verfügung stehenden Instrumentarium der aktiven Arbeitsmarktpolitik unterstützen wird. Dies ist ihr Kerngeschäft, wie ich ausdrücklich betonen möchte. Für die Betroffenen kommen beispielsweise die Erprobung bei einem neuen Arbeitgeber mit dem Ziel des Übergangs in ein neues Arbeitsverhältnis, die Unterstützung und Qualifizierung bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz, etwa in Form von Bewerbungstraining und Coaching, sowie Anpassungsqualifizierungen in Betracht. Die BA kann im Rahmen der schon genannten Initiative zur Flankierung des Strukturwandels zudem Umschulungen zum Erwerb eines neuen Berufsabschlusses fördern, falls im erlernten Beruf keine Vermittlungschancen mehr bestehen. Für sämtliche Maßnahmen stehen im Haushalt der BA finanzielle Mittel in ausreichendem Umfang bereit. Die Voraussetzungen für die Prüfung der Einrichtung einer Transfergesellschaft für die jetzt von Kündigung bedrohten Schlecker-Beschäftigten liegen derzeit nicht vor. Bereits im Rahmen der Kündigung von rund 11 000 Schlecker-Beschäftigten im März dieses Jahres hat die Bundesregierung angeboten, technische Hilfestellung durch die Anweisung eines KfW-Kredits zu leisten. Voraussetzung dafür wäre allerdings gewesen, dass die Länder die Bürgschaft für den KfW-Kredit übernommen hätten; denn zum Umgang mit Finanzierungsanfragen von Unternehmen in Schwierigkeiten gibt es klare Absprachen und eine in der Vergangenheit regelmäßig geübte Praxis zwischen Bund und Ländern. Danach ist das Land, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, Ansprechpartner in Finanzierungsfragen und Koordinator zwischen den betroffenen Ländern. Hilfe durch den Bund kommt hingegen nur dann in Betracht, wenn die Bundesländer finanziell überfordert sind. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur Nachfrage. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Vielen Dank. - Sie haben eben die Gewerkschaft Verdi genannt. Wie steht die Bundesregierung dazu, dass nach Angaben der Gewerkschaft Verdi viele Schlecker-Frauen nach der ersten Kündigungswelle lediglich in unbezahlte Praktika oder Urlaubsvertretungen vermittelt wurden? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin, die entsprechenden Hinweise des Vorsitzenden der Gewerkschaft Verdi, Herrn Bsirske, sind der Bundesregierung bekannt. Ich kann die einzelnen Fälle so nicht nachvollziehen. Ich habe eben das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium beschrieben. Ich will an dieser Stelle noch einmal betonen: Wir haben in 172 Arbeitsagenturen mit 600 Geschäftsstellen bundesweit hochqualifizierte und hochmotivierte Menschen, die sich darum bemühen, die von Arbeitslosigkeit betroffenen bzw. bedrohten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Schlecker mit dem dafür vorgesehenen Instrumentarium wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Meine zweite Nachfrage passt sehr gut zu dem, was Sie eben gesagt haben. Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit in Baden-Württemberg, Eva Strobl, wies darauf hin, dass die guten Verdienstmöglichkeiten bei Schlecker ein Vermittlungshemmnis darstellen; denn Schlecker hat seinen Verkäuferinnen zwischen 10 und 14 Euro pro Stunde gezahlt, viele andere Unternehmen zahlen lediglich 9 bis 10 Euro. Die Frage ist: Wie ist die Position der Bundesregierung zu diesem Vermittlungshemmnis? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Die Bundesregierung betrachtet eine bestimmte Lohnhöhe nicht als Vermittlungshemmnis. Die Bundesregierung stellt finanziell und instrumentell ausreichend Mittel zur Verfügung, damit jedem Arbeitslosen und jedem von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen - die alle ein unterschiedliches Schicksal, verschiedene Qualifikationen und bestimmte Vorzüge und Defizite haben - individuell geholfen werden kann, wieder in Arbeit zu kommen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ich rufe die Frage 29 der Kollegin Jutta Krellmann auf: Inwiefern kann der EU-Globalisierungsfonds zur Unterstützung der Schlecker-Beschäftigten genutzt werden, und welche Initiativen plant die Bundesregierung zur Unterstützung der Schlecker-Beschäftigten über die angekündigten -obligatorischen Aktivitäten der Bundesagentur für Arbeit -hinaus? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Vielen Dank, Frau Kollegin Krellmann. - Der Europäische Globalisierungsfonds, EGF, kann zur Unterstützung der Schlecker-Beschäftigten leider nicht eingesetzt werden. Der EGF wurde im Jahr 2007 eingerichtet, um Entlassungen, die auf Verschiebungen im Welthandelsgefüge zulasten der EU beruhen, sozial abzufedern und dadurch die Solidarität der EU mit den betroffenen Personen sichtbar zu machen. Voraussetzung für einen Finanzbeitrag des EGF ist, dass die Entlassungen im Zusammenhang stehen mit weitgehenden strukturellen Veränderungen im Welthandelsgefüge, die zu einer schwerwiegenden Störung des Wirtschaftsgeschehens führen, insbesondere zu einem substanziellen Anstieg der Importe in die EU, zu einem raschen Rückgang des Marktanteils der EU in einem bestimmten Sektor und/oder zu einer Standortverlagerung in Drittländer außerhalb der EU. Die Entlassungen -müssen darüber hinaus unvorhersehbar gewesen sein. Reiner Strukturwandel soll und kann mit dem EGF nicht gefördert werden. Bei einer EGF-Antragstellung ist gegenüber der EU-Kommission die Erfüllung dieser Interventionsvoraussetzungen anhand von statistischem -Daten- und Informationsmaterial zu belegen. Die Anton Schlecker e. K. ist im Einzelhandel tätig. Der Einzelhandel besitzt keine derart global einfluss--reiche Stellung, aufgrund derer die Schlecker-Entlas-sungen auf die internationale Konkurrenzsituation zurückgeführt werden könnten. Damit kommt ein Einsatz des EGF anders als beispielsweise bei den deutschen EGF-Fällen BenQ, Nokia, in der Automobilzuliefer-industrie oder bei der Heidelberger Druckmaschinen AG nicht infrage. Im Übrigen steht sowohl im Bereich der aktiven Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch als auch im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ein flexibler Instrumentenkasten zur Verfügung, um die Schlecker-Beschäftigten zu unterstützen. Die mit der Frage zum Ausdruck gebrachte Auffassung, die sogenannten obligatorischen Instrumente seien unzureichend, teilt die Bundesregierung ausdrücklich nicht. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Im Grunde bringen die Fragen ja zum Ausdruck, dass wir und viele andere sehr bemüht sind, die Beschäftigung der betroffenen Kolleginnen und Kollegen zu sichern und zu schützen, auch für die Zukunft. Wir wollen Wege finden, um das zu ermöglichen. Daraus ergibt sich meine Frage: Im Zusammenhang mit der Insolvenz von Schlecker wurde die Idee formuliert, Unternehmensteile herauszulösen und dafür andere Unternehmensformen zu finden. Zum Beispiel wurde vorgeschlagen, den Betrieb als Genossenschaft weiterzuführen. Welche Position hat die Bundesregierung dazu? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Die Bundesregierung hat keine Kompetenz, solche Entscheidungen zu treffen. Die Bundesregierung konzentriert sich gemeinsam mit der Bundesagentur für -Arbeit darauf, die von Arbeitslosigkeit betroffenen -Menschen mit den bereits skizzierten bzw. im Detail diskutierten Instrumenten wieder in Beschäftigung zu bringen. Ich will an dieser Stelle wiederholen, was Ihnen aus der Ausschusssitzung bekannt ist: Von denjenigen, die im Rahmen der sogenannten ersten Welle entlassen worden sind und sich an die Bundesagentur für Arbeit gewandt haben, ist mehr als die Hälfte wieder aus der -Arbeitslosigkeit abgemeldet. Sie sind beispielsweise in Beschäftigung gekommen oder in eine Maßnahme vermittelt worden. Bisher konnte also mehr als der Hälfte der in diesem Zusammenhang arbeitslos gewordenen Menschen geholfen werden. Das heißt, wir haben nicht nur das Geld auf dem Konto und die Instrumente auf dem Papier, sondern wir helfen auch erfolgreich, um Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Ich fürchte, Sie haben meine Frage nicht verstanden oder ich habe sie nicht gut genug formuliert. Sie haben sich auf den Lösungsvorschlag bezogen. Ich habe aber nach Hilfestellungen gefragt. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, Hilfestellungen zu geben, damit die Idee, eine Genossenschaft zu gründen, realisiert werden kann? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin, die Bundesregierung und die Bundesagentur für Arbeit und alle anderen damit befassten -Stellen leisten selbstverständlich Hilfe auf Basis der Rechtslage, die wir in Deutschland haben. Die Rechtslage bilden im Wesentlichen die einschlägigen Gesetze und die darin benannten arbeitsmarktpolitischen Instrumente. Den von Ihnen genannten Vorschlag kann die Bundesregierung nicht beurteilen, jedenfalls nicht so spontan. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Herr Staatssekretär. - Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Bleser zur Verfügung. Die Fragen 30 und 31 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Harald Ebner auf: Mit welcher Begründung und aufgrund welcher Annahmen bzw. Risikoabwägungen insbesondere bezüglich einer möglichen Weiterverbreitung der gentechnisch veränderten Bakterien bzw. Übertragung der Erregergene auf andere Bakterien durch horizontalen Gentransfer hat die Bundesregierung dem Freisetzungsversuch mit einem gentechnisch veränderten Lebendimpfstoff gegen den Erreger Rhodococcus equi in Mecklenburg-Vorpommern zugestimmt, der eine nur seltene Form der Lungenentzündung bei Pferdefohlen auslösen kann? Bitte, Herr Staatssekretär. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Sehr verehrter Herr Kollege Ebner, zuständig für die Entscheidung über den Antrag der niederländischen Firma Intervet International auf Genehmigung der Freisetzung des gentechnisch veränderten Bakterienstammes Rhodococcus equi RG 2837 ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, kurz BVL. Bei dem Bakterienstamm handelt es sich um einen bakteriellen Lebendimpfstoff, der im Rahmen eines -Freisetzungsversuches Pferdefohlen verabreicht werden soll, um diese aktiv gegen pathogene Rhodococcus-equi-Stämme, die bei Fohlen Lungenentzündung auslösen können, zu immunisieren. Das BVL kommt in seiner Sicherheitsbewertung zu dem Schluss, dass von den Freisetzungsversuchen keine gentechnisch-spezifischen schädlichen Einflüsse auf Menschen und Tiere sowie auf die Umwelt zu erwarten sind. Nach Auffassung der Bundesregierung besteht keine Veranlassung, die Einschätzung und Entscheidung des BVL über die Genehmigung der Freisetzung im Wege der Fachaufsicht zu beanstanden. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Im Jahr 2011 hat die Firma Intervet bereits einen Freisetzungsversuch mit dem Impfstamm in den Niederlanden durchgeführt. Im Rahmen dieses Versuches wurden keine impfstoffspezifischen Besonderheiten festgestellt. Vorsorglich hat das BVL strenge Auflagen angeordnet, um die Freisetzung zu begrenzen und damit zu verhindern, dass sich größere Mengen der gentechnisch veränderten Bakterien außerhalb des Stallgebäudes in der Umwelt etablieren. Die Markteinführung eines wirksamen Impfstoffes würde dazu beitragen, den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zu vermindern und somit auch der Entstehung von Antibiotikaresistenzen, in diesem Fall bei Pferden, vorzubeugen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Was den Versuch in den Niederlanden angeht, war ich etwas anders informiert. Meines Wissens wurde dieser Versuch abge--brochen. Ich möchte aber nachfragen, woraus sich denn der konkrete Bedarf für solche Experimente ergibt. Schließlich sind Freisetzungsversuche immer mit Risiken verbunden, weil wir nicht wirklich in die Zukunft gucken können. Das zeigen auch die Sicherheitsauflagen, die das BVL hier vorsieht. Woraus ergibt sich also der konkrete Bedarf vor dem Hintergrund, dass eine Mehrheit der Tiermediziner der Meinung ist, dass Rhodococcus-Infektionen bei Fohlen im Zusammenhang mit nicht artgerechter oder zu groß dimensionierter Pferdehaltung auftreten und dass sich in zahlreichen Studien eine Impfung gegen diesen Erreger als wirkungslos erwiesen hat? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Kollege Ebner, der Bedarf ist von mir bereits geschildert worden. Wenn man damit Krankheiten bei -Tieren durch Impfung vermeiden kann, ist das sicher schon eine Rechtfertigung an sich. Ansonsten werden die Versuche ja erst durchgeführt. Erst danach wird die Entscheidung zu treffen sein, ob eine Zulassung ausgesprochen werden kann oder nicht. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann muss ich noch nachfragen, inwieweit denn die Bundesregierung die Risiken der geplanten Freisetzung des Lebendimpfstoffs vor dem Hintergrund für verantwortbar hält, dass die Annahme der Sicherheit dieses Impfstoffs für andere Säugetiere und Hühner allein auf Zellkulturversuchen beruht, dass eine Überwachung des Umweltverhaltens des gentechnisch veränderten Erregers gar nicht geplant ist - bislang liegen meines -Wissens auch keinerlei Erfahrungen mit solchen Fällen oder etwa ein Monitoring vor - und dass die möglichen Gefahren für Menschen weder gezielt untersucht wurden noch in Zukunft solche Untersuchungen vor Beginn eines Versuchs überhaupt geplant sind. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Kollege Ebner, aus genau diesem Grund hat das BVL besondere Auflagen erlassen, die bei der Durchführung dieser Versuche zu beachten sind. Ich werde Ihnen diese kurz vortragen: Die Pferde sind für die Dauer des Freisetzungsversuches ausschließlich in einem Stallgebäude zu halten, welches an drei Seiten mit festen Wänden und an der vierten Seite mit einem Gatter zu versehen ist. Solange am Versuch teilnehmende Pferde am Ort der Freisetzung gehalten werden, sind die Stallgebäude und deren unmittelbare Umgebung täglich zu kontrollieren; Stroh, Einstreu und Mist aus dem Stall sind zu verbrennen. Nachdem alle Studienpferde den Freisetzungsstandort verlassen haben, werden einmal im Jahr der Stall und die gesamte Bodenfläche in und vor dem Stall sowie sämtliche verwendete Gerätschaften mit einem geeigneten Desinfektionsmittel desinfiziert. Die Pferde sollen frühestens sechs Wochen nach der letzten Impfung auf das Hauptgestüt zurückgebracht werden. Es dürfen nur Tiere, die den gentechnisch veränderten Impfstamm nachweislich nicht ausscheiden, zum Hauptgestüt transportiert werden. Das sind die Auflagen, die das BVL zusätzlich erlassen hat, um auch diese Bedenken auszuräumen. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen damit zur Frage 33 des Kollegen Ebner: Wie bewertet die Bundesregierung das Schreiben zahlreicher Abgeordneter aller Fraktionen des Europäischen Parlaments vom 9. Januar 2012 zum Entwurf neuer Richtlinien für die Risikobewertung von gentechnisch veränderten Organismen, GVO, in der EU, das auch an die Vertreter der Bundes-regierung bei der EU und im Ständigen Ausschuss für die -Lebensmittelkette und Tiergesundheit, StALuT, gerichtet war und in dem grundsätzliche Bedenken gegen das Konzept der "vergleichenden Risikobewertung" und gegen unzureichende Fütterungsversuche mit GVO geäußert werden, und warum hat die Bundesregierung dieses Schreiben bis heute nicht beantwortet? Bitte, Herr Staatssekretär. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Kollege Ebner, der Bundesregierung ist das Schreiben von 16 Abgeordneten des Europäischen Parlaments vom 9. Januar 2012 zum Entwurf einer Kommissionsverordnung mit Durchführungsvorschriften für Anträge auf Zulassung von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln bekannt. Die Auffassung der Abgeordneten wird in die regierungsinterne Beratung zur Festlegung einer Position der Bundesregierung einbezogen. Bisher hat die Bundesregierung ihre Position zu dem Entwurf, der wiederholt geändert wurde, noch nicht abschließend festgelegt. Das habe ich hier schon mehrfach dargelegt. Die bisherigen Beratungen im -StALuT haben deutlich gemacht, dass ein erhebliches Abweichen von den derzeitigen Leitlinien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA, schwierig ist, zumal sich die Kommission bei ihrem Entwurf an diesen Leitlinien orientiert. Bei den Beratungen über Art und Umfang von Fütterungsversuchen ist zudem zu berücksichtigen, dass auch Tierschutzaspekte eine Rolle spielen. Das geltende EU-Recht schreibt für Tierversuche die konsequente Umsetzung des 3-R-Prinzips - auf Deutsch: Vermeiden, Verringern und Verbessern - vor. Demnach sind Tierversuche, wo immer möglich, zu vermeiden. Ich denke, da stimmen wir überein. Das Schreiben der Abgeordneten ist an den Herrn Kommissar John Dalli sowie an die dänische Umweltministerin Frau Ida Auken und die dänische Landwirtschaftsministerin Frau Mette Gjerskov als Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft gerichtet. Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union und die Vertreter der Bundesregierung im Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit, StALuT, haben dieses Schreiben nachrichtlich erhalten. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - In den parlamentarischen Debatten über GVO betont die Bundesregierung immer wieder die Bedeutung wissenschaftsbasierter Bewertungen. Inwiefern wird sich die Bundesregierung auf europäischer und auf nationaler Ebene jetzt dafür einsetzen, dass wissenschaftlich längst überholte Konzepte, zum Beispiel die von den Abgeordneten des Europäischen Parlaments angesprochene vergleichende Risikobewertung, oder gar wissenschaftlich unzulässige Verfahren, zum Beispiel Fütterungsversuche auf einer statistisch nicht sauber auswertbaren Basis, durch seriöse Risikobewertungen abgelöst werden, die zudem von Experten vorgenommen werden, die nicht durch direkte und indirekte Verflechtungen mit den Antragstellern einseitig vorbelastet sind? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Sehr geehrter Kollege Ebner, die Bundesregierung stützt sich hier auf die dafür zuständigen Stellen, die -dafür befugten Bewertungseinrichtungen sowohl auf -europäischer als auch auf nationaler Ebene. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön. - Es stellt sich ja genau die Frage, -inwieweit die zuständigen Stellen durch die Verflechtungen in ihrer Objektivität eingeschränkt sind. Es gibt einen Beschluss des EU-Umweltministerrates vom Dezember 2008, in dem sich die Umweltminister für verbesserte Standards und Vorgaben für das Zulassungsverfahren für GVO unter anderem unter umfassender Berücksichtigung von ökologischen und sozioökonomischen Auswirkungen des Anbaus von gentechnisch veränderten Organismen - da sind wir auch wieder beim Impfstoff - aussprechen. Wird die Bundesregierung entsprechend dieses Beschlusses konkrete Initiativen auf EU-Ebene einbringen, und, wenn nein, warum nicht? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Kollege Ebner, die Bundesregierung hat noch keine abschließende Position zu den Vorschlägen der Kommission eingenommen. Dies wird erst dann geschehen, wenn ein entsprechender Vorschlag auf dem Tisch liegt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob ökologische und sozioökonomische Auswirkungen im Rahmen einer wissenschaftlichen Bewertung betrachtet werden können. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Danke, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Wir kommen zu Frage 34 der Kollegin Ulla Jelpke. Die Kollegin ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Fragen 35 und 36 der Kollegin Dagdelen, die Frage 37 der Kollegin Keul und die Fragen 38 und 39 der Kollegin Agnes Brugger werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 40 des Kollegen Omid Nouripour auf: In wie vielen Fällen ist es bei der Bundeswehr seit 2001 zu Suizidversuchen gekommen, bei denen im Vorfeld eine Malaria-Chemoprophylaxe mit dem Medikament Lariam - Mefloquin - erfolgte, und welche Schlüsse zieht das Bundesministerium der Verteidigung aus der Tatsache, dass unter anderem Professor August Stich von der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit e. V., DTG, in einem Interview (vergleiche www.rbb-online.de/kontraste/ -archiv/kontraste_vom_03_05/riskante_malaria_prophylaxe.html) erklärte, dass die Chemoprophylaxe für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan unter Rückgriff auf das Medikament Lariam - Mefloquin - nicht den Empfehlungen der DTG entspräche? Bitte, Herr Staatssekretär. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Nouripour, Ihre Frage kann ich wie folgt beantworten: Die Zahl der Suizidversuche in der Bundeswehr seit 2001, bei denen im Vorfeld eine solche Prophylaxe erfolgte, wurde beim Bundesministerium der Verteidigung nicht statistisch erfasst. Solch eine Statistik wird derzeit nicht geführt. Es liegen auch keine Berichte vor, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Fällen von Suizid bzw. zwischen Suizidversuchen deutscher Soldatinnen und Soldaten und einer Medikation mit Lariam belegen oder nach denen auch nur ein vager Verdacht in dieser Richtung im Raum steht. Eine valide Beantwortung Ihrer Frage würde es notwendig machen, im Rückblick und im Längsschnitt die Zahl aller in der Bundeswehr dokumentierten Suizidversuche daraufhin zu untersuchen, ob im Vorfeld einer Dienstreise oder eines Einsatzes eine Malariaprophylaxe erfolgt ist. Dies wäre methodisch und zeitlich sehr aufwendig. Eine valide Beantwortung Ihrer Frage vom 8. Juni 2012 kann daher nicht fristgerecht erfolgen. Die Zahl der Selbsttötungen von Soldaten und Soldatinnen, die sich auf dem Balkan im Einsatz befanden, beträgt nach unserer Kenntnis gegenwärtig 13. Im Kosovo war eine saisonale Malaria-Chemoprophylaxe der eingesetzten Kräfte nicht erforderlich. Die Zahl der Selbsttötungen von Soldaten und Soldatinnen, die sich auf dem Balkan im Einsatz befanden, ist bislang allerdings deutlich höher als die Zahl der Selbsttötungen von Soldaten und Soldatinnen, die sich in Afghanistan und in Afrika im Einsatz befinden. Bei diesen Soldaten kam es in drei Fällen zu einer Selbsttötung. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege Nouripour. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für Ihre Antwort. - Ich glaube, zumindest einen Bericht kann ich Ihnen nach dieser Diskussion zur Verfügung stellen. Meine Frage hatte noch einen zweiten Teil. Er bezieht sich auf die Einschätzung von Professor August Stich von der DTG und die Einnahme von Lariam als Prophylaxe. Könnten Sie auch diesen Teil meiner Frage beantworten? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht, ist darauf hinzuweisen, dass die in der Medienberichterstattung wiedergegebene Auffassung von Professor Stich, der Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit ist, als eine wissenschaftliche Einzelmeinung zu qualifizieren ist, diese jedoch nicht den Standpunkt der Gesellschaft zur Malaria-Chemoprophylaxe darstellt. Dessen haben wir uns beim Vorsitzenden der Gesellschaft versichert. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Nouripour, Sie haben noch eine Nachfrage. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. - Dann trage ich Ihnen einmal die offizielle Darstellung der Gesellschaft vor: Reisende mit Aktivitäten, die eine ungestörte Aufmerksamkeit, räumliche Orientierung und Feinmotorik erfordern, sollten möglichst kein Lariam einnehmen. - Dies gilt auch im Hinblick auf die Einschätzung der amerikanischen Partner und deren Umgang mit ihren Soldaten. Das gilt auch für die Niederlande und Norwegen, die ihre Praxis mittlerweile verändert haben und kein Lariam mehr als Prophylaxe verabreichen, was im Gegensatz zu Ihrem Bericht steht, der mir vorliegt. Es gibt einen Informationsbogen für die Soldatinnen und Soldaten, die diesen unterschreiben und damit bestätigen, dass sie die Risiken und Nebenwirkungen zur Kenntnis genommen haben. In diesem Informations-bogen fehlen aber just die psychischen Nebenwirkungen, von denen man in der Packungsbeilage lesen kann: langandauernde neuropsychische Störungen, Suizidalität, Stimmungsschwankungen, Panikattacken, Vergesslichkeit, Verwirrtheit, Halluzinationen, usw. Die Frage, die sich mir stellt, ist: Warum? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, gestatten Sie mir zunächst, dass ich ergänzend darauf verweise, dass Sie am 25. Mai 2012 im Verteidigungsausschuss eine schriftliche Anfrage an unser Haus gerichtet und einen Bericht hierzu angefordert haben. Ich will der guten Ordnung halber nur darauf hinweisen, dass der zwölfseitige Bericht zu Detailfragen, die Sie gestellt haben, gestern vom Kollegen Kossendey der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses zugeleitet worden ist. Ich weiß nicht, ob dieser heute bereits weitergeleitet werden konnte. Soweit ich weiß, war dies auch im Verteidigungsausschuss ein Thema auf der Tagesordnung. Es bleibt natürlich richtig - ich sage das nicht aus medizinischer, sondern aus allgemeiner Kenntnis heraus -, dass vor der Einnahme von Lariam, die Nebenwirkungen mit sich bringen kann, das Risiko gegen den Nutzen abgewogen werden muss. Jeder, der solch eine Prophylaxe mit Lariam schon einmal hinter sich gebracht hat - als Soldat oder Zivilperson -, kann möglicherweise von Übelkeit und anderen Dingen berichten. Die Einnahme darf natürlich nur sehr zurückhaltend und immer erst nach Abwägung der Notwendigkeit erfolgen. Deshalb ist bei kurzfristigen Aufenthalten solch eine Prophylaxe auch gar nicht mehr indiziert. Das heißt nicht unbedingt, dass daraus ein Suizid-risiko entsteht. Sie hatten ja nach dem Suizidrisiko gefragt. Die Amerikaner verwenden nur noch teilweise Lariam. Das hat sicherlich auch sehr mit der speziellen juristischen Situation dort zu tun. Dort ist berichtet worden, dass diese Untersuchungen, soweit wir das wissen, zu keiner wissenschaftlichen Erhärtung eines höheren Suizidrisikos geführt haben. Ganz im Gegenteil - ich muss hier vorsichtig sein -: In den Streitkräften der USA, die seit 2009 Lariam nicht mehr regelhaft als Prophylaxe verwenden, ist es nicht zu einer Abnahme, sondern bedauerlicherweise zu einem Anstieg der Zahl an Selbsttötungen gekommen. Ich will das nicht korrelieren, weil die Ursachen hierfür woanders liegen mögen, aber das mag darauf hinweisen, dass die Position, die Professor Stich hier vertritt, sicherlich betrachtet werden muss. Eine Evidenz ist bisher aber nicht vorhanden. Es versteht sich von selbst, dass wir diesen Hinweisen natürlich trotzdem intensiv nachgehen werden, weil uns nichts ferner liegt, als die Soldaten einem zusätzlichen Risiko auszusetzen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung beendet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Frage 41 des Kollegen Richard Pitterle wird schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht uns die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 42 unserer Kollegin Elisabeth Scharfenberg: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der breiten und übereinstimmenden Kritik von Expertinnen und Experten und Verbänden an der vom Bundeskabinett am 6. Juni 2012 beschlossenen staatlichen Förderung für eine private Pflegezusatzversicherung, etwa des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V., GDV (vergleiche die tageszeitung vom 7. Juni 2012, ",Pflege-Bahr' wird zerpflückt"), wonach die geförderten Produkte im Extremfall so teuer werden könnten, dass "sich nur noch diejenigen versichern, bei denen ein hohes Risiko der Pflegebedürftigkeit" vorliege, und es daher sehr zweifelhaft sei, ob "unter diesen Voraussetzungen überhaupt ein Markt mit geförderten Vorsorgeprodukten entstehen" könne? Bitte schön, Frau Staatssekretärin. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Ich antworte wie folgt: Die der von der Bundesregierung geplanten staatlichen Förderung der Pflegevorsorge entgegengebrachte Kritik ist keineswegs übereinstimmend, sondern in sich widersprüchlich. So wird der -Bundesregierung in dem angeführten Artikel aus der -tageszeitung einerseits vorgeworfen, sie betreibe Klientelpolitik zugunsten der Privatassekuranzen und ermögliche Menschen mit kleineren Einkommen keine Förderung. Andererseits wird Kritik aus der Versicherungswirtschaft an den gesetzlich vorgesehenen Fördervoraussetzungen zitiert. Letztere zielen ausdrücklich darauf, dass in Zukunft, anders als derzeit meist der Fall, auch Personen mit geringeren Einkommen und im mittleren oder höheren Alter eine Pflegezusatzversicherung abschließen können. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Scharfenberg. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Es gibt aber auch massive Kritik aus der privaten Versicherungsindustrie. Danach habe sie unter anderem extreme Probleme mit dem Kontrahierungszwang, was an sich total in Ordnung und richtig ist. Aber dadurch muss die Versicherungs-industrie anders kalkulieren. Das heißt, entweder werden die Prämien höher oder die Ausschüttung wird später geringer sein. Können Sie mir noch einmal den Gewinn dieser Zusatzversicherung darlegen, wenn am Ende ein wirklich unattraktives Produkt herauskommt? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin, Scharfenberg, wir gehen nicht von unattraktiven Produkten aus, sondern wir haben diese -Zuzahlungsregelung ganz bewusst gewählt, weil wir wollen, dass Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen die Möglichkeit haben, eine zusätzliche Kapitalsäule neben der Pflegeversicherung, die jeder als -Teilversicherung hat, aus eigener Kraft aufzubauen. Das heißt, wir halten es für dringend erforderlich, dass die Versicherungswirtschaft Angebote entwickeln wird, die dann natürlich für diesen Kreis attraktiv sind. Hätten wir uns anders entschieden, wären wir zum Beispiel zu einer steuerlichen Förderung übergegangen, dann hätten wir genau den Kreis, den wir hier ansprechen wollen, nämlich die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen, nicht erreicht, sondern nur die mit den höheren Einkommen. Deswegen haben wir diesen Weg gewählt. Wir glauben, dass wir damit die Menschen in diesem Lande unterstützen, die in Eigenverantwortung eine Absicherung für den Pflegefall herbeiführen wollen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Frau Scharfenberg, Ihre zweite Nachfrage. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön. - Es gibt beim Abschluss dieser Versicherung keine Risikoprüfung. Das heißt, es wird nicht geschaut, wie krank oder gesund jemand ist oder welches Risiko er mitbringt. Aber es wird wohl eine Beitragsstaffelung nach Alter geben. Das heißt, je älter man ist und je größer natürlich das Pflegerisiko im Alter wird, desto höher wird die Prämie sein, die man zu zahlen hat. Im Grunde genommen ist das zwar keine Risikoprüfung, aber eine verdeckte Risikoverteilung. Gehen Sie nicht davon aus, dass sich der junge und gesunde Versicherungsnehmer erst einmal in der Produktpalette mit Risikoprüfung umschaut, um dann eventuell ein attraktiveres und günstigeres Produkt mit höherer Ausschüttung zu nehmen, während sich diejenigen, die sich keiner Risikoprüfung unterziehen können oder wollen, letztendlich bei den - ich sage es noch einmal - unattraktiven Produkten landen werden? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Scharfenberg, es gibt hier zum ersten Mal die Möglichkeit, dass jemand auf eine einfache und unbürokratische Art und Weise eine private Zusatzversicherung abschließen kann, auch wenn er kein hohes Einkommen hat. Ich glaube, dass wir das mit dem Weg, den wir beschritten haben, erreichen werden. Dass es ein Unterschied ist, ob jemand in meinem Alter eine Versicherung abschließt, was dann zu einem höheren Beitrag führen wird, oder in ihrem noch jugendlicheren Alter, wird jeder verstehen und für ziemlich normal halten. Das ist so bei Versicherungsverträgen. Wir müssen uns die endgültige Ausgestaltung anschauen. Aber ich denke, das wird ein attraktives Produkt. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Jetzt rufe ich die Frage 43 auf: Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass angesichts der Kosten für den Bundeshaushalt, die für die vom Bundeskabinett am 6. Juni 2012 beschlossene staatliche Förderung für eine private Pflegezusatzversicherung bei 15 Millionen förderungsfähigen Versicherungsverträgen in Höhe von circa 900 Millionen Euro anfallen würden (vergleiche Hamburger Abendblatt vom 7. Juni 2012, "Anbieter sehen,große Probleme' bei privater Pflegeversicherung"), diese Haushaltsmittel sinnvoller in die solidarische Pflegeversicherung zu investieren wären, um dort allen Versicherten bzw. allen Pflegebedürftigen zur Verfügung zu stehen? Bitte schön, Frau Staatssekretärin. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Danke, Herr Präsident. - Wir beantworten die Frage wie folgt: Die Bundesregierung teilt diese Ansicht nicht. Sie hat bereits am 28. März 2012 den Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung beschlossen, der sich mittlerweile in der parlamentarischen Beratung befindet. Der Entwurf richtet Leistungen der Pflegeversicherung neu aus und verbessert deren Leistungen insbesondere mit Blick auf an Demenz erkrankte Menschen in erheblichem Umfang. Unabhängig davon hält die Bundesregierung aber an der Konzeption der gesetzlichen Pflegeversicherung als Teilleistungssystem fest. Sie ist sich darin mit sämtlichen im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen grundsätzlich einig. Denn es gibt keine Fraktion, die bislang gefordert hat, im Rahmen der aktuellen Reform der Pflegeversicherung die Leistungen so zu erhöhen, dass sämtliche Pflegekosten getragen werden. Insoweit sind die Bürger und Bürgerinnen darin zu unterstützen, einen eigenen Beitrag zur Absicherung für den Pflegefall zu leisten. Mit der staatlichen Förderung der Pflegevorsorge gehen wir diesen Weg. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Ich denke, man sollte vorwegschicken: Uns geht es unterm Strich um alle Versicherten und Pflegebedürftigen. Aber wir gehen nicht davon aus, dass alle die private Zusatzversicherung abschließen werden. Es wird gemutmaßt, dass 1,5 Millionen Menschen sich dafür entschließen werden. Aber selbst wenn 10 oder 15 Millionen Personen diese Versicherung abschließen, haben wir nur einen Teil der gesamten Ver-sicherten in Deutschland erreicht. Es brauchen aber alle eine ordentliche Absicherung. Deshalb frage ich noch einmal, warum beim Entwurf des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes nicht nach einer nachhaltigen Finanzierungsform gesucht worden ist und warum so ein un-attraktives Produkt - ich nenne es noch einmal so - aus dem Hut gezaubert wird, das nur einen sehr geringen Teil der Bevölkerung erreichen wird. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Scharfenberg, ich verweise noch einmal darauf, dass die geltende Pflegeversicherung auch nach Meinung Ihrer Fraktion eine Teilpflegeversicherung ist. Keiner von uns möchte eine allumfassende Pflegeversicherung. Wir als bürgerlich-liberale Koalition wissen, dass wir trotzdem eine zusätzliche Absicherung brauchen, setzen aber auf das Eigenengagement der Menschen in diesem Lande und appellieren auch an die Menschen, eine solche Chance wahrzunehmen, die wir ihnen mit dem neuen Gesetz bieten werden. Die Anzahl der Anträge ist übrigens nicht gedeckelt, wie Sie wissen. Wenn es mehr Anträge geben sollte, dann werden diese auch genehmigt. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Scharfenberg. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Bundesgesundheitsminister Bahr wurde in den letzten Tagen mehrmals damit zitiert, dass er die Kritik von SPD und Grünen nicht verstehe. Wir hätten schließlich in der rot-grünen Regierungszeit die Riester-Rente eingeführt, die damit vergleichbar sei. Ich bitte Sie, mit diesem falschen Vergleich aufzuräumen und aufzuklären, worin der Unterschied zwischen der Riester-Rente als Teil der Altersvorsorge mit einem garantierten Ertrag und dem Pflege-Bahr - so nenne ich ihn einmal - liegt, der nämlich eine Risikoversicherung darstellt. Das heißt, bei der Riester-Rente gibt es immer eine Ausschüttung, aber die Zusatzpflegeversicherung wird nur im Bedarfsfall ausgeschüttet; andernfalls ist das Geld weg. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Das ist korrekt, Kollegin Scharfenberg. Aber beiden Systemen liegt eine Idee zugrunde. Ich finde, es ehrt beide Regierungen - Ihre damalige rot-grüne wie unsere heutige -, dass wir auf das Eigenengagement der Menschen setzen, dass zusätzlich zum sozialen Leistungssystem etwas aufzubauen ist. Wir haben in diesem Fall auf eine Risikoversicherung gesetzt. Ich erinnere daran, dass wir es mit anderen haushalterischen Bedingungen zu tun haben als damals die Schröder-Regierung. Ich glaube, dass dies - das muss ich noch einmal betonen - ein Angebot ist, bei dem sich jeder in Deutschland ernsthaft überlegen sollte, ob er es wahrnimmt. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Ich rufe die Frage 44 unseres Kollegen Dr. Harald Terpe auf: Wie hoch beziffert die Bundesregierung die Verwaltungskosten, die dem Bundeshaushalt durch die vom Bundeskabinett am 6. Juni 2012 beschlossene staatliche Förderung für eine private Pflegezusatzversicherung entstehen, und inwiefern hält sie diese Kosten im Verhältnis zur eigentlichen Fördersumme für angemessen? Bitte schön, Frau Staatssekretärin. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Wir beantworten die Frage wie folgt: Die vom Kabinett am 6. Juni beschlossene Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag zum Entwurf des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes zur Zulagenförderung der privaten Pflegevorsorge sieht vor, dass verschiedene Vorgaben zur Durchführung der Zulagenförderung im Rahmen einer Rechtsverordnung konkretisiert werden sollen. Eine detaillierte Berechnung der Verwaltungskosten der Durchführung der Pflegevorsorgeförderung ist daher erst nach Erarbeitung dieser Rechtsverordnung möglich. Durch weitestgehende Nutzung elektronischer Austauschverfahren zwischen der für die Zulagenförderung zuständigen Stelle und den Versicherungsunternehmen erscheint es jedoch möglich, die Kosten der Durchführung der Zulagenförderung auf unter 10 Millionen Euro jährlich zu begrenzen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Kollege Dr. Terpe. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verstehe ich Sie richtig, dass es sich auch für Sie bei der Begrenzung auf unter 10 Millionen Euro um eine relevante Größenordnung handelt? Bezogen auf die Summe von 90 Millionen Euro, bewegt sich der Verwaltungskostenanteil bei knapp 10 Prozent. Halten Sie es für angemessen, dass der Verwaltungskostenanteil so hoch angesetzt wird? Halten Sie diese Relation für vertretbar? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege Terpe, wir warten ab, wie die Rechtsverordnung aussehen wird. Wir werden alles tun, um die Verwaltungskosten in diesem Zusammenhang so niedrig wie möglich zu halten. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, welchen Prozentsatz der Verwaltungskosten hielten Sie persönlich für angemessen? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Liebe Kollege Dr. Terpe, Sie setzen auf mein munteres Mundwerk. Heute setzen Sie darauf vergebens. Ich werde hier nicht spekulieren. Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt wäre es interessant, wenn Sie noch eine weitere Nachfrage stellen dürften, Herr Dr. Terpe. (Heiterkeit) Ich rufe nun Frage 45 des Kollegen Dr. Terpe auf: Hält die Bundesregierung trotz der breiten und übereinstimmenden Kritik von Expertinnen, Experten und Verbänden an der Einführung der vom Bundeskabinett am 6. Juni 2012 beschlossenen staatlichen Förderung für eine private Pflegezusatzversicherung fest, und wenn ja, warum? Frau Staatssekretärin, Sie bemühen sich bestimmt auch hier. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege Dr. Terpe, unsere Antwort lautet wie folgt: Die gesetzliche Pflegeversicherung ist als Teilleistungssystem konzipiert. An dieser Grundkonzeption will nicht nur die Bundesregierung, sondern auch - das zeigen jedenfalls die vorhandenen Initiativen - die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen weiter festhalten. Die mit dem demografischen Wandel verbundenen Belastungen wird aber ein Teilleistungssystem allein nicht meistern können. Die Bürger und Bürgerinnen sind daher aufgefordert, neben der gesetzlichen Pflegeversicherung einen eigenen Beitrag zur Absicherung für den Pflegefall zu leisten. Dabei will sie die Bundesregierung unterstützen. Aus ihrer Sicht ist und bleibt die staatliche Förderung der privaten Pflegevorsorge daher ein wichtiger Beitrag zur nachhaltigen, generationengerechten Ausgestaltung der sozialen Sicherung. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Dr. Terpe. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Da Sie davon ausgehen, dass es sich bei der sozialen Pflegeversicherung um eine Teilleistungsversicherung handelt und dass die Betroffenen die Zuzahlungen aus ihren eigenen Einkünften bestreiten, verweise ich auf die Riester-Rente, die dazu dient, die Einkünfte im Alter entsprechend den Bedürfnissen zu verbessern und sich zusätzlich zum staatlichen Rentensystem abzusichern. Halten Sie es vor diesem Hintergrund nicht für vernünftiger, dass der Gesetzgeber die Gelder für die staatliche Förderung einer zusätzlichen Absicherung im Bereich der Pflegeversicherung im -Rahmen der Riester-Rente aufwendet? Das würde den Verwaltungsaufwand verringern, und es würde kein Zusatzsystem geschaffen, das - das zeigt die aktuelle Diskussion - wieder nur einen Teilbereich absichern kann. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege Dr. Terpe, wir haben uns natürlich auch mit diesem Gedanken befasst. Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass der Weg, den wir jetzt beschritten haben, auch im Hinblick auf die Haushaltssituation und unser Ziel, ein verschuldungsfreies Land zu werden, richtig ist. Ich weise an dieser Stelle auf die Anhörung hin, die uns allen noch bevorsteht. Wenn es irgendwo auf der Welt Vorschläge für eine vernünftige Lösung gibt, dann kann man immer noch entsprechende Änderungsanträge einbringen. Aber ich glaube das nicht. Aufgrund unserer bisherigen Prüfungen glaube ich, dass der beschrittene Weg der richtige ist. Vizepräsident Eduard Oswald: Dr. Terpe, eine weitere Nachfrage. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, ich nehme Ihre Freude über die gemeinsame Anhörung auf. Auch ich freue mich schon darauf. Ich möchte das Thema aber von einer anderen Seite beleuchten. Sie selbst haben gesagt, im Bedarfsfalle werde auch dann weiter gefördert, wenn mehr als 1,5 Millionen Verträge abgeschlossen würden. Wenn 15 Millionen Verträge abgeschlossen werden, sind wir schon bei 900 Millionen Euro Förderung. Wenn wir in Rechnung stellen, dass wir uns auf einen schuldenfreien Haushalt zubewegen wollen, dann ist das eine erhebliche Summe. Angesichts einer solchen Größenordnung hätte man das Riester-Prinzip weiter stärken können. Was sagen Sie denn zu dieser Auffassung von mir? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Lieber Kollege Dr. Terpe, Sie wissen, dass ich Haushälter war, bevor ich Gesundheitspolitiker wurde. Ich würde nie auf eine solch vage Vermutung hin ein Gesetz konzipieren. Wir haben jetzt erst einmal ein Paket geschnürt. Wir gehen von aus unserer Sicht realistischen Schätzungen der Interessenten für eine solche Versicherung aus. Meine Aussage basierte auf der Vermutung, es gebe eine Deckelung. Noch einmal: Das ist nicht der Fall. Wenn es mehr Menschen gibt, die einen Vertrag abschließen wollen, dann wird es auch entsprechende Versicherungen geben können. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen herzlichen Dank. Die Frage 46 wird von unserer Kollegin Frau Maria Klein-Schmeink gestellt: Inwiefern ist die vom Bundeskabinett am 6. Juni 2012 beschlossene staatliche Förderung für eine private Pflegezusatzversicherung in Höhe von 5 Euro monatlich für Geringverdiener, die wie andere Personen auch Eigenmittel von mindestens 10 Euro monatlich für die Zusatzversicherung beisteuern müssten, eine "notwendige und sinnvolle Ergänzung", die zudem dafür sorge, "dass die Pflegeversicherung demografiefest und stabil wird" (Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 6. Juni 2012, "Erstmals staatliche Förderung für die private Pflegevorsorge"), und warum unterlässt die Bundesregierung es gerade im Interesse solch vulnerabler Personengruppen, die solidarische gesetzliche Pflegeversicherung mit einer demografiefesten und stabilen Finanzierung auszustatten? Bitte schön, Frau Staatssekretärin. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Wir antworten darauf wie folgt: Die gesetzliche Pflegeversicherung ist als Teilleistungssystem konzipiert. An dieser Konzeption wollen wir alle nichts verändern. Insoweit war es bereits bisher sinnvoll, ergänzend selbst für das Risiko der Pflegebedürftigkeit vorzusorgen. Bereits bisher konnte dies auch über den Abschluss einer Pflegezusatzversicherung erfolgen. Allerdings - und darin besteht der Unterschied - beinhalten entsprechende Verträge bislang keinen Kontrahierungszwang; besondere Erleichterungen für Personen mit niedrigerem Einkommen haben ebenfalls nicht existiert. Diese unbefriedigende Situation wird durch den Vorschlag der Bundesregierung für eine staatliche Förderung der privaten Pflegevorsorge beendet. Die in diesem Konzept verlangten Fördervoraussetzungen machen es insbesondere auch für Personen mit Vorerkrankungen oder mit niedrigerem Einkommen erstmals möglich, eine entsprechende Zusatzversicherung abzuschließen. Um die Förderung gerade auch für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen attraktiv auszugestalten, hat die Bundesregierung ausdrücklich ein Zulagenmodell vorgeschlagen; denn während von einer steuerlichen Förderung nur jene begünstigt werden, die aufgrund der Höhe ihres persönlichen Einkommens Einkommensteuer zahlen, ist der Kreis der Anspruchsberechtigten bei einer Zulage ungleich größer. Dies macht die soziale Ausrichtung der geplanten Förderung mittels Zulage deutlich. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Klein-Schmeink. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es geht um die Demografiefestigkeit und auch die stabile künftige Finanzierung. Warum haben Sie nicht alternativ den Weg gewählt, die soziale Bürgerversicherung stabil und demografiefest zu finanzieren und die Einnahmebasis zu stärken? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Weil wir eine andere Vorstellung von dem persönlichen Engagement des Bürgers in diesem Lande haben als Sie, Frau Kollegin Klein-Schmeink. Wir glauben, dass wir die soziale Pflegeversicherung, die es bisher gibt, gut und gerne mit einem zusätzlichen Kapitalstock ergänzen und dabei auf die eigene Kraft unserer Bürger zählen können. Deswegen sind wir zu diesem Konzept gekommen und nicht zu Ihrem. Vizepräsident Eduard Oswald: Es liegt nahe, dass Sie noch einmal nachfragen. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, denn Sie gehen in Ihren eigenen Berechnungen davon aus, dass 1,6 bzw. 1,7 Millionen Bürger dieses Angebot wahrnehmen werden. Das ist natürlich nur eine Kleinstgruppe all derer, um die es eigentlich gehen sollte. Deshalb habe ich die Nachfrage: Wäre es nicht zielführender, die solidarisch finanzierte soziale Bürgerversicherung auszubauen, wenn man eine demografiefeste -Finanzierung haben will, und dort für eine nachhaltige -Finanzierung sowie einen nachhaltigen Leistungskatalog zu sorgen? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Klein-Schmeink, noch einmal: Wir halten diesen Weg weder für zulässig noch für gangbar. Er ist deutlich teurer. Wir werden mit dem jetzigen Konzept viele Menschen in diesem Land erreichen, die sich zum ersten Mal überhaupt mit dem Gedanken auseinandersetzen, eine Zusatzvorsorge vorzunehmen. Auch das ist ein wichtiger Schritt. So wie es damals bei Riester einen Paradigmenwechsel gegeben hat - die Menschen wussten plötzlich: Sie müssen neben der Rente vorsorgen -, ist es auch jetzt bei der privaten Pflegevorsorge: Vielen Menschen ist plötzlich bewusst geworden, dass sie vorsorgen müssen, weil unsere sozialen Sicherungssysteme endlich sind. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen herzlichen Dank. - Jetzt komme ich zur Fra-ge 47 unserer Frau Kollegin Klein-Schmeink: Mit welchen monatlichen Gesamtkosten rechnet die Bundesregierung für die vom Bundeskabinett am 6. Juni 2012 -beschlossene staatliche Förderung für eine private Pflegezusatzversicherung unter Berücksichtigung der von der Bundesregierung geplanten Versicherungsbedingungen beispielsweise für einen 55-jährigen Mann, der heutzutage für eine private Pflegetagegeldversicherung mit durchschnittlichen monatlichen Kosten von circa 55 Euro rechnen muss (vergleiche Berliner Zeitung vom 7. Juni 2012, "In der Pflegefalle"), und inwiefern hält sie die Zulage von 5 Euro monatlich dabei für eine wirksame Unterstützung dieser Personengruppe? Ich darf Sie, Frau Staatssekretärin, um Beantwortung bitten. Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Danke, Herr Präsident. - Unsere Antwort ist wie folgt: Die Kalkulation entsprechender Pflegezusatzversicherungen hat durch die Anbieter solcher Produkte zu erfolgen. Da es sich bei den förderfähigen Pflegevorsorgeprodukten um Risikoversicherungen handelt, die nach Art der Lebensversicherung kalkuliert werden, ist der Beitrag vom Eintrittsalter abhängig. Es liegt daher nahe, dass dieser bei einem 55-jährigen Mann höher als bei einem Mann ist, der eine entsprechende Zusatzversicherung bereits im Alter von 30 Jahren abschließt. Die Bundesregierung geht aber davon aus, dass die privaten Krankenversicherungsunternehmen auch für höhere Altersgruppen Angebote kalkulieren, die im Zusammenhang mit der staatlichen Förderung preislich ausreichend attraktiv sind. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Können Sie uns und den privaten Versicherungsunternehmen noch einmal verdeutlichen, wie es zu einer Kalkulation kommen kann, die im Vergleich zu den anderen Tarifen der Pflegerisiko- und Pflegetagegeldversicherungen ein attraktives Angebot gerade auch für die Personengruppe darstellt, die über ein geringes Einkommen verfügt? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Klein-Schmeink, wir gehen davon aus - die PKV hat uns das bereits signalisiert -, dass es entsprechende Angebote geben wird. Ich gehe davon aus, dass auch dies in der eben von mir angeführten Anhörung zur Sprache kommen wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich nehme an, Sie fragen noch einmal nach. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. - Mit welchen Steigerungsraten bei den Tarifen muss diese Personengruppe - nehmen wir einmal einen 55-Jährigen - rechnen, wenn es dazu kommt, dass sich gerade diejenigen, die besondere Risiken haben und die sich nicht einer Risikoprüfung unterziehen können, angesichts der anderen Pflegetarife, die es bei den privaten Unternehmen gibt, versichern müssen? Wie wird sich dabei die Tarifgestaltung für die Zukunft darstellen? Kann das dann noch ein attraktives Angebot für eine Personengruppe sein, die über ein geringes Einkommen verfügt? Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Auch hierbei, Frau Kollegin Klein-Schmeink, können wir erst von zuverlässigen Zahlen ausgehen, wenn die ersten Berechnungen auf dem Tisch liegen. Das heißt, wir sind in einem frühen Stadium. Sie wie wir gehen davon aus, dass es nicht zu unverhältnismäßigen und aus unserer Sicht unzulässig starken Steigerungen kommen wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Die Fragen 48 und 49 des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, die Fragen 50 und 51 des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, die Frage 52 des Abgeordneten Uwe Kekeritz, die Fragen 53 und 54 der Abgeordneten Cornelia Behm, die Fragen 55 und 56 der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, die Fragen 57 und 58 der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann sowie die Fragen 59 und 60 der Abgeordneten Tabea Rößner werden schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zur Frage 61 des Kollegen Nouripour: Aus welchen Gründen hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, BMVBS, auf eine bundesaufsichtliche Weisung hinsichtlich des Bescheids des damaligen hessischen Landesverkehrsministers Dieter Posch zur Anpassung der Flugbetriebsbeschränkungen des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau des Frankfurter Flughafens an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2012 verzichtet, obwohl das BMVBS bereits im Vorfeld einem sogenannten Planklarstellungsverfahren gegenüber Bedenken geäußert hat? Sie wird jetzt vom Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer beantwortet. Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Nouripour, auf Ihre Frage antworte ich wie folgt: Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat die zuständige Behörde im Land Hessen darauf hingewiesen, dass es die Anpassung des Planfeststellungsbeschlusses an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vor dessen vollständiger Veröffentlichung nicht für zweckmäßig hält. Die Planfeststellungsbehörde hat dies abgewogen und hat in eigener Zuständigkeit bewertet, dass sie das beabsichtigte Vorgehen für zielführend zur rechtlichen Umsetzung des Urteils erachtet. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Kollege Nouripour. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, was ist denn eigentlich das Kriterium im Falle einer Auseinandersetzung zwischen dem Bundesministerium und einem Landesministerium, bei dem das Bundesministerium offensichtlich der Meinung ist, dass das, was das Landesministerium macht, nicht zweckmäßig ist? In einem Statement sagt der Pressesprecher Ihres Hauses: Es ist sinnvoll, die Urteilsbegründung abzuwarten. - Wenn das, was dort passiert, nicht sinnvoll ist, was ist dann das Kriterium dafür, mit einer Weisung einzuschreiten oder dies nicht zu tun? Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege, wir sprechen nicht von einer Auseinandersetzung mit dem Landesverkehrsministerium und dem ehemaligen Landesverkehrsminister Posch, sondern wir haben unsere Stellungnahme und unsere Meinung dazu abgegeben, nicht mehr und nicht weniger. Fakt ist: Die an dieser Stelle zuständige Behörde ist eine Behörde des Landes Hessen, und wir haben eine Empfehlung gegeben, nicht mehr und nicht weniger. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Kollege Nouripour. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nichtsdestotrotz ist es durchaus möglich und liegt im Bereich des Richtigen, zumindest im Bereich des Rechten, dass das Bundesministerium mit einer Weisung dort einschreitet. Meine Frage war, warum dies nicht geschehen ist, wenn das Ministerium der Meinung ist, dass das Vorgehen der Landesregierung nicht zweckmäßig ist. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege Nouripour, "einschreiten" und Ähnliches - das sind Vokabeln, die Sie verwenden. Wir pflegen mit den Auftragsverwaltungen und den Landes-ministerien eine gute, kollegiale Zusammenarbeit. Wir sind weit davon entfernt, dass das BMVBS in solchen Verfahren einschreitet. Vielmehr geben wir dazu unsere Meinung ab. Die zuständige Behörde ist an dieser Stelle nicht das BMVBS, sondern das entsprechende Landesministerium. Genauso wie wir uns jetzt streiten können, ob Ihre Frage sinnvoll oder nicht sinnvoll ist, haben wir unsere Meinung zu diesem Verfahren beim Landes-ministerium in Hessen abgegeben, nicht mehr und nicht weniger. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen herzlichen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, die restlichen Fragen der Fragestunde werden entsprechend unserer Geschäftsordnung schriftlich beantwortet. Wir sind am Ende unserer Fragestunde. Wir fahren in unserer Tagesordnung fort. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Umstrittene Nutzung des Auslandsnachrichtendienstes für den Transport eines von BM Niebel privat gekauften Teppichs Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als Erster für die Fraktion der Sozialdemokraten Kollege Dr. Sascha Raabe. Bitte schön, Kollege Dr. Sascha Raabe. Dr. Sascha Raabe (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben die heutige Aktuelle Stunde beantragt, weil wir es nicht länger mit ansehen können, wie Bundesminister Dirk Niebel sein Amt für seine persönlichen Interessen und für die Interessen seiner Partei missbraucht. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Sie haben Ihr -Eigeninteresse im Auge!) Erst hat er reihenweise Parteifreunde mit hochbezahlten öffentlichen Stellen versorgt, dann hat er den Personalrat kaltgestellt, und jetzt lässt er auch noch auf Staatskosten einen Teppich für seine Privatgemächer einfliegen. Wir können das nicht mehr mit ansehen. Wir glauben, dass damit auch dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit Deutschlands geschadet wird. Deswegen haben wir die heutige Aktuelle Stunde beantragt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wie peinlich ist es, (Florian Hahn [CDU/CSU]: Das ist auch peinlich, dass Sie so was sagen!) dass ausgerechnet heute das Bundesministerium ein Konzept mit dem Namen "Antikorruption und Integrität in der deutschen Entwicklungspolitik" vorstellt! In einer Pressemitteilung auf der Homepage des Ministeriums heißt es heute: Wir nehmen unsere Partner in die Pflicht, konkrete Reformen durchzuführen, um Korruption zu mindern und Transparenz, Integrität, Partizipation und Rechenschaft auszubauen. (Beifall des Abg. Holger Krestel [FDP] - Patrick Döring [FDP]: Sehr gut!) Nehmen Sie sich endlich auch einmal selbst in die Pflicht und fangen beim Minister an, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Frage nach den Konsequenzen beschäftigt auch die Journalisten. Ich werde jetzt nicht diejenigen aus den linksliberalen Zeitungen zitieren, sondern ich werde einmal ganz bewusst die Blätter zitieren, die der FDP und dem Minister eigentlich genehm sein müssten, (Patrick Döring [FDP]: Welche sollen das sein?) nämlich die Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblätter. Ich fange einmal mit dem Handelsblatt an. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir machen aber jetzt keine Presseschau, oder? Wir machen eine Aktuelle Stunde!) Das Handelsblatt bringt heute ein Zitat von Dirk Niebel vom Januar. Da hat er gesagt: Politiker müssen sich an Recht und Gesetz halten wie alle anderen auch und haben eine Vorbildfunktion. Das Handelsblatt titelt: "Pinocchio des Tages". - Dirk Niebel, Lügner des Tages. Die Wirtschaftswoche bezeichnet Dirk Niebel als "liberales Teppichluder". (Heiterkeit des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Widerspruch bei der FDP) Das mache ich mir nicht zu eigen. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Hauptsache, Sie haben es untergebracht!) Das ist die Wirtschaftswoche. Die Financial Times Deutschland schreibt von Missbrauch des Staates. Jetzt würde ich Sie bitten, einmal nicht zu krakeelen, sondern zuzuhören. Hier schreibt der Kommentator: Ein Staatsskandal ist auch die Teppich-affäre um den Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel nicht. Doch in diesem Fall gerät der Minister zum wiederholten Mal in Erklärungsnot und in den Ruf von Vetternwirtschaft und Korruption. (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Dafür hat sich heute die FTD entschuldigt!) Mag der Anlass noch so nichtig sein und Niebel sich reumütig zeigen: Er sollte zurücktreten. Hierbei dient ein Minister nicht mehr dem Staat, sondern er missbraucht ihn für seine persönlichen Interessen, (Patrick Döring [FDP]: Sie müssen die FTD von heute lesen!) zumal es bei Niebel eine Vorgeschichte gibt, die von Selbstherrlichkeit und Eigeninteresse handelt, und zwar seit seinem Amtsantritt im Entwicklungsministerium. Seine Personalpolitik etwa wirkt so, als sei es die vorrangige Aufgabe eines FDP-Ministers, verdiente Liberale mit gut dotierten Posten zu versorgen. - Deswegen kommt auch dieser Kommentator zu Recht zu dem Schluss, dass ein Minister, der die Prinzipien guter Regierungsführung in alle Welt exportieren soll, so nicht mit seinem Amt umgehen kann. Deswegen sagt die Financial Times Deutschland: Dieser Minister soll zurücktreten. - Ich schließe mich dieser Forderung an, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Aber auf Sie hört ja keiner! - Heiterkeit bei der CDU/CSU) Die Frage des am Zoll vorbeigeschmuggelten Teppichs (Lachen des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU]) und damit der persönlichen Vorteilsnahme von etwa 4 000 Euro - Transportkosten und Zollabgaben, die fällig gewesen wären - (Patrick Döring [FDP]: Abwegig!) werden wir heute noch diskutieren. (Patrick Döring [FDP]: Sie sollten die -Wahrheit sagen, Herr Kollege!) Es ist keineswegs nur eine Lappalie, um die es hier geht. (Patrick Döring [FDP]: Sie sollten die -Wahrheit sagen!) Wenn es um ein Land wie Afghanistan geht - wir wissen, dass dort Teppiche meist von Kindern hergestellt werden -, kann man schon erwarten, dass ein Entwicklungsminister mehr nachfragt und sich nicht nur auf das Wort eines Angehörigen der Botschaft verlässt, dass das ein seriöser Händler sei. Wir haben dort nicht umsonst mit Mitteln der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ein zertifiziertes Siegel geschaffen. "GoodWeave" heißt das. Es ist der Nachfolger von RugMark. Auch in Afghanistan gibt es einen Händler, der zertifiziert ist und von der Größe her etwa mit dem Otto-Versand in Deutschland vergleichbar ist. Wir fragen uns, Herr Minister: Warum haben Sie nicht von diesem Händler einen Teppich privat erworben? Sie können doch nicht einfach einen teuren Teppich für Ihr Wohnzimmer kaufen, an dessen Herstellung vielleicht Kinderhände beteiligt gewesen sind, (Patrick Döring [FDP]: Das glauben Sie doch selber nicht!) und das, wo Sie am Welttag gegen Kinderarbeit tränenreich verkündet haben, wie schlimm Sie Kinderarbeit in aller Welt finden. Das passt nicht, Herr Minister! (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Patrick Döring [FDP]: Bei Ihrer Rede kommen einem die Tränen! Da haben Sie recht!) Wenn einige anführen: "Na ja, was sind denn schon ein paar Tausend Euro?", sage ich: Es wurde in Deutschland schon einmal einer Kassiererin eines Supermarkts wegen 1,30 Euro gekündigt. Da hat sich die FDP merklich zurückgehalten. (Patrick Döring [FDP]: Es hat zu keinem Zeitpunkt Vorteilsnahme stattgefunden!) Deshalb glaube ich schon, dass wir hier nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können. Wir werden hier letztlich auch erörtern, wie der Bundesnachrichtendienst dabei zu Schaden gekommen ist. Ich sage an dieser Stelle, (Patrick Döring [FDP]: An welcher Stelle auch sonst!) weil es wirklich nicht nur um Minister Niebel geht, sondern auch um das Ansehen und die Glaubwürdigkeit Deutschlands in der Welt gegenüber seinen Partnerländern - gute Regierungsführung ist für uns etwas, was wir vorleben müssen -, dass die Kanzlerin ihrer Verantwortung gerecht werden muss. Ich sage: Sorgen Sie für gute Regierungsführung! Sorgen Sie dafür, dass nicht ein Teppich fliegt, sondern dieser Minister! Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie haben doch eine Phobie! - Heiterkeit bei der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist Bundesminister Dirk Niebel. Bitte schön, Bundesminister Dirk Niebel. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich habe einen Fehler gemacht, den ich selbst zu verantworten habe, und ich kann verstehen, wenn der Vorgang sachlich kritisiert wird. Ich habe mich dafür sofort umfassend und öffentlich entschuldigt und tue dies ausdrücklich noch einmal hier im Deutschen Bundestag. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Steuerhinterziehung ist nicht einfach ein Fehler!) Ich wollte mir einen Teppich für mein Haus kaufen, was aus Sicherheitsgründen natürlich nicht auf dem -Basar in Kabul möglich war. Aus logistischen Gründen wollte ich den Teppich zu einem späteren Zeitpunkt mit nach Hause nehmen. Ich hatte mich zunächst gefreut, als ich erfuhr, dass ich durch die Hilfsbereitschaft des Bundesnachrichtendiensts die Chance haben würde, den Teppich früher als gedacht zu Hause zu haben. Ich bedaure ausdrücklich, dass der BND-Chef, der von einem zollfreien Gastgeschenk ausging, (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Wie kommt er nur darauf? - Dr. Sascha Raabe [SPD]: Wer hat ihm das gesagt?) dadurch in eine unangenehme Situation gebracht worden ist. Ich ging davon aus, dass alle Formalitäten bei der Einreise erledigt wurden, und werfe mir vor, keine -klaren Absprachen getroffen zu haben. Als ich durch die Anfrage eines Medienvertreters problembewusst wurde, habe ich die Nachverzollung unverzüglich beantragt und das auch öffentlich erklärt. Sie können versichert sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Niemand ärgert sich über diesen Vorgang mehr als ich. Vielen herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der FDP - Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke unsere Kollegin Heike Hänsel. Bitte schön, Frau Kollegin Hänsel. (Beifall bei der LINKEN) Heike Hänsel (DIE LINKE): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Niebel, das war ein bisschen sehr kurz. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Aber sehr gehaltvoll!) Ich denke, es gibt dazu noch etwas mehr zu sagen. Ich möchte mich aber auf die sachliche Kritik -konzentrieren, und diese muss Minister Niebel auch aushalten; denn er gehört nicht zu denjenigen, die sich mit Kritik zurückhalten. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist allerdings wahr! Das stimmt!) Ein Minister auf Dienstreise lässt sich in der Deutschen Botschaft in Kabul eine Teppichauswahl vorlegen. Er kauft einen Teppich, und der Geheimdienst schmuggelt ihn am Zoll vorbei nach Deutschland. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Vorsicht! - -Florian Hahn [CDU/CSU]: Das ist nicht sachlich, Frau Kollegin! - Gegenruf des Abg. Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist eine Tatsache! Nehmen Sie das mal zur Kenntnis! Das ist Schmuggel!) Diese Nummer wäre eigentlich reif fürs Kabarett, wenn das Ganze nicht in einem so ernsten Umfeld stattfinden würde. Herr Niebel war nämlich in einer Kriegsregion, wo unter anderem deutsche Soldaten Krieg führen, wo täglich Menschen durch Krieg sterben und wo ein Teppichkauf in meinen Augen eigentlich nicht zu einer Dienstreise gehört. (Beifall bei der LINKEN) Wir unterstellen ihm nicht, dass er irgendwelche Zoll-gebühren sparen und sich persönlich bereichern wollte. Diese Vorwürfe finde ich albern, Herr Niebel. Vielmehr geht es darum, dass Sie in verantwortungsvoller Position ein Gespür dafür haben müssen, was man machen kann und was nicht. Ich finde, dieses Gespür fehlt Ihnen. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das haben Sie in meinen Augen schon zu Beginn Ihrer Amtszeit gezeigt, indem Sie mehrfach - manchmal auch heute noch - mit Bundeswehrkappe in Afrika oder -Lateinamerika unterwegs waren. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Jetzt kommt die alte Leier!) Dieses Bild ist eines Entwicklungsministers in meinen Augen nicht würdig. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es erinnert an ungute deutsche Zeiten. (Holger Krestel [FDP]: Haben Sie ein Problem mit der Bundeswehr, oder wie müssen wir das verstehen?) Das fand ich schon damals ein ganz großes Problem. Es zeigt, dass Ihnen, Herr Niebel, in manchen Bereichen, die in Ihrer Verantwortung liegen, das Gespür fehlt. (Beifall bei der LINKEN - Patrick Döring [FDP]: Ihr Geschmack ist ja Gott sei Dank nicht der Maßstab!) In der Öffentlichkeit kann schnell der Eindruck entstehen, Sie fahren in eine Kriegsregion und am Ende kommt dabei ein Schnäppchenkauf heraus. Ich frage mich auch, ob es die Aufgabe der Deutschen Botschaft ist, eine Teppichauswahl zu organisieren. Auch diese Frage darf man stellen. Dazu, dass keine Kinderarbeit in dem Teppich steckt, gab es nur eine lapidare Bemerkung. Wir fragen natürlich nach: Wie wollen Sie das eigentlich beweisen, vor allem angesichts des relativ geringen Preises für den -großen Teppich? Das sind in meinen Augen ernsthafte Fragen. Der eigentliche Skandal liegt für mich und für die Linke aber nicht in Ihrer Teppichnummer, sondern in -Ihrer Entwicklungspolitik. Damit kommen wir zu den zentralen Punkten: Sie setzen auf Außenwirtschaftsförderung. Ferner gab es Skandale um merkwürdige -Stellenbesetzungen, und in meinen Augen waren auch Personalbesetzungen im Ministerium oft inadäquat. Es geht auch um die sogenannte Fusion der verschiedenen Entwicklungsorganisationen. (Patrick Döring [FDP]: Das ist ein großer -Erfolg!) In meinen Augen wurde die gute Organisation DED zerschlagen. Sie ist nicht mit ihren Stärken in die sogenannte Fusion eingeführt worden. Sie haben noch sehr große Baustellen. Auch was Afghanistan angeht, wurden die Entwicklungsorganisationen unter Ihrer Regierung stärker ans Militär gebunden. Leider begann das unter Rot-Grün. Herr Niebel, mir gefällt Ihre oft arrogante Haltung nicht - das habe ich auch schon erlebt -, wenn Sie in Ländern des Südens unterwegs sind, die nicht Ihren politischen Vorstellungen entsprechen, wie zum Beispiel in Lateinamerika, in Bolivien, in Ecuador, in Nicaragua. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Waren Sie dabei? Sie waren doch überhaupt nicht dabei! Was erzählen Sie denn?) Sie treten sehr arrogant auf. Sie haben die Entwicklungszusammenarbeit mit Nicaragua wegen fehlender guter Regierungsführung eingestellt. Dazu sage ich: Das kann nicht sein, Herr Niebel. Dann müssen wir gleiche Maßstäbe anlegen. Ich fordere eine gute Regierungsführung für Deutschland. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Uns ärgert auch - das ist eine gravierende Konsequenz dieser einfach auch doofen Teppichdiskussion -, dass wir über viele wichtige Dinge in Afghanistan nicht sprechen. Vor einigen Tagen gab es dort ein Erdbeben mit über 80 Toten. Wer weiß davon? (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Darüber hätte man die Aktuelle Stunde machen müssen! - Zurufe von der FDP) Wer spricht davon? Die Medien nicht. Aber Herr Niebel auch nicht. Es gab Tote durch NATO-Angriffe; es -wurden über 18 Zivilisten getötet. Darüber spricht Herr Niebel auch nicht. Ich habe nichts von ihm gehört. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Zuhören! Eine Tugend!) Wir haben eine säkulare, progressive Partei in Afghanistan, die Solidaritätspartei, die gegen den Krieg kämpft. Gegen diese wurde ein Verbotsverfahren durchgeführt. Wir haben bei der Deutschen Botschaft mehrmals gefragt: Was macht die Bundesregierung? Wie reagieren das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium? - Wir haben nichts gehört. Ich frage mich: Wo sind die Prioritäten? (Zuruf von der FDP: Das fragen wir uns bei Ihnen auch! - Holger Krestel [FDP]: Sie -machen hier eine pillepalle Veranstaltung und halten uns vom Arbeiten ab!) Sie treten mit Teppichaktionen in Afghanistan in Erscheinung, machen aber nicht den Mund auf, wenn -Organisationen, die gegen den Krieg und die Warlords in Afghanistan kämpfen, verboten werden sollen. Das sind für mich entscheidende Punkte. Ich sage Ihnen: Herr Niebel, für mich ist der Teppichkauf kein Rücktrittsgrund, (Beifall bei Abgeordneten der FDP) aber die Entwicklungspolitik, die Sie gestalten, und die Fehlentscheidungen wären schon längst ein Rücktrittsgrund. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der FDP unsere Kollegin Frau Dr. Christiane Ratjen-Damerau. Bitte schön, Frau Kollegin. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrter Herr Minister, ich danke Ihnen ganz herzlich für die klärenden Worte und den sehr offenen Umgang mit dieser besagten -Affäre. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Sascha Raabe [SPD]: Nachdem der Spiegel es gesagt hat! Er hat es nicht selbst gesagt!) Sie haben sehr offen dargelegt, einen in Afghanistan gekauften Teppich in Deutschland nicht unmittelbar verzollt zu haben. Als Ihnen dieses bekannt wurde, haben Sie unverzüglich die Nachverzollung beantragt und -öffentlich die Verantwortung - so wie eben auch - übernommen. Damit ist diese Angelegenheit für mich abgeschlossen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wenn Sie, sehr geehrte Kollegen von der Opposition, insbesondere Sie, Herr Raabe und Frau Hänsel, ehrlich sind, geben Sie zu, dass ich recht habe. Ihre ständig wiederholten, künstlichen und hier lauthals geäußerten Rücktrittsforderungen haben keinen Anlass. Es fehlen Ihnen sonstige Angriffspunkte. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Sascha Raabe [SPD]: Wir haben doch keinen Teppich geschmuggelt oder Vetternwirtschaft betrieben! - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie haben offenkundig nicht zugehört bei dem, was die Kollegin Hänsel gesagt hat!) Der Minister und sein Haus leisten hervorragende Arbeit für die deutsche und die weltweite Entwicklungspolitik - und damit zum Wohle vieler Menschen auf dieser Welt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Sascha Raabe [SPD]: Der Parteifreunde!) Mit der Fusion der Durchführungsorganisationen ist unter der Führung von Dirk Niebel die größte Reform der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gelungen. Vor ihm sind an dieser Fusion alle Vorgänger - auch Ihre Ministerin - gescheitert. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Patrick Döring [FDP]: So ist es!) Durch diese Fusion wurden im Stellenbestand des -Bundes 700 Stellen eingespart. Und: Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ist zu einem Global Player geworden, der zu einem Marktführer wird. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist genau das Problem!) Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und die KfW-Entwicklungsbank kooperieren seit dem Amtsantritt von Dirk Niebel so gut wie noch nie zuvor. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dies hat unter anderem dazu beigetragen, dass die KfW-Entwicklungsbank den Entwicklungsländern in den letzten zwei Jahren zusätzliche Kredite in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hat. Das ist für die weltweite Bekämpfung von Hunger und Armut ein sehr großer Erfolg, auf den wir ausgesprochen stolz sind. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Zurufe von der SPD) - Hören Sie doch mal zu, dann begreifen Sie es vielleicht! Gleichzeitig wurde die Außenstruktur des Bundes-ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung an den deutschen Botschaften verstärkt. Damit hat sich die Steuerungsmöglichkeit der Entwicklungszusammenarbeit in den betreffenden Ländern deutlich verbessert. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das hilft alles nichts gegen Steuerhinterziehung!) Es wurde nicht nur die Zusammenarbeit mit den Vorfeldorganisationen verbessert, sondern auch die Kohärenz der gesamten Bundesregierung. Erstmals wird unter Federführung des Bundesministeriums zusammengetragen, welche Aktivitäten die einzelnen Ressorts der Bundesregierung im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit leisten. Wir alle wissen um die große Bedeutung der Zivil--gesellschaft und der Wirtschaft bei der Entwicklungs--zusammenarbeit. Unser Ziel ist es, die Zahl der Engagierten auf 2 Millionen zu verdoppeln. Deshalb wurden die Mittel für Zivilgesellschaft, Kirchen und politische Stiftungen deutlich erhöht. Die Veranstaltung "Engagement fairbindet" des Bundesministeriums hat sich zu -einer einzigartigen Plattform entwickelt, auf der sich die verschiedenen Akteure der Entwicklungszusammen--arbeit treffen. Geschaffen hat dies Dirk Niebel mit seinem Haus. Im nächsten Jahr wird es erstmals einen bundesweiten Entwicklungstag geben, (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Mann, ist das peinlich! - Gegenruf des Abg. Johannes Selle [CDU/CSU]: Mal was Inhaltliches!) der mit einer Afrika-Gala im deutschen Fernsehen endet. Damit erreichen wir für unsere Arbeit und die gesamte Entwicklungszusammenarbeit eine breite Öffentlichkeit, die es bisher nicht gegeben hat. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Sascha Raabe [SPD]: Da kann er ja seinen Teppich versteigern für einen guten Zweck! - Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist doch Lobhudelei!) So werden die Bürgerinnen und Bürger mit dem Thema der Entwicklungszusammenarbeit vertraut gemacht; sie werden hierfür sensibilisiert, und ihr Engagement wird verstärkt. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist eine Bewerbungsrede für das Ministerium!) - Das habe ich gar nicht nötig. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird in dieser Legislatur--periode zu einer Plattform für den Austausch und die -Zusammenarbeit zwischen Staat, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen ausgebaut. Die Türen in Richtung Mitte der Gesellschaft sind weit geöffnet. Ein bedeutender Schritt dafür ist die Servicestelle für bürgerschaftliches und kommunales Engagement, die in diesem Jahr eröffnet wurde. (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Die ist auch so ein Problem, die Servicestelle! - Dr. Sascha Raabe [SPD]: Vor allem die Personalpolitik! Eine Außenstelle der FDP!) Um die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu überprüfen und die Effizienz zu steigern, wird gerade ein unabhängiges Evaluierungsinstitut eingerichtet. Erstmalig gibt es damit ein Institut - ein absolutes Novum und ein Meilenstein im Feld der deutschen Entwicklungspolitik -, das gegenüber der Öffentlichkeit und den Parlamenten in Deutschland und in unseren Partnerländern über die geleistete Arbeit Rechenschaft ablegt. Sie sehen: Seit dem Regierungswechsel 2009 ist eine völlig neu ausgerichtete Entwicklungspolitik geschaffen worden. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Personalentwicklungspolitik!) Diese neue Entwicklungspolitik sorgt für mehr Wirksamkeit, für einen höheren Einsatz der finanziellen Mittel und für ein verstärktes persönliches Engagement in unserer Gesellschaft. Damit bekommen die Menschen, die uns brauchen, konkret mehr Unterstützung. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin Frau Ute Koczy. Bitte schön, Frau Kollegin Ute Koczy. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worüber reden wir hier eigentlich? (Beifall bei Abgeordneten CDU/CSU und der FDP - Zurufe von der FDP: Ja, worüber?) Ein Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fliegt nach Afghanistan, lässt sich dort einen Teppich vorführen, kauft diesen, lässt ihn vom BND-Chef nach Deutschland befördern und von seinem Fahrer auf dem Rollfeld abholen. Diese Beobachtung wird der Presse mitgeteilt. Problem: Die Verzollung wurde vergessen. Das ist kein Lapsus. Das ist eine politische Dummheit, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) wenngleich auch keine echte Staatsaffäre. Dennoch fragt sich die Öffentlichkeit zu Recht, warum unserem Minister Dirk Niebel nicht aufgefallen ist, dass er hier seine Privilegien missbraucht hat. (Zuruf von der FDP: Das hat er doch gerade erklärt!) Der politische Schaden ist groß. Ich finde das besonders ärgerlich, weil wir in der Entwicklungspolitik Wichtigeres zu tun haben: Das europäische Projekt befindet sich in der Krise; am Horn von -Afrika und in der Sahelzone grassiert der Hunger; im Kongo häufen sich erneut die Massenvergewaltigungen; in Bangladesch drohen 30 Millionen Menschen wegen des Klimawandels unterzugehen. (Patrick Döring [FDP]: Dann machen Sie dazu doch mal eine Aktuelle Stunde! - Manfred Grund [CDU/CSU]: Da könnte man mal eine Aktuelle Stunde drüber machen! Das wäre den Grünen angemessen!) Zu Afghanistan finden gegenwärtig kaum noch Debatten zur Lage im Land und zur Situation der Menschen dort statt. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Wer hat die Aktuelle Stunde denn beantragt?) Aber Deutschland streitet über einen fliegenden, vor den Zollbeamten fliehenden Teppich. (Patrick Döring [FDP]: Sie streiten!) Die Verschiebung der Gewichte - das muss man sich klarmachen - hat sehr viel mit der Person des Ministers zu tun. Es findet auf Grundlage dessen statt, was Dirk Niebel immer großspurig verkündet, zum Beispiel wenn er dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria wegen Bestechungsvorwürfen androht, die Gelder zu streichen, und in der Welt vom 17. März 2011 sagt: "Korruption tötet!" (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das war doch in Ordnung!) Wir erinnern uns an einen Minister Niebel, der nach den Regierungsverhandlungen mit Afghanistan sagt: Deutsches Geld nur, wenn Korruption bekämpft wird. (Patrick Döring [FDP]: So ist es! Was ist denn daran falsch?) Und: Wir werden das Geld nicht zum Fenster rausschmeißen, unsere Steuerzahler haben das hart er-arbeitet. Die Presse hat dieses Thema deswegen aufgegriffen, weil es vor der Folie dessen läuft, was der Minister immer groß ankündigt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Diesen Widerspruch kann man nicht vom Tisch wischen. Man muss doch fragen, und das tut die Öffentlichkeit (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP) - da können Sie jetzt so laut tönen, wie Sie wollen -, warum die Steuerzahler nicht zu Recht annehmen müssen, dass es hier einen Akt gegeben hat, der nicht restlos aufgeklärt ist und bei dem man sich fragen muss, ob der Minister sein Amt missbraucht hat. Es ist doch eine Farce, wenn heute das BMZ - auch das ist eine Koinzidenz - mit einer Veranstaltung mit dem Titel "Transparenz. Integrität. Entwicklung." hervortritt. Staatssekretär Beerfeltz sagte dort: "Korruption ist wie ein Krebsgeschwür". Wenn er dort sagt, das neue Antikorruptionskonzept sei für die Institutionen der staatlichen EZ verbindlich, dann ist es die Aufgabe der Opposition, sich hier hinzustellen und zu fragen: Wie verbindlich ist dieses Konzept für den deutschen Entwicklungsminister? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Patrick Döring [FDP]: Das ist doch eine schlichte Unterstellung!) Ich möchte bei diesem Vorfall einen Punkt herausheben, nämlich die Frage der Nachverzollung. Herr Niebel, Sie haben einen Antrag auf Nachverzollung gemäß § 371 der Abgabenordnung gestellt, der mit einer Selbstanzeige verbunden wurde. Die Selbstanzeige ist in diesem Paragrafen aber anders geregelt, als Sie es sich vorstellen; denn nach § 371 der Abgabenordnung tritt eine Strafbefreiung durch Selbstanzeige nur dann ein, wenn der Tatbestand zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt geworden ist. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! - Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) Der Antrag auf Nachverzollung wurde am 6. Juni gestellt, nachdem Spiegel Online am 6. Juni diesbezüglich Fragen an das BMZ gerichtet hatte. (Patrick Döring [FDP]: Wer ist denn überhaupt zollpflichtig? Das ist die erste Frage!) Diese Fragen hätten wir vorhin gerne gestellt. Vielleicht hätten Sie sie richtig beantworten können. Ich finde, dass wir diese Aktuelle Stunde zu Recht durchführen, um auf bestimmte Fragen zu diesem Fall hinzuweisen, die noch nicht beantwortet worden sind. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Patrick Döring [FDP]: Das Problem ist, dass Sie die Fragen falsch beantworten!) Wir haben jetzt hier Ihre Entschuldigung gehört. Aber ich sage Ihnen: Aufgrund der Frage der Nachverzollung ist dieser Teppich noch nicht geklopft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/CSU unsere Kollegin Sibylle Pfeiffer. Bitte schön, Frau Kollegin Pfeiffer. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, dass wir als Politiker, Abgeordnete und auch Minister unter besonderer Beobachtung stehen. Wir haben eine Vorbildfunktion. An uns werden höhere ethische und moralische Maßstäbe gestellt, ob uns das passt oder nicht. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!) Ja, Minister Niebel hat einen Fehler gemacht, und ja, dieser Fehler ist ärgerlich, nein, "blöd", um die Worte des Ministers zu gebrauchen. Ja, Minister Niebel steht für seinen Fehler gerade. (Beifall der Abg. Helga Daub [FDP]) Das tut er, und dieses Unrechtsbewusstsein hat in der Vergangenheit nicht immer jeder gezeigt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, daraus eine Staatsaffäre zu machen, wie es die Opposition will und tut, (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Tun möchte!) ist ebenfalls ein Fehler, um nicht zu sagen: blöd, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) weil die Verhältnismäßigkeit fehlt. Es stellt sich nämlich schlicht und einfach die Frage: Womit befassen wir uns im Parlament? Große politische Affären, Missbräuche und Skandale erfordern und verdienen eine parlamentarische Befassung. Dieser Teppich gehört definitiv nicht dazu. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir sollten uns einmal überlegen, ob unser Drang, jedes Fehlverhalten immer gleich zu skandalisieren, gut für uns, für die politische Kultur und die Demokratie in unserem Lande ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Denken wir doch einmal weiter. Denken auch Sie einmal weiter, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allen Dingen von der SPD. Überlegen Sie sich gut, welche Maßstäbe Sie hier und heute für politische Rücktrittsforderungen festlegen wollen. Ist eine solche Forderung in diesem Zusammenhang wirklich verhältnismäßig? Ist das Ihr Maßstab? Für mich stellt sich die Frage nach der Debattenkultur: Setzen wir nur noch auf Effekthascherei und Bedienung des Boulevards? Denn dann bleiben die wirklich wichtigen Debatten, auch über schwere und echte Affären, auf der Strecke. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Erinnern Sie sich noch an Ihren Generalsekretär Niebel?) Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ist Ihr Vorgehen falsch und vor allem gefährlich; denn eines Tages könnte sich das für Sie als Bumerang erweisen, unter dem Sie sich dann nicht mehr wegducken können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Sascha Raabe [SPD]: Sie sehen den Regierungswechsel schon voraus! Sehr gut!) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin Frau Dr. Bärbel Kofler. Bitte schön, Frau Kollegin Dr. Kofler. (Beifall bei der SPD) Dr. Bärbel Kofler (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, bei Ihnen ist ein falscher Eindruck entstanden. Sie tun so, als hätten wir von der -Opposition Spaß, uns schon wieder mit Herrn Niebel beschäftigen zu müssen. Das Gegenteil ist der Fall. Leider war es in diesem Jahr aufgrund des Verhaltens von Minister Niebel schon das zweite Mal nötig, eine Aktuelle Stunde zu beantragen. Es ging sowohl um sein Gebaren in Bezug auf seine Personalpolitik als auch um sein etwas seltsames Verständnis von Steuergerechtigkeit, vom Bezahlen von Steuern in unserem Land. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Patrick Döring [FDP]: Abwegig!) Herr Minister, ich hätte mir von Ihnen klärende Worte gewünscht. Sie tun so, als wäre Ihr Verhalten ein kleiner Fehler, ein Lapsus. Sie sagen, man hätte einfach vergessen, den Fahrer zu instruieren. Man hätte dem Fahrer aber auch Geld mitgeben müssen, um die Ware beim Zoll auszulösen. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Davon hat er doch nichts gesagt!) Aber nicht nur darum geht es. Es geht auch darum, dass, wie man den Medien entnehmen konnte, die Staatsanwaltschaft immerhin wegen des Anfangsverdachts auf Steuerhinterziehung ermittelt. Es war also kein kleiner Fehler, kein Lapsus. (Zuruf von der FDP: Wo haben Sie das gelesen? - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: 500 Liter Helium in eine Mücke zu pumpen!) Selbstverständlich muss man darüber im Bundestag sprechen, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gerade vor dem Hintergrund, dass Sie als Entwicklungsminister nach Afghanistan gereist sind. Sowohl in der Regierungskoalition als auch im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sollte man sich überlegen, welche Ansprüche man in Bezug auf gute Regierungsführung hat. Insbesondere als Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung muss man sich daran messen lassen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auf der Homepage des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist zu lesen, dass im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Regierung gute Regierungsführung als Schlüsselsektor der deutschen Entwicklungszusammenarbeit definiert wird. Ich halte das durchaus für richtig. Gute Regierungsführung ist ein entscheidender Faktor bei der Bekämpfung der Armut und auch, wenn es darum geht, Ressourcen zu schonen, um den Ärmsten der Armen zu helfen. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Man muss es nicht nur wollen, sondern auch können!) Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Welches Bild geben Sie eigentlich ab, Herr Minister Niebel? Ein katastrophales! (Beifall bei der SPD - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ein exzellentes!) Es geht noch weiter. Es geht ja nicht nur um den Begriff der guten Regierungsführung im Allgemeinen, sondern auch um gute Regierungsführung im Zusammenhang mit einer guten Finanz- und Steuerpolitik. Diesbezüglich wird auf der Homepage des BMZ zu Recht auf die Bedeutung von transparenten und leistungsfähigen öffentlichen Finanzsystemen hingewiesen. (Holger Krestel [FDP]: Zum Thema!) Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich noch einmal aus der Homepage des BMZ: Transparente und leistungsfähige öffentliche Finanzsysteme sind eine wichtige Grundvoraussetzung für Armutsreduzierung und nachhaltige Entwicklung. Sie mobilisieren nicht nur Mittel, sondern schaffen auch Legitimität für staatliches Handeln, fördern die Identifizierung der Bürger mit ihrem Staat ... Das ist völlig richtig. An diesem Punkt sind wir uns einig. Welchen Eindruck erweckt aber ein Entwicklungsminister in der Welt - (Patrick Döring [FDP]: In der Welt nimmt das keiner wahr!) ein Entwicklungsminister muss mit den Regierungen anderer Länder darum ringen, dass Steuersysteme eingeführt werden, durch die gerade die finanzstarken politischen Eliten belastet werden -, der einen, so sage ich es einmal, sehr leichtfertigen oder flapsigen Umgang mit dem deutschen Steuersystem pflegt? Zeugt das nicht von Doppelmoral? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: In der restlichen Welt lacht man über so einen Blödsinn!) Ich glaube, dass Sie der Entwicklungspolitik insgesamt und insbesondere der deutschen Entwicklungspolitik mit Ihrem Verhalten einen Bärendienst erwiesen haben. Sie wissen selbst, dass sich seit über zehn Jahren zahlreiche internationale Vereinbarungen gerade mit der Frage der Verbesserung der Steuersysteme in der Welt beschäftigen: Steuerhinterziehung, Mittel für Armuts-bekämpfung heben, Monterrey-Konferenz, Doha-Kon-ferenz, nachhaltige Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit - die Kollegin Ratjen-Damerau hat ja auf die Themen Effizienz und Wirksamkeit hingewiesen -, Konferenz von Paris, Konferenz von Accra, Konferenz von Busan. Auf dem G-8-Gipfel 2007 in Deutschland hat man sich mit dem Thema G 8 Action Plan for Good Financial Governance in Africa beschäftigt. Gute Regierungsführung in Afrika war also das Thema auf der Konferenz in Deutschland. Vor diesem Hintergrund ist Ihr Verhalten als dramatisch zu bezeichnen. Ich möchte wirklich wissen, wie Sie auf Meldungen reagieren werden, nach denen Minister aus anderen Ländern Ähnliches tun. Stellen Sie dann die Tranchen für die Entwicklungszusammenarbeit ein, was Sie manchen anderen bereits angesprochenen Organisationen wie dem GFATM angedroht haben? Was machen Sie dann? Wie werden Sie reagieren? Ich denke, ein Entwicklungsminister muss in diesem Themenbereich eine besondere Integrität an den Tag legen. Er muss sich an dem messen lassen, was er international fordert, auch bezogen auf sein persönliches Verhalten. Insofern haben Sie ein denkbar schlechtes Beispiel abgeliefert, Herr Niebel. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der FDP unser Kollege Patrick Döring. Bitte schön, Kollege Patrick Döring. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Patrick Döring (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Niebel! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ein schlechtes Beispiel für gute Debattenkultur und demokratische Auseinandersetzung geben Sie hier ab; denn Sie gehen in Ihren Beiträgen hier - das gilt insbesondere für die Beiträge der Kollegin Hänsel und des Kollegen Raabe - sehr lax mit der Wahrheit um. (Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt der Richtige!) Deshalb bedanke ich mich zunächst für die Entschuldigung und für die Aufklärung durch den Herrn Bundesminister. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Auch andere Kollegen haben es in den letzten Tagen mit der Wahrheit nicht so genau genommen. Der von mir ansonsten hochgeschätzte Kollege Oppermann wird mit den Worten "Missbrauch des BND für private Zwecke" zitiert. (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: So ist es doch!) Der Bundesminister hat in seiner ersten Erklärung klargestellt, dass es - zu keinem Zeitpunkt - weder einen Auftrag noch überhaupt eine Kommunikation mit dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes über diese Mitnahme, die durch die Botschaft organisiert wurde, gegeben hat. (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Ist der Teppich von alleine hergekommen? - Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein fliegender Teppich! Er ist alleine gekommen!) Hier Missbrauch zu insinuieren, ist eine bewusste Verzerrung der Tatsachen. Sie gehen mit der Wahrheit lax um, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sie wollen hier durch den Begriff "Korruption", den Sie permanent im Munde führen, einen Eindruck erwecken, der schlicht falsch ist. Der Kollege Niebel wollte nach Ende des offiziellen Programms die Zeit nutzen, die sich dadurch ergeben hat, dass er mit einem Linienflugzeug nach Afghanistan geflogen ist. Er wollte einen Basar besuchen. Davon hat ihm die Botschaft aus Sicherheitsgründen abgeraten. Vielen von uns, insbesondere den geschätzten Kollegen aus dem Fachbereich, die vor mir geredet haben, ist schon mehrfach in anderen Ländern der Erde, auch in Afghanistan, von der Botschaft empfohlen worden, den Basar nicht zu besuchen. Er hat daraufhin entschieden, dass er dennoch Mittelstand und Handwerk in diesem Land unterstützen und einen privaten Einkauf vornehmen will. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Weil Sie sich so schön aufregen, will ich Ihnen dazu etwas sagen. (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Wir sind keine Schmuggler!) - Na, das wird sich zeigen. - (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Steuerhinterziehung ist Ihr Markenzeichen, das Markenzeichen der FDP!) Mir hat ein Kollege ein schönes Bild geschildert: Kollegin Hänsel kam schwer bepackt mit Einkaufstüten von einer Reise zurück, die sie mit der Delegation des Herrn Ministers nach Kolumbien unternommen hatte, und ließ sich das Gepäck von einem Steward der Luftwaffe tragen. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Skandal! Aktuelle Stunde!) Liebe Leute, was wäre denn los, wenn ich anfangen würde, das als Missbrauch der deutschen Luftwaffe und aktiven Schmuggel von Gütern aus Kolumbien nach Deutschland zu bezeichnen? Mit solchen Kleinigkeiten darf man sich doch gar nicht befassen, liebe Kollegen. Das ist wirklich abenteuerlich. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie alle wissen in Wahrheit ganz genau, dass die Verkettung der Umstände zu diesem Einfuhrvergehen geführt hat. Jetzt haben sich hier einige Hilfsjuristen mit der Frage der Nachverzollung befasst. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ein Zollvergehen begeht derjenige, der die Ware einführt. Minister Niebel hat nicht eingeführt. (Lachen bei der SPD - Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es aber lustig!) Dennoch hat er seinen Fehler eingestanden und sich entschuldigt, weil das selbstverständlich auf sein Fehlverhalten zurückgeht. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Sie entschuldigen alles! Das ist unglaublich!) Die Art und Weise, in der Sie hier versuchen, eine Mücke zu einem Elefanten aufzupumpen, hat mit demokratischer Streitkultur nichts zu tun. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Wort zur Ministerverteidigung!) Die Freien Demokraten und Dirk Niebel als Person haben die deutsche Entwicklungspolitik neu ausgerichtet. Das mag Ihnen nicht gefallen. Darüber kann man in diesem Haus auch kräftig streiten. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine schwache Verteidigungsrede!) Diese Koalition hat sich aber zum Ziel gesetzt, die Entwicklungspolitik effizienter, erfolgreicher und orientiert an guter Regierungsführung in der Welt auszurichten. Das ist auch gelungen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Wenn Minister Niebel für diese politische Aufgabe kritisiert wird, dann muss er das genauso aushalten, wie es diese Koalition aushalten muss. Dass Sie aber ganz gezielt mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten den Eindruck erwecken wollen, es hätte hier ein Amtsmissbrauch und vielleicht sogar ein Skandal stattgefunden, ist schlicht unverantwortlich, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wofür hat sich Minister Niebel denn entschuldigt?) - Er hat sich dafür entschuldigt, dass er der Botschaft nicht die klare Anweisung gegeben hat, sie möge darauf verzichten, den Teppich auf die Reise zu geben, ohne mit ihm darüber zu sprechen. Das können Sie ihm weiter vorwerfen. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie nicht zugehört! Er hat einen Fehler gemacht!) - Er hat sich für weit mehr entschuldigt, weil er den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes ohne sein Zutun in eine missliche Lage gebracht hat. (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Was hätte die Botschaft denn machen sollen?) Statt das zu respektieren und sich inhaltlich mit diesem Besuch und den fünf weiteren Besuchen des Herrn Ministers in Afghanistan auseinanderzusetzen, plustern Sie sich hier auf und erwecken den Eindruck, in Deutschland sei eine Staatsaffäre passiert. Das Einzige, was hier passiert ist, ist eine Blamage für die Opposition. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Fritz Rudolf Körper. Bitte schön, Kollege Körper. (Beifall bei der SPD) Fritz Rudolf Körper (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass der Generalsekretär seinen Minister verteidigt, haben wir alle erwartet. Aber dass er dies mit solch schwachen Argumenten tut, deklassiert ihn außerordentlich. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was war eigentlich im März 2012 in Kabul los? Ein bundesdeutscher Minister namens Dirk Niebel reiste nach Kabul und wollte einen Teppich kaufen; (Zurufe von der FDP und der CDU/CSU: Nein! - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie sind ja ein Märchenerzähler! Da waren die Gebrüder Grimm aber viel besser!) denn er bestellte für den privaten Kauf von Auslegeware Teppichhändler in die deutsche Botschaft. Die deutsche Botschaft hat es aber nicht verdient, zum orientalischen Basar zu werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Im Grunde genommen zeigt dieses Vorgehen - ich wollte meine Rede eigentlich sehr ruhig und gelassen halten - (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Deshalb steht das im Redetext drin!) die Haltung. Darum geht es mir. (Patrick Döring [FDP]: Nach Ende des -Besuchsprogramms!) Ich finde, diese Vorgehensweise ist ein Missbrauch der deutschen Botschaft und der dort Arbeitenden, selbst wenn das am Ende der Dienstreise war. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Patrick Döring [FDP]: Um Gottes Willen!) Herr Niebel befand sich auf Dienstreise. Ich glaube, es gehört zur Vorbildfunktion eines Ministers, dass man Privates und Dienstliches nicht so kunterbunt vermischt, wie er es getan hat. Er ist hier seiner Vorbildfunktion absolut nicht gerecht geworden. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das ist hier keine Karnevalssitzung!) Ich sage noch etwas zur Haltung, Herr Kollege Lindner; auch das sollte man schildern. Herr Niebel hätte seinen Teppich privat transportieren lassen können wie jeder andere Otto Normalverbraucher. Aber dies ist dem Minister überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Er hat abgewartet, wann er beim Transport ein Schnäppchen machen kann. Ich sage: Mit dieser Haltung disqualifiziert sich Herr Niebel selbst. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Patrick Döring [FDP]: Abwegig! Der Transport kostet weniger als 100 Euro!) Es geht mir um die Haltung. Diese wird beispielsweise auch daran deutlich, dass er den Bundesnachrichtendienst in fahrlässiger Art und Weise in die Bredouille gebracht hat, weil nicht klar gewesen ist, dass es sich um einen privat gekauften Teppich handelte. Der Bundesnachrichtendienst hat den Teppich in der Annahme, er sei ein Gastgeschenk für die Bundesregierung, transportiert. Lieber Herr Niebel, auch das beschreibt Ihre Haltung. Sie sind Ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen. Das muss man deutlich sagen. (Beifall bei der SPD) Sie können mich für kleinlich halten. Ich war schon einmal Mitglied der Bundesregierung. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sie sind kleinlich!) - Ja, das mag sein; aber, lieber Herr Lindner, solange man Dienstliches und Privates nicht auseinanderhalten kann, werden wir alle angreifbar, (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Leute! Leute!) weil die Menschen zu Recht sagen: So sind die alle. - Deswegen hat diese Haltung, die von Herrn Niebel an den Tag gelegt worden ist, einen großen Schaden an unserem politischen System verursacht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Lieber Herr Lindner, wenn Sie sehen, wie über diesen Vorgang in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist, wissen Sie, dass es keine Lappalie ist. Ich gebe zu, dass es auch keine Staatsaffäre ist, aber es ist keine Lappalie. (Lachen bei Abgeordneten der FDP - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Es ist ein Hybrid!) Man muss wissen, dass dies eine Verhaltensweise widerspiegelt. Es ist letztendlich auch nicht Aufgabe des Fahrers des Ministers, den privat gekauften Teppich am Flugzeug abzuholen. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Aber Ulla Schmidt durch die ganze Republik zu ihren Urlaubsorten zu fahren!) - Sie nennen das Stichwort Ulla Schmidt. Ich erinnere Sie daran, in welcher gehässigen Art und Weise Sie mit Ulla Schmidt in der Frage der Nutzung ihres Dienstwagens umgegangen sind. Das war nicht in Ordnung. Das war schäbig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Patrick Döring [FDP]: War das jetzt in Ordnung oder nicht?) - Nein, es ist nicht in Ordnung, dass der Fahrer den Teppich abgeholt hat. Das ist nicht seine Aufgabe. Ich finde, Herr Niebel, dass die öffentliche Kommunikation in dieser Sache sehr läppisch gewesen ist. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ihr geht bei so einer Rede davon aus, dass ihr nicht mehr regieren werdet, oder?) Ich zitiere Ihren Pressesprecher. Er sagte auf der Pressekonferenz: Das ist tatsächlich einfach liegen geblieben, wie so etwas eben einfach liegen bleiben kann. Ignoranter kann eine Aussage nicht sein. Herr Niebel, gehen Sie in sich, denken Sie nach, und sagen Sie nicht einfach nur, Sie hätten einen Fehler gemacht. Das war mehr als ein Fehler. Wie Sie damit umgehen, überlasse ich Ihnen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE] - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Glaubt er im Ernst, was er gerade gesagt hat? Das glaubt er doch selber nicht!) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Florian Hahn. Bitte schön, Kollege Florian Hahn. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Florian Hahn (CDU/CSU): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Stunde ist so ärgerlich und überflüssig wie der Fehler, um den es hier geht. Worüber reden wir? Bundesminister Niebel hat einen in Afghanistan hergestellten und nicht billigen Teppich gekauft. Dies ist im Interesse der Menschen und der Wirtschaft von Afghanistan. Ich begrüße den Kauf daher ausdrücklich. Ich ermuntere jeden, der nach Afghanistan oder in andere arme Länder reist, dort Produkte aus lokaler Produktion zu kaufen und mit nach Hause zu nehmen. (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Aber nicht mit Kinderarbeit! - Gegenruf des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Waren Sie dabei, als der Teppich geknüpft wurde?) Dies ist auch ein Gebot der Glaubwürdigkeit, (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Ach! Jetzt auf -einmal! Sie kennen sich ja aus!) wenn wir gleichzeitig die Entwicklung einer örtlichen Wirtschaft zur Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze anmahnen und in der Entwicklungspolitik aktiv unterstützen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die Kritik des Kollegen Raabe, es gehe Bundesminister Niebel nur um seine persönlichen Bedürfnisse, (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Und um die seiner Partei!) geht völlig ins Leere. Es wäre für die Menschen in den Entwicklungsländern ein ganz fatales Ergebnis, wenn als Folge dieses Vorfalls kein Politiker mehr örtliche Produkte kaufen würde. (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Ach was! Man muss sie nur versteuern! Warum denn auch nicht, wenn sie ohne Kinderarbeit hergestellt wurden? - Burkhard Lischka [SPD]: Wie bitte? Das gibt es doch überhaupt nicht!) Mit Ihrer unsachlichen und diffamierenden Kritik, Herr Raabe, hätten Sie dieses Ergebnis zulasten der Entwicklungsländer zu verantworten. (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Sind Blutdiamanten am Ende auch noch toll? So argumentieren Sie ja gerade!) Völlig richtig ist natürlich, dass Transport und Einfuhr privat erworbener Waren korrekt abgewickelt werden müssen. (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Ja! Das wäre nicht schlecht!) Dabei dürfen dem Steuerzahler keine Kosten entstehen. Ich sehe aber nicht, dass die Nutzung des Flugzeugs des BND solche Kosten verursacht hat. (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Ach nein? Ist das nach Ihrer Richtlinie so in Ordnung?) Wäre Bundesminister Niebel mit einer Regierungs-maschine geflogen, wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, zu kritisieren, dass er einen privat erworbenen Teppich im Gepäck mit nach Hause nimmt. Natürlich müssen Einfuhrabgaben wie Zölle und Mehrwertsteuer regelgerecht entrichtet werden. Bundesminister Niebel hat die diesbezüglichen Fehler eingeräumt, sich entschuldigt und unverzüglich das Verfahren eingeleitet, um die Einfuhrabgaben nachzuentrichten. Sie versuchen, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Sie versuchen, einen Fehler, den der Minister sofort eingeräumt und geheilt hat, künstlich zu einem Skandal aufzublasen. Einmal mehr scheuen Sie sich nicht, Ihre parteipolitischen Interessen in den Vordergrund zu stellen - des Ansehens unseres Landes und der politischen Klasse ungeachtet. Wenn Sie bei einer zugegebenermaßen unnötigen, aber in der Substanz geringen Verfehlung immer gleich ein Teeren und Federn fordern, dann trägt das in der Bevölkerung nicht zur Stärkung des Vertrauens in die politische Klasse bei. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Uns allen sollte dieser Vorfall eine Lehre sein: Wir haben peinlichst genau darauf zu achten, privates und dienstliches Handeln so voneinander zu trennen, dass alle Regeln eingehalten werden und unser privates Handeln nicht der Öffentlichkeit zur Last fällt. Der Öffentlichkeit zur Last fällt allerdings diese absolut überflüssige Aktuelle Stunde. Sie stiehlt uns wichtige Zeit, die wir nutzen könnten, um über drängende politische Themen zu sprechen, und sie löst keine Entwicklungsprobleme. Man kann es allerdings auch als gutes Zeichen werten, dass die Opposition eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt hat. Offenbar gibt es sonst keine Kritik an der Entwicklungspolitik der Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Man merkt, dass Sie noch nie an einer entwicklungspolitischen Debatte teilgenommen haben!) Angesichts unserer positiven Bilanz ist das auch logisch. Die Koalition hat mit der Vorfeldreform einen zentralen Erfolg bei der Schaffung von mehr Kohärenz und Effizienz erzielt. Wir haben deutlich umgesteuert, und zwar in Richtung der Förderung nachhaltiger Entwicklung; das heißt, für gute Regierungsführung, für mehr Bildung und Berufsbildung, (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Sie kennen sich wirklich überhaupt nicht aus! Das merkt man!) für die Förderung der Privatwirtschaft in den Entwicklungsländern, um Arbeitsplätze zu schaffen, für mehr Klimaschutz und die Bewahrung der Schöpfung, für eine bessere Ernährungssicherheit und für produktivere Landwirtschaft. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Wer hat Ihnen das denn alles aufgeschrieben?) In vielen Bereichen wurden die Mittel deutlich gesteigert. Diese Bilanz der christlich-liberalen Koalition kann sich sehen lassen. Davon darf und kann der verunglückte Kauf eines Teppichs nicht ablenken. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Letzte Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin Frau Dr. Barbara Hendricks. Bitte schön, Frau Kollegin Dr. Hendricks. (Beifall bei der SPD - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Schauen wir mal, ob das Pharisäertum des Kollegen Körper noch steigerbar ist!) Dr. Barbara Hendricks (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wollen wir den Sachverhalt des fliegenden Teppichs des Herrn Niebel doch einmal unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten prüfen: (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Oh! Jetzt kommen wir ins Seminar!) Herr Niebel hat sich entschieden, nach § 371 der Abgabenordnung eine Selbstanzeige zu erstatten; Frau Kollegin Koczy hat darauf schon hingewiesen. Er hat dies getan, nachdem er von Redakteuren von Spiegel Online angerufen oder auf andere Weise kontaktiert wurde. Die Finanzverwaltung wird zu prüfen haben, ob diese Selbstanzeige rechtzeitig erfolgt ist oder ob sie nicht doch - weil der Sachverhalt schon öffentlich war; wenn vielleicht noch nicht öffentlich, so doch an anderer Stelle bekannt - zu spät erfolgt ist. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Ja! Das werden die auch klären! Dafür brauchen wir aber keine Aktuelle Stunde!) Dieser Sachverhalt wird durch die Finanzverwaltung zu prüfen sein. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Frau Hendricks ist eine Oberprüfinstanz! - Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Sie ist sogar eine moralische Instanz!) Wir stellen also fest, dass wir es hier nicht mit einem bloßen Fehler, sondern zumindest mit dem Versuch der Steuerhinterziehung zu tun haben. Ob dieser Versuch vollendet ist, wird die Finanzverwaltung festzustellen haben. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Patrick Döring [FDP]: Abwegig, und Sie wissen, dass das falsch ist!) - Nein, ich weiß, dass das richtig ist. Man kann tatsächlich Straftaten auch aus Unachtsamkeit begehen. Das ist zweifellos möglich. (Patrick Döring [FDP]: Er hat gar nichts eingeführt! Steuerpflichtig ist, wer einführt! - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Aber schwache Reden werden meist absichtlich gehalten!) Auch wenn es nur Unachtsamkeit gewesen wäre, wäre möglicherweise trotzdem ein Straftatbestand erfüllt. Ob er vollendet ist, werden die Finanzverwaltung und in der Folge die Gerichte klären. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Aber dafür haben wir doch unabhängige Gerichte und nicht eine Frau Hendricks! Wir haben doch Gewaltenteilung! Sie stellen die Gewaltenteilung auf den Kopf!) - Ja, wir haben unabhängige Gerichte, sie werden sich damit auseinandersetzen. Zunächst wird die Finanzverwaltung prüfen und anschließend möglicherweise die Staatsanwaltschaft, möglicherweise aber auch nicht. Es handelt sich hier aber nicht um einen einfachen Bürger, sondern um einen Bundesminister, und ein Bundesminister muss sich im Zweifelsfall eben auch diesem Parlament und nicht nur der Finanzverwaltung und den unabhängigen Gerichten stellen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Patrick Döring [FDP]: So ist es! Das hat er auch getan!) Dies hat er getan, indem er gesagt hat, er habe einen Fehler begangen, diesen räume er ein und es tue ihm leid. Was ist denn zum Beispiel mit einem 14-Jährigen, der im Supermarkt eine Schachtel Zigaretten klaut, (Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Jetzt ist aber gut!) am Ausgang des Supermarktes erwischt wird und sagt: "Es tut mir leid"? (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: In der Juristerei nennt man so etwas eine Sachverhaltsquetsche!) Der Detektiv kann ihn natürlich trotzdem der Strafverfolgung überantworten. Ob er dann verurteilt wird, ist eine andere Frage. Möglicherweise muss er Sozialstunden leisten. So etwas in der Art kann folgen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Patrick Döring [FDP]: Steuerpflichtig ist, wer einführt!) - Herr Döring, ich komme gerne auf Sie zurück. Es ist völlig richtig: "Steuerpflichtig ist, wer einführt". Hier und heute und auch schon durch die Äußerungen, die Sie bisher öffentlich gemacht haben, tun Sie aber wirklich etwas, was eines Bundestagsabgeordneten nicht würdig ist. Sie wollen den Minister exkulpieren, indem Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Botschaft und den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (Patrick Döring [FDP]: Überhaupt nicht!) für etwas verantwortlich machen, was sie wirklich nicht zu verantworten haben. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Patrick Döring [FDP]: Die strafrechtliche Unterstellung wollen wir vermeiden!) - Entschuldigung, Herr Präsident! Vizepräsident Eduard Oswald: Das Wort hat die Frau Kollegin Dr. Hendricks. Dr. Barbara Hendricks (SPD): Vielleicht bekomme ich hinterher ja eine Minute extra. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Vielleicht sagt sie noch, welche Qualifikation sie hat, um uns dieses Rechtsseminar zu halten! - Gegenruf von der LINKEN: Unerträglich!) - Herr Lindner, ich erinnere an die Worte des Kollegen van Aken. Das reicht, was Sie anbelangt. Danke schön. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Sascha Raabe [SPD] an Abg. Dr. Martin Lindner [FDP] gewandt: Das ist die beste Qualifikation, die Sie haben, und alles, was Sie können!) Sie sagen, derjenige, der einführt, sei derjenige, der hinterzogen hat. Damit unterstellen Sie doch, dass der Präsident des Bundesnachrichtendienstes diese Steuerhinterziehung begangen hätte. Das können Sie als Abgeordneter doch nicht ernsthaft tun. (Patrick Döring [FDP]: Nein, im Gegensatz zu Ihnen unterstelle ich niemandem etwas! - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das Rechtsseminar einer Sozialwissenschaftlerin!) - Wissen Sie, ich erinnere noch einmal an die Worte des Kollegen van Aken. Für alle Zuhörer: Er ist der berühmteste Eierkrauler dieses Parlaments. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Florian Hahn [CDU/CSU]: Das ist wirklich arm! Erbärmlich! - Patrick Döring [FDP]: Das ist auch aus Ihrem Munde unparlamentarisch! - Weiterer Zuruf von der FDP: Noch einmal heute show! - Weitere Zurufe der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat die Frau Kollegin Dr. Hendricks. Dr. Barbara Hendricks (SPD): Es ist eben nicht damit getan, dass man sagt: Ich habe da einen Fehler begangen. Herr Niebel, haben Sie denn vom Bundesnachrichtendienst eigentlich zum Beispiel schon die Transportkosten in Rechnung gestellt bekommen? Die Transport-kosten sind nämlich genauso wie der Kaufpreis Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer von 19 Prozent und für die Zollabgabe von 3 Prozent. Also müssen die Transportkosten zum Warenwert des Teppichs hinzugerechnet werden. Es ist also nicht mit 19 Prozent von 1 000 Euro getan, sondern hinzu kommen noch die Transportkosten. Haben Sie die Transportkosten entrichtet? (Dr. Daniel Volk [FDP]: Frau Kollegin, das sind doch sowieso Kosten gewesen!) Wenn Ihnen der Bundesnachrichtendienst diese Transportkosten nicht in Rechnung stellt, dann müssen Sie dies als geldwerten Vorteil versteuern. Haben Sie das schon gemacht? Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Ihre strafbefreiende Selbstanzeige möglicherweise gar nicht strafbefreiend ist, weil sie nicht vollumfänglich abgegeben worden ist. (Beifall bei der SPD) Hier sind nämlich mehrere Sachverhalte, die Sie allem Anschein nach auch im Nachhinein nicht beachtet haben. Dies ist nicht unerheblich für einen Bundesminister. (Burkhard Lischka [SPD]: Er simst schon mit seinem Steuerberater!) Es ist in der Tat so: Diese Koalition nimmt für sich in Anspruch, eine bürgerlich-liberale Koalition zu sein. (Patrick Döring [FDP]: Sie ist es auch!) Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Kollegin, würden Sie bitte zum Schluss kommen? Dr. Barbara Hendricks (SPD): Wäre es möglich, dass Sie einmal darüber nachdenken, ob der bürgerliche Anstand noch bei allen von Ihnen vorhanden ist? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Patrick Döring [FDP]: Da müssten Sie sich zunächst entschuldigen! - Weiterer Zuruf von der FDP: Sie wissen gar nicht, was das ist!) Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Kollegin, wir werden bei allen Debatten darauf zu achten haben, ob wir alle Begriffe immer so parlamentarisch anwenden, um den einzelnen Kollegen jeweils in der Form anzusprechen, wie es unter Kollegen immer üblich sein sollte. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Und zwar nicht unter Genossen, sondern unter Kollegen im Deutschen Bundestag!) Insofern werden wir noch einmal nachlesen, wie Sie das formuliert haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wer sich nicht anders helfen kann!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 14. Juni 2012, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 16.36 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Ahrendt, Christian FDP 13.06.2012 Bär, Dorothee CDU/CSU 13.06.2012 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 13.06.2012 Bellmann, Veronika CDU/CSU 13.06.2012 Brandner, Klaus SPD 13.06.2012 Brinkmann (Hildes-heim), Bernhard SPD 13.06.2012 Gohlke, Nicole DIE LINKE 13.06.2012 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13.06.2012 Kolbe (Leipzig), Daniela SPD 13.06.2012 Krichbaum, Gunther CDU/CSU 13.06.2012 Dr. Lauterbach, Karl SPD 13.06.2012 Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine FDP 13.06.2012 Lindner, Christian FDP 13.06.2012 Menzner, Dorothée DIE LINKE 13.06.2012 Möller, Kornelia DIE LINKE 13.06.2012 Nahles, Andrea SPD 13.06.2012 Nestle, Ingrid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13.06.2012 Nietan, Dietmar SPD 13.06.2012 Roth (Esslingen), Karin SPD 13.06.2012 Schirmbeck, Georg CDU/CSU 13.06.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 13.06.2012 Süßmair, Alexander DIE LINKE 13.06.2012 Zapf, Uta SPD 13.06.2012 Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die dringliche Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/9910, Frage 3): Kann die Bundesregierung die Berichte über den drohenden Kollaps der griechischen Kliniken bestätigen (vergleiche Die Welt vom 12. Juni 2012), und sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen diesem Kollaps und den Spar-auflagen an die griechische Regierung im Rahmen der Kreditvergabe durch die Europäische Union? Die derzeitige Situation in den griechischen Krankenhäusern ist besorgniserregend. Wesentlicher Grund ist, dass der Träger für Gesundheitsleistungen des öffentlichen Gesundheitssystems in Griechenland, EOPYY, ausstehende Rechnungen nicht mehr begleichen kann. EOPPY wurde am 1. September 2011 mit dem Ziel gegründet, durch die Zusammenlegung der Gesundheitszweige der gesetzlichen Versicherungsträger IKA (Arbeitnehmer), OAEE (Selbstständige und Freiberufler), OPAD (öffentlicher Sektor) und OGA (landwirtschaftlicher Sektor) die Verfahren zu ra-tionalisieren und gleichwertige Leistungen für alle der rund 9,5 Millionen Berechtigten zu gewährleisten. Zwischen der Situation im griechischen Gesundheitswesen und dem Darlehen im Rahmen des Anpassungsprogramms für Griechenland ist jedoch kein ursächlicher Zusammenhang erkennbar, da die Probleme im Gesundheitssektor nicht neu sind und schon vor dem Beginn des Hilfsprogramms bestanden. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 1): Inwieweit sind Menschen mit Behinderung von den geplanten Änderungen im Mietrecht, vorgeschlagen von der Bundesregierung mit dem Entwurf eines Mietrechtsänderungsgesetzes (Bundesratsdrucksache 313/12), betroffen, und in welcher Weise hat die Bundesregierung mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention (insbesondere Art. 4 Abs. 3, Art. 9 und 19) Menschen mit Behinderung und deren Verbände bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs aktiv einbezogen? Menschen mit Behinderungen sind, sofern sie Mieter oder Vermieter sind, nicht in spezifischer Weise von den geplanten Änderungen des Mietrechtsänderungsgesetzes betroffen, sondern werden in gleicher Weise wie andere Mieter oder Vermieter auch erfasst. Vor diesem Hintergrund wurde von einer Einbeziehung speziell von Behindertenverbänden bei der Erarbeitung des Entwurfs abgesehen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Andrea Wicklein (SPD) (Drucksache 17/9888, Frage 10): Warum hat am 23. Mai 2012 das Bundeskabinett beschlossen, die Aufbewahrungsfristen für Rechnungen und weitere Belege nach Handels- und Steuerrecht ab 2013 nur auf acht und ab 2015 nur auf sieben Jahre zu verkürzen und nicht, wie die Bundesregierung ursprünglich im Dezember 2011 beschlossen hatte, insgesamt auf fünf Jahre zu verkürzen? Die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen entlastet die Wirtschaft einerseits von Erfüllungsaufwand. Andererseits muss die Finanzverwaltung in der Lage sein, zur Überprüfung der Angaben des Steuerpflichtigen in seiner Steuererklärung auf die erforderlichen Unterlagen zugreifen zu können. Damit wird gleichzeitig das Risiko von Steuermindereinnahmen, die es mit Blick auf die Konsolidierungserfordernisse der öffentlichen Haushalte zu vermeiden gilt, reduziert. Aus diesem Grund musste eine Abwägung zwischen Entlastung für die Wirtschaft, Aufkommenssicherung und Steuergerechtigkeit vorgenommen werden. Das Ergebnis dieser Abwägung ist eine Verkürzung auf acht bzw. sieben Jahre. Diese aus unserer Sicht gute Lösung führt immer noch zu einer Entlastung der Wirtschaft um 1,68 Milliarden Euro bzw. 2,5 Milliarden Euro im Jahr. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Andrea Wicklein (SPD) (Drucksache 17/9888, Frage 11): Wie hoch ist das verloren gegangene Entlastungsvolumen bei Unternehmen in Deutschland, da ursprünglich eine Aufbewahrungsfrist von fünf Jahren gegenüber der jetzt vereinbarten Aufbewahrungsfrist von acht bzw. sieben Jahren geplant war - betroffen sind gerade auch kleine und mittlere Unternehmen -, und wie will die Bundesregierung den verloren -gegangenen Entlastungsaufwand bei den Unternehmen kompensieren? Die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen auf fünf Jahre hätte zu einem geschätzten Entlastungspotenzial von 3,9 Milliarden Euro geführt. Mit der nunmehr geplanten Verkürzung auf acht bzw. sieben Jahre kann ein Entlastungsvolumen von 1,69 Milliarden Euro bzw. 2,5 Milliarden Euro generiert werden. Das tatsächliche Entlastungsvolumen hängt maßgeblich vom Verhalten des Steuerpflichtigen selbst ab, zum Beispiel ob die Unterlagen in Papierform oder elektronisch aufbewahrt werden oder ob die Unterlagen auch tatsächlich nach Ablauf der jeweiligen Frist vernichtet werden. Die Bundesregierung sieht sich weiterhin in der Pflicht, den Aufwand von Bürgerinnen und Bürgern, Wirtschaft und Verwaltung zur Erfüllung von Bundesrecht dauerhaft auf niedrigem Niveau zu halten. Aus -diesem Grund hat das Kabinett am 28. März 2012 das "Arbeitsprogramm bessere Rechtsetzung" beschlossen. Mit dem Beschluss hat die Bundesregierung Untersuchungen verschiedenster Bereiche initiiert, mit dem Ziel, den Erfüllungsaufwand weiter abzusenken und Verfahren zu vereinfachen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 12): Wie ist nach dem im September 2011 unterzeichneten und im April 2012 ergänzten Steuerabkommen mit der Schweiz gemäß Art. 31 sichergestellt, dass die schweizerische Zahlstelle überhaupt Kenntnis vom Tod einer betroffenen Person erhält, und welche Rechtsfolgen für die Anwendung des Abkommens ergeben sich nach Art. 38 Abs. 2, wonach Änderungen des deutschen Steuerrechts an die Schweizer Behörden gemeldet werden hinsichtlich einer entsprechenden Anpassung des Schweizer Steuerabkommens? Hinsichtlich der Kenntniserlangung vom Erbfall sind die geltenden schweizerischen Sorgfaltspflichten zu beachten, Art. 31 Abs. 1 Satz 2 des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Vorschriften zur Geldwäschebekämpfung, aber auch um zivilrechtliche Pflichten. So wird zum Beispiel eine schweizerische Zahlstelle, die an einen Nichtberechtigten ein Guthaben auszahlt, nicht von ihrer Leistungspflicht frei. Deshalb muss sie bereits im eigenen Interesse Vorkehrungen treffen, die derartige Fehler ausschließen. Art. 38 des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens ist mit Konsultationen überschrieben. Um eine schnellere und unbürokratische Abwicklung des Steuerabkommens und Zusammenarbeit der Vertragsstaaten zu gewährleisten, legt Art. 38 Abs. 2 des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens fest, dass die zuständige deutsche Behörde die zuständige schweizerische Behörde über Änderungen des deutschen Rechts zur Besteuerung von Erträgen oder Vermögenswerten, die von diesem Abkommen erfasst werden, informiert. So kann die Schweiz gegebenenfalls bereits frühzeitig Anpassungen an die neue Rechtslage vorbereiten. Sanktionen sind an Art. 38 nicht geknüpft, da er lediglich die vertragskonforme Durchführung des Abkommens gewährleisten soll. Kündigungs- und Aufhebungsgründe ergeben sich aus Art. 44 des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Richard Pitterle (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 13): Wie sind nach dem Kabinettsbeschluss der Bundesregierung zur Förderung der privaten Pflegeversicherung die privat getätigten Versicherungsaufwendungen im Rahmen der Sonderausgaben auch vor dem Hintergrund der Höchstbeträge nach § 10 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes zu behandeln, und aus welchem Grund wurde die staatliche Förderung nicht einkommensabhängig ausgestaltet? Beiträge zu einer privaten Pflegezusatzversicherung können vom Steuerpflichtigen grundsätzlich gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 a Einkommensteuergesetz als Sonderaus-gaben abgezogen werden. Aufgrund der Höchstbetragsbegrenzung für solche Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 4 Einkommensteuergesetz wirken sich die Beiträge in den meisten Fällen steuerlich jedoch nicht aus. Von einer einkommensabhängigen steuerlichen Förderung würden nur diejenigen profitieren, die aufgrund der Höhe ihres persönlichen Einkommens Einkommensteuer zahlen. Daher wurde bei der staatlichen Förderung ein Zulagenmodell gewählt, um die Förderung insbesondere für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen attraktiv zu machen. Dies verdeutlicht die soziale Ausrichtung einer Zulagenförderung. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 14): Plant die Bundesregierung, nach den seit geraumer Zeit vorliegenden Berichten der Arbeitsgruppen des Bundesministeriums der Finanzen zu Reisekostenrecht und Verlust--verrechnung diesbezüglich noch in dieser Legislaturperiode gesetzliche Änderungen vorzunehmen, und plant die Bundesregierung, den jüngsten Vorschlägen der Finanzminister-konferenz, FMK, zu folgen, die darauf abzielen, durch -kurzfristig umsetzbare Maßnahmen zur Vereinfachung des Steuerrechts, insbesondere durch eine Erhöhung von Pauschalierungen und einen Selbstbehalt bei haushaltsnahen Dienstleistungen, eine Erleichterung bei Massenphänomenen der Einkommensteuerveranlagung zu bewirken? Die Bundesregierung prüft derzeit, ob und, wenn ja, welche konkreten Maßnahmen aus den angesprochenen Bereichen Reisekostenrecht und Verlustverrechnung noch in dieser Legislaturperiode gesetzgeberisch aufgegriffen werden sollen. Die Zielsetzung einer weitergehenden Vereinfachung des Steuerrechts, die die Finanzministerkonferenz mit ihren Beschlüssen vom 1. Juni 2012 aufgegriffen hat und zu der es eine Bundesratsinitiative geben soll, wird auch von der Bundesregierung als steuerpolitische Dauer--aufgabe gesehen. Die Bundesregierung begrüßt daher vom Grundsatz die Initiative der Länder auf diesem -Gebiet. Wie weit die Bundesregierung die einzelnen Maßnahmen des von den Ländern beschlossenen Pakets unterstützt, ist zu entscheiden, wenn eine entsprechende Initiative des Bundesrates vorliegt. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 15): Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, nachdem sie in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke auf Bundestagsdrucksache 17/9811 vom 2. Mai 2012 bestätigt hat, dass die Entgeltoptimierung durch planmäßige und modellhafte Ausnutzung von Sonderregelungen zur Steuerfreistellung von Entgeltbestandteilen "insbesondere im Hinblick auf die Einnahmeausfälle für den Fiskus und für die Sozialkassen nicht unproblematisch" ist, um die Zunahme dieser Modelle einzuschränken, und stimmt die Bundesregierung damit überein, dass im Zuge dieser Entwicklungen und gemäß dem jüngsten Beschluss der FMK eine Absenkung der Freigrenze für Sachbezüge eine sinnvolle und angemessene Maßnahme wäre? Die Bundesregierung wird die Entwicklung dieser Modelle weiter beobachten. Die angesprochenen Modelle sind in der Regel kein Gestaltungsmissbrauch. Zudem ist eine modellartige Gestaltung bei bestimmten Steuerbegünstigungen bereits tatbestandsmäßig ausgeschlossen. Wie weit die Bundesregierung die einzelnen Maßnahmen des von den Ländern beschlossenen Pakets unterstützt, wird zu entscheiden sein, wenn die entsprechende Initiative des Bundesrates vorliegt. Das gilt auch für die Freigrenze für Sachbezüge. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 16): Teilt die Bundesregierung die Sorge von Währungsexperten, dass der Euro in den nächsten drei Monaten zusammenbrechen könnte, und was unternimmt die Bundesregierung in den nächsten Wochen, um einen Zusammenbruch des Euro zu verhindern? Die Bundesregierung kommentiert nicht die einzelnen Meinungen von Währungsexperten zu einem Aus-einanderbrechen der Euro-Zone. In den vergangenen Monaten wurden umfassende Maßnahmen beschlossen und auf den Weg gebracht, um die Wirtschafts- und Währungsunion krisenfest zu machen. Diese Reformen sind in eine Viersäulenstrategie eingebettet, die folgende Elemente beinhaltet: 1. Reformen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Peripherieländer, 2. Verbesserung der wirtschaftspolitischen Koordinierung und finanzpolitischen Überwachung zwischen den Mitgliedstaaten der Währungsunion, 3 gezielte Verbesserung der Regulierung und der Aufsicht über den Finanzsektor sowie 4. Einrichtung eines permanenten Stabilitätsmechanismus. Zudem wurde die temporäre Erhöhung der gemein-samen Obergrenze der Kreditvergabekapazität von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und des Europäischen Stabilitätsmechanismus von 500 auf 700 Milliarden Euro beschlossen. Die Bundesregierung ist der festen Überzeugung, dass diese Strategie die richtige ist, um eine nachhaltige Stabilisierung der Euro-Zone zu erreichen und die richtigen Anreize für eine solide Finanzpolitik und ein ausgewogenes Wirtschaftswachstum in den Mitgliedsländern zu setzen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 17): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Griechenland-Strategie der Bundesregierung gescheitert ist, und ist die Bundesregierung bereit, die Griechenland-Strategie so zu ändern, dass der Schuldenabbau über einen längeren -Zeitraum gestreckt wird? Griechenland hat mit dem zweiten Anpassungsprogramm und nach der erfolgreichen Umschuldung, an der sich 97 Prozent der privaten Investoren beteiligt haben, die Chance, seine Schulden auf ein tragfähiges Niveau zurückzuführen. Die drei Komponenten Privatsektor--beteiligung, Haushaltskonsolidierung und Privatisierung führen bei strikter Umsetzung unter den gegebenen Annahmen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung bis zum Jahr 2020 zu einem Schuldenstand von circa 117 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Voraussetzung für den Erfolg des zweiten Programms ist, dass Griechenland nach den Wahlen am 17. Juni zu stabilen Verhältnissen zurückfindet. Dabei ist wichtig, dass sich eine politisch legitimierte, auf eine breite Mehrheit gestützte Regierung bildet, die das mit den -europäischen Partnern und dem Internationalen Währungsfonds, IWF, vereinbarte Anpassungsprogramm konsequent umsetzt. Die künftige griechische Regierung muss sich an das vereinbarte Reformprogramm halten, so wie umgekehrt auch Deutschland zu seinen Verpflichtungen gegenüber Griechenland steht. Deutschland ist darüber hinaus weiterhin bereit, Griechenland strukturell und organisatorisch zu helfen. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 18): Wem sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Ergebnisse der Prüfung der Kreditportfolios griechischer Banken durch den Vermögensverwalter BlackRock (siehe Wirtschaftswoche vom 18. Mai 2012) bekannt, und aus welchen Gründen soll die Studie erst veröffentlicht werden, wenn sich in Griechenland eine neue Regierung gebildet hat? Eine Studie von BlackRock Solutions hat im Vorfeld der Troika-Mission vom Februar 2012 die Qualität der inländischen Kreditportfolios der griechischen Banken bewertet. Nach einer sechsmonatigen Untersuchung, die in der Prüfung der Kreditbestände der Banken und der Kalibrierung der Modelle bestand, legte das Beratungsunternehmen der Bank von Griechenland im Januar 2012 seinen Bericht vor. Die Kosten der Unterstützung des griechischen Bankensystems werden auf 50 Milliarden Euro geschätzt. Die Veröffentlichung erfolgte bereits im März 2012, die Bundesregierung kann daher die Angaben der Wirtschaftswoche nicht bestätigen. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 19): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über in Medien berichtete Planspiele oder sogar Planungen für Maßnahmen der Europäischen Union bis hin zur Schließung von Grenzen zu Griechenland, um möglichen Auswirkungen einer Eskalation der dortigen Wirtschaftskrise auf die Sicherheitslage zu begegnen, etwa wenn viel Geld illegal außer Landes geschafft wird (vergleiche den Standard, 29. Mai und 7. Juni 2012), und inwieweit war die Bundesregierung selbst an solchen Planspielen beteiligt und hat konkrete Pläne mitent-wickelt? Die griechischen Bürger werden am kommenden Sonntag ein neues Parlament wählen. Die Bundesregierung ist bereit, mit der aus diesen Wahlen hervorgehenden neuen Regierung unmittelbar Gespräche aufzunehmen. Dabei liegt uns - ganz im Sinne der im Rahmen des Griechenland-II-Programms gewährten Unterstützung durch die Euro-Zone - an einer schnellen Stabilisierung der Situation in Griechenland. Die Bundesregierung hält einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone für wünschenswert. Griechenland hat mit dem zweiten Anpassungsprogramm und nach der erfolgreichen Umschuldung, an der sich 97 Prozent der privaten Investoren beteiligt haben, die Chance, seine Schulden auf ein tragfähiges Niveau zurückzuführen. Die drei Komponenten Privatsektorbeteiligung, Haushaltskonsolidierung und Privatisierung führen bei strikter Umsetzung unter den gegebenen Annahmen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung bis zum Jahr 2020 zu einem Schuldenstand von circa 117 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Voraussetzung für den Erfolg des zweiten Programms ist aber auch, dass Griechenland nach den Wahlen am 17. Juni wieder zu stabilen Verhältnissen zurückfinden kann. Dabei ist wichtig, dass sich eine politisch legitimierte, auf eine breite Mehrheit gestützte Regierung, bildet, die das mit den europäischen Partnern und dem -Internationalen Währungsfonds, IWF, vereinbarte Anpassungsprogramm umsetzt. Die künftige neue griechische Regierung muss sich an das vereinbarte Reformprogramm halten, so wie umgekehrt auch Deutschland zu seinen Verpflichtungen gegenüber Griechenland steht. Deutschland ist darüber hinaus bereit, Griechenland auch strukturell und organisatorisch zu helfen. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 20): Wie steht die Bundesregierung zu der Forderung Spaniens, Banken direkt aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus zu rekapitalisieren, und wie wird sich die Bundesregierung auf dem nächsten EU-Gipfel dazu verhalten? Die Bundesregierung unterstützt die spanische Regierung in ihren Bemühungen, die Restrukturierung ihres Bankensektors voranzubringen und begrüßt deren Absicht, zu diesem Zweck finanzielle Unterstützung zu beantragen. Die Bundesregierung wurde zusammen mit den anderen Mitgliedern der Euro-Gruppe darüber informiert, dass die spanische Regierung in Kürze einen -entsprechenden Antrag stellen wird. Die Finanzhilfen würden zum Zwecke der Rekapitalisierung von Finanz-insitituten bereitgestellt. Insgesamt wird der Kapitalbedarf inklusive eines Sicherheitspuffers auf 100 Milliarden Euro geschätzt. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Fragen 21): Wie steht die Bundesregierung zu der Kritik, dass zur Überwachung des Korrekturmechanismus der deutsche Stabilitätsrat bzw. ein wie auch immer ausgestalteter Beirat nicht die Anforderungen einer unabhängigen Überwachungseinrichtung erfüllt, und wie soll eine echte Unabhängigkeit einer solchen Einrichtung gewährleistet werden? Eine etwaige Kritik ist nach Auffassung der Bundesregierung unbegründet. Dem Stabilitätsrat gehören die Finanzminister des Bundes und der Länder sowie der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie an. Insbesondere aufgrund seiner Entscheidungsstruktur besitzt der Stabilitätsrat selbst bereits ein hohes Maß an Unabhängigkeit. Die Entscheidungen werden mit der Stimme des Bundes und Zweidrittel der Länder getroffen. Bei Entscheidungen über ein Land ist das betroffene Land nicht stimmberechtigt. Bei Entscheidungen, die den Bund betreffen, stimmt der Bund mit einfacher Stimme ab. Mit der Errichtung eines Beirats aus Sachverständigen soll die Unabhängigkeit des Stabilitätsrats weiter gestärkt werden. Damit wird der Stabilitätsrat bei der Überwachung der Einhaltung der Obergrenze des gesamtstaatlichen Finanzierungssaldos unterstützt. Mitglieder des Beirats sollen unter anderem die Deutsche Bundesbank, der Sachverständigenrat und die an der Gemeinschaftsdiagnose beteiligten Forschungsinstitute sein. Damit wird ein höchstes Maß an unabhängiger Expertise gewährleistet. Der Vorschlag folgt damit der bewährten Tradition, Projektionen der Haushaltsbehörden durch den Wettbewerb mit entsprechenden Ergebnissen und Bewertungen sowie Empfehlungen unabhängiger Gremien, (beispielsweise Gemeinschaftsdiagnose, Sachverständigenrat, Deutsche Bundesbank) zu kontrollieren. Im Übrigen hat bereits der Bundesrat gefordert, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzt, dass der Stabilitätsrat mit dieser Aufgabe betraut wird. Das Vorhaben der Bundesregierung zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags steht dabei in vollem Einklang mit den europäischen Vorgaben. Kommissar Rehn geht in seinem Schreiben vom 4. Juni 2012 an Bundesminister der Finanzen Dr. Schäuble - das auch dem Deutschen Bundestag zugeleitet wurde - auf das Verhältnis der deutschen Schuldenbremse zu den Vorgaben für den Korrekturmechanismus sowie auf die nach den Vorschlägen der Bundesregierung geplante innerstaatliche Umsetzung des Fiskalvertrags in Deutschland ein. Hier erläutert er, dass er die Ankündigung der Bundesregierung begrüße, das Haushaltsgrundsätzegesetz und das Gesetz über den Stabilitätsrat im Sinne der im Arbeitspapier zum Korrekturmechanismus vorgesehenen Koordinierung anzupassen, und, dass dies dazu führen wird, dass Deutschland den Stabilitäts- und Wachstumspakt und den Fiskalvertrag in der Zukunft einhalten wird. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 22): Inwieweit sind Menschen mit Behinderung von der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie betroffen, und in welcher Weise hat die Bundesregierung mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention (insbesondere Art. 4 Abs. 3) Menschen mit Behinderung und deren Verbände bei der Erarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie und des diesbezüglichen Fortschrittsberichts 2012 aktiv einbezogen? Die Bundesregierung hat einen umfassenden Dialog zur Nachhaltigkeit im Herbst 2010 gestartet. Viele Bürgerinnen und Bürger haben sich am Dialog beteiligt. Die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie wurde zuletzt durch den vom Bundeskabinett am 15. Februar 2012 beschlossenen Fortschrittsbericht weiterentwickelt. Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie ist die Erreichung von Generationengerechtigkeit, sozialem Zusammenhalt, Lebensqualität sowie der Wahrnehmung internationaler Verantwortung. In diesem Sinne sind wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und soziale Verantwortung so zusammenzuführen, dass Entwicklungen dauerhaft tragfähig sind. Hiervon sind Menschen mit Behinderung in gleicher Weise betroffen wie andere Menschen. Die Bundesregierung hat gerade im Rahmen des Konzepts zur Fachkräftesicherung auch Menschen mit Behinderung im Blick, da angesichts der demografischen und technischen Entwicklung eine systematische Förderung und Mobilisierung von allen inländischen Potenzialen notwendig ist. Hier sind auch die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Menschen mit Behinderung gefragt. Zum Ausdruck kommt dies in den fünf Sicherungspfaden des Fachkräftekonzepts der Bundesregierung mit besseren Bildungschancen für alle von Anfang an über eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung, der Aktivierung und Beschäftigungssicherung bis hin zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Menschen mit Behinderung hatten ebenso wie Menschen ohne Behinderung die Möglichkeit, sich im Rahmen der beiden Onlinedialoge zum Fortschrittsbericht im Herbst 2010 bzw. Sommer 2011 zu beteiligen. Überdies hatte der Rat für Nachhaltige Entwicklung den 4. Juni 2012 zum Deutschen Aktionstag Nachhaltigkeit ausgerufen. Der Aktionstag wurde auf Bundesebene, von Ländern und Kommunen, der Wirtschaft, den Umweltverbänden, von den Gewerkschaften sowie den Kirchen unterstützt. Es sollte gezeigt werden, wie wir unsere Zukunft in die eigenen Hände nehmen können. Deshalb sollen noch mehr Menschen gewonnen werden, sich für Nachhaltigkeit zu engagieren. Auch hierzu waren und sind alle Menschen mit und ohne Behinderung eingeladen. Einen Überblick über die Veranstaltungen und Projekte liefert das Internetangebot des Rats für Nachhaltige Entwicklung. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Anton Schaaf (SPD) (Druck-sache 17/9888, Frage 23): Wie definiert die Bundesregierung den Begriff der Einstandsgemeinschaft in Bezug auf die geplante Zuschussrente, und warum werden dem vorgelegten Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales - Entwurf eines Gesetzes zur Anerkennung der Lebensleistung in der Rentenversicherung - entsprechend eheähnliche oder lebenspartnerschaftliche Gemeinschaften bei der Einkommensanrechnung auf die Zuschussrente bessergestellt? Die Regelungen zur Einkommensanrechnung auf die geplante Zuschussrente nach dem Referentenentwurf -eines Gesetzes zur Anerkennung der Lebensleistung in der Rentenversicherung werden derzeit zwischen den Ressorts abgestimmt. Die Ressortabstimmung ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Fragen 26 und 27): Wie beabsichtigt die Bundesregierung das von der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, am 7. Juni 2012 geäußerte Angebot an die gekündigten Schlecker-Beschäftigten, sich in Pflege- und Betreuungsberufe umschulen zu lassen, vor dem Hintergrund umzusetzen, dass eine Umschulung in diese Berufe üblicherweise drei Jahre dauert und nach § 180 SGB III bisher nur zweijährige Umschulungen gefördert werden können bzw. die Finanzierung des dritten Jahres aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen gesichert sein muss, und in welchen Bundesländern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung bisher Regelungen, die eine Umschulung zur Erzieherin/zum Erzieher bzw. zur Altenpflegerin/zum Altenpfleger in zwei Jahren ermöglichen bzw. die Finanzierung für das dritte Jahr sicherstellen? Welchen Beitrag wird die Bundesregierung angesichts der begrenzten Fördermöglichkeiten über das SGB II und SGB III und der gekürzten Haushaltsmittel für die Arbeitsförderung leisten, um den nahezu 25 000 Schlecker-Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz verlieren bzw. bereits verloren haben, neue berufliche Perspektiven zu eröffnen, und aus welchen sachlichen Gründen hielt und hält es die Bundesregierung nicht für richtig, sich mittels einer Bürgschaft - auch über die KfW Bankengruppe - für die Einrichtung einer Transfergesellschaft zur Qualifizierung der Schlecker-Beschäftigten zu -engagieren? Zu Frage 26: Das Angebot von Frau Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen zur Förderung von Umschulungen in Pflege- und Betreuungsberufe für ehemalige Schlecker-Beschäftigte erfordert selbstverständlich wie bei allen Umschulungsangeboten eine persönliche Neigung und Eignung für den Beruf sowie das Vorliegen der sonstigen berufs- und förderrechtlichen Voraussetzungen. Altenpflegerin und Altenpfleger sind klassische Umschulungsberufe, die nach dem bundesrechtlich geregelten Altenpflegegesetz durchgeführt werden. Über die -Finanzierung des dritten Jahres der Altenpflegeumschulung haben Bund und Länder bereits im Jahr 2005 Einvernehmen erzielt. Die Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher ist landesrechtlich unterschiedlich geregelt. Die Ausbildungsverantwortung liegt vorrangig bei den Ländern. Eine Umschulungsförderung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher durch Arbeitsagenturen und Jobcenter ist danach grundsätzlich in allen Bundesländern möglich, in denen die dreijährige Ausbildung eine zweijährige schulische Ausbildung mit nachgeschaltetem und vergütetem Anerkennungspraktikum umfasst. Dies ist nach Kenntnis der Bundesregierung in den Ländern -Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg, Saarland, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt der Fall. In verschiedenen Ländern bietet auch die sogenannte Externenprüfung die Möglichkeit einer Nachqualifizierung zur staatlich geprüften Erzieherin bzw. zum staatlich geprüften Erzieher. Dies ist beispielsweise in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland möglich. Die Teilnahme an entsprechenden Vorbereitungskursen ist durch Arbeitsagenturen und Jobcenter ebenfalls förderfähig. Zu den Berufen des Erziehungsbereichs gehören -neben Erzieherin und Erzieher auch Kinderpflegerin und -pfleger sowie Sozialpädagogische Assistentin bzw. -Assistent. Personen, die Interesse an einer Aus- bzw. Weiterbildung im Erziehungsbereich haben, aber nicht die Voraussetzungen für eine Umschulung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher erfüllen, können bei Vorliegen der Fördervoraussetzungen in diese Berufe umgeschult werden. Zu Frage 27: Im Rahmen der politischen Gespräche der Länder zur Finanzierungsfrage für eine Transfergesellschaft hatte die Bundesregierung angeboten, technische Hilfestellung durch die Anweisung eines KfW-Kredits zur Finanzierung des Arbeitgeberanteils zur Durchführung einer Transfergesellschaft zu leisten. Voraussetzung dafür wäre allerdings gewesen, dass die Länder die Bürgschaft für den KfW-Kredit übernommen hätten, denn im Umgang mit Finanzierungsanfragen von Unternehmen in Schwierigkeiten gibt es klare Absprachen und eine in der Vergangenheit regelmäßig geübte Praxis zwischen Bund und Ländern. Danach ist das Land, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, Ansprechpartner und Koordinator in Finanzierungsfragen zwischen den betroffenen Ländern. Allerdings kann die Bundesagentur für Arbeit die ehemaligen Schlecker-Mitarbeiterinnen auch ohne eine Transfergesellschaft bei ihrer Suche nach einer neuen Beschäftigung gut unterstützen. Sollte eine unmittelbare Vermittlung in eine neue Beschäftigung nicht gelingen, stehen die Instrumente der aktiven Arbeitsförderung, insbesondere die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung oder an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung zur Verfügung. Durch eine gezielte Weiterbildungsförderung können festgestellte Qualifikationsdefizite, die eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erschweren, beseitigt werden. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Berufsabschluss kann auch das Nachholen eines Berufsabschlusses gefördert werden. Die Voraussetzungen für eine individuelle Unterstützung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Agenturen für Arbeit sind daher gegeben. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Fragen 30 und 31): Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Report "Schlecht beraten: Gentechnik-Lobbyisten dominieren Expertengremium", in welchem die Unabhängigkeit von Bundeseinrichtungen bzw. deren Kommissionen angezweifelt wird, und welche Konsequenzen wird sie einleiten? Wie will die Bundesregierung zukünftig sicherstellen, dass die Expertengremien von Bundesbehörden, welche mit der Risikobewertung und Forschungsförderung von gentechnisch veränderten Pflanzen beauftragt sind, unabhängig und unter Einbezug von Verbraucher- und Umweltschutzsachverstand arbeiten können? Zu Frage 30: Der von Ihnen, Frau Kollegin, genannte Report trägt den Untertitel "Schwere Interessenkonflikte beim Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR". Auf diesen geäußerten Vorwurf möchte ich gerne antworten. Das BfR ist eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, BMELV. Es betreibt auf der Grundlage eines eigenen Errichtungsgesetzes eigene Forschung und berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Die in dem Report kritisierten externen Sachverständigen beraten das BfR lediglich. In keinem Fall treffen sie amtliche Entscheidungen oder führen wissenschaftliche Bewertungsarbeit durch. Die BfR-Kommission für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel nimmt also keine amtliche Kontrollfunktion wahr. Das BfR arbeitet und entscheidet, wie gesetzlich festgelegt, ausschließlich aufgrund eigener Expertise und in eigener Verantwortung. BfR-Mitarbeiter haben in den Kommissionen ausdrücklich kein Stimmrecht, sodass die Beratungsarbeit der Kommissionen vollständig von den behördlichen Bewertungsabläufen getrennt ist. Diese Grundsätze gelten für alle 15 Expertenkommissionen des BfR. Die Arbeiten des BfR genießen national, innerhalb der EU und international hohe Anerkennung. Zu Frage 31: Mitglieder der 15 BfR-Kommissionen werden nach objektiven und transparenten Kriterien ausschließlich aufgrund ihrer wissenschaftlichen Exzellenz, ihrer -Kompetenz und ihrer Fachkenntnisse ausgewählt. Diese ehrenamtlichen Positionen werden nach einem öffent--lichen Ausschreibungsverfahren vergeben, in dem es jedem Experten weltweit freisteht, sich aufgrund seiner fachlichen Selbsteinschätzung zu bewerben. Das Verfahren ist offen gestaltet und adressiert ausdrücklich nicht nur Fachleute aus Universitäten und Forschungseinrichtungen, sondern auch Vertreter der Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen, der Industrie und der -Behörden, um in fachlicher Breite und Tiefe den wissenschaftlichen Beratungsbedarf des BfR zu decken. Mit diesem Verfahren wird erreicht, dass die genannten -Bereiche auch in der Kommission vertreten sind. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dagdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 35): Kann die Bundesregierung ausschließen, dass das Kentern des Fischerbootes "Beluga", das sich seit dem 17. März 1999 auf dem Weg nach Bornholm befand und infolgedessen drei erfahrene Seeleute den Tod auf einem der damals modernsten Schiffe der Fischfangflotte Sassnitz fanden, nicht in einem Zusammenhang mit dem Testen von U-Booten der Dolphin-Klasse stand, die über Stealth-Eigenschaften verfügen und an Israel ausgeliefert werden sollten (vergleiche www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/israel-gets-fourth-dolphin-class-submarine- from-germany-1.428039), und trifft es zu, dass unmittelbar vor dem Kentern des Schiffes vor dem Hintergrund des stattfindenden Seemanövers "Jaguar" unter anderem in Vorbereitung auf den Kosovo-Krieg in diesem Gebiet Radarsignale erprobt bzw. verfremdet ausgesandt wurden? Dem Bundesministerium der Verteidigung liegen keine Erkenntnisse über mögliche Zusammenhänge zwischen dem Kentern des Fischereibootes "Beluga" und den Tests von U-Booten der Dolphin-Klasse oder einem gleichzeitig durchgeführten Seemanöver "Jaguar 1999" vor. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dagdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 36): Mit welchem Auftrag und Ziel wurde die Fregatte "Bremen" bis 29. Mai 2012 im Arabischen Meer eingesetzt, und welche Maßnahmen waren bei diesem Einsatz vorgesehen für den Fall, dass Boote gesichtet würden, die im Verdacht stehen, gegen die UN-Sanktionen gegen den Iran zu verstoßen oder im Rahmen der Bekämpfung des Terrorismus relevant zu sein? Die Fregatte "Bremen" gehört seit dem 19. Mai 2012 zum deutschen Einsatzkontingent im Rahmen der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias. Maßnahmen im Zusammenhang mit VN-Sanktionen gegen den Iran oder der Bekämpfung von Terrorismus sieht das Atalanta-Mandat nicht vor. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 37): Ist die Bereitstellung von Personal für die Familienbetreuungsstellen der Bundeswehr den jeweilig zuständigen Truppenteilen freigestellt, und wie wird das dann eingesetzte Personal fachlich auf seine neue Funktion vorbereitet? Familienbetreuungsstellen werden durch die kontingentstellenden Truppenteile in den Standorten mit -nebenamtlichem Personal für die Dauer des Einsatzes aufgestellt und fachlich einem Familienbetreuungszen-trum zugeordnet. Die Festlegung der Anzahl und die Auswahl des geeigneten Personals für die Familienbetreuungsstelle trifft der/die zuständige Vorgesetzte des kontingentstellenden Truppenteils. Das ausgewählte Personal wird durch das zuständige Familienbetreuungszentrum in die zukünftigen Aufgaben eingewiesen. Grundsätzlich besteht das Angebot, dass das für den Einsatz in einer Familienbetreuungsstelle vorgesehene Personal am Grundlagenlehrgang der Familienbetreuungsorganisation teilnimmt. Daneben hat das Leit-Familienbetreuungszentrum beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr eine Grundsatzweisung für die Familienbetreuungsorganisation herausgegeben, in der die durch eine Familienbetreuungsstelle wahrzunehmenden Aufgaben beschrieben werden. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 38): Welches Wirkungsspektrum - kinetisch und nichtkinetisch - deckt die Anfangsbefähigung der Bundeswehr für Angriffe auf gegnerische Netze ab, und in welchem Umfang ist eine Beteiligung des Deutschen Bundestages bei der Entscheidung über einen digitalen Angriff nach Ansicht der Bundes-regierung erforderlich, insbesondere wenn dieser nicht im Rahmen eines bereits mandatierten Einsatzes erfolgen soll? Die Fähigkeit der Bundeswehr bezieht sich auf digitale Angriffe. Die erzielbaren Effekte würden einer Einzelfallbetrachtung unterliegen und sich nach Bedrohung, anzugreifendem Ziel und Auftrag im jeweiligen Fall richten. Sie sind daher aufgrund der laufenden ständig anzupassenden Entwicklung nicht generalisierbar. Die Zustimmung des Deutschen Bundestages ist nach § 1 Abs. 2 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes bei jedem Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes erforderlich. Sollte der Einsatz von Computernetzwerkoperationskräften, CNO-Kräften, der Bundeswehr bei Auslands-einsätzen konkret geplant werden, so würden die für den Einzelfall erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen und Grundlagen beachtet werden. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 39): Wann wird abschließend über das Nachfolgesystem der Drohnen vom Typ IAI Heron entschieden, und was ist der aktuelle Stand in der Erwägung, unbemannte Luftfahrzeuge vom Typ Predator B zu beschaffen? Als Ergebnis einer Bewertung der marktverfügbaren Nachfolgesysteme für das unbemannte Luftfahrzeug -Heron 1 wurde entschieden, ein Angebot für die Beschaffung von unbemannten Luftfahrzeugen Predator B einzuholen. Eine endgültige Beschaffungsentscheidung kann jedoch erst nach erfolgreicher Prüfung des Angebots getroffen werden, die voraussichtlich im III. Quartal 2012 erfolgen wird. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage des Abgeordneten Richard Pitterle (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 41): Aus welchem Grund erfolgt nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs in der Ausschussfassung auch weiterhin keine Berücksichtigung von Ausgaben für die private Krankenversicherung nach § 2 f Abs. 1, die ebenfalls negativ als Zahlungsmittelabflüsse das Nettoeinkommen berühren und damit mindernd auf die Bemessungsgrundlage des Elterngeldes wirken würden, und zählen zu den Einnahmen nach § 2 c Abs. 1 auch Sachbezüge und steuerfreie Einnahmen? Der Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs soll auch im Interesse der Elterngeldberechtigten dazu beitragen, dass Anträge einfacher von den Elterngeldstellen bearbeitet werden können. Konzeptionelle Änderungen am Elterngeld sieht er nicht vor. Nach der bisherigen Gesetzeslage sind bei der Elterngeldberechnung nur die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung in Abzug zu bringen. Beiträge zur privaten Krankenversicherung werden schon nach der bisherigen Rechtslage nicht vom Bruttoeinkommen abgezogen. Dies rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass diese Beiträge im Unterschied zu den Pflichtbeiträgen in die gesetzliche Sozialversicherung auch während des Elterngeldbezugs weiter zu entrichten sind. Das dadurch gegenüber Pflichtversicherten erhöhte Nettoeinkommen wird der Berechnung des Elterngeldanspruchs zugrunde gelegt. Insofern werden die während der Elterngeldbezugszeit zu entrichtenden privaten Krankenversicherungsbeiträge durch den sich aus dem höheren Nettoeinkommen ergebenden erhöhten Elterngeldanspruch systemgerecht teilweise kompensiert. Die Frage, welche Einnahmen bei der Elterngeldberechnung berücksichtigt werden, bestimmt sich nach dem Regelungsentwurf zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG-Entwurf. Dementsprechend werden - wie bisher - auch Sachbezüge bei der Einkommensermittlung berücksichtigt, wenn sie steuerlich Erwerbseinkünfte darstellen und keine sonstigen Bezüge darstellen, die elterngeldrechtlich nicht berücksichtigt werden. Steuerfreie Einnahmen sind nach dieser Begriffsbegriffsbestimmung hingegen - ebenfalls wie bisher - nicht zu berücksichtigen, da sie nicht zu den Erwerbseinkünften nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 des Einkommensteuergesetzes gehören. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/9888, Frage 48): Wie ist der Stand bei der Erarbeitung einer Verordnung für ein Qualitätssicherungssystem für Fahrschulen gemäß § 34 Abs. 4 des Fahrlehrergesetzes, und wann ist mit deren Erlass zu rechnen? Schon heute ist es für alle Fahrlehrer möglich, sich einem Qualitätssicherungssystem anzuschließen. Große Teile der Fahrlehrerschaft haben sich gegen einen von der Bundesregierung erarbeiteten Verordnungsentwurf ausgesprochen, da die Bundesländer nicht bereit sind, auch bei Vorliegen eines von ihnen genehmigten Qualitätssicherungssystems von der wiederkehrenden Überwachung der Fahrschulen abzusehen. Zudem sind nach Angaben der Fahrlehrerschaft nur circa 5 bis 7 Prozent aller Fahrlehrer überhaupt an einem von der zuständigen Landesbehörde genehmigten Qualitätssicherungssystem interessiert, sodass die Schaffung einer entsprechenden Verordnung auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit keinen Sinn macht. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/9888, Frage 49): Welchen Arbeitsstand hat die Bundesregierung bei der Bearbeitung des Eckpunktepapiers der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Reform des Fahrlehrerrechts" erreicht, und wann wird sie den Entwurf einer Novelle zum Fahrlehrergesetz dem Deutschen Bundestag zuleiten? Die Bundesregierung war an der Erarbeitung des von der Verkehrsministerkonferenz beschlossenen Eckpunktepapiers beteiligt und beabsichtigt, die dort aufgeführten Vorschläge - soweit rechtlich möglich - für die Reform des Fahrlehrerrechts aufzugreifen. Erste Vorbereitungen zur Reform des Fahrlehrergesetzes laufen. Ein genauer Terminplan steht noch nicht fest. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 50): Wann wird die Bundesregierung die 2011 überarbeitete Eurovignettenrichtlinie, mit der externe Umweltkosten, die durch Luftverschmutzung, Lärm und Staus durch Lkw entstehen, in die Mauterhebung einbezogen werden können, in nationales Recht umsetzen, und gibt es Überlegungen der Bundesregierung, in die Internalisierung der externen Kosten des Verkehrs auch die Flächenversiegelung einzubeziehen? Die Richtlinienänderung 2011/76/EU enthält keine zusätzlichen verpflichtenden Maßnahmen, die einer na-tionalen Umsetzung bedürften. Es müssen die entsprechenden Verweise auf die Eurovignettenrichtlinie, die im Bundesfernstraßenmautgesetz enthalten sind angepasst sowie eine marginale Anpassung des Anwendungsbereichs vorgenommen werden. Die Umsetzungsfrist hierfür läuft noch bis zum 16. Oktober 2013. Die Umsetzung der Änderungen wird im Rahmen der Gesetzgebung zum Europäischen Elektronischen Mautdienst geschehen. Gemäß der Eurovignettenrichtlinie ist die Flächenversiegelung kein möglicher Bestandteil der Internalisierung der externen Kosten des schweren Lkw-Verkehrs. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 51): Hält die Bundesregierung, trotz der Rüge durch die Europäische Kommission, daran fest, ab 2015 die Interoperabilität im Bahnverkehr durch STM - Specific Transmission Modules - zu gewährleisten, und wann ist mit der Zulassung von STM zu rechnen? Die Bundesregierung misst der Interoperabilität des Eisenbahnsystems aus mehreren Gründen eine besondere Bedeutung bei. Die Stärken des umweltfreundlichen Verkehrssystems Eisenbahn können sich besonders auf große Entfernungen entfalten, sodass insbesondere im Güterverkehr europaweite Transporte noch in wesentlich größerem Umfang auf der Schiene abgewickelt werden sollten. Äußerst hinderlich ist aber, dass nahezu jeder Mitgliedstaat der europäischen Gemeinschaft sein eigenes Zugsicherungssystem hat - bestehend aus zusammenwirkenden Fahrweg- und Fahrzeugeinrichtungen - und dass alle diese nationalen Systeme untereinander inkompatibel sind. Daher gab es die Entscheidung, mit dem European Rail Traffic Management System, ERTMS, eine neue und harmonisierte Technik gemeinsam für alle Eisenbahnen zu entwickeln. So hatte Deutschland sich auch verpflichtet, vier aufkommensstarke Korridore mit ERTMS auszurüsten, und daran hält die Bundesregierung auch weiterhin fest. Schwierigkeiten wirft aber die Finanzierung auf, weil die verfügbaren Mittel eine rechtzeitige Fertigstellung nicht erlauben. Ferner ist wegen unterschiedlicher Versionen die europaweite Kompatibilität bei ERTMS nicht sichergestellt. Daher muss die Realisierung erheblich gestreckt werden. Alternativ zur Infrastrukturausrüstung eröffnen STM für ERTMS-Lokomotiven als kostengünstige Übergangslösung die Möglichkeit, termingerecht schon Strecken zu befahren, die noch nicht mit ERTMS ausgerüstet werden konnten. Es befinden sich jetzt bereits zugelassene STM auf dem Markt und im Betriebseinsatz, obwohl erst ab 2015 die Verpflichtung zur ERTMS-Ausrüstung bestimmter Korridore oder Korridorabschnitte besteht. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob weitere Hersteller die Zulassung von STM zu beantragen beabsichtigen. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 52): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die technischen Probleme am 31. Mai 2012 bei der S-Bahn Nürnberg, bei der sich eine der Türen im neuen Zug "Talent 2" der Firma Bombardier Transportation GmbH während der Fahrt selbstständig geöffnet und geschlossen hat, und welche Auswirkungen sind für den bundesweit geplanten Einsatz dieses dringend benötigten Zugtyps zu erwarten, der erst jüngst mit rund 18 Monaten Verspätung wegen der zunächst verweigerten Zulassung durch das Eisenbahn-Bundesamt zum Einsatz kommen konnte? Die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes hat die Untersuchungen des als sicherheitsrelevante Störung eingestuften Vorfalls aufgenommen und die Sicherheitsbehörde Eisenbahn-Bundesamt hat Kenntnis von dem Vorfall erhalten. An der Tür des Fahrzeugs lag ein technischer Defekt der Türlage-Endschalter vor; eine betriebliche Anweisung sollte den sicheren Betrieb gewährleisten. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 53): Welchen Stand hat die Neuklassifizierung der Bundeswasserstraßen angesichts der Proteste aus den ostdeutschen Bundesländern erreicht, und welchen Wasserstraßenklassen sollen die Bundeswasserstraßen auf Brandenburger Gebiet nach aktuellem Stand zugeordnet werden? Das vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 14 Bundesländern und dem Bundesverband öffentlicher Binnenhäfen beauftragte Gutachten zu alternativen Kriterien und zur Bewertung der Kategorisierung des Netzes der Bundeswasserstraßen liegt mittlerweile vor. Aufgrund der gewählten Methodik, transportierte Gütertonnen x Clusterwert der erreichbaren Wirtschaftszentren, gehören, mit Ausnahme der ausschließlich wassertouristisch genutzten Bundeswasserstraßen, alle Bundeswasserstraßen in Brandenburg dem sogenannten Kernnetz bzw. dem ergänzenden Kernnetz an. Das Gutachten enthält allerdings keine Aussagen zu den Standards und Prioritäten des Ausbaus und zur Intensität von Betrieb und Unterhaltung. Im Rahmen der WSV-Reform werden deshalb die Prioritäten und Standards vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf der Basis des Gutachtens festgelegt. Der Deutsche Bundestag wird in Kürze umfassend informiert. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 54): Wie werden Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit der Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen für den geplanten Bau der Autobahn 14 gewährleistet, und ist die rechtliche Verfügbarkeit der Maßnahmeflächen nach § 17 Abs. 4 des Bundesnaturschutzgesetzes sichergestellt? Die für einzelne Abschnitte der A 14, Magdeburg- Wittenberge-Schwerin zum Teil vorliegenden Planfeststellungsbeschlüsse schließen aufgrund der Konzentra-tionswirkung auch Regelungen nach dem Bundesnaturschutzgesetz ein. Auf Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes können von vornherein nur solche Kompensationsmaßnahmen planfestgestellt werden, die die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger oder in gleichwertiger Weise und die das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederherstellen oder neu gestalten. Zusammen mit der kraft Gesetzes bestehenden Pflicht, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten (§ 15 Abs. 4 Bundesnaturschutzgesetz), wird die Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit gewährleistet. Mit Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses können die Flächen, die für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen benötigt werden, nicht mehr von anderen Infrastrukturmaßnahmen überplant und genutzt werden. Hinzu kommt, dass der Bund in der Regel diese Flächen erwirbt, wodurch verhindert wird, dass Dritte auf die Fläche zugreifen können. In den Fällen, in denen der Bund die Flächen nicht erwirbt, beispielsweise weil der Eigentümer die bisherige Nutzung aufrechterhalten soll und nur die Art und Weise der Bewirtschaftung ändern soll, wird in der Regel durch Eintragung einer Dienstbarkeit in das Grundbuch sichergestellt, dass die Fläche dauerhaft als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme zur Verfügung steht. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Fra-gen 55 und 56): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung aus der Machbarkeitsstudie zum geplanten Elbtunnel an der A 20, vor allem in Bezug auf die Kostenentwicklung zwischen den verschiedenen Betreibermodellen? Aus welchen Gründen wird der Öffentlichkeit der Zugang zur genannten Machbarkeitsstudie verweigert? In Abstimmung mit den betroffenen Landesverwaltungen Schleswig-Holstein und Niedersachsen wird derzeit im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, BMVBS, eine mehrstufige Untersuchung bis hin zu einer vorläufigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für eine mögliche Realisierung der Elbquerung bei Glückstadt im Zuge der A 20 als öffentlich-private Vertragspartnerschaft, ÖPP, durchgeführt. Die erste Stufe der Untersuchung ist eine sogenannte Eignungsabschätzung. Diese soll ergebnisoffen die -Eignung als ÖPP-Projekt, zum Beispiel A-Modell, Mischmodell, Verfügbarkeitsmodell, F-Modell, unter Berücksichtigung verschiedener Randbedingungen, zum Beispiel Höhe der Anschubfinanzierung, Berücksichtigung vor- und nachgelagerter Strecken, Vertragslaufzeit, abschätzen. Ein erster Entwurf dieser Eignungsabschätzung liegt dem BMVBS vor und wird derzeit sorgfältig im BMVBS geprüft; auch die betroffenen Landesauftragsverwaltungen würdigen diesen Arbeitsstand. Die endgültige Fassung der Untersuchung wird erst noch -erstellt. Erst nach Prüfung der endgültigen Eignungsabschätzung und nach Abstimmung mit den betroffenen Ländern wird der Bund voraussichtlich im Herbst 2012 über den Fortgang der Studie und ihre geeignete Kommunikation und vor allem über die weiteren Schritte zur Realisierung der Elbquerung entscheiden. Denn der Bund betrachtet die Fertigstellung der A 20 weiterhin als wichtiges Infrastrukturprojekt für die Seehafenhinterlandanbindung. Bis vor kurzem vertraten auch alle norddeutschen Länder diese Auffassung. Die Veröffentlichung eines Entwurfsstands ist unüblich und erfolgt daher auch nicht bei der Eignungsabschätzung zur A 20. Auch die Erörterung einzelner Aspekte - wie die angebliche Kostenerhöhung - ist im derzeitigen Verfahrensstadium nicht zielführend. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Fragen 57): In welchem Umfang hat der Aufsichtsrat der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, BER, externe Controlling--Berichte zum Fortgang der Bauarbeiten in Auftrag gegeben oder diese erhalten, und wie wurden diese in den Sitzungen des Aufsichtsrates ausgewertet? Die operative Verantwortlichkeit für das Controlling obliegt der Geschäftsführung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, FBB. Der Aufsichtsrat unterliegt dem Geschäftsführungsverbot gemäß den gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen. Vor diesem Hintergrund erfolgte die Kontrolle des Projektfortschritts durch den Aufsichtsrat - auch über die regelmäßigen Controlling-Berichte - über die Berichterstattung der Geschäftsführung. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 58): Inwieweit entsprechen die zum passiven Lärmschutz beim BER bewilligten Schallschutzfenster nicht den Vorgaben des geltenden Planfeststellungsbeschlusses (vergleiche den -Tagesspiegel vom 30. Mai 2012), und was wird die Bundes-regierung unternehmen, um noch vor der geplanten Inbe--triebnahme des BER im März 2013 regelkonforme Schallschutzfenster einzusetzen? Die Vollzugskontrolle hinsichtlich der Umsetzung der Vorgaben des geltenden Planfeststellungsbeschlusses zu den passiven Schallschutzmaßnahmen liegt im Zuständigkeitsbereich der Genehmigungsbehörde des Landes Brandenburg, des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Fragen 59 und 60): Auf welcher gesetzlichen Grundlage beruht die von der Hessischen Landesregierung durchgeführte sogenannte Planklarstellung zur Umsetzung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig zum Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen, und wie bewertet die Bundesregierung dieses Verfahren? Ist nach Ansicht der Bundesregierung mit dieser sogenannten Planklarstellung Rechtssicherheit geschaffen worden, oder geht die Bundesregierung wie viele juristische Meinungen ebenfalls davon aus, dass dieses Verfahren eine neuerliche Klagewelle nach sich ziehen wird? Zu Frage 59: Die hessische Planfeststellungsbehörde hat mitgeteilt, dass die Anpassung der Flugbetriebsbeschränkung des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau des Verkehrsflughafens Frankfurt/Main vom 18. Dezember 2007 an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. April 2012 (BVwG 4 C 8.09 unter anderem) im Wege der Teilrücknahme der in Teil A II 4.1 Sätzen 1 und 2 sowie Teil A II 4.1.2 im vorstehend genannten Planfeststellungsbeschluss verfügten Betriebsregelung erfolgt ist. Die Planfeststellungsbehörde hat in eigener Zuständigkeit den eingeschlagenen Weg zur rechtlichen Klarstellung bewertet und durchgeführt. Zu Frage 60: Die Beurteilung der Rechtssicherheit ist ebenfalls Aufgabe der Planfeststellungsbehörde. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen des Abgeordneten Sören Bartol (SPD) (Drucksache 17/9888, Fragen 62 und 63): Schließt die Bundesregierung aus, dass durch die Einführung des Betreuungsgeldes die Anzahl der Leistungsbezieher des Wohngeldes und damit die Ausgaben des Bundes für das Wohngeld steigen werden, und hat Bundesminister Dr. Peter Ramsauer den Leitungsvorbehalt bei der Ressortabstimmung über den Gesetzentwurf zur Einführung eines Betreuungsgeldes in Deutschland unter Bezugnahme auf mögliche Haushaltsrisiken bei der Finanzierung des Wohngeldes im Einzelplan 12 des Bundeshaushalts persönlich abgezeichnet? Mit welcher Begründung hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bei der Ressortabstimmung über den Gesetzentwurf zur Einführung eines Betreuungsgeldes in Deutschland einen sogenannten Leitungsvorbehalt unter Bezugnahme auf mögliche Haushaltsrisiken bei der Finanzierung des Wohngeldes im Einzelplan 12 des Bundeshaushalts eingelegt, und warum ist der Leitungsvorbehalt nach der öffentlichen Presseberichterstattung wieder zurückgezogen worden? Bundesminister Dr. Peter Ramsauer hat stets betont, dass er die Einführung des Betreuungsgeldes begrüßt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass im Zuge der Einführung des Betreuungsgeldes Leistungsberechtigte nach dem SGB II in das Wohngeld wechseln werden. Damit werden voraussichtlich auch die Ausgaben des Bundes für das Wohngeld steigen. Sein Leitungsvorbehalt wurde -lediglich mit den zu erwartenden Mehrkosten beim -Wohngeld begründet. Der deshalb zunächst eingelegte Leitungsvorbehalt wurde im Laufe der üblichen Ressortbesprechungen zurückgenommen, nachdem das BMF zugesichert hat, dass der Einzelplan 12 durch die Einführung des Betreuungsgeldes bezüglich der Veranschlagung für das Wohngeld nicht zusätzlich belastet wird. Anlage 38 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 64): Aus welchen Gründen muss erst noch entschieden werden, ob einige der Einrichtungen, die laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Frage 4 auf Bundestagsdrucksache 17/8564 "nach bisheriger Einschätzung" einbezogen werden sollten - insbesondere die Hauptabteilung Dekontaminationsbetriebe in Karlsruhe und das Zwischenlager Mitterteich -, im sogenannten Stresstest der Entsorgungskommission für Zwischenlager und andere Atomanlagen zur Ver- und Entsorgung untersucht werden oder nicht - bitte mit Angabe der Argumente, die nach jetzigem Stand dagegensprechen -, und wie lautet der aktuelle Zeitplan für diesen "Stresstest" inklusive der dazugehörigen oben genannten Entscheidungsfindung, bitte mit Angabe aller bislang geplanten Beratungsdaten, Fristen, Meilensteine etc.? In der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Frage 4 (Bundestagsdrucksache 17/8564) wurde dargelegt, dass die Entsorgungskommission, ESK, zwei Kriterien, 107fache Freigrenze für offene radioaktive Stoffe, 1010fache Freigrenze für umschlossene radioaktive Stoffe, für die Einbeziehung von Einrichtungen in den Stresstest festgelegt hat. Die entsprechenden Einrichtungen waren von den Ländern zu benennen. Zum Zeitpunkt der Beantwortung genannter Kleinen Anfrage, 7. Februar 2012, lagen die entsprechenden Antworten der Länder noch nicht vor, sodass die Entscheidung, welche Anlagen auf der Grundlage der genannten Kriterien in den Stresstest einzubeziehen sind, noch nicht getroffen werden konnte. Zwischenzeitlich sind diese Entscheidungen getroffen; sowohl die Hauptabteilung Dekontaminationsbetriebe als auch das Zwischenlager Mitterteich werden in die weiteren Betrachtungen einbezogen. Für den Stresstest für Anlagen der Versorgung sowie Anlagen und Einrichtungen der Entsorgung, das heißt Zwischenlager für bestrahlte Brennelemente und hoch-radioaktive Abfälle, die Pilotkonditionierungsanlage, Verglasungseinrichtung und Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe sowie Anlagen der Versorgung, wurde die Frageliste der ESK mit Schreiben vom 30. Mai 2012 an die Länder übermittelt mit der Bitte um Rücksendung der Antworten bis zum 17. August 2012. Eine Frageliste der ESK für den Stresstest für die Anlagen und Einrichtungen zur Zwischenlagerung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen in konditionierter und unkonditionierter Form und zur Konditionierung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen wird den Ländern in Kürze übermittelt werden. Es wird angestrebt, bei den Stresstests noch im Jahr 2012 zu den wesentlichen Ergebnissen zu kommen. Anlage 39 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 65): Welche Bundesländer neben Bayern und Sachsen zählen aus Sicht der Bundesregierung zu den von dem tschechischen Atomkraftwerksvorhaben Temelin 3 und 4 möglicherweise bzw. voraussichtlich betroffenen Gebieten in Deutschland - bitte mit Begründung/Herleitung in Abgrenzung zu den anderen Bundesländern -, und wer ist im laufenden grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren zu Temelin 3 und 4 die "zuständige deutsche Behörde" bei einem Konfliktfall eines deutschen Einwenders, der aus einem anderen deutschen Bundesland als Sachsen und Bayern stammt (vergleiche Antwort zu Frage 8, letzter Absatz auf Bundestagsdrucksache 17/9832; bitte ebenfalls mit Begründung)? Aufgrund von § 9 b des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, UVPG, in Verbindung mit § 24 Abs. 2 Atomgesetz, AtG, handeln in dem laufenden -Umweltverträglichkeitsverfahren zu dem Kernkraftwerksprojekt Temelin 3 und 4 die obersten Landesbehörden von Bayern und Sachsen als zuständige deutsche Behörden. Im Rahmen ihrer Zuständigkeit haben sich die obersten Landesbehörden dieser Länder jeweils in -eigener Verantwortung dafür entschieden, sich an der grenzüberschreitenden UVP zu dem Kernkraftwerks-projekt Temelín 3 und 4 zu beteiligen. Sollte es bei der grenzüberschreitenden UVP zu dem Kernkraftwerksprojekt Temelin 3 und 4 zu "einem Konfliktfall eines deutschen Einwenders" kommen, würde es zu den Aufgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit sowie des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft gehören, mit der zuständigen Behörde des Nachbarstaates Kontakt aufzunehmen. Anlage 40 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Fragen 66 und 67): Wie bewertet die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigenrates für Umweltfragen, der in seinem jüngsten Umweltgutachten für eine Anhebung des europäischen Klimaziels von derzeit minus 20 Prozent auf minus 30 Prozent plädiert, um mehr Anreize für eine erhöhte Energie- und Ressourceneffizienz zu schaffen, und wie bewertet die Bundesregierung die Empfehlung, dass sich die Kriterien für die kostenlose Verteilung von Emissionszertifikaten zukünftig an den technischen Potenzialen und nicht an historischen Emissionen orientieren sollen? Wird die Bundesregierung diesen Empfehlungen des -Umweltrates folgen, und was plant die Bundesregierung diesbezüglich? Die Bundesregierung nimmt die Empfehlung des Sachverständigenrates für Umweltfragen als wichtigen Beitrag für die aktuelle Klimaschutzdebatte zur Kenntnis. Die EU hat sich zu dem Ziel bekannt, die Emissionen im Rahmen der nach Ansicht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen, IPCC, erforderlichen Reduzierungen durch die Gruppe der Industrieländer bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu verringern. Auf EU-Ebene wird derzeit diskutiert, auf welchem Wege der Übergang in eine wettbewerbsfähige CO2-arme Wirtschaft in einem langfristigen Prozess erreicht werden kann. Die EU verpflichtete sich zudem bereits 2007/2008 auf die Initiative "20-20-20": Bis zum Jahr 2020 sollen die Treibhausgasemissionen um 20 Prozent, gegebenenfalls 30 Prozent (vergleiche ER-Beschlüsse), gesenkt, der Anteil erneuerbarer Energieträger am Energieverbrauch auf 20 Prozent und die Energieeffizienz um 20 Prozent gesteigert werden. Eine Anhebung des EU-Klimaziels auf 30 Prozent trägt die Bundesregierung auf Basis des nationalen 40-Prozent-Ziels dann mit, wenn keine darüber hinausgehenden Emissionsminderungen von Deutschland verlangt werden und alle EU-Mitgliedstaaten einen fairen Beitrag leisten. Für die dritte Handelsperiode im EU-Emissionshandel ab 2013 ist eine kostenlose Zuteilung auf Basis anspruchsvoller produktbezogener Benchmarks vorgesehen. Diese leiten sich von der Durchschnittsleistung der 10 Prozent effizientesten Anlagen in Europa ab. Damit wird sich die kostenlose Zuteilung künftig an den technisch-wirtschaftlichen Minderungspotenzialen orientieren. Anlage 41 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 68): Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Höhe der durchschnittlichen Vergütung pro Kilowattstunde für Windenergieanlagen an Land in Großbritannien, und wie hoch liegt die durchschnittliche Vergütung für Windenergieanlagen an Land in Deutschland? Die durchschnittliche Vergütung in Deutschland entspricht dem gewichteten Mittel des EEG-Tarifs für alle bis 2011 installierten Anlagen. Nach Berechnungen des Fraunhofer-Institutes für System- und Innovationsforschung, ISI, auf Basis des Anlagenregisters der BNetzA ergibt sich hier eine durchschnittliche Vergütung von 8,92 Cent je Kilowattstunde. Für im Jahr 2011 neu installierte Anlagen betrug die Vergütung 9,51 Cent je Kilowattstunde. Die durchschnittliche Vergütung in UK entspricht der Summe aus Großhandelsstrompreis - 5,405 Cent je Kilowattstunde in 2011 -, dem Preis für "Renewable Obligation Certificates, ROCs" - 5,563 Cent je Kilowattstunde in 2011 - sowie der Befreiung von der Stromsteuer "Climate Change Levy, CCL" - 0,558 Cent je Kilowattstunde in 2011. Somit betrug die durchschnittliche Gesamtvergütung für Wind onshore im Jahr 2011 in UK 11,526 Cent je Kilowattstunde, Berechnungen des ISI. Anlage 42 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 69): Wie hoch sind die durchschnittlichen täglichen Kosten der Marktprämie bzw. der Managementprämie, die bereits durch die im Juni 2012 gemeldeten Erneuerbaren-Energien-Anlagen entstehen, und welche Gesamtkosten erwartet die Bundesregierung für dieses Jahr? Nach Informationen der Übertragungsnetzbetreiber, ÜNB, sind für den Monat Juni 22 817 Megawatt installierte Leistung für die Marktprämie angemeldet. Unter der Bedingung, dass diese Mengen bis zum Jahresende in der Marktprämie bleiben, die Mengen in den Monaten Januar bis Mai geringer waren und bei Berücksichtigung der von den ÜNB im Trendszenario der Mittelfristpro-gnose 2012 bis 2016 angesetzten Vollbenutzungsstunden, belaufen sich die Kosten der Managementprämie auf durchschnittlich rund 1,2 Millionen Euro pro Tag, gut 3 Prozent der gesamten EEG-Differenzkosten. Bei der Einführung der Marktprämie war klar, dass im Vergleich zum Verkauf der EEG-Strommengen durch die ÜNB an der Strombörse zusätzliche Kosten entstehen würden. Dem gegenüberzustellen sind allerdings wegfallende Kosten der ÜNB bei der Wälzung des übrigen EEG-Stroms. Zusätzlich sieht das EEG eine starke jährliche Absenkung der Managementprämie vor, bei Wind und PV im Schnitt um etwa 16 Prozent pro Jahr. Anders als bei den EEG-Vergütungen gilt dies auch für Bestandsanlagen. Für eine Änderung der Managementprämie bedarf es keiner Gesetzesänderung, da hierfür eine Verordnungsermächtigung im EEG nach § 64 f Abs. 3 besteht. Wie sich die Gesamtkosten dieses Jahr entwickeln, hängt von der weiteren Entwicklung der Direktvermarktung ab. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, ISI, schätzt die in diesem Jahr über die Marktprämie vermarktete Strommenge auf rund 57 Terrawattstunden, was im Jahr 2012 zu Gesamtkosten von bis zu 465 Millionen Euro führen könnte. Die Bundesregierung wird die Entwicklung bei der Marktprämie sorgfältig beobachten. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/9888, Fragen 70 und 71): Welchen Kraftstoff verwendet das im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eingesetzte Ausstellungsschiff "MS Wissenschaft", das derzeit mit einer Ausstellung zur Forschung für nachhaltige Entwicklungen anlässlich des "Wissenschaftsjahrs 2012 - Zukunftsprojekt Erde" unterwegs ist, und welche Ökobilanz weist dieser Kraftstoff auf? Wie viel CO2 hat die "MS Wissenschaft" pro Besucher des Schiffes in den Wissenschaftsjahren 2009, 2010 und 2011 emittiert, und wie viel CO2 wird die "MS Wissenschaft" auf der vorgesehenen Ausstellungsreise 2012 pro zurückgelegtem Kilometer emittieren? Zu Frage 70: Die "MS Wissenschaft" wird von der Initiative "Wissenschaft im Dialog" als Auftragnehmer betrieben. Nach Angaben von "Wissenschaft im Dialog" tankt das Schiff Dieselkraftstoff/Gasöl (zum Beispiel schwefelfrei, maximal 10 parts per million/EN 590) für die Binnenschifffahrt. Laut Umweltdatenbank werden zwischen etwa 200 Grad Celsius und 400 Grad Celsius siedende Fraktionen als Gasöle bezeichnet (Leicht-, Schwer-, Vakuumgasöl). Auf dem internationalen Mineralölmarkt werden unter diesem Begriff die Mitteldestillate Dieselkraftstoff und Heizöl EL verstanden. Greenergy-Diesel (schwefelfrei): Dieser Dieselkraftstoff auf Rohölbasis enthält maximal 10 parts per million Schwefel. Schwefelfreier Greenergy-Diesel übertrifft in allen Punkten die europäische Norm für Dieselkraftstoff EN 590. Er ist in jedem Dieselmotor ohne technische Umstellungen sofort einsetzbar. Schwefelfreier Dieselkraftstoff reduziert unter anderem die Partikelmasse um bis zu 40 Prozent gegenüber Diesel der EN 590 und ist damit ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung von Schadstoffemissionen durch Kraftstoffe/Verkehr. Zu Frage 71: Der Gasölverbrauch für die diesjährige Tour der "MS Wissenschaft", auf der 3 550 Kilometer zurückgelegt werden sollen, wird von "Wissenschaft im Dialog" auf circa 35 000 Liter geschätzt. Da das Schiff auch in Liegeposition Strom, also Gasöl, verbraucht, ist eine theoretische Umrechnung über Faktor 2,63 Kilogramm CO2-Ausstoß bei Verbrennung eines Liters Dieselkraftstoff anzunehmen. Pro Kilometer ergäbe sich so ein Wert von 25,93 Kilogramm CO2 pro Kilometer. Legt man den gleichen Faktor zugrunde, ergibt sich für die Jahre 2009 und 2010 ein CO2-Ausstoß pro Besucher in Höhe von 0,88 Kilogramm, im Jahr 2011 in Höhe von 1,28 Kilogramm pro Besucher. Insgesamt ist der CO2-Verbrauch der "MS Wissenschaft" um ein Vielfaches niedriger, als es bei einem vergleichbaren Transport über die Straße der Fall wäre. Die Ausstellung hat in der Vergangenheit in Deutschland und im benachbarten Ausland jedes Jahr zwischen 30 und 60 Städte angefahren und bis zu 100 000 Besucher im Jahr erreicht, insbesondere Familien und Schulklassen. Ein Lkw-Transport, für den zwei bis drei 40 000-Tonner benötigt würden, hätte allein für den Transport eine viermal schlechtere CO2-Bilanz. Hinzu kommen die erheblichen Verbrauchskosten, die durch den vielfachen Auf- und Abbau jeweils vor Ort entstehen würden und die durch die Wahl des Schiffs als Ausstellungsort nahezu komplett eingespart werden. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Drucksache 17/9888, Fragen 72 und 73): Welcher Aufwand ist dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, dadurch entstanden, dass die Anmeldung zum Seminar von Dr. Annette Schavan an der Freien Universität Berlin im Wintersemester 2011/2012 über die dienstliche E-Mail-Adresse der Bundesministerin abgewickelt wurde (vergleiche www.fu-berlin.de/vorlesungsverzeichnis/ws11/12) und die eingehenden E-Mails entsprechend betreut und bearbeitet wurden? Wann und auf welcher Grundlage ist eine Zustimmung -erteilt worden, die Anmeldung zu Seminaren im Rahmen der - privaten - Honorarprofessur von Bundesministerin Dr. Annette Schavan über die dienstliche E-Mail-Adresse von Dr. Annette Schavan beim BMBF abzuwickeln? Zu Frage 72: Die Anmeldungen zum Seminar dienen ausschließlich der Information der Ministerin. Dem Bundesministerium für Bildung und Forschung entsteht hierdurch kein zusätzlicher Aufwand. Zu Frage 73: Regelungen für die Verwendung dienstlicher E-Mail-Adressen von Mitgliedern der Bundesregierung sind weder im Bundesministergesetz noch in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung oder der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien enthalten. Im Übrigen erfolgt die Durchführung der Lehrtätigkeit im Rahmen der Honorarprofessur im Einklang mit den Regelungen des Bundesministergesetzes. Um auch für diese Aufgabe innerhalb der vielfältigen Verpflichtungen der Ministerin eine konsistente und zügige Information sicherzustellen, wurde hierfür ebenfalls der zentrale Account gewählt. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Druck--sache 17/9888, Frage 74): Wie ist der aktuelle Planungs- und Umsetzungsstand der für 2012 angekündigten Öffentlichkeitskampagne des Bildungs- und Forschungsministeriums im Rahmen der nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener in Deutschland? Aufgrund der Ergebnisse der leo.Level-one-Studie zum funktionalen Analphabetismus Erwachsener in Deutschland haben Frau Bundesministerin Dr. Schavan und der Präsident der KMK zu einer gemeinsamen nationalen Strategie für Grundbildung und Alphabetisierung von Bund, Ländern und wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen ("weitere Partner") als einem breiten gesellschaftlichen Bündnis aufgerufen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, beabsichtigt, als Teil der gemeinsamen Strategie 2012 eine Öffentlichkeitskampagne zum Thema des funktionalen Analphabetismus durchzuführen. Die Kampagne wird ihr Hauptaugenmerk auf Fernsehspots richten. Dabei wird auch die Gruppe der "Helfer" mit angesprochen werden, die im Alltag von Betroffenen in schwierigen Situationen beim Lesen oder Schreiben aushelfen. Zur Kampagne gehört auch ein Internetauftritt, der Betroffene und Interessierte zu den unterschiedlichsten Angeboten und Informationen im Bereich Alphabetisierung leitet. Für die Vorbereitung der Kampagne waren und sind eine Vielzahl von Partnern einzubeziehen. Die Abstimmungen sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Das Projekt "iChance", welches als Teil dieser Öffentlichkeitskampagne im Internet jüngere Betroffene anspricht, läuft bereits seit April 2012. Weiterhin wurde die Finanzierung und Erweiterung des ALFA-TELEFONS für die Laufzeit der Kampagne verstetigt, als eine wichtige Voraussetzung für die erste Kontaktaufnahme von Betroffenen. Beide Maßnahmen werden vom Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung, BVAG, umgesetzt. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Druck-sache 17/9888, Frage 75): Welche Tagungen von Bildungsträgern mit dem Gegenstand der Netzwerkbildung hat die Bundesregierung anhand welcher Kriterien in dieser Legislaturperiode gefördert? Mit dem BMBF-Förderschwerpunkt - 2007 bis 2012 - wurden wesentliche Impulse im Bereich Netzwerkbildung in der Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit in Deutschland gesetzt. Die über 100 geförderten Projekte des Förderschwerpunktes haben mit der Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis - hauptsächlich -Bildungsträger -, die in allen 24 Verbünden struktureller Bestandteil war, die Netzwerkbildung und somit die nachhaltige Nutzung der Ergebnisse befördert. Die Aktivitäten, die im Rahmen der Projekt- und Transferarbeit in Angriff genommen wurden, beinhalteten auch stets eine Netzwerkbildung. Alle Projekte führten solche Projektveranstaltungen durch, um die Projektergebnisse lokal und/oder bundesweit zu präsentieren. Die Veranstaltungen wurden als elementare Bestandteile der Projekte über die bewilligten Mittel durch das BMBF gefördert. Grundlage hierfür waren die Förderkriterien des Förderschwerpunktes "Forschung und Entwicklung zur Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener". Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Druck--sache 17/9888, Frage 76): Wann beabsichtigt die Bundesregierung das sogenannte Lissabon-Ziel, das 2010 verfehlt wurde, unter Angabe der dazu eingeleiteten und vorgesehenen Maßnahmen im Einzelnen zu erreichen, und wie ist in diesem Zusammenhang der Sachstand - unter Angabe des vorgesehenen Beginns der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung, die von der Koalition ursprünglich für diese Legislaturperiode vorgesehen war? Die aktuelle EU-2020-Strategie, die auf der Lissabon-Strategie aufbaut, sieht vor, dass die Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2020 3 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung investieren. Nachdem die FuE-Intensität in Deutschland in den Jahren vor 2005 nur minimal gestiegen ist, beträgt die jährliche Steigerung seither durchschnittlich 0,75 Prozentpunkte. Insbesondere seit 2008 ist ein deutliches Wachstum der FuE-Ausgaben der Wirtschaft und des Staates festzustellen. 2010 betrug die FuE-Intensität in Deutschland 2,82 Prozent. Zwar ist das der gleiche Prozentwert wie im Vorjahr, aber aufgrund des sehr starken Wirtschaftswachstums im Jahr 2010 steht dahinter eine erneute enorme Steigerung der FuE-Investitionen. Im Rahmen der Strategie "EU 2020" hat die EU-Kommission aktuell eine "Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zum Nationalen Reformprogramm Deutschland 2012" vorgelegt. Insbesondere im Bereich Bildung und Forschung ist die Stellungnahme für Deutschland positiv. Gelobt wird unter anderem der gesteigerte finanzielle Aufwand für Bildung und Forschung. Positiv bewertet die EU-Kommission, dass Deutschland bei der Umsetzung des angestrebten Ziels, die gesamtstaatlichen Ausgaben für Bildung und Forschung zu steigern, "auf gutem Weg" sei. Das zugrunde liegende Arbeitspapier stellt fest, dass Deutschland laut Europäischem Innovationsanzeiger bei Innovationen innerhalb der EU einen Spitzenplatz einnimmt und das Ziel, 3 Prozent des BIP für FuE aufzuwenden, fast erreicht hat. Bezüglich der Einführung einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung haben sich keine Änderungen des Sachstands ergeben. Über die Einführung wird die Bundesregierung unter Berücksichtigung des gebotenen Konsolidierungskurses und der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung entscheiden. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Druck--sache 17/9888, Frage 77): Wie ist der aktuelle Sachstand der Vorschläge bzw. der Gespräche mit den Bundesländern hinsichtlich einer möglichen BAföG-Anhebung auf Grundlage des 19. BAföG--Berichtes - unter Angabe des gegebenenfalls vorgesehenen Zeitpunktes und der gegebenenfalls vorgesehenen Steigerung -, und welche Verbesserungen, insbesondere im Hinblick auf die Bearbeitungsdauer und bei der Bewilligung von Auslands-BAföG, haben sich im Hinblick auf Medienberichte ("Leichter, aber nicht schneller", Spiegel Online, 1. Juni 2012) ergeben, wonach insbesondere "die Formblattverordnung" des Bundes geändert und das "E-Government-Gesetz" verabschiedet werden müsste? Die Regierungskoalition hat bereits mit dem 22. und 23. BAföG-Änderungsgesetz strukturelle und finanzielle Verbesserungen im BAföG umgesetzt, die sich in den Daten des 19. BAföG-Berichtes widerspiegeln. Gleichwohl hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, mit den Ländern einen Meinungsaustausch über deren Erwartungen weiterer BAföG-Verbesserungen und die dafür bestehende Mitfinanzierungsbereitschaft aufgenommen. Das erforderliche klare Bekenntnis aller Länder, ihren Mitfinanzierungsanteil von 35 Prozent nach § 56 BAföG auch für ein weiteres BAföGÄndG aufzubringen, ist bisher ausgeblieben. Es sind daher weitere Gespräche mit den Ländern notwendig. Was die Frage der Bearbeitungsdauer von BAföG-Anträgen und der Onlineantragstellung anbelangt, kann ich Folgendes klarstellen: Die angemahnte Änderung der Formblattverordnung hat es längst gegeben. Mit der zum 5. April 2011 in Kraft getretenen BAföG-FormblattVwV wurden die Antragsformblätter entsprechend des Änderungsbedarfs aufgrund des 23. BAföGÄndG grundlegend angepasst. Erfahrungen aus der Verwaltungspraxis wurden in den Überarbeitungsprozess eingebracht und die Formblätter wurden übersichtlicher und bürgerfreundlicher gestaltet. In die Überarbeitung einbezogen wurden auch die Verbesserungsvorschläge, die im Abschlussbericht "Einfacher zum Studierenden-BAföG (März 2010)" des Nationalen Normenkontrollrates, NKR, enthalten sind. Die Verabschiedung des "E-Government-Gesetzes" ist nicht Voraussetzung für die Bereitstellung sinnvoller Onlineanwendungen im Zusammenhang mit der BAföG-Antragstellung, die im Übrigen in alleiniger Verantwortung der Länder liegt. Hier haben beispielsweise Bayern und Hessen den Beweis erbracht, dass sehr wohl bereits Möglichkeiten bestehen, die allerdings noch nicht von allen Ländern genutzt werden. Anlage 49 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Fragen der Abgeordneten Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Fragen 78 und 79): Welche Giftstoffe plant die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, GmbH aus Bhopal nach Deutschland zu importieren, und in welchen Anlagen in Deutschland ist eine vollständige Vernichtung sichergestellt? Über welche Transportmittel gelangen diese Giftstoffe zur Vernichtung in die Anlagen, und handelt es sich um eine einmalige Angelegenheit? Zu Frage 78: Die indische Regierung beabsichtigt, GIZ-lnternational Services, GIZ-IS, den für das Drittgeschäft zuständigen Zweig der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, mit der umweltgerechten Entsorgung von gefährlichen Abfällen aus Bhopal zu beauftragen. Dabei geht es nach Angaben der indischen Seite um insgesamt 350 Tonnen kontaminierten Bodens, die vor dem Indus-trieunfall bei der Union Carbide India Limited, UCIL im Jahr 1984 angefallen sind und umweltgerecht beseitigt werden müssen. In Indien ist eine sachgerechte Entsorgung derzeit technisch nicht möglich. Das betreffende Bodenmaterial ist nach den der GIZ-IS vorliegenden Analysen mit den als Insektiziden verwendeten Substanzen Carbaryl und Hexachlorcyclohexan, HCH, sowie Lösungsmitteln und Schwermetallen belastet. Ein Teil des Bodenmaterials ist darüber hinaus mit Quecksilber kontaminiert. Für die Entsorgung der Abfälle käme nach Einschätzung der GIZ eine Reihe von Sondermüllverbrennungsanlagen in Deutschland infrage. Durch die in diesen Anlagen vorhandene Technik wäre bei einer Beseitigung der Abfälle ein hohes Schutzniveau gegen Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sichergestellt. Zu Frage 79: Sollte das oben genannte Drittgeschäft von GIZ-IS zustande kommen, soll der Transport auf Wunsch der Regierung des indischen Bundesstaats Madhya Pradesh auf dem Luftweg durchgeführt werden. Hierzu würden nach Auskunft von GIZ-IS die betreffenden Abfälle nach den UN-Richtlinien für den Transport von gefährlichen Gütern in speziell geprüfte Behälter verpackt und gekennzeichnet werden. In diesem Fall kämen Spezialfässer aus Polyethylen mit einer zusätzlichen Auskleidung, ebenfalls aus Polyethylen, zum Einsatz. Diese Fässer mit einem Fassungsvermögen von 120 Litern würden in der Sondermüllverbrennungsanlage über Förderbänder ungeöffnet in die Verbrennungseinrichtung transportiert und dort beseitigt werden. Nach Angaben von GIZ-IS handelt es sich um eine einmalige Angelegenheit. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 80): Unterstützt die Bundesregierung den aktuellen Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft zu Art. 6 (25 Prozent Bundled-Flexibility-Lösung, Anrechnung Early Actions, ...) der Energieeffizienzrichtlinie, und trifft es zu, dass sich Deutschland auf EU-Ebene bei Art. 4 nicht nur für eine Senkung der jährlichen Sanierungsrate von 3 auf 2,5 Prozent, sondern auch für eine Definition von "öffentlichen Gebäuden" einsetzt, die ausschließlich die Gebäude der Bundesministerien umfassen würde - und Deutschland demnach bis 2020 gerade einmal 37 Bundesgebäude sanieren müsste? Die Bundesregierung hat sich in den Verhandlungen im Rat dafür eingesetzt, dass im Rahmen von Art. 6 der EU-Energieeffizienz-Richtlinie, EED, sogenannte Early Actions ab dem 1. Januar 2009 umfassend auf die Energieeinsparquote von 1,5 Prozent per annum angerechnet werden dürfen, im Gegenzug aber die weiteren Flexibilisierungsmechanismen einem 20-Prozent-Cap unterliegen (derzeitiger Ratsvorschlag: 25 Prozent). Im Rahmen von Art. 4 EED befürwortet die Bundesregierung eine energetische Sanierungsrate von 2 Prozent pro Jahr für alle Nichtwohngebäude, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen und von ihr genutzt werden. Damit ist keine Beschränkung auf Gebäude der "zentralstaatlichen Verwaltungsebene" verbunden. Diese wird jedoch von der Mehrheit der anderen Mitgliedstaaten gefordert. Die Definition "zentralstaatliche Verwaltungsebene" umfasst nicht nur die Bundesministerien, sondern alle Nichtwohngebäude in Bundesliegenschaften. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 81): Welche konkreten Inhalte außer einer Veränderung der Haftung für Netzbetreiber beim Anschluss von Offshorewindparks soll die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 16. Mai 2012 angekündigte Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes haben, und welchen Zeitplan hat die Bundesregierung für diese Novelle geplant? Kern der angekündigten Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes, EnWG, wird die Regelung zur Haftung beim Anschluss von Offshoreerzeugungsanlagen sein. Daneben wird der Gesetzentwurf Klarstellungen im Zusammenhang mit der Novelle 2011 beinhalten. Zudem wird derzeit geprüft, Instrumente zur Erleichterung der zeitnahen und planbaren Refinanzierung von Investitionen mit aufzunehmen. Die Novelle soll noch im Sommer auf den Weg gebracht werden. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 82): Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung die jährlichen Investitionen in die Stromnetze - exklusive der durch die Offshorewindkraft entstandenen Kosten - durch die Übertragungsnetzbetreiber zwischen 1990 und 2011, aufgeschlüsselt nach Jahren, und welchen Anteil hatten die einzelnen Betreiber an diesen? Der Bundesregierung liegen keine Zahlen zu den tatsächlich vorgenommenen jährlichen Investitionen in die Stromnetze für den Zeitraum von 1990 bis 2011 vor. Ab Wirksamwerden der Anreizregulierungsverordnung, ARegV, im Jahr 2008 haben die Übertragungsnetzbetreiber auf Grundlage des § 23 ARegV bei der Bundesnetzagentur sogenannte Investitionsbudgets beantragt. Für die Jahre 2008 und 2009 hat die Bundesnetzagentur folgende Gesamtbeträge (exklusive der für Offshore-windkraft geplanten Kosten) genehmigt: - 2008: 4 109 605 220 Euro - 2009: 2 610 837 692 Euro (Keine große Abweichung zu den beantragten Zahlen). Für die Jahre 2010 und 2011 liegen aufgrund eines Gerichtsverfahrens, das erst im Februar 2012 durch Vergleich abgeschlossen worden ist, noch keine Genehmigungen seitens der Bundesnetzagentur vor. Beantragt wurden von den Übertragungsnetzbetreibern folgende Kosten : - 2010: 884 708 798 Euro - 2011: 4 726 700 000 Euro. Anlage 53 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) (Drucksache 17/9888, Fragen 83 und 84): Wie hoch waren die Kosten, um der Bundestagsabgeordneten C. R. von Tripolis, Libyen, bis zur Grenze nach Tunesien gepanzerte Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen (Spiegel Online vom 6. Juni 2012)? Wer trägt die Kosten für die Bereitstellung von gepanzerten Fahrzeugen für die Bundestagsabgeordnete C. R.? Zu Frage 83: Da für den Vorgang keine Fahrzeuge angemietet wurden, beschränken sich die aus dem Bundeshaushalt zu tragenden Kosten im Wesentlichen auf die Betriebskosten der benutzten Dienstwagen. Darüber hinausgehende Kosten, unter anderem für die Fahrzeuge der libyschen Polizei und des libyschen Außenministeriums, lassen sich nicht genau beziffern. Zu Frage 84: Die Kosten werden durch das Auswärtige Amt getragen. Anlage 54 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 85): Welche EU- und anderen internationalen Projekte, wie die Mission zur Ausbildung libyscher Polizisten durch Jordanien, werden zurzeit nach Kenntnis der Bundesregierung zur Stärkung des Sicherheitssektors und der Waffenkontrolle in Libyen durchgeführt, und zu welchen derartigen Projekten leistet die Bundesregierung Unterstützung (wenn möglich, nach Projekt und Höhe der Mittelzuwendung aufschlüsseln)? Zur Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen, UNSMIL, gehören Polizeiberater, die das libysche Innenministerium beraten, unter anderem bei der Gestaltung von polizeilichen Aus- und Fortbildungskursen, bei der Absicherung von Wahlen und bei der wirtschaftlichen Beschaffung von Material und Ausrüstung. UNSMIL und der Minenräumungsdienst der Vereinten Nationen, UNMAS, unterstützen das libysche Verteidigungsministerium bei der Erarbeitung eines Programms zur Registrierung von Waffen. Bei der Ausbildung libyscher Polizisten durch Jordanien handelt es sich um ein bilaterales Vorhaben der jordanischen Regierung, zu dem der Bundesregierung keine näheren Informationen vorliegen. Weitere internationale Vorhaben zur Stärkung des libyschen Sicherheitssektors sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Europäische Union engagiert sich derzeit insbesondere für eine Verbesserung des Grenzschutzes in -Libyen. Sie hat im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung unter dem Dach der Vereinten Nationen die federführende Zuständigkeit für diesen Bereich übernommen. Entlang der langen libyschen Grenzen erfolgen derzeit nur unzureichende Kontrollen gegen den Schmuggel von Menschen, Waffen und Drogen. An einer Erkundungsmission der EU, die ihren Abschlussbericht in nächster Zeit vorstellen wird, hat auch ein über das Auswärtige Amt entsandter deutscher Experte teilgenommen. Über konkrete, weiterführende Maßnahmen wird in den nächsten Wochen auf Grundlage des Abschlussberichts in Brüssel beraten werden. Die Bundesregierung leistet zudem bilaterale Beiträge zur Verbesserung der Sicherheitslage in Libyen. Die Proliferation von Waffen bedeutet eine große Herausforderung. Seit dem Ende der Kampfhandlungen ist Libyen daher prioritär für deutsche Unterstützungsmaßnahmen im Bereich der Nichtverbreitung, der konventionellen Rüstungskontrolle und des humanitären Minenräumens. Bis jetzt hat die Bundesregierung dafür bereits rund 2,8 Millionen Euro eingesetzt. Dabei handelt es sich um folgende Vorhaben: Gemeinsam mit den USA Aufbau der neuen nationalen Behörde für Minenräumung, Kampfmittelbeseitigung und Kleinwaffenkontrolle (Libyan Mine Action Center - LMAC) (750 000 Euro), Kampfmittelbeseitigung und Gefahrenaufklärung der Bevölkerung (über 1,3 Millionen Euro). 2012 sind weitere Projekte im Wert von über 750 000 Euro geplant, Logistische Unterstützung bei der Inspektion und Sicherung von Chemiewaffen (ca. 600 000 Euro) und Ausrüstungshilfe (90 000 Euro). Eine weitere Ausrüstungshilfe (Wert bis 400 000 Euro) ist in Vorbereitung. Die Bundesregierung hat zudem Mitte Mai 2012 gemeinsam mit dem Büro für Nuklearsicherung, Office of Nuclear Security ONS, der Internationalen Atomenergieorganisation IAEO einen Besuch in Tripolis durchgeführt. Dabei wurden mit der libyschen Atomenergiebehörde Unterstützungsmaßnahmen zur Sicherung des zivilen Kernforschungszentrums Tadschura, hochradioaktiver Strahlenquellen und zur Verhinderung des Schmuggels von Nuklearmaterial erörtert. Erste bilaterale Maßnahmen und Beiträge zu lAEO-Aktivitäten sind noch 2012 geplant. Anlage 55 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 86): Welche konkreten Positionen wird die Bundesregierung in Bezug auf die mittel- und langfristige Weiterentwicklung der Europäischen Union auf dem Europäischen Rat Ende Juni 2012 vertreten, und inwiefern findet diesbezüglich eine vorherige Abstimmung mit anderen EU-Mitgliedstaaten statt? Bei Gesprächen während des informellen Europäischen Rats am 23. Mai 2012 bestand Konsens, dass die Wirtschafts- und Währungsunion in eine neue Phase überführt werden muss. Die Wirtschaftsunion muss gestärkt werden, um sie mit der Währungsunion besser in Einklang zu bringen. Der Präsident des Europäischen Rats wird daher für den Europäischen Rat im Juni - in enger Zusammenarbeit mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission, dem Präsidenten der Euro-Gruppe und dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank - einen Bericht mit möglichen Bausteinen und einer Arbeitsmethode zur Erreichung dieses Ziels vorstellen. Dieser Bericht liegt noch nicht vor. Eine entsprechende Positionsbestimmung wird die Bundesregierung nach Vorlage vornehmen. Der Europäische Rat wird in den kommenden Wochen im etablierten Verfahren durch den Ausschuss der Ständigen Vertreter und den Allgemeinen Rat vorbereitet. Der Bundestag wird dabei im üblichen Verfahren unterrichtet. Anlage 56 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 87): Inwiefern sind die Aussagen von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, der Europäischen Kommission perspektivisch mehr Kompetenzen übertragen zu wollen, eine Abkehr von der von ihr am 2. November 2010 am College d'Europe in Brügge bekanntgemachten "Unionsmethode", die de facto eine Schwächung der Europäischen Kommission beinhaltete? Als die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel im November 2010 die Unionsmethode vorgestellt hat, ging es ihr nicht um eine Schwächung der Kommission, sondern um eine Beschreibung des besonderen Zusammenwirkens von Mitgliedstaaten und EU-Institutionen im Rahmen der in den geltenden europäischen Verträgen niedergelegten Zuständigkeitsverteilung. Es ging ihr darum, deutlich zu machen, dass wir Europa gemeinsam voranbringen müssen, durch abgestimmtes solidarisches Handeln - jeder in seiner Zuständigkeit, alle für das gleiche Ziel. Daran hat sich nichts geändert. Heute geht es aber nicht um die Beschreibung eines Istzustandes, sondern um Zukunftsperspektiven. Es geht um die Lehren aus der Schuldenkrise im Euro-Raum und die Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion hin zu einer nachhaltigen Stabilitätsunion. Dies erfordert aus Sicht der Bundesregierung eine weitere Vertiefung der Integration - mindestens innerhalb der Euro-Zone. Dies erfordert also, wie die Bundeskanzlerin und auch der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, betont haben, "mehr Europa" als wir es heute haben. Anlage 57 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 88): Wie beurteilt die Bundesregierung die vom russischen Parlament am 6. Juni 2012 beschlossene Einschränkung des Demonstrationsrechts, und wie wird sie diese Bewertung gegenüber Russland auf der bilateralen Ebene sowie in der EU und im Europarat thematisieren? Meinungs- und Versammlungsfreiheit gehören zu den elementaren Grundrechten. Die Verschärfung des Versammlungsrechts ist das falsche Signal an die Bürger in Russland. Sie lässt Zweifel an einer Demokratisierung des Landes aufkommen. Statt Meinungsvielfalt und den Wettbewerb der Ideen zu fördern, vergrößert die russische Führung die Kluft zwischen Staat und Bürgern. Die Bundesregierung bedauert, dass die Mehrheit des Parlaments und Präsident Putin die Kritik des russischen Menschenrechtsrates und der Opposition an der Gesetzesänderung übergangen haben. Die Bundesregierung wird ihre kritische Haltung in bilateralen Gesprächen mit der russischen Regierung zum Ausdruck bringen und sich dabei mit ihren Partnern in der Europäischen Union eng abstimmen. Die Kritik der Bundesregierung hat der Koordinator für die deutsch-russische zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit, Dr. Andreas Schockenhoff, MdB, bereits vor der zweiten Lesung des Gesetzes in der Duma deutlich gemacht. Die Bundesregierung verfolgt auch im Europarat aufmerksam die Entwicklung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Russland. In den Gremien des Europarats, vor allem dem Ministerkomitee, setzt sie sich in geeigneter Weise dafür ein, dass Verletzungen der von der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Grundrechte durch Russland beendet werden. Insbesondere bestärkt sie den Europarat und seine Repräsentanten darin, derartige Verletzungen mit der russischen Führung zu thematisieren. Zudem wird sie auch künftig Maßnahmen des Europarats zur Behebung von Rechtsstaatsdefiziten in seinen Mitgliedstaaten, darunter auch in Russland, unterstützen. Anlage 58 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 89): Inwieweit bestätigt die Bundesregierung Meldungen aus Afghanistan, wonach Taliban-Kämpfer die Schließung der staatlichen Schulen in der Provinz Ghazni, in der die Verantwortung für die Sicherheit bereits an die afghanischen Behörden übergeben worden ist, angeordnet haben, nachdem dort Motorräder ohne Nummernschilder von Regierungsstellen beschlagnahmt worden waren, und dass daraufhin die Schulen geschlossen haben, und wie ist dieser Vorgang mit Beteuerungen der Bundesregierung zu vereinbaren, dass nur solche Gebiete von ISAF in afghanische Verantwortung übergeben werden, in denen die afghanischen Behörden die Sicherheit der Bevölkerung tatsächlich garantieren können? Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse zu den geschilderten Ereignissen in Ghazni vor. Mit Verkündung der dritten Tranche der Transition befinden sich erst 6 von 19 Distrikten der Provinz Ghazni in der Transition. Zuständig für die Beurteilung der Frage, ob Distrikte oder eine Provinz in afghanische Sicherheitsverantwortung übergeben werden können, ist das sogenannte Joint Afghan-NATO Inteqal Board, JANIB. Dieses trifft seine Entscheidungen auf der Basis einer Beurteilung der Übergabereife der jeweiligen Provinz, welche sich auf gemeinsam ausgearbeitete Kriterien stützt. Für die Übergabe verbindlich ist jedoch allein die souveräne Entscheidung der afghanischen Regierung. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Fragen 90 und 91): An welchen Punkten scheiterte die Einigung innerhalb der Bundesregierung über die 2010 angekündigten roten Linien für Datenschutz im Internet, und welche Auswirkungen hat der offensichtlich innerhalb der Bundesregierung bestehende Dissens zu diesem Thema auf die Verhandlungen über die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union, bei der es ebenfalls um die Reform des Datenschutzes im Internet geht? Mit welchen Forderungen versucht die Bundesregierung den hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an den Datenschutz im Bereich des Polizei- und Strafrechts bei den Verhandlungen über die EU-Datenschutzreform gerecht zu werden, und wie erklärt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang, dass sie sich in den Verhandlungen für einen Ausschluss der "Gefahrenabwehr außerhalb des Strafrechts" aus dem Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung einsetzt, obwohl sie in diesem Bereich auch die geplante EU-Richtlinie für nicht anwendbar hält? Zu Frage 90: Die Überlegungen der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Verhinderung von schweren Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht und zu Veröffentlichungen im Internet, dem sogenannten Rote-Linie-Gesetz, wurden von den Ressorts in einen größeren Zusammenhang gestellt. Dabei wurden auch Grundsatzfragen des Datenschutzrechts erörtert. Die daraus resultierenden Erkenntnisse werden nun im Rahmen der Erörterungen des Vorschlags der Europäischen Kommission für eine Datenschutz-Grundverordnung (KOM(2012) 11 endg.) am 25. Januar 2012 auf europäischer Ebene einbezogen. Zu Frage 91: Die Bundesregierung hat sich in den Verhandlungen zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Datenschutz-Grundverordnung (KOM(2012) 11 endg.) nicht für einen Ausschluss der "Gefahrenabwehr außerhalb des Strafrechts" aus dem Anwendungsbereich, sondern für eine klare Bestimmung des Anwendungs--bereichs der Datenschutz-Grundverordnung einerseits und der vorgeschlagenen Datenschutzrichtlinie im Bereich Polizei und Justiz (KOM(2012) 10 endg.) andererseits eingesetzt. Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, dass es weder zu Schutzlücken noch für die Polizei- und Justizbehörden sowie die allgemeinen Ordnungsbehörden zu untragbaren Abgrenzungsschwierigkeiten unterschiedlicher Rechtsregime kommt. In ihrer Stellungnahme vom 9. Mai 2012 zu Art. 2 Abs. 2 Buchstabe e des Vorschlags für eine Datenschutz-Grundverordnung hat die Bundesregierung ausgeführt, dass zu den Aufgaben der deutschen Polizeibehörden -neben der Verfolgung und Verhütung von Straftaten die Gefahrenabwehr außerhalb des Strafrechts gehört. Dieser auch in der Praxis sehr wichtige Teil der polizeilichen Aufgabenerfüllung dürfte vom Anwendungs--bereich der Richtlinie nicht umfasst sein. Es stellt sich dann jedoch die Frage, ob insoweit die Datenschutz-Grundverordnung für Aufgaben der polizeilichen Gefahrenabwehr, die nicht in der Verhütung von Straftaten -bestehen, gelten soll, die jedoch für den Bereich der polizeilichen Datenverarbeitung nicht passend erscheint. Hier ist eine klare Bestimmung des Anwendungs--bereichs der beiden Rechtsakte dringend erforderlich. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 92): Hält die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Forschungsvorhabens der Schufa Holding AG, zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Kunden Daten aus den sozialen Netzwerken heranzuziehen, die gegenwärtigen Datenschutzbestimmungen für ausreichend, und wenn nicht, welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor der Auswertung ihrer Daten zu diesen Zwecken? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis vom konkreten Inhalt des zwischen der Schufa und dem Hasso--Plattner-Institut vereinbarten Forschungsauftrages. Soweit zur Umsetzung eines Forschungsauftrages die Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten für Forschungszwecke erforderlich werden sollte, könnte dies auf der Grundlage des § 40 des -Bundesdatenschutzgesetzes, BDSG, erfolgen mit der Konsequenz, dass die Daten nur für Forschungszwecke genutzt werden dürfen und alsbald anonymisiert werden müssen. Eine Veröffentlichung wäre nur mit Einwilligung möglich. Ob eine Auskunftei selbst zu einem späteren Zeitpunkt solche Daten verarbeiten darf, richtet sich nach § 29 BDSG. Wenn nicht im Einzelfall eine Einwilligung in die -Datenverarbeitung vorliegt, ist bei allgemein zugänglichen personenbezogenen Daten die Datenverarbeitung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 BDSG ausgeschlossen, wenn das schutzwürdige Interesse des Betroffenen offensichtlich überwiegt. Bei den in sozialen Netzwerken eingestellten Daten wird man zunächst immer davon ausgehen müssen, dass sie nur zum privaten Gebrauch eingestellt werden, da soziale Netzwerke vorrangig als Kommunika-tionsplattformen für den privaten Informationsaustausch genutzt werden. Daraus folgt auch, dass hier offensichtlich die Interessen der Betroffenen überwiegen. Hätten, wie von dem Forschungsprojekt ursprünglich offenbar umfasst, auch Daten aus Bereichen der sozialen Netzwerke, die nicht allgemein zugänglich sind, ohne Einwilligung verarbeitet werden sollen, gilt dies natürlich erst recht. Da es sich bei der hier in Rede stehenden Datenverarbeitung um eine Datenverarbeitung im nichtöffentlichen Bereich handeln würde, wäre für diese nach geltendem Recht die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde des Landes gegeben, in dem die datenverarbeitende Stelle ihren Sitz hat. Das BDSG enthält bereits heute rechtliche Vorgaben. So enthält beispielsweise aufgrund einer Gesetzesänderung in der letzten Legislaturperiode § 28 b BDSG die klare Vorgabe, dass nur Daten in den Score eingesetzt werden dürfen, die berechtigterweise erhoben und gespeichert worden sind. Einer Speicherung stehen aber offensichtlich schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegen. Die Bundesregierung wird im Zusammenhang mit der Novellierung des europäischen Datenschutzrechts prüfen, ob eine über die jetzige Rechtslage hinaus gehende Klarstellung sinnvoll ist. Der Vorgang macht erneut die Möglichkeiten der Nutzung von ins Internet gestellten personenbezogenen Daten deutlich und zeigt, wie wichtig es ist, dass jeder selbst sehr sorgfältig prüft, welche Daten er ins Internet stellt und wer Zugriff darauf haben könnte. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Burkhard Lischka (SPD) (Drucksache 17/9888, Frage 93): War die Bundesregierung bei der im November letzten Jahres angekündigten Entwicklung einer Software zur Quellen-TKÜ mittlerweile erfolgreich? Das Bundeskriminalamt, BKA, wurde mit der Einrichtung eines "Kompetenzzentrums Informationstechnische Überwachung", CC ITÜ, beauftragt. Dort soll die Software zur Durchführung von Quellen-TKÜ-Maßnahmen auf Grundlage einer mit den Ländern abgestimmten sogenannten Standardisierenden Leistungsbeschreibung, SLB, entwickelt werden. Um die anspruchsvolle Entwicklungsaufgabe erfüllen zu können, hat die Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2012 beim Deutschen Bundestag zusätzliche Mittel und 30 Stellen/Planstellen beantragt. Da diese Stellen/Planstellen noch qualifiziert gesperrt sind, konnte mit der Entwicklung der Software noch nicht begonnen werden. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 94): Inwieweit tangiert das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. Juni 2010 zum Schengener Grenz-kodex die deutsche Praxis, entlang der Binnengrenzen oder in Zügen bis weit in das Staatsgebiet hinein - ohne dass besondere Umstände vorliegen würden - die Identität einer Person zu kontrollieren, und welche Einschränkungen existieren, wie im "Halbjahresbericht über das Funktionieren des Schengen-Raums" der EU-Kommission beschrieben (Ratsdok. 10223/12), zu diesen Kontrollen hinsichtlich der Polizeibefugnisse, beispielsweise nach Standort, Verkehrsmittel und Höchstgrenze der Kontrollen pro Tag, Woche oder Monat, Begrenzung des Gebiets, Festlegung einer Höchstgrenze für die Anzahl der je Zug zu kontrollierenden Wagen etc.? Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, EuGH, vom 22. Juni 2010 in der Rechtssache "Melki" (Rs. C-188/10 und C-189/10) ist auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Cour des Cassation, Frankreich, ergangen. Danach sind polizeiliche Kontrollen im Rahmen der in Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 vom 15. März 2006, Schengener Grenzkodex, normierten Ausübung polizeilicher Befugnisse zulässig. Die polizeilichen Kontrollen seien so zu konzipieren, dass die Ausübung von Verhaltens- und gefahrenunabhängigen -Befugnisnormen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen entfalten könne. Die Befugnisnormen der Bundespolizei für Befragungen und Identitätsfeststellungen zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet sind im Bundespolizeigesetz normiert. Die Ausübung dieser nationalen Befugnisse erfolgt unter Einhaltung des unmittelbar anwendbaren Art. 21 Schengener Grenzkodex, wonach die Ausübung polizeilicher Befugnisse stichprobenartig aufgrund polizeilicher Lageerkenntnisse und Erfahrungen zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität ausdrücklich zulässig ist. Eine Begrenzung der Anzahl solcher polizeilichen Kontrollen sieht weder der Schengener Grenzkodex noch das Bundespolizeigesetz vor. Da grenzüberschreitende Kriminalität dynamisch stattfindet, das heißt Orte, Zeiten und Verkehrsmittel wechseln, sind hinreichend bestimmte, gleichwohl flexible polizeiliche Instrumentarien zur Verhinderung unerlaubter Einreisen und Bekämpfung von Schleusungskriminalität auch weiterhin erforderlich. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 95): Wie begegnet die Bundesregierung der Kritik auch von konservativen EU-Parlamentariern, durch den Vorstoß zur Einführung von Grenzkontrollen in nationalem Alleingang, der am 7. Juni 2012 auf der Tagung des Rats für Justiz und Inneres der Europäischen Union, JI-Rat, beschlossen wurde, werde die Kontrolle einer solchen Maßnahme durch das Europäische Parlament und die Europäische Kommission ausgehebelt und damit dem nationalen Populismus Vorschub geleistet? Aus Sicht der Bundesregierung ist die vorgebrachte Kritik unbegründet, im Rahmen einer Allgemeinen Ausrichtung des Rats der Europäischen Union wurde am 7. Juni 2012 einstimmig der Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft zur Änderung des Schengener Grenzkodexes als Position des Rats angenommen. Im weiteren Verfahren ist nun der Trilog auch mit dem -Europäischen Parlament vorgesehen, welches im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens seine Position einbringen wird. Die Ratsposition sieht einen neuen Mechanismus vor, der im Falle außergewöhnlicher Umstände greift, in denen das Funktionieren des Schengen-Raums bedingt durch Defizite beim Außengrenzschutz insgesamt gefährdet ist und diese Umstände eine konkrete ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit in diesem Raum oder Teilen von ihm darstellen. Der Europäischen Kommission kommt bei diesem Mechanismus eine wesentliche Rolle zu. Die Einbeziehung des Europäischen Parlaments, Unterrichtung, bei diesem Mechanismus ist ebenfalls vorgesehen. Liegen die vorgenannten außergewöhnlichen Umstände vor, so kann der Rat als Ultima Ratio und als Maßnahme zum Schutz der gemeinsamen Interessen im Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen empfehlen, dass ein oder mehrere bestimmte Mitgliedstaaten die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an allen oder bestimmten Abschnitten ihrer Binnengrenzen beschließen. Die Empfehlung des Rats stützt sich dabei auf einen Vorschlag der Europäischen Kommission. Bevor schließlich ein Mitgliedstaat bzw. mehrere Mitgliedstaaten Grenzkontrollen an den Binnengrenzen wieder einführt bzw. einführen, setzt er bzw. setzen sie die anderen Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission davon in Kenntnis. Spätestens vier Wochen nach Aufhebung dieser Kon-trollen an den Binnengrenzen legt der Mitgliedstaat, der die Kontrollen an seinen Binnengrenzen durchgeführt hat, dem Europäischen Parlament, dem Rat und der -Europäischen Kommission einen Bericht hierüber vor, in dem insbesondere die Kontrollen und die Wirksamkeit der wieder eingeführten Kontrollen an den Binnengrenzen dargestellt werden. Es ist zudem vorgesehen, dass die Europäische Kommission bzw. die Mitgliedstaaten das Europäische Parlament und den Rat möglichst frühzeitig über etwaige Gründe unterrichten, die zur Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen führen könnten. Eine aus Sicht der Bundesregierung hinreichende Beteiligung des Europäischen Parlaments findet statt. Die Europäische Kommission spielt eine wesentliche Rolle. Im Übrigen sehen die schon bereits bestehenden Regelungen des Schengener Grenzkodexes (Art. 23 ff.) im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit auch jetzt schon die Möglichkeit der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen in Entscheidungshoheit der Mitgliedstaaten vor. Dabei sind die -Europäische Kommission und das Europäische Parlament hierüber zu informieren. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 96): Welche konkreten Vorschläge hat die Bundesregierung auf dem JI-Rat am 7. Juni 2012 sowohl im Hinblick auf die Unterstützung der EU-Randstaaten bei der Außengrenzkontrolle als auch im Hinblick auf ein faires System der Lastenteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen gemacht? Im Rahmen der Allgemeinen Ausrichtung hat der Rat am 7. Juni 2012 einstimmig einen Vorschlag der dänischen Präsidentschaft für eine Änderung des Schengener Grenzkodexes angenommen. Dabei ist vorgesehen, dass die Europäische Kommission - bei einer Feststellung schwerwiegender Mängel bei Kontrollen an den Außengrenzen im Schengen-Evaluierungsbericht - den evaluierten Mitgliedstaat auffordern kann, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören die Anforderung des Einsatzes von Europäischen Grenzschutzteams gemäß der FRONTEX-Verordnung sowie - zwecks Einholung einer Stellungnahme - die Übermittlung der strategischen Pläne des Mitgliedstaats an die EU-Agentur FRONTEX, die sich auf eine Risikoanalyse stützen und Angaben zum Einsatz von Personal und Ausrüstung beinhalten. Liegen außergewöhnliche Umstände vor, in denen das Funktionieren des Schengen-Raums bedingt durch Defizite beim Außengrenzschutz insgesamt gefährdet ist und diese Umstände eine konkrete ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit im Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen oder Teilen dieses Raums darstellen, so ist als Ultima Ratio die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen vorgesehen. Bevor der Rat auf Grundlage eines Vorschlags der Europäischen Kommission als Ultima Ratio die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen empfiehlt, bewertet er, inwieweit eine derartige Maßnahme eine angemessene Reaktion auf die Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit im Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen darstellen könnte und ob die Verhältnismäßigkeit zwischen der Maßnahme und der Bedrohung gewahrt ist. Dabei ist unter anderem die Verfügbarkeit technischer oder finanzieller Unterstützungsmaßnahmen einzubeziehen, die auf nationaler und/oder europäischer Ebene in Anspruch genommen werden könnten oder in Anspruch genommen werden - einschließlich Hilfsmaßnahmen durch EU-Einrichtungen wie die Grenzschutzagentur FRONTEX, das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen, EASO oder Europol, sowie die Untersuchung, inwieweit derartige Maßnahmen eine angemessene Reaktion auf Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit im Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen darstellen könnten. Weitere Ausführungen im Sinne der Fragestellung wurden durch die Bundesregierung beim JI-Rat am 7. Juni 2012 nicht gemacht. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen der Abgeordneten Aydan Özoguz (SPD) (Drucksache 17/9888, Fragen 97 und 98): Wie hoch sind die Kosten für den seit dem 1. Januar 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingerichteten Telefonservice "Beratungsstelle Radikalisierung" - bitte monatlich aufschlüsseln -, und aus welchem Titel des Bundeshaushaltes werden diese beglichen? Wie viele Anrufe von welchen Personengruppen - zum Beispiel von Eltern, Lehrern, Freunden oder Mitschülern von Betroffenen - sind seit Einrichtung der "Beratungsstelle Radikalisierung" eingegangen, und nach welchen Kriterien wurden die Anrufe erfasst? Zu Frage 97: Die Stellen für die Beratungsstelle Radikalisierung wurden aus dem bisherigen Stellenplan des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, BAMF, im Wege der internen Umpriorisierung erbracht, sodass keine zusätzlichen Stellen geschaffen wurden Die Personalkosten für die Beratungsstelle Radikalisierung gehen somit zulasten des Haushalts des BAMF. Derzeit sind zwei Mitarbeiter im höheren Dienst und zwei Mitarbeiter im gehobenen Dienst in der Beratungsstelle Radikalisierung beschäftigt. Die Aufgaben umfassen neben der Telefonberatung eine dauerhafte konzeptionelle Anpassung, den Aufbau eines bundesweiten Beratungsnetzwerks sowie die Öffentlichkeitsarbeit. Zu Frage 98: Der dringende Bedarf für solche Beratungsstellen wurde im Vorfeld durch die Schilderungen von Sicherheitsbehörden, Schulen, Beratungseinrichtungen freier Träger sowie Betroffenen selbst deutlich und spiegelt sich in den Anruferzahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, BAMF, wider. Obwohl die Beratungsstelle bislang kaum beworben wurde, sind bereits 25 Anrufe bei der Beratungsstelle eingegangen, 10 davon waren ratsuchende Eltern, die eine Radikalisierung ihres Kinds befürchten, sowie 2 aus dem sozialen Umfeld. Hinzu kommen 5 Anrufe von Sicherheitsbehörden, die fachlichen Rat benötigten. Die übrigen Anrufe erfolgten von Journalisten oder von anderen Personen, die beispielsweise Fragen zu Integrationsangeboten hatten. Zudem haben sich in weiteren Fällen die Angehörigen, direkt an eine der zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen gewandt. Die Anrufe erfolgen auf Wunsch anonym, sodass nur die vom Anrufer bekannt gegebenen Daten und der Sachverhalt im BAMF erfasst werden. 21832 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 183. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 183. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21833 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 21856 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 183. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 183. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21857