Plenarprotokoll 17/189 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 189. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: a) Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen: Sicherung der Stabilität der Euro-Zone - Finanzhilfen für Spanien b) Beratung des Antrags des Bundesminis-teriums der Finanzen: Finanzhilfe zu-gunsten Spaniens; Einholung eines zu-stimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten Spaniens (Drucksachen 17/10320, 17/10321) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) Rainer Brüderle (FDP) Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Otto Fricke (FDP) Axel Schäfer (Bochum) (SPD) Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Rainer Stinner (FDP) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Norbert Barthle (CDU/CSU) Manfred Kolbe (CDU/CSU) Jürgen Hardt (CDU/CSU) Frank Schäffler (FDP) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Erklärung nach § 31 GO) Namentliche Abstimmung Ergebnis Zusatztagesordnungspunkt 1: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen Dr. Günter Krings (CDU/CSU) Christine Lambrecht (SPD) Jörg van Essen (FDP) Jens Petermann (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) Johannes Singhammer (CDU/CSU) Nächste Sitzung Berichtigung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Viola von Cramon-Taubadel, Harald Ebner, Katrin Göring-Eckardt, Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Konstantin von Notz, Dr. Harald Terpe und Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu: - namentliche Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion - namentliche Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus - namentliche Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz - ESMFinG) - namentliche Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist (188. Sitzung, Tagesordnungspunkt 50 a bis e) Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Birgit Reinemund (FDP) zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag: Verfassungsmäßigkeit der bestehenden Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften gegenüber Ehen (187. Sitzung, Tagesordnungspunkt 11 a) Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfe zugunsten Spaniens; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten Spaniens (Tagesordnungspunkt 1 b) Veronika Bellmann (CDU/CSU) Christine Buchholz (DIE LINKE) Sevim Dagdelen (DIE LINKE) Dr. Peter Danckert (SPD) Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) Rolf Schwanitz (SPD) Thomas Silberhorn (CDU/CSU) Arnold Vaatz (CDU/CSU) Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Stephan Kühn, Monika Lazar, Beate Müller-Gemmeke, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Arfst Wagner und Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfe zugunsten Spaniens; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten Spaniens (Tagesordnungspunkt 1 b) Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frank Schäffler (FDP), Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU), Sylvia Canel (FDP), Jens Ackermann (FDP), Lars Lindemann (FDP) und Manfred Kolbe (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfe zugunsten Spaniens; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten Spaniens (Tagesordnungspunkt 1 b) Anlage 7 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Memet Kilic und Viola von Cramon-Taubadel (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Ab-stimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, Marieluise Beck (Bremen), Ekin Deligöz, Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast, Fritz Kuhn und Claudia Roth (Augsburg) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Ingrid Arndt-Brauer, Bärbel Bas, Angelika Graf (Rosenheim), Angelika Krüger-Leißner, Caren Marks, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Bernd Scheelen und Andrea Wicklein (alle SPD) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katja Dörner, Harald Ebner, Dr. Thomas Gambke, Bettina Herlitzius, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Maria Klein-Schmeink, Ute Koczy, Oliver Krischer, Markus Kurth, Monika Lazar, Tabea Rößner, Ulrich Schneider und Dorothea Steiner (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Jerzy Montag, Marieluise Beck (Bremen), Cornelia Behm, Manuel Sarrazin, Beate Walter-Rosenheimer, Daniela Wagner und Wolfgang Wieland (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Anlage 13 Amtliche Mitteilungen Inhaltsverzeichnis 189. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 Beginn: 14.34 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle herzlich zur 189. Sitzung des Deutschen Bundestages in der laufenden Legislaturperiode. Nicht alle von Ihnen werden die heutige Sitzung langfristig eingeplant haben. Deswegen bedanke ich mich bei allen, die entweder ihren Urlaub so vorsichtig disponiert oder ihren bereits angetretenen Urlaub so kurzfristig umdisponiert haben, um an der heutigen Sondersitzung teilnehmen zu können. Im Übrigen sind diese Sondersitzungen nicht so selten, wie gelegentlich gemutmaßt wird. Dies ist in der Geschichte des Deutschen Bundestages immerhin die 55. Sitzung außerhalb der vereinbarten Sitzungswochen des Deutschen Bundestages. Da die meisten von uns an den wenigsten dieser Sondersitzungen persönlich teilgenommen haben, hilft es vielleicht, die allgemeine Erinnerung aufzufrischen. Für den Bundesfinanzminister könnte es zutreffen, dass er eine größere Anzahl dieser Sondersitzungen absolvieren musste. Bevor ich den ersten Tagesordnungspunkt aufrufe, muss ich zwei einleitende Bemerkungen machen. Morgen wird die Euro-Gruppe der Finanzminister des Euro-Währungsgebiets über einen Antrag Spaniens auf Finanzhilfe entscheiden. Gemäß dem Stabilisierungsmechanismusgesetz darf die Bundesregierung einer solchen Hilfsmaßnahme nur zustimmen, wenn der Deutsche Bundestag hierzu einen zustimmenden Beschluss gefasst hat. Der entsprechende Antrag der Bundesregierung liegt Ihnen vor. Ich habe deshalb gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes den Deutschen Bundestag zu der heutigen Sondersitzung einberufen und gehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann kann entsprechend unserer Geschäftsordnung so verfahren werden. Bevor ich dem Finanzminister das Wort erteile, möchte ich zunächst dem Kollegen Dr. Peter Danckert zu seinem 72. Geburtstag gratulieren, den er vor wenigen Tagen gefeiert hat, und ihm alle guten Wünsche des gesamten Hauses übermitteln. (Beifall) Schließlich mache ich darauf aufmerksam, dass der Kollege Christian Lindner mit Wirkung vom 10. Juli dieses Jahres auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet hat. Für ihn ist der Kollege Hans-Werner Ehrenberg nachgerückt, den ich im Namen des Hauses herzlich begrüße und dem ich eine gute Zusammenarbeit wünsche. (Beifall) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist vereinbart worden, die Tagesordnung um die Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP mit dem Titel "Rechtliche Regelung der Beschneidung minderjähriger Jungen" zu erweitern und diesen im Anschluss an Tagesordnungspunkt 1 aufzurufen. Für die Aussprache soll eine halbe Stunde vorgesehen werden. Darf ich auch dafür Ihr Einvernehmen feststellen? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 1 a und b auf: a) Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen Sicherung der Stabilität der Euro-Zone - Finanzhilfen für Spanien b) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen Finanzhilfe zugunsten Spaniens; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 -Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten Spaniens - Drucksachen 17/10320, 17/10321 - Zu dem Tagesordnungspunkt liegen je ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 90 Minuten vorgesehen. - Auch hierzu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat der Bundesminister der Finanzen, Herr Dr. Wolfgang Schäuble. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die wirtschaftliche Lage in Europa und darüber hinaus ist immer noch durch die Verunsicherung auf den Finanzmärkten über die weitere Entwicklung der Euro-Zone belastet. Das kann man an dem Auf und Ab der Börsen und auch des Euro-Kurses, die beide von den realen Geschehnissen zumeist abgekoppelt sind, ablesen. Wir haben seit Ausbruch der Vertrauenskrise mit umfassenden finanz- und wirtschaftspolitischen Reformmaßnahmen in den betroffenen Ländern und mit der Schaffung leistungsfähiger Strukturen und Kontroll-mechanismen für die gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik in der Euro-Zone erhebliche Fortschritte gemacht. Das ist unbestritten. Aber die Rückgewinnung verloren gegangenen Vertrauens dauert und kann nur Schritt für Schritt erfolgen. Deshalb hat die Bundesregierung immer wieder darauf hingewiesen, dass es trotz aller zwischenzeitlichen Erfolge zu weiteren Inanspruchnahmen der europäischen Finanzierungsinstrumente kommen kann, also der Finanzierungsinstrumente, mit denen Mitgliedstaaten der Euro-Zone die für den Erfolg von Reformmaßnahmen notwendige Zeit verschafft werden soll. Die spanische Regierung hat am 25. Juni einen Antrag auf Finanzhilfe gestellt. Spanien sieht sich aufgrund der hohen Nervosität der Finanzmärkte nicht in der Lage, die aus der Immobilienblase resultierenden Verwerfungen im spanischen Bankensektor alleine zu bewältigen. Diese Einschätzung haben die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde, EBA, und der Internationale Währungsfonds bestätigt. Es wird an den Märkten bezweifelt, ob es dem spanischen Staat gelingen kann, die Probleme in seinem Bankensektor zu lösen, ohne dabei seine eigene Zahlungsfähigkeit zu gefährden. Schon der Anschein einer Gefährdung der nachhaltigen Zahlungsfähigkeit des spanischen Staates kann zu gravierenden Ansteckungseffekten im Euro-Raum führen. Dadurch werden die Probleme im spanischen Bankensektor zu einem Problem der Finanzstabilität der Euro-Zone. Wir haben für solche Fälle im vergangenen Jahr das Instrument der Gewährung von Finanzhilfen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, EFSF, an Staaten zur Restrukturierung und Rekapitalisierung von Banken geschaffen. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Prüfung zu der Auffassung gekommen, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Hilfen vorliegen, dass die mit der Hilfe verbundenen Auflagen geeignet sind, das spanische Bankenproblem nachhaltig zu lösen, und dass wir ein starkes Interesse daran haben, Spanien zu ermöglichen, seinen erfolgversprechenden Weg grundlegender wirtschafts- und finanzpolitischer Reformen aus eigenem Antrieb weiterzuverfolgen. Spanien ist mit seinen Anstrengungen zur Defizitreduzierung und der Umsetzung von tiefgreifenden Strukturreformen insgesamt auf einem guten Weg, wieder zu soliden Staatsfinanzen und zu einer wettbewerbs- und wachstumsfähigen Wirtschaft zurückzufinden; aber dieser Erfolg ist durch die Unsicherheit im Bankensektor gefährdet. Das Land hat sich im September vergangenen Jahres neue verfassungsrechtliche Fiskalregeln ähnlich der Schuldenbremse unseres Grundgesetzes gegeben, -Regeln, die für alle staatlichen Ebenen grundsätzlich strukturell ausgeglichene Haushalte vorschreiben. In der letzten Woche hat die spanische Regierung ein Konsolidierungspaket mit Ausgabenkürzungen und Einnahmesteigerungen, auch mit einer Anhebung der Mehrwertsteuer von 18 auf 21 Prozent, in einem Volumen von insgesamt 56 Milliarden Euro über die nächsten zweieinhalb Jahre vorgestellt. Mit dieser Hilfe will Spanien die Vorgabe im europäischen Defizitverfahren erfüllen, sein übermäßiges Defizit bis 2014 abzubauen. Zur Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit hat das Land grundlegende Arbeitsmarktreformen ergriffen. Dazu zählen zum Beispiel Maßnahmen zur Verringerung der starken Abschottung zwischen befristeten und un-befristeten Beschäftigungsverhältnissen oder zur Flexibilisierung des Lohnfindungsverfahrens. Bei einer -Arbeitslosigkeit von über 20 Prozent und einer Jugendarbeitslosigkeit von mittlerweile über 50 Prozent muss es das vorrangige Ziel sein, allen zu ermöglichen, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften. Auch das Rentensystem wird überholt, zum Beispiel durch die Einschränkung von Frühverrentungen. Es wird eine Reform der Pflegeversicherung mit dem Ziel der Kostenrationalisierung geben. Diese von Spanien ergriffenen strukturellen Reformen sind richtig, und sie sind notwendig; Spanien kommt an ihnen so wenig vorbei wie andere Staaten, die inmitten von Reformprozessen stehen. Aber das kann nur funktionieren, wenn auch die Probleme im Bankensektor gelöst werden. Da geht es darum, einen Teufelskreis zwischen Staats- und Bankenrisiken zu durchbrechen: Einerseits wird die Stabilität der spanischen Banken infrage gestellt, weil der spanische Staat oftmals für die Lösung der Bankenprobleme als finanziell zu schwach wahrgenommen wird. Andererseits folgt diese Wahrnehmung von angeblicher Finanzschwäche des Staates allein aus der Sorge um mögliche Einstandspflichten bei den Banken. Um die Unsicherheit zu reduzieren, hat Spanien seinen gesamten Bankensektor einer externen Evaluation unterzogen. Wir wissen aus dieser Evaluation, in welcher Größenordnung Kapitalverstärkungen im Zuge von Restrukturierungen notwendig sein werden. Die Hilfen und die Vorgaben der Restrukturierung des Bankensektors werden vom spanischen Restrukturierungsfonds FROB gemanagt. Hinter diesem Restrukturierungsfonds steckt die spanische Regierung, und das bedeutet: Spanien stellt den Antrag, Spanien bekommt das Geld zur Bankenrekapitalisierung, und Spanien haftet als Staat für die Hilfen aus der EFSF. Das jetzige Programm ändert nichts daran, dass der spanische Staat seinen eigenen laufenden Finanzierungsbedarf weiter ganz regulär selber am Markt refinanzieren kann und refinanzieren wird. Eine zügige Umstrukturierung der in Schieflage geratenen spanischen Finanzinstitute ist deshalb wichtig, um den Kapitalmarktzugang des spanischen Staates zu tragbaren Zinssätzen sicherzustellen und Ansteckungseffekte auf andere Staaten in der Euro-Zone zu unterbinden. Die Europäische Kommission, die EZB, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und der IWF kommen in ihrem gemeinsamen Bericht zu dem Ergebnis, dass - ich zitiere - die Situation des spanischen Bankensektors potenzielle Risiken für andere Länder der Europäischen Union und besonders der Euro-Zone birgt, falls jene Schwächen nicht angemessen und zügig behoben werden. Aufgrund der Schwäche einiger spanischer Banken ist in einem insgesamt unsicheren Marktumfeld mit hohen Zinssätzen für die staatliche Kreditaufnahme Spa-niens die Finanzstabilität der gesamten Euro-Zone -gefährdet. Ohne die extreme Verunsicherung der Finanzmärkte wäre Spanien in der Lage, seinen Bankensektor allein in Ordnung zu bringen. Aber wir haben eben eine Ausnahmesituation, und in dieser Ausnahmesituation helfen wir dem spanischen Staat, gegen die übermäßige Nervosität der Finanzmärkte, und wir leisten damit einen Beitrag zum Erhalt der Finanzstabilität der Euro-Zone insgesamt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die von diesen europäischen Institutionen mit Spanien vereinbarten Auflagen für eine solche Hilfe - also das Memorandum of Understanding -, über die morgen in der Euro-Gruppe entschieden werden soll, sind detailliert und präzise ausgearbeitet. Ich möchte beispielhaft nennen: Für jede Bank wird von externen Prüfern ein individueller Stresstest durchgeführt. Banken, die als nicht lebensfähig angesehen werden, müssen abgewickelt werden. Für alle Banken mit Kapitalbedarf müssen detaillierte Restrukturierungspläne erstellt und von der Europäischen Kommission nach den Vorgaben des EU-Beihilferechts genehmigt werden. Bevor auf staatliche Mittel zurückgegriffen werden kann, müssen die Anteilseigner der Banken ihren Beitrag leisten. Die Gehälter der Manager solcher Banken werden gedeckelt. Es gibt also klare Vorgaben für das Verfahren, und diese Vorgaben entsprechen in vielen Punkten der in Deutschland beim SoFFin entwickelten Praxis. Zusätzlich zu diesen Vorgaben für den Finanzsektor verpflichtet sich Spanien bindend, seine Verpflichtungen nach dem europäischen Defizitverfahren, nach dem Europäischen Semester, auch nach den Empfehlungen zur Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte - das ist das europäische Sekundärrecht - umzusetzen. Die Hilfen werden auf bis zu 100 Milliarden Euro begrenzt. Die EFSF wird kurzfristig eine Tranche von 30 Milliarden Euro in Reserve halten, um in einem Notfall sofort handlungsfähig zu sein. Damit lässt sich schon jetzt ein klares Signal an die Märkte senden, ohne dass wir irgendwelche Abstriche bei der Sorgfalt hinsichtlich der Umsetzung der vereinbarten bankindividuellen Prüfungen machen. Sobald der ESM aktiviert ist, wird das spanische Programm ohne materielle Änderungen in den ESM überführt. In jedem Fall haftet aber der spanische Staat gegenüber der EFSF bzw. künftig auch gegenüber dem ESM für die Rückzahlung der Mittel. Etwas anderes ist nach den geschlossenen Verträgen und Gesetzen gar nicht möglich. Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will in diesem Zusammenhang eine Bemerkung machen, die ich bereits gestern im Haushaltsausschuss gemacht habe. Dort habe ich darauf hingewiesen, dass ich die Information bekommen habe, die Republik Zypern habe einen Antrag auf ein sogenanntes Stepping-out gestellt. Stepping-out bedeutet nach den Regeln der EFSF, dass ein Land, das unter vollem Programm ist, beantragen kann, an der Haftungsgarantie für andere Hilfszusagen nicht teilzunehmen. Das habe ich gestern dem Haushaltsausschuss mitgeteilt und dabei hinzugefügt, dass sich, wenn ein solcher Antrag genehmigt würde, der deutsche Anteil an der Haftung, der jetzt, wie im vorliegenden Antrag ausgeführt ist, 29,07 Prozent beträgt, auf 29,13 Prozent erhöhen würde. Ich habe ergänzend zu der Mitteilung im Haushaltsausschuss mitzuteilen - deswegen erwähne ich dies jetzt -, dass Zypern diesen Antrag vorläufig zurückgezogen hat, sodass wir darüber nicht zu entscheiden haben. Aber ich wollte Ihnen diese Information der Vollständigkeit halber geben. In diesen Tagen sind manchmal zwei Debatten durcheinandergeraten, die wir sauber voneinander trennen sollten. Das eine ist die Frage der Gewährung von Finanzhilfen an Spanien nach den bestehenden Instrumenten, und das andere ist eine in die Zukunft gerichtete Debatte darüber, dass wir bei einer vergemeinschafteten Geldpolitik im Euro-Raum, in dem eine nicht unbeträchtliche Zahl von Instituten stark mit anderen Banken des europäischen Finanzbinnenmarkts vernetzt ist, ein Mindestmaß an Rechtsvereinheitlichung im Bankensektor und eine durchsetzungsstarke europäische Bankenaufsicht brauchen. Aber dies ist eine zukünftige Debatte. An dem Vorhaben werden wir in der Zukunft arbeiten. Heute haben wir auf der Grundlage der geltenden Verträge und der geltenden Gesetze zu beraten und zu entscheiden. Das darf man nicht miteinander vermischen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!) Eine solche Aufsicht, wenn sie denn geschaffen werden soll, muss mit Kompetenzen ausgestattet werden, die über die Kompetenzen der 2011 geschaffenen Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, EBA, weit hinausgehen. Die EBA hat eine koordinierende Funktion für die nationalen Bankenaufsichten. Wir werden eines Tages eine wirkliche europäische Bankenaufsicht brauchen. Dabei geht es dann um einheitliche klare Regelungen für die rechtzeitige Restrukturierung und gegebenenfalls auch Abwicklung notleidender Banken, die dann von einer europäischen Aufsicht im Einzelfall durchgesetzt werden und deren Anwendung sich danach richtet, was der finanziellen Stabilität in ganz Europa geschuldet ist. Die europäischen Verträge sehen vor, dass der Europäische Rat nach Anhörung des Europäischen Parlaments und der Europäischen Zentralbank einstimmig -beschließen kann, der EZB entsprechende Aufsichtsfunktionen zu übertragen. Dabei sind aber noch viele Fachfragen zu klären, etwa der Kreis der einzubeziehenden Banken. Es bedarf auch einer sicheren Abgrenzung des Mandats gegenüber den geldpolitischen Aufgaben der EZB, bei denen die Europäische Zentralbank unabhängig ist. Bei der Bankenaufsicht - wir kennen das aus der Debatte in Deutschland über das Verhältnis von BaFin und Bundesbank - kann sie solch eine Unabhängigkeit natürlich nicht haben. Es ist vereinbart worden, dass die Europäische Kommission bis zum September ein Modell ausarbeiten soll, über das der Rat dann bis Jahresende entscheiden kann. Eine Zustimmung Deutschlands zu einem solchen Vorschlag wird im Übrigen in jedem Fall einen entsprechenden Rückhalt im Deutschen Bundestag voraussetzen. Erst nach diesen grundlegenden Entscheidungen könnte eine europäische Bankenaufsicht mit wirksamen Durchgriffsrechten auf notleidende Banken aufgebaut und etabliert werden. Erst wenn eine solche europäische Aufsicht unter Beteiligung der Europäischen Zentralbank funktioniert, kann sich die Frage der Finanzierung einer von der europäischen Aufsicht veranlassten Restrukturierung notleidender Banken durch europäische Mechanismen und Institutionen stellen. Hier besteht eben nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang, sondern vor allem ein sachlogischer. Nur wer die Aufsicht mit entsprechenden Durchgriffsrechten hat, kann auch die Verantwortung für Kapitalhilfen übernehmen. Deswegen ist das Königreich Spanien, solange es die Aufsicht hat, unser Partner für die Gewährung von Kapitalhilfen. Im Übrigen ist die Beantwortung der Frage, wie das im Einzelnen technisch auszubuchstabieren sein wird, noch völlig offen. So und nicht anders haben es die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone am 29. Juni beschlossen. Deshalb: Wer jetzt von einem unmittelbar bevorstehenden Einsatz des ESM zur direkten Bankenrekapitalisierung oder gar von einer kollektiven Haftung für die Schulden der Banken des Euro-Systems schwadroniert, der wird dem Ernst der zugrunde liegenden fachlichen und politischen Fragen nicht gerecht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herr Präsident, meine Damen und Herren, bei der Bewältigung der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum haben wir gerade auch in den letzten Wochen und Monaten gute Fortschritte erzielt. Vor allem die besonders im -Fokus der Finanzmärkte stehenden Länder sind beim Defizitabbau und auch bei den Strukturreformen zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit sichtbar vo-rangekommen. Das gilt für Irland und Portugal, aber auch für andere Länder. Spanien habe ich erwähnt. Auch andere große und kleinere Länder haben bedeutende Reformschritte und -maßnahmen auf den Weg gebracht. Übrigens hat auch der Sachverständigenrat zur Be-gutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Sondergutachten vom 6. Juli dargelegt, wie konsequent der Defizitabbau in den europäischen Krisenländern vorangebracht worden ist. Er betont dabei, dass die Erfolge bei der Rückführung der strukturellen Defizite weit über das hinausgehen, was wichtige Industriestaaten außerhalb der Euro-Zone bis heute erreicht haben. Nicht zuletzt arbeitet der Sachverständigenrat heraus, dass an strukturellen Reformen in den Krisenländern kein Weg vorbeiführt. Genau diesen Weg gehen wir in der Euro-Zone seit zwei Jahren konsequent. Der eingeschlagene Weg - das ist wahr - ist nicht bequem, aber er ist gleichermaßen unvermeidlich wie erfolgversprechend. Auch bei der Schaffung eines neuen institutionellen Rahmens für die Währungsunion, der ihre Stabilität dauerhaft sicherstellt, sind wir erheblich vorangekommen. Als wir die gemeinsame Währung eingeführt haben, konnten wir die notwendigen Elemente einer politischen Union nicht bilden. Heute müssen wir dies schaffen, um die mangelnde Kongruenz zwischen Geldpolitik, die vergemeinschaftet ist, und Finanz- und Wirtschaftspolitik, die in nationaler Zuständigkeit sind, so zu überbrücken, dass der Euro dauerhaft stabil bleibt. Dazu gehören die Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts und das neue gesamtwirtschaftliche Überwachungsverfahren. Dazu gehören vor allem die am 29. Juni in diesem Haus mit breiter Mehrheit - die erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde weit überschritten - beschlossenen Elemente Europäischer Fiskalvertrag und Europäischer Stabilitätsmechanismus, ESM, die derzeit noch vom Bundesverfassungsgericht geprüft werden. Herr Präsident, meine Damen und Herren, wenn man vor zwei Jahren vorhergesagt hätte, dass alle Länder der Euro-Zone und acht weitere Mitgliedsländer der Europäischen Union, also insgesamt 25 von 27, sich in einem Fiskalvertrag verpflichten, Schuldenbremsen ähnlich der deutschen Regelung in ihre nationalen Rechtsordnungen einzuführen, wäre man allenfalls für einen schlechten Scherz ausgelacht worden. Das ist aber die Wirklichkeit, und das zeigt, wie sehr sich die Einstellungen in Europa verändert haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir sind auf einem richtigen Weg. Dieser Weg wird Erfolg haben, wenn wir ihn Schritt für Schritt, konsequent, beharrlich und mit Augenmaß weiter beschreiten. Aber - wie gesagt -: Wir brauchen dazu Zeit. Man verliert Vertrauen schnell, und man gewinnt es nur allmählich wieder zurück. Die Situation macht vielen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger große Sorgen. Ich bin überzeugt, dass wir auf einem guten Weg sind, die Probleme in der Euro-Zone zu überwinden und die Basis für eine solide Währungsunion mit einem nach außen und innen weiterhin stabilen Euro zu schaffen. Die Aufgabe ist nicht trivial. Es gibt weder schnelle noch einfache Lösungen. Wir wissen, dass unsere Mitbürger in einem hohen Maße durch die ständigen Krisenmeldungen verunsichert sind. Deshalb müssen wir wieder und wieder erklären, welche großen Vorteile die europäische Integration einschließlich der gemeinsamen Währung für alle Europäer und nicht zuletzt, sondern vor allem für uns Deutsche hat, Vorteile, die unter gar keinen Umständen gefährdet werden dürfen. Genauso wichtig ist es, dass nicht ständig unrealistische Erwartungen geschürt und anschließend enttäuscht werden, sondern dass wir beharrlich und Schritt für Schritt die notwendigen Maßnahmen umsetzen. Nur so können wir Vertrauen zurückgewinnen. Heute geht es darum, Spanien für die Lösung seiner Bankenprobleme die nötige Zeit zu verschaffen. Dafür bitte ich um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Frank-Walter Steinmeier für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schäuble, ja, Sie haben recht: Wo man im Augenblick auch hinkommt, überall in Deutschland herrscht große Sorge um die Zukunft der Europäischen Union und unseres gemeinsamen Geldes. Sie haben recht: Die Menschen sind verunsichert. Aber sie sind nicht nur wegen der immer neuen Krisenmeldungen verunsichert, sondern auch zunehmend verzweifelt, weil sie Hunger nach Erklärungen haben. Sie wollen zum Beispiel Antworten auf die Fragen: Wie viele Rettungspakete braucht es eigentlich noch? Hat dieses Fass überhaupt einen Boden? Wohin soll die Reise noch gehen? Herr Schäuble, ich weiß nicht, der wievielte Versuch eines Mitglieds dieser Bundesregierung das eben war, die Politik der Bundesregierung zu erklären und vor allen Dingen zu erklären, was noch alles vor uns liegt. Eine solche Erklärung hat wiederum nicht stattgefunden. Sie tun es nicht, Frau Merkel tut es nicht. Ich sage Ihnen: Wer sich nicht erklärt, der wird auch nicht verstanden. Die Leute verstehen einfach nicht mehr, wohin Sie wollen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist doch so: Wir hören, auch in diesem Hohen Hause, seit Monaten immer wieder dieselbe Geschichte. Das ist die Geschichte von den disziplinlosen Südeuropäern, den ökonomischen Hallodris, denen Deutschland nur finanzpolitische Mores lehren muss, und am Ende wird alles besser werden. (Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Ach was! Das ist doch Blödsinn! - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie müssen hier doch nicht unbedingt das sagen, was Ihnen aufgeschrieben worden ist! - Gegenruf des Abg. Thomas Oppermann [SPD]: Nicht so nervös, Herr Kollege!) Aber ich sage Ihnen, Herr Gröhe: An diese Geschichte - das stellen Sie doch auch fest, wenn Sie unterwegs sind - glaubt keiner mehr. Auch Ihnen glaubt man sie nicht mehr. (Patrick Döring [FDP]: Was glauben Sie denn?) Deshalb haben Sie diese Geschichte durch eine zweite Geschichte ergänzt. Das ist die Geschichte von den roten Linien, (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Ja!) die bei jeder neuen Bewilligung nicht überschritten werden dürfen. Mit der Aussage "Kein Cent für Griechenland" hat das alles vor zwei Jahren begonnen. (Zurufe von der CDU/CSU: Falsch! - Das ist doch Unsinn!) Das war der Anfang der Rutschbahn; darüber klagen Sie intern doch auch. Ich weiß nicht, wie viele rote Linien inzwischen formuliert, wie viele rote Linien versichert und wie viele rote Linien betoniert worden sind. Mit bloßem Schulterzucken ist in den letzten Monaten noch jede dieser roten Linien überschritten worden. Inzwischen verfällt die Halbwertszeit Ihrer roten Linien nach Tagen. Das ist das ganze Drama, mit dem Sie intern zu kämpfen haben. (Beifall bei der SPD - Volker Kauder [CDU/CSU]: Und dass Rot-Rot zerfällt, ist Ihr großes Drama!) Herr Schäuble, Sie wissen: Ich unterstelle Ihnen im Hinblick auf Europa wahrlich keine bösen Absichten. Aber so werden Sie - und leider eben nicht nur Sie -, so wird die Politik insgesamt die Bevölkerung auf dem europäischen Weg verlieren. Den Gipfel dieser besonderen Art von Regierungskunst haben wir vor knapp drei Wochen hier im Deutschen Bundestag erlebt: bei der Abstimmung über ESM und Fiskalpakt. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Mit Zustimmung der SPD!) Einige von uns sind ja schon ein paar Jahre in der Politik. Aber das Chaos, das Sie, Frau Merkel und Herr Schäuble, an jenem Freitag Ende Juni hier im Bundestag angerichtet haben, war bis dahin ohne Beispiel. (Otto Fricke [FDP]: Was soll das denn jetzt? Ihr habt doch zugestimmt!) In den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages haben Sie mit Ihrer Mehrheit noch zwei Tage vor den Abstimmungen die Klarstellung durchgesetzt - Sie haben gesagt, das sei nur eine Klarstellung -, dass keine Direktfinanzierung von Banken aus dem ESM stattfinden darf. Weniger als 48 Stunden später erklärte die Kanzlerin, die ja von diesen Regierungsfraktionen getragen wird, in Brüssel das genaue Gegenteil: Die Direkt-finanzierung soll kommen. (Gerda Hasselfeldt [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Na, na, na! Das müssen Sie aber noch mal nachlesen! - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch!) - Meine Damen und Herren, Sie alle waren dabei. - Zwölf Stunden später beschloss der Deutsche Bundestag, wiederum mit der Stimme der Kanzlerin, dass es bis auf Weiteres beim konsequenten Verbot der Direktfinanzierung bleibt. Wer soll das verstehen, meine Damen und Herren? Die Deutschen verstehen das offenbar nicht. (Beifall bei der SPD - Otto Fricke [FDP]: Sie selbst verstehen es nicht! - Patrick Döring [FDP]: Sie erst recht nicht!) Dass Sie sich dabei in immer tiefere Widersprüche verstricken, liegt nach meiner Überzeugung daran, dass Sie an Ihrer alten, aber zu einfachen Geschichte von Deutschland als Stabilitätsanker in einem Meer europäischer Disziplinlosigkeit festhalten. Diese Geschichte hat den Menschen eine Zeitlang die Illusion gegeben, Sie hätten die Krise einigermaßen im Griff. Das mag Ihre eigenen Leute in den letzten Monaten einigermaßen zusammengehalten haben. Aber es ist nun einmal so: Wer sich mit seinen Geschichten zu weit von der Realität entfernt, dem glauben die Menschen irgendwann nicht mehr. (Patrick Döring [FDP]: Oh! Da spricht einer aus Erfahrung!) Es ist sogar so weit gekommen, dass nicht einmal Ihre eigenen Leute noch daran glauben. Wir wollen nicht vergessen: Dreimal haben Ihnen die Koalitionsfraktionen bei der Abstimmung über den ESM die Gefolgschaft verweigert. Dreimal, und das in einer so bedeutsamen Frage! Es hat, meine Damen und Herren, Kanzler und Regierungen in der Geschichte dieser Republik gegeben, die daraus andere Konsequenzen gezogen hätten, als betreten zu schweigen und sich in die Sommerpause zu retten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei der CDU/CSU und der FDP - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Jetzt wird es lustig! - Hubertus Heil [Peine] [SPD], an die CDU/CSU gewandt: Sie haben keine eigene Mehrheit! Deshalb sind Sie so nervös!) - Sie können ja darüber lachen. Aber Sie wissen haargenau: Sie regieren nur noch, weil Grüne und Sozialdemokraten in dieser europäischen Überlebensfrage nicht parteitaktisch, sondern in Kenntnis und in Wahrnehmung ihrer europäischen Verantwortung agieren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei der CDU/CSU und der FDP) Wir sind eines der wenigen Parlamente in Europa, das sich in seiner Haltung zur europäischen Krise nicht völlig zerlegt hat. Das halte ich für einen Gewinn. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Aber Sie tun zu wenig dafür, dass das auch in Zukunft so bleibt. Herr Schäuble - auch das kann ich Ihnen nicht ersparen -, Sie haben uns noch im Mai dieses Jahres erklärt, dass Spanien nicht unter den Rettungsschirm muss, zu einem Zeitpunkt, als die Spatzen schon das Gegenteil von den Dächern pfiffen. Das ist genau das, was wir Ihnen immer wieder vorgeworfen haben: dass Sie die Karten nicht frühzeitig, auch für das Parlament durchschaubar, auf den Tisch legen, sondern lavieren und taktieren, solange es geht, und Parlament und Öffentlichkeit im Unklaren lassen. Wer wollte, der konnte schon im Mai, mit Sicherheit aber Anfang Juni wissen, dass Spanien Hilfe brauchen würde. (Otto Fricke [FDP]: Aha! Sie wussten das also?) Wir haben den Rettungsschirm doch nur deshalb aufgespannt, weil sich das schon am Horizont abzeichnete. Das haben wir Sozialdemokraten mitgetragen - das gilt auch für den ESM -, allerdings nicht wegen irgendwelcher verblasener Vorstellungen von europäischer Solidarität, erst recht nicht, um eine strauchelnde Regierung im Amt zu halten. Nein, wir haben das aus richtig verstandenem deutschen Interesse mitgetragen, auch im Hinblick auf deutsche Arbeitsplätze. Wir wissen seit langem: Wir leben nicht auf einer Insel der Seligen. Die Krise kommt auch im stärksten europäischen Exportland an. Eines ist sicher: Wenn die europäischen Volkswirtschaften, eine nach der anderen, wirklich ins Trudeln geraten würden, dann wäre nicht auszuschließen, dass am Ende auch Deutschland in diesem Strudel mitgerissen wird. Wir müssen den Menschen sagen, dass nicht Spanier, Griechen und Portugiesen, sondern wir, wir Deutsche, das größte Interesse an der Überwindung der europäischen Krise haben. Wir müssen sagen, dass dieser Weg hart wird, dass er lange dauern wird und mit erheblichen Lasten, auch für unser eigenes Land, verbunden sein wird. Den Menschen dies offen ins Gesicht zu sagen, ist eigentlich nicht Aufgabe der Opposition. Das wäre Ihre tägliche Aufgabe seit Mai 2010 gewesen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie tun es nicht, weil Sie befürchten, dass Ihnen Ihre eigene Koalition um die Ohren fliegt. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich heute trotzdem und unter Hintanstellung auch eigener Bedenken, (Zuruf von der FDP: Wie immer!) - das wollen Sie nicht, oder was? - (Zurufe von der FDP: Doch!) die fortbestehen, meiner Fraktion die Zustimmung empfehle, (Zurufe von der LINKEN: Oh!) dann einzig und allein deshalb, weil es nicht konsequent wäre, Rettungsschirme aufzuspannen, sie aber nicht zu benutzen, wenn sie gebraucht werden. Gebaut worden sind die Rettungsschirme ja bekanntlich nicht zur Bestandswahrung maroder Banken, sondern um die Realwirtschaft vor den Folgen eines Zusammenbruchs des Finanzsektors zu bewahren. Das war der Sinn der Rettungsschirme. (Beifall bei der SPD) Ich kann meiner Fraktion trotz eigener Bedenken die Zustimmung empfehlen, weil ich die Auflagen im Memorandum gesehen habe, die strenger formuliert sind als in den Garantiefällen, die wir in diesem Parlament in den letzten zwei Jahren positiv entschieden haben. Ich habe gesehen, dass die Abwicklung der Banken ebenso dazugehört wie die völlige Neustrukturierung des spanischen Bankenbereichs. Trotzdem sage ich: Es darf keine Bankenrettung um jeden Preis geben. Wer sich kaputtspekuliert hat, der darf und der kann keinen Anspruch auf staatliche Hilfe haben; der darf kein Steuergeld verbrennen. Der muss schlicht und einfach vom Markt; so einfach ist das. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Meine Damen und Herren, ich will nicht verhehlen, dass viele in meiner Fraktion überhaupt nicht davon überzeugt sind, dass wir das Richtige tun. Wenn die Mehrheit dennoch zustimmt, dann nur deshalb, weil der Schaden durch eine Verweigerung Deutschlands gegenüber Spanien auch aus unserer Sicht katastrophal wäre. Aber damit ist auch gesagt: Es kann so nicht weitergehen. Die Rettung von Banken durch den ESM - das müsste auch Ihr Interesse sein - darf nicht zur Dauerlösung werden. Ich sage Ihnen: Wer immer es vorhat, es wird keinen direkten Weg von der Spanien-Hilfe zur dauerhaften Rekapitalisierung von kriselnden Banken geben, jedenfalls nicht mit uns. (Beifall bei der SPD) Das Gegenteil muss doch die Aufgabe sein. Wir müssen aus diesem Parlament heraus Alternativen formulieren. Wir müssen Staatsrisiken und Bankenrisiken voneinander trennen und endlich Vorschläge für ein Trennbankensystem oder die Anwendung der Volcker Rule in Deutschland machen. Wir müssen Banken untereinander für die eigenen Risiken einstehen lassen, ohne dass der Steuerzahler in Zukunft weiterhin belastet wird. Deshalb brauchen wir einen eigenständigen Banken-ESM - meinetwegen für systemrelevante Banken -, der sich über eine europäische Bankenabgabe finanziert. Das ist die Alternative, meine Damen und Herren. Wir dürfen uns da nicht länger treiben lassen. Wir müssen Alternativen aufzeigen. (Beifall bei der SPD) Nun weiß ich nicht, wie das in Ihren Fraktionen so geht. Aber ich sage Ihnen: Jede Woche mit neuen Nachrichten von Praktiken auf den Finanzmärkten lässt den letzten Rest von Verständnis für eine Bankenrettung bei uns schwinden. Es ist ja schlimm genug, dass Bankenvorstände in der Vergangenheit ganz offenbar nicht genau wussten, mit welchen Risiken sie wirklich hantieren. Es ist ein Skandal, dass auch seriöse Institute oder solche, die sich so bezeichnen, in Europa offensichtlich auf den Niedergang ganzer Volkswirtschaften gewettet haben. Aber dass die grenzenlose Gier keinen Halt macht vor der systematischen Manipulation von Aktienkursen, das übersteigt doch wahrscheinlich sogar unsere gemeinsamen Vorstellungen. Das kann nicht so weitergehen. Denn ich bin fest davon überzeugt: Die Finanzmärkte ruinieren am Ende auf diese Weise nicht nur die Realwirtschaft, sondern sie ruinieren auch die Demokratie. (Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Richtig!) Es kann nicht angehen, dass die Politik immer wieder in Haftung genommen wird, während sich die Akteure auf den Finanzmärkten hinter ihrer Anonymität verstecken. Für mich steht deshalb eines fest, meine Damen und Herren: Nicht nur Regeln müssen her auf den Finanzmärkten. Ob das gelingt oder nicht, wird sowieso zu einer Überlebensfrage der Demokratie. Ich sage ganz unabhängig davon: Wer in der Vergangenheit Kurse manipuliert hat und weiterhin manipuliert, der muss auch die ganze Härte des Strafrechts zu spüren bekommen, ohne Rücksicht auf Rang oder Status. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube, niemand hier macht sich Illusionen darüber, dass wir mit der heutigen Abstimmung erst einmal Ruhe haben werden. Die nächsten Entscheidungen werden nicht lange auf sich warten lassen. Ich weiß nicht, wie lange das Geld in Griechenland reicht. Ich weiß nicht, wie die Europäische Union dann agieren wird. Ich weiß nicht und habe es heute von Herrn Schäuble auch nicht gehört, wie Sie dann auf das deutsche Parlament zukommen. Zu Zypern haben wir einen Satz gehört. Ob das eine dauerhafte Entlastung von Entscheidungspflichten hier bedeutet, kann ich nach Ihrer Rede nicht sagen. Mein Abschlusssatz ist nur: Kommen Sie bitte auf dieses Parlament nicht wieder auf den letzten Drücker zu. Zurren Sie die Dinge nicht endgültig fest, bevor Sie hier ins Hohe Haus kommen. Sie haben es in den letzten Wochen gespürt: "Friss oder stirb", das geht mit diesem Parlament nicht mehr. Das wäre das Ende von europäischen Gemeinsamkeiten, die es parteiübergreifend in diesem Hause immer noch gibt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Rainer Brüderle für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Rainer Brüderle (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Steinmeier hat kürzlich behauptet: Die SPD sagt, was ist. - Das war Ferdinand Lassalle in Kurzform. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war Rosa Luxemburg!) Sie, Herr Steinmeier, hätten heute die Möglichkeit gehabt, zu sagen, was ist. Sie haben es nicht gemacht. Sie haben verschwiegen, bemäntelt. Aber wer Lassalle zitiert, legt die Latte hoch. Sie sind heute bequem unter ihr durchgelaufen. Sagen Sie doch einmal, was ist. Was ist mit dem toten Rennen der Kanzlerkandidatur? Was ist mit dem Rückwärtsgang bei der Rente mit 67? (Thomas Oppermann [SPD]: Reden Sie mal über Europa! - Weitere Zurufe von der SPD) Was ist mit Ihrer Steuererhöhungspolitik? Was ist mit Ihrer Vergemeinschaftung von Schulden, Stichwort Euro-Bonds? In der Sozialdemokratie sind die Machtfragen nicht gelöst. (Sigmar Gabriel [SPD]: Sie kommen nicht mal ins Parlament!) Sie haben die Sachfragen nicht gelöst. Das spürt man bei jeder Sitzung. Ihre Troika ist ein Pakt des Misstrauens. Jeder vermutet beim anderen den Dolch im Gewande. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dann wollen Sie uns mit denen alleine lassen? Sie kommen gar nicht rein ins Parlament! Das ist entsetzlich!) Die Fraktionen im Deutschen Bundestag haben sich weitreichende Rechte der Parlamentsbeteiligung erkämpft. Rechte bedeuten auch mehr Pflichten. Rechte bedeuten auch Verantwortung. Diese Sondersitzung ist ein starkes Zeichen unserer Demokratie. Wir Parlamentarier tun unsere Pflicht. Wir Parlamentarier nehmen unsere Verantwortung wahr. Wir beschließen heute das Hilfsprogramm für Spanien. Das ist keine leichte Entscheidung. Aber wir wissen: Wir müssen den Teufelskreis aus Schuldenkrise und Bankenkrise durchbrechen. Im Moment schwappt die eine Krise immer wieder in die andere hinüber. Deshalb brauchen wir Dämme und Dränagen. Spanien leidet unter den Folgen der Immobilienblase. Spanien hat strukturelle Schwächen. Aber Spanien ist nicht Griechenland. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für eine Erkenntnis! - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sprechen auch ganz anders! Wissen Sie das?) Spanien hat noch vor kurzem eine niedrigere Schuldenquote als Deutschland gehabt. Spanien hat industrielle Kerne und attraktive Dienstleistungssektoren. Realwirtschaft kann sich aber nicht von der Finanzwirtschaft abkoppeln. Realwirtschaft braucht Kredite. Deshalb hat Spanien nur eine Chance, wenn es den Bankensektor in Ordnung bringt. Dafür hat es Hilfe bei den Euro-Partnern beantragt. Deutschland ist bereit, zu helfen. Aber wir halten uns an den Grundsatz: Keine Leistung ohne Gegenleistung! Die Bundesregierung und die europäischen Partner haben Spanien ein knackiges Pflichtenpaket auferlegt. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Knackig?) Spanien verpflichtet sich, eine Bad Bank zu schaffen. Spanien hat sich verpflichtet, strenge Stresstests für den gesamten Bankensektor durchzuführen. Danach wird entschieden, welche Institute abgewickelt werden. Spanien wird von der EU-Kommission und von der EZB mit Unterstützung des IWF überwacht. Wir schicken quasi die Troika wieder los. Das ist eine effektive Überwachung. Spanien hat sich zu weitreichenden Strukturreformen verpflichtet, etwa auf dem Arbeitsmarkt. Spanien hat ein Sparpaket von 65 Milliarden Euro angekündigt. Das sind klare Signale. Eine direkte Bankenhilfe ist nicht vereinbart worden; Finanzminister Schäuble hat das noch einmal ausdrücklich bestätigt. Auf dem Gipfel wurde ausdrücklich beschlossen: Erst wird eine europäische Bankenaufsicht geschaffen. Ich erkläre für meine Fraktion: Es wird nicht reichen, wenn der Währungskommissar im September Vorschläge dazu macht. Die Möglichkeit von Direkthilfen ist klar an die Umsetzung und nicht an die Ankündigung einer Bankenaufsicht geknüpft. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das haben die Kanzlerin und der Finanzminister öffentlich immer wieder gesagt. Die Fraktionen vertrauen der Regierung. Notfalls werden wir das anmahnen. Hier ist dann unser parlamentarisches Selbstverständnis gefordert. Ich erkläre für meine Fraktion außerdem: Ohne eine europäische Bankenaufsicht mit harten Durchgriffsrechten sind direkte Bankenhilfen überhaupt keine Option. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Optionen sind dann besonders wertvoll, wenn man sie nicht ziehen muss. Deutschland hat kein Interesse an einem ESM als Bad Bank. Wir haben ein gutes Verfahren für Spanien gefunden. Das gilt es durchzuhalten, damit Vertrauen entstehen kann. Meine Damen und Herren, die besten Volkswirte und Verfassungsrechtler Deutschlands treibt die Schuldenkrise um. Ökonomen machen Aufrufe, ehemalige Verfassungsrichter geben große Interviews, amtierende Verfassungsrichter nehmen sich für ein Eilverfahren mehr Zeit als üblich. Ich halte das für legitim und auch für notwendig und richtig. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Vielen Dank!) Ich sehe das als Ausweis unserer Grundfreiheiten, richterlicher Unabhängigkeit, der Freiheit von Forschung und Lehre und der Meinungsfreiheit. Deutschland ringt mit sich und seinen Grundsätzen. Wir müssen den europäischen Weg gehen, aber uns ist klar: Es muss ein Pfad der Stabilität und der Rechtsstaatlichkeit sein. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Genau!) Darum ringen die Politik, Ökonomen und auch Verfassungsrechtler. Privates Eigentum, Haushaltsautonomie und Geldwertstabilität sind unsere wirtschaftlichen und rechtsstaatlichen Vorräte. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Und der Sozialstaat!) Diese müssen wir schützen, die wollen wir schützen, und die werden wir schützen. Deutschland kann seinen Wohlstand nicht für ein Europa der Reformpausen einsetzen. Damit würden wir unseren Wohlstand aufs Spiel setzen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Davon hat niemand etwas, wir nicht und unsere europäischen Partner auch nicht. Das Time Magazine hat vor kurzem geschrieben - ich zitiere -: Deutschland geht es deswegen besser als dem Rest Europas, weil es sich nicht so verhält wie der Rest Europas. Meine Damen und Herren, die christlich-liberale Koalition schützt die Interessen Deutschlands in Europa. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich zitiere noch einmal das Time Magazine: Wenn Deutschlands europäische Partner - aber auch Washington - weiterhin wollen, dass Merkel und ihr Land sich so stark engagieren, dann ist es vielleicht an der Zeit, ihr Respekt zu zollen, statt ihr ständig Beleidigungen an den Kopf zu werfen. Das Magazin hat völlig recht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das gilt auch für die Opposition. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, ich halte es schon für bedenklich, wenn sich Sozialdemokraten zum Sprachrohr der französischen Sozialisten machen und hier über Bande spielen. Das hat eine neue Qualität. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dort wurden offenbar Informationen ausgetauscht und vielleicht sogar Strategien besprochen. Hätte ein deutscher Beamter das gemacht, dann wäre das Geheimnisverrat gewesen. (Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das hat Deutschland nicht genützt. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU - Bettina Hagedorn [SPD]: Unmöglich! - Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist eigentlich Landesverrat!) Altbundeskanzler Schröder hat es klar angedeutet: Es ist nicht im deutschen Interesse, Reformpausen und die Rente mit 60 in anderen Ländern zu finanzieren. Das kann nicht deutsches Interesse sein. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Kollege Müntefering hat das bei Ihnen ja offen angesprochen. Es gibt offenbar noch Verantwortungsethiker. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Ihnen nicht!) Ihnen sollten Sie mehr Raum geben. Meine Damen und Herren, die Menschen im Land machen sich Sorgen um die Geldwertstabilität. Wir alle hier haben den Menschen versprochen, der Euro werde genauso stabil sein, wie es die D-Mark war, und die Europäische Zentralbank werde genauso unabhängig sein, wie es die Deutsche Bundesbank war und ist. Das müssen wir auch einhalten. Zweimal haben die Deutschen ihre Geldwerte verloren, und zwar durch zwei Währungsreformen. Inflation stand am Anfang und am Ende der unseligsten Zeit der deutschen Geschichte. Deshalb ist unsere Mitgift für Europa Sensus für Geldwertstabilität und die Schaffung der Voraussetzungen dafür. Mit einer Schuldenunion aus Euro-Bonds schaffen wir das nicht, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) mit einer Haftungsunion, in der die deutschen Sparkassen für Großbanken in Spanien und sonst wo einstehen, auch nicht, mit einer Inflationsunion - Stichwort "Banklizenz für den ESM" - auch nicht. Von Deutschland wird Orientierung und auch ein Stück Führungsverantwortung gefordert. Führungsverantwortung heißt aber nicht, der liebe Onkel oder die nette Tante zu sein und ständig Bonbons zu verteilen, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das denn für ein Niveau hier?) sondern durch ein gutes Beispiel Orientierung zu geben. Deutschland setzt ein gutes Beispiel. Wir bringen unsere Wirtschaftsstärke, aber auch unsere Stabilität ein. Das ist der richtige Pfad für Europa. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Sahra Wagenknecht für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sahra Wagenknecht (DIE LINKE): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Wir sind also wieder einmal zusammengekommen, um Mil-liarden, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hart erarbeitet haben, im schwarzen Loch des Finanzmarkts zu versenken. Der einzige Fortschritt ist immerhin, dass Sie diesmal wenigstens offen zugeben, worum es geht: Nicht um Hilfszahlungen an Länder, die ihnen vielleicht dabei helfen können, ihre Krise zu meistern oder ihre riesige Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, sondern es geht wieder einmal nur um Hilfszahlungen für Banken, die andere Banken, Hedgefonds und private Großanleger vor Verlusten schützen sollen. Bis zu 48 Milliarden Euro kann die heutige Entscheidung den deutschen Steuerzahler kosten. Das ist etwa das Vierfache dessen, was der Bund jährlich in seinem Etat für Bildung und Forschung ausweist. Insoweit muss man schon sagen: Es war wirklich ungerecht, dass Frau Merkel in Europa einmal "Madame Non" genannt wurde. Wenn es um Banken und darum geht, Steuergeld für Banken zu verbrennen, dann war Madame Merkel - und sie ist es bis heute - leider immer "Madame Oui". (Beifall bei der LINKEN) Gleichzeitig singen Sie aber - diese Regierung macht das heute ja wieder - das Mantra von Haushaltsdisziplin und Haushaltskonsolidierung. Sie zwingen die Bundesländer, Polizisten und Lehrer zu entlassen, um eine sogenannte Schuldenbremse einzuhalten. Verarmte Kommunen verkloppen Krankenhäuser und Wohnungen und schließen eine kommunale Einrichtung nach der anderen. Ich sage Ihnen aber: So viele Theater, Bibliotheken und Schwimmbäder gibt es in ganz Deutschland nicht, dass man durch ihre Schließung die gigantischen Summen wieder hereinholen könnte, die Sie hier mit jeder einzelnen Entscheidung verpulvern. (Beifall bei der LINKEN - Petra Merkel [Berlin] [SPD]: So ein Quatsch!) Erzählen Sie doch niemandem, dieses Geld sei nicht in Gefahr. Es ist natürlich in akuter Gefahr. Ich bin zwar lange nicht so marktgläubig, wie Sie das sind. Aber gibt es Ihnen nicht zu denken, dass die Banken, deren Risikokapital Sie jetzt mit deutschem Steuergeld aufstocken wollen, am privaten Markt seit langem nicht einmal mehr Anleihen platzieren können? Das spricht doch wohl sehr dafür, dass Sie sich hier auf ein verdammt schlechtes Geschäft einlassen. (Beifall bei der LINKEN) Ich finde, Sie müssen sich auch einmal entscheiden. Sie wollen doch den Kapitalismus auch im Finanzbereich, also private Banken und ein marktwirtschaftlich organisiertes Finanzsystem. Dann müssen Sie aber auch die Regeln anerkennen, die in der privaten Wirtschaft nun einmal gelten. Eine der Kernregeln ist, dass Investoren für ihre Verluste haften, nicht der Steuerzahler. (Beifall bei der LINKEN) Jeder kleine Unternehmer, der eine falsche Investitionsentscheidung trifft, muss am Ende dafür büßen. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: So ist es!) Er wird oft genug gerade von den Banken bis aufs letzte Hemd ausgezogen. Aber für die Banken selbst soll das offensichtlich nicht gelten. Wenn Sie uns jetzt sagen: "Na ja, Bankenpleiten kann man nicht verantworten, das hat solche gesamtwirtschaftlichen Folgen", dann seien Sie doch nur einmal konsequent. Dann akzeptieren Sie, dass Finanzen ein öffentliches Gut sind, das eben nicht privater Renditejagd überlassen werden darf. (Beifall bei der LINKEN) Dann akzeptieren Sie, dass der Finanzsektor öffentlich und gemeinwohlorientiert organisiert werden muss, dass Finanzen so wenig auf einen Markt gehören wie Gesundheit, Bildung und viele andere elementare Güter. Genau das fordert die Linke ja seit langem. (Beifall bei der LINKEN) Aber das, was Sie machen, gigantische private Wettbuden am Markt zu belassen, die alle Freiheiten haben, die Ersparnisse mit waghalsigen Geschäften zu verzocken, sich an jeder Blase zu beteiligen, um maximale Rendite herauszuschinden, und immer dann, wenn es eng wird, den Steuerzahler kommen und brav für die Verluste haften zu lassen, also Sozialismus für die Bankvorstände und Vermögenden und Kapitalismus für den Rest der Bevölkerung, das ist wirklich ein absurdes und krankes Modell. (Beifall bei der LINKEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sozialismus ist immer ein krankes Modell!) Ich muss auch sagen: Dass sich SPD und Grüne jedes Mal dazu hergeben, der Regierung für diesen Bankensozialismus die nötige Mehrheit zu sichern, die sie gar nicht mehr hätte ohne sie, das ist wirklich ein einziges Trauerspiel. (Beifall bei der LINKEN) Ich kann die Phrase nicht mehr hören: Die Finanzmärkte dürfen nicht beunruhigt werden. - Ob die Menschen beunruhigt werden, ob die Demokratie ausgehebelt wird, (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist es!) ist alles nicht so wichtig, solange nur die Finanzmärkte bei Laune bleiben. Ich finde es schon ziemlich skrupellos, wie teilweise versucht wurde, sogar das Bundesverfassungsgericht mit Rücksicht auf Finanzmarktinteressen unter Druck zu setzen. Genau das unterscheidet die Linke von Ihnen allen. Wir wollen nicht die Finanzmärkte beruhigen, und wir wollen auch nicht um das Vertrauen dieser Zockerbande werben, sondern wir wollen die Finanzmärkte entmachten. Wir wollen die Banken als öffentliche Institute so reorganisieren, dass sie endlich wieder das tun, wofür Banken da sind: (Beifall bei der LINKEN) sichere Sparmöglichkeiten anbieten und Investitionen finanzieren; und sonst gar nichts. Tatsächlich brauchen Spanien und auch Italien - das wird das nächste Land sein - unser Steuergeld nicht. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Hey, hey! Vorsichtig!) Was sie wirklich brauchen, ist erstens ein regulierter Finanzsektor, in dem Investoren und Gläubiger für die Verluste der Vergangenheit haften. Zweitens müssen sie endlich unabhängig von der Zinstreiberei der Finanzmärkte werden. Ich sage Ihnen: Wenn sie sich tatsächlich zu dem gleichen Zinssatz wie die privaten Banken finanzieren könnten, nämlich zu 0,75 Prozent, und wenn sie nicht mehr für die Verluste ihrer Banken haften müssten, dann hätten diese Länder so gut wie keine Defizite mehr. Allen, die sofort wieder warnen, billige Zinsen würden zu unverhältnismäßiger Schuldenmacherei animieren, kann ich nur sagen: Dann beschließen Sie doch einen einfachen Sanktionsmechanismus. Die EZB darf nur an die Länder Direktkredite vergeben, die erstens bereit sind, eine kräftige Vermögensteuer für Vermögen oberhalb von 1 Million Euro einzuführen, und die sich zweitens verpflichten, diese Steuer automatisch anzuheben, wenn und solange die Staatsverschuldung 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreitet. Ein solcher Sanktionsmechanismus wäre tausendmal besser als Ihre ganzen Kürzungsdiktate, und er wäre vor allem wirksamer. (Beifall bei der LINKEN) Auch in Spanien gibt es genug Vermögen. Immerhin hat die Immobilienblase keineswegs nur Schulden produziert. Sie hat nämlich auch, und zwar nicht wenig, Vermögen geschaffen, und diese Vermögen sind nach wie vor vorhanden. Aber sie befinden sich ganz sicher nicht bei den 300 000 Kleinsparern, die jetzt gerade im Zuge der Bankenrestrukturierung mit ihrem Vermögen bluten sollen. Ich finde es auch bemerkenswert, dass eine Gläubigerbeteiligung nur in dem Sonderfall tatsächlich durchgesetzt wird, wo sie eben nicht andere Banken und Hedgefonds betrifft, sondern Kleinanleger. Das zeigt doch auch, wie verlogen das ganze Gerede ist, dass es hier angeblich immer darum geht, die Kleinanleger zu schützen. Nein, die Kleinanleger in Spanien bluten jetzt. Die Banken und Hedgefonds werden geschützt. Auch deutsche Banken gehören zu denen, die von dem Steuergeld profitieren werden, das nicht wir, aber Sie heute wieder freigeben werden. Ich nenne Ihnen noch zwei Zahlen, um deutlich zu machen, wo das Geld liegt. Die europäischen Staaten haben aktuell eine Staatsverschuldung von 11 Billionen Euro. Die privaten Vermögen in Europa betragen 13 Billionen Euro, und zwei Drittel besitzen die oberen 10 Prozent. Das heißt, Sie können spielend die Spareinlagen von 90 Prozent der Bevölkerung in Europa sichern und Sie können sogar noch die Staatsverschuldung reduzieren, wenn Sie bereit sind, die Reichen mit ihrem Vermögen dafür haften zu lassen. Das wäre tausendmal besser als Ihr Schuldensumpf, die ganzen Kürzungsdiktate und die Ausplünderung der Steuerzahler. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Zeit. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE): Ich komme zum Ende. - Die Linke jedenfalls wird heute wieder geschlossen gegen diese erneute milliardenschwere Bankenrettung stimmen; denn wir sind überzeugt: So kann und so darf es in Europa nicht weitergehen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Volker Kauder für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Volker Kauder (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir haben hier im Deutschen Bundestag den ersten Rettungsschirm beschlossen, um einen Beitrag leisten zu können, unsere Währung, den Euro, zu schützen und zu stabilisieren. Wir haben diesen Rettungsschirm doch geschaffen, um ihn dann einzusetzen, wenn es notwendig ist. Frau Wagenknecht, die Linke hat damals nicht zugestimmt. Deswegen ist es gar kein Wunder, dass Sie auch jetzt nicht zustimmen. (Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) Es wundert mich überhaupt nicht, dass Sie das erste Mal nicht zugestimmt haben und auch jetzt nicht zustimmen werden; denn das, was damals Sie und die SED als ökonomisches Konzept in der DDR gemacht haben, (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: "Deutsch reden in Europa"!) hat dazu geführt, dass die Bürgerinnen und Bürger Sie rausgeschmissen haben. (Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU] - Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: "Deutsch reden in Europa"!) 17 Millionen Menschen haben Sie in die Armut getrieben. Von Ihnen brauchen wir keine Belehrungen darüber, wie es funktionieren muss. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch bei der LINKEN - Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Oberpeinlich! - Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sie verschieben hier eine Sparkasse! Wenn nichts mehr bei Ihnen hilft, dann heißt es das!) - Sie können nachher reden. Wissen Sie, Sie sollten hier nur ein einziges Mal auftreten und den Satz sagen: Wir haben nachgedacht und erkannt, was wir alles falsch gemacht haben. (Widerspruch bei der LINKEN - Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das haben wir! Da haben Sie wohl Tomaten auf den Ohren!) Aber das bringen Sie ja überhaupt nicht fertig. Dazu sind Sie gar nicht in der Lage. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Da kann man nur fragen: Ist es mangelnde Einsichtsfähigkeit oder eine gewisse Arroganz, die Sie an den Tag legen? Ich sagen Ihnen: Damit überzeugen Sie niemanden hier im Deutschen Bundestag. Niemanden! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Was ist denn arrogant? "Deutsch reden in Europa"! "Man redet wieder Deutsch in Europa": Das ist arrogant!) Wir haben damals ganz klar formuliert, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen wir bereit sind, diese Euro-Stabilisierung vorzunehmen. Wir haben dies miteinander so beschlossen, indem wir gesagt haben: Es müssen Leistung und Gegenleistung, Solidität und Solidarität zusammenkommen. Deswegen ist doch völlig klar: Die heutige Zustimmung zu dem Antrag, Spanien bei der Rekapitalisierung seiner Banken zu unterstützen, ist mit entsprechenden Konditionen verbunden. Ich kann mich nur wundern: Immer bei dem Satz "Es muss etwas verändert werden, es kann nicht so weitergehen wie bisher" kommt aus der linken Hälfte des Deutschen Bundestags ein Stöhnen. Man kann doch nicht sagen, dass die Griechen und andere so hervorragend gewirtschaftet haben, dass nichts verändert werden muss. Ich kann Ihnen nur sagen: Es gehört mit dazu, dass wir dies dort, wo etwas falsch gelaufen ist, sagen. Bloß Hilfe zu geben nach dem Motto: "Nur nicht sagen, was falsch gelaufen ist", wird zu keiner Lösung in Europa führen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nur deshalb, Frau Roth - Sie schaue ich ganz besonders an -, weisen wir darauf hin, was sich verändern muss. Wir sagen im Übrigen, dass auch wir in Deutschland in diesem Veränderungsprozess sind. Deswegen, Herr Kollege Steinmeier: Es ist eben nicht so, dass wir der Bevölkerung sagen: Es muss sich überhaupt nichts tun. - Vielmehr haben wir der Bevölkerung klar gesagt - das wissen Sie sehr genau; das ist Ihnen auch nicht leichtgefallen -, was sich mit Rente mit 67, mit Hartz IV und vielem anderen tun muss und was wir verändern müssen. Wenn ich mir den deutschen Bundeshaushalt anschaue, dann muss ich mich fragen, ob wir nicht mehr und mehr auch die Investitionshöhe in unserem Haushalt verändern müssen und nicht nur konsumtive Ausgaben tätigen dürfen. Eine entsprechende Veränderung ist notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes zu erhalten. Das sagen wir den Menschen auch. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir können uns vieles in Deutschland trotz der Solidarität in Europa nur leisten, weil wir eine funktionierende Wirtschaft haben und weil es gut läuft. Ich kann nur sagen: Ich bin froh, dass wir Entwicklungen, Prozesse in unserem Land vorangebracht haben, die auch der deutschen Wirtschaft helfen. Ich will nur auf Folgendes hinweisen: Vor sechs, sieben oder acht Jahren waren die Sozialversicherungsbeiträge so hoch, dass die deutsche Wirtschaft unter diesen sogenannten Lohnzusatzkosten regelrecht geächzt hat. Es ist auch ein Erfolg dieser Koalition, dass wir hier durch eine konsequente Politik zu Entlastungen gekommen sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das war aber nur zu erreichen, indem eine ganze Reihe von Reformmaßnahmen getroffen wurden. Ich gehöre - darauf habe ich schon einmal hingewiesen - der ersten Nachkriegsgeneration an, die eine große Vision hatte: ein stabiles Europa ohne Grenzen, ein Europa des Friedens. Es sollte nie wieder Krieg von diesem Europa ausgehen. Deswegen fühle ich mich diesem Europa in besonderer Weise verpflichtet, genauso wie viele, viele von uns hier. Wir wollen dieses Europa erhalten; wir wollen es stabilisieren. Aber damit dies gelingt, müssen sich auch alle an die Spielregeln halten, die wir miteinander vereinbart haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) In diesem Punkt bin ich der Bundesregierung, namentlich Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, dankbar. Ich muss dies aber auch immer wieder sagen: Ein Teil der Probleme ist in Europa entstanden - das gehört zur Wahrheit und zur Analyse, um daraus die Konsequenzen zu ziehen -, weil man sich, wenn es ernst wurde, nie an die Regeln gehalten hat, die man selber vereinbart hat. Ich will gar nicht die aktuelle Ausgabe des Spiegels zitieren. Lesen Sie von der SPD einmal ganz genau nach! Dann wissen Sie, was damals infolge des brutalen Regelbruchs und der Aufgabe der Stabilitätskriterien passiert ist. (Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Da profitieren Sie noch heute von! - Weitere Zurufe von der SPD) - Ja, ja; das ist halt das Thema. - Deswegen reagiere ich sehr allergisch darauf. Wenn wir in Europa etwas vereinbart haben, muss es eingehalten werden, auch wenn es dem einen oder anderen nicht ganz leichtfällt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deswegen bin ich dankbar, dass die Bundesregierung klipp und klar gesagt hat: Es gibt keine direkte Banken-finanzierung. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Aha!) Vielmehr wird heute über einen Antrag Spaniens abgestimmt. Spanien haftet dafür. Es werden dafür ganz klare Konditionen vereinbart, die eingehalten werden müssen. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Reiner technischer Nebel! - Sigmar Gabriel [SPD]: Der Satz holt dich ein!) Noch zu einem anderen Punkt. Wir haben auch klipp und klar gesagt, warum wir diese Maßnahmen ergreifen. Ich bin manchmal sehr überrascht, wie hier dahergeredet wird. Der Euro ist unsere Währung, und wir haben allen Grund, unsere Währung zu stabilisieren und zu schützen. Ich bin wirklich heilfroh, dass wir sagen können: Wir haben keine Euro-Krise, wir haben eine Staatsschuldenkrise. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist eine Bankenschuldenkrise, keine Staatsschuldenkrise!) Das ist der entscheidende Punkt. Wir werden alles tun, um diese Währung zu schützen. Wir haben in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 dafür sorgen können, dass die Spareinlagen der Menschen gesichert sind. In Spanien waren es Sparkassen aus dem regionalen Bereich - genauso, wie es bei uns welche gibt -, die zu einer Bank zusammengeschlossen wurden. Wer leichtfertig daherschwätzt, es werde den Banken Geld gegeben, um sie zu stützen, um Kapitalisten zu stützen, der vergisst durchweg, dass auf diesen Banken die Sparvermögen unserer Bürgerinnen und Bürger liegen. Wenn diese Banken in Schieflage kämen, wären unsere Bürgerinnen und Bürger in erster Linie betroffen. Deswegen ist es richtig, was wir heute machen. Wir tragen zu einer Stabilisierung in Europa bei. Wenn ich mir anhöre, welche Konzepte - auch gestern wieder im Haushaltsausschuss - (Bettina Hagedorn [SPD]: Sie waren doch gar nicht da!) vorgeschlagen werden - Altschuldenfonds, Vergemeinschaftung und vieles andere mehr -, dann muss ich sagen: Ich bin zwar dankbar dafür, dass wir in diesem Parlament eine gesamteuropäische Verantwortung tragen - jawohl, Herr Kollege Steinmeier und Herr Trittin, das stimmt; dafür bin ich dankbar -, aber wenn ich höre, welche Lösungsvorschläge Sie darüber hinaus haben, bin ich dankbar dafür, dass eine christlich-liberale Koalition dieses Land regiert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Jürgen Trittin ist der nächste Redner von Bündnis 90/Die Grünen. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kauder, in Ihrer Dankbarkeit sollten Sie vielleicht nicht übersehen, dass diese christlich-liberale Koalition, wie Sie sich selber eben bezeichnet haben, (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Blasphemisch bezeichnet haben!) in entscheidenden Abstimmungen in diesem Hause keine Mehrheit mehr gehabt hat; das ist der Kern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!) Wenn Sie sagen - möglicherweise wäre ich hier mit Ihnen sogar einer Meinung -, man müsse die Ausgaben stärker auf Investitionen konzentrieren, dann frage ich Sie, lieber Herr Kauder: Wie kommen Sie denn dann auf die Idee, eine neue, milliardenschwere Subvention in Form des Betreuungsgelds auf den Weg zu bringen? Was hat denn das mit finanzieller Solidität zu tun? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Angesichts der spanischen Entwicklung, Herr Kauder, sich hier hinzustellen und die Geschichte von der Staatsschuldenkrise zu wiederholen, das ist schon abenteuerlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) 2007 lag die spanische Verschuldungsquote bei 36 Prozent. Selbst heute ist die staatliche Verschuldungsquote in Spanien niedriger als in der Bundesrepublik Deutschland unter der angeblichen Sparkanzlerin Angela -Merkel. In Spanien haben wir es genau genommen mit etwas anderem zu tun. Spanien ist in die Krise geraten, weil eine Immobilienblase geplatzt ist und weil wir dort eine Bankenkrise und eine Bankschuldenkrise haben. Das ist das Problem, um das es in Spanien geht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist es!) Die spanische Gesellschaft befindet sich jetzt in der Situation, dass sie angesichts der geplatzten Immobi-lienblase nicht mehr in der Lage ist, mit den Folgen dieser Entwicklung klarzukommen und ihren außer Kontrolle geratenen Sparkassensektor - liebe Kollegin Wagenknecht, darum geht es im Wesentlichen; das sind doch die Banken, die Sie eigentlich befürworten - in den Griff zu bekommen. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das sind nicht unsere Sparkassen! Bankia ist nicht unsere Sparkasse!) Das versucht Spanien nun in einer schweren wirtschaftlichen Krise. Worin besteht diese wirtschaftliche Krise? Zum Beispiel darin, dass nicht genügend investiert wird. Warum wird nicht genügend investiert? Weil für Unternehmen unter den Bedingungen zusammen-brechender Sparkassen eine Fremdkapitalfinanzierung kaum noch möglich ist. Das ist eine der Ursachen für die Rezession; das ist eine der Ursachen für eine fast 50-prozentige Jugendarbeitslosigkeit in diesem Land. Das heißt für uns: Wer die Rezession in Spanien überwinden will, der muss mit dafür Sorge tragen, dass dieser marode Bankensektor restrukturiert wird. Dazu ist Spanien allein nicht in der Lage. Deswegen der Hilfsantrag. Deswegen glaube ich, dass es gute Gründe gibt, sich das vorurteilsfrei und offen anzuschauen. Ja, es gibt bestimmte Elemente in dem Hilfspaket, die richtig sind - übrigens Elemente, von denen Sie nie etwas hören wollten. Sie haben immer behauptet, der Zinsdruck auf diese Länder mache gar nichts. Wenn Spanien das allein wuppen müsste, dann würde der Druck auf Spanien - die Zinsen liegen heute schon 5 Prozentpunkte über denen, die Deutschland zu zahlen hat - noch weiter steigen. Sie können es auch andersherum sagen: Wenn Spanien durch europäische Hilfe in die Lage versetzt wird, diesen Zinsdruck zu mindern, dann macht das ungefähr 2,5 Milliarden Euro bis 3 Milliarden Euro pro Jahr im Haushalt Spaniens aus. Das sind übrigens 2,5 Milliarden Euro bis 3 Milliarden Euro, die Spanien weniger sparen muss. Deswegen glaube ich, dass das ein vernünftiger Vorschlag ist. In diesem Vorschlag stecken Elemente, die wir gerne auch in anderen Paketen gehabt hätten, zum Beispiel das Verbot, Dividenden auszuschütten, sowie eine klare Regelung, dass Banken unter dem Restruk-turierungsfonds ihren Managern nicht mehr als 300 000 Euro bzw. 500 000 Euro auszahlen dürfen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hatten wir auch in Deutschland!) Er beinhaltet auch das Element, dass Banken gegebenenfalls abgewickelt werden müssen; wer etwas gegen die Wand fährt, muss auch pleitegehen können. All dieses ist vernünftig. Aber in diesem Paket stecken auch eine ganze Reihe von Unbekannten. Ich weiß noch nicht, wie viele Banken am Ende tatsächlich abgewickelt werden müssen, wie vielen wir helfen wollen und müssen. (Otto Fricke [FDP]: Das weiß keiner!) Weil wir das nicht wissen, haben wir uns im Haushaltsausschuss gemeinsam, Herr Kollege Fricke, darauf verständigt, dass wir diese Frage nach genauer Erörterung hier im Deutschen Bundestag entscheiden werden. Meine Damen und Herren, es kommt ein Weiteres hinzu: Ich glaube, es ist richtig, zu versuchen, Spanien zu helfen. Aber es wird auch notwendig sein, aus dieser Entwicklung zu lernen. Warum sind wir schon wieder in der Situation, mit Staatsgeldern eine Bankschuldenkrise - denn darum geht es hier - managen zu müssen? Das ist deswegen der Fall, weil Sie bis heute unserem Ratschlag, unserer Forderung, endlich einen europäischen Bankenrestrukturierungsfonds aufzubauen, nicht gefolgt sind. Das ist der Kern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn man aus dieser Entwicklung lernen will, dann gibt es nur eine Konsequenz, und die lautet: Wir brauchen zügig eine europäische Bankenunion, wir brauchen zügig eine exekutiv wirksame europäische Bankenaufsicht, wir brauchen eine Schuldenbremse nicht nur für Staaten, sondern auch für Banken, und wir brauchen eine von den Banken über eine Abgabe finanzierte europäische Einlagensicherung. Das ist es, was wir in Europa brauchen, und das heißt, aus dieser Krise, aus dieser Hilfssituation endlich zu lernen und Konsequenzen zu ziehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Otto Fricke für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Otto Fricke (FDP): Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Trittin, Sie haben vieles gesagt, dem ich zustimmen kann. Ich will aber eines zum Thema Mehrheiten festhalten; als Haushälter schaut man ja genau auf die Zahlen. Ich habe hier keine einzige Abstimmung zu Europa erlebt, bei der diese Koalition nicht ihre Mehrheit hatte. Noch viel mehr: Ich habe keine einzige Abstimmung erlebt, bei der wir als Koalition selbst dann nicht die Mehrheit gehabt hätten, wenn alle in der Opposition mit Nein gestimmt hätten. Sie können sich das gerne einmal anschauen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) Deswegen bleibe ich dabei: Die notwendigen Mehrheiten haben wir immer, und selbst dann, wenn wir sie eigentlich nicht brauchten, sind Sie noch nicht einmal in der Lage, die entsprechenden Gegenstimmen zu liefern. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Thomas Oppermann [SPD]: Manchmal sind Sie auch nicht beschlussfähig!) So viel zu den Fakten. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Insbesondere wenn Sie nicht beschlussfähig sind, haben Sie immer echte Mehrheiten!) Nichtsdestotrotz will ich eines positiv hervorheben, was noch gar nicht geschehen ist. Wir vergessen das oft, weil wir die Diskussion immer auf den aktuellen Punkt konzentrieren und gar nicht sehen, was wir erreicht haben. Wir haben hier heute zu Spanien eine ernsthafte Debatte, die in den letzten Wochen angefangen hat. Wir debattieren hier im Plenum, und wir entscheiden hier im Plenum - nicht im Ausschuss. Wir bereiten das im Ausschuss vor. Die Demokratisierung, die Parlamentarisierung dieser Entscheidung zeigt doch, dass all das nicht stimmt, was in den letzten Wochen und Monaten gesagt wurde, dass dies alles in einem Handstreich von irgendwelchen Leuten in Brüssel und in der Regierung von heute auf morgen entschieden werden würde. Darauf sollten wir als Parlament gemeinsam doch auch einmal stolz sein. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Was ist Ziel unseres Handelns bei der Rettung Spa-niens? Dass wir uns um Europa kümmern, weil wir entsprechend der Stärke unseres Landes eine besondere Verantwortung haben. Das Ziel kann aber nicht sein, dass wir ein gleichgemachtes Europa wollen. Wir wollen ein Europa in Freiheit. Was heißt das eigentlich? Das bedeutet auch: in finanzieller Freiheit. Das heißt auch, dass die Staaten nach ihren jeweiligen Vorstellungen entscheiden können, wie sie das Leben ihrer Menschen verbessern wollen. Aber die Freiheit alleine nützt nichts, wenn sie nicht auch zu Verantwortung führt. Diese Verantwortung ist nicht wahrgenommen worden. Herr Trittin - das sage ich auch in Richtung Linke -, warum haben wir diese Bankenkrise denn eigentlich? Erstens, ja, weil der Finanzsektor mitgemacht hat. Aber, zweitens, doch auch, weil Spanien dasselbe falsche Heilsversprechen gegeben hat wie die USA, indem es seinen Bürgern gesagt hat: Unabhängig davon, wie viel Geld ihr habt oder verdient, ist es ganz leicht für euch, Eigentum zu erlangen. Das machen wir mit niedrigen Zinsen; das geht alles. Dies müssen wir jetzt auskurieren. Es war wiederum ein Staat, der seinen Bürgern gesagt hat: Es geht ohne Fleiß, und es geht ohne Sparsamkeit. (Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist der Gipfel! - Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das ist eine Beleidigung Spaniens!) Diesen Fehler müssen wir jetzt ausgleichen, und zwar im Rahmen sozialer Standards und durch Anpassungen, die notwendig sind. Das ist allerdings ein langwieriger Prozess. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir sollten nicht vergessen, dass jedes Versprechen der Politik an die Bürger, etwas sei - unabhängig von Leistung - leicht, am Ende zu einer, wie man so schön sagt, Blase führt. Es gibt ein niederländisches Sprichwort, welches das eigentliche Problem, das wir - der Minister hat das angesprochen - in der Kommunikation mit der Bevölkerung haben, sehr gut trifft. Es geht dabei um Vertrauen. Das niederländische Sprichwort besagt: Vertrauen geht auf dem Rücken eines Pferdes und kommt nur zu Fuß zurück. Genau das ist das Problem, das wir im Moment in Europa haben, das die Bürger bei der Frage haben, welchem Land und welcher Bank und ob man der Politik vertrauen kann. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Welcher -Partei?) In jeder Fraktion gibt es kritische Meinungen, und wir fragen uns: Können wir denn vertrauen, wenn wir jetzt Spanien helfen? Sind sie so wie die Griechen, wie wir sie in den vergangenen Jahren erlebt haben? Oder sind sie so - das muss man auch einmal sagen - erfolgreich, wie es Portugal und Irland sind? Wir wissen das nicht genau. Aber ich will eines deutlich in Richtung Spanien sagen: Das, was die gegenwärtige spanische Regierung bereits getan hat und was sie von ihrer Bevölkerung verlangt, bedeutet ein hartes Stück Arbeit, verlangt sehr viel Mut und ist nicht einfach. Ich weiß um die Kritik, welche die Linke hinsichtlich der Programme vorgebracht hat. Aber dass ein Land wie Spanien diese Anstrengungen unternimmt, zeigt uns - insofern bitte ich um einen Vertrauensvorschuss der Bürger für Spanien und unsere heutige Entscheidung -, dass wir mit dem, was wir tun, die richtige Entscheidung treffen, um das gemeinsame Haus Europa zu erhalten, und zwar nicht nach dem Motto "Jeder, wie er kann!", sondern jeder entsprechend seiner eigenen Verantwortung. Deswegen werden ich und die breite Mehrheit meiner Fraktion heute zustimmen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Axel Schäfer ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen heute als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für die Hilfe für Spanien, (Beifall des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU]) weil wir der Auffassung sind, dass wir Stabilität auch praktizieren und anwenden müssen, dass wir das, was wir versprochen haben, auch einhalten müssen, und weil wir uns der Dramatik der Situation bewusst sind. Die Alternative würde nämlich heißen, dass Spanien und dann vielleicht auch Italien sich nicht mehr am Kapitalmarkt refinanzieren könnten. In einer solchen Situation wäre auch unsere europäische Währung, der Euro, am Ende. Dagegen müssen wir gemeinsam alles unternehmen. Deshalb stimmen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten heute zu. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP und der Union, wenn man bestimmte Länder wie Griechenland nennt, darf man die historische Wahrheit nicht verschweigen. Es ist nicht nur so, dass wir von diesen Ländern etwas einfordern. Viele hier im Haus haben vergessen, was wir von diesen Ländern bekommen haben. Es war Griechenland, das 1953 dem Schuldenschnitt für Deutschland um die Hälfte zugestimmt hat. Die Zustimmung zu diesem Schuldenschnitt war eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir den Wiederaufbau, den Aufschwung, all das, was nach 1945 erreicht worden ist, gemeinsam hinbekommen haben. Das wird heute vergessen; aber das gehört zur historischen Wahrheit, was gelebte Solidarität auch ist, dazu. (Beifall bei der SPD) Der Kollege Brüderle hat hier angesprochen, dass ein bestimmtes Verhalten bei Beamten Verrat gewesen wäre. Man denkt bei der CSU dann gleich an so etwas wie Landesverrat. Leider ist man mittlerweile auf diesem -Niveau von Vorwürfen angekommen. Dazu gehört aber, dass das, was dahintersteht, nämlich die parlamentarische und die sozialdemokratische Zusammenarbeit in Europa, mit zu dem größten Erfolg in diesem Haus geführt hat. Wir haben es nämlich gemeinsam mit Ihnen, wenn auch verspätet, geschafft, dass sich dieses Parlament für eine Finanztransaktionsteuer ausgesprochen hat. Das war ein Vorschlag, der im Juni 2011, initiiert von der französischen Parti Socialiste und von der deutschen Sozialdemokratie, parlamentarisch eingereicht, in der Assemblée nationale und hier im Hause diskutiert und auf den Weg gebracht worden ist. Das ist heute europäische Mehrheitsmeinung. Damals waren Sie nicht dafür. Inzwischen haben wir das, von uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten angestoßen, durchgesetzt. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz allein waren Sie da ja nicht!) Das ist ein Erfolg. Kollege Brüderle, das ist eben gemeinsame europäische Politik. (Beifall bei der SPD) Wir werden das genau an dieser Stelle fortsetzen müssen. Das heißt, es wird in Europa keine Denkverbote geben, und es wird keine "Ausschließeritis" geben nach dem Motto: Das kann nicht sein. - Der wichtige Schritt dazu ist - Jürgen Trittin hat zu Recht darauf hingewiesen -: Es muss eine europäische Bankenunion geben mit verbindlicher europäischer Aufsicht, mit verbindlichen europäischen Insolvenzregeln, mit schärferen Regeln, die wir im Rahmen von Finanzmarktkontrolle insgesamt bekommen. Das muss in Europa gelingen, und das muss im Rahmen der Gesetzgebung vorangebracht werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Weil wir diese Debatte heute nicht nur als Deutsche mit unseren Interessen führen, müssen wir eines klarmachen, Frau Bundeskanzlerin: Es kann Deutschland nur gut gehen, wenn es allen anderen Ländern nicht schlecht geht. Das ist die Voraussetzung. Es kann uns nur gemeinsam gut gehen. Es kann nicht sein, dass es den einen schlecht und den anderen gut geht. Sie haben angekündigt, 2013 im Bundestag eine wichtige Debatte über die europäische Zukunft zu führen. Seien Sie sicher: Wir werden das gerne aufnehmen. Wir sind inhaltlich gut aufgestellt, und wir werden das noch verbessern. Wir haben mit Martin Schulz einen Präsidenten im Europäischen Parlament, der das Ganze treibt, der es parlamentarisch voranbringt. Wir gehen auch in diese Auseinandersetzung mit Optimismus, weil wir wie bei Europa ins Gelingen verliebt sind. (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Rednerin ist die Kollegin Gerda Hasselfeldt für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns gilt auch heute der Grundsatz: Solidarität in Europa - ja; aber Solidarität ist keine Einbahnstraße. Für uns gilt der Grundsatz: Leistung - ja; aber Leistung nur mit Gegenleistung. Für uns gilt der Grundsatz: Hilfen - ja; aber Hilfen nur mit Auflagen. - Das hat uns in den letzten Monaten bei den bisherigen Entscheidungen geleitet, und das ist auch die Grundlage für den jetzt anstehenden Beschluss. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nun ist heute schon klar dargelegt worden, dass die Hilfen für die Banken in Spanien notwendig sind. Wenn die Schwächen des Bankensystems dort nicht beseitigt werden, dann birgt das Gefahren für die gesamte Euro-Zone und damit auch für uns. Das heißt, das, was wir heute beschließen, was wir auf den Weg bringen, geschieht in unserem eigenen Interesse, im Interesse der Stabilität unserer gemeinsamen Währung. Um die Schwächen zu beseitigen, muss aber, wenn das Ganze Sinn machen soll, die Zeit auch genutzt werden, um das System, die Banken dort zu restrukturieren. Die Banken müssen auf ein ein Niveau gebracht werden, mit dem sie in der Lage sind, die Wirtschaft zu versorgen - denn das ist die Aufgabe des Bankensystems -, damit der gesamten spanischen Wirtschaft gutzutun und damit auch dem europäischen Raum. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb sind die Auflagen, die gemacht werden, nicht Schikane, sondern sie sind notwendig, sie sind fachlich geboten, sie sind sachlich geboten. Ich bin sehr dankbar dafür, dass in dem Memorandum of Understanding klar dargelegt wird, was da alles gemacht werden muss. Es ist viel konkreter als das, was wir bei früheren Entscheidungen zu verzeichnen hatten. Das muss einmal anerkannt werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Für uns ist dabei ganz entscheidend, dass es keine direkten Bankenhilfen gibt; ich sage das ganz besonders betont. Antragsteller ist der spanische Staat. Vertragspartner ist der spanische Staat. Es geht bei diesen Hilfen um rückzahlbare und verzinste Darlehen an den spanischen Staat. Der spanische Staat haftet. Mir ist diese Klarstellung auch deshalb so wichtig, weil dies vorhin von Herrn Steinmeier schon wieder vermischt wurde mit den Beschlüssen in der Zukunft über eine gemeinsame europäische Bankenaufsicht und weil schon wieder unterstellt wurde, dass im Zusammenhang mit der gemeinsamen europäischen Bankenaufsicht dann eine direkte Bankenhilfe möglich sei und diese jetzt auch schon realisiert würde. (Bettina Hagedorn [SPD]: Das hat er ja gar nicht gesagt!) - Natürlich hat er das gesagt! - Wissen Sie, wenn in der Bevölkerung Erklärungsbedarf besteht, was diese schwierigen Zusammenhänge angeht - insofern stimme ich mit ihm völlig überein -, dann müssen wir diese Erklärung alle miteinander leisten, jeder und jede an dem Platz, an dem er oder sie Verantwortung trägt, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie mal dem Horst Seehofer!) und auch so, dass die Erklärung der Wahrheit entspricht, dass sie den Beschlüssen entspricht, dass die zeitlichen Dimensionen klar zum Ausdruck kommen und dass nichts vermischt wird, was zusätzliche Verunsicherung mit sich bringt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Die Hilfen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, beziehen sich auf den Bankensektor. Dort liegt auch das Problem in Spanien. Das heißt aber nicht, dass die ma-kroökonomische Situation außer Acht gelassen wird. Natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen den makroökonomischen Ungleichgewichten, den öffentlichen Haushalten und dem Finanzsystem, dem Bankensystem. Deshalb ist es wichtig und meines Erachtens unerlässlich, dass die Bemühungen Spaniens in Bezug auf Haushaltskonsolidierung, Arbeitsmarktreformen, Reformen in der Sozialpolitik und im Steuersystem, die in den letzten Monaten schon mit konkreten Beschlüssen auf den Weg gebracht wurden, fortgesetzt werden und dass die Ergebnisse dieser Bemühungen auch überwacht und kontrolliert werden. Genau das geschieht. Ich habe gelegentlich den Eindruck, dass dies in der Diskussion ein bisschen unbeachtet bleibt, vielleicht deshalb, weil die Grundlagen dafür nicht hier im Hause beschlossen wurden, sondern weil beispielsweise das Europäische -Semester, die Six-Pack-Regelungen und vieles, was auf europäischer Ebene heute praktiziert wird, im Europäischen Parlament und im Rat beschlossen und auf den Weg gebracht wurden. Aber sie werden konkret bei Spanien angewandt. Es ist nun die Verpflichtung der spanischen Regierung, auf Konsolidierung, auf Reformen nicht nur zu achten, sondern diese auch durchzuführen. Das wird vom Rat und von der Kommission kontrolliert. Der Bundesfinanzminister hat uns zugesichert, auch hier im Parlament regelmäßig Bericht über die Fortschritte zu erstatten. Ich bedanke mich dafür sehr herzlich. Ich will deutlich zum Ausdruck bringen, dass beides zusammengehört. Es sind letztlich zwei Seiten einer Medaille, die aber in verschiedenen Körben aufzuheben sind. Mir ist es wichtig, dass dies hier zum Ausdruck gebracht wird. Noch etwas, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Wenn wir uns heute die europäische Landschaft anschauen und sehen, in wie vielen Ländern Konsolidierungsbemühungen an der Tagesordnung sind, dann können wir, wie ich finde, sagen, dass wir viel geleistet haben. Es ist deutlich: Die Konsolidierungsmentalität hat in den europäischen Ländern Fuß gefasst, mehr als es noch vor zwei Jahren der Fall war. Das Bewusstsein für solide öffentliche Haushalte und für notwendige Strukturreformen ist gestiegen, und nicht zuletzt deshalb, weil die deutsche Bundesregierung immer der Motor dieser Bewegung war. Ich möchte mir nicht ausmalen, was geschehen wäre, wenn wir in diesen schwierigen Zeiten eine andere Bundesregierung gehabt hätten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Unsere zentralen Forderungen sind bei dieser Beschlussvorlage erfüllt, nämlich: keine Leistung ohne Gegenleistung, Solidarität ist keine Einbahnstraße, keine Vergemeinschaftung von Schulden und Risiken, sondern Verantwortung des Staates und Haftung des Staates Spanien. Deshalb empfehle ich Ihnen die Zustimmung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Diether Dehm, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kauder, wenn Sie ein ums andere Mal bestreiten, dass es sich hier um eine Bankschuldenkrise handelt, und von einer Staatsschuldenkrise reden, dann sprechen Sie sich mit Herrn Schäuble besser ab. Er hat gestern eindrücklich im Haushaltsausschuss - natürlich nach Befragung der Kollegen Bartsch und Bockhahn - gesagt, dass es sich um eine Bankschuldenkrise handelt. Sie kommen mit dem nicht mehr so taufrischen Argument der DDR immer dann, wenn Sie nicht mehr weiter wissen. Wenn Sie Selbstkritik üben wollen, dann sagen Sie: Jawohl, der Mappus ist am Gängelband von Morgan Stanley durch die Arena geführt worden. Wenn Sie Selbstkritik üben wollen, dann sagen Sie: Wir waren auch immer ein bisschen zu nah bei Ackermann und der Deutschen Bank. Distanz zur Macht der Banken zu üben, das wäre für Sie ein Beitrag zur Selbstkritik. Das wäre produktiv und brächte nach vorne. (Beifall bei der LINKEN) Herr Trittin, eine kleine Korrektur: Es handelt sich hier nicht um Sparkassen; die deutschen Sparkassen sind ziemlich einzigartig. Es sind Aktiengesellschaften, auch wenn es staatliche Anteile gibt. Bankia ist mit einer deutschen Sparkasse nicht zu vergleichen. Das lesen Sie am besten noch einmal nach. Herr Brüderle, Sie fordern schonungslose Wahrheit ein. Statt die Spekulanten bei der Rückzahlung gewährter Darlehen heranzuziehen, lassen Sie immer nur Bevölkerungen bluten. In Spanien wird die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhöht und die Arbeitslosenunterstützung um 10 Prozentpunkte gekürzt. Von einer Steuer für Superreiche ist wieder einmal keine Rede. Das ist die schonungslose Wahrheit. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage Ihnen: Ihre Spekulantenpflege macht Europa nicht mehr lange mit. Der große Komponist Mikis Theodorakis, den Sie gelegentlich sicherlich hören - ihn hören sogar diejenigen, die am deutschen Wesen Europa genesen lassen wollen -, dieser Mikis Theodorakis hat Gregor Gysi, Pierre -Laurent, Alexis Tsipras und mir gesagt: Macht es nicht wie die SPD, die sich in urlanger Tradition als Opposition kostümiert, aber immer wieder in Richtung Deutsche Bank zwinkert. - Als ich Sie, Herr Steinmeier, vorhin gehört habe, habe ich gedacht, Sie begründeten, warum Sie mit Nein stimmen. Es ist doch keine Absage an die Parteitaktik und kein Opfer für das Gemeinwohl, wenn man die Schwächsten der Schwachen in Südeuropa opfert. Was Sie uns als vorbildlich darstellen, ist doch kein Opfer. Ich kann Ihnen nur sagen: Die alleinerziehende Mutter, die ihr Kind beim SOS-Kinderdorf abgibt, steht uns näher als diejenigen, für die Sie heute die Bankenhilfe beschließen. (Beifall bei der LINKEN) Wir klagen dagegen. Wir streiten dagegen. Die deutsche Linke, die Izquierda Unida und die griechische Linke haben gemeinsam beschlossen: Wir stehen bei den Demonstrierenden. Das tun wir auch, weil Ihre Schuldenbremse verhindert, dass die deutschen Arbeiter und Handwerker Mittel, Aufträge und Kredite bekommen. Ihre Schuldenbremse trifft die Kranken, weil die Gesundheitsvorsorge jetzt in ganz Europa privatisiert wird. Übrigens: Berauben heißt auf Lateinisch privare. Ihre Politik ist - wenn Sie heute mit Ja stimmen -: Schuldenbremse gegen Arbeitsplätze und Ausbildung, Milliardengeschenke für Finanzspekulanten. Deswegen haben schon am 29. Juni einzelne Abgeordnete der anderen Fraktionen dagegengestimmt. Die Linke ist die einzige Fraktion, die geschlossen dagegen stimmt. Wir stehen bei den Menschen, die gegen die Wall Street demonstrieren. Wir tun dies auch aus Respekt vor der großen europäischen Kultur, für die der Name Mikis Theodorakis steht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege! Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Wenn die Indignados mit ihrer Klage, die gestern vom spanischen Nationalgerichtshof angenommen worden ist, erfolgreich sind, dann ist ohnehin ein Großteil dessen, was sie hier beschließen, obsolet. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege! Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Wir klagen für den Sozialstaat in Deutschland und in Europa. Das ist unsere Maßgabe. Daran könnte sich auch die Sozialdemokratie orientieren. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nun erhält für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Priska Hinz das Wort. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit einer Mär muss die Bundesregierung heute tatsächlich aufräumen. Es sollte künftig keiner mehr sagen, dass es sich in Europa um eine Staatsschuldenkrise handelt. Tatsächlich beschließen wir heute ein bankenspezifisches Programm, nachdem wir in der EFSF diese Möglichkeit eingeführt haben, weil man einem Staat helfen muss, wenn die Banken überschuldet sind und er alleine die Restrukturierung nicht durchführen kann. Das hat nichts damit zu tun, dass ein Staat unverantwortlich gewirtschaftet hat; denn Spanien ist, was seine Staatsverschuldung angeht, besser als Deutschland. Deswegen sollten Sie die Mär von der hohen europäischen Staatsverschuldung schlicht und einfach vergessen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Womit Sie aber noch nicht aufgeräumt haben, Herr Finanzminister - das bedauern wir Grüne sehr -, ist der Teufelskreis von Staatsschuldenkrise und Bankenkrise. Das ist nicht möglich, weil es noch keine europäische Bankenaufsicht und keinen europäischen Bankenrestrukturierungsfonds gibt. Daran sieht man, dass Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Wir Grüne fordern dies seit Monaten ein. Wenn Sie sich vor einem Jahr an diese Aufgaben gemacht hätten, dann wären wir heute vielleicht so weit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie müssten dann keine Nebelkerzen werfen, wie Sie es heute tun, und hinterher den Raum langsam lüften. Sie sagen, es gebe nur die Spanienhilfe mit direkter Haftung durch den Staat. Meine Güte, wir haben überhaupt keine Alternative, weil anderes gesetzlich und vertraglich derzeit gar nicht geht. Also reden Sie auch nicht über etwas anderes. Herr Seehofer, der den bayerischen Abgeordneten im Bundestag empfohlen hat, unter der Maßgabe zuzustimmen, dass es keine direkte Rekapitalisierung gibt, hat das anscheinend auch nicht verstanden oder die Verträge, denen er im Bundesrat zugestimmt hat, nicht gelesen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir könnten aber effektiver und kostengünstiger vorgehen, wenn es diese Möglichkeit gäbe. Es wäre auch besser für die Staatsschulden in Spanien, die um 10 Prozent hochschnellen werden, wenn wir diese indirekte Hilfe geben müssen. Trotzdem halten wir sie für richtig, weil der spanische Staat die Restrukturierung nicht alleine finanzieren kann, weil in dem Programm die Abwicklung von Banken aufgeführt ist, worauf wir Grüne sehr großen Wert legen, und weil auch andere Konditionierungen vorgesehen sind. Wir sehen aber ein Problem in der Tatsache - das sage ich hier ganz deutlich für meine Fraktion -, dass die Gläubigerbeteiligung noch nicht so ausformuliert ist, dass wir sagen können: Wir können diesem Programm reinen Gewissens zustimmen, ohne das mit zu begleiten und zu kontrollieren. - Deswegen gab es in unserer Fraktion eine Diskussion darüber, ob man tatsächlich 100 Milliarden Euro genehmigen kann oder ob man das Programm nicht aufspalten und die zweite Tranche im Bundestag zur Abstimmung stellen muss, wenn der Stresstest bei den spanischen Banken gelaufen ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Auf unsere grüne Initiative hin wurde im Haushaltsausschuss ausdrücklich klargemacht: Wir nehmen uns das Recht heraus, die Informationen über den Stresstest, die Einordung der Banken, zu bekommen, und wir behalten uns das Recht vor, entsprechende Entscheidungen zu treffen, dass Programme umformuliert werden oder Tranchen nicht ausgezahlt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Sie sollten damit rechnen, dass wir nicht alles mitmachen, wenn Banken nicht abgewickelt werden oder Gläubiger nicht ordentlich beteiligt werden. Da stehen wir im Wort, auch gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, für die wir heute diese Entscheidung mit treffen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin! Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, ich komme zum Schluss. In diesem Wissen und vor diesem Hintergrund können wir heute zustimmen. Ich sage Ihnen: Wir werden Sie kritisch begleiten und werden darauf pochen, dass Sie unsere Beschlüsse entsprechend umsetzen. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Dr. Rainer Stinner für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Rainer Stinner (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist das, was wir heute hier tun und entscheiden, nicht alternativlos. Natürlich gibt es Entscheidungsspielraum. Natürlich kann jeder entscheiden, ob er dem ESM zustimmt und damit ermöglicht, dass wir gemeinsam in Europa die Finanzmärkte und die Länder stabilisieren, oder ob er dagegen ist. Natürlich kann heute jeder die Alternative wahrnehmen, zu sagen: Nein, ich helfe Spanien nicht. - Aber jeder von uns muss selber Rechenschaft über seine Entscheidung oder auch über seine Nichtentscheidung ablegen. Ich möchte meine Entscheidung, heute zuzustimmen, mit einigen außenpolitischen Argumenten unterfüttern. Wir gehen in Europa von der Narration aus: Europa heißt Frieden, Freiheit, Wohlstand. - Da heißt es heute bei vielen, das sei aber langweilig und abgearbeitet und gebe uns nichts mehr. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich warne davor, das so leichtfertig zu sagen. Denn natürlich ist es kein Naturgesetz, dass wir in Europa so friedlich zusammenleben, wie wir es jetzt tun. Heute vor 142 Jahren, am 19. Juli 1870, hat der Deutsch-Französische Krieg begonnen. Zwischen 1870 und 1950 haben in Europa 58 Kriege stattgefunden. Es ist eben kein Naturgesetz, dass das nicht mehr vorkommt, sondern das ist Folge kluger Politik von Politikerinnen und Politikern in vielen europäischen Ländern. Diese europäische Vielfalt, diese europäische Einheit wollen wir erhalten, und dafür müssen wir etwas tun. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es geht heute - das wissen wir alle; das müssen wir bedenken - eben nicht nur um Heller und Pfennig, sondern es geht darum, dass wir gemeinsam das europäische Projekt von Frieden, Einheit und Freiheit erhalten. Dafür müssen wir kämpfen, und dafür wollen wir kämpfen. Es gibt aber eine neue europäische Narration, verbunden mit der Fragestellung: Wie wird die Welt in 50 Jahren aussehen? - Wir sind der Meinung, dass in 50 Jahren kein einziges europäisches Land allein, auch nicht Deutschland, am Tisch der Entscheider sitzen wird; da werden andere sitzen. Wir wollen nicht Objekt der Entscheidungen anderer werden, sondern als Europäer weiterhin Subjekt der Weltpolitik bleiben. Deshalb kämpfen wir so nachhaltig für Europa. Nun sagen einige Gegner, der Preis dafür sei ihnen zu hoch. Ich sage: Erstens sind wir nicht die Einzigen in Europa, die zahlen. Zweitens: Jawohl, Europa kostet etwas, aber Europa bringt uns auch eine ganze Menge. Wir Deutsche tragen erhebliche Verantwortung, und die wollen wir wahrnehmen. Wir nehmen die Verantwortung nicht nur wahr, indem wir hier heute Abstimmungen zum Thema Spanienhilfe durchführen; wir nehmen sie auch im Rahmen der Initiative wahr, die das Außenministerium gestartet hat, in deren Rahmen der deutsche Außenminister andere Minister eingeladen hat, um gemeinsam über die Zukunft nachzudenken, über Heller und Pfennig hinaus. Das ist eine wichtige Initiative, die meine Fraktion ausdrücklich unterstützt. (Beifall bei der FDP) Meine Damen und Herren, wir müssen - das wissen wir alle - aus der hektischen Nacharbeit infolge von Problemsituationen herauskommen. Wir müssen gemeinsam den Weg voran definieren. Aber das nützt uns alles nichts, wenn es uns nicht gelingt, wesentliche europäische Partner zu stabilisieren, und dazu dient der heutige Beschluss. Das bedeutet übrigens kein Draufsatteln. Wir vollziehen heute einen Teil des Beschlusses, den wir vor zwei Jahren mit großer Mehrheit gefasst haben, nämlich die EFSF einzurichten, genau für den Fall, der uns heute begegnet. Deshalb wird meine Fraktion mit ganz großer Mehrheit dem heute vorliegenden Antrag der Bundesregierung zustimmen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Lothar Binding ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Frank-Walter Steinmeier vorhin gesagt hat, dass die Opposition dieses Thema schon über längere Zeit nicht parteipolitisch missbraucht, hat die Kanzlerin dagesessen und breit, selbstzufrieden, selbstgerecht gegrinst. Ich muss sagen: Das hat mich ungeheuer gestört. (Beifall bei der SPD - Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sie kann eben nicht anders!) Ich fand, dass die von mir getragene Verantwortung in dieser Debatte missachtet wurde, und ich glaube, dass das keine gute Haltung ist. Als Herr Brüderle seine Leerformeln formuliert hat, hat mich erschrocken, dass die FDP und die CDU/CSU applaudiert haben. Herr Brüderle hat uns gesagt, dass die spanischen Banken eine Bad Bank gründen wollen, eine AMC - Asset Management Company -, hat uns aber nicht erklärt, was das eigentlich an Haftungsrisiken für Deutschland und Europa bedeutet; denn Bad Banks gründet man ja nur, wenn man kurz- und langfristig nicht genug Kapital hat. Er hat uns auch nicht erklärt, wie hoch die Anfangsabschreibung - ein essenzieller Begriff für die ökonomische Lage - bei diesem Aktivtausch ist. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Dann machen Sie das doch jetzt!) Ich muss sagen: Das hat mich enttäuscht. Ich möchte mich bei denen bedanken, die in der letzten Woche wahnsinnig viel gearbeitet haben: bei den Mitarbeitern im BMF, im Finanzministerium. Sie mussten eine ungeheure Fülle von Material, von komplexen Zusammenhängen für uns aufarbeiten. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Dafür gebührt ihnen Dank!) Ohne ihre Hilfe wären wir überhaupt nicht in der Lage, heute etwas zu entscheiden. (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Man muss es einmal sagen: Das ist eine große Leistung. Das deutet aber auch an, unter welchem Druck wir im Moment arbeiten müssen, in welchen Zeiträumen und mit welchen komplexen Zusammenhängen. Ich würde die Linke gern einmal fragen, ob sie ernsthaft glaubt, dass die ledige Mutter und der Kleinsparer in Spanien dagegen sind, dass Deutschland Spanien hilft. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nein, aber gegen die Bankenhilfe!) Meine Freunde in Spanien freuen sich, dass wir ihnen helfen, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP) und wir helfen ihnen dann sehr fair, nämlich nur mit einem Kredit. Das ist eine ganz wichtige Sache. Herr Kauder hat die Reduktion auf die Spitze getrieben. Er hat nämlich gesagt: Wir haben eine Staatsschuldenkrise. - Wir haben aber nicht nur eine Staatsschuldenkrise, sondern eine Staatsschuldenkrise eingebettet in eine Bankenkrise, eine Liquiditätskrise, eine Insolvenzkrise, eine Marktversagenskrise, eine Verhaltenskrise und eine Regulierungsdefizitkrise. Wenn Sie all das berücksichtigen, dann wissen Sie, dass die Kanzlerin ein Problem hat, nämlich das Problem, unterkomplexe Lösungen anzustreben; das hätte sie sich in der Physik niemals erlauben dürfen. Sie ist immer punktuell tätig; aber jeder weiß: Drei, vier oder sieben Punkte ergeben noch keine Linie. Die Kanzlerin ist immer zu wankelmütig, immer zu spät, tut immer zu wenig, ist immer folgen- und anlassgetrieben (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) und kümmert sich ganz selten um Hintergründe und Ursachen - und das ist ein Problem. Sonst hätten wir heute das Schattenbankensystem ins Licht gezogen; sonst hätten wir den Bankenrestrukturierungsfonds, hätten das Trennbankensystem viel weiter vorangetrieben, hätten marktwirtschaftliche Prinzipien im Bankenwesen, auf dem Finanzplatz. Wir hätten den Selbstbehalt. Wir hätten den OTC-Handel inzwischen verboten, den Hochfrequenzhandel ganz anders im Blick. Vielleicht müsste man - das wurde in unserer Fraktion zu Ende gedacht - so weit gehen, dass derjenige, der vom Staat Geld will, in einer ganz besonderen Weise auf Eigentumsansprüche verzichten muss. Das halte ich für eine sehr gute Idee. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir hätten inzwischen Spekulationen zurückgeführt und Investitionen ausgebaut. Ich will einmal an Deutschland erinnern. Wir rühmen uns manchmal - einige auf der rechten Seite ruhen sich ziemlich darauf aus -, unsere Krise ganz gut überwunden zu haben. Wodurch? Durch Konjunkturprogramme und Kurzarbeitergeld. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege! Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Das war Geldausgeben zum Besten. - Insofern ist es gut, was wir heute tun. Die Opposition übernimmt Verantwortung, wo die Regierung dies zum großen Teil zu wünschen übrig lässt. Ich bedanke mich vielmals für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Norbert Barthle ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Norbert Barthle (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stimmen heute über ein sektorspezifisches Nothilfeprogramm zur Rekapitalisierung spanischer Banken ab. Ich halte dieses Programm für richtig und für wichtig. Was ich nicht für richtig und wichtig halte, ist eine Auseinandersetzung darüber, ob es sich nun um eine Bankenkrise oder um eine Staatsschuldenkrise handelt. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist sehr interessant!) Denn in Europa geht es insgesamt um Folgendes: Erstens. Wir müssen die Haushalte konsolidieren, also die Staatsschuldenkrise bekämpfen. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Die Spanier hatten ihren Haushalt konsolidiert!) Zweitens: Wir müssen die Finanzmärkte stabilisieren, damit sie gegen weitere Erschütterungen resistent sind. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: -Regulieren!) Drittens. Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit in ganz Europa stärken, um wieder ungehindert Zugang zu den Kapitalmärkten zu haben und Vertrauen zurückzugewinnen. Diese drei Aufgaben gehören zusammen. Man kann sie nicht voneinander trennen, und wir trennen sie auch nicht voneinander. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Dass Spanien im Kern kein Staatsschuldenproblem hat, das wissen wir. Die spanische Staatsschuldenquote liegt mit rund 80 Prozent genau im europäischen Durchschnitt. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Die waren bei 36 Prozent in 2007!) Insofern geht es bei Spanien auch nicht darum, ein Vollprogramm zu erstellen. Spanien macht schon sehr viel zur Verbesserung seiner Situation. Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes wurde schon angesprochen. Die Lohnfindung soll flexibilisiert werden. Das Renten--eintrittsalter wurde heraufgesetzt. Ein Nachhaltigkeitsfaktor, der dem unseren ähnlich ist, wurde eingeführt. Eine Schuldenbremse wurde in die Verfassung auf--genommen. Verstärkte Kontroll- und Sanktionsmechanismen gegenüber den autonomen Regionen werden eingeführt. Eine umfassende Reform des Bankensektors ist im MoU vereinbart. Da geschieht also sehr viel. (Beifall des Abg. Otto Fricke [FDP]) Insofern ist es richtig, für Spanien kein komplettes Hilfsprogramm, sondern ein passgenaues, ein maßgeschneidertes zu machen. An dieser Stelle darf ich darauf verweisen, dass wir erst im vergangenen Jahr mit dem neuen Instrumentenkasten für die EFSF genau diese Möglichkeit geschaffen haben, ein solches maßgeschneidertes Programm aufzulegen. Insofern ist die Politik, die wir betreiben, gradlinig und zielgerichtet. Ich entdecke keine roten Linien, sondern eine klare Orientierung, in welche Richtung wir gehen und was wir nicht machen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich darf daran erinnern, dass Spanien, obwohl es kein Programmland ist - es handelt sich um ein sektorales Programm -, dennoch Auflagen zum weiteren Abbau seiner Defizite im Rahmen des Defizitverfahrens bekommt. Es bekommt Auflagen zu weiteren Reformen auf dem Arbeitsmarkt, (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Keine -Vermögensteuer!) zur Förderung von Beschäftigung und zur Förderung von Aus- und Fortbildung. All das gehört zu diesem Programm. Lassen Sie mich als Zweites daran erinnern, dass es keine direkte Bankenhilfe gibt. Auch darauf hat der Bundesfinanzminister in seiner Regierungserklärung nochmals hingewiesen. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist Technik!) Der Beschluss des Europäischen Rates vom 29. Juni 2012 ist an dieser Stelle eindeutig. Erst dann, wenn eine schlagkräftige Bankenaufsicht in Europa eingeführt ist, die funktionsfähig ist - Bankenexperten sagen mir, das dauert mindestens ein bis zwei Jahre -, könnte der -Gouverneursrat über ein solches Instrument abstimmen. Zuvor braucht er aber einen Beschluss des Deutschen Bundestages. Ich bin mir nicht sicher, ob wir für einen solchen Beschluss tatsächlich eine Mehrheit im Deutschen Bundestag bekämen. Denn wir sind immer dafür, dass die Haftung beim Staat bleibt und dass Verschuldung und Haftung zueinander gehören. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Lassen Sie mich als Drittes darauf verweisen, dass wir mit dem Maßgabebeschluss - die Kollegin Priska Hinz hat ihn bereits angesprochen - gestern Abend im Haushaltsausschuss nochmals bestärkt haben, was ohnehin Gesetzeslage ist. Wir wollen in die weitere Abwicklung der jeweiligen Tranchen eingebunden sein. Wir wollen Möglichkeiten haben, einzugreifen. Diese haben wir. Auch das, glaube ich, ist eine wichtige Botschaft an die Menschen draußen. Es gibt keinen Freibrief und keinen Blankoscheck, sondern wir begleiten die weiteren Maßnahmen Schritt für Schritt. Das fügt sich in unsere Linie ein, die wir auch an dieser Stelle konsequent durchhalten - ich habe es schon angesprochen -: Für uns müssen Haftung und Verantwortung immer eine Einheit bilden. Wir wollen keine Vergemeinschaftung von Schulden. An dieser Stelle darf ich darauf hinweisen - es ist für die Menschen draußen, glaube ich, wichtig, dies zu wissen -, dass die SPD-Fraktion gestern Abend im Haushaltsausschuss noch versucht hat, ihre Zustimmung an das Zugeständnis, -einen Schuldentilgungsfonds einzurichten, zu knüpfen. Zuerst waren es die Euro-Bonds, jetzt ist es der Schuldentilgungsfonds. Alles geht in dieselbe Richtung, nämlich Vergemeinschaftung von Schulden. Das machen wir nicht mit. Das ist unsere klare Ausrichtung und Linie. Dabei bleiben wir. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Das hat nicht nur etwas mit der nationalen Rechtsetzung und mit europäischem Recht, dem AEUV, zu tun, sondern das hat auch etwas mit unserer ordnungspolitischen Orientierung zu tun. Wir helfen, wenn es brennt, wir bieten Unterstützung an, aber immer konditioniert und immer so, dass das Risiko überschaubar bleibt. Im Falle der Nothilfemaßnahmen für Spanien gehe ich davon aus, dass das Risiko sehr überschaubar ist. Die Ausfallswahrscheinlichkeit ist äußerst gering. Zur Erinnerung: Wir übernehmen Bürgschaften für Kredite, die über die EFSF an Spanien vergeben werden, für die Spanien wieder garantiert. Erst dann, wenn diese Kredite nicht mehr bedient werden könnten, also wenn Spanien nicht mehr zahlen könnte, würde unsere Bürgschaft gezogen werden. Dieser Fall ist meines Erachtens relativ stark ausgeschlossen. Deshalb bitte ich um die Zustimmung für dieses Programm, das uns allen nützen wird. Deshalb bitte ich um Zustimmung für dieses Nothilfeprogramm, das nicht nur im spanischen, sondern vor allem auch in unserem Inte-resse ist. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Manfred Kolbe. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Manfred Kolbe (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als jemand, der diesem heutigen Antrag nicht zustimmen kann, bedanke ich mich zunächst ganz herzlich für die Einräumung der Redezeit. Ich möchte mit einem Zitat aus der Financial Times Deutschland von vor zwei Tagen beginnen: Ausgerechnet das kapitalistischste aller Gewerbe, das Bankwesen, entzieht sich den Regeln und Kräften der Marktwirtschaft: Banken, die in ihrem Wirtschaften versagt haben, zu viele Kredite vergeben und zu wenig Sicherheiten genommen haben, zu wenig Eigenkapital vorhielten und sich zu sehr auf Finanzierung über die Märkte und nicht Einlagen verließen, werden vom Staat gerettet, statt aus dem Markt zu gehen. So weit die Financial Times Deutschland. Ich glaube, dem ist wenig hinzuzufügen. Es geht nicht, dass der europäische Steuerzahler die Rechnung für die spanischen Banken bekommt und Eigentümer, Gläubiger und Management weitgehend ungeschoren bleiben. Schauen wir uns einmal die Beteiligung dieser Gruppen an. Bei den Anteilseignern vermag ich keine besonderen Opfer zu erkennen. Vorrangige Anleihegläubiger sollen nach dem Willen der europäischen Finanzminister geschont werden, obwohl EZB-Präsident -Draghi in diesem Punkt ausdrücklich anderer Meinung war. Nachrangige Anleihegläubiger sollen zwar beteiligt werden, mittlerweile gibt es aber Gerichtsurteile in Spanien, die das wahrscheinlich verhindern werden. Große gesunde spanische Banken wie Santander erbringen -keinen speziellen Beitrag, obwohl das beim deutschen Rettungsfonds für deutsche Banken der Fall war. Als besonderer Erfolg wird dann die Gehaltsdeckelung beim Management verkauft. Bisher hat niemand Zahlen zu dieser berühmten Gehaltsdeckelung genannt. Ich nenne einmal die Zahlen: Sofern die Institute dem FROB mehrheitlich gehören, gibt es eine Obergrenze von 300 000 Euro Fixgehalt; sofern sie nur sonstige Staatshilfen beziehen, liegt die Obergrenze bei 600 000 Euro plus eventuell noch variable Bestandteile. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich kann das einem Handwerker in meinem Wahlkreis, der insolvent gegangen ist, weil vielleicht ein Großauftragnehmer nicht gezahlt hat, und dem jetzt die Zwangsversteigerung des Eigenheims droht, nicht erklären. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ich auch nicht! Aber ich stimme trotzdem zu!) Ich sage ganz ehrlich: Dem will ich das auch nicht erklären. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Wir haben heute viele Appelle zu Europa gehört. Ich glaube, wir alle sind fraktionsübergreifend überzeugte Europäer. In der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts gibt es keine vernünftige Alternative zu Europa. Ich sage das auch aus ganz persönlichen Gründen. Ich bin nach der Flucht meiner Eltern aus der DDR zweisprachig in Italien aufgewachsen. Es gibt in dieser Zeit und in diesem Jahrhundert keine Alternative zu Europa. Aber wir werden die europäische Schuldenkrise nicht mit immer neuen Rettungsschirmen, mit immer neuen Schulden lösen können. Das ist keine Lösung. Wie soll denn das in den nächsten Jahren weitergehen? Wollen wir das so fortsetzen und alle drei Monate neue Hilfen beschließen? Jetzt steht Zypern vor der Tür. Heute haben wir in den Zeitungen gelesen, dass die italienische -Region Sizilien möglicherweise in Insolvenz geht. Das ist nicht zu stemmen. Was machen wir denn, Herr Bundesfinanzminister, wenn auch die "AAA"-Länder an Bonität verlieren? Was machen wir, wenn Sie an den Anleihemärkten einmal 5 oder 6 Prozent Zinsen zahlen müssen, weil die Schuldentragfähigkeit Deutschlands in Zweifel gezogen wird? Dann hilft uns höchstens noch der liebe Gott. Auch als Christ möchte ich es aber nicht zu dieser Situation kommen lassen. Also: Im Interesse Europas müssen wir zu den ursprünglichen Verträgen und zur Eigenverantwortung zurückkehren. Eine Haftungs-, Transfer- und Schuldenunion würde Europa endgültig überfordern. So etwas gibt es nicht einmal im Bundesstaat USA. Das gibt es auch nicht im Verhältnis zwischen den bundesdeutschen Ländern. Das gibt es nicht einmal in einer Ehe; Mann und Frau haften nicht für die Schulden des anderen. In Europa aber soll dieses Prinzip eingeführt werden. Das ist der falsche Weg. Wir brauchen wieder mehr Eigenverantwortung in Europa. Vor diesem Hintergrund kann ich dem heute zur Abstimmung stehenden Bankenrettungspaket nicht zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Jürgen Hardt erhält nun das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Jürgen Hardt (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als sich im Frühjahr 2010 abzeichnete, dass einzelne Staaten der Euro-Zone Liquiditätsprobleme bekommen, gab es im Prinzip drei Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Die erste Möglichkeit wäre gewesen, den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen. Ich denke, wir alle sind davon überzeugt, dass dies ein hochriskanter und gefährlicher Weg gewesen wäre. Ich bin davon überzeugt, dies hätte dazu geführt, dass wir im Sinne eines Dominoeffekts einen Zusammenbruch der europäischen Wirtschaft im großen Stil erlebt hätten. Wir hätten die guten Wachstumszahlen der letzten Jahre und die niedrigen Arbeitslosenzahlen in den Wind schreiben können. Die zweite Alternative wäre gewesen, zu erklären: Alle haften für alles. - Das wäre nicht nur vertragswidrig gewesen, sondern hätte auch dazu geführt, dass alle Anstrengungen unterblieben wären, die notwendig sind, um die Ursache der Schuldenkrise zu beseitigen. Wir haben uns deshalb für einen dritten Weg entschieden. Der dritte Weg ist langwierig, kompliziert und schwer vermittelbar. Aber er bietet die Aussicht auf Erfolg. Diesen Weg beschreiten wir seit nunmehr fast 30 Monaten, und das in der Regel mit großer Zustimmung, auch aus den Reihen der Opposition. Unser Weg zur Euro-Rettung basiert, um es zu systematisieren, auf fünf Säulen: Das erste Element ist die Konsolidierung der Haushalte der Staaten der Euro-Zone bzw. der Europäischen Union, um zukünftige Krisen dieser Art zu vermeiden. Die Europäische Union unternimmt dazu enorme Anstrengungen, ebenso die einzelnen Mitgliedstaaten. Es gibt das Europäische Semester, in dessen Rahmen sehr sorgfältig dargelegt wird, was in den jeweiligen Staaten zu ändern ist, damit sich die Schuldensituation verbessert. Zweitens gibt es den nachhaltigen und wirksamen Mechanismus des Fiskalpakts, der Schuldenbremse. Wenn hier vor einem Jahr jemand gesagt hätte: "In 25 von 27 EU-Staaten wird es im Herbst des Jahres 2012 eine Schuldenbremse geben, und zwar analog zu der Regelung, die im Grundgesetz getroffen wurde", wäre er für verrückt erklärt worden. Es ist ein enormes Verdienst der Bundesregierung, von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, aber, wie ich finde, auch ein großes Verdienst dieses Hauses, dass mit breiter Mehrheit eine Politik unterstützt wurde, die dieses Verhandlungsergebnis beim Fiskalpakt möglich gemacht hat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Das dritte Element ist die Bändigung der Finanzmärkte. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ach, ach, ach! Wovon träumen Sie nachts?) Ich würde mir wünschen, wir wären schon weiter vorangekommen. Aber auch hier sind wir uns einig, dass es wichtige Instrumente gibt, die nun eingesetzt werden müssen. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ach ja?) So haben wir zum Beispiel ungedeckte Leerverkäufe in Deutschland verboten. Wir werben dafür, dass dies europaweit geschieht. Wir sind außerdem bereit, eine Finanztransaktionsteuer zur Dämpfung der Spekulation einzuführen. Das muss man allerdings so machen, dass man dadurch nicht die Wettbewerbsfähigkeit in unzulässiger Weise einschränkt. Auch hier sind wir auf dem richtigen Weg. Das vierte entscheidende Handlungsfeld in diesem Bereich ist die Stimulierung von Wachstum. Wir haben die neue Finanzierungsperiode 2014 bis 2020 der Europäischen Union vor der Brust, die wir spätestens im Jahr 2013 ausverhandeln werden. Wir müssen darauf achten, dass wir die Instrumente der Europäischen Union besser auf die Stimulierung von Wachstum ausrichten, als es bisher der Fall ist. Fünftens spielt das eine Rolle, was wir heute beschließen: dass wir Staaten, die in Not sind, solidarisch und entschlossen helfen. Wir haben für Spanien ein Programm aufgelegt, mit dem wir das Problem Spaniens an der Wurzel packen. In Spanien war, was die Haushaltskonsolidierung angeht, eine ganz gute Entwicklung zu verzeichnen. Auch was die Staatsschulden angeht, sieht die Situation in Spanien relativ vernünftig aus. Aber über Spanien schwebt das Damoklesschwert der Bankenkonsolidierung. Mit dem Programm, das wir heute beschließen, nehmen wir an genau dieser Stelle Druck von den Schultern der spanischen Haushaltspolitiker, sodass sie in der Lage sind, diesen Weg ohne die drohende enorme finanzielle Belastung für den spanischen Haushalt mit unserer Hilfe zu gehen. Insofern ist dieses Programm ein maßgeschneidertes und kluges Programm. Ich glaube, es wird erfolgreich sein. Wenn man mit Abgeordneten aus Südeuropa spricht, wird einem klar, welch großer Segen es für unser Land gewesen ist, dass wir in Deutschland in den letzten zwölf Jahren Reformen durchgeführt haben, die zum Beispiel in Italien und Spanien jetzt in nur zwölf Monaten umgesetzt werden müssen. Das Schöne ist - das empfinde ich wirklich so -, dass vier von fünf Parteien in diesem Hause in unterschiedlichsten Konstellationen an Regierungen beteiligt waren, die sich für diese Reformen eingesetzt und sich um sie verdient gemacht haben. Dass Deutschland heute so dasteht, wie es dasteht, ist auch der Tatsache geschuldet, dass wir uns in unserem Lande in wesentlichen Fragen einig sind. Ich finde, das sollten wir den Bürgerinnen und Bürgern mutig sagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wenn die Euro-Rettung fortgesetzt wird und sie so gelingt, wie wir es uns vorstellen, dann werden die Fragen der Globalisierung - welcher Wirtschaftsraum wird im 21. Jahrhundert der wichtigste sein, welche Währung wird im 21. Jahrhundert die Leitwährung der Welt sein? - in unserem Sinne beantwortet werden. Ich möchte, dass unsere Kinder und Enkel ihre Rohstoffe und Energie nicht mit chinesischen Renminbi, mit indischen Rupien oder mit russischem Rubel bezahlen müssen, sondern dass sie in Euro bezahlen können. Insofern verdient das Projekt der Rettung des Euros und der Stabilisierung Europas jede Anstrengung. In diesem Sinne war es richtig und vernünftig, dieser Tage in Berlin zusammenzukommen und heute eine Entscheidung zu treffen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frank Schäffler erhält nun als Nächster das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Frank Schäffler (FDP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage ist, ob das, was wir heute beschließen, gerecht ist. (Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist überhaupt nicht die Frage!) Gerecht wäre es, wenn wir in Europa allgemeine und gleiche Regelungen für alle Staaten schaffen würden. Aber machen wir das? (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja!) Nein, wir machen es nicht, sondern wir treffen unterschiedliche Regelungen für unterschiedliche Länder in Europa. Für Irland gelten andere Regelungen als die, die jetzt für Spanien getroffen werden sollen, (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das sind maßgeschneiderte Regelungen!) für Portugal gelten andere Regelungen als die, die jetzt für Spanien getroffen werden sollen, und auch für Griechenland gelten andere Regelungen als die, die jetzt für Spanien getroffen werden sollen. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Viel schlimmere!) Alle genannten Staaten haben im Vergleich zu dem, was wir jetzt Spanien aufs Auge drücken wollen, viel härtere Maßnahmen zu erleiden. Den Großen in Europa bringt man Geldkoffer, und in diejenigen Staaten in Europa, die klein sind, kommt der Sparkommissar. Das hat nichts mit Gerechtigkeit oder europäischer Einigung zu tun. Das hat auch nichts damit zu tun, dass wir die Verursacher der Krise tatsächlich an die Kandare nehmen. (Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) Nein, das findet nicht statt. Vielmehr lassen wir die Eigentümer der Banken in Spanien weitestgehend außen vor. Was haben wir in Deutschland bei der HRE gemacht? Die privaten Banken in Deutschland mussten 8,5 Milliarden Euro auf den Tisch legen, weil sie von -einer Insolvenz der HRE mittelbar betroffen gewesen wären. In Spanien hat so etwas nicht stattgefunden. In Spanien gibt es auch keine Bankenabgabe. Also: Wo ist die Gerechtigkeit, die viele einfordern? Sie ist nicht vorhanden. Die nächsten Schritte, die jetzt folgen werden, bestehen darin, dass wir den Boden für eine direkte Kapitalisierung des Bankensystems in Spanien bereiten. Das ist der Weg, der hier faktisch vorbereitet wird. Es gibt nämlich einen Verweis auf die Gipfelerklärung der Staats- und Regierungschefs vom 29. Juni dieses Jahres, in dem es ausdrücklich heißt, dass nach der Einführung einer europäischen Bankenaufsicht die direkte Bankenrekapitalisierung vorbereitet wird. Ich frage mich: Gibt es das nicht schon? Wir haben doch schon die EBA. Sie müsste nur direkten Zugriff auf die nationalen Bankensysteme bekommen. Das ist relativ schnell gemacht. Das wird auch geschehen. Die Aufsicht wird nicht auf die systemrelevanten Banken beschränkt bleiben; denn am Ende geht es um das spanische Bankensystem. Dort sind die systemrelevanten Banken nicht betroffen, sondern es sind die kleinen Sparkassen betroffen. Das heißt, man wird die systemrelevanten Banken mit den nicht systemrelevanten Banken zusammen beaufsichtigen. Was heißt das? Das heißt am Ende, dass die Einlagensicherung in Deutschland dran glauben muss. Wir haften am Ende mit dem Sparvermögen Deutschlands für die Einlagen und die Schieflagen von Banken in Südeuropa, und das darf nicht zugelassen werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der spanische Bankenmarkt ist geprägt durch eine Immobilienblase, die dazu geführt hat, dass 1,5 Millionen Wohnimmobilien nicht gebraucht werden. Hier steht eine Korrektur bevor. Die Frage ist, wer diese Korrektur bezahlt. Bezahlt das der europäische Steuerzahler, oder bezahlen das die Eigentümer dieser Banken? Ich bin der Auffassung, was nicht systemrelevant ist, das muss von den Eigentümern getragen werden. Das darf in Europa nicht sozialisiert werden, weil es am Ende dazu führt, dass wir die marktwirtschaftliche Ordnung außer Kraft setzen und pervertieren. Das ist das Gegenteil dessen, was man machen muss. Es gibt keine Möglichkeit, den finalen Zusammenbruch eines Booms zu verhindern, der durch Kredit-expansion erzeugt wurde. Das ist genau das, was in Südeuropa stattgefunden hat. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Bartholomäus Kalb für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute wieder eine weitreichende, eine sehr ernsthafte Entscheidung im Interesse der Stabilität unserer Währung zu treffen. Ich gehe davon aus, dass die Finanzmärkte nicht nur die Entwicklung in Spanien beobachten, sondern auch beobachten, wie wir mit dieser Frage umgehen. Es wird auch an uns die Frage gestellt, wie das deutsche Parlament mit der Frage des Euro umgeht, wie ernsthaft wir in Deutschland für die eigene Währung eintreten. Wenn es denn Zweifel an unserer Haltung zur Währung gäbe, dann bräuchten wir uns nicht zu wundern, wenn auch die Finanzmärkte Zweifel daran hätten. Wir müssen anerkennen, dass Spanien große Anstrengungen unternimmt. Der Bundesfinanzminister hat vorhin breit dargestellt, was Spanien unternimmt, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen. Sie führen schwierige strukturelle Reformen durch, und sie sind dabei, das übermäßige Defizit in großen Schritten wieder abzubauen. (Unruhe) Präsident Dr. Norbert Lammert: Einen Augenblick, bitte! - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, zumindest in den Gängen keine Gespräche zu führen. Es ist schon, glaube ich, ein Gebot des Respekts gegenüber dem jeweiligen Redner, jedenfalls nicht demonstrativ bis unmittelbar vor dem Rednerpult Gespräche zu führen. Wir haben bald das Ende dieser Debatte erreicht. Ein Augenblick Disziplin bitte noch. Bitte, Kollege Kalb. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Herr Präsident, ich halte meinen Beitrag auch im Schnelldurchgang. Ich wollte sagen, dass Spanien sich in Europa, in der Europäischen Union, in der Euro-Zone immer als verlässlicher Partner erwiesen hat. Wir sollten auch nicht, wie der Herr Fraktionsvorsitzende Steinmeier es getan hat, versuchen, hier Unsicherheit zu schüren, Verwirrung zu stiften. Die Frage der Bankenunion, die Frage der direkten Bankenstabilisierung steht heute nicht zur Debatte. Das, was wir heute entscheiden, entscheiden wir auf der Grundlage des geltenden Regelwerks der EFSF, wie es nach unserem Parlamentsbeteiligungsrecht, nach unserem StabMechG, durchzuführen ist, und nach keinen anderen Regeln. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß sehr wohl, dass die Südstaaten schnell eine Bankenunion wollen. Darüber müssen wir bei anderer Gelegenheit - ich vermute, sehr oft und sehr tiefgehend - diskutieren. Ich bin da auch sehr skeptisch, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass man die Situation von Banken in einem Land losgelöst von den dort herrschenden politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sonstigen Verhältnissen betrachten kann. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Menschen in unserem Lande erwarten nicht mehr und nicht weniger von uns, als dass wir für die Stabilität unserer Währung sorgen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wir haben keine andere Währung als den Euro. Deswegen ist es wichtig, dass wir für diese Währung und die Stabilität dieser Währung eintreten. Mit der heutigen Entscheidung - davon bin ich felsenfest überzeugt - leisten wir einen guten Beitrag dazu, den Euro zu stabilisieren, unsere Währung zu sichern, auch im Interesse der Sicherheit und des Wohlstands unserer Bürger. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Mir liegen zahlreiche schriftliche Erklärungen zur Abstimmung von verschiedenen Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Fraktionen vor, die wir zu Protokoll nehmen.1 Eine mündliche Erklärung zur Abstimmung möchte der Kollege Ströbele abgeben. Den rufe ich jetzt auf. Anschließend führen wir die namentliche Abstimmung durch. Ich bitte noch um einen Augenblick Geduld. Nehmen Sie bitte noch einen kleinen Augenblick Platz. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Danke, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu meinem Abstimmungsverhalten gebe ich folgende Erklärung ab: Vor vier Jahren ist mir gesagt worden, dass ich einem großen Finanzpaket zustimmen soll, weil die Bank zu groß ist, um pleite zu gehen, "too big to fail". Heute soll ich einer Bankenrettung zustimmen, bei der es um Banken geht, die nicht zu groß sind, sondern da handelt es sich - das ist heute auch erwähnt worden - um kleinere Banken. Vor zwei Jahren ist mir gesagt worden, dass ich einem großen Rettungspaket für Griechenland zustimmen soll, damit nicht eine Katastrophe eintritt und nicht möglicherweise auch Spanien oder Italien unter einen solchen Rettungsschirm, der sehr viel größer sein müsste, gebracht werden müssten. Heute sagt man mir, Spanien muss geholfen werden. Das heißt, dieser schlimme Zustand, den ich damals verhindern sollte, ist eingetreten. Irgendetwas ist faul an der Argumentation, mit der man immer wieder versucht, neue Milliardenbeträge locker zu machen und die Zustimmung hier im Parlament dazu zu bekommen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Trotzdem habe ich mir heute überlegt, ob ich mich bei diesem Paket nicht wenigstens der Stimme enthalten kann; denn auch ich will Spanien helfen. Aber der Bundesfinanzminister hat mich gemeinsam mit Herrn Fricke überzeugt, doch mit Nein zu stimmen, und zwar deshalb, weil sie hier ganz eindeutig erklärt haben, dass auch mit diesem Rettungspaket für die spanischen Banken wiederum ein Sparpaket verbunden ist, mit dem von Spanien unsoziales Sparen, wie man es schon von Griechenland verlangt hat, verlangt wird. Ohne die Durchführung solch unsozialer und gnadenloser Sparmaßnahmen soll Spanien nicht geholfen werden. Das treibt mich zu dem Nein. Meine entscheidenden Argumente für dieses Nein sind darüber hinaus: In den vielen Papieren, die wir gestern und vorgestern noch bekommen haben, steht nichts Konkretes dazu, wie das mit der Eigentümerhaftung, mit der Eigentümerbeteiligung eigentlich sein soll, wie das mit der Bankenabwicklung funktionieren soll. Wie viele Banken sollen es denn sein? Wie soll das denn gehen? (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Steht doch drin!) Vor zwei Jahren ist noch gesagt worden, man will europäische Regelungen dafür entwickeln, wie man Banken pleite gehen lassen kann, in die Insolvenz gehen lassen kann. Davon ist bis heute nichts zu sehen. Weil ich nicht will, dass Spanien auf die Art und Weise geholfen wird, dass den spanischen Banken 100 Milliarden Euro unter der Auflage zur Verfügung gestellt werden, dass die spanische Regierung gnadenlose unsoziale Sparmaßnahmen durchsetzt, stimme ich heute mit Nein. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Auch ich bin dafür, nicht nur den Banken zu helfen, sondern vor allen Dingen der Bevölkerung. Aber ich sage: So geht es nicht. Das ist der falsche Weg. Das hat sich spätestens bei Griechenland gezeigt. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Wir kommen nun unter dem Tagesordnungspunkt 1 a zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 17/10350 zu der Regierungserklärung. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Entschließungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt. Tagesordnungspunkt 1 b. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen auf den Drucksachen 17/10320 und 17/10321: Finanzhilfe zugunsten Spaniens; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages entsprechend unseren gesetzlichen Bestimmungen. (Unruhe) - Es wird Sie in Ihrem Abstimmungsverhalten vermutlich nicht mehr wirklich beeinflussen, dennoch bitte ich 30 Sekunden um Aufmerksamkeit für folgende Information: In den Ihnen vorliegenden Unterlagen auf der Drucksache 17/10320 findet sich auf der Seite 51, wo es um das übersandte Memorandum of Understanding geht, unter der Ziffer 30 eine unvollständige Information, weil zum Zeitpunkt des Zugangs der Unterlagen, die ja möglichst schnell dem Bundestag zugeleitet wurden, die entsprechenden Defizitzahlen für das Bruttoinlandsprodukt Spaniens noch nicht ausgewiesen waren. Das ist heute Morgen im Haushaltsausschuss vorgetragen worden. Da wir hier heute keine Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses als Grundlage haben, kann das insofern nicht nachgetragen worden sein. Ich bitte Sie deswegen, damit einverstanden zu sein, dass ich die Zahlen jetzt nenne und wir sie somit zu Protokoll nehmen. Die heute Morgen vorgetragenen abgestimmten Zahlen für dieses Memorandum sind: für das Jahr 2012 6,3 Prozent, für das Jahr 2013 4,5 Prozent und für das Jahr 2014 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ich darf nun den Antrag der Bundesregierung zur Abstimmung stellen. Hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt. Sind alle Abstimmungsurnen mit Schriftführerinnen und Schriftführern besetzt? - Das scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich hiermit die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme für die namentliche Abstimmung noch nicht abgegeben hat, oder hat jemand jemanden gesehen, der noch mit der Karte in der Hand durch die Gegend läuft, ohne sie abgegeben zu haben? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich nehme an, dass Sie damit einverstanden sind, dass ich das Ergebnis der Abstimmung ohne Unterbrechung der Sitzung zu einem späteren Zeitpunkt, gegebenenfalls nach dem nächsten Tagesordnungspunkt, bekannt gebe. - Ich bedanke mich für das Einvernehmen.2 Wir haben jetzt noch über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Druck-sache 17/10349 abzustimmen. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Auch dies ist mit großer Mehrheit abgelehnt. Ich darf Sie bitten, für unseren nächsten Tagesordnungspunkt wieder Platz zu nehmen. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Rechtliche Regelung der Beschneidung minderjähriger Jungen - Drucksache 17/10331 - Wie vorhin bereits von uns beschlossen, soll die Aussprache 30 Minuten dauern. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Dr. Günter Krings für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Thomas Oppermann [SPD]: Herr Präsident!) - Ich darf vielleicht noch einmal insbesondere auch den von mir gesehen rechten Flügel bitten, verfügbare freie Plätze aufzusuchen oder für dringliche Gespräche den Plenarsaal zu verlassen. Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem heutigen Antrag, den wir gleich beschließen wollen, wollen wir nicht weniger, als ein klares Signal an die jüdischen und muslimischen Gemeinden in Deutschland zu geben, dass jüdisches und muslimisches Leben insbesondere in Deutschland weiterhin nicht nur möglich ist, sondern auch nicht unzumutbar erschwert wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Beschneidung von Jungen muss deshalb weiterhin straffrei möglich sein, wenn das der Elternwille ist, wenn sie medizinisch fachgerecht erfolgt und wenn sie ohne unnötige Schmerzen erfolgt. Ich sage für mich persönlich: Das heißt für mich, dass sie mit einer angemessenen Anästhesie erfolgt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, der Antrag, der Ihnen vorliegt und in der Tat in sehr kurzer Frist zusammengestellt worden ist, ist das Ergebnis einer Abwägung verschiedener Grundrechte, zum einen natürlich der körperlichen Integrität und der Religionsfreiheit des Kindes, zum anderen der Religionsfreiheit der Eltern, des Persönlichkeitsrechts und vor allem des Elternrechts selbst. Ich bedanke mich deshalb sehr bei den Kolleginnen und Kollegen, die das in dieser Woche gemeinsam mit mir erarbeitet haben. Ich bedanke mich bei dem Koalitionspartner, der FDP, und auch bei der SPD. Bis zuletzt hatten wir die Hoffnung, dass auch die Grünen bei diesem Antrag dabei sein würden, zumal es - das will ich schon festhalten - gerade die Fraktionsvorsitzende der Grünen war, die Frau Künast, die ich hier jetzt leider nicht mehr sehe, die in der letzten Woche sehr viel Druck bei diesem Thema gemacht hat. (Thomas Oppermann [SPD]: Wo ist sie -eigentlich?) So berichtete etwa die Süddeutsche Zeitung vom Freitag vergangener Woche von Vorschlägen, erst einmal höhergerichtliche, obergerichtliche Entscheidungen in der Sache abzuwarten. Zitat aus der Süddeutschen Zeitung: Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, bemängelte, dies dauere zu lange. Nötig sei eine rasche gesetzliche Regelung. Genau das fordern wir mit diesem Antrag ein. Genau dem wollen wir mit diesem Antrag den Weg bereiten. Umso ärgerlicher ist es, dass sich die Grünen daran nicht mehr gebunden fühlen. Es ist vielleicht aber auch für künftige Dinge ganz hilfreich, dass wir jetzt einmal festhalten, dass man erst einmal selbst, bevor man die Regierung lautstark zum Handeln auffordert, in der eigenen Fraktion überlegt, welches Handeln man denn überhaupt haben möchte. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Ich will allerdings auch sehr deutlich machen, dass wir mit diesem Antrag die Praxis, das Ritual der Beschneidung, weder inhaltlich befürworten noch dafür werben wollen. Es ist richtig, dass darüber in Religionsgemeinschaften und in der Gesellschaft diskutiert wird. Aber diese gesellschaftliche, innerreligiöse Debatte sollte nicht unter dem Damoklesschwert der Strafandrohung stattfinden. Der Maßstab für die Entscheidung, die Beschneidung straffrei zu ermöglichen, ist natürlich das Kindeswohl; denn auch eine Beschneidung ist keine Bagatelle, sondern eine Handlung, die tatbestandlich eine Körperverletzung darstellt. Es kann natürlich auch bei diesem operativen Eingriff Komplikationen geben, selbst wenn es der weltweit wohl am häufigsten durchgeführte chirurgische Eingriff ist. Aber wir wollen auch nicht einfach Kindeswohl und Elterninteresse gegeneinanderstellen. Das Kindeswohl ist Maßstab, aber es wird im Regelfall durch die Entscheidung der Eltern maßgeblich bestimmt. Diese Entscheidungsfreiheit wiederum - auch das machen wir in der Begründung des Antrags deutlich - hat Grenzen, die in der staatlichen Rechtsordnung zu finden sind, etwa im Sorgerecht und im Strafrecht. So ist in § 228 StGB die Sittenwidrigkeit als eine ganz wesentliche Grenze vorgesehen. Aber ich hoffe, dass wir uns in weiten Teilen des Hauses einig sind, dass die Beschneidung, die seit Jahrtausenden praktiziert und in fast allen Ländern der Welt akzeptiert wird, schwerlich unter das Verdikt der Sittenwidrigkeit zu fassen ist. Aus diesem Grunde hat es mich überrascht, wenn ich das so sagen darf, dass in dem Urteil des Landgerichts, das Anlass der Debatte ist, das Stichwort Sittenwidrigkeit nicht genannt wird und erst recht nicht als Prüfungsmaßstab bestimmt wird. Es ist ersichtlich, dass andere Gerichte aus meiner Sicht sehr viel vorsichtiger abgewogen haben. Es gibt beispielsweise sogar ein Urteil des OVG Lüneburg, wonach die Kosten für die Beschneidung und die Feier vom Staat zu übernehmen gewesen seien. Es ist schwer vorstellbar, dass der Staat eine Straftat und die dazugehörende Feier finanzieren soll. Wir nehmen es sehr ernst, wenn uns Juden als Mitbürger in Deutschland sagen: Die Beschneidung ist für sie ein Glaubensgebot. Wir nehmen es auch sehr ernst, wenn sie sagen: Das besiegelt die Zugehörigkeit zu ihrer Religionsgemeinschaft. Das haben wir nicht zu hinterfragen. Wir nehmen es sehr ernst, wenn Muslime die Beschneidung als eine wichtige religiöse Praxis ansehen. Ich glaube deshalb, dass sich die Strafrechtsordnung an dieser Stelle nach Abwägung zurückhalten muss. Wir müssen mit unserer Strafrechtsordnung durchaus zur Kenntnis nehmen, was weltweit Standard ist. Wir müssen international anschlussfähig bleiben. Bei einer Praxis, die nicht strafrechtlich verfolgt wird und weltweit akzeptiert ist, muss man sehr gute Gründe haben, sie ausgerechnet in Deutschland unter Strafe stellen zu wollen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir nehmen allerdings auch eine sehr klare Grenzziehung - auch das ist Teil der Begründung des Antrages - gegenüber anderen, auch erniedrigenden religiösen Praktiken vor, die wir strikt ablehnen, ja verurteilen. Wir haben die barbarische Praxis der Genitalverstümmelung bei Mädchen und jungen Frauen noch einmal herausgehoben, die wir klar verurteilen. Dieser Sachverhalt ist nicht mit dem zu vergleichen, was wir heute diskutieren, nämlich die Beschneidung bei Jungen. Das zeigt: Auch Religionsgemeinschaften, auch religiöse Übung muss sich an unsere Rechtsordnung im Allgemeinen und an das Strafrecht im Besonderen halten. Sehr schön hat das vor einer Woche in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Christian Walter zusammengefasst, als er ausführte, dass der Staat natürlich religiöse Gefahren abwehren muss. Aber der Staat soll nicht ganze Religionsgemeinschaften oder Religionen abwehren. Aus diesem Grunde bitte ich um die Zustimmung zu unserem Antrag. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Christine Lambrecht ist die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Christine Lambrecht (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem Urteil des Landgerichts Köln vor einigen Wochen führen wir hier in diesem Land eine sehr engagierte, aber insbesondere auch emotionale Debatte zum Thema Beschneidung. Ich finde das völlig angemessen; denn dabei es geht um kleine Jungen, teilweise noch Babys. In der Debatte melden sich unterschiedlichste Gruppen zu Wort, alle mit sehr gewichtigen Argumenten. Ich will einige nennen. Da melden sich die Religionsgemeinschaften der Juden und der Muslime zu Wort, die uns darauf aufmerksam machen, dass die Ausübung ihres Glaubens aufgrund ihrer Gebote und der Vorgaben dann, wenn Beschneidung in Deutschland in Zukunft strafbewehrt wäre, nicht mehr möglich wäre. Das ist ein gewichtiges Argument. Es melden sich aber auch -Menschen im Interesse des Kindes zu Wort, die die -körperliche Unversehrtheit des Kindes im Blick haben, -beispielsweise unsere Kinderbeauftragte Marlene Rupprecht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie macht zu Recht darauf aufmerksam, dass wir vor einigen Jahren die gewaltfreie Erziehung gefordert und gesetzlich beschlossen haben. Wie passt die gewaltfreie Erziehung mit der Beschneidung, einer Körperverletzung, zusammen? Auch das ist ein gewichtiges Argument. Dieses Dilemma macht deutlich, wie schwierig eine Entscheidung in dieser Frage ist. Hintergrund dieser Debatte ist das schon genannte Urteil des Kölner Landgerichts. Dabei ging es um die Beschneidung durch einen Arzt. Die Richter haben - zu Recht - festgestellt: Ja, tatbestandlich ist es eine Körperverletzung. Allerdings haben sie den Arzt mit der Begründung freigesprochen: Er hat im Verbotsirrtum gehandelt. Das heißt, er konnte nicht davon ausgehen, dass seine Handlung strafbar ist, weil die Rechtslage in Deutschland hier unsicher ist. Diese Rechtsunsicherheit hat sich jetzt aber noch verschärft; denn auf diesen Verbotsirrtum wird sich in Zukunft niemand mehr berufen können. Das ist geklärt. Deswegen besteht Unsicherheit bei Ärzten und Beschneidern darüber, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn sie dennoch, auch wenn dieses Urteil keine bindende Wirkung hat, Beschneidungen vornehmen. Ich glaube, es ist inakzeptabel, diese Rechtsunsicherheit weiterhin bestehen zu lassen. Ich hätte mir gewünscht, dass nach diesem Urteil des Landgerichts eine höchstrichterliche Rechtsprechung möglich gewesen wäre; denn es geht um die Abwägung von Grundrechten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir haben das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Wir haben das Grundrecht auf Religionsausübung. Wir haben das Recht der Eltern, abgeleitet durch die elterliche Sorge, Religionsausübung auch für ihre Kinder vorzunehmen. Diese Güter müssen gegeneinander abgewogen werden. Deswegen hätte ich mir gewünscht, dass das Bundesverfassungsgericht hierzu Stellung nimmt. Das ist aber nicht möglich gewesen, weil, wie gesagt, das Landgericht Köln den Arzt freigesprochen hat, und damit keine Beschwer vorliegt und damit kein Gang zum Verfassungsgericht möglich ist. Wenn wir jetzt abgewartet hätten, bis das Bundesverfassungsgericht in irgendeinem anderen Fall eine Entscheidung trifft, dann hätten wir bis dahin Rechtsunsicherheit und die Gefahr, dass dann Beschneidungen vielleicht nicht mehr von Ärzten und unter medizinischen Bedingungen, sondern in Hinterzimmern vorgenommen würden oder ein Beschneidungstourismus in Gang gesetzt würde. Das heißt, Eltern würden aufgrund ihrer Glaubensvorgabe mit ihrem Kind in andere Länder reisen und würden dort die Beschneidung vornehmen lassen. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Um diese unterschiedlichen Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen und dennoch ein ganz klares Signal zu senden, dass muslimische und jüdische Religionsausübung in diesem Land möglich sein muss, fordern wir die Bundesregierung mit diesem Antrag auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem diese unterschiedlichen Rechtsgüter unter einen Hut gebracht werden. Das ist keine leichte Aufgabe. Das wird wirklich sehr schwierige Formulierungsarbeit sein, um dafür zu sorgen, dass dieses Gesetz hinterher vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat. Denn was nützt uns ein Gesetz, das dann später für verfassungswidrig erklärt wird? Wir alle wissen um die Probleme, die damit verbunden sind. Hier führen wir eine sehr sachliche Diskussion. Weil aber in vielen E-Mails und Schreiben versucht wird, die Beschneidung und die Genitalverstümmelung zu vermischen, ist es mir ganz wichtig, hier ganz klar die Ansage zu machen: Genitalverstümmelung von Mädchen hat nichts, aber auch gar nichts mit der Beschneidung von Jungen zu tun! (Beifall im ganzen Hause) Niemand wird in Deutschland akzeptieren, dass die Genitalverstümmelung von Mädchen straffrei gestellt wird. Im Gegenteil: Sie ist nicht nur zu verurteilen, sondern sie ist schon heute strafbar und wird völlig zu Recht entsprechend verfolgt. Das wird auch so bleiben. (Beifall im ganzen Hause) Durch diesen Antrag wollen wir ein Signal aussenden, dass die Religionsausübung von Juden und Muslimen auch in Zukunft in Deutschland möglich sein soll, dass damit aber auch die Berücksichtigung der körperlichen Unversehrtheit von Kindern verbunden ist. Deswegen ist die ganz klare Forderung, die Beschneidung sowohl unter medizinischen Bedingungen als auch mit so wenig Schmerzen wie möglich durchzuführen. Das ist unsere klare Ansage mit klaren Vorgaben. Aber es ist wichtig, dass an diesem Tag auch das Signal ausgesendet wird: Religionsausübung von Muslimen und Juden muss in Deutschland weiterhin zulässig sein. Deswegen plädiere ich an dieser Stelle: Unterstützen Sie den Antrag. Wenn die entsprechende Vorlage dann auf dem Tisch liegt, werden wir noch eine ganz intensive Diskussion zu führen haben; denn es geht um gesundheitspolitische, jugendpolitische und kirchenpolitische Aspekte. Das heißt, es wird kein Hauruckverfahren geben können. Ich bitte um Geduld und Verständnis dafür, dass man so etwas nicht über das Knie brechen kann. Vor dieser Aufgabe werden wir dann stehen, wenn wir eine entsprechende Vorlage haben. Heute bitte ich Sie, den vorliegenden Antrag zu unterstützen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort hat nun der Kollege Jörg van Essen für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Jörg van Essen (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr dankbar, dass wir hier so sachlich über diese Frage debattieren. Wer zum Beispiel in die sozialen Netzwerke schaut, weiß, wie viele Emotionen es im Augenblick bei diesem Thema gibt. Aber ich glaube, wir sind gut beraten, bei dieser Sachlichkeit zu bleiben. Zur Sachlichkeit gehört, festzuhalten, dass das, was das Landgericht Köln entschieden hat, keinerlei Bindungswirkung entfaltet. Gerichte können also anders entscheiden. Deshalb gibt es den einen oder anderen, der sagt: Wir brauchen gar nichts zu regeln. - Ich sehe das anders. Wer die Diskussion betrachtet, weiß, wie tief die Verunsicherung ist, die durch das Urteil entstanden ist, wie tief die Verunsicherung in der muslimischen Gemeinschaft ist und wie tief die Verunsicherung in der jüdischen Gemeinschaft ist. Das haben wir ernst zu nehmen. Es gibt auch einen, wie ich finde, handfesten juristischen Grund dafür, den die Kollegin Lambrecht, für deren Beitrag ich ganz außerordentlich danke und mit der wir ganz hervorragend zusammengearbeitet haben, schon angesprochen hat. Es gibt auch Verunsicherung bei den Ärzten, weil sie sich jetzt nicht mehr auf Verbotsirrtum berufen können. Auch das ist von uns zu berücksichtigen. Deshalb haben wir uns zusammengesetzt und schlagen Ihnen vor, dass wir die Bundesregierung beauftragen, die Fragen, die aufgeworfen sind, in einem Gesetzentwurf zu klären. Das ist aber nicht nur ein Auftrag an die Bundesregierung, sondern auch ein Auftrag an uns alle; denn wir sind der Gesetzgeber. Wir müssen uns positionieren. Die bisherigen Beiträge, die wir gehört haben, haben schon deutlich gemacht, in welchem Umfeld wir uns hier bewegen. Mir ist es ganz wichtig, dass ein Begriff gleich zu Beginn unseres Antrags auftaucht, nämlich das Kindeswohl. Dem sind wir alle verpflichtet. Dem ist auch unsere Verfassung verpflichtet. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Deshalb muss das Kindeswohl das Wesentliche sein. Daneben sind wichtige verfassungsrechtliche Prinzipien zu beachten. Körperliche Unversehrtheit ist ganz wichtig. Hier wurde bereits etwas angesprochen, das ich nachdrücklich unterstützen möchte. Beschneidung ist etwas anderes als Verstümmelung. Es gibt einen Unterschied zwischen der Beschneidung von Jungen und der vorsätzlichen sexuellen Verstümmelung von Frauen. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir mit unserem Antrag das deutliche Signal setzen, dass wir solche Verstümmelungen nicht hinnehmen wollen. Das möchte ich, nachdem die Kollegin Lambrecht das bereits getan hat, noch einmal nachdrücklich unterstützen. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Es gibt aber auch andere Verfassungsprinzipien, die wir ebenso ernst nehmen müssen. Die Religionsausübung ist ein wesentlicher Teil der Religionsfreiheit. Die muslimischen und die jüdischen Verbände haben uns deutlich gemacht, dass das, was sie praktizieren, für sie ganz wesentlich zur Religionsausübung gehört. Ich bin sehr nachdenklich, seit uns der Vorsitzende des Zentralrats der Juden deutlich gemacht hat, dass die Beschneidung konstitutiv für die Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben ist. Das haben wir ernst zu nehmen und in den Abwägungsprozess intensiv einzubeziehen. Auch die muslimischen Verbände haben uns deutlich gemacht, welch hohe Bedeutung das für sie hat. Auch der dritte Aspekt spielt eine ganz wesentliche Rolle, nämlich das Elternrecht. Die Eltern haben das Recht, darüber zu entscheiden, ob sie es als dem Kindeswohl angemessen ansehen, dass die Kinder in einer religiösen Gemeinschaft und mit den Riten dieser religiösen Gemeinschaft aufwachsen. Die Eltern können so entscheiden, wenn sie glauben, dass die Kinder in einer solchen Gemeinschaft eine ethische Orientierung bekommen. Wir können nur daran interessiert sein, dass junge Menschen mit ethischer Orientierung aufwachsen. Auch das müssen wir ernst nehmen. Vor diesem Hintergrund habe ich die Bitte, dass diese so aufgeregt begonnene Debatte sachlich fortgeführt wird. Das, was zu Beginn dieser Woche zwischen den Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP stattgefunden hat, war der Beginn einer sachlichen Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen Fragen. Ich bitte alle, das fortzusetzen. Wir werden als FDP-Bundestagsfraktion unseren Beitrag dazu leisten und bitten die Bundesregierung, ihren Teil der Arbeit in den nächsten Wochen zu erledigen, sodass wir dann im Herbst zu einer Entscheidung kommen können. Mir ist wichtig, dass wir jetzt ein Signal setzen. Deshalb bitte ich - auch persönlich - Sie nachdrücklich um Zustimmung. Wir wollen schnellstmöglich wieder Rechtssicherheit haben. Wir sollten ein entsprechendes Signal an die betroffenen Religionsgemeinschaften senden und eine Lösung finden, die eine breitestmögliche gesellschaftliche Zustimmung erfährt. Das ist mein Wunsch. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Jens Petermann erhält nun das Wort für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Jens Petermann (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 7. Mai 2012 verkündete das Landgericht Köln ein Urteil in einem Strafverfahren wegen Körperverletzung gegen einen Arzt, der eine Beschneidung bei einem vierjährigen Jungen aus religiösen Gründen auf Wunsch der Eltern vorgenommen hatte. Er wurde wegen nicht nachweisbarer Schuld vom Tatvorwurf freigesprochen. Ihm wurde zugute gehalten, dass er das Verbot nicht kannte und davon ausging, nichts Verbotenes zu tun. Diese Entscheidung hat mittlerweile zu einer lebendigen Debatte in der Öffentlichkeit geführt. Das war offensichtlich auch Grund für Union, SPD und FDP, einen sehr eiligen Entschließungsantrag vorzulegen, der eigentlich ohne Debatte durchgewunken werden sollte. Merkwürdig ist, dass das Papier schon gestern in einigen Medien kursierte, während es der Linksfraktion erst heute kurz nach 9 Uhr zugestellt wurde. Da blieb wohl ein wenig die Fairness im parlamentarischen Verfahren auf der Strecke. (Beifall bei der LINKEN) Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, im Herbst einen Gesetzentwurf vorzulegen, der klarstellt, dass eine religiös motivierte, medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen grundsätzlich zulässig ist. Natürlich sind die Achtung der Religion und der Freiheit religiöser Betätigung etwas Selbstverständliches. Das eigentliche Problem liegt auf einer anderen Ebene; das ist hier schon angesprochen worden. Wie ist es um den Grundrechtsschutz des minderjährigen, religiös unmündigen Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung gegenüber den Grundrechten der Eltern auf Religionsfreiheit und deren Elternrecht bestellt? Für die Linke kann ich sagen, dass sie das Problem differenziert sieht. Aus juristischer Sicht ist das Urteil richtig, da es lediglich die bestehende Rechtslage aufgreift; denn jeder ärztliche Eingriff erfüllt juristisch gesehen den Tatbestand der Körperverletzung, auch eine Blinddarmentfernung. Eine Bestrafung des behandelnden Arztes oder der behandelnden Ärztin scheidet allerdings aus. Die Rechtfertigung liegt in der Einwilligung des Patienten in den ärztlichen Heileingriff. Weder ein Säugling noch ein vierjähriger Junge verfügen über die nötige Einwilligungsfähigkeit. Hier müssen die Eltern entscheiden. Vom Sorgerecht sind aber nur Erziehungsmaßnahmen gedeckt, die dem Wohle des Kindes dienen. Eine Entscheidung der Eltern zur Vermeidung einer religiösen Ausgrenzung kann die Einwilligung des kleinen Patienten nicht ersetzen, da keine medizinische Indikation vorliegt und der Eingriff nicht dem Kindeswohl dient. Durch eine Beschneidung wird der Körper des Kindes dauerhaft und irreparabel verändert. Diese Veränderung läuft dem Interesse zuwider, später in freier Selbstbestimmung über eine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können. Das Landgericht Köln stellte dies - zutreffend - fest. Die Grundrechte der Eltern aus Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz - Religionsfreiheit - und Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz - elterliche Sorge - werden begrenzt durch das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Grundgesetz. Dass dieses Problem lösbar ist, zeigen übrigens jüdische Gemeinden in Großbritannien. Dort wird das religiös geforderte frühkindliche Ritual der Beschneidung ins Schmerzlos-Symbolische verschoben und die Entscheidung über den tatsächlichen Eingriff dem Betroffenen selbst überlassen, wenn er als Jugendlicher einwilligungsfähig ist. Jeder, der sich zu dem Thema zu Wort meldet, muss am Ende mit seinem Gewissen ausmachen, ob das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung, welcher Religion man angehören möchte, der Religionsfreiheit und dem Erziehungsrecht der Eltern untergeordnet sein soll. (Beifall bei der LINKEN) Die religiöse Überzeugung des mündigen Menschen ist zu respektieren und zu schützen. Wir werben dafür, das frühkindliche Ritual der Beschneidung ins Schmerzlos-Symbolische zu verschieben und die Entscheidung über den chirurgischen Eingriff dem Betroffenen zu überlassen, sobald er als 14-jähriger Jugendlicher einwilligungsfähig ist. Mit Ihrem Antrag haben Sie allerdings die Chance auf eine gesellschaftliche Debatte vertan. Die Linke kann darum nicht zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Volker Beck erhält nun das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rechtsauffassung eines Kölner Richters der Kleinen Strafkammer vom Mai, religiös begründete Beschneidungen bei Jungen seien strafbar, hat in den letzten zwei Wochen hohe Wellen geschlagen und zu einer intensiven Debatte geführt. In dieser Diskussion habe ich mich zusammen mit ein paar Kollegen im Sinne dieses Antrags öffentlich geäußert. In den Fraktionsgremien und in den Arbeitskreisen waren fachliche Diskussionen bis zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht möglich. Deswegen ist die heutige Entscheidung über diesen Antrag für viele Kolleginnen und Kollegen, die noch mit sich ringen, welche Position sie vertreten sollen, nicht einfach. Dieses Hopplahopp des Verfahrens kritisieren wir. Manche finden das Kölner Urteil im Grunde richtig. Andere sind, was ihre Position angeht, noch nicht zu einem Ergebnis gekommen. Wiederum andere sehen es so wie ich. Ich zolle all diesen Positionen in der Debatte Respekt. Aber ich will meine Rede jetzt dazu nutzen, um meine Entscheidung, diesem Antrag heute zuzustimmen, zu begründen. Die religiös begründete Beschneidung von Jungen ist ein klassischer Grundrechtskonflikt. Bei Grundrechtskollisionen entscheidet man sich nicht für das eine Grundrecht und gegen das andere, wie es zum Teil in der Debatte im Netz dargestellt wird. Es gilt vielmehr, eine Abwägung vorzunehmen, die alle Grundrechtspositionen so berücksichtigt, dass die Grundrechte sich optimal verwirklichen. Wir müssen daher die drei Grundrechte, die hier in Rede stehen - Art. 2, Art. 4 und Art. 6 Grundgesetz -, jeweils ausgleichen und dabei den jeweiligen Eingriff und den Rechtsgrund erörtern. Eine Beschneidung ist - da haben Sie recht, Herr -Petermann - wie jede Operation oder Impfung eine -Körperverletzung. Durch rechtswirksame Einwilligung wird sie aber gerechtfertigt und ist damit eben nicht strafbar. Deshalb muss man fragen: Dürfen Eltern in dieser Situation für ihr Kind rechtswirksam einwilligen? Im freiheitlichen Staat treffen nämlich die Eltern die Entscheidungen für das Kindeswohl in den Grenzen der Rechtsordnung. Zum Kindeswohl gehört - da unterscheide ich mich von Ihnen, Herr Petermann - einerseits die Gesundheit und der Schutz der körperlichen Unversehrtheit des Kindes, andererseits aber auch das Recht des Kindes, als gleichberechtigtes und vollwertiges Mitglied einer Religionsgemeinschaft, der die Familie angehört, aufzuwachsen. (Beifall der Abg. Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]) Religionsfreiheit heißt nämlich nicht Freiheit von Religion, sondern Freiheit in religiösen Angelegenheiten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Bei der Abwägung muss auch die Bedeutung des Eingriffs bewertet werden. Er ist in der Tat irreversibel, aber doch vergleichsweise gering - eine gesundheitliche Schädigung ist nicht die Folge -, und er wird auch aus anderen Gründen, zum Beispiel aus prophylaktischen und hygienischen Erwägungen, bei Kindern und Erwachsenen vorgenommen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Rupprecht gestatten? Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, gerne. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Herr Kollege Beck, Sie wissen, dass das Bundesverfassungsgericht schon 1968 festgestellt hat, dass Kinder Grundrechtsträger sind, und zwar ohne Einschränkung; man hat das nicht am Alter festgemacht. Außerdem haben wir die UN-Kinderrechtskonvention im letzten Jahr in diesem Hause mit breiter Mehrheit in inländisches Recht umgesetzt. In Art. 24 Abs. 3 der UN-Kinderrechtskonvention steht eindeutig, dass die Vertragsstaaten alles versuchen, um Bräuche, die Kinder verletzen, zu beseitigen. Wir haben im Jahr 2000 hier im Hause nach langer Diskussion mit großer Mehrheit beschlossen, dass Eltern ihre Kinder gewaltfrei erziehen müssen. Damit haben wir zum ersten Mal Kinder als Rechtssubjekte in ein -Gesetz aufgenommen. Das heißt, dass Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung haben. Das gilt auch für die religiöse Erziehung. Man nimmt niemandem das Recht, Kinder religiös zu erziehen. Im Gegenteil: Es ist Aufgabe der Eltern, Kinder wertorientiert zu erziehen und sie auf das Leben in dieser Gesellschaft vorzubereiten. Aber wir haben den Grundsatz der Gewaltfreiheit. Ich frage mich, wie Sie diesen Antrag mit der UN-Kinderrechtskonvention und den Grundrechten vereinbaren wollen. Ich glaube, dass eine ehrliche Diskussion stattfinden muss. Meine Bitte an die Kollegen ist: Wenn wir uns in der Sommerpause mit diesem Thema beschäftigen, sollten wir nicht vorschnell nur auf die Menschen in unserem Land schauen, die ihre Auffassung laut genug äußern. Man sollte auch auf all diejenigen schauen, die sich nicht äußern, für die wir hier aber im Parlament sitzen, nämlich auf die Kinder. Ihnen müssen wir klar zur Seite stehen und eine Stimme geben, wenn es um solche gesellschaftlichen Entwicklungen geht. Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, dass alles, was wir hier tun, auf dem Boden des Grundgesetzes stehen muss. Das ist die Basis all unseres Handelns. Ich bitte die Regierung, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Deshalb meine Frage an Sie: Wie wollen Sie dieses Gesetz mitgestalten, wenn Sie sich schon jetzt im Voraus festlegen, dass in dem Gesetz eine Straffreiheit vorgesehen werden soll? Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist schade, dass Sie mich inmitten meiner Erörterung der Grundrechtskollision unterbrochen haben. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür hast du jetzt mehr Zeit!) Aber ich will trotzdem gerne versuchen, auf das, was Sie vorgetragen haben, zu antworten. Ich sehe meine Rechtsposition - dazu komme ich noch - in völligem Einklang mit den Normen der UN-Kinderrechtskonvention. (Jörg van Essen [FDP]: So ist es! Ja!) Es geht darin um die Gesundheit der Kinder und um ihren Schutz vor Beeinträchtigungen durch religiöse Bräuche. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch die Beschneidung liegt meines Erachtens jedoch nicht vor. Es handelt sich um eine Beeinträchtigung, die keinen -pathologischen Befund beinhaltet. Sie haben außerdem gesagt, Kinder müssten das -später als Erwachsene selbst entscheiden. Diese UN-Konvention schützt aber ausdrücklich Kinder vor religiöser Diskriminierung, also auch vor der Diskriminierung, die damit einhergeht, Jude oder Muslim in unserer Gesellschaft zu sein. Sie dürfen nicht übersehen, dass der Beschneidungsbefehl in der jüdischen Religion und im islamischen Glauben fundamental ist. Die Begründung des Bundes Gottes mit dem Volk Israel und Abraham in Genesis 17 beginnt mit dem Befehl an Abraham, die Kinder des Volkes Israel zu beschneiden, sobald sie acht Tage alt sind. - Da brauchen Sie nicht den Kopf zu schütteln, Frau Kollegin Rupprecht. Es ist im Rahmen des Grundrechtsausgleichs mit zu erörtern, welchen Stellenwert der Beschneidungsbefehl für diese Religion hat. Und da kommen wir zu dem Ergebnis: Es handelt sich um den ersten Befehl Gottes, der für diese Religion gilt, und er ist das Fundament des Glaubens aller abrahamitischen Religionen. Damit hat er einen sehr hohen Stellenwert. Ein Verbot der Beschneidung jüdischer und muslimischer Kinder würde faktisch bedeuten: Jüdisches Leben und islamisches Leben sind in Deutschland auf Dauer legal so nicht möglich. Es geht um eine Abwägung der Grundrechte. Auf der einen Seite ist die Frage: Zu welchen Beeinträchtigungen führt der Eingriff bei dem Jungen ohne Krankheitsbefund, wenn er medizinisch korrekt durchgeführt wird? Es sind relativ geringe Beeinträchtigungen. Auf der anderen Seite ist die Frage: Ist die Religionsausübung überhaupt noch möglich, wenn wir die Beschneidung verbieten würden? - In dieser Abwägung komme ich zu dem Ergebnis, dass dies von den Eltern im Sinne des Kindeswohls entschieden werden muss. Ich halte es in meiner Gedankenwelt für möglich, dass es eine Entscheidung zum Wohle des Kindes ist, es im Sinne der jüdischen oder der muslimischen Religion aufzuziehen. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Meines Erachtens ist es nicht nur in christlichen oder atheistischen Elternhäusern möglich, das Kindeswohl zu berücksichtigen. Deshalb müssen wir das respektieren, auch wenn es uns als Nichtmitglieder dieser Religionsgemeinschaften möglicherweise ein bisschen fremd vorkommt. Aber vielleicht hilft da, egal ob man religiös ist oder nicht, ein Blick in die Heilige Schrift. Ich komme bei der Abwägung am Ende also zu dem Ergebnis, dass die Beschneidung straflos sein muss. Ich will auf einen weiteren Aspekt, nämlich die Gesundheit des Kindes, aufmerksam machen. Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass die Beschneidung strafbar ist, wird der Effekt ja nicht sein, dass es keine Beschneidung von jüdischen und muslimischen Kindern mehr gibt, sondern der Effekt wird sein, dass sie nicht mehr medizinisch fachgerecht ausgeführt wird, und zwar von selbsternannten Beschneiderinnen und Beschneidern. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN) Dann schädigen wir die Gesundheit dieser Kinder maximal. Deshalb muss man neben der rechtlichen und verfassungsrechtlichen Sicht auch eine pragmatische Sicht auf diesen Konflikt haben und schauen: Womit bewirkt man am Ende Gutes und womit Schlechtes? Ich will nicht, dass jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland in der Illegalität ist. Für mich ist ganz klar: Judentum, Islam und Christentum gehören zu Deutschland. Ich will, dass dies heute hier zum Ausdruck kommt und dass wir eine inklusive Lösung für diese Frage finden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine Damen und Herren, gerade angesichts der Debatte im Netz, die dort sehr heftig tobt, teilweise sehr verletzend ist, meines Erachtens manchmal auch ignorant gegenüber Religion als Phänomen an sich, frage ich die Menschen, die da so herumwirbeln und gegen die sachliche Debatte, die wir hier gerade führen, wirklich polemisieren: Kommt es Ihnen nicht merkwürdig vor, dass ausgerechnet Deutschland das erste und einzige Land auf dieser Welt sein sollte, wo die Beschneidung von Juden und Muslimen strafbar sein soll? (Beifall der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich finde, über diese Frage kann man in der Sommerpause noch einmal nachdenken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Zum Schluss dieser Debatte erhält der Kollege -Johannes Singhammer das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Johannes Singhammer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir, die Christlich Demokratische Union und die Christlich-Soziale Union, treten entschieden und eindeutig ein für die Religionsfreiheit in Deutschland und in anderen Ländern. Zur Religionsfreiheit bei uns in Deutschland gehört, dass eine Unsicherheit darüber vermieden wird, was in zentralen Bereichen der Ausübung der Religion, so wie sie die einzelnen Gemeinschaften verstehen, erlaubt ist, nicht erlaubt ist oder sogar verboten ist. Was zum Kernbereich der Freiheit einer Religion zählt, das regelt nun nicht staatliche Autorität, sondern das regelt die einzelne Religionsgemeinschaft selbst. Was die Beschneidung von Jungen im Judentum und im Islam betrifft, so gibt es unterschiedliche, aber klare religiöse Einordnungen. Nach jüdischem Verständnis ist die Beschneidung von Jungen elementar und gehört konstitutiv zum Glauben. Nach der Mitteilung des Zentralrats der Muslime in Deutschland ist die Beschneidung von Jungen Bestandteil muslimischer Tradition und folgt der abrahamischen Praxis. Wir regeln heute nicht die Art und Weise, wie und unter welchen Voraussetzungen Beschneidung stattfinden kann und soll; wir regeln das Ob. Wir wollen, dass keine Unsicherheit mehr darüber besteht, ob die Beschneidung in Deutschland zulässig ist, erlaubt ist, sich in einer Grauzone befindet, staatliche Duldung genießt oder gar aufgrund eines Verbots verfolgt wird. Die klare Botschaft heute: Beschneidung ist zulässig. Es geht die klare Botschaft auch an diejenigen, die Beschneidungen durchführen, gerade die Ärzte: Wir wollen, dass Beschneidung zulässig ist, und schaffen deshalb Klarheit. Die Gewährleistung der Religionsfreiheit bei der Beschneidung - das ist heute schon angesprochen worden - hat nichts mit einem anderen Ritual zu tun, das in einigen Regionen der Welt schauerliche Praxis ist: die Genitalverstümmelung bei jungen Mädchen und Frauen. Es bedeutet keinerlei intellektuelle Überforderung, die Unterschiede zu erkennen. Keine religiöse Instanz mit Reputation fordert beispielsweise im Islam Genitalverstümmelung von Frauen und Mädchen. Bei diesem Eingriff in die körperliche Integrität geschieht in der Tat Schlimmes. Nach Schätzungen überleben 15 Prozent der betroffenen Frauen und Mädchen den Eingriff unmittelbar nicht und muss damit gerechnet werden, dass weitere 20 Prozent später erkranken und ebenfalls zu Tode kommen. Alle Betroffenen leiden darunter. Deshalb wird in Deutschland Genitalverstümmelung zu Recht als Straftat aufgefasst und verfolgt, und dabei bleibt es auch. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Für manche in unserem Land ist Beschneidung etwas Fremdartiges. Das Zusammenleben von Menschen, die religiös sind, und Menschen, die sich für eine nichtreli-giöse Grundhaltung entschieden haben, erfordert Respekt. Respekt gedeiht am besten auf einer klaren gesetzlichen Regelung, was zulässig ist und was nicht. Eine solche Regelung wollen wir heute mit diesem Antrag einleiten. Wir wollen damit auch ein Stück gutes perspektivisches Zusammenleben in Deutschland schaffen. Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Nach dieser Debatte wird niemand ernsthaft behaupten können, der Deutsche Bundestag wolle mit dem heute eingebrachten Antrag eine notwendige Debatte vorschnell beenden. Das Gegenteil ist der Fall: Er will die notwendige Klärung auf eine sensible und zielführende Weise möglich machen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]) Das ist aus allen Wortbeiträgen hinreichend deutlich geworden. Dafür möchte ich mich bedanken. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf der Drucksache 17/10331 mit dem Titel "Rechtliche Regelung der Beschneidung minderjähriger Jungen". Die Fraktion Die Linke hat beantragt, diesen Antrag zu überweisen zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss, an den Ausschuss für Gesundheit sowie an den Ausschuss für Kultur und Medien. Die antragstellenden Fraktionen verlangen sofortige Abstimmung. Nach ständiger Übung geht die Abstimmung über den Überweisungsvorschlag vor. Ich bitte deswegen diejenigen, die dem Überweisungsvorschlag der Fraktion Die Linke zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Überweisungsvorschlag mit großer Mehrheit bei unterschiedlichen einzelnen Voten in den Fraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 17/10331. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? (Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Wir wollen bemerkt werden, Herr Präsident!) - Hatten Sie, Frau Kollegin, jemals den Eindruck, dass Sie unbemerkt geblieben wären? (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Spätestens mit dem Zwischenruf sind Sie für alle Zeiten in den Protokollen des Deutschen Bundestages verewigt. Ich darf also noch einmal fragen: Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit großer Mehrheit bei einer Reihe von Gegenstimmen und Stimmenthaltungen aus verschiedenen Fraktionen angenommen. Ich weise darauf hin, dass wir auch zu diesem Antrag eine Reihe von schriftlichen Erklärungen zur Abstimmung haben, die wir dem Protokoll beifügen.3 Ich darf Ihnen nun noch das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zur Finanzhilfe zugunsten Spaniens und zur Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes mitteilen: abgegebene Stimmen 583. Ich erlaube mir den Hinweis, dass damit rund 94 Prozent der Mitglieder des Deutschen Bundestages anwesend waren und von ihrem Abstimmungsrecht Gebrauch gemacht haben. Es wird nicht viele Betriebe in Deutschland geben, die bei kurzfristig angesetzten Sonderschichten, allein schon unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Krankheitsquote, eine ähnlich hohe oder höhere Beteiligung erreichen. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Mit Ja haben 473 Kolleginnen und Kollegen gestimmt. Mit Nein haben 97 Mitglieder des Bundestages gestimmt. Es gab 13 Enthaltungen. Damit ist der Antrag angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 583; davon ja: 473 nein: 97 enthalten: 13 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert René Röspel Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Dr. Christel Happach-Kasan Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Veronika Bellmann Wolfgang Bosbach Thomas Dörflinger Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Peter Gauweiler Manfred Kolbe Andreas G. Lämmel Paul Lehrieder Dr. Carsten Linnemann Dr. Georg Nüßlein Thomas Silberhorn Arnold Vaatz Klaus-Peter Willsch SPD Klaus Barthel Dr. Peter Danckert Wolfgang Gunkel Gabriele Hiller-Ohm Hilde Mattheis Dr. Wilhelm Priesmeier Gerold Reichenbach Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Werner Schieder (Weiden) Swen Schulz (Spandau) Rolf Schwanitz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) FDP Jens Ackermann Nicole Bracht-Bendt Sylvia Canel Joachim Günther (Plauen) Heinz-Peter Haustein Dr. Lutz Knopek Holger Krestel Lars Lindemann Frank Schäffler DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dagdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Dorothée Menzner Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Neškovic Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Michael Schlecht Kathrin Senger-Schäfer Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Kathrin Vogler Johanna Voß Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Katrin Werner Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hans-Christian Ströbele Enthalten SPD Bettina Hagedorn Stefan Rebmann FDP Helga Daub BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Ute Koczy Stephan Kühn Monika Lazar Beate Müller-Gemmeke Dr. Gerhard Schick Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie weit dürfen wir schwimmen?) - Frau Kollegin Künast, ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf spätestens Dienstag, den 11. September 2012, 10 Uhr, ein. Ich halte aber meine Empfehlungen für eine möglichst flexible Urlaubsplanung ausdrücklich aufrecht. Machen Sie etwas daraus. Alles Gute! Bis dann. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 17.52 Uhr) Berichtigung 188. Sitzung, Seite 22745 A, das endgültige Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum ESM-Finanzierungsgesetz ist wie folgt zu lesen: Abgegebene Stimmen: 601; davon ja: 495 nein: 101 enthalten: 5 Seite 22746 D, vierte Spalte, nach dem Namen "Tabea Rößner" ist der Name "Claudia Roth (Augsburg)" einzufügen. Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 19.07.2012 Birkwald, Matthias W. DIE LINKE 19.07.2012 Brackmann, Norbert CDU/CSU 19.07.2012 Brandner, Klaus SPD 19.07.2012 Bülow, Marco SPD 19.07.2012 Dörmann, Martin SPD 19.07.2012 Dr. Enkelmann, Dagmar DIE LINKE 19.07.2012 Dr. Franke, Edgar SPD 19.07.2012 Golze, Diana DIE LINKE 19.07.2012 Groth, Annette DIE LINKE 19.07.2012 Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 19.07.2012 Höger, Inge DIE LINKE 19.07.2012 Humme, Christel SPD 19.07.2012 Dr. h. c. Kastner, Susanne SPD 19.07.2012 Kolbe, Daniela SPD 19.07.2012 Lay, Caren DIE LINKE 19.07.2012 Leidig, Sabine DIE LINKE 19.07.2012 Lötzer, Ulla DIE LINKE 19.07.2012 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.07.2012 Dr. Ott, Hermann E. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.07.2012 Dr. Ratjen-Damerau, Christiane FDP 19.07.2012 Dr. Reimann, Carola SPD 19.07.2012 Dr. Ruppert, Stefan FDP 19.07.2012 Sager, Krista BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.07.2012 Schäfer (Köln), Paul DIE LINKE 19.07.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 19.07.2012 Schreiner, Ottmar SPD 19.07.2012 Dr. Seifert, Ilja DIE LINKE 19.07.2012 Sharma, Raju DIE LINKE 19.07.2012 Staffeldt, Torsten FDP 19.07.2012 Tillmann, Antje CDU/CSU 19.07.2012 Ulrich, Alexander DIE LINKE 19.07.2012 Veit, Rüdiger SPD 19.07.2012 Zöller, Wolfgang CDU/CSU 19.07.2012 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Viola von Cramon-Taubadel, Harald Ebner, Katrin Göring-Eckardt, Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Konstantin von Notz, Dr. Harald Terpe und Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu: - namentliche Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion - namentliche Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Fe-bruar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus - namentliche Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz - ESMFinG) - namentliche Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist (188. Sitzung, Tagesordnungspunkt 50 a bis e) In einer schwierigen Krisensituation hat der Deutsche Bundestag heute mit der Entscheidung für den ESM und den Fiskalpakt die Weichen in Richtung einer Stabilisierung der Europäischen Union, des Euro und der europäischen Finanzmärkte gestellt. Die gleichzeitig -getroffenen Vereinbarungen zur Einführung einer Finanztransaktionsteuer, die Zusagen für mehr nachhaltige Investitionen in Klimaschutz und Energieeffizienz sowie die stärkere parlamentarische Beteiligung bei Hilfsanträgen an den ESM sind wichtige und notwendige Schritte zur Stabilisierung der EU und zur Stärkung der Demokratie. Wir stimmen damit heute über ein Maßnahmenpaket zur wirtschaftlichen Belebung ab, das eine starke grüne Handschrift trägt. Die dogmatische Sparpolitik der letzten zwei Jahre hat die Krisenstaaten nicht aus der Krise herausgeführt. Eine tiefe Rezession, hohe Arbeitslosigkeit und am Ende mehr statt weniger Schulden trotz aller Sparmaßnahmen waren die Folge. Die Schuldenstände in Griechenland, Spanien und Portugal sind nicht gefallen, sondern gestiegen, und die soziale Schieflage hat sich weiter verschärft. Es zeigt sich: Wer nur spart, konsolidiert nicht. Die Vereinbarungen müssen vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Situation Europas sowie der globalen Lage bewertet werden. Italien und Spanien haben unverhältnismäßig hohe Refinanzierungskosten an den Finanzmärkten. Japan und die USA, deren volkswirtschaftliche Kennzahlen keineswegs besser sind als die der Euro-Zone, zahlen bei einer gleichermaßen hohen Staatsverschuldung deutlich niedrigere Schuldzinsen. Der Grund dafür ist einfach: Die EU und die Euro-Zone sind anders als die Nationalstaaten Japan oder USA Zusammenschlüsse von Staaten. Europa muss beweisen, dass verschiedene Staaten gemeinsam zu entschlossenem Handeln fähig sind. Der Rettungsschirm ESM in Verbindung mit dem Fiskalpakt sind wichtige Zeichen für ein solches entschlossenes Handeln. Wichtige Bestandteile zur Krisenlösung sind das von der EU beschlossene sogenannte Sixpack und die im Fiskalpakt verbindlich festgelegten Regeln zur Erzielung eines ausgeglichenen Haushaltes. Sie sind eine notwendige Ergänzung zum ESM. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich zur Haushaltskonsolidierung und zur Verankerung nationaler Schuldenbremsen. Die Abkehr von der Toleranz gegenüber strukturellen Haushaltsdefiziten ist für uns wichtig; denn nur ausreichend finanzierte Haushalte sind nachhaltig. Eine Schuldenkrise kann man nicht mit immer neuen Schulden bekämpfen. In Deutschland wurde darüber hinaus sichergestellt, dass Länder und Kommunen den Fiskalpakt mittragen können. Auch dies ist richtig und notwendig, weil Länder und Kommunen im Vergleich zum Bund deutlich begrenztere Möglichkeiten zur Refinanzierung haben. Zur Solidität gehört auch die Solidarität. Die Verpflichtung zu mehr Haushaltsdisziplin in Verbindung mit der Einführung einer Finanzmarkttransaktionsteuer, Investitionsimpulsen für mehr wirtschaftliche Dynamik und dem ESM stärken die wirtschaftliche Leistungs--fähigkeit der EU und sind so in unserem eigenen Interesse. Gleichzeitig verhindern sie ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone und damit einen großen Rückschritt in der europäischen Integration mit unabsehbaren Folgen nicht nur für die deutsche Volkswirtschaft, sondern für Europa insgesamt. Die Ergebnisse des Euro-Gipfels vom 28. Juni 2012 gehen in die richtige Richtung, um den Zinsdruck auf die Krisenländer zu senken und den -Teufelskreis aus Banken- und Staatsschuldenkrise zu durchbrechen. Wichtige Schritte zur Bereitstellung von notwendigen Investitionsmitteln wurden vereinbart. Zusätzlich fordern wir weitere Schritte zur Lösung der Euro-Krise. Ein konkreter und realistisch umsetzbarer Abbaupfad für die hohe Verschuldung ist zwingend für eine erfolgreiche Bewältigung der Krise. Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch, wie der des Sachverständigenrates für einen Altschuldentilgungsfonds in der Euro-Zone. Dabei werden wir uns auf lange Zeiträume des Schuldenabbaus einrichten müssen. Es ist weltfremd, wenn die Kanzlerin sich einer inhaltlichen Debatte um konkret zu ergreifende Maßnahmen verweigert. Sie wird in diesem Punkt umdenken müssen. Mit ihrer Weigerung einer realistischen Altschuldenregelung gefährdet sie die positive Wirkung von ESM und Fiskalpakt. Zusätzlich müssen Investitionen in eine ökologische und soziale Gesellschaft noch weiter ausgebaut werden. Diese Investitionen erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit Europas und gehören zu unserer Strategie der Krisen--bewältigung. Nicht zuletzt müssen die demokratischen Strukturen Europas deutlich weiterentwickelt werden. Das Europäische Parlament muss in seiner Entscheidungsbefugnis gestärkt und eine geeignete Exekutive, also eine europäische Regierung, etabliert werden. Dies erfordert die Übertragung staatlicher Kompetenzen auf Europa. Nur mit diesem Dreiklang aus realistischem Schuldenabbaupfad, Stärkung von Investitionen und demokratischer Entwicklung Europas wird die Krise überwunden werden können. Diese Schritte können wir erst nach Lösung der aktuellen Probleme gehen. Der Paradigmenwechsel in der Haushaltspolitik ist Grundvoraussetzung für diese Lösung. Deswegen stimmen wir heute für den Fiskalpakt und den ESM zur Stabilisierung Europas. Deutschland hat sich vor vielen Jahren für ein zusammenwachsendes Europa entschieden. Nun gilt es, dafür einzustehen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Birgit Reinemund (FDP) zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag: Verfassungsmäßigkeit der bestehenden Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften gegenüber Ehen (187. Sitzung, Tagesordnungspunkt 11 a) Die FDP hat in der Koalition mit der Union zahlreiche Schritte zur Gleichstellung eingetragener Lebenspartner durchgesetzt, so die volle Gleichstellung im Beamten-, Richter- und -Soldatenrecht, bei der Erbschaftsteuer und Grund-erwerbsteuer sowie beim BAföG. Auf Initiative des Bundeswirtschaftsministers ist im aktuellen Entwurf des -Jahressteuergesetzes die Gleichstellung bei den vermögensbildenden Leistungen vorgesehen. Die Bundesjustizministerien bereitet zudem ein Rechtsbereinigungsgesetz für das Recht eingetragener Lebenspartnerschaften vor, mit dem die Gleichstellung in einer Reihe von weiteren Rechtsbereichen umgesetzt werden soll. Anders als im Koalitionsvertrag angelegt, ist die -steuerliche Gleichstellung der Lebenspartner mit der Ehe immer noch nicht umgesetzt. Insbesondere im Einkommensteuerrecht gibt es aus unserer Sicht ein verfassungsgemäßes Gebot, angesichts der gleichen Unterhalts- und Einstandspflichten wie bei Ehegatten die Lebenspartner auch in der Einkommensteuer wie Ehegatten zu behandeln. Als Abgeordnete der FDP-Bundestagsfraktion teilen wir das Ziel der völligen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe, insgesamt können wir aber wegen des bestehenden Koalitionsvertrages mit CDU und CSU dem vorliegenden Entschließungsantrag nicht zustimmen. Wir fordern aber den Bundesminister der Finanzen auf, als weiteren Schritt zur Gleichstellung unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die Ungleichbehandlung bei Einkommensteuer, Wohnungsbauprämie und Riester-Rente aufgehoben wird. Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfe zugunsten Spaniens; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten Spaniens (Tagesordnungspunkt 1 b) Veronika Bellmann (CDU/CSU): Dem Antrag der Bundesregierung auf Finanzhilfen zugunsten Spaniens kann ich nicht zustimmen. Die Verletzung des Bail-out-Gebotes setzt sich auch in diesem Antrag fort. Es gibt keinen Grund, allgemein-europäische Steuergelder in spanische Kleinbanken, also nicht systemrelevante Banken zu geben. Insofern ist dies ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StabMechG. Dort heißt es: "Notmaßnahmen im Sinne von Abs. 1 können auf Antrag eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes zum Erhalt seiner Zahlungsfähigkeit ergriffen werden, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren." Hilfen für nicht systemrelevante Banken sind demnach unzulässig. Falls also einzelne spanische Banken Insolvenz anmelden müssten, ist dadurch nicht der Euro als Gemeinschaftswährung gefährdet. Spanien hat auch nicht nur ein Bankenproblem, sondern ein strukturelles Problem, was sich im andauernden Defizitverfahren bezüglich des Stabilitäts- und Wachstumspakts, der Arbeitslosenquote usw. zeigt. Die Schieflage der Bankenbilanzen ist demzufolge ein Spiegelbild der gesamtwirtschaftlichen Lage. Es wäre deshalb erforderlich, wenn Spanien einen Antrag auf Rettungshilfen nicht nur für seine Banken stellen würde, auch wenn dadurch offensichtlich würde, dass die bisher aufgespannten Rettungsschirme maßlos überfordert würden. Außerdem wären dann natürlich die Konditionalitäten sehr viel strenger. Diese werden durch den Einstieg in eine direkte Bankenrekapitalisierung - und als solche sehe ich den vorliegenden Antrag - umgangen bzw. gebrochen. Insofern sehe ich einen starken Vertrauensverlust auch zu den Beschlüssen der jüngsten Gipfelbeschlüsse vom 28./29. Juni 2012. Dort wurde festgelegt, dass eine direkte Bankenrekapitalisierung erst ermöglicht werden kann, wenn eine gemeinsame europäische Bankenaufsicht besteht. Die Verhandlungen dazu sollen aber erst im Herbst aufgenommen werden. Ferner sehe ich eine Ungleichbehandlung von "Programmländern". In den Gipfelbeschlüssen vom 29. Juni 2012 wird auf Gleichbehandlung ausdrücklich hingewiesen. Folgerichtig hat Irland bereits Anfragen gestartet, sein allgemeines Restrukturierungsprogramm zu den Bedingungen eines sektoralen Bankenprogramms vergleiche Spanien umzuwandeln, zumindest aber bereits getroffene Vereinbarungen zurückzunehmen. Sehr skeptisch stehe ich der vorgesehenen Eigentümerrespektive Gläubigerbeteiligung bei der Rekapitalisierung spanischer Banken gegenüber. Anders als in Deutschland tragen spanische Banken nicht ausreichend zur Bewältigung der Finanzkrise in Spanien bei; zumindest sind bestehende Regelungen äußerst intransparent. Aber nicht nur in dieser Hinsicht sind die Formulierungen des Memorandum of Understanding, MoU, äußerst dehnbar. So können die Finanzhilfen auch an bereits verstaatlichte Banken ausgereicht und zum Ankauf von Staatsanleihen auf dem Primär- und Sekundärmarkt verwendet werden. Nach Ziffer 14 Abs. 6 Buchstabe h ist ein autonomes Vertragsveränderungsverfahren erlaubt. Demnach können die Vertragsparteien die Finanzvereinbarung selbstständig ändern und dadurch unter Umständen die Haftung Spaniens aushebeln. Damit ist die Finanzvereinbarung ein wesentlicher Schritt hin zu einer Vergemeinschaftung der Bankschulden, die neben die fortschreitende Vergemeinschaftung der Staatsschulden tritt. Außerdem halte ich es für kritisch, zum jetzigen Zeitpunkt einen Vorratsbeschluss über bis zu 100 Milliarden Euro zu fassen, wo einerseits der konkrete Bedarf des spanischen Bankensektors erst im September/Oktober 2012 konkretisiert werden soll. Andererseits ist im Hinblick auf die geplante Überführung der spanischen Bankensektorhilfe von EFSF in den ESM meines Erachtens auch der Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts am 12. September 2012 abzuwarten. Christine Buchholz (DIE LINKE): Ich stimme heute mit Nein gegen die Finanzhilfen für die spanischen und europäischen Banken, weil nicht diejenigen belohnt werden dürfen, die die Krise selbst mit zu verantworten haben. Jahrelang haben die spanischen Banken Millionenprofite mit der Immobilienspekulation erzielt. Nun machen die europäischen Regierungen die privaten Schulden der Banken zu Staatsschulden. Sie wollen, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter das Geld bezahlen, was die Banken im Kasino verzockt haben. Es ist unerträglich, dass die Allgemeinheit für Spekulationsverluste zur Kasse gebeten wird, während die Banken so weiter wirtschaften können wie bisher. Was wir brauchen, ist die Entmachtung der Banken und der Finanzmärkte. Bevor man daran denken kann, Banken mit Steuergeldern zu sanieren, müssen diese vergesellschaftet und unter demokratische Kontrolle gestellt werden. Kein einziger Cent der bereitgestellten 100 Milliarden Euro wird der spanischen Bevölkerung zugutekommen. Weil sie die Kredite an die Banken nicht mehr zahlen konnten, mussten 400 000 Familien in den letzten Jahren aus ihren Wohnungen ausziehen. Die Banken werden gerettet, diese Familien nicht. Im Rettungspaket für die Banken ist stattdessen ein Angriff auf soziale Errungenschaften der spanischen Arbeiterbewegung enthalten. Es werden Arbeitsmarkt- und Steuerreformen, Privatisierungen, Liberalisierungen und höhere Strompreise gefordert. Die spanische Regierung hat vier Kürzungspakete innerhalb von sechs Monaten verabschiedet. Sie hat Milliarden in Bildung und Gesundheitswesen gekürzt, Lehrerinnen und Lehrer entlassen, Studiengebühren um 66 Prozent erhöht. Nun will sie unter anderem Eisenbahn, Flughäfen und Häfen privatisieren und die Mehrwertsteuer drastisch erhöhen. Die letzte Arbeitsmarktreform machte Entlassungen billiger und führte die Rente mit 67 ein. Die Beschäftigten müssen die Folgen ertragen. Ein Drittel der Erwachsenen und die Hälfte der Jugendlichen sind arbeitslos. 11 von 45 Millionen Einwohnern sind arm. Wie in Griechenland bringen sich immer mehr Menschen aufgrund von finanziellen Problemen selbst um. 2011 haben Aktivistinnen und Aktivisten der Indignados-Bewegung nach ägyptischem Vorbild Plätze in 70 Städten besetzt. Der Widerstand gegen die Kürzungen wächst. Beim zweiten Generalstreik streikten im März mehr als 10 Millionen Beschäftigte. Am 22. Mai gab es den ersten Generalstreik der Geschichte im gesamten Bildungswesen, von den Kindergärten bis zu den Unis. Derzeit befinden sich die Bergarbeiter im unbefristeten Generalstreik, denn die Regierung will die zugesagten Kohlesubventionen streichen und Tausende entlassen. Auch die Beschäftigten in Deutschland zahlen für die Finanzhilfen für die spanischen Banken. Es sind ihre Steuergelder, die in die Bankenrettung fließen. Ich stimme mit Nein, weil ich dagegen bin, dass die Beschäftigten von den Herrschenden in Europa gegeneinander ausgespielt werden. Mein Nein im Bundestag ist ein Ja zum Widerstand. Ich unterstütze den Widerstand der Gewerkschaften in Spanien gegen das Verarmungsprogramm der spanischen Regierung und der Troika. Die Solidarität im Widerstand ist es, die das Spardiktat der herrschenden Klasse brechen kann. Que la crisis la paguen los capitalistas! Sevim Dagdelen (DIE LINKE): Ich habe heute gegen den Antrag der Bundesregierung über die "Finanzhilfen zugunsten Spaniens" gestimmt, weil durch diese "Hilfen" die Profite der spanischen Banken auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner und sozial Ausgegrenzten gesichert werden sollen. Mit diesem neuen "Rettungspaket" für den spanischen Bankensektor ist der von den Herrschenden gepredigte Mythos von der sogenannten "Staatsschuldenkrise" in Europa entlarvt: Nicht die Schulden der EU-Staaten sind die Ursache der Krise, sondern der von den entfesselten Finanzmärkten getriebene Kapitalismus. Bevor die Wirtschafts- und Finanzkrise ausgebrochen ist, lag die Staatsverschuldung Spaniens 2007 bei 36,3 Prozent. Auch heute ist sie niedriger als die der Bundesrepublik. Die Finanzklemme, in der heute -Spanien steckt, wird durch die undemokratischen Rating-agenturen immer enger gezogen und geht auf die Spekulationen der privaten Banken zurück, die sich mit -gewinnbringenden Immobilienkrediten verzockt haben. Diesen privaten Banken und nicht dem spanischen Staat oder der spanischen Bevölkerung soll jetzt "geholfen" werden. Dabei werden die Kosten erneut durch die Steuerzahler getragen. Mit dem von der Euro-Gruppe gebilligten sogenannten Memorandum of Understanding wird die spanische Politik gezwungen, die massiven Sparprogramme zu intensivieren und immer größere Teile des Sozialstaats für den neoliberalen Umbau der Gesellschaft zu zerstören. Schon heute sind über 24 Prozent der spanischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitslos. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt zwischenzeitlich bei über 50 Prozent. Die Ausgrenzung von Migrantinnen und Migranten aus dem spanischen Arbeitsmarkt führt zu einer weiteren Verschlechterung ihrer Situation. Wenn dann als Alternative für die spanischen Jugend--lichen die deutsche Politik eine Anwerbeoffensive für Ausbildungsplätze in Deutschland propagiert, ist dies mehr als zynisch. Diese verfehlte und versagende Wirtschafts- und -Finanzpolitik in Europa muss endlich beendet werden, da sie zu Sozialabbau, Ausgrenzung und Zerstörung ganzer Regionen und Branchen führt. Dieser neoliberale Umbau des gesamten gesellschaftlichen Systems in Europa ist nicht hinnehmbar. Stattdessen brauchen wir dringender denn je einen Neustart der Europäischen Union: demokratisch, sozial, friedlich und ökologisch. Ein Neustart, in dem die Banken vergesellschaftet werden und dem Wohl der Menschen dienen. In diesem Sinne und mit meinem heutigen Nein zum 100-Milliarden-Paket für den spanischen Bankensektor bin ich solidarisch mit dem Widerstand der spanischen Bevölkerung gegen den erzwungenen Sozialabbau und den Angriff auf die spanische Demokratie. Dr. Peter Danckert (SPD): Zu meinem Abstimmungsverhalten am heutigen Tage erkläre ich Folgendes: Ich bin davon überzeugt, dass wir unseren europäischen Nachbarn in Not helfen müssen; jedoch sollten wir sorgfältig unterscheiden, wem wir helfen. Keine direkte Hilfe für Banken war immer unser Credo und sollte dies auch bleiben. Zwar sind nach derzeitiger Rechtslage - ESM, ESM-Finanzierungsgesetz - keine direkten Hilfen an Banken möglich, jedoch ist dies bereits konkret geplant und Bestandteil des heute abzustimmenden Memorandum of Understanding sowie des Finanzhilfeabkommens zwischen dem Königreich Spanien und der EFSF. Dies würde zweifelsohne in einem Fass ohne Boden enden. Die Kommission arbeitet gemeinsam mit der EZB und der European Banking Authority - EBA - an der Errichtung einer Europäischen Bankenaufsicht, die laut der Schlussfolgerung der Staats- und Regierungschefs vom 29. Juni 2012 die Voraussetzung für eine direkte Rekapitalisierung von Banken darstellt. Auch wenn Regierungsvertreter gerne den Eindruck erwecken wollen, dies läge noch in ferner Zukunft, so ist in Brüsseler Kreisen vielmehr davon die Rede, dass diese Bankenaufsicht bereits Ende des Jahres arbeitsfähig sein wird. Das bedeutet für uns Abgeordnete, dass wir heute einmal mehr über etwas abstimmen sollen, was in absehbarer Zukunft überholt sein wird. Es bedeutet darüber hinaus ein Abrücken von sämtlichen politischen Zusagen, die wir bisher getroffen haben. Bei den Hilfen für Spanien handelt es sich nicht um ein klassisches Hilfsprogramm wie bei Portugal oder Irland, sondern um ein sektorbezogenes Programm für die Finanzinstitute. Dies ist zwar ausdrücklich in den Leitlinien der EFSF vorgesehen, nicht aber die Möglichkeit, die Kredite über Umwege und Tricksereien direkt an die Banken fließen zu lassen. Vertragspartner muss immer der antragstellende Staat, also Spanien, bleiben. Die konkreten Ergebnisse der Stresstests liegen zum jetzigen Zeitpunkt nicht einmal vor. Mit diesen wird erst Ende September zu rechnen sein. Die Schätzungen der Kapitaldefizite bei den betroffenen spanischen Banken variieren zwischen 14 und 60 Milliarden Euro. Laut Nachbericht zum Ecofin-Treffen am 10. Juli ist diese "Unsicherheit" der Grund dafür, dass man eine Sicherheitsmarge von 38 Milliarden Euro veranschlagt und somit auf die zu genehmigenden 100 Milliarden kommt. Ob es am Ende des Tages bei den 100 Milliarden bleibt, ist in Anbetracht der Erfahrungen mit Griechenland ebenso fragwürdig. Es handelt sich also um eine Art Blankocheck. Darüber hinaus kritisiere ich am vorliegenden Antrag, dass eine Ermächtigung zu einem Darlehn in einer unbestimmten Gesamthöhe von "bis zu" 100 Milliarden Euro erteilt werden soll, ohne dass der konkrete Finanzbedarf ermittelt und dargestellt worden ist, dass die Bankenhilfe ganz offensichtlich nicht oder nicht ausschließlich zur Rekapitalisierung von systemrelevanten spanischen Banken bestimmt ist und dass die Bundesregierung bisher keine substanziellen Fortschritte bei der Regulierung des europäischen Banken- und Finanzmarktes erreicht hat noch solche Regulierungen künftig beabsichtigt. Die im Antrag aufgezeigte Bankenhilfe für Spanien ist ebenfalls nicht an entsprechende Bedingungen geknüpft worden. Wenn wir heute dem vorliegenden Antrag zustimmen, schaffen wir mit Spanien einen Präzedenzfall inmitten dieser Staatsschuldenkrise, der logischerweise zur Folge haben wird, dass Länder wie Irland ebenfalls eine Lockerung ihrer Bedingungen fordern werden. Italien - als drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone - liebäugelt bereits mit der Möglichkeit, seine Staatsanleihen von der EFSF auf dem Sekundärmarkt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aufkaufen zu lassen, um die gefährlich hohen spreads zu senken. Mit welcher glaubhaften Begründung werden wir Italien nach einer Zusage an Spanien ähnliche Ersuchen verweigern können? Mit der Unterstützung von Spaniens Banken, die keineswegs alle systemrelevant sind, begeben wir uns in einen Teufelskreis und eine Abhängigkeit der Finanzmärkte, aus der wir nicht mehr herauskommen. Deshalb werde ich bei der heutigen Abstimmung dagegen stimmen. Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Nach wie vor bin ich fest davon überzeugt, dass uns der beschrittene Weg zur Euro-Rettung immer tiefer in die kollektive Schieflage führt. Wir befördern derzeit den Dominoeffekt, den wir eigentlich verhindern wollten - vergleiche meine Protokollerklärung vom 29. Juni 2012. Trotzdem bin ich dazu bereit, in jedem einzelnen Fall abzuwägen. So auch im Fall Spanien. Aber hier sehe ich die Voraussetzungen für eine Zustimmung aus folgenden Gründen nicht gegeben: Erstens. Das zur Verabschiedung stehende Rettungspaket für Spanien unterliegt einem schweren Konstruk-tionsfehler: Mit ihm soll eine sektorale Bankenhilfe -geleistet werden, ohne dass der spanische Staat dafür Auflagen zu erfüllen hat. Und das, obwohl Bankbilanzen grundsätzlich immer auch die gesamtwirtschaftliche Lage eines Landes widerspiegeln. Damit wird ein Prinzip ausgehebelt, das bislang noch ein gewisses Maß an Sicherheit in der Krisenbewältigung versprach: das Prinzip Hilfen nur für Gegenleistungen. Mit anderen Worten: Wir geben das bisherige Gebot auf, Euro-Ländern nur zu strikten Konditionen Unterstützung zu gewähren. Die vereinbarten Auflagen beziehen sich nämlich ausschließlich auf den Bankensektor. Ich befürchte, dass damit ein Präzedenzfall geschaffen wird, der einen Paradigmenwechsel einleitet. Zweitens. Auch das Versprechen, Spanien werde für die gewährten Finanzhilfen haften, ist unrealistisch. Dafür spricht einerseits, dass die Finanzhilfen auch an bereits verstaatlichte spanische Banken ausgereicht werden sollen. Bei einer Insolvenz dieser Banken wäre Spanien demzufolge in der Zwangslage, Finanzhilfen für das ganze Land beantragen zu müssen. Andererseits sieht das Abkommen mit Spanien vor, die Finanzhilfe auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus - ESM - zu übertragen und dann eine unmittelbare Rekapitalisierung von Finanzinstitutionen zu ermöglichen, sobald "ein einheitlicher Aufsichtsmechanismus für die Banken im Eurogebiet geschaffen worden ist" - Erwägungsgrund Nr. 5 der Präambel. Dies ist meiner Meinung nach ein Versuch, den zweiten vor dem ersten Schritt zu machen. Er widerspricht elementar den ökonomischen Anreizen. Das Finanzhilfeabkommen enthält sogar ein autonomes Vertragsänderungsverfahren, das den Vertragsparteien die Kompetenz überträgt, die Finanzhilfevereinbarung eigenständig zu ändern - Ziffer 14 Abs. 6 Buchstabe h. Anders ausgedrückt: Die Haftung Spaniens kann durch die Vertragsparteien selbst ausgehebelt werden, sobald die Beschlüsse der EU-Staats- und Regierungschefs vom 28./29. Juni 2012 umgesetzt sind. Damit wäre der Grundstein für eine künftige Vergemeinschaftung von Bankenschulden gelegt. Richtig wäre es jetzt, im Euro-Raum eine Insolvenzordnung für Banken zu etablieren, um die Restrukturierung oder geordnete Abwicklung von Banken in einem vorhersehbaren und transparenten Verfahren zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund kann ich dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen. Rolf Schwanitz (SPD): Die Abstimmungen des Deutschen Bundestages zum Fiskalpakt und zum ESM am 29. Juni 2012 waren überschattet vom Ergebnis des Gipfeltreffens der Euro-Länder vom gleichen Tage. In der Gipfelerklärung der Mitglieder des Euro-Währungsgebiets vom 29. Juni 2012 wurden weitreichende Lockerungen für das gegenwärtige und künftige Euro-Rettungsgeschehen beschlossen. Dazu gehörten vor allem die Schaffung einer direkten, nicht über ein einzelnes Mitgliedsland laufenden Rekapitalisierungsmöglichkeit für Banken durch den ESM sowie neue, unkonditioniertere Hilfen aus dem EFSF/ESM, bei denen nicht mehr auf der Grundlage von Troika-Berichten im Detail konditionierte Vollprogramme abgeschlossen werden, sondern lediglich die Einhaltung der Vorgaben des Europäischen Semesters, des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowie der länderspezifischen Empfehlungen zur Bedingung gemacht wird. Da dies von der aktuellen Fassung des ESM nicht gedeckt ist, erklärte die Bundesregierung am 29. Juni 2012, hinsichtlich des Instruments einer direkten Bankenhilfe zu einem späteren Zeitpunkt eine erneute Gesetzesänderung durch das Parlament erwirken zu wollen. Ich habe den von der Bundesregierung eingebrachten Antrag zur Finanzhilfe zugunsten Spaniens heute abgelehnt, weil mit diesem Antrag in meinen Augen die mit der Gipfelerklärung vom 29. Juni 2012 beschlossenen Lockerungen ohne weitere parlamentarische Diskussion bereits innerhalb des Rechtsrahmens des EFSF weitgehend vollzogen werden. Das mache ich an folgenden Bewertungen fest: Zwar wird mit dem vorliegenden Antrag noch keine direkte Bankenhilfe durch den EFSF ermöglicht. Dennoch ist mit der vorgelegten Vereinbarung erstmalig nicht allein der spanische Staat Vertragspartner des EFSF. Der spanische Bankenrestrukturierungsfonds FROB wird neben dem spanischen Staat Vertragspartner und übernimmt ausweislich der Nr. 13 der Vereinbarung gegenüber dem EFSF die letztendliche Haftung. Der FROB ist deshalb viel mehr als nur ein Bevollmächtigter - Agent - des spanischen Staates. Er ist vollwertiger Vertragspartner des EFSF und tritt in letzter Konsequenz bei der Haftung anstelle des spanischen Staates. Die Hilfen werden dem spanischen Staat ohne weitere auf den Staat bezogene Konditionen gewährt. Der Abschluss eines Vollprogramms ist gerade nicht Voraussetzung für den Erhalt der - indirekten - Bankenhilfe durch den EFSF. Der Verweis auf die Einhaltung der für Spanien geltenden Empfehlungen des Rates zum nationalen Reformprogramm - Ratsdrucksache 11273/12 - ist in meinen Augen als Ersatz für konkrete Konditionen nicht geeignet. Abzüglich der Erwägungsgründe werden hier lediglich acht allgemeine Empfehlungen benannt, die einen Textumfang von zwei Seiten nicht überschreiten. Das halte ich im Blick auf Darlehen in der beabsichtigten Gesamthöhe von 100 Milliarden Euro für unzureichend. Darüber hinaus kritisiere ich am vorliegenden Antrag, dass eine Ermächtigung zu einem Darlehen in einer unbestimmten Gesamthöhe von - siehe Drucksache 17/10320, Seite 1 - "bis zu" 100 Milliarden Euro erteilt werden soll, ohne dass der konkrete Finanzbedarf ermittelt und dargestellt worden ist, dass die Bankenhilfe ganz offensichtlich nicht oder nicht ausschließlich zur Rekapitalisierung von systemrelevanten spanischen Banken bestimmt ist und dass die Bundesregierung bisher keine substanziellen Fortschritte bei der Regulierung des europäischen Banken- und Finanzmarktes erreicht hat noch solche Regulierungen künftig beabsichtigt. Die im Antrag aufgezeigte Bankenhilfe für Spanien ist ebenfalls nicht an entsprechende Bedingungen geknüpft worden. Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Im Grundsatz bin ich bereit, Finanzhilfe für Spanien mitzutragen, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro--Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die nun vorgesehene Finanzhilfe zugunsten Spaniens erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen hierfür. Das Gebot strikter Konditionalität wird durch--brochen, indem die Finanzhilfe an Spanien gewährt wird, ohne dass im Gegenzug angemessene Auflagen für das Land selbst vereinbart wurden. Die sektorale Finanzhilfe für Banken kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bankbilanzen ein Spiegelbild der gesamtwirtschaftlichen Lage des Landes sind. Im Übrigen ermöglicht es die Vereinbarung mit Spanien grundsätzlich, die Finanzhilfe auch für den Ankauf von spanischen Staatsanleihen auf dem Primär- oder Sekundärmarkt einzusetzen (Ziffer 2 Abs. 2 Buchstabe h und i). Es wäre daher ein nationales Reformprogramm für Spanien erforderlich, das selbstverständlich die bereits durchgeführten substanziellen Reformschritte berücksichtigen könnte. Die Haftung Spaniens für die gewährte Finanzhilfe wird sich nicht wie vereinbart durchsetzen lassen. Zum einen sollen Darlehen auch an bereits verstaatlichte spanische Banken ausgereicht werden, bei deren Insolvenz Spanien gehalten wäre, Finanzhilfe für das ganze Land zu beantragen. Zum anderen sieht die Vereinbarung mit Spanien bereits vor, die Finanzhilfe auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu übertragen und dann eine unmittelbare Rekapitalisierung von Finanzinstitu-tionen zu ermöglichen (Erwägungsgrund Nr. 5 der Präambel). Hierzu enthält die Finanzhilfevereinbarung sogar ein autonomes Vertragsänderungsverfahren, das den Vertragsparteien die Kompetenz überträgt, die Finanzhilfevereinbarung eigenständig zu ändern (Ziffer 14 Abs. 6 Buchstabe h). Auf diesem Wege kann die Haftung Spaniens durch die Vertragsparteien selbst ausgehebelt werden, sobald die Beschlüsse der EU-Staats- und Regierungschefs vom 28./29. Juni 2012 umgesetzt sind. Die Finanzhilfevereinbarung mit Spanien legt damit eine Grundlage für die künftige Vergemeinschaftung von Bankenschulden. Stattdessen wäre es geboten, im Euro-Währungsgebiet eine Insolvenzordnung für Banken zu etablieren, um die Restrukturierung oder geordnete Abwicklung von Banken in einem vorhersehbaren und transparenten Verfahren zu ermöglichen. Aus diesen Gründen sehe ich mich nicht in der Lage, dieser Finanzhilfevereinbarung zuzustimmen. Arnold Vaatz (CDU/CSU): Ich lehne den Antrag gemäß § 3 StabMechG auf Zustimmung des Bundestages zum Abschluss einer Vereinbarung für Hilfen zugunsten Spaniens mit dem Zweck einer Stabilisierung des dortigen Finanzsektors ab. Der vorliegende Antrag wird zwar unter den Regularien der zeitlich befristeten Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, EFSF, gestellt, deren Errichtung ich zugestimmt habe. Der heutige Antrag umfasst aber auch die spätere Übertragung der Hilfen zugunsten Spaniens auf den Europäischen Stabilisierungsmechanismus, ESM. Der Errichtung des ESM habe ich meine Zustimmung verweigert, da ich den damit verbundenen Einstieg in eine dauerhafte Stützung nicht wettbewerbsfähiger Volkswirtschaften in der Euro-Zone ablehne. Ich halte es für ausgeschlossen, auf diesem Weg die notwendigen strukturellen Veränderungen durchzusetzen, die die Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder innerhalb der Euro-Zone wiederherstellen würden. Daher werden in absehbarer Zeit die Transfers nicht beendet werden können, ohne dass die betreffenden Staaten wieder denselben Finanzierungsproblemen begegnen wie derzeit. Die Kräfte der noch kreditwürdigen Kernstaaten der Euro-Zone werden aber nur für eine sehr begrenzte Zeit ausreichen, Transfers zugunsten der Staaten zu garantieren, die sich selbst am Kreditmarkt nicht mehr finanzieren können. Notwendig wäre statt fortgesetzter Transfers eine Rückkehr zu einer strikten und umfassenden Beachtung der Nichtbeistandsklausel (No-Bailout). Damit wäre unweigerlich verbunden, dass auch die Insolvenz eines Staats der Euro-Zone und die gegebenenfalls zeitlich begrenzte Rückkehr zu einer eigenen Währung in Kauf zu nehmen wäre. Für diesen Fall müssten international akzeptierte Regelungen geschaffen werden. Die Auswirkungen auf den Finanzsektor müssten in ähnlicher Weise wie nach der Finanzkrise 2007 eingegrenzt werden. Ich halte die zwar erheblichen, aber eher kurz- und mittelfristigen Risiken dieser Alternative für weniger schwerwiegend als die langfristigen Gefahren für die Stabilität unserer Währung und die politische Stabilität Europas, die mit der Errichtung einer europäischen Transferunion verbunden wären. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Stephan Kühn, Monika Lazar, Beate Müller-Gemmeke, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Arfst Wagner und Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den -Antrag: Finanzhilfe zugunsten Spaniens; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten Spaniens (Tagesordnungspunkt 1 b) Spanien hatte am Ausgangspunkt der Krise 2007 eine überaus geringe Staatsverschuldung von 42 Prozent des BIP. Erst aufgrund der notwendig gewordenen Rettungsaktionen für den spanischen Finanzsektor stieg die offizielle Staatsschuldenquote auf über 80 Prozent an, liegt damit aber immer noch unter der deutschen Schuldenquote. Trotzdem hat Spanien ein akutes Refinanzierungsproblem und muss vor weiteren Zinssteigerungen geschützt werden. Das zeigt, dass die von den Regierungsparteien geprägte Interpretation dieser Krise als reine Staatsschuldenkrise sachlich falsch ist. Entsprechend ist auch die Politik, die daraus folgte und einseitig die staatliche Ausgabenpolitik zu korrigieren versuchte, kein geeigneter Ansatz zur Lösung dieser Krise. Im Gegenteil: Der spanische Staat wird so derzeit von Finanzmärkten und europäischer Politik zu einer mittel- und langfristig schädlichen Kürzungspolitik gezwungen. Deswegen halten wir generell eine Unterstützung Spa-niens auch für wichtig. Denn jeder Schuldner kann, wenn die Zinsen hoch genug steigen, in die Insolvenz gedrückt werden. Gleichzeitig besteht der Ansteckungseffekt fort, der von Griechenland über Irland und Portugal nun auch Spanien und Zypern erfasst. Denn wieder einmal -beschränkt sich das von den europäischen Staats- und Regierungschefs Vereinbarte auf das kurzfristig Notwendige, erreicht aber nicht das mittelfristig Erforderliche. Denn der Zinsdruck auf Spanien wird nur insofern -gemindert, als das derzeit für die Bankenrettung für nötig erachtete Volumen von bis zu 100 Milliarden Euro zinsgünstig über die EFSF refinanziert werden kann. Angesichts eines spanischen Refinanzierungsbedarfs von 152 Milliarden Euro allein im Jahr 2013 wird allerdings unmittelbar deutlich, dass das nicht genügen kann, um auch nur zwei Jahre Stabilität zu sichern, Der eigentliche Grund für die dramatische Lage in Spanien ist die hohe Verschuldung von Privathaushalten, Unternehmen und Banken, die im Zusammenhang mit der Immobilienblase entstand. Sie wird erst jetzt nach und nach in ihrer vollen Höhe transparent, da die spanischen Aufsichtsbehörden - auch politisch motiviert - versagt haben, das Problem frühzeitig anzugehen. Seit Monaten nun verschleppt die spanische Regierung die Sanierung des maroden Bankensektors. Das wird dazu genutzt, Verbindlichkeiten der Institute dahin gehend umzuschichten, dass eine Gläubigerbeteiligung immer schwieriger wird. Derzeit bieten spanische Banken ihren Nachrangkapitalgebern den Umtausch ihres Kapitals In Verbindlichkeiten niedrigerer Haftungsränge an, um diese Investoren vor etwaigen Beteiligungen zu schützen. Wie schädlich diese Entwicklung ist, zeigt sich daran, dass Ende 2009 noch über 100 Milliarden Euro an Nachrangkapital zur Verfügung standen, die Verluste im Bankensektor hätten absorbieren können. Doch im April 2012 waren es nach Analystenschätzungen nur noch rund 57 Milliarden Euro. Jetzt werden signifikante Teile des verbleibenden Nachrangkapitals von Kleinanlegern gehalten, die aufgrund von Falschberatung und Rück-erstattungsansprüchen möglicherweise nicht so leicht herangezogen werden können. Das heißt: Wären diese Investoren frühzeitig beteiligt worden, wäre ein europäisches Hilfspaket wahrscheinlich gar nicht nötig gewesen. Heute jedoch ist Spanien auf die Unterstützung der anderen europäischen Staaten angewiesen. Dass die Hilfe zweckgebunden ausschließlich für den Bankensektor gewährt wird, hat vor dem Hintergrund der spanischen Situation zwar eine inhaltliche Plausibilität. Letztlich ist es jedoch der Versuch zu vermeiden, dass Spanien zum Programmland wird und damit als -Garantiegeber für die EFSF ausscheidet, sowie der Regierung eines großen EU-Mitgliedslands die Schmach einer allgemeinen Hilfsaktion und damit eines weitgehenden Verzichts auf wirtschaftspolitische Souveränität zu ersparen. Problematisch ist allerdings weniger dies, sondern die Tatsache, dass damit kaschiert wird, dass sich Spanien de facto doch zu weitgehenden Austeritätsmaßnahmen verpflichten musste. So übernimmt der Deutsche Bundestag eben nicht nur die Verantwortung für die Freigabe der Mittel aus dem Bundeshaushalt; sondern auch für die damit verbundenen Konditionen, die Spanien weiter in die Rezession treiben, die Arbeitslosigkeit erhöhen und die sozialen Kosten der Krise steigern werden. Dem können wir nicht zustimmen. In dem von der Euro-Gruppe und Spanien ausgehandelten Memorandum of Understanding, MoU, wird die -generelle Absicht geäußert, die Stabilisierung des spanischen Finanzsystems möglichst schonend für den Steuerzahler zu gestalten. Das ist zwar zu begrüßen, -allerdings sind die genauen Konditionen der Banken--restrukturierung und -abwicklung bei der heutigen Bewilligung der 100 Milliarden Euro Hilfsgelder noch nicht spezifiziert. Denn erst nach dem angekündigten Stresstest wird Klarheit darüber herrschen, wie viel zusätzliches Kapital die Banken benötigen und welcher Anteil davon vom spanischen Staat (über die Finanzierung der EFSF) getragen werden muss und wie genau Gläubiger beteiligt werden. Dabei ist wichtig zu bemerken, dass die Ausgestaltung des Stresstests ein Politikum und keine reine technische Übung von Experten ist. Denn je nach zugrundegelegtem Szenario wird eine Bank als überlebensfähig oder systemrelevant gelten und dementsprechend staatliche Kapitalspritzen erhalten oder nicht. Wir halten es vor diesem Hintergrund für richtig, als Notmaßnahme der EFSF zugunsten Spaniens zur möglicherweise kurzfristig notwendigen Rekapitalisierung von Finanzinstitutionen Mittel bis zu einer Gesamthöhe von 30 Milliarden Euro zuzustimmen, die bis Ende Juli 2012 bereitgestellt und von der EFSF in Reserve gehalten werden. Für die weiteren 70 Milliarden Euro wäre es hingegen richtig, dass der Bundestag abstimmt, wenn das Restrukturierungsgesetz in Spanien verabschiedet worden ist, die Ergebnisse des Stresstests vorgelegt wurden und die Pläne für die Restrukturierung und Abwicklung von Banken im Herbst dieses Jahres über die tatsächlich benötigten Mittel bekannt sind. Jetzt muss der Bundestag eine Generalvollmacht ausstellen, die wir nicht für vertretbar halten. Im Herbst könnte er hingegen im Lichte der genannten Schritte eine realistische Einschätzung über die Lasten und die geplanten Maßnahmen vornehmen. Der dadurch entstehende -Anreiz für spanische Behörden und Troika, die Banken--rettung tatsächlich im Sinne des Steuerzahlers zu gestalten, wäre - gerade auch vor dem Hintergrund der Er--fahrungen bei der Bankenrettung in Deutschland und -Irland - wichtig gewesen. Weiterhin ist besonders problematisch, dass es sogenannte "Gruppe 3"-Banken geben soll, die bis Juni 2013 Zeit bekommen, sich über den Markt zu rekapitalisieren. Angesichts der spanischen Marktsituation ist das nur die Fortführung der Insolvenzverschleppung. Dies wird neben monatelanger Unsicherheit auch dazu führen, dass diese Banken ihre Verbindlichkeiten weiter Richtung minder haftendem Kapital umbauen werden. Um diesen Prozess nicht fortzuführen, hätten wir eine simultane -Sofortkapitalisierung bei systemrelevanten Banken befürwortet - und nicht einen stufenweisen Ansatz wie im MoU vorgeschlagen. Bei allen anderen Instituten, die sich nicht über den Markt rekapitalisieren können, bedürfte es einer geordneten Insolvenz. Unklar bleiben auch die finanziellen Rahmenbedingungen bei der Übertragung von notleidenden Aktiva auf die Vermögensverwaltungsgesellschaft Asset Management Company, AMC, die zu einem nicht näher definierten "tatsächlichen (langfristigen) wirtschaftlichen Wert (real economic value, REV)" übernommen werden sollen. Hinzu kommt die geringe Möglichkeit zur öffentlichen und parlamentarischen Kontrolle der vorgenommenen Maßnahmen. Dem spanischen Parlament wurden Memorandum of Understanding und andere Unterlagen gar nicht vorgelegt, eine effektive Kontrolle der Maßnahmen zur Bankenstabilisierung ist so nicht möglich. Wir halten eine Überprüfung durch den Europäischen Rechungshof und das Europäische Parlament für erforderlich. Die Überprüfung durch drei Institutionen, die -jeweils keiner effektiven parlamentarischen Kontrolle unterliegen, nämlich EZB, EU-Kommission und IWF, kann das Fehlen einer parlamentarischen Kontrolle nicht wettmachen. Unsere Perspektive ist eine andere: - Mit einem Schuldentilgungsfonds kann nicht nur -Spanien, sondern auch anderen Ländern die notwendige Stabilität gebracht werden, während zu stellende Sicherheiten den deutschen Steuerzahler vor Überforderung schützen. - Mit einem europäischen Ansatz wird der europäische Bankensektor gleichzeitig stabilisiert. Ein zügig vereinbarter EU-Restrukturierungsrahmen stellt sicher, dass dafür vor allem die Kapitalgeber der Banken und nicht die Steuerzahler herangezogen werden. Wo trotzdem staatliche Rekapitalisierung erforderlich werden sollte, übernimmt ein europäischer Restruk-turierungsfonds die Eigentums- und Kontrollrechte. - Mit europäisch koordinierten Vermögensabgaben wird dafür gesorgt, dass die Lasten dieser Krise fair verteilt werden und die soziale Schere nicht weiter zunimmt. Dafür braucht es endlich einen Kurswechsel in -Europa. Vor diesem Hintergrund enthalten wir uns bei dieser Abstimmung. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frank Schäffler (FDP), Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU), Sylvia Canel (FDP), Jens Ackermann (FDP), Lars Lindemann (FDP) und Manfred Kolbe (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfe zugunsten Spaniens; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten Spaniens (Tagesordnungspunkt 1 b) Beim durch die Rettungslogik angestoßenen Euro-Domino fällt ein weiterer Stein. Nach Griechenland, Irland und Portugal geht es nun um das Königreich Spanien. Erstmals ist ein Staat mit so hohen Staatsschulden betroffen, dass die einfache Übernahme seiner Staatsschulden durch die Mitgliedstaaten der Euro-Zone nicht ohne weiteres tragbar ist. Da man den bisherigen Weg nicht weiter beschreiten kann, wird für Spanien erstmals von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Finanzhilfen in Form einer Bankenrekapitalisierungsfazilität bereitzustellen. Der genehmigte Betrag umfasst 100 Milliarden Euro. Einmal in Gang gesetzt, kann man das Fallen anderer Dominosteine nur unterbinden, wenn man einen Stein wegnimmt. Anders als von den Rettungseuropäern behauptet, hört das Domino nicht auf, wenn man die Schulden weiterer Staaten und ihrer Banken subventioniert, sondern wenn man diese ordnungspolitische Sünde nicht mehr begeht. Erforderlich ist also, dass endlich Staaten und ihre Banken die Folgen ihres Handelns tragen. Für Staaten bedeutet dies, dass sie sich mit ihren Gläubigern auf eine Umschuldung einigen müssen, wenn sie die verlangten Zinsen nicht mehr zahlen können oder wollen. Ob man diesen Vorgang Umschuldung, Schuldenschnitt, Haircut, Resolvenz oder Insolvenz nennt, ist unbedeutend. Entscheidend ist allein der Umstand, dass die Vertragsparteien ohne Subventionen und Intervention von Dritten zu einer Einigung kommen. Denn jede Einmischung Dritter zerstört den Effekt, den eine Umschuldung haben muss: Sie soll sowohl Gläubiger als auch Schuldner disziplinieren. Der Gläubiger soll lernen, dass er nicht blindlings Staaten Kredit geben kann, sondern soll das Insolvenzrisiko einpreisen müssen. Die schuldenden Staaten sollen lernen, dass sie nicht unentwegt und unbegrenzt ihre verantwortungslosen Ausgaben von heute mit ungedeckten Schecks auf die Zukunft finanzieren können. Solange wir diesen Zusammenhang durch staatliches Handeln negieren, so lange wird sich die desaströse Si-tuation der Euro-Zone nicht verbessern. Die ökonomischen Anreize einer Umschuldung ohne Beeinträchtigung von außen lassen sich nicht durch politische Instrumente simulieren. Schon wegen dieser grundsätzlichen Überlegung müssen wir den Antrag der Bundesregierung ablehnen, Spaniens Banken und ihre Gläubiger auf Kosten des europäischen Steuerzahlers zu sanieren. Daneben existieren weitere Gründe, diesen Antrag abzulehnen: Erstens. Abkehr von der strengen Konditionalität: Legt man die bisherigen Maßstäbe der Rettungseuropäer an, so bedeutet die Rekapitalisierung von Banken eine Abkehr von der versprochenen strengen Konditionalität, woran die europäischen Finanzhilfen bislang gekoppelt waren. Spanien gehört anhand dieser bisherigen Maßstäbe unter ein makroökonomisches Anpassungsprogramm. Es hat mit rund 50 Prozent die höchste -Jugendarbeitslosigkeit Europas und eine reguläre Arbeitslosenquote von circa 25 Prozent. Es verstößt fortwährend gegen die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Deswegen läuft gegen Spanien ein Verfahren wegen übermäßigen Defizits. Die Abbauziele daraus hat es verfehlt. Gerade wurde - wie in Griechenland - der Umsetzungszeitraum verlängert. Doch selbst diese aufgeweichten Abbauziele wird Spanien nach Prognosen von Analysten verfehlen. Des Weiteren haben auch Spaniens Regionen enorme Haushaltslöcher. Schließlich leidet Spanien unter einem ständigen und hohen Kapitalabfluss. In der Gesamtschau ist festzustellen, dass Spanien einen strukturellen Reformbedarf hat. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Zweitens. Immobilienblase noch nicht geplatzt: Die spanische Immobilienblase ist nicht einmal zur Hälfte abgebaut. Die Preise sind seit Sommer 2007 um nur 19 Prozent gefallen. Sie liegen aber noch zweieinhalbmal so hoch wie Mitte der 90er-Jahre. Dagegen sind in Irland die Häuserpreise während der Krise um 50 Prozent eingebrochen. Dieser Einbruch bei den Häuserpreisen hat einen entsprechenden Wertberichtigungsbedarf in den Bankbilanzen ausgelöst. Wenn man den Einbruch beim irischen Kreditvergabevolumen, der im Zusammenhang mit dem Wertberichtigungsbedarf in den Bankbilanzen steht, mit dem spanischen Kreditvergabevolumen ins Verhältnis setzt, so ergibt sich für Spaniens Banken ein Kapitalbedarf in der Größe von mehr als 400 Milliarden Euro. Das ist viel mehr als der Bedarf von 52 bis 61 Milliarden Euro, von dem derzeit behauptet wird, er sei eine realistische Schätzung der Höhe der benötigten Subventionen. Es überrascht also nicht, wenn Bankanalysten ebenfalls zu einem deutlich höheren Wertberichtigungsbedarf kommen. So gibt es etwa eine Studie, die einen Wertberichtigungsbedarf auf die vergebenen Kredite der spanischen Banken in Höhe von 266 Milliarden Euro nennt. In jedem Fall ist das jetzige Paket deutlich unterdimensioniert. Weitere werden folgen müssen. Drittens. Einstieg in die direkte Rekapitalisierung der Banken: Die Spanien-Hilfe ist keine direkte Rekapitalisierung der spanischen Banken, aber doch ein Zwischenschritt dorthin. Das liegt an der Anrechnung der Sanierungskredite auf die spanische Staatsschuld. Kredite an Spanien in Form der heute beschlossenen Bankenrekapitalisierungsfazilität erhöhen die spanische Staatsschuldenquote. Die jetzt bereitgestellten 30 bzw. 100 Milliarden Euro werden spätestens bei Auszahlung die spanische Schuldenquote erhöhen. Kalkuliert man in einem Gedankenexperiment überschlägig die Staatsschuldenquote Spaniens, wenn alle benötigten Subventionen zur Sanierung des Bankensektors als Kredite an Spanien vergeben würden, so ergäbe sich folgendes Bild: Bei realistischen Wertberichtigungen in Höhe von 266 - bzw. 400 - Milliarden Euro erhöht sich die spanische Staatsschuldenquote von 68,4 Prozent im Jahr 2011 auf 95 Prozent - bzw. 110 Prozent - im Jahr 2012. Die Folgen sind klar: Ratingagenturen würden Spanien herabstufen und seine Anleihen als Ramsch beurteilen, wenn dies Realität würde. Zusätzlich hat Spanien in einer unbekannten Größenordnung für spanische Bankschulden gebürgt, insbesondere auch deshalb, um -Abschreibungen in den spanischen Bankbilanzen zu verhindern. Wenn Spaniens Kreditwürdigkeit auf Ramsch absinkt, so müssten die spanischen Banken diese staatlich garantierten Forderungen wertberichtigen. Zusätzlich entfiele die Zentralbankfähigkeit dieser Forderungen. Eine Erhöhung der spanischen Staatsschuldenquote gefährdet daher das Rating Spaniens und in der Folge das spanische Bankensystem insgesamt. Das ist der Grund, warum in der Rettungslogik die spanischen Banken möglichst finanziert werden sollen, ohne die Schulden des Königreichs Spanien zu erhöhen. Eine direkte Rekapitalisierung der spanischen Banken würde indes die Staatsschuldenquote Spaniens nicht berühren. Genau aus diesem Grund hat bislang kein maßgeblicher Politiker die direkte Bankenrekapitalisierung explizit ausgeschlossen. Es wurde lediglich darauf verwiesen, dass zunächst eine "gemeinsame europäische Bankenaufsicht" vorliegen müsse. An dieser wird bereits gearbeitet, und konkrete Umsetzungsvorschläge sollen im Herbst vorliegen. Zu diesem Sachverhalt passt auch, dass die zunächst bereitgestellten 30 Milliarden Euro nur als Reserve dienen und nicht ausgezahlt werden sollen - denn jede Auszahlung an Spanien erhöht den spanischen Schuldenstand. Man wartet mit der Auszahlung bewusst ab, bis man die Möglichkeit der direkten Rekapitalisierung geschaffen hat. Viertens. Fehlende Systemrelevanz: Der Beschluss der G-20-Staaten, keine systemrelevante Bank pleitegehen zu lassen, betrifft in Spanien -allein die Banco Santander, denn diese ist nach den Kriterien des Financial Stability Board die einzige systemrelevante Bank Spaniens. Die Banco Santander ist ausreichend kapitalisiert. Selbst gemäß dem Memorandum of Understanding ist keine der drei größten spanischen Banken zur Rekapitalisierung vorgesehen. Gerettet werden also nur nichtsystemrelevante Banken, das sind lokale und regionale Banken, vor allem Sparkassen. Ohne Systemrelevanz besteht kein Anlass, eine Bank vor der Insolvenz zu retten. Sie können pleitegehen, ohne das -Finanzsystem als Ganzes zu gefährden. In diesem Zusammenhang erinnere ich an unsere gesetzlichen Voraussetzungen für Hilfen aus der EFSF. In § 1 Abs. 2 StabMechG heißt es: Notmaßnahmen im Sinne von Absatz 1 können auf Antrag eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes zum Erhalt seiner Zahlungsfähigkeit ergriffen werden, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren. Hilfen für nichtsystemrelevante Banken sind nach deutschem Recht unzulässig. Fünftens. Keine Beteiligung der systemrelevanten Banken und des Bankensektors insgesamt: Anders als in Deutschland tragen die spanischen Banken nicht zur Bewältigung der Finanzkrise in Spanien bei. So leisten nach Auskunft unserer Bundesregierung spanische Banken zwar Beiträge zum FROB, werden aber weder über eine Bankenabgabe noch über eine freiwillige Beteiligung an der Bewältigung der Krise beteiligt. In Deutschland haben die Privatbanken freiwillig 8,5 Milliarden Euro allein zur Abwicklung der Hypo Real Estate beigetragen. Das auf die spanische Situation übertragbare Argument war, dass die Stützung der Hypo Real Estate der deutschen Kreditwirtschaft insgesamt nutze. Während die finanzielle Beteiligung der spanischen Kreditwirtschaft an der Bankenrettung schwach ist, sind die Mitspracherechte an der Mittelverwendung ausgeprägt. Die Sanierung der spanischen Banken liegt in der Hoheit des FROB, an den die Mittel der EFSF ausgezahlt werden. Mit der Auszahlung von Sanierungshilfen zur Restrukturierung bzw. Abwicklung soll bei den Banken aus Gruppe 1 und Gruppe 2, die staatliche Hilfen benötigen, noch vor Jahresende begonnen werden. Die Gremien des FROB werden jedoch zumindest teilweise von aktiven Bankmanagern besetzt. Gemäß Nr. 27 von Anhang 2 zum Memorandum of Understanding sollen die dadurch entstehenden Interessenkonflikte aber erst zum 1. Januar 2013 ausgeräumt werden. Zu diesem Zeitpunkt werden die europäischen Subventionen bereits zu einem großen Teil verwendet worden sein. Sechstens. Restrukturierung nicht nach ordnungspolitischen Regeln: Schließlich ist das Herausboxen der Eigentümer und der Gläubiger ein schwerer Verstoß gegen ordnungspolitische und marktwirtschaftliche Prinzipien. In erster Linie müssen bei einer Überschuldungssituation die Eigenkapitalgeber haften. Dies geschieht technisch durch eine Kapitalherabsetzung, aufgrund der sie ihre Beteiligung am Unternehmen verlieren. Für diesen Fall steht das Eigenkapital als Haftungsreservoir zur Verfügung. Bevor es zu einer Subventionierung durch den europäischen Steuerzahler kommt, muss dieses Haftkapital vollständig aufgebraucht werden. Entsprechend einer Antwort des BMF beläuft sich "die Summe des haftenden Eigenkapitals der spanischen Kreditwirtschaft ... nach Angaben der spanischen Zentralbank auf 249 300 Millionen Euro (Stand 30. April 2012)". Wenn die uns vorgelegten Angaben korrekt sind, dass mit einem Kapitalbedarf zwischen 52 und 61 Milliarden Euro zu rechnen ist, dann sollte diese Summe leicht aus dem haftenden Eigenkapital der spanischen Kreditwirtschaft aufzubringen sein. Selbst wenn das Eigenkapital komplett verbraucht werden sollte, bestünde kein Anlass, den europäischen Steuerzahler sofort zu belasten. Denn erst müssen die Gläubiger der Reihenfolge ihres Ranges nach zwingend beteiligt werden. Dies sieht der Antrag des BMF ausdrücklich nicht vor. Äußerst intransparent vollzieht sich die Auslagerung wertgeminderter Aktiva in die noch zu gründende Asset Management Company, - AMC. Die wertgeminderten Aktiva sind in den spanischen Bankbilanzen zu einem bedeutenden Teil nicht wertberichtigt worden. Das liegt unter anderem daran, dass per Sondergesetz das Bilanzrecht für bestimmte Aktiva so verändert wurde, dass Wertberichtigungen nicht mehr erforderlich waren. Die Auslagerung dieser Aktiva erfolgt gemäß Nr. 21 des Memorandum of Understanding zum Real Economic -Value. Dieser ist indes nicht der Marktwert der Aktiva, sondern wird durch eine Kommission unter Beteiligung von -Eurostat bestimmt. Dadurch ist einerseits eine verdeckte Subventionierung eigentlich abzuwickelnder spanischer Banken vorgezeichnet. Andererseits sind Verluste bei der übernehmenden AMC vorprogrammiert, die sich aus der Differenz zwischen Real Economic -Value und tatsächlichem Erlös ergeben. Diese Verluste werden erst über den Zeitraum vieler Jahre realisiert werden, da die Aktiva bis zur Endfälligkeit gehalten werden können. Dem FROB droht in Bezug auf die übernommenen spanischen Aktiva ein ähnliches Schicksal wie der FMS Wertmanagement in Bezug auf griechische Staatsanleihen: Ihr Griechenland-Portfolio musste kürzlich zusammen mit den korrespondierenden Derivatepositionen zum Jahresabschluss 2011 mit 8,9 Milliarden Euro wertberichtigt werden. Für den FROB sind schlimmere Haftungssummen zu erwarten, die der europäische Steuerzahler auf Jahre hinaus bezahlen wird. Siebtens. Anwendung der Regeln mit zweierlei Maß spaltet Europa: Erneut werden die rechtsstaatlichen Regeln Europas mit Füßen getreten werden. Während Irland ein umfassendes Restrukturierungsprogramm bewältigen muss und dies ebenfalls Zypern droht, obwohl beide Länder nur ein Bankenproblem haben, werden sie anders als Spanien behandelt. Dabei hat Spanien neben seinem Bankenproblem auch ein tiefgreifendes Strukturpro-blem seiner Wirtschaft. Große und kleine Länder werden in Europa unterschiedlich und ungleich behandelt. Bei den Kleinen kommt der Sparkommissar, bei den Großen kommt der Geldkoffer. Diese Ungleichbehandlung zerstört das Europa des Rechts und der Freiheit. Anlage 7 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Urteil des Kölner Landgerichts vom 7. Mai 2012, in dem die Beschneidung eines Jungen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet wurde, hat zu Verunsicherungen einerseits bei jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, andererseits bei Ärzten geführt. Dem Urteil kommt aber auch weit über die Religionsgemeinschaften und Fachkreise hinaus große Aufmerksamkeit zu. Dies geschieht aus gutem Grund, denn die Beschneidung - oder auch Zirkumzision - betrifft nicht nur einen, sondern mehrere grundrechtsensible Bereiche. Will man rechtliche Regelungen zur Beschneidung treffen, müssen verschiedene miteinander kollidierende grundrechtlich verbürgte Positionen gegeneinander abgewogen werden: das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Religionsfreiheit und das Recht der Eltern auf Erziehung. Das Wohl des Kindes ist ein zentraler Gesichtspunkt: Seine körperliche Unversehrtheit und sein Recht, als gleichberechtigtes Mitglied einer Religionsgemeinschaft aufzuwachsen, müssen im Mittelpunkt der Diskussion stehen. Jede Operation erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung. Durch rechtswirksame Einwilligung ist sie gerechtfertigt und dann straffrei. Religionsfreiheit umfasst die Freiheit, einen Glauben zu haben, und die Freiheit, den Glauben ausüben zu können. Der Staat hat die schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe, sowohl die körperliche Unversehrtheit jedes Einzelnen zu schützen als auch die Religionsfreiheit zu gewährleisten und hierbei auch das Elternrecht auf Erziehung zu berücksichtigen. In Deutschland muss muslimisches und jüdisches religiöses Leben weiterhin möglich sein. Ich begrüße die religiöse Vielfalt, die es in unserem Land gibt. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit nur in begründeten Fällen zulässig sind und vor allem medizinisch korrekt und ohne unnötige Schmerzen durchgeführt werden. Um eine gute Regelung zu finden, dürfen wir nicht vorschnell zulasten des einen oder anderen Grundrechts entscheiden. Statt dessen müssen wir eine intensive, vielschichtige und facettenreiche Diskussion führen. Hierbei müssen wir die Konsequenzen berücksichtigen, die die verschiedenen Möglichkeiten mit sich bringen. Dazu müssen wir das Gespräch mit Vertretern der Religionsgemeinschaften, Medizinerinnen und Medizinern und anderen Fachleuten suchen, alle Argumente abwägen und auswerten und alle möglichen Blickwinkel einnehmen. Eine nicht vollständig durchdachte Regelung kann mehr Unruhe stiften als Rechtsfrieden bringen. Wir müssen eine ausgewogene, dauerhafte Regelung finden und nicht voreilige Entscheidungen treffen. Daher enthalte ich mich in der Abstimmung über den Antrag. Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Abweichend vom Votum "Enthaltung" der Linksfraktion stimme ich diesem Antrag zu. Die rechtliche Einordnung der Beschneidung muss in der Tat so schnell und so gründlich wie möglich geklärt werden. Für mich ist dabei oberstes Gebot: Das jüdische und muslimische Leben, für das die Beschneidung von Jungen eine zentrale religiöse Bedeutung hat, muss weiterhin in Deutschland möglich sein. Besonders wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, dass die Beschneidung männlicher Kinder nicht vergleichbar ist mit weiblicher Genitalverstümmelung, die ich verurteile. Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Der vorgelegte interfraktionell erarbeitete Antrag findet nicht meine Zustimmung. Das Landgericht Köln hat mit seinem Urteil vom 7. Mai 2012 die Beschneidung minderjähriger Jungen aus religiösen Gründen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet. Grundsätzlich entfaltet die Entscheidung über den konkreten Einzelfall hinaus keine rechtliche Bindung; dennoch zeigt das Urteil, dass eine grundsätzliche öffentliche Diskussion und Bewertung der religiösen Beschneidungen geboten ist. Die Notwendigkeit in dieser grundsätzlichen Frage, in Form eines Ad-hoc-Verfahrens zu einer zeitnahen gesetzlichen Regelung zu kommen, ist aus meiner Sicht mit Blick auf die Komplexität der Thematik nicht angemessen. Die Debatte über religiöse Beschneidungen sollte ohne Präjudiz, wie die im Antrag vorgenommene Vorfestlegung, die religiöse Beschneidung weiterhin zu ermöglichen, erfolgen. Grundsätzlich erkenne ich die Beschneidung als konstitutives Element des jüdischen und muslimischen Glaubens an. Aus meiner Sicht ist es jedoch geboten, zu prüfen, ob die Beschneidung nicht auch in einem Alter erfolgen kann, in dem das Kind selbst in der Lage ist, seine Zustimmung zu geben. Eine adäquate Auseinandersetzung mit der religiösen Beschneidung sollte aus meiner Sicht neben den Beratungen in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages auch eine Einbeziehung des Ethikrates und gegebenenfalls durch die Einsetzung einer Enquete-Kommission erfolgen. In einem solchen, breit angelegten Verfahren könnte auch über weitere Grenzfälle zwischen religiöser Praxis und rechtsstaatlichen Erfordernissen, wie den Umgang mit dem rituellen Schlachten - Schächten - in angemessener Form diskutiert werden. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Beschneidung kleiner Jungen ist eine sehr schwierige, denn sie berührt mehrere Grundrechte: die Freiheit der Religion und das Erziehungsrecht der Eltern auf der einen Seite, das Recht auf körperliche Unversehrtheit auf der anderen. Grundsätzlich bin ich fest davon überzeugt, dass man es Religionsgemeinschaften in unserem Rechtsstaat nicht erlauben sollte, in andere Grundrechte einzugreifen, dass ihnen aber eine aktive und gegebenenfalls auch institutionelle Rolle im öffentlichen Leben zukommt. Wenn Religion, die für viele Menschen eine zentrale Rolle in ihrem Leben spielt, Teil der politischen Debatte wird, dann werden auch religiöse Traditionen mit Gegenmeinungen konfrontiert, dann müssen sie sich mit der Realität der Gegenwart auseinandersetzen. Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass sich katholische Organisationen am Verfahren der Schwangerschaftskonfliktberatung beteiligen. Diese Diskussion im Hinblick auf die Beschneidung von Jungen ist auch in den jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften im Gange. Dennoch, das zeigen auch die öffentlichen Meinungsäußerungen der letzten Wochen, ist für die große Mehrheit der betroffenen Gläubigen die Beschneidung noch immer ein essenzielles Element ihrer religiösen Identität. Sie zu verbieten, bzw. ihre Ausführung im Zwielicht rechtlicher Unklarheit zu belassen, würde für viele Jüdinnen und Juden, Muslima und Muslime eine Ausübung ihrer religiösen Identität in diesem Land deutlich erschweren oder verunmöglichen. Es bestünde zudem die Gefahr, dass der Eingriff in die sprichwörtlichen Hinterzimmer verlagert würde, wo das Kindeswohl in deutlich größerer Gefahr ist, als das bei der gegenwärtigen Praxis der Fall ist. Der körperliche Eingriff der männlichen Beschneidung ist in seinen Auswirkungen zudem offensichtlich nicht derart belastend, dass es klare medizinische Warnungen davor gäbe. Für einige Regionen der Welt - wenn auch nicht für unsere - wird die Beschneidung gegenwärtig sogar noch von der Weltgesundheitsorganisation als Standardeingriff indiziert und aus medizinischen Gründen auch hierzulande regelmäßig durchgeführt. Zudem ist aus den jüdischen und islamischen Religionsgemeinschaften selbst bislang noch kein nennenswerter Widerstand gegen diese Praxis zu vernehmen. Deswegen ist es geboten, jetzt rechtliche Klarheit zu schaffen und den Eingriff - unter Berücksichtigung des größtmöglichen Schutzes der Kinder - zu regeln und zu erlauben. Die genaue Ausgestaltung dieser gesetzlichen Regelung sollte unter Einbeziehung medizinischen Rats und verschiedener Stimmen aus den betroffenen Religionsgemeinschaften geschehen. Damit geben wir auch den Debatten innerhalb dieser Gemeinschaften einen größeren Platz in der Öffentlichkeit. Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich stimme dem Antrag "Rechtliche Regelung der Beschneidungen von minderjährigen Jungen" zu. Das Landgerichtsurteil vom 7. Mai 2012 entfaltet zwar an und für sich keine Bindungswirkung, durch die daraus resultierende Verunsicherung der jüdischen und muslimischen Bevölkerung sowie die Reaktion der Bundesärztekammer ist ein Handeln aber nötig geworden. Ich möchte nicht, dass religiöses Leben in diesem Land im Untergrund stattfinden muss. Ein Komplettverbot der Beschneidung drängt die jüdischen und muslimischen Gemeinschaften in den Untergrund. Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Memet Kilic und Viola von Cramon-Taubadel (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Der Grundrechtekatalog unseres Grundgesetzes ist ein guter roter Faden für das Zusammenleben in unserer heterogenen Gesellschaft. Dort werden die Grundfreiheiten und Grundrechte und ihre Schranken definiert. Sowohl die Religionsfreiheit - Glaubensfreiheit, Nichtglauben, Wechsel der Religionen -, aber auch körperliche Unversehrtheit sind Grundrechtsgüter. Wenn sie miteinander kollidieren, sind sie abzuwägen, und es muss gegebenenfalls ein guter Kompromiss gefunden werden. Sowohl die heiligen Schriften der Religionen, aber auch die religiösen Riten, Gebräuche und Traditionen beinhalten naturgemäß alte Elemente, die im Lichte der Vernunft und der neuen Einsichten der Wissenschaft neu zu verstehen und zu interpretieren sind. Die Menschheit kann mit Glück und Stolz darauf zurückblicken, dass wir keine Menschenopfer mehr bringen, die Steinigung von Ehebrechern nicht mehr Teil unserer Rechtsprechung ist, verwitwete Hindufrauen seit mehr als 100 Jahren nicht mehr mit ihren verstorbenen Ehemännern verbrannt werden und die Beschneidung von Mädchen weitgehend verpönt und strafbar ist. Bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Nichtdiskriminierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften wurden einige Fortschritte erzielt, aber auch einige Rückschritte verzeichnet. Die Kinder sind nicht das Eigentum der Eltern, der Religionsgemeinschaften oder des Staats. Sie sind Individuen mit vollen Rechten. Das Kindeswohl zu gewährleisten, obliegt den Eltern und dem Staat in den gesetzlichen Rahmen. Der säkulare Staat hat auch die Aufgabe, den Druck der Religionsgemeinschaften oder Weltanschauung auf einzelne Individuen abzuwenden oder dies zumindest abzumildern, damit sich das Individuum frei entfalten kann (Art. 2 Grundgesetz). Medizinisch notwendige Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit stehen hierbei außer Diskussion. Zur Disposition steht nur, inwieweit die blutigen Rituale der Religionsgemeinschaften, die einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit - sogar bei Kleinkindern - darstellen, allein der Entscheidung der Religionsgemeinschaften bzw. Eltern zu überlassen sind. Bei der Beschneidung stellt sich diese Frage vordergründig. Es besteht sowohl wissenschaftliche wie politische Einigkeit darüber, dass die Zirkumzision einen irreversiblen und nicht zu bagatellisierenden Eingriff in die Körper von Menschen darstellt. Es ist aber auch soziologischer Fakt, dass sich viele Eltern in der Religions- oder Traditionspflicht sehen, diesen Vorgang bei ihrem Kind vornehmen zu lassen. Um eine selbstbestimmte Erwachsenenentscheidung - im Idealfall zu einem unblutigen Religionsbekenntnis - zu ermöglichen, kann der Gesetzgeber einen Übergangskompromiss vorlegen. Solch eine gesetzliche Regelung mit einer großen, gesellschaftlichen und grundrechtlichen Reichweite darf nicht in einem Schnellverfahren erfolgen. Dafür müssen gründliche Anhörungsverfahren durchgeführt werden. Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, Marieluise Beck (Bremen), Ekin Deligöz, Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast, Fritz Kuhn und Claudia Roth (Augsburg) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Wir stimmen der Forderung an die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist, zu. Die Rechtsauffassung eines Richters einer kleinen Strafkammer des Kölner Landgerichts hat zu tiefgreifender Verunsicherung bei Ärzten und jüdischen und muslimischen Eltern geführt. Bei der Beschneidung von Jungen handelt es sich um einen klassischen Grundrechtskonflikt, der im Wege der praktischen Konkordanz auszugleichen ist, wobei jede Grundrechtsposition optimal zu verwirklichen ist. Eine Beschneidung ist tatbestandlich - wie jede Operation - eine Körperverletzung, die durch rechtswirksame Einwilligung gerechtfertigt werden kann und dann straffrei ist. Bei Minderjährigen handeln grundsätzlich die Eltern stellvertretend für das Kind und sind dabei an das Kindeswohl gebunden. Die Wahrung der körperlichen Unversehrtheit und das Recht des Kindes, als vollwertiges und gleichberechtigtes Mitglied einer Reli-gionsgemeinschaft aufzuwachsen, sind jeweils Aspekte des Kindeswohls. Der körperliche Eingriff bei einer Beschneidung ist ein irreversibler Eingriff mit niedriger Eingriffstiefe, soweit er medizinisch fachgerecht durchgeführt wird. Er wird zum Teil auch aufgrund von hygienischen und prophylaktischen Überlegungen durchgeführt. In den abrahamitischen Religionen ist das Beschneidungsgebot das erste und zugleich die Begründung des Bundes mit Gott. Daher ist es für Juden zentral und für die meisten Muslime unverzichtbar. Der Staat muss bei einer rechtlichen Regelung darauf achten, dass die Beschneidung medizinisch fachgerecht von qualifizierten Fachleuten durchgeführt wird. Hierdurch verwirklicht er das Kindeswohl und schützt die Gesundheit des Kindes - Art. 2 GG. Im Falle einer Illegalisierung der Beschneidung käme es sicher häufiger zu nicht fachgerechten Eingriffen durch unqualifizierte Beschneider. Dies gilt es zu vermeiden. Jüdischer Glaube, Islam und Christentum gehören zu Deutschland. Dies wollen wir heute mit unserer Abstimmung auch zum Ausdruck bringen. Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Ingrid Arndt-Brauer, Bärbel Bas, Angelika Graf -(Rosenheim), Angelika Krüger-Leißner, Caren Marks, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Bernd Scheelen und Andrea Wicklein (alle SPD): zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Wir haben heute gegen den Antrag gestimmt, weil das Recht der Eltern auf religiöse Erziehung des Kindes nach unserer Meinung keinen Vorrang hat gegenüber dem Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung. Seit einigen Wochen wird in der deutschen Öffentlichkeit das Urteil des Landgerichts Köln zur Strafbarkeit der Beschneidung ohne medizinische Indikation - Urteil vom 7. Mai 2012, Aktenzeichen 151 Ns 169/11 - diskutiert. Das Landgericht Köln kam darin zu der Einschätzung, dass dem Recht der Eltern auf religiöse -Erziehung in Abwägung zum Recht des Kindes auf -körperliche Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung kein Vorrang zukomme, sodass mit der Einwilligung in die Beschneidung ein Widerspruch zum Kindeswohl festzustellen ist. Begründet wurde diese in unseren Augen richtige Entscheidung damit, dass die Grundrechte der Eltern aus Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz ihrerseits durch das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 Grundgesetz begrenzt sind. Wir verkennen nicht, dass die Entscheidung des -Kölner Landgerichts mit erheblichen Irritationen und gesellschaftlichen Verwerfungen, insbesondere bei Angehörigen der jüdischen oder muslimischen Glaubens--gemeinschaft, verbunden sein kann. Sie können nur schwer oder überhaupt nicht verstehen, weshalb eine über viele Generationen vollzogene Praxis ihres Glaubensbekenntnisses nun in Deutschland verboten und strafrechtlich relevant sein soll. Dennoch können Grundrechtsfragen nach unserer Auffassung aber nicht allein mit Verweis auf das tradierte Handeln und dadurch beantwortet werden, dass man ein rechtliches Problem auf einen scheinbar rechtsfreien Raum verschiebt. Tatsächlich ist die Frage der Strafbarkeit der religiös motivierten, medizinisch nicht indizierten Beschneidung von Kindern aber seit langem ein gesellschaftliches Thema in Deutschland. Bei der religiös motivierten, medizinisch nicht indizierten Beschneidung von Mädchen - genitale Verstümmelung - hat sich in Deutschland in den letzten Jahren ein breiter ablehnender gesellschaftlicher Konsens herausgebildet. Auch bei der religiös motivierten, medizinisch nicht indizierten Beschneidung von Jungen hat dessen kritische Reflexion in den letzten Jahren erkennbar zugenommen. So verwies zum Beispiel das "Deutsche Ärzteblatt" bereits im Jahre 2008 auf die strafrechtliche Relevanz solcher Eingriffe und empfahl den Ärzten, diese abzulehnen. Das Urteil des Landgerichts Köln ist deshalb in unseren Augen kein singuläres, abweichendes Ereignis. Es ist in unseren Augen vielmehr nur ein vorläufiger Status einer neuen, auf dem Grundgesetz fußenden und sich im Interesse des Kindeswohls vollziehenden rechtlichen Weiterentwicklung in Deutschland. Ausdruck dieser Weiterentwicklung ist nicht zuletzt auch die Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention und deren Ratifikation in Deutschland. Dass es sich bei der religiös motivierten, medizinisch nicht indizierten Beschneidung von Jungen um einen schädigenden, irreversiblen Eingriff im Sinne einer tatbestandlichen Körperverletzung handelt, erscheint uns unstreitig und klar. Die Häufigkeit der damit verbundenen, zum Teil sehr schweren gesundheitlichen Komplikationen wird in der Literatur sehr unterschiedlich beschrieben. Wir halten eine Komplikationsrate von bis zu 10 Prozent für realistisch. Auch schwere gesundheitliche Spätfolgen und Todesfälle werden in der Literatur beschrieben. Auch dies spricht für eine sorgsame und -umfängliche Diskussion des Themas im Interesse des Kindeswohls und nicht für eine im Eilverfahren vollzogene unkritische Legitimation der bisherigen Tradition, wie sie im Antrag präjudiziert wird. Die Mehrheit des Deutschen Bundestages hat sich mit dem von uns abgelehnten Antrag dafür ausgesprochen, in naher Zukunft eine gesetzliche Regelung zur Rechtfertigung der religiös motivierten, medizinisch nicht -indizierten Beschneidung von Jungen zu schaffen. Ein solches Gesetz stünde in unseren Augen auch im Widerspruch zum Grundgesetz. Dies vor allem deshalb, weil das Grundgesetz weder einen Vorrang des elterlichen Rechts auf religiöse Kindererziehung vor dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung kennt und weil im Grundgesetz durch die Rechte der Religionsgemeinschaften nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 1 WRV die staatsbürgerlichen Rechte des Kindes richtigerweise nicht beschränkt -werden. Auch deshalb lehnen wir das Ansinnen des -Antrages ab. Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katja Dörner, Harald Ebner, Dr. Thomas Gambke, Bettina Herlitzius, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Maria Klein-Schmeink, Ute Koczy, Oliver Krischer, Markus Kurth, Monika Lazar, Tabea Rößner, Ulrich Schneider und Dorothea Steiner (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Der Deutsche Bundestag soll sich heute - ohne das übliche Beratungsverfahren und damit völlig überstürzt - zum sensiblen Thema der religiös motivierten Beschneidung von Jungen verhalten. Diese Eile wird dem gewichtigen Thema nicht gerecht. Nicht nur, dass das Urteil des Landgerichts Köln, das ohne Frage für eine Verunsicherung jüdischer und muslimischer Gläubiger und auch in der Ärzteschaft gesorgt hat, keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet und zudem bereits vom Mai 2012 stammt, sondern auch, weil der heutige Beschluss des Bundestages an der derzeitigen rechtlichen Situation nichts ändert. Die öffentliche Diskussion über das Urteil des Landgerichts Köln macht deutlich, dass es dem Deutschen Bundestag gut anstünde, eine breite Diskussion zum Thema Beschneidung von Jungen zu führen, inklusive der Anhörung von Sachverständigen und der Beratung in den Ausschüssen sowie der Kinderkommission des Deutschen Bundestages. So ist es üblich und bei sensiblen Themen ganz besonders notwendig. Selbstverständlich ist, dass jüdische und muslimische Traditionen und Riten zu achten sind und jüdisches und muslimisches religiöses Leben in Deutschland weiterhin möglich sein muss - dies sollte keiner Erwähnung bedürfen. In der derzeitigen Diskussion und auch im Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, der SPD und der FDP kommt die Perspektive der Kinder und ihrer Rechte deutlich zu kurz. Der Stellenwert religiöser Riten und der Religionsfreiheit von Eltern wird einseitig über das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit und auch über ihr religiöses Selbstbestimmungsrecht gestellt. Es ist unstrittig, dass es sich bei der Beschneidung eines Menschen, wie bei vielen ärztlichen Behandlungen auch, juristisch gesehen um eine Körperverletzung handelt. Eine solche Körperverletzung ist nicht rechtswidrig, wenn der Betroffene einwilligt; bei Minderjährigen wird diese Zustimmung durch die Einwilligung der Eltern bzw. der Sorgeberechtigten ersetzt. Eindeutig ist aber auch, dass sich die Einwilligung der Eltern vor allem am Kindeswohl orientieren muss; die Rechte der Eltern sind durch Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes verfassungsimmanent begrenzt. Auch die UN-Kinderrechtskonvention, der Deutschland beigetreten ist, gibt im Art. 3 vor, dass das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Das Landgericht Köln kommt daher aus unserer Sicht hinsichtlich der verfassungsrechtlich gebotenen Güterabwägung richtigerweise und stringent zu dem Schluss, dass "die Beschneidung des nicht einwilligungsfähigen Knaben weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung innerhalb des jeweiligen religiösen gesellschaftlichen Umfelds noch unter dem des elterlichen Erziehungsrechts dem Wohle des Kindes entspricht. Die Grundrechte der Eltern aus Art. 4 Abs. 1, 6 Abs. 2 GG werden ihrerseits durch das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG begrenzt." Sicherlich wird diese rein juristische Brille einem wertschätzenden Umgang mit wichtigen Riten und Traditionen von Weltreligionen nicht gerecht. Nichtsdestotrotz dürfen religiöse Riten aus unserer Sicht keinesfalls per se Vorrang vor dem Recht eines Kindes auf körperliche Unversehrtheit haben. Eine verfassungsrechtlich saubere Abgrenzung bestimmter religiöser Riten gegenüber anderen - wie beispielsweise auch gegenüber der Beschneidung von Mädchen - halten wir für schwer umsetzbar. Daher haben wir die Sorge, dass die Intention des interfraktionellen Antrags, die Beschneidung von Jungen für grundsätzlich zulässig gesetzlich festschreiben zu wollen, Türen öffnet, die sicherlich auch unsere Kolleginnen und Kollegen, die den vorgelegten Antrag begrüßen, nicht gutheißen, dies wird im Antrag auch zum Ausdruck gebracht, verfassungsrechtlich nutzt dies aber nichts. Der Deutsche Bundestag sollte sich beim heiklen Thema der religiös motivierten Beschneidung von Jungen im Dialog mit den Religionsgemeinschaften, den Ärzteverbänden, den Kinderrechteverbänden etc. um eine kultursensible Lösung bemühen, die Kinder als Träger eigener Rechte in den Mittelpunkt stellt. Der vorgelegte Antrag wird diesem Anspruch nicht gerecht. Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Jerzy Montag, Marieluise Beck (Bremen), Cornelia Behm, Manuel Sarrazin, Beate Walter-Rosenheimer, Daniela Wagner und Wolfgang Wieland (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Die Beschneidung der Penisvorhaut, medizinisch: Zirkumzision, bei männlichen Babys und Kleinkindern wird auch in Deutschland hunderttausendfach praktiziert. Die Gründe sind unterschiedlich, Juden und Muslime sehen darin ein religiöses Gebot, weil dadurch das männliche Kind in die Glaubensgemeinschaft aufgenommen und ein Bund zwischen ihm und Gott geschlossen wird. Andere Eltern lassen ihren männlichen Nachwuchs aus hygienischen und medizinpräventiven Gründen beschneiden. In juristischen Fachkreisen wird schon lange über die Frage diskutiert, ob die Beschneidung von der Vertretungsmacht der Eltern und vom ihnen zustehenden Recht der elterlichen Sorge gedeckt ist, ob sie unter dem Schutz der grundrechtlich geschützten freien Religionsausübung steht oder ob sie eine strafbare Körperverletzung ist. Diese Debatte hat aber bis zum Urteil einer kleinen Strafkammer des Landgerichts Köln im Mai dieses Jahres nicht zu einer Strafbarkeit der Beschneidung durch die Justiz geführt. Ganz im Gegenteil: In der zivilrechtlichen und sozialrechtlichen Rechtsprechung finden sich vereinzelt Urteile, die von einer Rechtmäßigkeit einer hygienisch einwandfrei und vom medizinisch geschulten Fachpersonal durchgeführten Beschneidung ausgehen, soweit diese auf einer einvernehmlichen Erklärung der sorgeberechtigten Eltern beruht. Das Kölner Urteil hat zu einer extremen Beunruhigung bei den Muslimen und Juden in Deutschland geführt. Auch Berufsverbände der Medizinerinnen und Mediziner und große Krankenhäuser sprechen von einer Rechtsunsicherheit, der sie nicht ausgesetzt sein wollen. Eine eindeutige Klarstellung des Gesetzgebers ist deshalb notwendig, um den bisher bestehenden Rechtsfrieden in Sachen Beschneidung minderjähriger Jungen zu erhalten. Deshalb stimme ich dem vorgelegten Antrag zu. Ich halte, im Gegensatz zu vielen und viel zu lauten Stimmen aus den Religionsgemeinschaften und den Arzt-organisationen, die Rechtslage nicht für unklar. Dem Urteil eines einzelnen Richters aus Köln, welches keinerlei Bindungswirkung entfaltet und keinerlei neue Standards setzt und welches im Ergebnis ja sogar zu einem Freispruch des angeklagten Arztes führte, wird eine Bedeutung zugemessen, welche ihm nicht gebührt. Die zum Teil hysterischen Reaktionen auf dieses Urteil gilt es nicht zu befeuern, sondern einzuhegen. Dabei sind die juristischen Fragen bedeutsam. Ich stehe in voller Überzeugung zum Schutz der körperlichen Integrität von Kindern durch den Staat und die Gemeinschaft. Ich achte und befürworte das Erziehungsrecht der Eltern, die in der Verantwortung stehen, im Rahmen der Rechtsordnung selbstverantwortlich zu bestimmen, was dem Kindeswohl ihrer Kinder entspricht. Ich wende mich auch nicht gegen die grundrechtlich garantierte Religionsfreiheit. Zwischen diesen Rechtsgütern gilt es einen alle Seiten schonenden Ausgleich zu finden. Dabei muss uns klar sein, dass die Lösung rechtlicher Konflikte nicht im luftleeren Raum und auch nicht in seminaristischen Abhandlungen gefunden werden kann. Wir müssen die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen auf die Betroffenen und die Gesellschaft bedenken. Dabei erweist sich gerade das Strafrecht als besonders ungeeignet für den erforderlichen Ausgleich. Mit dem Strafrecht wird gebrandmarkt, was als schlichtweg unerträglich und sozialethisch unakzeptabel anzusehen ist. Ein solches Zeichen in Richtung des Islam wie des Judentums in Deutschland zu setzen, würde den Rechtsfrieden in Deutschland erheblich schwerer beeinträchtigen, als es das besagte Urteil aus Köln tut. Ich halte es für politisch undenkbar, gegenüber den Muslimen in Deutschland eine Willkommenskultur einzufordern und das Wiederaufleben jüdischen Lebens in Deutschland wöchentlich zu zelebrieren und diesen Menschen gleichzeitig mitzuteilen, dass sie mit dem Staatsanwalt und mit Verurteilungen rechnen müssen, wenn sie die Beschneidung als ein zentrales Gebot ihrer Religionen befolgen und praktizieren. Skeptisch bin ich gegenüber der Ankündigung, in einem Gesetz die erlaubte Zirkumzision und ihre Grenzen festzulegen. Die erhoffte Rechtssicherheit wird ein solches Gesetz schwerlich erbringen können, weil es notwendigerweise mit Begriffen befrachtet wird, die selbst wiederum durch die freie und unabhängige Justiz ausgefüllt werden müssen. Die in Deutschland gegebene Rechtslage hat bisher weder im Zivilrecht noch im So-zialrecht oder im Strafrecht zu einer Ablehnung der Beschneidung durch ein Bundesgericht oder das Bundesverfassungsgericht geführt. Mehr an Rechtssicherheit kann es in einem Rechtsstaat nicht geben. Trotzdem stimme ich dem vorliegenden Antrag zu, weil ich ihn in seiner Ausrichtung, eine Botschaft an die muslimischen und jüdischen Gemeinschaften, aber auch an die Medizinerinnen und Mediziner auszusenden, dass der Bundestag als legitimiertes Gesetzgebungsorgan die medizinisch fachgerechte und vom einvernehmlichen Elternwillen getragene Beschneidung für grundsätzlich zulässig und nicht für strafbar erklärt, unterstütze. Anlage 13 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 898. Sitzung am 29. Juni 2012 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen bzw. einen Einspruch gemäß Artikel 77 Absatz 3 des Grundgesetzes nicht einzulegen: - Gesetz zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlen-dioxid - Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbei-legung - Gesetz zur Änderung des Rechtsrahmens für Strom aus solarer Strahlungsenergie und zu weiteren Änderungen im Recht der erneuerbaren Energien - Gesetz zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschließung gefasst: Eckpunkte einer innerstaatlichen Umsetzung der neuen Vorgaben des Fiskalvertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspaktes Die Bewältigung der Staatsschuldenkrise macht eine verstärkte Haushaltsdisziplin für ganz Europa unabdingbar. Gleichzeitig ist es erforderlich, die Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung durch gezielte, strukturelle Maßnahmen zur Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und Investitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu verbessern. Der Fiskalvertrag stellt dabei einen wesentlichen Baustein dar, um die Zielsetzung einer Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion zu einer fiskalpolitischen Stabilitätsunion dauerhaft zu verwirklichen. Der Bundesrat bekennt sich zur gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern, die Vorgaben des Fiskalvertrags und des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu erfüllen. Der Bundesrat begrüßt, dass Deutschland mit den verfassungsrechtlich verankerten Schuldenregeln und der begleitenden Einrichtung des Stabilitätsrats bereits umfassende institutionelle und rechtliche Regelungen verabschiedet hat, die die langfristige Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Ländern sichern. Hinsichtlich der innerstaatlichen Umsetzung der Vorgaben des Fiskalvertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, SWP, weist der Bundesrat darauf hin, dass Bund und Länder am 24. Juni 2012 folgende Eckpunkte vereinbart haben: - Durch den Fiskalpakt sowie die noch ausstehende Konkretisierung bestimmter Vorgaben durch die Kommission werden keine Anforderungen begründet, die über die Vorgaben des verfassungsrechtlichen Rahmenwerks zur Begrenzung der Neuverschuldung in den Haushalten von Bund und Ländern hinausgehen. - Die innerstaatliche Umsetzung geschieht durch Festlegung der Obergrenze für das gesamtstaatliche struk-turelle Defizit von maximal 0,5 Prozent des BIP entsprechend den Vorgaben des Fiskalvertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspaktes im Haushaltsgrundsätzegesetz. Durch die noch zu konkretisierende innerstaatliche Umsetzung wird die Haushaltsautonomie von Bund und Ländern nicht beeinträchtigt werden. - Zur Erfüllung der Vorgaben des Fiskalpaktes tragen die Länder ausschließlich im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich garantierten Haushaltsautonomie durch die Einhaltung ihrer bestehenden Verpflichtungen aus Artikel 109 Absatz 3 und Artikel 143d Absatz 1 Satz 4 des Grundgesetzes bei. Die Länder treffen keine darüber hinausgehenden Verpflichtungen. Insbesondere wird die den Ländern durch Artikel 143d Absatz 1 Satz 3 und Satz 4 des Grundgesetzes eingeräumte Handlungsfreiheit beachtet. Die Haushalte der Länder sind so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe aus Artikel 109 Absatz 3 Satz 5 des Grundgesetzes erfüllt wird. Die Vereinbarungen mit den Konsolidierungshilfeländern bestehen unverändert fort. - Der Stabilitätsrat überwacht die Einhaltung der gesamtstaatlichen Defizitobergrenze. Bund und Länder werden im Stabilitätsrat zusammenwirken, um einer Überschreitung der gesamtstaatlichen Defizitobergrenze nach Artikel 3 des Fiskalvertrags entgegenzuwirken. Im Rahmen der innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags sind die hierfür notwendigen Änderungen des Stabilitätsratsgesetzes vorzunehmen. - Der Bund haftet im Fiskalvertrag im Außenverhältnis. Er ist bereit, für den Zeitraum bis 2019 das Risiko etwaiger Sanktionszahlungen hinsichtlich des präventiven Arms des SWP zu übernehmen. - Intelligentes Schuldenmanagement: Angesichts des Fiskalpaktes und des Verschuldungsverbots für die Länder ab 2020 können zukünftig gemeinsame Anleihen von Bund und Ländern vernünftig sein. Vor diesem Hintergrund wird der Bund zusammen mit den Ländern die Voraussetzungen dafür schaffen, dass eine gemeinsame Kreditaufnahme von Bund und Ländern ("Huckepackverfahren") möglich ist. Eine erste Anleihe soll in 2013 emittiert werden. - Bund und Länder stimmen darin überein, dass der Entwicklung der Sozialversicherungen und der kommunalen Finanzen bei der Einhaltung des Fiskalpaktes eine wichtige Rolle zufällt. Die Entwicklung der Sozialversicherungen liegt dabei in der Verantwortung des Bundes. Die Länder tragen im Rahmen des Fiskalvertrags die Verantwortung für ihre Kommunen. Infolge der expliziten Einbeziehung der kommunalen Verschuldung in die Defizitobergrenze des Fiskalpaktes - im Gegensatz zur deutschen Schuldenbremse - werden die Länder in ihrer Konsolidierungspolitik vor deutlich größere Herausforderungen gestellt. Deshalb werden Bund und Länder unter Einbeziehung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ein neues Bundesleistungsgesetz in der nächsten Legislaturperiode erarbeiten und in Kraft setzen, das die rechtlichen Vorschriften zur Eingliederungshilfe in der bisherigen Form ablöst. - Bund und Länder stimmen darin überein, dass eine Entscheidung über die Höhe der vom Bund für den Zeitraum 2014 bis 2019 zur Aufgabenerfüllung der Länder zu zahlenden Kompensationen nach Arti-kel 143c des Grundgesetzes ("Entflechtungsmittel", zum Beispiel zur Verbesserung der kommunalen Verkehrsverhältnisse) im Herbst dieses Jahres erfolgt. - Gesetz zu dem Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist und Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz - ESMFinG) Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschließung gefasst: 1. Der Bundesrat weist darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 19. Juni 2012 die Position des Bundesrates bestätigt hat, dass Errichtung und Ausgestaltung des Europäischen Stabilitätsmechanismus eine Angelegenheit der EU im Sinne des Artikels 23 GG sind. Nach dem Bundesverfassungsgericht handelt es sich auch bei völkerrechtlichen Verträgen um eine Angelegenheit der EU, wenn diese in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Recht der EU -stehen. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auf seine Stellungnahmen in der Bundesratsdrucksache 369/11 (Beschluss) und Bundesratsdrucksache 164/12 (Beschluss). 2. Der Bundesrat betrachtet durch dieses Urteil auch seine Position als bestätigt und begrüßt, dass die Zustimmung des Bundesrates zu dem Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des -Europäischen Stabilitätsmechanismus auf Grundlage von Artikel 23 Absatz 1 GG erfolgt. Der Bundesrat ist weiterhin der Auffassung, dass dies auch für zukünftige Änderungen des ESM-Vertrages gilt und die Nutzung von Artikel 19 ESM-Vertrag, der eine Änderung der Finanzhilfeinstrumente durch einstimmigen Beschluss im Gouverneursrat ermöglicht, nach dem Rechtsgedanken aus den §§ 2 bis 4, 7 und 8 -IntVG voraussetzt, dass der deutsche Vertreter im ESM hierzu zuvor durch ein Gesetz im Sinne von Artikel 23 Absatz 1 GG ermächtigt wurde. 3. Die Zustimmung des Bundesrates zu dem vorliegenden Gesetzespaket erfolgt in der Erwartung, dass die Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat in Angelegenheiten der EU im Lichte dieses Urteils weiter präzisiert werden. Dies erfordert eine Anpassung der Gesetze über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag, EUZBBG, sowie von Bund und Ländern, EUZBLG, in Angelegenheiten der EU. Der Bundesrat erwartet, dass diese Anpassungen zügig erfolgen, und wird hierzu eine überarbeitete Fassung des EUZBLG einbringen. - Gesetz zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes - Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012 (Nachtragshaushaltsgesetz 2012) - Gesetz zur Besteuerung von Sportwetten Der Bundesrat hat in seiner 899. Sitzung am 6. Juli 2012 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: - Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs - Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psycho-somatische Einrichtungen (Psych-Entgeltgesetz - PsychEntG) - Gesetz zur Erweiterung der jugendrechtlichen Handlungsmöglichkeiten - Gesetz zur Begleitung der Reform der Bundeswehr (Bundeswehrreform-Begleitgesetz - BwRefBeglG) - Gesetz zu dem Protokoll vom 21. Oktober 2010 zur Änderung des Übereinkommens vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen - Achtes Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften - Gesetz zu dem Übereinkommen vom 4. Oktober 2003 zur Gründung des Globalen Treuhandfonds für Nutzpflanzenvielfalt - Gesetz zu dem Markenrechtsvertrag von Singapur vom 27. März 2006 - Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschließung gefasst: Der Bundesrat begrüßt das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Mit der Errichtung einer gemeinsamen Datei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten wird auch eine wichtige und richtige Konsequenz aus der unzureichenden Aufklärung der NSU-Mordserie gezogen. Dem Bundesrat erscheinen allerdings die behördlichen Befugnisse teilweise nicht weitgehend genug. Insbesondere reichen die vorgesehenen Befugnisse nicht aus, um die Verbunddatei NADIS-neu als umfassendes Analyseinstrument nutzen zu können. Zudem wird es im Zusammenhang mit waffenrechtlichen Erlaubnissen als geboten angesehen, auch Abfragen bei den Verfassungsschutzbehörden einzuführen. Der Bundesrat hält damit an seiner in der 893. Sitzung am 2. März 2012 beschlossenen Stellungnahme fest (Bundesratsdrucksache 31/12 (Beschluss)) und bittet Bundestag und Bundesregierung, diese Anliegen in nachfolgenden Gesetzgebungsverfahren umzusetzen. - Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2012/2013 (BBVAnpG 2012/2013) Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: - Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen im ersten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2010 - Drucksachen 17/2123, 17/2373 Nr. 1.3 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen im zweiten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2010 - Drucksachen 17/2689, 17/2971 Nr. 1.12 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen im dritten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2010 - Drucksachen 17/3781, 17/3956 Nr. 1.5 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen im vierten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2010 - Drucksachen 17/5647, 17/5820 Nr. 1.9 - Anlagen 1 Anlagen 4 bis 6 2Ergebnis Seite 22836 D 3 Anlagen 7 bis 12 ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ II Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 189. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 189. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 III Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 22866 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 189. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 189. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 22865