Plenarprotokoll 17/203 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 203. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 7. November 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes; weitere Fragen Bernd Neumann, Staatsminister BK Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bernd Neumann, Staatsminister BK Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) Bernd Neumann, Staatsminister BK Angelika Krüger-Leißner (SPD) Bernd Neumann, Staatsminister BK Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) Bernd Neumann, Staatsminister BK Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) Bernd Neumann, Staatsminister BK Johannes Selle (CDU/CSU) Bernd Neumann, Staatsminister BK Marco Wanderwitz (CDU/CSU) Bernd Neumann, Staatsminister BK Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) Bernd Neumann, Staatsminister BK Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Bernd Neumann, Staatsminister BK Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bernd Neumann, Staatsminister BK Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 17/11282, 17/11313) Dringliche Frage 1 Niema Movassat (DIE LINKE) Parlamentsvorbehalt für Bundeswehreinsätze Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Niema Movassat (DIE LINKE) Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Jan van Aken (DIE LINKE) Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dringliche Frage 2 Niema Movassat (DIE LINKE) Bundeswehreinsatz im Zusammenhang mit der Mali-Krise Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Niema Movassat (DIE LINKE) Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Jan van Aken (DIE LINKE) Kathrin Vogler (DIE LINKE) Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 1 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Wegfall von Ausgaben aus dem Einzel-plan 30 ab 2014 Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Swen Schulz (Spandau) (SPD) Mündliche Frage 2 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Geplante Änderung des Art. 91 b GG und Kooperation der Berliner Charité mit dem Max-Delbrück-Centrum Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Swen Schulz (Spandau) (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 6 Michael Gerdes (SPD) Definition und Umsetzung der europäischen Innovationsunion Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Michael Gerdes (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 7 Michael Gerdes (SPD) Steuerliche Forschungsförderung Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Mündliche Frage 8 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Änderung der Zuverdienstgrenze im Bundesausbildungsförderungsgesetz analog zur Änderung der Minijobgrenze Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Swen Schulz (Spandau) (SPD) Mündliche Frage 9 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Situation bei den überbetrieblichen Berufsbildungsstätten und Sicherstellung einer nachhaltig leistungsfähigen Infrastruktur Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 11 Oliver Kaczmarek (SPD) Erkenntnisse über die Leistungsfähigkeit des deutschen Bildungswesens durch Vergleich kohärenter Regionen Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Oliver Kaczmarek (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 14 Dr. Sascha Raabe (SPD) Etwaige Kritik von Bundesminister Dirk Niebel am Auswärtigen Amt im Bereich der humanitären Hilfe Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Dr. Sascha Raabe (SPD) Karin Roth (Esslingen) (SPD) Mündliche Frage 15 Dr. Sascha Raabe (SPD) Versorgung der Flüchtlinge im kenianischen Lager Dadaab Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Dr. Sascha Raabe (SPD) Karin Roth (Esslingen) (SPD) Mündliche Frage 20 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Lieferung modernisierter Panzer durch die Rheinmetall AG an Indonesien sowie Genehmigung von Panzer-Reimporten Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Jan van Aken (DIE LINKE) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Kathrin Vogler (DIE LINKE) Mündliche Frage 21 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Finanzielle Unterstützung einer Lieferung von 130 gebrauchten Leopard-2-Panzern an Indonesien Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Dr. Rolf Mützenich (SPD) Jan van Aken (DIE LINKE) Mündliche Frage 22 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Einschätzung der Probleme Indonesiens und politische Konsequenzen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Dr. Rolf Mützenich (SPD) Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Haltung der Bundesregierung zu Residenzpflicht und Sondergesetzen für Flüchtlinge sowie Asylbewerberinnen und Asylbewerber Halina Wawzyniak (DIE LINKE) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Reinhard Grindel (CDU/CSU) Rüdiger Veit (SPD) Pascal Kober (FDP) Ulla Jelpke (DIE LINKE) Michael Frieser (CDU/CSU) Angelika Krüger-Leißner (SPD) Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 3 Klaus Hagemann (SPD) Finanzierung der geplanten Kooperation zwischen Max-Delbrück-Centrum und Charité; baulicher Sanierungsbedarf bei der Helmholtz-Gemeinschaft, der Fraunhofer Gesellschaft und der Max-Planck-Gesellschaft Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 3 Mündliche Frage 4 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Positionen der Bundesregierung zum EU-Nachtragshaushalt 2012 und zum Vorschlag der zypriotischen EU-Ratspräsidentschaft für den mehrjährigen Finanzrahmen der EU 2014 bis 2020 Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 4 Mündliche Frage 5 René Röspel (SPD) Ausgestaltung von Prozessen und Verfahren im Rahmen des EU-Forschungsprogramms „Horizon 2020“ Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 5 Mündliche Frage 10 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Erfolgsquote bei Anerkennungsverfahren nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 6 Mündliche Frage 12 Willi Brase (SPD) Rechtsauffassung der Bundesregierung betreffend einen etwaigen Verstoß des Experiments zur Ozeandüngung der Haida -Salmon Restoration Corp. gegen internationales Recht Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 7 Mündliche Frage 13 Willi Brase (SPD) Haltung der Bundesregierung zum Einsatz von Maßnahmen zur Ozeandüngung Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 8 Mündliche Frage 16 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Angebot einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Energiewirtschaft zum Betrieb von Reservekraftwerken Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 9 Mündliche Frage 17 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mittelaufstockung für die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 10 Mündliche Fragen 18 und 19 Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bohrungen nach Gasvorkommen in Natur- und Landschaftsschutzgebieten Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 11 Mündliche Frage 23 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausstattungshilfen sowie Ausbildungsmaßnahmen der Bundeswehr für die Streitkräfte in Mali Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 12 Mündliche Frage 24 Karin Roth (Esslingen) (SPD) Gewalttätige Übergriffe gegen die muslimische Minderheit in Myanmar und geplante humanitäre Hilfe zur Bewältigung des Flüchtlingsproblems Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 13 Mündliche Frage 25 Karin Roth (Esslingen) (SPD) Geplante Verwendung von EU-Finanzmitteln für das Forschungsprogramm „Horizont 2020“ Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 14 Mündliche Frage 26 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kürzungsvorschläge der zyprischen Ratspräsidentschaft bezüglich des Mehrjährigen Finanzrahmens 2014 bis 2020 des EU-Haushalts Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 15 Mündliche Frage 27 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berücksichtigung des Pakts für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung im Mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 des EU-Haushalts Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 16 Mündliche Frage 28 Klaus Hagemann (SPD) Auswirkungen des vorgelegten Mehrjährigen Finanzrahmens der EU auf die deutsche Nettozahlerposition und deutsche Reformvorschläge Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 17 Mündliche Frage 29 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Folgen der Belagerung und des Beschusses Bani Walids durch regierungstreue Milizen in Libyen; Art und Herkunft der Waffen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 18 Mündliche Frage 30 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Umstände des Abschusses eines türkischen Kampfflugzeugs am 22. Juni 2012 Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 19 Mündliche Fragen 31 und 32 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Übertragung der Entwicklungsorientierten Not- und Übergangshilfe, ENÜH, vom BMZ auf das Auswärtige Amt und Auswirkung dieser Verlagerung auf Projekte in Kenia; Finanzierung von Maßnahmen in und um Dadaab Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 20 Mündliche Frage 33 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einsparungen im EU-Haushalt ohne -Kürzung des Budgets der Gemeinsamen Agrarpolitik Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 21 Mündliche Frage 34 Andrej Hunko (DIE LINKE) Euro-Barometer-Umfrage der EU-Kommission Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 22 Mündliche Frage 35 Andrej Hunko (DIE LINKE) Tod von 58 Flüchtlingen am 28. Oktober 2012 bei Gibraltar Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 23 Mündliche Frage 36 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Evaluationsbericht zum Projekt der -Beratung des Libanon in Fragen der Grenzsicherheit und darin beschriebene Möglichkeiten für eine grenzpolizeiliche Unterstützung des Libanon Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 24 Mündliche Frage 37 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ministeriumsposten und Anzahl der Ministerialarbeitsplätze in Berlin und Bonn zum 1. Oktober 2012 Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 25 Mündliche Frage 38 Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus den Ergebnissen des Rechtsgutachtens zu den strukturellen und aktuellen Problemen des Berlin-Bonn-Gesetzes Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 26 Mündliche Frage 39 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden zur Finanzierung der Koran-Verteilaktion radikaler Salafisten Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 27 Mündliche Frage 40 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung der Einigung auf EU-Ebene zur Dauer der Arbeitsverbote für Asylbewerber Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 28 Mündliche Frage 41 Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Faktischer Bearbeitungs- und Entscheidungsstopp des Bundesamtes für Flüchtlinge aus Staaten mit hohen Anerkennungsquoten Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 29 Mündliche Fragen 42 und 43 Halina Wawzyniak (DIE LINKE) Gesprächsaufnahme mit hungerstreikenden Flüchtlingen in Berlin und Prüfung der Abschaffung asylrechtlicher Sondergesetze Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 30 Mündliche Frage 44 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bestimmungen für die Versicherungswirtschaft zur Differenzierung von Kfz-Tarifen nach Lebensalter der Fahrer Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 31 Mündliche Frage 45 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verstärkte Zusammenarbeit zur Einführung einer Finanztransaktionsteuer auf -europäischer Ebene Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 32 Mündliche Fragen 46 und 47 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Steuerbefreiung und Informationen für nicht formal anerkannte Verfolgte des NS-Regimes; zukünftige Regelung des Verfolgtenstatus im Entschädigungsrentengesetz Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 33 Mündliche Fragen 48 und 49 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung für das Vorhaben der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zur Bereitstellung von Garantien für die Vermarktung von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln in Osteuropa bzw. der Türkei, insbesondere für das Projekt „Monsanto Risk Sharing“ Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 34 Mündliche Frage 50 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 zum Asylbewerberleistungsgesetz Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 35 Mündliche Frage 51 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Befragung Arbeitsloser durch Arbeitsvermittler in Jobcentern zu einem etwaigen Migrationshintergrund Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 36 Mündliche Frage 52 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Haltung der Bundesregierung zu den Forderungen nach einem Verzicht auf die Einführung eines Verbot des Schenkelbrands bei Pferden und einer zeitlichen Verschiebung des Verbots der betäubungslosen Ferkelkastration Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 37 Mündliche Fragen 53 und 54 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Behindertengerechte Infrastruktur in Frauenhäusern und Fachberatungsstellen; Verbesserung der Lebenssituation von Frauen und Mädchen mit Behinderung Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 38 Mündliche Fragen 55 und 56 Harald Weinberg (DIE LINKE) Einführung eines Ausgleichsmechanismus für Krankenkassen bei Abschaffung der Praxisgebühr wegen Besser- bzw. Schlechterstellung einzelner Kassen Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 39 Mündliche Frage 57 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Medienberichte über ein Herausdrängen schwer erkrankter Mitglieder aus der Krankenkasse Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 40 Mündliche Frage 58 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Änderungsbedarf beim krankheitsorientierten Risikostrukturausgleich der Krankenkassen Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 41 Mündliche Frage 59 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Regelung der Anmeldung der Länder von Vorhaben zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz-Bundesprogramm Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 42 Mündliche Frage 60 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesetzliche Regelung zur Umwandlung einer Vollschranken- in eine Halbschrankenanlage Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 43 Mündliche Frage 61 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Umsetzung der Ankündigung der Deutschen Bahn zur Spende von 30 000 Euro an die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 44 Mündliche Frage 62 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vom BMVBS vorgeschlagener Runder Tisch zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum für Studierende Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 45 Mündliche Frage 63 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entscheidung für den Verbleib des Geschäftsführers Dr. Rainer Schwarz im Aufsichtsrat des Flughafens Berlin Brandenburg; Freigabe weiterer Gelder für den Flughafen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 46 Mündliche Frage 64 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verbesserung des Schienenverkehrs zwischen Deutschland und Polen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 47 Mündliche Frage 65 Gustav Herzog (SPD) Errichtung und mögliche Aufgaben einer Generaldirektion der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 48 Mündliche Frage 66 Gustav Herzog (SPD) Investitionen an Binnenwasserstraßen der Kategorie „sonstige Wasserstraßen“ Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 49 Mündliche Fragen 67 und 68 Herbert Behrens (DIE LINKE) Geplanter Verlauf des MOX-Transports durch den Wesertunnel und über die A 27 Richtung Bremen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 50 Mündliche Frage 69 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Themen der Sitzung der Deutsch-Tschechischen Kommission am 21. November 2012 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 51 Mündliche Frage 70 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage und Auswertung der sogenannten Pegasos-Studie beim BMU Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 52 Mündliche Fragen 71 und 72 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beurteilung der Position der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften -(acatech) zu den „Anpassungsstrategien in der Klimapolitik“; Schlussfolgerungen aus dem Rückzug renommierter Klimaforscher Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU 203. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 7. November 2012 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsident Eduard Oswald: Ich grüße Sie sehr herzlich. Schönen Nachmittag! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Herr Staatsminister Bernd Neumann. Bitte schön, Herr Staatsminister Bernd Neumann. Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Herr Präsident! Die Bundesregierung hat heute den Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes beschlossen. Dieses Gesetz ist die Grundlage der Filmförderung durch die Filmförderungsanstalt, kurz FFA genannt, also das Kernstück der deutschen Filmförderung. Die FFA finanziert sich durch die Erhebung einer Filmabgabe. Da die Erhebung der Filmabgabe nach dem derzeit geltenden Filmförderungsgesetz zum 31. Dezember 2013 ausläuft, wurde ein Entwurf für ein Siebtes Gesetz zur Änderung dieses FFG erarbeitet, in dem den technischen und wirtschaftlichen Veränderungen und Entwicklungen der letzten Jahre Rechnung getragen wird. Ohne unser umfangreiches Fördersystem hätten nur wenige deutsche Filme eine Chance, gegenüber der finanzstarken Konkurrenz durch US-amerikanische Filme zu bestehen. Die Filmförderung auf Bundes- und Länderebene ist daher unabdingbar, um die Struktur der deutschen Filmwirtschaft zu verbessern und die Vielfalt der deutschen Filmlandschaft zu erhalten. Dass die Filmförderung erfolgreich ist, drückt sich darin aus, dass deutsche Filme mittlerweile internationales Ansehen genießen und weltweit einen guten Ruf haben. Daher können wir, wie ich denke, mit ein wenig Stolz auf unsere lebendige Filmkultur blicken. Der Entwurf sieht folgende wesentliche Änderungen vor: Zum Schutz der einzelnen Verwertungsstufen, insbesondere um einen exklusiven Auswertungszeitraum für das Kino zu sichern, enthält das FFG Sperrfristen. Diese bestimmen, welcher Zeitraum nach der Erstaufführung eines Filmes im Kino verstreichen muss, bis mit der Auswertung in der nächsten Verwertungsstufe begonnen werden kann. Um dem geänderten Nutzerverhalten Rechnung zu tragen – hiermit ist die Entwicklung bei den Internetnutzern gemeint –, wird die Sperrfrist für Video-on-Demand-Angebote mit der Sperrfrist für die DVD-Auswertung gleichgesetzt, das heißt, sie wird von neun auf sechs Monate reduziert. Ein weiterer Punkt. Um der oft beklagten Filmflut und Zersplitterung der Förderung entgegenzuwirken, werden wichtige Veränderungen bei der Referenzfilmförderung, zum Beispiel erhöhte Referenzschwelle für besonders teure Filme, und der Projektfilmförderung – Stichwort „Mindestförderquote“ – vorgenommen. Die Möglichkeiten der Teilhabe behinderter Menschen – ein besonderer Wunsch des Deutschen Bundestages – an den geförderten Filmen werden verbessert. Zukünftig muss von allen durch die FFA geförderten Filmen eine barrierefreie Filmfassung mit Audiodeskription für sehbehinderte Menschen und Untertiteln für hörgeschädigte Menschen hergestellt werden. Durch die Aufnahme der Digitalisierung des Filmerbes in den Aufgabenkatalog der FFA soll sichergestellt werden, dass das nationale Filmerbe angesichts der zügig voranschreitenden Digitalisierung der Kinos weiterhin wirtschaftlich ausgewertet und öffentlich zugänglich gemacht werden kann. Ein vorletzter Punkt. Darüber hinaus wird die Abgabe auf Video-on-Demand-Anbieter mit Sitz im Ausland ausgedehnt, die sich durch Internetauftritte in deutscher Sprache gezielt an deutsche Kunden richten. Derzeit besteht ein deutlicher Wettbewerbsnachteil für Unternehmen mit Sitz in Deutschland, die eine Abgabe leisten müssen, gegenüber den Marktführern mit Sitz im Ausland, die bisher keine Abgabe zahlen, obwohl auch sie zahlreiche deutsche Kinofilme anbieten. Da der aktuell rasante technische Wandel insbesondere durch die Ausweitung von Video-on-Demand-Angeboten erhebliche Auswirkungen auf die Verwertung von Kinofilmen hat, lassen sich langfristig die wirtschaftlichen Bedingungen für die verschiedenen Zahlergruppen derzeit nicht absehen. Die Erhebung der Filmabgabe soll daher diesmal nicht um fünf, sondern nur um zweieinhalb Jahre verlängert werden. Wir werden nach anderthalb Jahren eine Evaluierung vornehmen, um dann zweieinhalb Jahre nach Inkrafttreten dieser Regelung gegebenenfalls Korrekturen vornehmen zu können. So weit zu den Hauptintentionen des Entwurfes für ein neues FFG. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Staatsminister Bernd Neumann. – Wir kommen jetzt zu den Fragen, die zu dem Themenbereich gestellt werden, über den gerade berichtet wurde. Die erste Fragestellerin ist Frau Kollegin Claudia Roth. Bitte schön, Frau Kollegin Claudia Roth. (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Das ist alleine schon ein Grund, hierherzukommen!) Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Vorsitzender. – Herr Neumann, ich möchte mich auf den Punkt „Erfolg des deutschen Films“ beziehen und frage Sie, wie Sie die doch recht heftige Kritik von Feuilletonisten einschätzen, die von einer „Tendenz zum Konsenskino“ sprechen, weil bei den großen Festivals in Cannes oder Venedig, wo ja Filmkunst ausgezeichnet wird, deutsche Filme seit geraumer Zeit faktisch gar nicht mehr vertreten sind. In § 1 des Filmförderungsgesetzes heißt es: Die Filmförderungsanstalt (FFA) fördert … die Struktur der deutschen Filmwirtschaft und die kreativ-künstlerische Qualität des deutschen Films als Voraussetzung für seinen Erfolg im Inland und im Ausland. Was läuft da nicht so ganz gut? Liegt es an den Autoren, liegt es an den Regisseuren, oder liegt es an der Förderung? Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön, Herr Staatsminister. Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Kollegin Claudia Roth, diese Frage unterstellt ja, dass es mit den internationalen Erfolgen deutscher Filme nicht so weit her ist. Einer solchen Feststellung – sie mag hier und dort in Feuilletons anklingen, aber dort klingt vieles an – widerspreche ich. Erstens. Gerade in den letzten Jahren kann man eine gegenläufige Tendenz feststellen; das ist auch ein Erfolg der Förderung. Selbst bei den letzten Filmfestspielen von Venedig – das fällt mir in diesem Zusammenhang ein – gab es einen deutschen Film, einen Krimi. Bei fast allen Festivals – es gibt ja noch mehr als die Filmfestivals in Venedig oder in Cannes; es gibt viele internationale Festivals –, bei denen es um künstlerisch anspruchsvolle Filme geht, zum Beispiel in San Sebastián, sind auch deutsche Filme vertreten. (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Es gibt zum Beispiel auch die Berlinale!) Zweitens. In den letzten Jahren sind auch vielfach deutsche Filme bei Oscar-Nominierungen für den besten ausländischen Film dabei gewesen. Sie wissen: Seit Schlöndorffs Blechtrommel Anfang der 80er-Jahre gab es 20 Jahre lang überhaupt keine Nominierung eines deutschen Films. Es ist in den letzten Jahren aber nicht nur gelungen, Nominierungen zu erhalten, unter die letzten sechs zu kommen, sondern in zwei Fällen – ich denke an Das Leben der anderen oder Nirgendwo in Afrika – sogar den Oscar zu erringen. Drittens. Alle Produzenten werden es bestätigen: Inzwischen verkaufen sich deutsche Filme sehr gut. Das war nicht immer so. Es ist aber auch der Sinn der wirtschaftlichen Filmförderung, sich international auszurichten. Vor wenigen Tagen, ich glaube vorgestern, wurde hier als Europapremiere der Film Der Wolkenatlas gezeigt. Mit 100 Millionen Euro Produktionskosten handelt es sich um die teuerste deutsche Produktion, die es jemals gegeben hat. Dieser Film finanziert sich allein dadurch – unabhängig von den Zuschauereinnahmen hier in Deutschland –, dass er international überall verkauft werden konnte. Ich finde, diese Entwicklung ist positiv. Ich finde deshalb auch, dass die Förderung und sind die Veränderungen, die wir vornehmen – noch stärkere Konzentration und Bündelung in manchen Bereichen –, richtig ist. Insofern sehe ich der weiteren Entwicklung eher optimistisch als kritisch entgegen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darf ich eine zweite Frage stellen?) Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön. Eine Nachfrage, Frau Kollegin Roth. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielleicht können wir uns einmal damit auseinandersetzen, was die Feuilletonisten unter Konsenskino verstehen. Ich habe eine Frage – es wird Sie nicht wundern, dass ich als Grüne sie stelle –: Es gibt mehr und mehr Initiativen, die sich für Green Cinema einsetzen, zum Beispiel in Potsdam. Sie beschäftigen sich mit der Frage: Wie kann der Aspekt der Nachhaltigkeit in der Filmproduktion, bei der es zu vielen Emissionen und zu einem hohen Energieverbrauch kommt, besser berücksichtigt werden? – Ist es für Sie denkbar, dass Sie und wir uns mit diesen Initiativen treffen? Könnte die Nachhaltigkeit der Filmproduktion Teil der Förderungskriterien werden? Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Ja. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut!) Ich muss sagen: Diese Anregung ist bisher noch nicht direkt an mich herangetragen worden; aber wenn Sie gleichzeitig als Mittlerin auftreten würden, sollten wir uns damit befassen und uns ernsthaft damit auseinandersetzen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut! Dann fahren wir mit dem Ausschuss nach Potsdam!) Vizepräsident Eduard Oswald: Dazu sind solche Befragungen auch da. – Nächster Fragesteller ist unser Kollege Wolfgang Börnsen. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Herr Staatsminister, wir begrüßen es, dass die Bundesregierung für die Regierungsbefragung ein kultur-politisches Thema vorlegt. Ich glaube, das sollte man in Zukunft häufiger tun, weil es gerade auf diesem Gebiet eine deutliche Profilierung gegeben hat. Das gilt auch für das Thema „Filmland Deutschland“. Ich greife das auf, was meine Kollegen, gleich, auf welcher Seite des Hauses, mitgeteilt haben, und stelle fest: Das Filmland Deutschland findet gerade in den europäischen Nachbarstaaten große Unterstützung. Meine Fragen beziehen sich auf zwei von Ihnen genannte Punkte. Erstens. Sie haben gesagt: Die Frage der Barrierefreiheit wird in das FFG neu eingebunden. Sie war schon einmal Gegenstand einer Novellierung. Was ändert sich? Nach unserer Auffassung müssen wir beim Film und auch beim Kino gegenüber allen Menschen, gleich, mit welcher Behinderung, eine viel größere Offenheit zeigen. Geschieht dies nur bei 1 Prozent der Produktionen, so finde ich das unvertretbar. Die zweite Frage. Sie haben darauf aufmerksam gemacht, dass Sie vorhaben, mit dem neuen FFG eine Verbesserung im Bereich des Kinderfilms zu erzielen. Meine Fraktion hat gemeinsam mit der FDP gerade ein Fachgespräch zu diesem Thema durchgeführt, unter dem Titel „Der Kinderfilm in Deutschland – ein Mercedes ohne Stern?“. Was wollen Sie tun, damit mehr authentische Themen, Themen der Kinderumwelt, in Kinderfilmen eine Rolle spielen und weniger das verfilmte Märchen? Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Zur ersten Frage nach Barrierefreiheit: Auch bisher haben wir schon an die Produzenten appelliert, möglichst barrierefreie Filme herzustellen; aber es gab keinen gesetzlichen Zwang, dies zu tun, wenn man Förderung erhält. Mit dem neuen Entwurf verpflichten wir jeden Produzenten, der öffentliche Förderung erhält – unter uns: das sind die meisten –, dass er barrierefreie Fassungen herstellt. (Beifall der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das kann man nicht mehr umgehen; das ist endgültig Tatsache. Zu Ihrem zweiten Punkt: Kinderfilm. Natürlich konnten Kinderfilme schon bisher im Rahmen der allgemeinen Förderung durch die FFA unterstützt werden; aber dies war kein ausdrückliches Gebot. Wir bringen in das neue FFG eine Vorschrift ein, nach der eine Projektfilmförderung expressis verbis auch bei Kinderfilmen erfolgen soll, die auf Originalstoffen beruhen. Hier haben wir zwei Aspekte integriert. Zum einen wollen wir speziell für Kinderfilme etwas tun – übrigens auch an anderer Stelle, nämlich bei der Absatzförderung –; das war bisher so ausdrücklich nicht formuliert. Zum Zweiten wollen wir vermehrt Bezug auf Originalstoffe nehmen. Im Fernsehen, insbesondere bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern, werden zwar Kinderfilme gezeigt, aber es werden kaum Kinderfilme mit neuen Stoffen produziert. Wir brauchen Filme, die sich mit den Problemen auseinandersetzen, mit denen Kinder heutzutage konfrontiert sind. Es ist schön, wenn wir zum wiederholten Male Das fliegende Klassenzimmer von Erich Kästner sehen können – das muss auch sein, allein schon wegen des Erhalts des kulturellen Filmerbes. Uns ist aber auch daran gelegen, dass jüngere Drehbuchautoren eine Chance haben, gefördert zu werden, wenn sie entsprechende Kinderfilme mit neuen Stoffen produzieren. Das ist der Sinn dieser Vorschrift. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Danke!) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin, unsere Kollegin Angelika Krüger-Leißner. Bitte schön, Frau Kollegin. Angelika Krüger-Leißner (SPD): Herr Staatsminister, Sie haben heute die Veränderungen, die mit der siebten Novelle zum Filmförderungs-gesetz kommen sollen, kurz erläutert. Ich würde Sie gerne daran erinnern, dass Sie Ihre Pressemitteilung überschrieben haben mit: „FFG-Novelle justiert Filmförderungssystem neu“. Das hört sich gewaltig an, und genau das haben viele in der Branche erwartet. Der Kern des Filmförderungsgesetzes ist ja das Abgabensystem, und an diesem Abgabensystem hat sich nichts ändert. Die Verbände haben ihre Enttäuschung -darüber, nachdem sie den Entwurf gelesen haben, öffentlich gemacht. Das ist in den Stellungnahmen nachzulesen. Erste Frage: Welche Überlegungen haben maßgeblich dazu geführt, dass Sie von einer Änderung Abstand genommen haben? Zweite Frage: Spielt dabei vielleicht auch das noch ausstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Klage der Kinobetreiber eine Rolle? Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Ja, letzteres auch. Sollte es Kritik an dem jetzigen Entwurf gegeben haben – ich konzentriere mich in der Regel lieber auf das Lob –, (Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Das kann ich mir vorstellen! Das weiß ich auch!) und würde sie darauf abzielen, dass nichts Substanzielles geändert worden ist, kann ich nur feststellen, dass das nicht zutrifft. Ich konnte das auch in einem Gespräch mit den Verfassern der Stellungnahme, in der es um die Veränderung der Abgaben geht, deutlich machen. Ich will das hier nicht wiederholen, aber lassen Sie mich noch einmal auf die Verpflichtung, für Barrierefreiheit zu sorgen, auf die Veränderung der Sperrfrist sowie die Veränderung bei der Förderung hinweisen. Dadurch wollen wir – ich habe das bereits ausgeführt – die Filmflut reduzieren, die Mittel konzentrieren und mehr für den Absatz tun. Nehmen Sie als weiteres Beispiel den mutigen Versuch gegenüber der EU, durchzusetzen, dass ausländische Video-on-Demand-Anbieter eine Abgabe entrichten müssen. Das war übrigens eine zentrale Forderung der vier Verbände. All die genannten Maßnahmen verändern die Filmförderung in hohem Maße. Zur Schlagzeile in der Presseerklärung: Die muss immer etwas bombastisch sein, damit die Presseerklärung gelesen wird. Das kennen Sie ja. (Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Ach so!) Der zweite Punkt betrifft die Abgabensituation. Die vier Verbände, die sich zusammengesetzt haben – unter anderem die Produzenten, die Kinobetreiber, die Videothekenbetreiber –, wollten eine Veränderung bei den Zahlungen. (Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Ja!) Sie haben gesagt: Wir wollen eine Veränderung der Abgaben, wir selbst wollen weniger zahlen, dafür sollen zum Beispiel die Telekommunikationsunternehmen, die durch ihre Leitungen Filme durchleiten, etwas zahlen, und auch die Fernsehanstalten sollen erhöhte Beiträge leisten. Nun wäre es besonders intelligent gewesen, wenn sich alle zusammengesetzt und ein Konsenspapier erarbeitet hätten. Es zeigte sich nun aber, dass diejenigen, die mehr zahlen sollten, nicht dazu bereit sind. Das waren einmal die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. Sie zahlen die Beträge, die wir ihnen im Rahmen der letzten Novellierung verordnet haben. Wir sind im Übrigen froh darüber, dass dies vor Gericht Bestand hatte, und würden dies ungern während eines laufenden bzw. noch anhängigen Klageverfahrens verändern. Zugleich muss ich akzeptieren, wenn die Fernsehanbieter sagen: Es gibt keine Gebührenerhöhung für uns, wir können das nicht abrechnen, und wir sind nur bereit, unseren gesetzlichen Mindestbeitrag zu leisten. Die Forderung, dass die Telekommunikationsunternehmen mehr zahlen, würde ich sehr gern unterstützen, weil diese Filme durchleiten. Diese Forderungen sind jedoch nicht EU-konform, weil die EU uns auf unsere Nachfrage hin gesagt hat: Ihr könnt für die reine Durchleitung nicht Geld nehmen, zumal sie für die Bereitstellung im Kabelnetz ohnehin Geld zahlen. Das war also nicht möglich und hat dazu geführt, dass wir gesagt haben: Wir würden das gern verändern, aber im Moment geht das nicht. Hier bin ich im Einvernehmen mit den Beteiligten zu einem Kompromiss gekommen. Dieser Kompromiss sieht so aus, dass wir das Ganze nicht über fünf Jahre hinweg laufen lassen, sondern, weil sich die wirtschaftlichen Bedingungen in dieser Zeit sehr schnell ändern, nur einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren vorsehen. Das heißt, schon anderthalb Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes werden wir evaluieren, um einen Vorschlag zu machen. Bei diesem Gespräch hatte ich den Eindruck, dass die Branche dies akzeptiert hat. Ich bitte um Nachsicht dafür, dass ich dies so ausführlich erklärt habe, aber kürzer geht das nicht. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie wollten trotz der Ausführlichkeit der Ausführungen von Herrn Staatsminister Neumann noch eine Nachfrage stellen? Angelika Krüger-Leißner (SPD): Genau. – Ihre Ausführungen haben zum Teil bestätigt, dass wir an den Kern, also an das Abgabensystem, nicht herangehen. Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Frau Kollegin, hier gibt es ja auch keinen Zwang dahin gehend, dass wir das ändern müssen. Angelika Krüger-Leißner (SPD): Ja, aber um der Akzeptanz des FFG willen haben wir darum gerungen, damit wirklich alle dabeibleiben. Ich möchte die Stellungnahme des Vertreters eines Verbandes wiedergeben. Er sagte, es handele sich um wenige Änderungen, übrigens bereits schon in Richtlinien festgehalten. Und: Was die Förderung des Kinderfilms betrifft, so werde dies praktiziert. – Dies sind nur zwei Beispiele. Lohnt sich also der Aufwand, dieses Gesetz mit all dem Prozedere im nächsten halben Jahr zu novellieren, bei einer Geltungsdauer von nur zweieinhalb Jahren? Oder wäre nicht eine Verlängerung um zweieinhalb Jahre auch ein möglicher Weg? Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Das wäre die einfachste Lösung gewesen, aber es wäre nicht die intelligenteste Lösung gewesen. Es ist immer am leichtesten, etwas zu vertagen. Ich dachte, wir kommen dem besonderen Bedürfnis der engagierten Filmliebhaber – insbesondere Ihnen – entgegen, wenn wir mit Ihnen darüber beraten und dann, wenn eine Veränderung der Abgaben im Augenblick nicht möglich ist, wenigstens die eine oder andere Änderung vornehmen. Liebe Frau Kollegin Krüger-Leißner, ich muss Ihnen sagen: Sie saßen mit an dem großen runden Tisch, als wir anderthalb Tage lang mit über 70 Vertretern aus der gesamten Filmwirtschaft diskutiert haben. Neben dem Punkt „Veränderung der Abgaben“ waren auch alle anderen Punkte wichtig für die Beteiligten. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Einvernehmen!) Wir hätten zum Beispiel sonst die Sperrfrist nicht ändern können. Wir hätten nicht unserem Wunsch Ausdruck geben können, ausländische Video-on-Demand-Anbieter aufzufordern, sich an der Finanzierung zu beteiligen usw. Das heißt, Sie dürfen die Filmförderung und -bewertung nicht an vier Hauptgruppen ausrichten. Es gibt so viele, die – angefangen beim Drehbuch bis hin zu den Schauspielern – an der Entstehung eines Films beteiligt sind. Es wäre aus meiner Sicht arrogant gewesen, zu sagen: Wir machen erst einmal gar nichts, warten zweieinhalb Jahre und reden dann über andere Themen. Wir waren der Auffassung, dass es klug ist, in dieser Zeit Veränderungen, die sich anbieten, vorzunehmen. Das schlagen wir Ihnen vor. Ich würde mich freuen, wenn Sie das unterstützen könnten. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Kathrin Senger-Schäfer. Bitte schön, Frau Kollegin Kathrin Senger-Schäfer. Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE): Vielen Dank. Herr Staatsminister. Ich frage mich: Was passiert mit dem Bereich der filmberuflichen Weiterbildung, wenn diese in der Zukunft im Filmförderungsgesetz wegfällt? Sie begründeten das mit einer zu starken Zersplitterung und damit, dass wir den Blick auf die Kernaufgaben richten müssten. Welche Ursachen -sehen Sie denn für diese starke Zersplitterung? Daran anknüpfend frage ich: Wie soll die filmberufliche Weiterbildung in § 2 Abs. 1 FFG dann konkret geregelt werden? – Danke. Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Frau Senger-Schäfer, diese Frage war Gegenstand des runden Tisches. Am Ende war man einmütig der Auffassung, (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Richtig!) dass es sinnvoll ist, die von uns vorgeschlagene Änderung vorzunehmen. Warum? Im Gesetz ist geregelt – ich glaube, das steht in § 59 FFG –, dass die FFA generell den Auftrag hat, Förderungshilfen für Weiterbildungsmaßnahmen zu gewähren. Das hat dazu geführt, dass viele Einzelmaßnahmen unterstützt wurden: einzelne Produzenten, einzelne Kinobesitzer. Dies hat auch, weil die Mittel begrenzt sind, zu einem mehr oder weniger zerfledderten System ohne Schwerpunkte geführt. Daher waren alle der Auffassung: Eine solche Förderung bringt nicht viel. Hinzu kommt, dass die Beitragszahler, also diejenigen, die die FFA und damit die Filmförderung finanzieren, der Auffassung waren, dass die FFA nicht generell für Weiterbildung zuständig ist, sondern nur für Weiterbildungsmaßnahmen, die mit dem Auftrag der FFA zu tun haben. Das ist nicht meine Auffassung, also nicht Auffassung des BKM, sondern Auffassung der Beitragszahler gewesen. Was folgt daraus? Weiterbildung wird weiterhin ein Thema sein. Die Frage, ob Unterstützung gewährt wird oder nicht, wird in Zukunft vom Präsidium entschieden. Da wir das Präsidium um einen Kreativen erweitern – Frau Roth, Wolfgang Börnsen und andere, die dafür eingetreten sind, werden sich darüber freuen –, kann man davon ausgehen, dass angemessene Forderungen gestellt werden. In Zukunft sollen sich die Fördermaßnahmen auf Themen beziehen und nicht auf Einzelpersonen. Wir unterstützen beispielsweise den Berlinale Talent Campus. Hier sagt dann die FFA: Da geht es um Talente; das wollen wir unterstützen. – Es gibt sicherlich noch andere Förderungsmöglichkeiten, die man sich vorstellen kann. Ich darf es aber noch einmal sagen: Das war nicht unsere originäre Meinung, sondern wir haben aus dem, was man uns vorgetragen hat, Konsequenzen gezogen. Wir haben gesagt: Weiterbildungsmaßnahmen sollen angeboten werden, die Mittel sollen aber konzentriert vergeben werden, und über die Förderung entscheidet das Präsidium, in dem dann alle Gruppierungen einschließlich der Kreativen vertreten sein werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Nächster Fragesteller ist Kollege Burkhardt Müller-Sönksen. Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Herr Staatsminister Neumann, die FDP-Fraktion begrüßt, wie vom Kollegen Wolfgang Börnsen schon ausgeführt, dass die Bundesregierung ein Kulturthema auf die Tagesordnung gesetzt hat. Das sollte man in diesem Hause durchaus häufiger tun. Wir haben gerade gehört, dass die Telekommunika-tionsanbieter nicht an den Abgaben beteiligt werden, weil europarechtliche Regelungen dem entgegenstehen. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich, dass Sie die Laufzeit des Gesetzes auf zweieinhalb Jahre begrenzen wollen, um im Anschluss evaluieren zu können. Welche Roadmap hat die Bundesregierung hinsichtlich dieser Fragestellung? Ich möchte meine zweite Frage gleich hinterherschicken: Können Sie uns über den Stand der Umsetzung der Digitalisierung von Kinos informieren? Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Ihre erste Frage betrifft Telekommunikationsunternehmen, die Filme durchleiten, mehr nicht. Diese Unternehmen werden bereits herangezogen, zum Beispiel bei den Kabelgebühren. Es gibt die Vorschrift – Juristen wissen das besser –, dass man nicht zweimal für dasselbe herangezogen werden darf. Wir haben es ja versucht. Von der EU wurde uns aber gesagt: Das geht nicht. Diese Unternehmen leiten nur durch. Da sie schon für die technischen Möglichkeiten zahlen, können sie nicht auch noch herangezogen werden, wenn es um inhaltliche Fragen geht. Das bedauere ich sehr, weil die Unternehmen indirekt trotzdem profitieren und weil die Unternehmen, an die ich denke, nicht das Prädikat -„Armut“ tragen. Deswegen habe ich mir vorgenommen – das ist der erste Schritt –, auch in Abstimmung mit Vertretern der Filmbranche, Gespräche mit den Vertretern der Telekommunikationsunternehmen zu führen und sie zu animieren, einen freiwilligen Beitrag zu leisten. Das gab es früher auch. Früher haben Fernsehanstalten und andere freiwillig Beiträge geleistet nach dem Motto: Es geht ja hier nur um ein paar Millionen – es geht ja nicht um Hunderte von Millionen –, die sehr helfen und die in unserer Bilanz keine so große Rolle spielen. Das bewahrte dann davor, dass man möglicherweise über andere juristische Schritte nachdachte. Das ist der eine Punkt. Ihre zweite Frage betrifft die Digitalisierung. Die Digitalisierung, für die wir ja gemeinsam mit dem Kulturausschuss ein Programm erarbeitet haben, das auch von Regierung und Kulturausschuss getragen wird, ist – man muss es so sagen – erfolgreich. Sie ist ein Renner. Ich sollte darauf hinweisen, dass wir nicht alle Kinos unterstützen, sondern nur die kleineren, die Arthouse-Kinos usw., die nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft für die Digitalisierung einer Leinwand aufzukommen. Dieses Programm setzt sich zusammen aus Beiträgen des Bundes, der Länder, der FFA und – das ist die positive Meldung – seit kurzem auch sicher einem Beitrag der Verleiher. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Ja! Sehr gut!) Das war ja bisher offen. Die Verleiher sind die größten Profiteure der Digitalisierung. Jetzt haben wir die Verbindlichkeit, dass die Verleiher sich beteiligen. Das führt dazu, dass die von ihnen in der Vergangenheit bei schon digitalisierten Leinwänden nicht gezahlten Zuschüsse noch erfolgen. Die Digitalisierung kommt schneller voran, als wir dachten. Unser Programm sah fünf Jahre mit je 4 Millionen Euro vor. Wir stellen fest, dass es schneller geht. Die Kinos wollen schneller digitalisieren, um auch wettbewerbsfähiger zu werden. Ich konnte erreichen, dass im Nachtragshaushalt 2012 noch einmal 3 Millionen Euro für die Digitalisierung ausgegeben werden, sodass wir da schneller vorankommen. Wir hatten ja bisher nur 4 Millionen Euro pro Jahr einkalkuliert. Ich habe jetzt die Haushälter gebeten, diese Mittel bei der Bereinigungssitzung möglichst noch etwas zu erhöhen. Die Gesamtsumme wird bleiben, aber wir können diesen Prozess der technologischen Veränderung dann durch unsere Förderung beschleunigen. Vizepräsident Eduard Oswald: Fragen Sie noch einmal nach. Dann habe ich noch eine Reihe von anderen Wortmeldungen. – Bitte schön, Herr Kollege Burkhardt Müller-Sönksen. Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. Ich habe noch eine kurze Nachfrage zur Gesamtsumme. Vizepräsident Eduard Oswald: Er antwortet immer so lange. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: -Genau!) Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Ist die Gesamtsumme auskömmlich, oder droht sie durch den Erfolg erhöht werden zu müssen? Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Das kann ich noch nicht abschätzen, Herr Kollege. Ich antworte im Sinne des Präsidenten kurz. (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Danke!) Vizepräsident Eduard Oswald: Wobei ja, Herr Staatsminister, alle dankbar sind, dass dieses Thema heute auf der Tagesordnung steht. – Nächster Fragesteller: Kollege Johannes Selle. Johannes Selle (CDU/CSU): Herr Staatsminister, wir begrüßen die Weiterentwicklung des Filmförderungsgesetzes. Denn die Branche befindet sich in einem schnellen Umbruch, wie wir ja schon beim Thema Kinodigitalisierung gehört haben. Die Kinodigitalisierung wird dazu führen, dass weniger Filme herkömmlicher Produktionsart aufgeführt werden können. Wir als Parlamentarier diskutieren über die Digitalisierung des Filmerbes. Wie ist dafür im Filmförderungsgesetz Vorsorge getroffen worden? Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Digitalisierung über Film hinaus – das ist ohnehin das Stichwort – ist eine große Herausforderung, die wir insgesamt bestehen müssen. Es geht ja nicht nur um Film – das darf ich als Kulturstaatsminister sagen, der ja nicht nur für Film verantwortlich ist –, sondern auch um -andere Bereiche. Da stehen wir vor großen Herausforderungen. Wir haben schon – ich hatte Sie im Kulturausschuss darüber informiert – den Beginn einer Digitalisierungsoffensive eingeleitet, indem wir deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt haben als bisher; aber diese Mittel werden wir noch deutlich erhöhen müssen. Wir werden auch Beiträge Privater brauchen, um dieses Problem zu lösen. Die Digitalisierung des Filmerbes ist nur ein Aspekt. Wir haben schon im letzten Haushalt diejenigen, die das Filmerbe bei uns archivieren, zum Beispiel die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung und die DEFA-Stiftung, zusätzlich mit mehreren Hunderttausend Euro ausgestattet, darüber hinaus auch das Bundesarchiv, Abteilung Film. Wir haben vor, im neuen Haushalt – ich muss vorsichtig sein, um mich nicht unbeliebt zu machen; denn er ist noch nicht beschlossen – allein für die Digitalisierung filmischen Erbes weitere 1 Million Euro zur Verfügung zu stellen. Das ist, verglichen mit früher, schon eine ganze Menge. Das filmische Erbe, das erhaltenswert ist – die Entscheidung darüber treffen übrigens nicht wir; ich möchte, dass sie von Fachleuten getroffen wird –, soll also sukzessive und in zunehmendem Maße durch Digitalisierung gesichert werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Nächster Fragesteller: Kollege Marco Wanderwitz. Bitte schön, Kollege Marco Wanderwitz. Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Herr Staatsminister, Sie haben das Thema, um das es mir geht, schon in einem Nebensatz angesprochen; aber ich würde ganz gern noch ein paar Sätze mehr dazu hören. Es geht um die Frage: Besteht eigentlich tatsächlich Veränderungsbedarf bzw. gibt es echte Veränderungen bei der Besetzung der Gremien der Filmförderanstalt? Vor diesem Hintergrund würde ich gerne wissen: Erstens. Wie schätzen Sie das Funktionieren der Gremien der FFA aktuell ein? Zweitens – zu der bereits kurz angesprochenen Änderung –: Welche Motivation hat die Bundesregierung veranlasst, verstärkt Kreative in die Gremien zu holen? Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Schon früher – in meiner Zeit als Abgeordneter und Staatsminister ist dies, wie ich glaube, schon die vierte Novellierung des Filmförderungsgesetzes – haben wir immer wieder über die Gremien diskutiert. Es gab sogar einmal eine Auflage des Haushaltsausschusses. Damals hieß es, die Gremien seien zu groß. Darüber haben wir dann diskutiert – ich war damals Abgeordneter –, und die Konsequenz war: Wir haben die Zahl der Mitglieder leicht erhöht. (Heiterkeit des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]) Wir haben sie deshalb erhöht – auch Claudia Roth weiß das bestimmt noch –, weil wir die Klassischen nicht hinauswerfen wollten, uns aber daran gelegen war, die Kreativen – Drehbuchschreiber und alle, die sonst noch dazugehören – mit einzubeziehen. Wir haben also gesagt: Auf zwei Mitglieder mehr kommt es nicht an. Der Verwaltungsrat der FFA ist in seiner jetzigen Größenordnung ein Gremium, das, wie ich finde, auf wunderbare Weise die gesamte Filmlandschaft widerspiegelt. Er ist gewissermaßen ein Filmparlament. All diejenigen, die an dem Prozess beteiligt sind, sind Mitglied. Wir verändern die Zusammensetzung dieses Gremiums an nur einer Stelle. Das finde ich richtig. Ich möchte nämlich niemanden streichen. Das Präsidium ist sozusagen das Handlungsorgan der FFA. Es ist insofern wichtig, als es einzelne Fördermaßnahmen beschließt. Hier haben wir eine Entscheidung getroffen, die uns vor vier Jahren wahrscheinlich noch riesigen Protest der Produzenten beschert hätte, da diese, was ihre Einstellung angeht, eher konservativ sind. Wir haben entschieden, den Vorschlag zu machen, einen Vertreter der Kreativen – die zwar keine Beitragszahler sind, aber entscheidend zur Produktion eines Filmes beitragen – mit einzubeziehen. Das wäre neu. Ich gebe zu: Das alles ist nicht revolutionär. Im Rahmen der parlamentarischen Beratung besteht durchaus die Möglichkeit, diese Regelung zu ändern. Empfehlen würde ich das aber nicht. Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt folgt die Frage unserer Kollegin Kathrin Senger-Schäfer. Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE): Herr Staatsminister, vielen Dank. – Ich habe eine Frage zur Beschäftigungssituation der Kreativschaffenden in der Filmbranche. Mich würde interessieren, inwieweit in den Aufgaben der FFA, die in § 2 Abs. 1, 2, 5 und 6 des Filmförderungsgesetzes beschrieben sind – das betrifft die Förderung, Strukturverbesserung, gesamtwirtschaftliche Belange, internationale Zusammenarbeit und Kooperation mit den Rundfunkanstalten –, die Beschäftigungssituation der Kreativschaffenden Berücksichtigung findet und welche zusätzlichen Vereinbarungen Sie im Bedarfsfall als nötig erachten, um eine Optimierung des Filmförderungsgesetzes hinsichtlich der Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Hier muss man zwischen dem Sachverhalt und dem Sinn des Gesetzes unterscheiden. Was den Sachverhalt betrifft, bin ich wie Sie der Auffassung – das entnehme ich Ihrer besorgten Frage –, dass die Beschäftigungssituation vieler Filmschaffender, insbesondere vieler im schauspielerischen Bereich Tätiger, generell unzureichend ist; das ist so. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Stimmt!) Wenn man sich, wie im Bericht der Enquete-Kommission nachzulesen ist, vor Augen führt, wie viel Künstler und Schauspieler im Durchschnitt verdienen, kann man kaum fassen, dass sie trotzdem ein solch großes Engagement an den Tag legen. Hier besteht Korrekturbedarf. Einen ersten Schritt haben wir in der Großen Koalition unternommen. Jetzt folgt der zweite Schritt. Dabei geht es unter anderem um das ALG I und die Anrechnung beim Arbeitslosengeld. Das ist eine schrittweise Verbesserung. Sie könnte noch stärker sein; ich empfehle das. Das wäre allerdings ein Schritt, den wir in der nächsten Legislaturperiode tun sollten. Wir haben das Filmförderungsgesetz von uns aus schon mit kulturpolitischen Forderungen belastet. Das geht ein Stück über den eigentlichen Auftrag hinaus; denn hier geht es praktisch nur um die wirtschaftliche Förderung. Das FFG kann in keiner Weise die Verantwortung von Tarifpartnern übernehmen. Wir haben einmal diskutiert – Frau Krüger-Leißner wird sich erinnern, Wolfgang Börnsen auch –, ob man bezogen auf Förderung und Beschäftigung zusätzliche Auflagen machen kann, sind aber sehr schnell nicht nur auf den Widerstand der gesamten Branche, sondern auch auf rechtliche Hürden gestoßen. Im Rahmen dieses Gesetzes kann bis auf Appelle eigentlich nichts mehr gemacht werden. Ich füge aber hinzu: Ich bin mit Ihnen der Auffassung, dass auf anderen Ebenen für die Verbesserung der Beschäftigungssituation der Filmschaffenden nach wie vor mehr zu tun ist. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Völlig richtig!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Es gibt keine Fragen mehr zu dem Bericht, den Staatsminister Bernd Neumann gegeben hat, sodass ich jetzt zu den Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung überleite. Zu Wort gemeldet hat sich unsere Kollegin Dagmar Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Wie wir alle gelesen haben, hat sich der Koalitionsausschuss am Sonntagabend oder Sonntagnacht unter anderem mit der sogenannten Lebensleistungsrente befasst. Einem Artikel aus der Welt konnte ich heute entnehmen, dass Frau von der Leyen eine Rentenwohltat verspricht. Die FDP hat sofort reagiert und vor überzogenen Erwartungen gewarnt. Frau von der Leyen verspricht offenkundig wirklich das Blaue vom Himmel. Real wird diese Rente – so habe ich das verstanden – maximal 10 bis 15 Euro oberhalb der Grundsicherung liegen, und maximal 2 Prozent der Betroffenen werden überhaupt einen Anspruch darauf haben, weil die Zugangsmöglichkeiten sehr stark beschränkt sind. Was dort am Sonntagabend erarbeitet worden ist, ist also bei genauerem Hinsehen alles andere als eine Rentenwohltat. Mit diesem Thema werden wir uns hier noch beschäftigen. Meine Frage: Hat sich das Kabinett mit diesen Vorschlägen befasst, und wurde die Ministerin zurückgepfiffen? Vizepräsident Eduard Oswald: Zur Beantwortung steht zur Verfügung Herr Staats-minister Eckart von Klaeden. Bitte schön, Kollege von Klaeden. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Frau Kollegin Enkelmann, das Kabinett hat sich mit dieser Frage nicht befasst; deswegen musste auch niemand „zurückgepfiffen“ werden. Sie haben das Stichwort selber gegeben: Wir werden uns in diesem Hohen Hause mit der Frage noch beschäftigen. Vizepräsident Eduard Oswald: Zu diesem Bereich oder zu einem anderen Thema der heutigen Kabinettssitzung unser Kollege Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So weit entfernt ist meine Frage gar nicht: Es geht auch um die Umsetzung der Ergebnisse des Wahlgeschenkegipfels vom Sonntag. Ich habe aus den Ausschüssen gehört, dass der Betreuungsgeldantrag, der in den Fachausschüssen beraten wurde, bezüglich der Altersvorsorge und des Bildungssparens nicht die Elemente enthält, die Sie angeblich hinzugefügt haben wollen. Ich möchte wissen, über was wir jetzt eigentlich beraten und wann das Betreuungsgeld in seiner Endform, wie Sie es vereinbart haben, in den Bundestag eingebracht wird. Beabsichtigen Sie, ein Gesetz, das Sie noch gar nicht verabschiedet haben, gleich wieder nachzuflicken, oder wie sollen die Beschlüsse des Koalitionsgipfels zum Betreuungsgeld im weiteren Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden? Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Staatsminister. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Herr Kollege Beck, dass die am Sonntag beschlossenen Ergänzungen des Betreuungsgeldes in der Formulierungshilfe nicht enthalten sein sollen, ist nicht zutreffend. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben mir gerade die Leute aus dem Finanzausschuss erzählt!) Wir werden beides am Freitag in diesem Hause beraten und das Betreuungsgeldgesetz in zweiter und dritter Lesung verabschieden. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das geht beim Ergänzungsgesetz aber nicht! Das ist erste Lesung und Überweisung! Keine Tricks!) Vizepräsident Eduard Oswald: Ich beende nun die Themenbereiche der heutigen Kabinettssitzung. Gibt es darüber hinaus sonstige Fragen an die Bundesregierung? – Das ist nicht der Fall. Somit beende ich die Befragung. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde – Drucksachen 17/11282, 17/11313 – Zu Beginn der Fragestunde rufe ich die dringlichen Fragen auf Drucksache 17/11313 auf. Die dringlichen Fragen beziehen sich auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Ich rufe die dringliche Frage 1 unseres Kollegen Niema Movassat auf: In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Pressemeldungen vom 3. November 2012 (unter anderem www.sueddeutsche.de/politik/de-maizire-ueber- auslandseinsaetze-regierung-plant-neues-afghanistan-mandat-1.1513110) den geplanten Bundeswehreinsatz so zu beschränken, dass dieser nicht dem Parlamentsvorbehalt unterliegt, bzw. welche genauen Tätigkeiten sieht die Bundesregierung in ihren derzeitigen Planungen für einen Bundeswehreinsatz in Mali oder seinen Nachbarländern vor? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Lieber Kollege Movassat, ich habe ein gewisses Problem, weil ich eigentlich eine Rückfrage stellen müsste; (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist aber so nicht geplant!) denn in der Frage kommt zum Ausdruck – mit Genehmigung des Parlamentspräsidenten wiederhole ich das hier doch noch einmal –: Laut Pressemeldungen erwägt Bundesverteidigungsminister de Maizière einen Bundeswehreinsatz in Mali ohne Bundestagsmandat usw. Das kann sich wohl nur auf das Interview in der Süddeutschen Zeitung von Samstag beziehen. Bei einem Interview sind für Fragen bekannterweise die Journalisten und für Antworten die Gefragten verantwortlich. Eine Frage des Journalisten lautete: Bewaffnete Auslandseinsätze muss der Bundestag billigen. Gibt es Überlegungen, einen Einsatz in Mali zu beschließen, ohne das Parlament zu fragen? Antwort: Die Frage nach einem Mandat des Bundestages richtet sich nach dem Auftrag unserer Soldaten. Wir klären jetzt erst einmal, was unser Auftrag sein könnte und was wir für dessen Erfüllung bräuchten. Wenn das ein Mandat erforderlich macht, dann werden wir dies selbstverständlich im Bundestag anstreben. Deswegen, verehrter Herr Präsident, sind mir die Insinuierung und die Interpretation, die aus der Frage he-rauszuhören sind, die Bundesregierung würde welches Mandat auch immer anstreben, nicht ganz eingängig. Deshalb kann ich auf die Frage nur pauschal antworten, dass die Bundesregierung gegenwärtig prüft, und zwar im Lichte dessen, was sich in der nächsten Zeit seitens der Europäischen Union im Hinblick auf das Krisenmanagementkonzept entwickeln wird, das in den nächsten Wochen zur Beratung ansteht, und natürlich der Entscheidungen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen bzw. von ECOWAS und der dort tätigen afrikanischen Organisationen und Länder. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage. Niema Movassat (DIE LINKE): Danke schön. – Sie haben das richtige Interview zitiert. Was natürlich auch nach der Antwort des Ministers bleibt, ist, dass er nicht ausschließt, das Parlament nicht daran zu beteiligen. Deshalb bleibt die Frage an dieser Stelle wichtig. Es geht um einen Auslandseinsatz der Bundeswehr. Das ist eine Frage, die die Öffentlichkeit bewegt. Deshalb wurde dieses Interview ja auch in anderen Medien aufgegriffen. Insofern fragt man sich schon: Vor welchem Hintergrund will die Bundesregierung kein Parlamentsvotum bezüglich dieses Bundeswehrmandats? Die Hauptbegründung wird vermutlich sein, es gehe erst einmal um Ausbildung. Dafür sei es nicht erforderlich, weil es keine Kampfeinsätze oder dergleichen gebe. Aus Afghanistan wissen wir aber noch: Das fängt mit der Ausbildung an, und hinterher ist man mitten im Krieg. Daher habe ich an dieser Stelle noch einmal die konkrete Nachfrage: Wird die Bundesregierung, falls es zu diesem Auslandseinsatz der Bundeswehr kommt, dies dem Parlament vorlegen? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Sehr verehrter Kollege, ich bin dankbar, dass Sie den im Text Ihrer zweiten Frage beinhalteten Passus: „Kann die Bundesregierung … mit absoluter Sicherheit ausschließen …?“, der schon denklogisch etwas problematisch ist, nicht wiederholt haben. Ich finde, dass wir uns hier nicht mit Ausschließungsfragen, sondern mit Sachfragen beschäftigen müssen. Deswegen sagt die Bundesregierung völlig klar: Wir sind auf der Grundlage der von mir gerade genannten Bewertungen der internationalen Gemeinschaft und internationaler Organisationen im Hinblick auf die Krisenlage, die sich im Norden Malis entwickelt hat, und auf die Kräftigung der Handlungsfähigkeit der malischen Verantwortlichen im Süden grundsätzlich dazu bereit, uns dieser internationalen Frage zu stellen und zu nähern. Ob daraus eine militärische, eine Ausbildungs-, eine zivile oder eine andere Option entsteht, ist bisher nicht klar und verabschiedet. Deswegen kann ich auch nichts ausschließen und werde nichts ausschließen. Ich werde allerdings eines ausschließen: dass die Bundesregierung sich nicht an § 2 Abs. 1 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes in Verbindung mit dem Urteil vom 7. Mai 2008 – 2 BvE 1/03 – des Bundesverfassungsgerichts über die Frage, was ein bewaffneter Einsatz ist und dass er, wenn es ein bewaffneter Einsatz ist, natürlich vom Parlament zu beschließen ist – ergänzt um den Hinweis, dass das immer parlamentsfreundlich auszulegen ist –, halten wird. Wir werden zu gegebener Zeit natürlich auch unsere entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen. Weiteres kann ich nicht ausschließen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Kollege Niema Movassat. Niema Movassat (DIE LINKE): Danke. – Können Sie etwas zum aktuellen internationalen Diskussionsstand über die Mission sagen? Es gibt ja immer wieder mediale Berichterstattungen. Anscheinend ist es so, dass die Diskussionen inzwischen weiter sind als im Anfangsstadium; man befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium. Deshalb wäre es für das Parlament interessant, frühzeitig über die Fragen Bescheid zu wissen: Welches Einsatzgebiet ist vorgesehen? Um welche Art von Mission handelt es sich? Wie sind die derzeitigen Diskussionen, und wie beteiligt sich Deutschland an diesen Diskussionen? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Vielen Dank. – Die international und in vielen Medien aufgeworfene Frage, wie sich die Möglichkeit einer Befriedung in Mali entwickelt, hat heute in zwei Ausschüssen dieses Hauses eine wichtige Rolle gespielt. Sowohl im Auswärtigen Ausschuss als auch im Verteidigungsausschuss erfolgte dazu eine Unterrichtung durch die Bundesregierung. Dabei wurde deutlich, dass es verschiedene Optionen gibt, die der Bundesaußenminister mit seiner sehr tiefgreifenden Reise nach Mali in den letzten Tagen auch fundiert hat. Wir haben nach dieser Reise die Erkenntnis gewonnen, dass es notwendig ist, die terroristischen Aggressionen, die sich im Norden Malis ergeben und die dort schon bestehen, zu befrieden. Es ist abgewogen worden, welche Verhandlungen möglich sind, ob die verschiedenen Gruppierungen, die sich dem islamistischen Terrorismus zuordnen, bereit sind, an einen Verhandlungstisch zu kommen. Wir haben Signale von Tuareg-Strukturen erhalten, die das sehr wohl bejahen. Von anderen Gruppierungen ist dazu bisher nichts zu hören. Nachdem gerade in der malischen Hauptstadt eine Konferenz stattgefunden hat, in der über diese Frage gesprochen worden ist, und die Hohe Beauftragte der -Europäischen Union, Frau Ashton, mit der Erarbeitung eines entsprechenden Krisenmanagementkonzepts beauftragt worden ist, versuchen wir, bis vermutlich Ende des Monats – am 17./18. dieses Monats findet in Brüssel eine Sitzung des Rates im Format der Außen- und Verteidigungsminister statt – hierüber zu beraten, wenngleich wir dabei auch zu berücksichtigen haben, dass die 45 Tage umfassende Frist, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bei seiner ersten Resolution bezüglich Mali eingezogen hat, noch in diesem Jahr abläuft, sodass wir abzuwarten haben, wie sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen danach in dieser Frage betätigt. Hierüber kann ich aber, auch mangels Zuständigkeit, keine weitere Auskunft geben. Ich darf nur noch einmal versichern, dass wir uns in solche Überlegungen mit Bedacht einbringen, aber national von unserer Seite selbst keine stringenten Planungen vorliegen. Sie können deswegen nicht vorliegen, weil gegenwärtig noch gar nicht geklärt ist, in welchem Rahmen und mit welchen Mitteln die Befriedung der Situation in Mali erreicht werden kann. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich komme jetzt zu den weiteren Nachfragen. Zunächst unsere Kollegin Frau Kerstin Müller. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, noch einmal in Anlehnung an das Interview Ihres Ministers in der Süddeutschen Zeitung: Dort ist die Rede von einer möglichen Ausbildungsmission in Bezug auf die malische Armee. Sie erwähnten gerade auch die Wünsche der malischen Regierung und die Wünsche von ECOWAS. Deren Vorstellungen liegen nun weit auseinander. Sie sagten, Sie werden prüfen. Können Sie uns wenigstens darüber unterrichten, was die Bundesregierung prüft? Prüfen Sie, ob man sich an einer Ausbildung der malischen Armee beteiligen wird, oder prüfen Sie, ob man sich an einer möglichen europäischen Mission zur Ausbildung der ECOWAS-Truppen beteiligen wird? Bisher gibt es dazu von der Bundesregierung unterschiedliche Aussagen. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Dies befindet sich, Frau Kollegin, noch im Abwägungs- und Planungsstadium. Wir müssen auch in Rechnung ziehen, dass zwischen den malischen und den ECOWAS-Kräften noch nicht Klarheit darüber besteht, wer für was unter welcher Führung verantwortlich sein wird. Nach unseren Erkenntnissen und denen der -ECOWAS wird klar, dass die Ausbildung der malischen Streitkräfte – ich betone: die Ausbildung – wohl nottut. Es ist dann allerdings zu klären und zu prüfen, in welchem Rahmen man eine Ausbildung, die per se eine mittel- und langfristig angelegte Aufgabe ist, mit notwendigen Krisenmanagementaufgaben, beispielsweise denen der ECOWAS, in Einklang bringt. Ich darf übrigens darauf hinweisen, dass in Mali bis zum Putsch vor einiger Zeit eine Ausbildung, allerdings fern von jeder militärischen Mission, im Rahmen der Ausbildungshilfe in sehr kleinem Rahmen bereits stattgefunden hat, sodass wir in diesem Bereich erste Erfahrungen haben. Ich möchte allerdings für die Bundes-regierung hinzufügen, dass wir dies als eine genuin afrikanische Aufgabe, die dann durch Europa unterstützt wird, verstehen. Ich betone: von europäischer Seite; es ist nicht eine deutsche Aufgabe. Auf europäischer Ebene wird sicherlich Wert darauf zu legen zu sein, dass die europäischen Staaten, unser französischer Nachbar und andere, einen Konsens finden. So weit sind wir in der konkreten Planung noch nicht. Das ist in Arbeit. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine weitere Nachfrage unseres Kollegen Jan van Aken. Jan van Aken (DIE LINKE): Vielen Dank. – Herr Schmidt, Sie verweisen immer darauf, dass in der EU und im Sicherheitsrat noch entschieden werden muss. Nun ist es aber so, dass diese Entscheidungen nicht vom Himmel fallen. Zur Erinnerung: Die Bundesrepublik Deutschland ist Mitglied der EU und verhandelt mit. Die Bundesrepublik Deutschland ist Mitglied im UN-Sicherheitsrat und verhandelt mit. Deswegen noch einmal konkret: Was sind Ihre Vorstellungen, die Vorstellungen der Bundesregierung, was die Ausbildung der malischen Rebellen angeht? Ganz konkret: Was ist Ihre Vorstellung, wo das stattfindet? Können Sie sich vorstellen – ist das eine der Verhandlungspositionen, die Sie als Bundesregierung vertreten? –, dass eine Ausbildung der malischen Armee auf malischem Boden stattfindet, in einem Land, in dem gerade Bürgerkrieg herrscht und in dem zwei Drittel der Fläche von Rebellen besetzt worden sind, oder wollen Sie das für sich ausschließen? Was ist Ihre Verhandlungsposition bei den momentanen Gesprächen im UN-Sicherheitsrat und bei der EU? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, bei der „Ausschließeritis“ gibt es folgendes Problem: Wenn Sie der Infektion erlegen sind, dann haben Sie keinen klaren Blick mehr für das, was Sie nutzen müssen, um ein Ziel zu erreichen. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Das mit dem klaren Blick, das sehe ich!) – Sie haben den Ihren, wir als Bundesregierung haben den unsrigen. – Wir sind bei den Verhandlungen gegenwärtig zum großen Teil im Bereich der sogenannten Faktenfindung, Fact Finding. Wir müssen also erst einmal feststellen, wer für was bereit ist und was notwendig ist. Es wird durchaus darüber nachgedacht, ob es sinnvoll ist, die Ausbildung im Land oder außerhalb des Landes durchzuführen. Ich weise darauf hin, dass wir bereits im Rahmen der EU-Trainingsmission in Somalia die Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte – diese sollen dann in ihr eigenes Land zurückkehren – in einem Nachbarland durchführen. Die Entscheidungsgrundlage im Falle Malis ist noch nicht so verdichtet, dass man hierüber eine klare Aussage treffen kann. Allerdings zeichnet sich sehr deutlich ab – das ist auch die Position, die in Europa eingenommen wird –, dass eine Bekämpfung der Terroristen im Norden Malis nicht Aufgabe der Europäischen Union oder europäischer Kräfte ist. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Katja Keul. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Herr Staatssekretär Schmidt, in der französischen Presse ist zu lesen, dass es schon konkrete Zeitpläne gibt. Danach beginnen wir schon in den nächsten Wochen und Monaten mit dem Aufstellen von Truppen. Spätestens im März 2013 soll – so ist es im Figaro zu lesen – die Rückeroberung des Nordens starten. Spiegeln diese Zeitpläne auch die deutsche bzw. die europäische Position wider? Haben Sie miteinander gesprochen, oder handelt es sich um einen französischen Alleingang? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich kann nicht abschätzen, wer den von Ihnen erwähnten Artikel im Figaro, der in Deutschland viel -Beachtung findet, inspiriert hat. Ich will nur sagen: -Zeitungsmeldungen, die mit Zeitplänen zu solchen komplexen Krisenmanagementplänen beitragen sollen, sind nur sehr beschränkt konstruktiv. Ich möchte deswegen zu den Aussagen in dem erwähnten Artikel keine Stellung nehmen. Unsere Position wird auf der Grundlage von gemeinsamen Gesprächen und Erörterungen erarbeitet werden. Darin werden die Position und die Erkenntnisse der Reise des Bundesaußenministers, der nach seiner Rückkehr die Obleute der beiden Fachausschüsse unterrichtet hat, in starkem Maße einfließen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Nachfrage stellt unser Kollege Dr. Rolf Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Da ich weiß, dass ich die Kollegen von der Fraktion Die Linke nicht fragen darf, ob sie bereits jetzt ausschließen, dem Mandat zuzustimmen, möchte ich die Bundesregierung Folgendes fragen: Kann man daraus, dass sich die Bundeskanzlerin so früh in diese Debatte eingemischt hat, schließen, dass sie gegenüber der Federführung des zuständigen Ressorts eine gewisse Zurückhaltung an den Tag legt angesichts der Erfahrungen, die sie mit dem UN-Mandat 1973 betreffend Libyen und dem Abstimmungsverhalten des deutschen Vertreters im UN-Sicherheitsrat gemacht hat? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die Bundeskanzlerin, die in der letzten Woche anlässlich der Bundeswehrtagung in Strausberg in ihrer Rede auf die Möglichkeit eines Mandats betreffend Mali Bezug genommen hat, befindet sich genauso wie die gesamte Bundesregierung in absoluter Übereinstimmung mit dem federführenden Bundesminister des Auswärtigen und dem Bundesverteidigungsminister. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Nachfrage stellt unser Kollege Hans-Christian Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Staatssekretär. – Wie kommt die Frau Bundeskanzlerin angesichts der Tatsache, dass die Dimension, Ausgestaltung und Planung eines Einsatzes offenbar noch völlig im Nebel sind, und angesichts der vielfachen Beteuerungen der Bundesregierung, eine militärische Beteiligung nur als Ultima Ratio anzusehen, eigentlich dazu, die Beteiligung an einer militärischen Option zuzusagen, wenn bisher alle anderen Möglichkeiten, den Konflikt in Mali zu bewältigen, noch nicht ausgeschöpft sind? War der Bundeskanzlerin, als sie diese Zusage für eine Beteiligung an einer militärischen Option unbekannten Ausmaßes gemacht hat, bekannt, dass eine der Mudschaheddin-Gruppen in Mali bereits angekündigt hat, dass sie die Hauptstadt innerhalb von 24 Stunden erobern wird, wenn es zu einem militärischen Eingreifen des Auslands kommt? Ist es nicht abzusehen, dass es dann auch mindestens zu einer Art Partnering wie in -Afghanistan mit den sehr desolaten malischen Truppen kommen muss? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Ströbele, Ihre exegetischen Fähigkeiten in allen Ehren, (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Nicht so herablassend!) aber mir, wie wohl auch der Bundeskanzlerin selbst, hat sich nicht erschlossen, dass sie eine Zusage im Hinblick auf ein noch zu bestimmendes Mandat – Stichwort: -CONOPS, Operationsplan usw. – gegeben hätte. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ging um den übrigens auch in diesem Haus mehrfach erhobenen Vorwurf, die Bundesregierung würde sich nicht rechtzeitig mit internationalen Konflikten, insbesondere solchen in Afrika, beschäftigen. Die Äußerung der Bundeskanzlerin dokumentiert, dass sich die Bundesregierung politisch mit diesen Fragen beschäftigt, dass sie aber noch zu keiner endgültigen Antwort gekommen ist. Das Thema liegt allerdings auf dem Tisch der internationalen Gemeinschaft, und zwar spätestens seit dem Beschluss des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Ich darf darauf hinweisen, dass die Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist und die Resolution, die Mali betrifft und die im Sicherheitsrat verabschiedet worden ist, mitgetragen hat. Daraus kann man schließen, dass die Bundesregierung die Augen vor der Situation in Afrika und in Mali nicht verschließt. Diese Situation hat übrigens zu einem gewissen Teil auch damit zu tun, dass die Operation in Libyen Kräfte hervorgebracht hat, die, ausgerüstet mit militärischem Material, in anderen Ländern vagabundieren und dort Unsicherheit erzeugen. Es besteht also die Notwendigkeit, sich mit der Lage in Mali zu beschäftigen. Das heißt aber nicht, dass schon jetzt eine konkrete Antwort gegeben werden kann. Ich habe darauf hingewiesen, welche Verfahrens- und Entscheidungsabläufe in den nächsten Wochen zu erwarten sind. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat der französische Staatspräsident aber anders verstanden!) Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege Ströbele, Ihr Fraktionskollege Dr. Frithjof Schmidt ist an der Reihe. Bitte schön. Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, ich habe verstanden, dass Sie momentan noch prüfen, ob und gegebenenfalls welche Truppen Sie ausbilden. Ich habe eine Nachfrage dazu, was Sie genau prüfen: Ziehen Sie momentan in Erwägung, in Mali auch Truppen auszubilden bzw. eine solche Ausbildung fortzusetzen, während sie in Kampfhandlungen verwickelt sind, oder können Sie eine solche Erwägung im Augenblick schon ausschließen? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Schmidt, die feine Ziselierung Ihrer Frage spürend, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist er!) will ich sagen, dass wir die Ausbildung prüfen, nicht Einsätze im Sinne eines Kampfeinsatzes bzw. im Sinne dessen, was das Bundesverfassungsgericht in besagtem Urteil erklärt hat. Das habe ich vorhin dargelegt. Sie werden deswegen von mir keine weitere Antwort erhalten können, weil wir mit dem Prüfprozess und mit der Bewertung dessen, was möglich ist, auf nationaler Ebene noch gar nicht so weit sind. Auch wenn ein Vorschlag auf europäischer Ebene zu beraten sein wird, kann das nicht heißen, dass automatisch alle Mitgliedstaaten solch einem Vorschlag für das Krisenmanagementkonzept unverändert zustimmen werden. Wir wollen allerdings erreichen, dass die Konsentierung bis zur Erstellung dieses Konzeptes abgeschlossen ist. Die Schwierigkeit in Mali wird in der Tat sein – Sie gestatten, dass ich die Frage der Ausbildung durch die Bundeswehr, die in diesem Zusammenhang nur eine sehr nachgeordnete Rolle spielt, behandle –, dass die Hälfte dieses afrikanischen Landes durch terroristische Kräfte besetzt ist. Diese Kräfte stehen in einem gewissen Zusammenhang damit, dass sich die gegenwärtige malische Regierung selbst durch einen Putsch an die Macht gebracht hat. Es gilt, dieses schwierige Geflecht so zu behandeln, dass daraus nicht ein in die Nachbarschaft noch weiter hineingehender Brandherd entsteht. Das ist die Aufgabe, die zugegebenermaßen schwierig ist, der wir uns aber stellen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Nachfrage, unser Kollege Uwe Kekeritz. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, ich habe aus vielen Beiträgen erfahren, dass Sie prüfen, ob ausgebildet werden soll. Kann ich aus dem, was Sie gesagt haben, schließen, dass Sie nicht prüfen, aktiv an Militäraktionen teilzunehmen? Kann ich außerdem schließen, dass dieses Nichtprüfen zwar länger als zwei, drei Monate andauert, dass Sie aber danach vielleicht doch prüfen, sich an kriegerischen oder militärischen Auseinandersetzungen aktiv zu beteiligen? Es ist nämlich nicht so, dass nur das Magazin Cicero darüber berichtet, dass Frankreich ganz konkrete Pläne zu einer militärischen Intervention hat; darüber gibt es global zurzeit eine Reihe von Nachrichten. Meines Erachtens ist es auszuschließen, dass Frankreich einen Alleingang macht. Sie haben vorhin selber darauf hingewiesen, dass, wenn es zu irgendwelchen Aktionen kommt, dies europäische Aktionen sein werden. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Kekeritz, prüfen muss man, wenn man sich binden will. Ich will noch einmal festhalten: Stellen Sie sich vor, ich würde Ihnen hier ungeprüft über Dinge berichten, die die Bundesregierung erwägt. Was würden Sie dann über die Bundesregierung denken? Da ich möchte, dass ich als Vertreter der Bundesregierung in gutem Ansehen stehe, sage ich das, was ich sagen kann, und nicht das, wovon man möchte, dass ich es vielleicht tue: dass ich Ihnen zustimme. Der Rat für Außenbeziehungen der Europäischen Union hat am 15. Oktober einen Auftrag erhalten – ich bin jetzt nicht bei dem, was geprüft wird, sondern bei dem, was wir beschlossen haben –, eine nichtexekutive Ausbildungsmission in Mali im Rahmen eines Krisenmanagementkonzeptes zu prüfen. Dies ist tatsächlich eine Beschränkung auf ein Ausbildungskonzept. „Nichtexekutiv“ heißt, dass man auf kriegerische Auseinandersetzungen nicht einwirkt. Ich will die völkerrechtlichen Fragestellungen dabei einmal beiseitelassen, die angesichts der Situation in diesem Land gesondert betrachtet werden müssten. Bisher ist beabsichtigt – das ist keine Betrachtung, die vorbehaltlich der Ergebnisse, die die „Fact-finding Mission“ der EU aus Mali mitgebracht hat, zu anderen Ergebnissen führt –, dass am 19. November der Rat für Außenbeziehungen der Europäischen Union darüber etwas vorgelegt bekommt. Wir sind grundsätzlich bereit, uns an einer europäischen GSVP-Ausbildungsmission für Mali zu beteiligen, wenn die Voraussetzungen dafür geklärt und gegeben sind. Ich spreche ausdrücklich von Ausbildungsmission, das heißt nicht von einer Kampfmission. Vizepräsident Eduard Oswald: Es gibt keine weitere Nachfrage zur dringlichen Frage 1 des Kollegen Niema Movassat. Jetzt kommt die dringliche Frage 2 des Kollegen Niema Movassat: Kann die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass sie nach jetzigem Planungsstand kein Bundestagsmandat für eine Mali-Mission anstrebt, mit absoluter Sicherheit ausschließen, dass die Bundeswehr in Kampfhandlungen gleich welcher Art und gleich welchen Umfangs verstrickt sein wird – wo auch immer sie im Zusammenhang mit der Mali-Krise zum Einsatz kommen wird? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Zu der Frage, ob die Bundeswehr sich in Kampfhandlungen begeben will, kann ich sagen: Es gibt keinerlei Intentionen in diese Richtung. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Kollege Movassat. Niema Movassat (DIE LINKE): Danke. – Der BundeswehrVerband hat sich ja ebenfalls zu dem geplanten Einsatz geäußert – ich zitiere –: Uns treibt die Sorge um, dass die Bundeswehr wieder einmal unüberlegt und verantwortungslos in einen Einsatz entsendet wird, der Teil einer nur lückenhaften politischen Konzeption ist. Das ist eine sehr klare Aussage. Der BundeswehrVerband sieht also die Gefahr, dass es aufgrund der Lage im Land, selbst wenn man da nur im Rahmen einer Ausbildungsmission hineingeht, zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen kann. Daher meine Frage: Wie gehen Sie mit der Kritik des BundeswehrVerbandes um? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Sehr verehrter Kollege, auch der BundeswehrVerband gibt manchmal Presseäußerungen von sich, die man nicht unbedingt teilen muss. Denn das, was verkürzt in dieser Pressemeldung, die Sie zitiert haben, die ich aber nicht überprüft habe, dargestellt wird, hieße ja, dass 20 Jahre Auslandseinsätze der Bundeswehr per se als unüberlegt anzusehen wären. Dies jedoch entspricht nicht der Wahrheit. Ich habe keine Befugnis, jetzt für alle Mitglieder des Hohen Hauses zu sprechen. Aber als jemand, der seit 22 Jahren dem Deutschen Bundestag angehört, würde ich für die Bundesregierung und für den Deutschen Bundestag – wenn Sie gestatten – doch sehr die Bewertung in Anspruch nehmen, dass sehr wohl sehr intensiv geprüft und dann entschieden worden ist. Ich berichte ja gerade von intensiver Prüfung. Es schwingt in der Kritik der Eindruck mit, es würde Abenteuerhaftigkeit bedient. Das kann ich absolut ausschließen. Die Bundesregierung teilt in ihrer Zurückhaltung die Einschätzung, dass bei Einsätzen im Rahmen von UN-Mandaten und von regionalen Mandaten auch die Eskalationsgefahr betrachtet und, wo notwendig, dann auch abgewendet werden muss. Jeder Auslandseinsatz der Bundeswehr muss ein Ausnahmeeinsatz bleiben, und er bedarf einer guten Begründung. Dem wollen wir nachkommen. Deswegen kann ich die Besorgnis des BundeswehrVerbandes, soweit er diese geäußert haben sollte, zerstreuen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage. Niema Movassat (DIE LINKE): Danke schön. – Aber der BundeswehrVerband nennt konkrete Beispiele, so etwa das Beispiel Afghanistan. Da ist man zuerst zu Ausbildungszwecken hineingegangen und ist nun in einen Krieg verstrickt. Auch da stand am Anfang offensichtlich kein überlegtes Vorgehen. Sonst hätte man ja gewusst, wo das schließlich endet. Jetzt noch eine Nachfrage. Sie werden ja laufend die Sicherheitslage im Land überprüfen und Berichte dazu vorliegen haben. Wenn man sich das einmal von außen anschaut, dann ergibt sich folgendes Bild: Nordmali ist besetzt durch Rebellen, und im Süden Malis hat sich die Regierung an die Macht geputscht. Es gibt genug Sprengstoff für Konflikte im ganzen Land. Daher die Frage: Wie schätzen Sie die Sicherheitslage Malis ein? Schließen Sie aus, dass es auch in Südmali zu Auseinandersetzungen kommen kann? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, die letzte Frage zu Südmali will ich noch beantworten. Ich würde allerdings ungern von einer konkreten Frage ausgehend zu einer allgemeinen -Betrachtung der Sicherheitslage Nordafrikas bzw. Malis übergehen. Dieser Teil der Frage müsste dann in den Ausschüssen beraten und in einer umfassenden Form beantwortet und bewertet werden. Was die Sicherheitslage angeht, so will ich auf das verweisen, was Sie, Herr Kollege, zu Afghanistan sagen. Natürlich sehen Dinge nach zehn Jahren immer anders aus. Das zeigt übrigens die allgemeine Lebenserfahrung. Diejenigen, die nach zehn Jahren sagen, sie hätten von Beginn an genau gewusst, wohin es geht, mag ich besonders gern – das darf ich einmal sagen –; denn das zeugt nicht von besonders qualifizierten Kenntnissen. – Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung für diesen emo-tionalen Ausbruch, wenn er denn als solcher angesehen werden sollte. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber ich möchte doch an Sie appellieren, Respekt vor dem Deutschen Bundestag zu haben, der sich in unzähligen Debatten nun wirklich vertieft mit unterschiedlichen Positionen zu solchen Fragen beschäftigt hat, und ich möchte mich gleichzeitig davor hüten, ins Spekulative abzugleiten. Das würde ich tun, wenn ich Ihre auf die Zukunft gerichteten Fragen im Detail beantworten würde. Die Sicherheitslage in Mali ist im Norden schwieriger als im Süden. Deswegen kann ich natürlich nicht sagen, dass wir eine absolut friedliche demokratische Struktur vorfinden, bei der es nur Auseinandersetzungen in Form von Disputen und nichts anderem gibt. Deswegen muss man das in die Planung mit einbeziehen. – Diesen Teil beantworte ich; die allgemeine andere Frage bitte ich in zukünftige Debatten zu verlegen. Vizepräsident Eduard Oswald: Was die anderen Kolleginnen und Kollegen fragen, wird sich jetzt herausstellen. Frau Katja Keul ist die nächste Nachfragerin. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Schmidt, wir fragen weiter, auch wenn wir 22 Jahre keine Antworten bekommen sollten. Wir hören von Ihnen, dass Sie umfangreich prüfen: den gesamtpolitischen Lösungsansatz, die Einbindung der Region usw. Dabei hören wir auch immer, dass alle sich darüber im Klaren sind, dass der wichtigste und größte Player in der Region Algerien ist, sowohl in militärischer Hinsicht als auch möglicherweise in seiner Rolle als Verhandlungsführer. Jetzt frage ich Sie: Warum ist der Außenminister bei seiner Reise in die Region ausgerechnet in das Land, das der wichtigste Player in dieser Region ist, nicht gereist, und welche Gespräche führt die Bundesregierung sonst mit Algerien? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Wenn ich Ihre emotionale Komponente mit dem Verweis auf die 22 Jahre aufgreifen darf: Wenden Sie sich doch bitte auch an Ihre eigene Fraktion, die einige maßgebliche Entscheidungen zu Afghanistan mitgetroffen hat. So ist es ja nun nicht, dass hier Kollegen sitzen – mit Ausnahme der Linken –, die über Auslandseinsätze nicht intensiv beraten hätten. Ich gehe davon aus – ich weiß es ja auch aus vielen -Debatten –, dass das bei Ihnen, genauso wie bei uns -übrigens, der Fall war. Das Thema Algerien, auf das Sie aus Ihrer Erfahrung in mehrfacher Hinsicht hingewiesen haben, ist aufgenommen worden. Es bedarf bei der Betrachtung der Möglichkeit, den einen oder anderen Nachbarn mit einzubeziehen, auch eines gewissen konzeptionellen Interesses. Ich will mir versagen, über die algerische Position zu sprechen. Diese ist vernommen worden; dazu bedarf es aber keiner Reise. Ich gehe davon aus, dass man, wenn man die Lage betrachtet, sehen muss – das gilt auch für die Europäische Union –, dass Algerien als Nachbarland von Mali natürlich eine Rolle spielt. Das gilt übrigens für andere Nachbarstaaten, etwa für Niger, nicht in gleicher Weise; aber auch diese Länder müssen mit einbezogen werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Nachfrage durch unseren Kollegen Dr. Rolf Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Schmidt, nachdem sich die Bundeskanzlerin, der Verteidigungsminister und auch der Außenminister sehr frühzeitig in dieser Debatte geäußert haben, hat sich der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit ebenfalls zu diesem Thema eingelassen. Er hat erklärt, dass die Situation im Norden Malis mit der Situation in Afghanistan – ich nehme mal an: zum Zeitpunkt der Anschläge vom 11. September in New York und Washington – vergleichbar sei. Teilen Sie diese Ansicht, und halten Sie diese öffentliche Äußerung für hilfreich für die Debatte, die die Bundesregierung in diesen Tagen zu bestreiten hat? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, die Äußerungen, die Bundesminister Niebel gemacht hat, sind in den allgemeinen öffent-lichen Debattenkomplex einzubeziehen. Ich verstehe das so, dass er einen warnenden Hinweis geben wollte, nämlich sorgfältig zu prüfen, wohin die Dinge sich entwickeln können, und aufzeigen wollte, welche Perspektiven man sieht. Die Entscheidung hat er nicht vorweggenommen. Das Bundeskabinett hat sich damit auch noch gar nicht befasst; wir werden das im Rahmen der allgemeinen Abstimmung auf verschiedenen Ebenen machen. Sie wissen, dass die Bundesregierung beispielsweise den Ressortkreis „Zivile Friedenssicherung“ hat, an dem auch das BMZ beteiligt ist. Schon allein daraus wird erkennbar, dass es eine Vielfalt von Instrumentarien gibt, um in Regionen eine Befriedung zu fördern. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat hier eine große Bedeutung. Aus diesem Interesse heraus verstehe ich die Wortmeldung des Kollegen Niebel, die sicherlich in weiteren Beratungen einbezogen werden wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Nachfrage durch unseren Kollegen Jan van Aken. Jan van Aken (DIE LINKE): Herr Schmidt, ich glaube, Sie machen gerade zwei große Fehler. Der erste Fehler ist, dass Sie hier nicht klipp und klar sagen, dass Sie die Option, eine Ausbildungsmission auf malischem Staatsgebiet durchzuführen, in den Bundestag einbringen werden. Sie verschwurbeln das mit dem Hinweis auf das Parlamentsbeteiligungsgesetz und darauf, dass Sie keine Intention, was Kampfhandlungen betrifft, haben. Sie machen aber keine klare Aussage. Ich sage Ihnen eines: Sie werden damit nicht durchkommen. Wenn Sie auch nur einen einzigen Bundeswehrsoldaten – mit welchem Mandat auch immer – auf malisches Staatsgebiet stellen, dann greift das Parlamentsbeteiligungsgesetz. Wenn Sie diesen Fall nicht in den Bundestag einbringen, werden Sie vor dem Bundesverfassungsgericht verlieren. Das möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben. Es würde Sie nichts kosten, für die Bundesregierung klarzustellen, dass Sie auf jeden Fall den Bundestag beteiligen. Dass Sie hier eine Auskunft verweigern, macht mich nicht nur nachdenklich, sondern lässt bei mir auch alle Alarmglocken läuten. Der zweite große Fehler – dieser ist noch viel weitgehender – ist, dass Sie hier systematisch jede Antwort verweigern. Sie machen es sehr geschickt. Auf jede konkrete Frage gibt es eine unkonkrete Antwort. Das Gleiche haben Sie bei Somalia getan, als es darum ging, den Einsatz auch auf den Strand zu erweitern. Wochenlang haben wir hier im Bundestag darüber debattiert, was das genau heißen soll. Wir haben keine Antworten von Ihnen bekommen. Das Ergebnis war eine lang andauernde und große Unsicherheit. Dazu gab es dann keine allgemeine Zustimmung, was mich gefreut hat; denn ich persönlich fand diese Maßnahme falsch. Damals haben Sie einen großen Fehler gemacht, den Sie jetzt wiederholen wollen. Meine Frage: Gedenken Sie jetzt, Ihre Antworten zu präzisieren? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege van Aken, ich darf an Ihrer Fehlerlosigkeit einen kleinen Abstrich machen. Bevor nicht die Bundesregierung eine Entscheidung über eine mögliche Beteiligung an einem mandatspflichtigen Einsatz getroffen hat, wird sie Ihnen keine Antwort darauf geben. Ein entsprechender Antrag wurde noch nicht geschrieben; er ist bis jetzt fiktiv. Das Bundeskabinett wird erst eine entsprechende Beschlussfassung herbeiführen und dann selbstverständlich einen Antrag in den Deutschen Bundestag gemäß dem Parlamentsbeteiligungsgesetz einbringen. Ihre Sorge, dass sich die Bundesregierung nicht ganz strikt an die rechtlichen Vorgaben bezüglich der Beteiligung des Parlamentes halten wird, hoffe ich, Ihnen nehmen zu können. Wenn Sie Ihren diesbezüglichen Vorwurf von meinem Fehlerkonto streichen würden, wäre ich dankbar. Sie können davon ausgehen: Wir kommen darauf zurück, wenn die Notwendigkeit besteht. Am liebsten wäre mir, wenn wir in Mali nicht mit Mitteln von außerhalb die Befriedung herbeiführen oder unterstützen müssten. Ob diese Mittel notwendig sein werden, kann ich nicht absehen. Ich habe einen Zeitplan genannt und von einigen Wochen gesprochen. Ich habe das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sicherheitshalber noch einmal nachgelesen. Dort heißt es: … führt erst die qualifizierte Erwartung einer Einbeziehung in bewaffnete Auseinandersetzungen zur parlamentarischen Zustimmungsbedürftigkeit … Als Indiz hierfür wird das Mitführen von Waffen genannt. Das hat man als Einsatz im Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetzes zu verstehen. Ich weiß um den -eingeschränkten Spielraum der Bundesregierung. Deswegen werden wir uns völlig korrekt, wie Sie es von uns gewohnt sind und erwarten können, verhalten. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Aus gegebenem Anlass weise ich darauf hin, dass wir in der Fragestunde sind. Nächste Frage von der Kollegin Kathrin Vogler. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, ich schließe an das an, was Sie vorhin zum Engagement des BMZ gesagt haben. Wir haben uns im Unterausschuss „Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit“ am Montag auch mit der Lage in Mali und im Sahel beschäftigt. Ich möchte Sie an dieser Stelle gerne fragen, wann sich der Ressortkreis – der übrigens nicht „Zivile Friedenssicherung“, sondern „Zivile Krisenprävention“ heißt –, dem Ihr Ministerium ja auch angehört, zuletzt mit der Lage in Mali beschäftigt hat oder wann die Bundesregierung plant, diesen Ressortkreis um eine Beratung zu der Frage zu bitten, was aus Sicht der verschiedenen Ressorts getan werden kann, um die Lage in Mali nicht weiter eskalieren zu lassen. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Sie haben völlig recht, der Ressortkreis heißt „Zivile Krisenprävention“. Wie konnte mir dieser Fehler nur unterlaufen? Ich bitte um Entschuldigung. Der Ressortkreis beschäftigt sich durchgängig und ständig insbesondere mit den potenziellen Krisenherden – er heißt ja „Krisenprävention“ –, auch mit denen in Afrika. Er hat sich im Rahmen seiner Beratungen bereits mit der Situation in Mali beschäftigt und wird das auch weiterhin tun. Wenn Sie genaue Daten haben wollen, dann muss ich allerdings die Sekretariate bitten, Ort und Uhrzeiten nachzunennen. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Ich habe eine konkrete Frage gestellt!) Ich glaube aber nicht, dass das besonders förderlich ist. Wichtig ist, dass es getan wird. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das war aber die konkrete Frage, wann das ist!) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller: unser Kollege Uwe Kekeritz. – Bitte schön, Kollege Uwe Kekeritz. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, sicherlich werden Sie auch meine Frage nicht beantworten. Ich möchte Sie aber trotzdem mit einer Aussage des Außenministers konfrontieren. Er sagte nämlich, er wolle zunächst mit zivilen Maßnahmen in Mali intervenieren und stelle dafür 13,5 Millionen Euro zur Verfügung. Ich halte das für viel zu wenig. Darüber hinaus macht mich das Wörtchen „zunächst“ etwas stutzig. Wir wissen, dass es in Mali zurzeit mehr als 400 000 Vertriebene und Binnenflüchtlinge gibt. Diese Menschen werden kaum von dem in Aussicht gestellten Geld profitieren, weil es uns oder den Organisationen vor Ort überhaupt nicht möglich ist, Hilfestellungen zu leisten. Das wäre viel zu gefährlich. Wir wissen aber vor allen Dingen, dass diejenigen, die das Land erobert haben, die Terroristen, aufrüsten und ihre Macht festigen. Je länger man wartet, desto schwieriger wird es, eine Lösung zu finden. Angesichts dieser Situation kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie nicht über konkrete Maßnahmen nachdenken. Eine reine Ausbildung ist ja überhaupt kein Lösungsansatz. Das müssten Sie doch auch wissen. Was denken Sie zu tun, und wie interpretieren Sie das Wörtchen „zunächst“? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die Bundesregierung ist sich, wie wir gerade im Zusammenhang mit dem Begriff der „zivilen Krisenprävention“ gehört haben, natürlich darüber bewusst, dass man im Sinne einer zu vermeidenden Eskalation – Sie gestatten, Herr Kollege, dass ich dieses Wort jetzt verwende – zunächst versuchen muss, mit zivilen Mitteln, Unterstützung und Hilfe das Problem bei der Wurzel anzugehen. Die Verwendung des Wortes „zunächst“ durch den Bundesaußenminister lässt allerdings auch den Hinweis zu, dass er ähnliche Sorgen und Erkenntnisse hinsichtlich einer möglichen Eskalation durch die verschiedenen Terrorgruppierungen hat. Es gibt ja auch Terrorgruppierungen, die sich offensichtlich aus anderen afrikanischen Ländern heraus betätigen; ich will in diesem Zusammenhang nur an Boko Haram und Nigeria erinnern. Im Sinne einer notwendigen und sofortigen Hilfe – gerade auch im Hinblick auf die von Ihnen genannten Binnenflüchtlinge, die vor allem vom Norden in den Süden ziehen – muss daher etwas getan werden. Sie mögen daraus aber auch eine grundsätzliche Zurückhaltung vor militärischen Einsätzen erkennen, ungeachtet wer sie durchführt – sei es nun die malische Armee, von der man nicht weiß, ob sie wirklich dazu fähig und in der Lage ist, oder ECOWAS, die westafrikanische Wirtschaftsorganisation, die sich bereits engagiert. Ich will durchaus zugeben, dass wir in manchen Fragen noch zu keiner abschließenden Bewertung gekommen sind und dass es vermutlich schwierig sein wird, sozusagen ein Gesamtbefriedungskonzept vorzulegen, das dann in den nächsten Wochen oder Monaten nach einem Stufenplan und mit Benchmarks exakt abzuarbeiten ist. Es geht darum, die afrikanischen Fähigkeiten zu stärken. Dahinter steckt auch der Gedanke der Ausbildung. Denn wir sollten – das sollten wir auch sagen – schon aus dem Grunde, dass Mali und viele andere Länder Afrikas ehemalige Kolonien europäischer Staaten sind, mit großer Zurückhaltung vorgehen, wenn es um die Frage geht, sich dort wie auch immer – oder gar militärisch – zu engagieren. Das ist die Überlegung, die die Bundesregierung allgemein anstellt und die der Bundesaußenminister auf seiner sehr intensiven Reise in den Gesprächen mit den Verantwortlichen zum Ausdruck gebracht hat. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Mir liegen hierzu keine weiteren Nachfragen vor. Nachdem die dringlichen Fragen aufgerufen und beantwortet worden sind, rufe ich jetzt die mündlichen Fragen auf Drucksache 17/11282 in der üblichen Reihenfolge auf. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Helge Braun zur Verfügung. Frage 1 kommt von unserem Kollegen Swen Schulz: Welche für 2013 vorgesehenen Ausgaben aus dem Einzelplan 30 werden aus Sicht der Bundesregierung angesichts der mittelfristigen Finanzplanung ab dem Jahr 2014 nicht mehr möglich sein? Bitte schön, Herr Staatssekretär, zur Beantwortung. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Danke, Herr Präsident. – Lieber Herr Kollege Schulz, ich kann Sie vollends beruhigen: Wir haben eine mittelfristige Finanzplanung, die eine Finanzierung der Programme des Bundes auch in den kommenden Jahren möglich macht. Das, was Sie als Sondereffekt sehen, ist allein dem Umstand geschuldet, dass wir im Haushalt 2013 gegenüber der Grundlinie, die wir ansonsten in den Haushalten verfolgen, 320 Millionen Euro zusätzlich für den Hochschulpakt verankert haben. Das geht auf die Vereinbarung mit den Ländern zurück, dass wir die zusätzlichen Studienplätze, deren Schaffung durch die doppelten Abiturjahrgänge und die Aussetzung von Wehrdienst und Zivildienst motiviert ist, im Jahr 2013 ausfinanzieren. Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Swen Schulz, Ihre erste Nachfrage. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Bedeutet das aber auch, dass Sie für die nächsten Jahre keine zusätzlichen Ausgaben vorsehen, etwa um Kostensteigerungen infolge von Nachverhandlungen des Hochschulpakts, ein höheres BAföG oder anderes zu finanzieren? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lieber Herr Kollege, die mittelfristige Finanzplanung ist ein internes Planungsinstrument der Bundesregierung. Die Tatsache, dass beim Wechsel vom damaligen Finanzminister Steinbrück zum Finanzminister Schäuble für den gesamten Hochschulpakt in der mittelfristigen Finanzplanung nicht ein einziger Euro vorgesehen war, macht zum Beispiel deutlich, dass man hinsichtlich neuer Projekte, zum Beispiel einer Veränderung des Hochschulpakts infolge neuer Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, keinerlei Ableitung aus der mittelfristigen Finanzplanung vornehmen kann. Ganz im Gegenteil: Sie können erkennen, dass diese Bundesregierung, beschlossen vom Haushaltsgesetzgeber, mit der Mehrheit von CDU/CSU und FDP, in jedem Jahr mehr Geld im Haushalt bereitgestellt hat, als es in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen war. Insofern können Sie auch da beruhigt sein. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Kollege Schulz. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Danke schön, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, nun ist das Vereinbaren eines gänzlich neuen Hochschulpakts, den es vorher gar nicht gab, etwas anderes als die laufende Diskussion über die Hochschulpakte und deren Verlängerung. Lassen Sie mich an einem anderen Punkt nachfragen. Wir haben den Beschlüssen des Koalitionsausschusses entnommen, dass bereits 2014 viel ambitioniertere Haushaltsziele erreicht werden sollen. Gibt es schon irgendwelche Planungen oder Überlegungen aufseiten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, welcher Beitrag dann aus dem Haushalt des BMBF zu leisten wäre? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sie können sich auf das verlassen, was die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung gesagt hat: Wir nehmen das Ziel ernst, in Deutschland einen Anteil der Ausgaben für Forschung am Bruttoinlandsprodukt von 3 Prozent und für Bildung von 7 Prozent zu erreichen. Sie hat darauf hingewiesen, dass die Ziele, die wir auf europäischer Ebene vereinbaren, generell eine höhere Verbindlichkeit bekommen müssen. Unter der Federführung unserer Bundeskanzlerin wird die Bundesregierung diese Ziele erfüllen und entsprechende Mittel in den nächsten Jahren in den Haushalt einstellen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Es gibt keine weiteren Nachfragen. Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Swen Schulz auf: Ist nach Auffassung der Bundesregierung für die geplante Kooperation zwischen Charité – Universitätsmedizin Berlin und Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, MDC, Berlin-Buch, eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich, und, falls nein, für welche Art von Vorhaben ist die von der Bundesregierung vorgeschlagene Änderung des Art. 91 b GG vorgesehen? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege, am Beispiel des Karlsruher Instituts für Technologie, aber auch am Beispiel Max-Delbrück-Centrum und Charité wird deutlich, dass außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und universitäre Forschungseinrichtungen in Deutschland viel enger zusammen-arbeiten müssen. Der Trend der letzten Jahre ist, dass immer mehr hervorragende Forschung aus den Universitäten ausgelagert und in außeruniversitäre Forschungseinrichtungen überführt wird. Das führt dazu, dass diese Forschung in den Hochschulen fehlt. Wir halten diese Entwicklung für nicht richtig. Deshalb hat das Bundeskabinett beschlossen, Art. 91 b Grundgesetz zu ändern, damit nicht nur durch Verwaltungsvereinbarungen und Kooperationsverträge eine enge Verzahnung von außeruniversitärer Forschung und universitärer Forschung, gegebenenfalls auch unter einem Dach, sondern auch eine echte Zusammenführung solcher Institutionen möglich ist – auch mit kohärenten Finanzierungsströmen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege Schulz. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, bedeutet das, dass Sie die für die Charité und das Max-Delbrück-Centrum gefundene Lösung nur für die zweitbeste Lösung und letztendlich für unzureichend halten? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege, nach der aktuellen grundgesetzlichen Lage ist das die allerbeste Lösung, die man finden kann. Klar ist, dass Grundlage von Kooperationen wie der zwischen dem Max-Delbrück-Centrum und der Charité sehr aufwendige, von allen beteiligten Partnern befürwortete Vereinbarungen sind. Wenn wir in Zukunft in Deutschland die Kooperation zwischen außeruniversitären und universitären Einrichtungen sowie die Förderung der Spitzenforschung an Universitäten unabhängig von einer Kooperation mit außeruniversitären Partnern stärken wollen, dann brauchen wir die Veränderung des Art. 91 b Grundgesetz. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine zweite Nachfrage? – Nein. Aber der Kollege Dr. Ernst Dieter Rossmann. Bitte schön, Kollege Ernst Dieter Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, ich erinnere mich, dass es früher hieß, dass das Grundgesetz sehr schnell geändert werden müsse, weil das die Voraussetzung dafür sei, um überhaupt Fortschritte in Bezug auf die Kooperation zwischen Max-Delbrück-Centrum und Charité zu erreichen. Können Sie bestätigen, dass es solche Einschätzungen sowohl aus der Wissenschaft als auch vom Ministerium gegeben hat? Was hat Sie veranlasst, Ihre Haltung zu ändern? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Was Sie sagen, ist mir nicht erinnerlich. Klar ist, dass wir aktuell Möglichkeiten gefunden haben, eine hervorragende Kooperation, verbunden mit einer tollen Forschungsagenda und vor allen Dingen auch mit der Möglichkeit der Einrichtung neuer Studiengänge, zum Beispiel Masterstudiengänge, die spezifisch auf die medizinische Forschung ausgerichtet sind, auf den Weg zu bringen. Insofern bin ich davon überzeugt, dass die beabsichtigte Kooperation zwischen Max-Delbrück-Cen-trum und Charité einer der Leuchttürme in der Gesundheitsforschung in Deutschland werden wird. Wir haben hier eine Lösung gefunden. Eine vergleichbare Lösung zum Beispiel für hervorragende Hochschulinstitute, die keine Kooperation mit außeruniversitärer Forschung eingehen, ist nicht denkbar. Diese Lösung ist sicherlich nicht der Königsweg, den man auf jeden anderen Standort übertragen kann. Insofern erübrigt sich durch die hier gefundene Lösung im Hinblick auf eine Kooperation die Änderung des Art. 91 b Grundgesetz in keiner Weise. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. Die folgenden Fragen, also Frage 3 des Kollegen Klaus Hagemann, Frage 4 des Kollegen Kai Gehring und Frage 5 des Kollegen René Röspel, werden schriftlich beantwortet. Ich komme zur Frage 6, die von unserem Kollegen Michael Gerdes gestellt worden ist: Wie definiert die Bundesregierung die europäische Innovationsunion, die in dem von Bundesministerin Dr. Annette Schavan am 31. Oktober 2012 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichten Namensartikel angesprochen wurde, und welche Maßnahmen werden von der Bundesregierung aktuell durchgeführt, um die gewünschte Innovationsunion Wirklichkeit werden zu lassen? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Gerdes bezieht sich auf einen Namensartikel von Frau Bundesministerin Annette Schavan vom 31. Oktober 2012 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in dem sie auf die europäische Innovationsunion hinweist. Die Ziele und Inhalte der Innovationsunion sind in den Kommissionsmitteilungen zur Europa-2020-Strategie und zur Leitinitiative Innovationsunion beschrieben. Mit der Europa-2020-Strategie aus dem Jahr 2010 legte die Kommission die Nachfolgestrategie der Lissabon-Strategie vor. Vor dem Hintergrund der großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimawandel, demografische Entwicklung oder Endlichkeit der fossilen Rohstoffe und Energiequellen stellt die Europa-2020-Strategie eine Vision für eine europäische soziale Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts dar. Kennzeichen sind ein hohes Beschäftigungs- und Produktionsniveau sowie ein ausgeprägter sozialer Zusammenhalt. Als eines der fünf Kernziele bis 2020 wird die Steigerung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf 3 Prozent des BIP der EU weiterverfolgt. Ziel der Innovationsunion ist eine Neuausrichtung der Forschungs- und Innovationspolitik auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unter Abdeckung der gesamten Innovationskette. Sie umfasst folgende drei Grundelemente: a) Ausbau der Wissensbasis und Förderung von Exzellenz, b) Zugang zu Kapital und Ausbau der Finanzierungsinstrumente sowie c) die Erleichterung des Marktzugangs für europäische Unternehmen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre Nachfrage, bitte, Herr Kollege. Michael Gerdes (SPD): Herzlichen Dank. Herr Staatssekretär. – Ich habe wohl vernommen, dass Sie auf die europäische Ebene hingewiesen haben. Aber welche Rolle wird dabei Deutschland explizit spielen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Im Grunde genommen ist die Innovationsunion etwas, was sehr kongruent zu unserer deutschen Hightech-Strategie ist. Die Innovationsunion adressiert die großen globalen Herausforderungen. Hierzu haben wir die zentralen Ziele in unserer Hightech-Strategie verankert. Sie hebt ab auf die Schlüsseltechnologien, die es zur Bewältigung dieser globalen Herausforderungen gibt. Das sind die Querschnittstechnologien in unserer Hightech-Strategie. Insofern kann man, so glaube ich, sagen, dass die Hightech-Strategie ein Stück weit Vorbild für das war, was jetzt in der Innovationsunion geschehen soll. Vizepräsident Eduard Oswald: Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Nein. Aber unser Kollege Dr. Ernst Dieter Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, wie bewertet die Bundesregierung die Chancen für Länder wie Griechenland, Italien, Spanien und Portugal, sich konstruktiv, innovativ und investiv an dieser Innovationsunion zu beteiligen, wenn diese Länder gleichzeitig unter eine Haushaltskuratel gestellt worden sind, in deren Zusammenhang wir lesen können, dass diese Länder speziell in den Bereichen Bildung und Forschung den Anteil von 3 Prozent am Bruttoinlandsprodukt vielleicht erreichen, aber nur deshalb, weil das Bruttoinlandsprodukt so stark fällt, und nicht deshalb, weil die Mittel in diesen Bereichen erhöht worden wären? Gibt es ein Monitoring bei der Bundesregierung, um gegebenenfalls zu kreativen Ideen dahin gehend zu kommen, wie man die Innovationskraft in dieser Forschungsunion erhalten kann? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lieber Herr Kollege, natürlich gibt es im Rahmen der Diskussion, die wir jetzt über die mittelfristige Finanzvorausschau der Europäischen Union führen, auch eine Diskussion über die Frage, wie wir die Wirtschaftskraft der Länder, die jetzt im Defizitverfahren sind, stärken können. Diese ist sehr wichtig. Deshalb sind auch viele Strukturmittel, die in der Europäischen Union vorgesehen sind, grundsätzlich für den Aufbau von Forschungsinfrastrukturen geeignet und nutzbar. Das ist ein Weg, den wir weitergehen. Auch die Bundesregierung selber pflegt intensive Kooperationen. Gerade heute, ganz aktuell, haben wir uns mit Vertretern aus Portugal über das Thema der beruflichen Bildung auseinandergesetzt. Auch mit Vertretern aus Spanien und Griechenland stehen wir in einem engen Kontakt, um an den unterschiedlichen Grundlagen für ein solches innovatives Wirtschaften zu arbeiten. Dazu gehören zuallererst eine gute Bildung sowie die Fachkräftesicherung in den beteiligten Ländern. Dazu gehört auch der Aufbau von Forschungsinfrastrukturen. Wir arbeiten daran, dass die europäischen Programme so ausgerichtet sind, dass dies in den Ländern zielgerichtet erfolgen kann. Wir sind in allen Fällen bereit, hierfür deutsche Expertise bereitzustellen. Vizepräsident Eduard Oswald: Wir kommen zur Frage 7, die ebenfalls von unserem Kollegen Michael Gerdes gestellt worden ist: Wann konkret will die Bundesregierung die von der Bundesministerin angesprochene steuerliche Forschungsförderung auf die politische Agenda setzen, und welche weiteren Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zur Steigerung von Innovationen bzw. innovativen Ideen, aus denen Produkte und Dienstleistungen entstehen? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege, Sie fragen nach der Einführung der steuerlichen Forschungsförderung. Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Mit Blick auf die Anforderungen des Art. 115 Grundgesetz sowie die europäischen Vorgaben zur Haushaltsdisziplin besteht gegenwärtig nur ein begrenzter Spielraum für strukturell wirkende Steuermindereinnahmen. Deshalb ist die Entscheidung über die Einführung einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung unter Berücksichtigung des gebotenen Konsolidierungskurses und der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung zu einem späteren Zeitpunkt zu treffen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage. (Michael Gerdes [SPD]: Nein, danke!) – Da sind Sie sprachlos. Dann kommen wir zur Frage 8 unseres Kollegen Dr. Ernst Dieter Rossmann: Welche Gründe führt die Bundesregierung an, die Zuverdienstgrenze im Bundesausbildungsförderungsgesetz, BAföG, nicht im Gleichschritt zum Inkrafttreten der neuen Minijob- grenze von 450 Euro im Monat ebenfalls zum 1. Januar 2013 anzuheben, und ist noch in dieser Legislaturperiode eine entsprechende BAföG-Änderung vorgesehen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Zu Ihrer Frage ist zu sagen, dass es keine notwendige Verquickung zwischen den Minijobs auf der einen Seite und den Zuverdienstmöglichkeiten beim Auszubildenden-BAföG auf der anderen Seite gibt. Abgesehen davon, dass es hierbei auch um die Frage der Entbürokratisierung und um die Frage nach Anreizen für einen Zuverdienst geht, ist festzustellen, dass der Minijob grundsätzlich in allen Lebenslagen zum Tragen kommt, auch als Teilzeitbeschäftigung. Bei Auszubildenden muss die zentrale Frage beantwortet werden, wie viel Zuverdienst der Ausbildung zuträglich ist. Deshalb wird über den gesamten Bereich der BAföG-Gesetzgebung alle zwei Jahre ein Bericht vorgelegt. Im nächsten Expertenbericht zum BAföG erwarten wir Aussagen dazu, ob es sinnvoll und notwendig ist, die 400-Euro-Grenze auch für die Auszubildenden anzuheben. Aus der Anhebung der Minijobgrenze ergibt sich eine solche Anhebung aber nicht zwingend. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Es ist bekannt, dass die SPD die Anhebung der Minijobobergrenze nicht positiv sieht und sie ablehnt. Es geht hier aber um die politische Stringenz. Daher möchte ich nachfragen: Ist Ihnen bekannt, in welchem Zeitraum es Unterschiede zwischen der Obergrenze für den Zuverdienst bei BAföG-Bezug und der Obergrenze für Minijobs gegeben hat? Wie begründet man – ich frage nicht nach der Notwendigkeit, sondern nach der politischen Betrachtung –, dass man die Grenzwerte verschieden hoch ansetzt? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Wir haben die Grenze im Rahmen des 22. BAföG-Änderungsgesetzes auf 400 Euro angehoben. Davor war diese Kongruenz nicht gegeben. Wie sich das in den Jahren davor verhalten hat, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Zu Ihrer Frage nach der politischen Betrachtung: Ich denke, man muss mit den Experten, die am BAföG-Bericht mitarbeiten, respektvoll umgehen. Insofern ist diese Frage nicht im Zusammenhang mit den Minijobs zu beantworten. Es geht vielmehr um die Frage, ob ein Zuverdienst, ob eine zusätzliche Tätigkeit der originären Ausbildung zuträglich ist. Hier steht der Ausbildungserfolg im Vordergrund. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre weitere Nachfrage. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Plant die Bundesregierung, eine weitere BAföG-Novelle in den Bundestag einzubringen? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Die Bundesregierung führt momentan Gespräche mit den Ländern. Die Bundesministerin hat die Länder nach der Vorlage des letzten BAföG-Berichts darum gebeten, sich dazu zu äußern, wie sie sich die Fortentwicklung des BAföG vorstellen. Die Rückmeldungen sind uns bisher nicht zugegangen. Auf der Grundlage dieser Bund-Länder-Gespräche wird dann über eine neue BAföG--Novelle zu entscheiden sein. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine weitere Nachfrage. – Bitte schön, Kollege Schulz. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Herr Staatssekretär, die Bundesregierung führt also Gespräche mit den Ländern. Hat die Bundesregierung denn eigene Vorstellungen, wie das BAföG weiterentwickelt werden könnte? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lieber Herr Kollege Schulz, Sie sind nicht ganz unschuldig daran, dass es jetzt zu diesen Gesprächen kommt. Im Vorfeld der letzten BAföG-Erhöhung hat die Bundesregierung in voller Liebe gegenüber den Studierenden einen Vorschlag zur Erhöhung der BAföG-Sätze unterbreitet. Dabei ging es sowohl um die Freibeträge als auch um die Höhe des BAföG. Daraufhin hat es einen Aufschrei gegeben, nicht nur der Länder, sondern unter anderem auch der Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag, dass, wenn die Bundesregierung sich untersteht, einen unabgestimmten Vorschlag zu machen, das dann natürlich automatisch dazu führt, dass die Bundesregierung das alles allein finanzieren muss. Es gab sehr unangenehme Diskussionen im Vorfeld der letzten BAföG-Erhöhung. Daraus haben wir selbstverständlich gelernt und gehen hier ganz klar nach dem vorgeschriebenen Verfahren vor. Bund und Länder haben eine gemeinsame Finanzierungsverantwortung für das BAföG. Deshalb werden auf der Grundlage des Berichts jetzt in interner Runde mit den Ländern Gespräche geführt. Die Bundesregierung hat sehr offen gesagt, dass wir, wenn die Länder mitgehen, weitgehend bereit sind, den Bundesanteil zu tragen. Den nächsten Impuls erwarten wir – auch aufgrund der Erfahrungen der letzten Runde – jetzt aber eindeutig von Länderseite. Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt gehen wir weiter zur Frage 9, ebenfalls gestellt von unserem Kollegen Dr. Ernst Dieter Rossmann: Welche Position bezieht die Bundesregierung zur Situation bei den überbetrieblichen Berufsbildungsstätten, ÜBS, insbesondere hinsichtlich der Entwicklung der Teilnehmerzahlen und der Konsolidierungserfordernisse, und welche Vorkehrungen hat sie im Bundeshaushalt getroffen, um eine nachhaltige leistungsfähige ÜBS-Infrastruktur sicherzustellen? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lieber Herr Kollege Rossmann, überbetriebliche Bildungsstätten spielen eine wichtige Rolle in unserem Aus- und Weiterbildungssystem. Wir haben seit 2009 eine neu gefasste gemeinsame Förderrichtlinie unseres Ministeriums und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, die einen breiten Handlungsspielraum bietet, um überbetriebliche Bildungsstätten zu sanieren. Wir haben hierfür über viele Jahre einen Jahresbetrag von 29 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Dieser Betrag ist im Rahmen der Konjunkturpakete in unserem Einzelplan auf ein jährliches Volumen von 40 Millionen Euro aufgestockt worden. Nachdem die Konjunktur-pakete ausgelaufen sind, ist der Betrag nicht wieder auf 29 Millionen Euro jährlich zurückgefallen, sondern wir haben diese zusätzlichen Gelder, die wir im Konjunkturpaket mobilisiert haben, fortgeschrieben, sodass wir jetzt jährlich 40 Millionen Euro hierfür bereitstellen. Das Bundesministerium für Wirtschaft wird darüber hinaus im Haushalt 2013, wenn er so beschlossen wird, wie er von der Regierung eingebracht wurde, 28,5 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Über welchen Kenntnisstand verfügt die Bundesregierung hinsichtlich der wirtschaftlichen Situation der überbetrieblichen Ausbildungsstätten in Deutschland? Wir hören ja aus Kreisen von Wirtschaft und Gewerkschaften in den betroffenen Regionen, dass es dort allergrößte Sorgen gibt, diese Infrastruktur an ausgebauten überbetrieblichen Ausbildungsstätten auch über die nächsten Jahre sinnvoll vorhalten zu können. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Konkrete Zahlen dazu liegen mir nicht vor, aber ich kann aus der Erfahrung sagen, dass das außerordentlich heterogen ist. Zum einen ist natürlich die Situation der überbetrieblichen Bildungsstätten eng mit dem demografischen Wandel verbunden. Deshalb gibt es im Hinblick auf großstädtische Regionen und ländliche Regionen erhebliche Unterschiede. Das Zweite ist, dass die verschiedenen ÜBS unterschiedliche Nutzungskonzepte verfolgen. Diejenigen, die sich aufgrund der Probleme durch den demografischen Wandel, zum Beispiel aufgrund geringer Auszubildendenzahlen, frühzeitig auf Weiterbildungsangebote als zusätzliches Standbein fokussiert haben, sind in einer besseren Situation als diejenigen, die dies nicht getan haben. Aber ich glaube, angesichts der heterogenen Trägerschaft und der heterogenen Struktur in den unterschiedlichen Regionen Deutschlands ist eine allgemeine Aussage darüber nicht möglich. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Kollege Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Fühlt sich die Bundesregierung dafür mitverantwortlich – dazu ist sie ja eigentlich verpflichtet –, allen Jugendlichen, zumal solchen, die noch keine Ausbildung haben abschließen können, eine Brücke in Ausbildung und Beschäftigungsfähigkeit zu bauen? Ist die Bundesregierung daran interessiert, ein differenziertes Bild zu bekommen, und in welcher Weise wird sich die Bundesregierung um ein solches differenziertes Bild bemühen, bei dem sich tatsächliche Notstandsregionen und andere, die noch eine gewisse Prosperität haben, zeigen werden, und in welcher Reihenfolge und Form wird sie dies tun? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ich glaube, dass wir mit dem Förderprogramm, das wir haben, und über die Antragseingänge, die wir an dieser Stelle verzeichnen, ein relativ präzises Bild der Bedarfslage bekommen. Wir sind hier nicht allein verantwortlich, sondern auch die Träger haben da große Verantwortung. Insofern glaube ich, dass die bedarfsgerechte Steuerung dieses Titels im Hinblick auf die Anforderungen und Anträge ein ganz gutes Instrument ist, um den tatsächlichen Bedarf sicherzustellen. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Frage 10 der Kollegin Marianne Schieder wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Oliver Kaczmarek auf: Teilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Vorschlages der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft die Auffassung, dass wirksamere Erkenntnisse über die Leistungsfähigkeit des Bildungswesens zu erhalten seien, indem innerhalb von Studien über die Feststellung von Schülerkompetenzen – wie dem IQB-Ländervergleich – weniger der Vergleich einzelner Bundesländer und stärker der Vergleich kohärenter Regionen erfolgt? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Kaczmarek, selbstverständlich hält die Bundesregierung auch Ländervergleiche für außer-ordentlich sinnvoll. Die Bildungssysteme sind nämlich von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Es ist auch die Aufgabe des jeweiligen Bundeslandes, den regionalen Besonderheiten politische Konsequenzen folgen zu lassen. Insofern begrüßen wir, dass zum Beispiel das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen im Auftrag der Länder Bildungsstandards entwickelt hat und Ländervergleichsergebnisse veröffentlicht. Neben den Ergebnissen des Vergleichs einzelner Bundesländer – ich denke, in diesem Sinne halten auch Sie das für richtig – sind auch die Ergebnisse des Vergleichs von Großstädten gesondert ausgewiesen und veröffentlicht worden. Natürlich sind auch solche regionalen bzw. kleineren Analysen in Ergänzung der Ländervergleichsstudien sinnvoll. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Oliver Kaczmarek (SPD): Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung meiner Frage. – Es geht hier ja um wichtiges Steuerungswissen, das uns zur Verfügung gestellt werden soll, damit wir überprüfen können, wie wirksam bildungs-politische Maßnahmen eigentlich sind. Vor diesem Hintergrund möchte ich mich auf das Rahmenprogramm „Empirische Bildungsforschung“ beziehen, in dem wichtige Grundlagen gelegt werden, um soziale Belastungen bzw. Städte und Regionen mit gleicher sozialer Belastung vergleichen zu können. Liegen Ihnen Anträge vor, die diesen Gegenstand weiterführen und in denen es zum Beispiel darum geht, soziale Indizes zu entwickeln? Hat das Ministerium in diesem Bereich schon etwas gefördert, oder ist das für Sie im Rahmen der empirischen Bildungsforschung erst einmal kein Schwerpunkt? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank. – Anfang dieses Jahres haben wir eine große Tagung zur Bildungsforschung 2020 durchgeführt. In diesem Rahmen sind zahlreiche Ergebnisse vorgestellt worden. Über die Frage, welche sozialen Lagen den Bildungserfolg beeinflussen, ist auf dieser Tagung natürlich umfassend diskutiert worden. Dieses Thema ist auch Gegenstand unterschiedlichster Förderinitiativen. Auch die in die Zukunft gerichtete Frage: „Wie kann man den Bildungserfolg positiv beeinflussen, und welche Initiativen und Möglichkeiten gibt es, um bei Problemen im Kontext eines Bildungssystems Abhilfe zu schaffen?“, ist Gegenstand der empirischen Bildungsforschung, auch im Rahmen der Ausschreibungen, die wir unterstützen. Insofern ist dies eines der wesentlichen Felder, mit denen wir uns auch im Rahmen unserer Förderbekanntmachungen zur Bildungsforschung befassen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Oliver Kaczmarek (SPD): Eine Nachfrage habe ich noch. – Das BMBF ist ja in der Steuerungsgruppe, die sich mit dem nationalen Bildungsbericht befasst, vertreten. Halten Sie es für denkbar, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzt, dass im nationalen Bildungsbericht eine stärkere Orientierung an regionalen Ergebnissen statt an den Ergebnissen auf Länderebene vorgenommen wird? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Über den nationalen Bildungsbericht wird ja viel diskutiert. Die Autorengruppe hat uns, schon als wir im letzten Jahr eine Diskussion über Indikatoren geführt haben, inständig gebeten, das Indikatorensystem des nationalen Bildungsberichts nicht ständig anzupassen und zu verändern. Die Autorengruppe hat gesagt, dass die Qualität der Aussagen des nationalen Bildungsberichts, was die zeitlichen Verläufe angeht, immer mehr steigt, je mehr man über eine in sich konsistente Zeitreihe verfügt. Solche Fragen kann man mit der Autorengruppe besprechen; ich will das auch gerne tun. Aber meine vorsichtige Einschätzung ist, dass wir an dem Kernindex, den wir im Rahmen des nationalen Bildungsberichts erarbeiten, nicht zu viele Änderungen vornehmen sollten. Im nationalen Bildungsbericht gibt es jedes Jahr ein Schwerpunktthema, das nicht jährlich fortgeschrieben wird, das aber in jedem neuen Bericht wieder behandelt wird. In diesem Jahr waren es kulturelle Bildung und kulturelle Kompetenzen. Das Thema des nächsten Bildungsberichts ist auch schon festgelegt: Da wird das Thema Behinderungen im Kontext von Bildung in den Mittelpunkt rücken. Darüber hinaus haben wir aber noch keine Festlegungen getroffen. Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Rossmann hat noch eine Nachfrage. Bitte. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben gerade betont, wie wichtig es ist, anhand der nationalen Bildungsberichte konsistente Vergleichsreihen aufzubauen. Dann ist es aber erst recht plausibel, dass man, wenn man auch in eine regionale Betrachtung einsteigen will, damit nicht zu lange wartet. Sonst verkürzt man die Reihe, über die man zu aussagefähigen Vergleichen kommen könnte. Deshalb die Frage: In welcher Form und bis wann wollen Sie darauf dringen, neben der länderspezifischen Betrachtung zu einer regionalen Betrachtung zu kommen? Wie weit lässt sich das mit dem nationalen Bildungspanel verschränken, bei dem wir erst recht sehr tiefgreifende individualbezogene Vergleichsverläufe mitbekommen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ich kann Ihnen zusichern: Ich werde mit den Machern unseres nationalen Bildungspanels Kontakt aufnehmen und ihnen die Frage stellen, inwiefern auf der Grundlage dessen, was Sie interessiert, solche Auswertungen möglich sind. Ich werde darüber hinaus die Autoren unseres nationalen Bildungsberichts fragen, ob sie das für machbar und sinnvoll halten. Damit das in die Realität umgesetzt werden kann, muss aber auch in der Steuerungsgruppe, in der nicht nur der Bund, sondern auch die Länder vertreten sind, Einigkeit darüber erzielt werden. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich das alles in Ihrem Sinne umsetzen kann. Aber ich werde das ansprechen und es weiter verfolgen. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Fragen 12 und 13 des Kollegen Willi Brase, welche sich mit Maßnahmen zur Ozeandüngung befassen, sollen schriftlich beantwortet werden. Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereiches. Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp zur Verfügung. Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Dr. Sascha Raabe auf: Trifft es zu, dass der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, dem Auswärtigen Amt „Untätigkeit“ hinsichtlich der Versorgung von Flüchtlingen im Lager Dadaab, Kenia, vorgeworfen und das Auswärtige Amt aufgefordert hat, für die mit der Ressortvereinbarung der beiden Bundesministerien übernommene Alleinzuständigkeit für die humanitäre Hilfe „Verantwortung zu zeigen“ (siehe dazu Leipziger Volkszeitung vom 30. Oktober 2012, „Niebel attackiert Auswärtiges Amt“)? Bitte, Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Raabe, ungeachtet der von Ihnen zitierten Presseberichterstattung weise ich darauf hin, dass die Ressortvereinbarung zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ein richtiger und notwendiger Schritt war. Sie hat eine bessere und klarere Aufgabenteilung zwischen den Ressorts ermöglicht. Wir haben damit auf mehrjährige Kritik hinsichtlich einer Fragmentierung der deutschen humanitären Hilfe reagiert. Die medizinische Versorgung der Flüchtlinge in -Dadaab ist nicht eingestellt. Im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat das Auswärtige Amt dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, UNHCR, zugesagt, die Zuwendungen für 2013 um mindestens 2,2 Millionen Euro aufzustocken, damit der UNHCR die Versorgung der Flüchtlinge im Lager Dadaab aufrecht-erhalten kann. Neben Kenia hat das BMZ den UNHCR in Uganda, Südsudan und Tschad unterstützt. Auch für die Aktivitäten des UNHCR in diesen Ländern hat das Auswärtige Amt eine Aufstockung der Zuwendungen an den UNHCR zugesagt, mindestens in Höhe der bislang über das BMZ geleisteten Unterstützung. Insgesamt wird das Auswärtige Amt die Zuwendungen für das humanitäre Engagement des UNHCR in diesen vier Ländern im Jahr 2013 um mindestens 5,8 Millionen Euro aufstocken. Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Raabe, Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Dr. Sascha Raabe (SPD): Frau Staatssekretärin, Sie sagten: „ungeachtet der … Presseberichterstattung“. Das hört sich so an, als hätte sich die Presse etwas ausgedacht. Daher möchte ich bei Ihnen nachfragen. Der Auslöser war ein Satz von Bundesminister Dirk Niebel. Er hat gesagt: Es kann nicht sein, dass Menschen in der von Krisen geschüttelten Region am Horn von Afrika unter der Untätigkeit des Auswärtigen Amtes leiden. Er hat das Auswärtige Amt ausdrücklich aufgefordert, endlich Verantwortung zu übernehmen. Wie passt das mit dem zusammen, was Sie gerade gesagt haben, dass nämlich diese Ressortvereinbarung zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung so toll sei? Wie passt das mit der Aussage von Dirk Niebel aus dem Jahr 2010 zusammen: „Wir wollen eine Außen- und Entwicklungspolitik aus einem Guss machen“, obwohl doch anscheinend bei der Abstimmung über eine so gravierende Frage, bei der es wirklich um das Überleben von Menschen geht, ein solches Chaos herrscht, dass der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung dem Außenminister solch schwere Vorwürfe macht? Wie passt das mit Ihrer Aussage zusammen, dass das angeblich eine blendende, reibungslose und bessere Vereinbarung sei als die über die Ressortzuständigkeit, die es vorher gab? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Raabe, die beiden Minister Westerwelle und Niebel sind seit über zwei Jahrzehnten eng mit-einander befreundet. Selbst wenn es an der einen oder anderen Stelle einmal eine Diskussion gibt, heißt das nicht, dass die Dinge in der Substanz, wie Sie es dargestellt haben, chaotisch sind. Das weise ich auch ausdrücklich zurück. Sie haben sehr richtig darauf hingewiesen, dass die Hilfe für die Flüchtlinge unser gemeinsames Anliegen ist. Daran bestehen überhaupt keine Zweifel. Ich kann Ihnen im Namen der beiden Minister, aber auch im Namen der gesamten Bundesregierung bestätigen, dass diese Hilfe nach wie vor geleistet wird und dass die Zuständigkeiten der Ressorts – Sie wissen: sie sind neu aufgeteilt worden – so gestaltet wurden, dass es funktioniert. Denn es kommt darauf an, dass den Menschen vor Ort geholfen wird. Sie müssen sich hier jetzt überhaupt keine Sorgen machen. Wir haben intensiv nachgefragt, wie die Verhältnisse vor Ort sind, und die Rückmeldung bekommen, dass die nötige Versorgung gewährleistet ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Bevor Sie jetzt Ihre zweite Nachfrage stellen, mache ich vorsorglich darauf aufmerksam, dass wir uns auf Frage- und Antwortzeiten verständigt haben und dass zur Unterstützung ein optisches Signal eingeblendet wird. Wenn die Lampe rot leuchtet, ist diese Zeit tatsächlich abgelaufen. Ich bitte sowohl die Fragenden als auch die Antwortenden, die Hilfestellung, die die Schriftführerinnen und Schriftführer hier vorne über das Signal leisten, in Anspruch zu nehmen. Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Dr. Sascha Raabe (SPD): Rote Signale sind mir immer sehr sympathisch, Frau Präsidentin. Nur damit kein Missverständnis aufkommt: Nicht ich habe von „Chaos“ geredet, sondern der Minister hat gesagt, dass hier eine Untätigkeit des Auswärtigen Amtes vorliegt. Ich glaube, das kann man nicht leicht beiseitewischen. Frau Staatssekretärin, wie passt das eigentlich damit zusammen, dass Sie in einer Antwort, die Sie uns schriftlich gegeben haben, schreiben, dass das Ministerium bereits im Mai dieses Jahres gegenüber der GIZ davon gesprochen hat, dass die gemeinsamen Projekte mit dem UNHCR zum Ende des Jahres auslaufen könnten, und dass Sie im August die Beendigung der Finanzierung schriftlich bestätigt haben? Das heißt, das Ministerium wusste lange vor Niebels empörter Aussage Ende Oktober, dass das ausläuft. Wenn das Ministerium monatelang vorher wusste, dass das ausläuft, wie kann es dann eigentlich sein, dass der Minister Monate später wie aus heiterem Himmel getroffen auf einmal feststellt: Da ist aber etwas ganz schön schiefgelaufen? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Raabe, wie gesagt: Dass die Finanzierung der Soforthilfe aus dem BMZ aufgrund der Neuaufteilung der Ressortzuständigkeiten auslaufen würde, war klar. Das hat aber gar nichts damit zu tun, dass die Hilfeleistungen vor Ort entsprechend geleistet werden. Sie wissen selbst: Im Ausschuss hat der UNHCR noch einmal bestätigt, dass für die Flüchtlinge gesorgt ist und dass hier keinerlei überraschende Notsituation entstanden ist oder entsteht, in der die Menschen in irgendeiner Weise sich selbst überlassen sind. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Karin Roth das Wort. Karin Roth (Esslingen) (SPD): Frau Staatssekretärin, wir haben uns ja am 24. Oktober 2012 im Ausschuss über dieses Thema unterhalten. Ich bin sehr froh, dass sich Außenminister Westerwelle aufgrund dieser Debatte, aber auch aufgrund der öffentlichen Äußerung Ihres Ministers offensichtlich noch einmal besonnen hat und dieses Projekt weiter fortsetzen will. Das hat auch etwas mit parlamentarischem Einfluss zu tun, auch wenn die Opposition das zunächst auf die Tagesordnung gesetzt hat. Das ist auch gut so, und es ist im Interesse aller, die in der Entwicklungspolitik arbeiten. Deshalb frage ich noch einmal zu meinem Verständnis und für das Protokoll: Ist es richtig, dass die bisherigen 2,2 Millionen Euro, die bisher vom BMZ für dieses Projekt der Not- und Übergangshilfe gezahlt wurden, das am 31. Dezember ausgelaufen wäre, und die UNHCR-Beträge in Höhe von insgesamt 6,4 Millionen in gleichem Umfang für das gleiche Projekt ausgegeben werden und das Projekt mit den gleichen örtlichen Beschäftigten weitergeführt wird? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Roth, es ist so, dass das BMZ die Förderung im Umfeld des Flüchtlingslagers Dadaab weiter fortführt. Ich habe Ihnen auch mitgeteilt, dass es darum geht, die Stärkung der ortsansässigen Bevölkerung und derjenigen, die sich für längere Zeit in dem Lager aufhalten müssen, mit Mitteln in Höhe von 4,1 Millionen Euro für den Zeitraum 2011 bis 2014 zu unterstützen. Zusätzlich wird das BMZ Bildungsprojekte in UNHCR-Flüchtlingslagern in Kenia, Dadaab und Kakuma, im Jahre 2013 mit Mitteln in Höhe von bis zu 1 Million Euro fördern. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zur Frage 15 des Kollegen Dr. Sascha Raabe: Wie wirkt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, auf das Auswärtige Amt ein, damit die Versorgung der Flüchtlinge im kenianischen Lager Dadaab auch weiterhin aufrechterhalten bleibt, und sind dem BMZ weitere ähnlich gelagerte Fälle bekannt, in denen das Auswärtige Amt laufende Hilfsmaßnahmen der vormaligen Entwicklungsorientierten Not- und Übergangshilfe eingestellt hat bzw. die Einstellung plant? Bitte, Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Hierzu kann ich nur auf meine vorherige Antwort verweisen und Ihnen sagen: Ähnlich gelagerte Fälle sind mir und dem Haus nicht bekannt. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Dr. Sascha Raabe (SPD): Frau Staatssekretärin, dann möchte ich noch einmal präziser nachfragen. Es geht ja gerade darum, dass bereits im Mai bekannt war, dass eine Finanzierung, die vormals vom BMZ durchgeführt wurde, ausläuft. Wir haben dann gesehen, dass das in einem Zuständigkeitschaos geendet hat und der Entwicklungsminister „Höchster Alarm!“ – spät, aber immerhin – gerufen hat und seinen Außenminister in dieser wichtigen Frage mit sehr scharfen Worten attackiert hat, bis das Auswärtige Amt endlich reagiert hat. Können Sie ausschließen, dass es weitere Fälle gibt, in denen die Finanzierung ausläuft, die noch vom BMZ angeleiert wurde? Können Sie ausschließen, dass so etwas in diesem Bereich wieder passiert? Sprich: Ist überall dort, wo das BMZ eine Finanzierung eingegangen ist, die jetzt vom Auswärtigen Amt übernommen wird, gesichert, dass der Übergang nun reibungslos funktioniert und das Auswärtige Amt das durchführt? So habe ich es eben verstanden, und das hat mich erstaunt. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Raabe, ich kann Ihnen bestätigen, dass das BMZ davon ausgeht, dass die mit dem Auswärtigen Amt vereinbarte Ressortaufteilung reibungslos funktioniert. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Dr. Sascha Raabe (SPD): Von „reibungslos“ kann sich jetzt jeder ein eigenes Bild machen. Ich kann dies gar nicht anders kommentieren, als das Ihr eigener Minister gemacht hat. Nachdem Minister Niebel nun selbst erkannt hat, dass das mit dem Auswärtigen Amt eben nicht funktioniert – sonst hätte er ja nicht dem Auswärtigen Amt Untätigkeit vorgeworfen –, möchte ich Sie fragen, ob es in Ihrem Haus nicht doch Überlegungen gibt, die damals in einer Nacht-und--Nebel-Aktion, fast am Haushaltsausschuss vorbei, erfolgte Zusammenlegung von Entwicklungsorientierter Not- und Übergangshilfe und humanitärer Hilfe, die dann ins Auswärtige Amt eingegliedert wurde, rückgängig zu machen und Letztere wieder in das BMZ zu verlagern. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass man Kurz-, Mittel- und Langfristhilfe gar nicht voneinander trennen kann. Auch alle Entwicklungsexperten sagen uns immer, die Zuständigkeit läge besser ausschließlich im BMZ; denn dann wäre sie wirklich in einer Hand, nämlich in der Hand, in die sie auch gehört. Ich möchte Sie fragen, ob Sie insoweit endlich zu der richtigen Einsicht gelangen. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Raabe, unsere Version der richtigen Einsicht ist: Wir möchten, dass diese Ressortvereinbarung greift, weil es in der Vergangenheit leider üblich war, dass in Notfällen, in Katastrophenfällen das eine Ministerium quasi die Esstöpfe, die Hardware, und das andere Ministerium die Lebensmittel, die Software, lieferte. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass dabei unnötigerweise wertvolle Zeit und auch Kompetenzen verloren gegangen sind. Deswegen: Nothilfe aus einer Hand in einem Ministerium! Das hat sich nach unserer Meinung nach wie vor als richtig erwiesen. Das haben wir jetzt umgesetzt. Was die strukturbildenden entwicklungspolitischen Maßnahmen betrifft, die dann sofort auf dem Fuß folgen müssen, werden wir als BMZ in Zukunft weiter unsere wertvolle Arbeit leisten. Ich kann Ihnen noch einmal versichern, dass zwischen unseren beiden Häusern eine enge Abstimmung erfolgt und dass sie wirklich gut bis sehr gut funktioniert. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Karin Roth das Wort. Karin Roth (Esslingen) (SPD): Frau Staatssekretärin, Sie haben meine Frage vorhin nur zur Hälfte beantwortet. Deshalb meine zweite Frage an Sie: Kann ich davon ausgehen – Sie haben vorher für das Außenministerium, für das Entwicklungsministerium und für die Bundesregierung gesprochen –, dass die 2,2 Millionen Euro zur Fortsetzung des Projektes der GIZ in Dadaab und in den anderen Flüchtlingslagern in Kenia vonseiten der Bundesregierung, in dem Fall vonseiten des AA und nicht vonseiten des BMZ, verwendet werden? Können Sie das jetzt zusagen? Am Anfang Ihrer Beantwortung haben Sie das getan. Jetzt möchte ich noch einmal bestätigt haben, dass der AwZ erfolgreich war. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Die von mir am Anfang gemachten Äußerungen sind richtig. Diese bestätige ich noch einmal ausdrücklich. Frau Kollegin Roth, ich kann natürlich nicht für das Auswärtige Amt antworten. Es gibt noch zwei weitere Fragen zu diesem Komplex, die nachher meine Kollegin Frau Staatsministerin Cornelia Pieper für das Auswärtige Amt beantworten wird. Ich habe Ihnen das bestätigt und mache das noch einmal. Ich bin zuversichtlich, dass wir im Sinne der Menschen, die unsere Hilfe brauchen, hier strukturiert und verantwortungsvoll handeln. Vizepräsidentin Petra Pau: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereiches. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Hintze zur Verfügung. Die Fragen 16 und 17 des Kollegen Oliver Krischer wie auch die Fragen 18 und 19 der Kollegin Beate Walter-Rosenheimer sollen schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zur Frage 20 der Kollegin Katja Keul – – (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Ist Frage 16 nicht meine Frage?) – Es tut mir leid: Die Frage 16 – hier gab es gerade Widerspruch – ist vom Kollegen Krischer eingereicht worden. Ich glaube, Sie, Kollege Mützenich, sind später an der Reihe. Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Darf ich aufklären, Frau Präsidentin? Der Kollege Mützenich hat nun die Frage 21. Von ihm ist dann die nächste Frage. Vizepräsidentin Petra Pau: Gut, das war jetzt der Aufmerksamkeitstest für uns alle. Wir haben das geklärt. Ich rufe Frage 20 der Kollegin Katja Keul auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das Rüstungsgeschäft zwischen der indonesischen Regierung und dem Konzern Rheinmetall AG, das die Lieferung von modernisierten Panzern an die indonesischen Streitkräfte zum Gegenstand hat, und welche Panzer-Reimporte hat die Bundes-regierung in den letzten drei Jahren genehmigt? Der Herr Staatssekretär hat das Wort. Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Präsidentin! Liebe Frau Kollegin Keul, der Bundesregierung ist bekannt, dass deutsche Unternehmen mit Indonesien Gespräche über den Kauf von Panzern führen. Die Gespräche hierüber sind nicht neu und bedürfen keiner Genehmigung durch die Bundesregierung. Ein Antrag auf Genehmigung der endgültigen Ausfuhr von Panzern nach Indonesien liegt der Bundesregierung nicht vor. Durch das BMWi wurden in den letzten drei Jahren folgende Reimporte von Panzern genehmigt: 99 Kampfpanzer Leopard 1 aus Dänemark, 37 Kampfpanzer -Leopard 2 und 2 Fahrschulpanzer für Leopard 2 aus -Österreich, 6 Kampfpanzer Leopard 2 aus der Schweiz und 11 Kampfpanzer Leopard 2 aus den Niederlanden. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Meine Frage lautet: Ist der Bundes-regierung bekannt, dass die Firma Rheinmetall derzeit ältere Leopard-Panzer zu sogenannten MBT-Revolution-Modellen umrüstet und dazu schreibt, Kampfpanzer müssten neben der bisher antizipierten klassischen Duellsituation künftig in asymmetrischen Szenarien bestehen, und dafür sei dieses Modell besser geeignet? Hat die Bundesregierung eine Herstellungslizenz nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz für den Umbau dieser Leopard-Panzer erteilt? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Das ist mir nicht bekannt. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In einer heutigen Agenturmeldung heißt es: Die geplante Unterzeichnung einer Absichtserklärung mit dem Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall wurde am Mittwoch in Jakarta verschoben, sagte ein Beamter des Verteidigungsministeriums der dpa. Einige technische Details seien noch offen. Das Ministerium hoffe auf eine Unterzeichnung an diesem Samstag. Nach Angaben aus Jakarta ist der Kauf von 100 Leopardpanzern und 50 Mardern beschlossene Sache. Sie haben eben gesagt, ein Antrag auf endgültige Ausfuhr der Panzer sei noch nicht erteilt. Verstehe ich Sie dahin gehend richtig, dass eine Voranfrage zur Ausfuhr dieser Panzer positiv beschieden wurde, und wie begründen Sie gegebenenfalls die Nichtbeantwortung dieser Frage vor dem Hintergrund, dass das indonesische Verteidigungsministerium offensichtlich von der Bundesregierung nicht auf die Geheimhaltung solcher Tatsachen hingewiesen wurde? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Die Bundesregierung ist für Äußerungen des indonesischen Verteidigungsministeriums in keiner Weise verantwortlich. Im Übrigen ist vom Deutschlandfunk, der die Meldung verbreitet hat, klargestellt worden, dass es sich um das indonesische Verteidigungsministerium handelt. In der ursprünglichen Meldung las sich das noch anders. Auf jeden Fall handelt es sich um eine Äußerung aus Indonesien, die wir nicht kommentieren. Meine Formulierung, dass der Antrag auf Genehmigung der endgültigen Ausfuhr noch nicht vorliegt, bezieht sich darauf, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie einen Antrag zur temporären Ausfuhr von je einem Leopard-Panzer und einem Marder-Schützenpanzer zur Präsentation auf der Messe Indodefense 2012 vom 7. bis 10. November 2012 positiv beschieden hat. Ihre Vermutung muss ich im Bereich der Spekulation belassen, weil wir nach regelmäßiger Staatspraxis Voranfragen prinzipiell nicht im Parlament bekannt geben. Vizepräsidentin Petra Pau: Bevor ich dem Kollegen Jan van Aken das Wort zu einer Nachfrage gebe, mache ich darauf aufmerksam, dass die Aktuelle Stunde gegen 15.40 Uhr beginnt. Herr van Aken, Sie haben das Wort. Jan van Aken (DIE LINKE): Ich bedanke mich. – Herr Hintze, da Sie gerade die Indodefense erwähnt haben: Welche Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung sind momentan auf der Indodefense, und werden in diesem Zusammenhang Gespräche zwischen Vertretern der Bundesregierung und der indonesischen Regierung über einen Leopard-Panzer- oder Marder-Schützenpanzerverkauf geführt? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Mir ist nicht bekannt, dass Vertreter der Bundesregierung auf der Indodefense sind. Deswegen kann ich Ihre Frage nicht beantworten. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Können Sie das schriftlich machen, bitte?) – Das liefern wir schriftlich nach. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Staatssekretär hat die schriftliche Nachlieferung zugesagt. Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Rolf Mützenich das Wort. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Danke, Frau Präsidentin. Es tut mir leid, dass ich mich eben auf die alte Fassung unserer Tagesordnung bezogen habe. Herr Hintze, angesichts der auch von Ihnen bedauerten unterschiedlichen öffentlichen Kommunikation, für die Sie manchmal Verantwortung tragen und manchmal nicht, möchte ich Sie fragen: Sind Sie mit mir möglicherweise der Meinung, dass auch die Bundesregierung bestrebt sein sollte, rechtzeitig und vielleicht im Rahmen eines besonderen Gremiums den Bundestag etwas stärker in die Erörterung von Rüstungsgeschäften seitens der Bundesregierung einzubeziehen? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Diese Einschätzung teile ich nicht, unter anderem deswegen nicht, weil ich nicht glaube, dass das Auswirkungen auf die Äußerungen des indonesischen Verteidigungsministeriums hätte. Dieses hat das Missverständnis ausgelöst. Vizepräsidentin Petra Pau: Die letzte Nachfrage zu Frage 20 stellt die Kollegin Vogler. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung Anfragen auf Übernahme -einer Exportbürgschaft für eine Panzerlieferung an Indonesien vor, oder haben Sie eine solche Anfrage bereits beschieden? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Das ist mir nicht bekannt. Wenn es anders sein sollte, teile ich es Ihnen schriftlich mit. Vizepräsidentin Petra Pau: Nun kommen wir zur mehrfach angekündigten Frage 21 des Kollegen Dr. Rolf Mützenich: Unterstützt die Bundesregierung finanziell die von Indonesien bestätigte Lieferung von 130 gebrauchten Leopard-2-Panzern, und sind diese Panzer – ebenso wie die für Saudi-Arabien vorgesehene Version (vergleiche Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 12. August 2012) – technisch geeignet zum Kampfeinsatz auch gegen die Zivilbevölkerung in städtischen Räumen? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Präsidentin! Es darf sich keiner wundern: Die Antwort ist dem Wortlaut und dem Sinn nach ähnlich, weil es sich hierbei um den gleichen Sachverhalt handelt. Es gibt eine kleine Ausnahme, die aber gleich deutlich wird. Der Bundesregierung ist bekannt, dass deutsche Unternehmen mit Indonesien Gespräche über den Kauf von Leopard-Panzern führen. Die Gespräche hierüber sind nicht neu und bedürfen keiner Genehmigung durch die Bundesregierung. Die den Gesprächen zugrunde liegenden Geschäfte werden derzeit durch die Bundesregierung nicht finanziell unterstützt. Bisher liegt der Bundesregierung kein Antrag auf Ausfuhr von Leopard-Panzern zum Verbleib in Indonesien vor. Die Bundesregierung lehnt Spekulationen über eine technische Eignung der betreffenden Panzer für angedachte Szenarien ab. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Weil Sie eben die indonesische Regierung kritisiert haben: Würden Sie in der Konsequenz auch Ihren Verteidigungsminister kritisieren wollen, der in einem ausführlichen Interview, das in der Süddeutschen Zeitung gestanden hat, auf genau dieses Rüstungsgeschäft eingegangen ist? Können Sie in diesem Zusammenhang bestätigen, wie der Verteidigungsminister es getan hat, dass es sich bei der Lieferung, die Sie ja immer noch infrage stellen, offensichtlich nicht um gebrauchte Panzer der Bundeswehr handelt? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Jetzt haben Sie eine ganze Masse von Fragen, Vermutungen und Behauptungen vorgetragen. (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das müssen Sie ertragen!) – Ja, das weiß ich. Ich hoffe, dass wir beide damit intellektuell fertig werden. Ich habe mit meiner Antwort auf die Frage der Kollegin Keul das Haus informiert, dass es sich bei dem Verteidigungsminister, der zitiert wurde, um den indonesischen Verteidigungsminister handelt, dass er seine Äußerungen aus seiner Einschätzung, seiner Kompetenz und seiner Sicht der Dinge gemacht hat und dass die Bundesregierung hierfür keinerlei Verantwortung hat. Das ist keine Kritik, sondern eine reine Information. Was war der zweite Punkt? Helfen Sie mir bitte. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Ich bin der Meinung, dass wir auch dann, wenn wir uns intellektuell nicht überfordern wollen, im Hinblick auf die Äußerung des Verteidigungsministers durchaus die Verantwortung der Bundesregierung zur Kenntnis nehmen sollten. Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Der Verteidigungsminister macht eine ausgezeichnete Arbeit. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sehr gut!) Ich finde, alle seine Äußerungen sind fundiert und beruhen auf einer stabilen Grundlage. Die Bundesregierung steht hundertprozentig dahinter. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Wenn die Bundesregierung voll hinter dem Bundesverteidigungsminister steht und auch ausschließen kann, dass die Lieferung von Panzern nach Indonesien aus gebrauchten Panzern der Bundeswehr bestehen wird, können Sie dann bestätigen, dass ein Rüstungsgeschäft in den nächsten Tagen zwischen Deutschland und Indonesien mit Zustimmung der Bundesregierung stattfinden wird? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Das ist zwar der kluge und zulässige, aber wahrscheinlich nicht zielführende Versuch, die Regeln über die Bekanntmachung von entsprechenden Rüstungsgeschäften, wie sie in der ständigen Staatspraxis festgelegt sind, etwas zu unterlaufen. Ich habe eben vorgetragen, wie es sich verhält, nämlich dass wir über Voranfragen nicht informieren, die Entscheidungen in dem jeweiligen Bericht nachzulesen sind und sich die Bundesregierung ansonsten dazu nicht äußert. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer Nachfrage hat der Kollege Jan van Aken das Wort. Jan van Aken (DIE LINKE): Auch ich habe eine Nachfrage, die den deutschen Verteidigungsminister de Maizière betrifft. Er hat erklärt: Die 100 Leopard-Kampfpanzer stammen nicht aus Bundeswehrbeständen. – Meine Frage ist: Stammen denn die 50 Marder oder die unbekannte Anzahl Marder-Panzer, die an Indonesien geliefert werden sollen, aus Bundeswehrbeständen? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Auch dazu kann ich, weil der Sachverhalt noch gar nicht zur Behandlung ansteht, nichts sagen. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt hier „noch“?) Im Übrigen wäre die Information, die Sie haben, für den Kollegen Mützenich interessant, weil sie im Widerspruch zu seiner Frage steht. Sie könnten sich von Partner zu Partner darüber austauschen, damit die Informa-tionsbasis stimmt. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Ich glaube, ich konnte Ihrer Antwort intellektuell nicht folgen!) – Das gibt es schon einmal. (Heiterkeit bei der CDU/CSU – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das liegt aber nicht an ihm!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das werden die Herren sicherlich in geeigneter Form noch klären können. Für heute sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. – Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung der Fragen steht die Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verfügung. Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Dr. Rolf Mützenich auf: Wie schätzt die Bundesregierung die Probleme Indone-siens – Achtung der Menschenrechte, Einsatz der Streitkräfte im Inneren, Gewaltenteilungsproblematik, Beziehungen zum Nachbarn Demokratische Republik Timor-Leste – ein, und welche politischen Konsequenzen zieht sie aus dieser Einschätzung? Bitte, Frau Staatsministerin. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Es geht im Zusammenhang mit Indonesien um Menschenrechtsfragen. Die Republik Indonesien, Herr Abgeordneter, hat seit 1998 nach Einschätzung der Bundesregierung eine weitreichende Transformation ihres politischen Systems vollzogen und sich zu einem demokratischen Staat gewandelt. Die Demokratie in Indonesien hat sich in der zweiten Amtszeit von Präsident Susilo Bambang Yudhoyono weiter gefestigt. Die Gewaltenteilung ist in der indonesischen Verfassung verankert, wobei insbesondere im Bereich der Justiz noch Verbesserungsbedarf besteht, wie Sie ja auch wissen. Die Menschenrechtslage in Indonesien ist aus unserer Sicht insgesamt zufriedenstellend. Systemische Defizite bestehen nicht. Die indonesische Regierung verfolgt eine Politik der Achtung der Menschenrechte und der Stärkung des Justizsystems, wenn auch noch nicht mit dem gewünschten Erfolg. Insbesondere sei die Lage in Westpapua genannt. Die indonesische Regierung beabsichtigt, erkannte Schwächen im Menschenrechtsschutz zu beseitigen durch die Umsetzung des für 2012 bis 2014 gültigen Nationalen Menschenrechtsaktionsplans. Außerdem will sie Verbesserungen im Justizsystem vornehmen. Die Reform der Streitkräfte und ihre Rolle im indonesischen Staat stehen seit Jahren auf der politischen Agenda. Das Thema „Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen im Einsatz“ nimmt in der Ausbildung der Streitkräfte inzwischen einen breiten Raum ein. Zur Demokratischen Republik Timor-Leste, Herr Abgeordneter, pflegt Indonesien seit der Unabhängigkeit mittlerweile stabile und wirtschaftlich immer engere Beziehungen, die der Präsident mit einem Besuch von großer Symbolik zur Amtseinführung des neuen timoresischen Präsidenten im Mai 2012 unterstrichen hat. Indonesien setzt sich zudem für den Beitritt von Timor-Leste zur Gemeinschaft südostasiatischer Staaten, ASEAN, ein. Die Bundesregierung räumt den Beziehungen zu Indonesien einen hohen Stellenwert ein. Defizite, insbesondere im Menschenrechtsbereich, sind regelmäßig Gegenstand der Gespräche zwischen uns, also in den bilateralen Kontakten mit der indonesischen Regierung. Zudem besteht ein regelmäßiger Menschenrechtsdialog der Europäischen Union mit Indonesien, wie Ihnen wahrscheinlich bekannt ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Wenn Sie in Ihrer Antwort dennoch von Defiziten im Menschenrechtsbereich sprechen, Frau Staatsministerin, sind Sie dann nicht mit mir der Meinung, dass wir erst einmal die nächsten Jahre abwarten müssen, insbesondere dahin gehend, dass sich die Menschenrechtssituation und die Achtung der Gewaltenteilung so verbessern, dass das Militär innerhalb Indonesiens nicht mehr zum Schutz der inneren Sicherheit eingesetzt werden soll? Und sind Sie mit mir in diesem Zusammenhang der Meinung, dass die Lieferung von Panzern, insbesondere im Hinblick auf die Aufgabe des Militärs im Inneren von Indonesien, genau die falsche Entscheidung wäre? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Abgeordneter, ich bin fest davon überzeugt – das sage ich auch im Namen der Bundesregierung –, dass wir den Menschenrechtsdialog gerade mit Indonesien, gerade mit der dortigen Zivilgesellschaft fortsetzen und verstärken müssen. Sie wissen, da gibt es eine sehr lebendige Zivilgesellschaft. Ich durfte dieses Jahr im Auswärtigen Amt den Interface Dialogue begrüßen. Im -April 2013, also nächstes Jahr, wird dieser Dialog mit der Zivilgesellschaft in Jakarta stattfinden. Ich selbst werde daran teilnehmen. Ich halte diese zivilgesellschaftlichen Kontakte für außerordentlich wichtig. Was Ihre Nachfrage zu den sogenannten Panzerlieferungen anbelangt, verweise ich auf die Antwort des von mir sehr geschätzten Staatssekretärs Hintze. Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Mützenich, Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Vielen Dank. – Sie wissen, dass ich den Staatssekretär ebenfalls schätze. Ich möchte Sie, überleitend von den Fragen, die ich zu seinem Geschäftsbereich gestellt habe, fragen, ob Sie sich in die Meinungsbildung der Bundesregierung im Hinblick auf die Panzerlieferungen nach Indonesien durchaus ausreichend einbezogen fühlen. Insbesondere: Sind Sie ausreichend gefragt worden, ob die Menschenrechte in Indonesien gewährleistet werden? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich sagte bereits: Wir sind in ganz intensivem Kontakt mit Indonesien, was die Menschenrechte anbelangt. Ich will außerdem sagen: Es ist bei den Menschenrechten noch nicht alles so, wie wir uns das vorstellen. Sie wissen, dass es noch Benachteiligungen von Christen in Indonesien gibt. Ich habe das Problem Westpapua genannt. Die Lage dort ist nicht zufriedenstellend. Dort gibt es immer noch Menschenrechtsverletzungen. Ich bitte aber, eines nicht zu verwechseln, Herr Abgeordneter: Das Thema Menschenrechte, welches Sie ja zu Recht zum Thema im Rahmen der Fragestunde gemacht haben, hat nichts mit der vorhergehenden Frage zu tun. Im Übrigen stimmen wir uns mit dem Bundeswirtschaftsministerium in allen Fragen sehr gut ab. Vizepräsidentin Petra Pau: Herzlichen Dank, Frau Staatsministerin. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die übrigen Fragen werden, wie in unserer Geschäftsordnung festgelegt, schriftlich beantwortet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE Haltung der Bundesregierung zu Residenzpflicht und Sondergesetzen für Flüchtlinge sowie Asylbewerberinnen und Asylbewerber Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Halina Wawzyniak für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Stopp aller Abschiebungen, Aufhebung der Residenzpflicht, Schließung aller Isolationslager, Aufhebung der Sondergesetze und gleiche Rechte für alle hier lebenden Menschen! Kein Mensch ist illegal. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Seit mehr als sieben Monaten protestieren Flüchtlinge. Sie boykottieren die sogenannten Sammelunterkünfte und verletzen bewusst die Residenzpflicht. Sie haben einen Fußmarsch von Würzburg nach Berlin unternommen. In Frankfurt am Main, am Oranienplatz in Friedrichshain-Kreuzberg und am Brandenburger Tor werben sie für ihre Forderungen. Bis Donnerstag vergangener Woche befanden sie sich im Hungerstreik. Doch die Staatsmacht denkt nicht daran, die Lebensverhältnisse von Geflüchteten und Asylsuchenden zu verändern. Sie reagiert mit bürokratischen Auflagen, die unsinnig, menschenverachtend und zu einem großen Teil rechtswidrig sind, so wie das Verbot von Sitzkissen und Pappen als Sitzunterlagen bei Demonstrationen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Unerhört!) Selbst diese politisch motivierten, rechtswidrigen Auflagen wurden in der vergangenen Woche von Polizeibeamten herzlos exekutiert. Es scheint, als hätten politisch Verantwortliche den Sinn und Zweck des Versammlungsrechts nicht verstanden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es wurde versucht, eine nicht verbotene Demonstration durch faktisches Handeln zu verbieten, indem die Wahrnehmung des Demonstrationsrechts unmöglich gemacht werden sollte. Erst ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin beendete diesen Zustand. Es macht mich unglaublich wütend, dass in diesem Land ein Verwaltungsgericht notwendig ist, um das Demonstrationsrecht durchzusetzen, und ich finde das Handeln der Verantwortlichen beschämend. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Rüdiger Veit [SPD]) Die Integrationsbeauftragte hat nach einer Woche Hungerstreik ein Gespräch mit den Geflüchteten geführt. Auf die Idee, mit den in Lagern lebenden und häufig isolierten Asylbewerberinnen und Asylbewerbern solche Gespräche zu führen, ist Frau Böhmer in den sieben Jahren ihrer Amtszeit zuvor offensichtlich nicht gekommen. Sonst hätte sie das – ich zitiere – „bewegendste Gespräch als Integrationsbeauftragte“ schon eher haben können. Doch ein wirkliches Entgegenkommen ist auch nach diesem Gespräch nicht zu verzeichnen. Frau Böhmer fragt sich, ob die Residenzpflicht heute noch zeitgemäß ist. Die Antwort ist einfach: Nein, sie ist es nicht, und sie wird es auch nie sein. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Doch statt eine Initiative zur Abschaffung zu ergreifen, wird geprüft. Die Residenzpflicht besagt, dass ein Verlassen des den Flüchtlingen zugewiesenen Kreises nur mit Erlaubnis der örtlichen Behörden möglich ist. Die Residenzpflicht ist damit nichts anderes als eine unsichtbare Kette, mit der die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen eingeschränkt wird. Die Zeit der Prüfung ist längst abgelaufen. Ein paar gesetzliche Lockerungen ändern nichts am menschenrechtswidrigen Charakter der Residenzpflicht. Schaffen Sie diese diskriminierende Regelung ab! Stellen Sie die Geflüchteten den anderen hier lebenden Menschen endlich gleich! (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Böhmer hat darauf gedrungen, dass die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angeglichen werden. Wir haben ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu. Doch statt tätig zu werden, poltert Innenminister Friedrich durch die Gegend und will Asylbewerberinnen und Asylbewerbern weiter Leistungen kürzen oder diese sogar nur als Sachleistungen gewähren. Herr Friedrich ist damit nichts anderes als ein Verfassungsfeind. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Schaffen Sie das Asylbewerberleistungsgesetz ab! Stellen Sie die Flüchtlinge den anderen hier lebenden Menschen rechtlich gleich! Frau Böhmer hat – wie der Integrationsbeirat – vorgeschlagen, dass Flüchtlinge nach sechs Monaten die Möglichkeit bekommen sollen, zu arbeiten. Sinnvoller wäre ein sofortiger Arbeitsmarktzugang. Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten: Die geltende Vorrangregelung beim Zugang zum Arbeitsmarkt besagt im Kern nichts anderes als die von der NPD menschenverachtend vorgetragene Losung: Arbeit zuerst für Deutsche. – Also handeln Sie! Schaffen Sie die Vorrangregelung endlich ab! Stellen Sie die Geflüchteten den anderen hier lebenden Menschen endlich gleich! (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Böhmer hat auf den Vorschlag des Integrationsbeirats verwiesen, eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung zu schaffen. Etliche Bundesländer fordern Ähnliches. Auch hier gibt es keinen Grund, diesen Vorschlag nicht umgehend umzusetzen. Handeln Sie endlich! Beenden Sie die Politik der Stammtische, und hören Sie damit auf, Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen, indem Sie wie vor 20 Jahren von Asylrechtsmissbrauch und Wirtschaftsflüchtlingen schwadronieren! Hören Sie auf, durch Gettoisierung in Lagern, durch die Verweigerung einer Arbeitserlaubnis, durch die Schlechterbehandlung von Flüchtlingen im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes und durch die Residenzpflicht diese Stammtische auch noch zu bedienen! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz besagt, dass eine Politik der Abschreckung, das heißt eine Politik, die aus migrationspolitischen Gründen in die Grundrechte Einzelner eingreift, verfassungswidrig ist. (Harald Weinberg [DIE LINKE]: So ist das!) Art. 1 des Grundgesetzes enthält eine Pflicht zum aktiven Handeln des Staates zum Schutz der Menschenwürde eines jeden Einzelnen. Handeln Sie! Die Zeit ist reif. (Beifall bei der LINKEN) Stellen Sie die Geflüchteten den anderen hier lebenden Menschen endlich gleich! (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Bundesregierung hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nicht zuletzt aufgrund unserer Vergangenheit haben wir eine besondere Verantwortung für die Flüchtlinge weltweit. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die muss man aber auch wahrnehmen!) Wir werden dieser Verantwortung auch in besonderer Weise gerecht. (Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD]: Wo denn?) Viele kommen zu uns, weil sie wissen, dass unser Rechtssystem einen umfassenden Schutz vor Verfolgung bietet. Seit 2007 nehmen wir mehr Asylsuchende in Deutschland auf. Allein bis Ende Oktober dieses Jahres wurden 50 344 Erstanträge gestellt. Dazu kommen über 11 000 Folgeanträge. Im EU-Vergleich liegt Deutschland damit an der Spitze. Wir haben uns jetzt auch entschieden, an jährlichen Resettlement-Programmen teilzunehmen, weil wir der Überzeugung sind, dass wir damit gerade die Menschen erreichen, die in besonders hilfloser Lage sind. Wir wollen das auch in 2013 und 2014 tun. Wir wollen jedes Jahr 300 Flüchtlinge dauerhaft in Deutschland aufnehmen. Wir haben jetzt 201 Menschen aus Shousha aus Tunesien in dieser Art und Weise helfen können. Es handelt sich um Menschen, die in wirklich aussichtsloser Lage waren, die doppelt verfolgt waren, zunächst nach Libyen flüchten mussten und dann aufgrund des Bürgerkriegs aus Libyen verdrängt wurden. Wir haben im Oktober noch 105 irakische Flüchtlinge aus der Türkei aufgenommen. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 105?) Wir müssen aber eben auch der Tatsache ins Auge sehen, dass es Asylmissbrauch gibt, dass Menschen zu uns kommen und Asyl beantragen, die in keiner Art und Weise verfolgt sind. Wir brauchen Asylverfahren, die schnell sind, damit wir gerade denjenigen helfen können, die unserer Hilfe bedürfen. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Vier Forderungen – vier Lösungen! Ich höre!) Wir haben beispielsweise die Situation, dass seit der -Visaliberalisierung zunehmend Personen aus Serbien und Mazedonien zu uns kommen, die überhaupt nicht -verfolgt werden. Wir hatten bis Oktober 2012 allein 10 775 Erstanträge aus diesen beiden Herkunftsländern. Dazu kommen 5 649 Folgeanträge. Allein im Oktober waren es 4 024 Erstanträge. Der Zusammenhang mit der Ende 2009 erfolgten -Visaliberalisierung liegt auf der Hand, (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: -Falsches Thema!) ebenso der Zusammenhang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Unverschämtheit!) das klargestellt hat, dass die Leistungen für Asylbewerber entsprechend ausgeweitet werden müssen. Wir müssen doch einmal feststellen, dass die Anerkennungsquote bei diesen Menschen bei null liegt. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen Frau Böhmer hören! Die Arbeitsteilung geht nicht!) Die einzigen, die Schutz bekommen, sind diejenigen, die hierbleiben müssen, weil sie nicht transportiert werden können oder Krankheiten haben, die nur hier behandelt werden können. Sogenannte Reiseunternehmen organisieren den Asylmissbrauch in diesen Ländern. Die Vorgehensweise ist ausgesprochen ausgefeilt. (Kornelia Möller [DIE LINKE]: Sie reden -zynisch!) Sie reisen nicht in größeren Gruppen. Diesen Personen werden vor dem Grenzübertritt Barmittel gegeben. Diese Barmittel werden ihnen nach dem Grenzübertritt wieder abgenommen. Die Kommunen stoßen mit ihren Kapazitäten an Grenzen. (Rüdiger Veit [SPD]: Ach wo!) Deshalb sind Asylverfahren wichtig, die zügig verlaufen und dem Recht auf Asyl gerecht werden. Dazu ist die Residenzpflicht ein wichtiger Baustein. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sie halten daran fest? Können wir das festhalten? Unglaublich!) Sie stellt sicher, dass Asylbewerber nicht nur eine formale Meldeadresse haben, sondern dass sie sich an dem ihnen zugewiesenen Ort aufhalten, sodass das Asylverfahren durchgeführt werden kann. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das dauert zum Teil über Jahre!) Das ist im wohlverstandenen Eigeninteresse des Asylbewerbers selbst. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: „Im wohlverstandenen Eigeninteresse“! Ich fasse es nicht!) Eine solche Residenzpflicht ist auch keine übermäßige Einschränkung der persönlichen Entfaltungsfreiheit. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1997 eindeutig entschieden. Und: Wir haben die Residenzpflicht auch mehrfach gelockert, das letzte Mal in dieser Legislaturperiode. Seit Juli 2011 können sich die Betroffenen zusätzlich zu den Ausnahmen, (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das ändert doch am Grundsatz nichts!) die es ohnehin schon gab, in einem anderen Bezirk oder einem anderen Land aufhalten, zum Beispiel um die Schule zu besuchen oder um einem Studium nachzugehen. Das ist möglich. Darüber hinaus können die Regierungen benachbarter Länder den Aufenthaltsbereich von Asylbewerbern grundsätzlich auf den Bereich des Nachbarlandes erstrecken. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie oft wird das denn genutzt?) Die Residenzpflicht – das möchte ich hier auch klarstellen – ist ebenfalls wichtig, um mögliche Ausreisepflichten vollziehen zu können. Um eines klarzustellen: Die Residenzpflicht gilt nur für Asylbewerber, für diejenigen, die sich im Verfahren befinden, und nicht für diejenigen, die anerkannt wurden. Das ist doch ganz entscheidend. (Kornelia Möller [DIE LINKE]: Das geht -häufig genug über Jahre!) Ein anerkannter Asylbewerber darf selbstverständlich die volle Reisefreiheit in ganz Europa in Anspruch nehmen. Er darf selbstverständlich arbeiten. Er darf selbstverständlich auch im vollen Umfang von unserem Sozialstaat profitieren. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch wirklich selbstverständlich! – Rüdiger Veit [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!) Es macht doch überhaupt keinen Sinn, dass jemand, der sich im Asylverfahren befindet, von allen diesen Möglichkeiten profitieren kann. Wir meinen, dass wir hier unterscheiden müssen. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sind denn das für Möglichkeiten? Seine Verwandten besuchen?) Wir müssen auch die weiteren Folgen einer Aufhebung der Residenzpflicht im Blick haben. Es würde nicht nur zu einer Verlangsamung der Asylverfahren kommen, es käme auch zu einer ungleichmäßigen Verteilung der Asylbewerber und der Lasten auf die Kommunen. Gerade das wollen wir nicht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU – Niema Movassat [DIE LINKE]: Das hat doch damit nichts zu tun! Das ist Quatsch, was Sie sagen! Es geht darum, ob man den Wohnort verlassen darf!) Wenn jetzt einige Länder sogar fordern, das Asylbewerberleistungsgesetz in Gänze und damit auch das Sachleistungsprinzip – darum geht es ja – vollständig abzuschaffen, (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sehr -vernünftige Idee!) so muss ich sagen: Das führt zu einer zusätzlichen Sogwirkung und dazu, dass vermehrt nicht diejenigen zu uns kommen, die wirklich verfolgt sind, sondern diejenigen, die den Weg über das Asylrecht nutzen, um hier zu arbeiten oder womöglich unser Sozialsystem zu missbrauchen. Das wollen wir verhindern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Kornelia Möller [DIE LINKE]: Schämen Sie sich! Pfui!) Wir haben in den gerade genannten Bereichen besondere Regelungen für Asylbewerber und zum Teil auch für Geduldete. Das ist unseres Erachtens auch sachgerecht. Der Grund ist, dass während eines laufenden Asylverfahrens noch keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob jemand dauerhaft bleiben darf oder nicht. Genau diese Unterscheidung machen wir. (Zuruf von der LINKEN: Was hat das mit -Residenzpflicht zu tun?) Unser Interesse ist es, denen zu helfen, die unseren Schutz wirklich brauchen. Dazu benötigen wir ein zügiges, effizientes Asylverfahren, das zu sachgerechten Entscheidungen führt. Dafür sind aus Sicht der Bundesregierung und der Praktiker in Bund und Ländern die von mir genannten Regelungen erforderlich. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist Technokratensprache, die Sie reden! Wir sprechen von Menschen! Ist Ihnen das eigentlich klar?) Wir sind auch nicht der Auffassung, dass es sinnvoll ist, einem Asylbewerber vom ersten Tag an den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Hierfür gibt es andere Zugangsmöglichkeiten, die in unserem Aufenthaltsrecht geregelt sind, aber eben nicht im Asylrecht. Das ist auch sachgerecht. Für diejenigen, die bei uns arbeiten wollen, gibt es Möglichkeiten, zu uns zu kommen; die entsprechenden Zugangsmöglichkeiten haben wir in dieser Legislaturperiode ausgeweitet. Das Asylrecht jedoch ist dazu da, denjenigen zu helfen, die wirklich verfolgt werden, und nicht denjenigen eine Zugangsmöglichkeit zu verschaffen, die in Deutschland arbeiten wollen. Das ist nicht Sinn und Zweck des Asylrechts. Deshalb sollten wir diese Unterscheidung vornehmen. Nur so kommen wir am Ende zu sachgerechten Lösungen und werden den Menschen gerecht, die unsere humanitäre Hilfe wirklich brauchen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Was für eine Ignoranz! – Kornelia Möller [DIE LINKE]: Pfui!) Vizepräsidentin Petra Pau: Bevor wir in der Debatte fortfahren, lassen Sie mich Folgendes sagen: Erstens. Für diejenigen, die hier dieser Debatte folgen, möchte ich eine kleine Erklärung geben: Wir befinden uns beim Tagesordnungspunkt „Aktuelle Stunde“. Eine Aktuelle Stunde hat den Vorteil, dass ein Thema, welches offensichtlich sowohl Parlamentarier wie auch die Öffentlichkeit bewegt, hier debattiert werden kann und die Standpunkte dargelegt werden können. Für die Parlamentarier hat das jedoch den Nachteil, dass sie ihre gegensätzlichen Positionen weder durch Zwischenfragen noch durch Kurzinterventionen darstellen können. (Zuruf von der FDP: Nur durch Zwischenrufe!) Das ist die Erklärung für diejenigen, die unsere Debatte hier verfolgen. Zweitens. Ich habe eine Bitte, und zwar sowohl an diejenigen, die jeweils überwiegend das Wort haben – sprich: von mir das Wort erteilt bekommen haben –, als auch an diejenigen, die ihrer Zustimmung oder ihrem Unmut Luft machen wollen oder die ihre Position einbringen wollen, obwohl sie nicht auf der Redeliste ihrer Fraktion stehen, hier also nicht reden können: Bitte befleißigen Sie sich trotzdem parlamentarischer Ausdrucksformen! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Reinhard Grindel [CDU/CSU], an die SPD gewandt: Nur damit das klar ist: Ich habe sie gewählt! Jetzt wissen Sie, warum!) Nun hat die Kollegin Daniela Kolbe für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär, ob wir unserer Verantwortung gegenüber denjenigen, die Schutz benötigen – Menschen aus Syrien, aus dem Iran usw. –, wirklich gerecht werden, das ist die große Frage. Wenn ich mit Asylsuchenden spreche, kommen mir da mitunter Zweifel. Ich war mit meinem Kollegen Rüdiger Veit vor knapp zwei Wochen, kurz nach Entstehen des Camps, am Brandenburger Tor vor Ort und habe mit den Menschen gesprochen, die dort versuchen, ihre Positionen deutlich zu machen. Es hat geregnet, es war kalt, wir waren nicht warm genug gekleidet, und schon nach wenigen Minuten haben wir unsere Mäntel enger um uns geschlungen und geflucht, dass wir keinen Schirm dabei hatten. Uns ist dabei mehr als deutlich geworden, dass die Flüchtlinge das dort auf keinen Fall nur aus Spaß an der Freude machen, sondern dass ein massiver Leidensdruck dahinterstecken muss, wenn man unter diesen Bedingungen auf dem Pariser Platz in den Hungerstreik tritt. Die Flüchtlinge haben uns von ihren Forderungen berichtet, sowohl von denen, die Bedingungen vor Ort zu verbessern, aber eben auch – darüber will ich vor allem sprechen – von ihren politischen Forderungen. Das, was diese Menschen dort auf sich nehmen, ist es wert, dass wir über ihre Anliegen sprechen, ihre politischen Forderungen ernst nehmen und ihnen hier Raum einräumen. Ich kann nicht alle Forderungen teilen, die die Flüchtlinge vorbringen. An vielen Stellen jedoch kann ich sie absolut nachvollziehen; da spürt man förmlich das Leid der Flüchtlinge. Nach der Jahrtausendwende war ich sehr viel in Schulklassen unterwegs und habe dort für Flüchtlingsrechte und gegen Rassismus geworben. Ich kann Ihnen sagen: Auch Schülerinnen und Schüler haben für vieles von dem, was wir den Flüchtlingen und Asylsuchenden in unserem Land antun, wenig Verständnis. Sie verstehen zum Beispiel nicht, warum es eine Residenzpflicht gibt, warum Menschen also nicht den Landkreis verlassen dürfen, dem sie zugeordnet sind. Sie verstehen nicht, warum diese Menschen nicht arbeiten dürfen, (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das ist mir in Schülerdiskussionen noch nie begegnet!) warum wir junge Menschen, die zum Teil gut ausgebildet sind und die hierherkommen, um Schutz zu suchen oder zu studieren oder um arbeiten zu können, der Agonie des Nichtstuns überantworten. Sie verstehen auch nicht, warum diese Menschen im ersten Jahr überhaupt nicht arbeiten dürfen und anschließend an vielen Orten so etwas wie ein Arbeitsverbot haben, da das Nach-rangigkeitsgebot in vielen Teilen der Republik de facto auf ein Arbeitsverbot hinausläuft. Die Schülerinnen und Schüler sind erstaunt, dass die Flüchtlinge in vielen Bundesländern keinen Zugang zu einer vernünftigen Gesundheitsversorgung haben, dass vor allen Dingen eine psychologische Betreuung der Flüchtlinge nicht selbstverständlich ist – es handelt sich doch gerade um Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben –, dass sie keinen Zugang zu Sprach- und Integrationskursen haben usw. Ich gebe zu: Ich habe das auch nie verstanden; ich verstehe es auch jetzt nicht. Ich finde, am absurdesten ist die Residenzpflicht. Mit dem Begriff Residenzpflicht kann schätzungsweise die Mehrheit der Deutschen nichts anfangen: Was ist denn das, Residenzpflicht? – Residenzpflicht ist aber ein Wort, das jeder Asylbewerber, der nach Deutschland kommt, lernt; ich glaube, es ist das erste deutsche Wort, das Asylsuchende in Deutschland lernen. Residenzpflicht bedeutet: Menschen dürfen den Landkreis, dem sie zugeordnet sind, nicht ohne Erlaubnis verlassen. Asylbewerberheime liegen aber aus Gründen, die wir alle kennen – diese Gründe führen bei mir immer wieder zu Magengrummeln –, am Rande von Städten und Landkreisen. So kommt es durch die Residenzpflicht zu absurden Situationen: Straßen dürfen nur in eine Richtung begangen werden, weil in der anderen Richtung der Landkreis endet. Supermärkte, die näher liegen, sind tabu, weil sie eben im falschen Landkreis liegen. Es gab dazu auch schon kreativen Protest seitens der Flüchtlinge, zum Beispiel ein Volleyballturnier, bei dem die Flüchtlinge aus dem einen Landkreis auf der einen Seite des Feldes standen und Flüchtlinge aus dem anderen Landkreis auf der anderen Seite. Ein Seitenwechsel war da nicht bzw. nur durch Rechtsbruch möglich, und das ist absurd. Das ist aber nicht absurdes Theater; es geht um die Lebenschancen von Flüchtlingen, auch von jungen Flüchtlingen, die hier ihre Lebenszeit verbringen und Chancen wollen. Was ist eigentlich die Begründung für die Residenzpflicht? Ich habe es so verstanden, dass es auch darum geht, die Lastenteilung zwischen den Landkreisen und Ländern sicherzustellen. In Ordnung; aber man kann das auch anders organisieren, (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wie denn?) und die Bundesregierung organisiert es auch anders, zum Beispiel bei den Resettlement-Flüchtlingen. Sie werden auch auf die Länder und Landkreise verteilt; aber eine Residenzpflicht besteht für sie nicht. Das ist eine massive Erleichterung für diese Flüchtlinge. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Die haben doch einen ganz anderen Status, diese Leute!) – Das ist richtig: Sie haben einen anderen Status. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Da verwechseln Sie Äpfel mit Birnen! – Gegenruf des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind alles Menschen!) Aber bei beiden Gruppen geht es um Menschen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Viele Bundesländer legen die Residenzpflicht so weit aus, wie es irgend geht. Das Interessante ist, dass ich von den Konservativen keinerlei Klagen darüber höre. Das jüngste Beispiel für ein Bundesland, in dem die Residenzpflicht sehr weit ausgelegt wird, ist Niedersachsen, bekanntlich von Schwarz-Gelb regiert. Insofern scheinen Sie die Residenzpflicht nicht grundsätzlich für so wichtig zu halten. Ich möchte es ganz kurz machen: Die Residenzpflicht ist ein Relikt aus den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Sie bringt nichts; sie diskriminiert nur. Deshalb sollten wir sie abschaffen; Frau Böhmer, da gebe ich Ihnen ausdrücklich recht. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Hartfrid Wolff für die FDP-Fraktion. Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorschläge zur Abschaffung der Residenzpflicht für Asylbewerber oder zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes hat es immer wieder gegeben, auch in dieser Legislaturperiode; daran ist nicht wirklich etwas aktuell. Wir haben diese Frage hier im Hause wiederholt beraten. Zuletzt stand das Aufenthalts- und Asylrecht hier vor zwei Wochen auf der Tagesordnung. Verbesserungen im Ausländer- und Asylrecht sind allerdings immer wieder zu erwägen und zu prüfen. (Rüdiger Veit [SPD]: Und auch mal zu -machen!) Dabei darf es aber nicht einfach nur um die zunächst gefühlte gute Absicht gehen, Herr Kollege Veit. Es müssen auch die Folgen, die es für alle Beteiligten hat, berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang kann ich feststellen: Die FDP ist stolz auf die Erfolge in der Zuwanderungs- und Integrationspolitik, die sie in der Koalition gemeinsam mit der CDU/CSU erreicht hat. (Rüdiger Veit [SPD]: Sehr bescheiden!) Wir haben die Weichen für eine Kultur des Willkommens gestellt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir erschließen die Chancen der Zuwanderung für unser Land besser und stärken den Zusammenhalt unserer durch Zuwanderer bereicherten Gesellschaft. Das gilt gerade für die humanitäre Zuwanderung. Aber auch hier gilt: Fördern und Fordern gehören zusammen. (Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen die Flüchtlinge fördern?) Offenkundig passt das einigen aus dem Oppositionslager nicht. Wir haben in den vergangenen Tagen mehrfach gehört, wie sich die Oppositionsparteien einfach nur gegen das stellen, was die Koalition macht, unabhängig davon, ob die eigene Position kürzlich noch eine andere war. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt aber nicht zum Thema!) Wir aber halten Wort. Die christlich-liberale Koalition eröffnet Perspektiven für Menschen, die in unser Land kommen. Im Vergleich zu den Vorgängerregierungen schneidet diese Koalition auf diesem Politikfeld herausragend ab: (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach?) Wir haben den Einstieg in eine dauerhafte, bundesgesetzliche Bleiberegelung geschaffen. Erstmals wurde für minderjährige und heranwachsende geduldete Ausländer ein vom Aufenthaltsrecht der Eltern unabhängiges Bleiberecht in einem Bundesgesetz geschaffen. Das ist humanitäre Rechtssicherheit. (Beifall bei der FDP) Wir haben die aufenthaltsrechtlichen Übermittlungspflichten öffentlicher Stellen geändert, um den Schul- und Kindergartenbesuch von Kindern zu gewährleisten. Wir haben – jetzt hören Sie einmal zu! – die Residenzpflicht für Geduldete und Asylbewerber gelockert, (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Gelockert, aber nicht abgeschafft!) um ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung oder Ausbildung zu erleichtern. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gilt aber nur für einen kleinen Teil!) Wir haben die Stabilisierungszeit für Menschenhandelsopfer auf drei Monate verlängert und sind damit einem dringenden Petitum von Opferverbänden, aber auch der Polizei gefolgt. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr könnt ja nicht alles falsch machen!) Diese Koalition hat es ermöglicht, dass Abschiebehäftlinge auf ihren Wunsch hin von Nichtregierungsorganisationen besucht werden dürfen, und die Bedingungen für die Abschiebehaft signifikant verbessert. Wir haben erstmals, lieber Kollege Winkler, ein eigenständiges Wiederkehr- bzw. Rückkehrrecht für ausländische Opfer von Zwangsverheiratungen geschaffen und den eigenständigen Straftatbestand der Zwangsheirat eingeführt. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war vorher auch schon strafbar!) Das ist aktiver Opferschutz und ein klarer Appell, unsere freiheitliche Werteordnung zu achten. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Straftatbestand ist der gleiche geblieben: ein besonders schwerer Fall der Nötigung!) Nichts dergleichen hat seinerzeit die rot-grüne Koalition zustande gebracht. Die rot-grüne Regierung war geradezu inaktiv bei diesen Themen, (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch lächerlich!) obwohl die Probleme damals schon akut waren. Dass Sie jetzt noch mehr fordern, wirft ein sehr schräges Bild auf Ihre eigene Regierungszeit und die jetzige Lage. Die christlich-liberale Koalition hat Zuwanderung für Fachkräfte deutlich rationaler gestaltet und die Verfahren entbürokratisiert und vereinfacht. Das eröffnet auch Menschen ohne Anspruch auf Asyl eine legale Möglichkeit der Zuwanderung. Wir haben die Visawarndatei eingeführt. Wir erleichtern so für ein weltoffenes Indus-trieland wie Deutschland den unverzichtbaren internationalen Reiseverkehr und stärken zugleich die Sicherheit unseres Landes, und zwar ohne ausufernde Datenerfassung und unter Wahrung der Bürgerrechte. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU]) Wir haben, wie gesagt, die Residenzpflicht für Geduldete und Asylbewerber gelockert, um ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung oder Ausbildung zu erleichtern. Damit steigern wir die Chancen von jungen Migranten, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und sich in unserer Gesellschaft weiterzuentwickeln. Aktuell ist mir wichtig, zu betonen: Für mich als Liberalen ist das Demonstrationsrecht ein Ausfluss der freien Meinungsäußerung. Auch wenn ich ganz sicher nicht alle Anliegen unterstütze oder für tragbar halte, so bin ich doch der Meinung, dass Dialog immer möglich sein muss. Deshalb freue ich mich darüber, dass Staatsministerin Böhmer in der letzten Woche durch ihre Initiative ein deutliches Zeichen der Gesprächsbereitschaft gegeben hat. (Rüdiger Veit [SPD]: Das ist das erste Mal, dass er heute die Wahrheit sagt!) Zum demokratischen Dialog gehört aber auch der Re-spekt vor geltenden Gesetzen. Wer meint, sich nicht an das geltende Recht halten zu müssen, bei dem habe ich gewisse Zweifel, ob wirklich Interesse an einem Dialog existiert. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gilt auch für die Polizei! – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das gilt aber nicht für die Versammlungen!) Mit unseren bisherigen Gesetzesinitiativen wurden in ausgewogener Weise Maßnahmen zur Förderung der Integration und zur humanitären Besserstellung von Ausländern, die in Deutschland Hilfe und Schutz suchen, ergriffen. Wir fördern und fordern. So kommt Deutschland – und alle, die hier leben wollen – voran. Der Schlüssel für gesellschaftlichen Zusammenhalt ist erfolgreiche Integration. Diese Koalition stellt dafür die Weichen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Josef Winkler für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz einen wichtigen Satz geprägt: Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP) Herr Staatssekretär Schröder, daran hat sich das Handeln der Bundesregierung zu messen. Ich will Ihnen sagen: Es ist eine Verhöhnung der Flüchtlinge und eine Verhohnepiepelung des Parlamentes, wenn Sie hier das Zerrbild zeichnen, das deutsche Asylsystem sei das Paradies auf Erden; es fehlten nur noch die Dreigängemenüs. So geht das nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Wir haben ein Asylrecht, das aus meiner Sicht – ich bin katholisch – weder christlich noch besonders liberal ist. Die Residenzpflicht ist menschenrechtswidrig. Sie ist außerdem überflüssig und nicht sachgerecht. Deshalb muss man sie abschaffen. Das steht an; hier gebe ich Frau Staatsministerin Böhmer recht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben aber eine Bundesregierung, die hier mit gespaltener Zunge spricht. Ich will Frau Böhmer nicht kritisieren. Ich finde es wichtig, dass man im Laufe der Zeit Positionen überprüft und auch einmal korrigiert. Wo aber ist Bewegung bei der Unionsfraktion? Wo ist Bewegung bei den sogenannten Liberalen, Herr Wolff? Das, was Sie hier vorgetragen haben, war doch nicht liberal. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Was haben Sie denn gemacht? Nichts!) – Sie können sich an Rot-Grün abarbeiten; zwischendurch gab es aber auch eine Große Koalition. Im nächsten Jahr können Sie, wenn Sie dann noch im Parlament sein sollten, von der Oppositionsbank aus die neue rot-grüne Regierung kritisieren (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wir haben Fortschritte gemacht! Sie nicht!) und deren Positionen bewerten. (Zuruf von der CDU: Es wird alles besser -werden mit euch!) Jetzt aber geht es nicht um Rot-Grün. Jetzt geht es um die Rechtslage, die wir in Deutschland haben. Für meine Fraktion kann ich erklären: Die Abschaffung der Residenzpflicht, aber auch die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes sind nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sach- und zeitgerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es ist einfach unnötig, dass nur medizinische Notfallbehandlungen durchgeführt werden dürfen. Warum dürfen diese Leute keine dauerhafte Psychotherapie oder eine dauerhafte ärztliche Behandlung, sondern nur medizinische Notfallbehandlungen erhalten? Dies war vielleicht 1994, als es Hunderttausende von neuen Flüchtlingen gab, eine Frage, die man sich einfach aus Kapazitätsgründen stellen musste, aber doch heute nicht mehr. Das muss einfach nicht mehr sein. Warum wird die Hilfe in Bayern zum Beispiel nicht bar ausgezahlt, sondern in Form von Sachleistungen, die nicht immer sachgerecht sind? Das ist doch reine Schikane. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Geben Sie es doch zu: Sie wollen die Leute abschrecken und schikanieren. Deswegen wollen Sie die Residenzpflicht beibehalten. Nichts gegen Hintertupfing; aber deshalb wird man als Flüchtling in Bayern in die abgelegensten Orte verfrachtet und in verrotteten Kasernen untergebracht. Man wird mit vielen Personen in einem Zimmer untergebracht, und es gibt scheußliche sanitäre Einrichtungen. Sie zeichnen hier ein Bild vom Paradies auf Erden, das die Menschen aus aller Herren Länder nach Deutschland locken würde. Glauben Sie im Ernst, dass diese Menschen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gelesen haben und die Koffer gepackt haben, weil sie gesagt haben: „Oh, das Taschengeld wurde um 50 Euro erhöht; lasst uns nach Deutschland gehen“? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein; das ist doch absurd. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Einige Flüchtlinge sitzen hier oben auf der Tribüne. Wir hatten eben ein Gespräch im Menschenrechtsausschuss, an dem im Übrigen kein Mitglied der FDP-Fraktion teilgenommen hat, Herr Wolff – das nur zu Ihrem christlich-liberalen Menschenbild. (Beifall bei der LINKEN – Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Was soll das denn?) – Ich wollte das nur einmal sagen. – Auch wenn wir nicht jede Forderung teilen und jede Vorgehensweise für empfehlenswert halten, erklären wir uns solidarisch. Man muss sich einmal ausmalen, was Menschen in eine solche Verzweiflung treibt, dass sie in einen Hungerstreik treten. Das machen sie nicht aus Jux und Tollerei. Das tun sie, um auf die unzumutbare Lage von Menschen in unserem hochentwickelten und nicht so armen Land aufmerksam zu machen. Dafür bin ich ihnen dankbar. Auch das ist ein Grund dafür, warum meine Fraktion noch einmal einen Antrag zur Abschaffung der Residenzpflicht eingebracht hat. Somit können wir das Thema im Ausschuss weiter bearbeiten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Regierungskoalition hat ihre dafür Beauftragte im Bundeskanzleramt angesiedelt. Auf diese deutliche Aufwertung ist diese immer stolz. Es wäre schön, wenn diese Aufwertung praktische Konsequenzen hätte, indem zum Beispiel einer Empfehlung, über die Abschaffung der Residenzpflicht nachzudenken, ernsthaft gefolgt wird. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Reinhard Grindel hat nun für die Unionsfraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Reinhard Grindel (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Wawzyniak, Sie haben es für notwendig erachtet, die Vorrangregelung im Aufenthaltsrecht mit dem NPD-Slogan „Arbeitsplätze nur für Deutsche“ zu vergleichen. Sie wissen ganz genau, dass die Vorrangregelung für jeden in Deutschland gilt, der eine rechtmäßige Arbeitserlaubnis hat. Diese Vorrangregelung gilt zugunsten von EU-Bürgern, sie gilt für Angehörige von Drittstaaten, sie gilt für Bluecard-Inhaber. Was Sie gesagt haben, ist in der Sache falsch, und der Stil war, was den NPD-Vergleich angeht, unverschämt. Sie sollten das zurücknehmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Schaffen Sie die Vorrangregelung ab!) Das ist nicht zutreffend. Das ist eindeutig falsch. Diejenigen, die sich auskennen, wissen das. Sie haben heftig reagiert, als der Staatssekretär das Thema Asylmissbrauch angesprochen hat. Gestern hat sich die EU-Innenkommissarin, Frau Malmström, mit den Innen- und Justizministern der Westbalkanländer getroffen. Sie hat darauf hingewiesen, dass wir in der EU in diesem Jahr 73 Prozent mehr Asylanträge haben als im letzten Jahr. (Mechthild Rawert [SPD]: Absolute Zahlen, bitte! Absolute Zahlen!) Sie hat sich ausschließlich auf den Bereich Asylmissbrauch bezogen und diesen Hinweis verbunden mit der Androhung, auf die Visafreiheit, etwa für Serbien, zu verzichten. Ich bitte Sie, einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass das auch in der EU-Kommission so gesehen wird. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dadurch wird es ja nicht besser!) Wir müssen auch einen Blick auf das Umfeld werfen, in dem die Debatte stattfindet. Wir haben in Deutschland in diesem Jahr 60 000 Asylbewerber; das ist weit mehr als in den letzten Jahren. Sie brauchen für eine erfolgreiche Integrationspolitik auch die Aufnahmebereitschaft der heimischen Bevölkerung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich sage Ihnen: Wenn wir weiter eine ungesteuerte Zuwanderung haben – das ist das, wofür Sie hier plädieren –, dann versündigen wir uns an einer erfolgreichen Integrationspolitik. Das ist der Sachverhalt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Kornelia Möller [DIE LINKE]: Pfui! – Thomas Oppermann [SPD]: Sie sind doch in der Regierung! Sie tragen die Verantwortung! Mit dem Finger auf andere zeigen!) – Herr Oppermann, wenn man in Hintergrundgesprächen immer wieder deutlich macht, dass man Innenminister werden will, dann muss man sich mit der Sache schon ein bisschen vertraut machen. Ich will Ihnen den Sinn der Residenzpflicht erklären. Die Residenzpflicht ist keine Schikane; mit der Residenzpflicht wird vor allen Dingen das Ziel der Lastenteilung verfolgt. (Rüdiger Veit [SPD]: Lesen Sie unseren Antrag!) Ich will Ihnen eines offen sagen: Die Kommunen, die sich im Augenblick an den Bund wenden und sagen: „Wir bekommen das mit den Unterbringungsmöglichkeiten nicht mehr hin“, liegen vor allen Dingen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, und diese werden von Rot und Grün regiert. Wenn von Rot und Grün geführte Kommunen vor Ort, wo die Probleme groß sind, sagen: „Der Bund soll das lösen“, können SPD und Grüne auf Bundesebene doch nicht die Abschaffung der Residenzpflicht fordern; denn das würde für noch viel größere Unterbringungsprobleme sorgen. Das geht nun wirklich nicht. Diese Art von Doppelzüngigkeit ist nicht in Ordnung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch überhaupt nicht! – Mechthild Rawert [SPD]: Sie schüren Fremdenhass! Vorsicht!) Die Flüchtlinge haben auch kürzere Verfahren gefordert. Kurze Verfahren setzen voraus, dass der Flüchtling greifbar ist, wenn man Rückfragen hat. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sonntags? Feiertags?) Das ist einfach nicht möglich, wenn er sich im Grunde genommen anmelden kann, wo er will, und die Ausländerbehörde erst einmal ausfindig machen muss, wo er sich gerade aufhält. Kurze Verfahren und Aufhebung der Residenzpflicht – das lässt sich nicht miteinander vereinbaren. Natürlich hat die Residenzpflicht auch den Zweck – das hat der Staatssekretär zu Recht festgehalten –, dass diejenigen, die sich zu Unrecht auf das Asylrecht berufen, erfolgreich in ihre Heimatländer zurückgeführt werden können. Eine Politik nach dem Motto „Wer das Recht hat, in Deutschland zu leben, bleibt hier, und wer kein Recht hat, in Deutschland zu leben, bleibt auch hier“ wird die Bevölkerung nicht mitmachen. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer fordert das denn?) Das führt zu einem Klima, in dem erfolgreiche Integrationspolitik zum Scheitern verurteilt ist. So wird sie nicht gelingen. Ich kann Ihnen nur sagen: Voraussetzung für eine erfolgreiche Steuerung der Zuwanderung ist – das ist auch Voraussetzung für die Vermeidung eines solchen Missbrauchs des Asylrechts, wie wir ihn zurzeit erleben –, dass wir innerhalb der EU ein einheitliches rechtliches Verfahren zur Anerkennung von Asylbewerbern haben. Ferner müssen wir dahin kommen, dass das Niveau der sozialen Leistungen in etwa gleich ist. Insofern ist es richtig, dass sich die EU-Innenminister hinsichtlich der Möglichkeit, in Deutschland bzw. in der EU zu arbeiten, auf ein neunmonatiges Arbeitsverbot, nach dem man tätig werden kann, verständigt haben. Ich sage es noch einmal: Wir müssen angesichts von 60 000 Asylbewerbern, die in diesem Jahr nach Deutschland gekommen sind, darauf achten, dass es nicht zu weiteren Pull-Effekten kommt. Wir dürfen in der Tat keine Signale aussenden, dass es gerade jetzt großen Sinn macht, nach Deutschland zu kommen. Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen Schutz finden, die tatsächlich verfolgt werden, und diejenigen in ihrer Heimat ihr Glück machen können, die aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen. Das sind eine kluge Integrations- und auch eine kluge Entwicklungspolitik. Dazu bekennen wir uns. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Rüdiger Veit für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Rüdiger Veit (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Auch ein Willkommen an die Zuschauer! Ich war zunächst ganz froh, dass die Linkspartei für heute eine Aktuelle Stunde beantragt hat, um hier im Parlament über die Forderungen der Flüchtlinge auf dem Pariser Platz zu sprechen – Prinzip: kurze Wege. Ich teile allerdings nicht die Wortwahl und auch nicht jede Ihrer Forderungen, Frau Kollegin. Da ich gerade beim Loben bin, will ich auch sagen, dass ich Frau Staatsministerin Böhmer und Frau Senatorin Dilek Kolat ganz herzlich dankbar dafür bin, dass sie mit den Flüchtlingen die Probleme besprochen haben, dass sie die Forderungen entgegengenommen haben und dass sie erreicht haben, dass der Hungerstreik abgebrochen worden ist. Vielen Dank! (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich war heute Vormittag eigentlich noch relativ guten Mutes und habe in der Sitzung des Innenausschusses darum gebeten, die Beratung unseres SPD-Antrags zur Abschaffung der Residenzpflicht zu vertagen, weil ich der Hoffnung war – ich tue mich schwer, diese Hoffnung aufrechtzuerhalten –, dass sich auch bei Schwarz-Gelb etwas bewegt. Ich würde mir – auch im Sinne des Beitrags des Kollegen Winkler – wünschen, dem Gewicht von Frau Staatsministerin Böhmer würde Rechnung getragen und ihre Vorschläge würden in der schwarz-gelben Koalition Berücksichtigung finden. Aber diesen Optimismus habe ich nach den Redebeiträgen der Kollegen Wolff und Grindel verloren. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Man kann nicht alles haben!) Ich will mich den drei Forderungen zuwenden, die die Flüchtlinge im Einzelnen vorgetragen haben. Erstens: möglichst baldige Arbeitsaufnahme. Ich erinnere mich dunkel an einen Vorschlag des damaligen bayerischen Innenministers Günther Beckstein und unseres Innenministers Otto Schily, die gesagt haben: Klar, Asylbewerber und Geduldete sollen möglichst schon nach sechs Monaten arbeiten. – Das ist nicht überall auf Begeisterung gestoßen; aber eigentlich müsste dieser Vorschlag Ihnen auch aufgrund dieser personellen Allianz relativ nahe liegen. Mit diesem Vorschlag sollten Sie sich eigentlich nicht so schwertun. Zweitens: Residenzpflicht. Ich höre wieder und wieder, man müsse die Leute im Verfahren erreichen, sonst dauere es zu lange, und man müsse sie erreichen, wenn man sie abschieben will, sonst würde man sie nicht finden. Das ist doch alles praxisfern. Wenn ich, um die Lasten gleichmäßig zu verteilen – das wollen auch wir –, den Betreffenden einen Wohnort zuweise, an dem sie sich mit ihren Familien regulär aufhalten, kann ich ihnen dort auch ein behördliches Schriftstück zustellen. Wer sich nicht abschieben lassen will, auch nicht unter Anwendung unmittelbaren Zwanges, den treffe ich weder unter seiner gemeldeten Adresse an noch im Asylbewerberheim, der ist dann weg. Insofern ist das alles praxisfremd. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Dann kann man ja das Buch ganz zuklappen und gar nicht mehr abschieben!) Drittens: Asylbewerberleistungsgesetz. Ich darf Ihnen da vielleicht mit einigen persönlichen Erfahrungen dienen, die ich in meiner früheren Funktion gemacht habe. Ich will aber zuerst auf einen anderen Punkt in diesem Zusammenhang zu sprechen kommen. Ich finde es wirklich schlimm, dass Sie heute so diskutieren, als hätten wir Asylbewerber- und Spätaussiedlerzahlen der Jahre 1990, 1991 und 1992. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Damals sind in manchem Jahr fast 1 Million Menschen neu zu uns gekommen. Jetzt reden wir über ein Zwanzigstel dieser Zahl. Ich finde es geradezu absurd, wenn Kommunalpolitiker, (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das sind doch Ihre Genossen!) egal welcher Couleur – es mögen auch Parteifreunde von mir dabei sein –, sich hinstellen und sagen: Diese Belastung ist nicht verkraftbar. – Ich sage Ihnen: Selbstverständlich ist diese Belastung verkraftbar. Sie ist für unser Land, für die Gesellschaft und auch für die Kommunen problemlos verkraftbar; ich komme auf das Beispiel gleich noch einmal zurück. Ich finde das unerträglich und wirklich absurd. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Alexander Süßmair [DIE LINKE]) Ich war von 1985 bis 1998 Landrat in Gießen. Kollege Grindel weiß das; er hat sich dort schon einmal über mich erkundigt, wie ich neulich gehört habe. Unter anderem war ich für die Unterbringung von Flüchtlingen, Spätaussiedlern und Übersiedlern zuständig, wobei die Stadt Gießen als zentrale Aufnahmestelle des Landes Hessen und als Notaufnahmelager in besonderer Weise Fluchtpunkt gewesen ist. Ich darf Ihnen sagen: Ich hatte über all die Jahre hinweg auch konkret mit der Frage der Unterbringung und Versorgung dieser Zuwanderungsbewegung in der von mir schon geschilderten Größenordnung zu tun. Dank vernünftiger Politik und dank der Unterstützung durch die Zivilgesellschaft und aller Bürgermeister, egal welcher Couleur, haben wir das hinbekommen, übrigens ohne einen einzigen fremdenfeindlichen Anschlag. Ich will Ihnen eine weitere Erfahrung schildern. Als ich 1985 ins Amt kam, habe ich das Elend in den Gemeinschaftsunterkünften gesehen und sie sofort schließen lassen. Wir sind damals dazu übergegangen – rechnen Sie einmal nach, wie lange das schon her ist; es sind 27 Jahre –, die Leute, soweit noch nicht geschehen, in Häusern mit allenfalls 20, 30 Personen nur einer Ethnie oder zwei bis drei Familien unterzubringen. Jetzt kommt der entscheidende Punkt – vielleicht kann ich Sie wenigstens hier abholen –: Das Land Hessen hat bis Mitte der 90er-Jahre die Kosten für die Unterbringung und Betreuung von Asylbewerberinnen und -bewerbern vollständig erstattet, eins zu eins. Dann ist man zu einer Pauschalierung der Kosten übergegangen, pro Monat bzw. Tag und Person. Jetzt kommt etwas, das vielleicht auch Sie ein bisschen zu beeindrucken vermag: Durch diese Pauschalierung hat die Kasse meines Kreises damals in einer Größenordnung von etwas mehr als 1 Million D-Mark profitiert. Unsere Verwaltungspraxis war nämlich nicht nur humaner und einfacher, sondern obendrein billiger. Ich kann nur an alle appellieren, die es nicht nur mit den betroffenen Menschen gut meinen – mehrheitlich tun wir das hoffentlich, übrigens auch außerhalb der Koalition –, sondern auch die finanzielle Situation der Gemeinden im Blick haben, von der bisherigen Praxis des Asylbewerberleistungsgesetzes Abstand zu nehmen, die Menschen menschenwürdig unterzubringen und auf diese Art und Weise sogar Kosten zu sparen und alte Zöpfe wie die genannten Gesetze abzuschneiden. Das ist nach wie vor mein dringender Appell an Sie. Danke sehr. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Pascal Kober für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Pascal Kober (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Recht auf Asyl ist kein sozialpolitisches Beiwerk, sondern ein Grundrecht, dem wir uns alle in diesem Hause, wie ich glaube, verpflichtet fühlen. Wir sollten uns dies gegenseitig nicht absprechen. Lieber Kollege Josef Winkler, Sie haben die Regierungskoalition eindrücklich kritisiert. Ich habe einmal nachgeschaut: Sie sind bereits seit 2002 Mitglied dieses Hauses. Sie müssen sich schon fragen lassen, was von all dem, was Sie jetzt von unserer Regierung fordern und einklagen, Sie damals bereit und in der Lage waren mit Ihrem Koalitionspartner SPD umzusetzen. Sie, Herr Ströbele – Sie haben sich an der Debatte ja vor allem durch Zwischenrufe beteiligt –, waren 2002, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und für die Rechtspolitik Ihrer Fraktion zuständig. Auch Sie müssen sich fragen lassen, was Sie damals getan haben. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Zuwanderungsgesetz ist doch nicht unseretwegen im Vermittlungsausschuss gelandet!) Diese Regierung hat konkrete Verbesserungen für Migranten und im Hinblick auf eine offene Gesellschaft in Deutschland auf den Weg gebracht; das hat der Kollege Hartfrid Wolff bereits angesprochen. Auch was die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angeht, ist diese Regierung nicht untätig gewesen. Bundesministerin Ursula von der Leyen hat verschiedene Runde Tische eingerichtet, um zusammen mit den Ländern und im Dialog mit den Ländern eine gemeinsame Linie zu finden. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Richtig!) Ich kann mich nicht erinnern, dass die grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg oder die rot-grüne Landesregierung eines anderen Bundeslandes hier aufs Tempo gedrückt hätten; das ist nicht richtig. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sagen Sie doch mal etwas zu den Forderungen der Flüchtlinge!) Sie sollten anerkennen, dass dies ein schwieriges Feld ist, wir gemeinsam Lösungen finden müssen – insbesondere natürlich die Regierungskoalition; es sind allerdings noch Gespräche notwendig – und die Dinge ihre Zeit brauchen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das Bundesverfassungsgericht hat sein Urteil gesprochen. Wir werden das Verfahren entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts beschleunigen. In Kürze wird die Bundesregierung zusammen mit den Koalitionsfraktionen einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen, mit dem die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes deutlich und spürbar verbessert werden. Für die FDP ist klar: Wir werden mit unserem Koalitionspartner auch darüber diskutieren, wie die Regelungen zur Arbeitserlaubnis für Asylbewerber und Asylsuchende in unserem Land verbessert werden können. Auf EU-Arbeitsebene ist bereits ein Zeitraum von neun Monaten vereinbart worden. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es!) Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass sich Staatsministerin Böhmer dahin gehend geäußert hat, dass sie sich einen kürzeren Zeitraum vorstellen könnte. Das ist auch die Auffassung der FDP. Wir werden hier gemeinsam eine Lösung finden und sie diesem Hause rechtzeitig vorlegen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann?) Wenn wir über Asylsuchende und Flüchtlinge sprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf man nicht vergessen, dass das eigentliche Ziel ist, dass kein Mensch auf dieser Welt sein Heimatland verlassen und woanders Asyl beantragen muss. Es ist immer nur die zweitbeste Lösung, wenn jemand Asyl suchen muss. Auch in diesem Bereich ist die Bundesregierung mit deutlichen Verbesserungen vorangegangen: Wir haben mit Dirk Niebel – ich sehe im Plenum auch den Kollegen Hartwig Fischer – (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Gute Leute!) Entscheidendes zur Verbesserung der Entwicklungszusammenarbeit beigetragen. Beispielsweise – das wird gerade aktuell diskutiert – haben das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine Verantwortung für die Verbesserung der Lebenssituation von Sinti und Roma auf dem westlichen Balkan übernommen. (Mechthild Rawert [SPD]: Was tut die Bundes-regierung denn für Roma und Sinti?) Auch im Nahen Osten – um eine weitere schwierige Region zu nennen – ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aktiv geworden. Wir fördern die wirtschaftliche Entwicklung in der Region. Mit 52 Millionen Euro werden gezielt kleine und mittlere Unternehmen gefördert. Mit weiteren Millionen fördern wir die Ausbildung junger Menschen. Mit weiteren Millionen fördern wir die Demokratie in diesen Ländern. Das alles sind Maßnahmen, die man, wenn man über Flucht und Asyl und Migration redet, nicht vergessen darf. Die Bundesrepublik Deutschland nimmt ihre Verantwortung wahr, hier im Land wie weltweit. Das sollte anerkannt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Ulla Jelpke (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Es freut mich ganz besonders, dass es uns gelungen ist, dass Flüchtlinge dieser Debatte beiwohnen können. – Ich begrüße Sie ganz herzlich. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, als damals der Asylkompromiss diskutiert wurde, gab es nicht wenige Politiker, die ganz offen gesagt haben: Wir brauchen Gesetze, damit Flüchtlinge davon abgeschreckt werden, nach Deutschland zu kommen. – Man muss ganz klar sagen, dass der Asylkompromiss, angefangen in dem Moment, wo Flüchtlinge deutschen Boden betreten, viele Punkte beinhaltet, die reine Schikane sind. Damit muss endlich Schluss sein. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ein Beispiel ist die Unterbringung in Sammellagern. Die Sammellager sind häufig dort angesiedelt, wo kein Mensch hinkommt, wo kein Mensch wohnt. Man kann auch sagen: Sie sind ein leichtes Ziel für rassistische Angriffe und Attacken; so etwas hat ja stattgefunden. Erst vor einer Woche ist in Bayern, in Wörth, ein Asylheim an vier Stellen angezündet worden. Zum Glück ist niemandem etwas passiert. Ich meine, wir sollten alles tun, damit solche Dinge wie Anfang der 90er-Jahre – brennende Asylheime, Anschläge auf Migranten – nicht wieder passieren. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ein weiteres Beispiel ist die Residenzpflicht. Herr Grindel, Sie haben lang ausgeführt, dass die Residenzpflicht unbedingt nötig ist. Ich frage Sie: Warum ist Deutschland das einzige Land in der EU, in dem es eine Residenzpflicht gibt? Es gibt eine Meldepflicht, die Flüchtlinge sind erreichbar. Eine Residenzpflicht ist völlig überflüssig. Dass wir nach Jahrzehnten immer noch eine Residenzpflicht haben, ist reine Schikane. Ich halte das für einen Skandal. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Bei der Debatte, die ich heute verfolgt habe, konnte ich meinen Augen und Ohren nicht trauen. Vielleicht sollte der Innenausschuss hin und wieder öffentlich tagen, damit die Öffentlichkeit mitbekommt, was dort diskutiert wird. Die Bundesregierung musste per Gerichtsbeschluss dazu gebracht werden, Flüchtlingen zum ersten Mal seit zwanzig Jahren ein paar Euro mehr zukommen zu lassen. Freiwillig haben Sie bisher nichts getan. Sie drücken sich um klare Ansagen, wie es mit dem Asylbewerberleistungsgesetz weitergehen soll. Dieses Gesetz gehört längst abgeschafft; denn es ist ein einziges Ausgrenzungsgesetz. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zum Arbeitsverbot haben hier schon viele Kolleginnen und Kollegen etwas gesagt. Auch das ist ein riesiger Skandal. Es geht hier ja zum einen um Asylsuchende, vor allen Dingen geht es aber auch darum, dass auf der einen Seite seit Jahren gefordert wird, sie sollen sich integrieren, während ihnen auf der anderen Seite alle möglichen Verbote auferlegt werden. Wie soll das eigentlich gehen? Ich will ganz deutlich sagen: Rechtsstaatliche Mindeststandards werden an zahlreichen Stellen durchlöchert. Einstweiliger Rechtsschutz gegen behördliche Maßnahmen – übrigens ein wichtiger Schutz vor Behördenwillkür – gilt für Asylsuchende auf vielen Stufen des Verfahrens nicht. Das muss geändert werden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Diese Schikanen – das muss hier auch ganz deutlich gesagt werden – zermürben die Menschen. Die Evangelische Kirche in Deutschland sagt heute zum Beispiel ganz klar – ich kann das hier nicht lang zitieren, weil ich nicht so viel Zeit habe –: „Das Leben in Sammelunterkünften macht psychisch und physisch krank“, und fordert ebenfalls die Abschaffung, weil es genügend Wohnraum gibt, in dem man Flüchtlinge unterbringen könnte. Viele Betroffene empfinden das übrigens wie einen Gefängnisaufenthalt, der sie an ihre Herkunftsstaaten erinnert. Einige von ihnen verlieren angesichts dieser -Lebensumstände ihren Lebensmut. Dass es einen Selbstmord eines Iraners gegeben hat, Mohammad R., hat übrigens die protestierenden Flüchtlinge dazu bewogen, diesen Protestmarsch durchzuführen. Dieser Selbstmord war der Auslöser für diese Proteste und leider auch das Ergebnis dieser bürokratischen deutschen Asylpolitik. Das muss man hier ganz deutlich feststellen. (Kornelia Möller [DIE LINKE]: In Würzburg, in Bayern!) Die Umsetzung des sogenannten Asylkompromisses erfolgte damals in einem bemerkenswerten Klima. Herr Grindel, Sprüche wie der von Herrn Stoiber, dass eine durchmischte und durchrasste Gesellschaft zu befürchten ist, Sätze wie der von Ihren Kollegen hier im Bundestag, wie zum Beispiel Norbert Geis: „Die Deutschen haben ein Recht auf Widerstand gegen die Überfremdung“, Ausdrücke auf Plakaten wie auf denen der CDU: „Asylmissbrauch beenden“, usw. waren damals auch die Stichworte für die Brandlegungen von Nazis und von Rassisten in Asylheimen. Das muss man ganz deutlich sagen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Gewagte These!) Anlässlich der Erinnerung an die Rostocker Pogrome vor 20 Jahren ist gerade jetzt noch einmal daran erinnert worden. Auch von vielen Ihrer Kollegen wurden schöne Worte gefunden. Man hat aber nicht wirklich Konsequenzen daraus gezogen. Jetzt hören wir im Grunde genommen ähnliche Sprüche wieder. Vom Bundesinnenministerium hören wir: „Alle wollen in unser Sozialsystem hinein und daran partizipieren; es wird Asylmissbrauch betrieben“ usw., anstatt die Verfolgungssituation von Roma und Sinti tatsächlich zu begreifen und in den Ländern zu helfen, die Situation dort zu verändern. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Tun wir doch!) Die Flüchtlinge kommen nicht hierher, weil sie unbedingt in Deutschland leben wollen, sondern weil sie wirklich Probleme haben. Sie sind zwar in der Tat auch Armutsflüchtlinge, haben aber auch einen Anspruch auf ein Asylverfahren. So ist es in unserem Land vorgeschrieben. Deswegen fordere ich Sie auf: Hören Sie auf, diese Ängste in der Bevölkerung mit solchen Parolen zu schüren! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich war in der letzten Woche in Nordrhein-Westfalen und bin dort durch Asylunterkünfte gegangen. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wer regiert denn da, wo Sie da waren?) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Jelpke, es tut mir leid, aber achten Sie bitte auf das Signal. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Ich komme gleich zum Schluss. – Dort habe ich festgestellt, dass die Bevölkerung durch solche Parolen verängstigt wird. Es werden dann Bürgerinitiativen gegen die Flüchtlinge initiiert. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wer macht es denn? Die Bürgermeister!) Das ist der Anfang vom Ende. Wir sollten auf jeden Fall darauf achten, dass wir nicht wieder eine neue Stimmung wie in den 90ern kriegen, als Asylheime brannten und Migranten angegriffen wurden. Das wissen Sie auch ganz genau, Herr Grindel. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Unionsfraktion hat der Kollege Michael Frieser das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Michael Frieser (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich bitte dringend darum, dass man auch in dieser Debatte rhetorisch etwas abrüstet und nicht so martialisch spricht, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) und bin sehr dankbar dafür, dass ich hier an der Tafel nicht das Wort „Sondergesetze“ lesen muss, wie es im ursprünglichen Antrag der Linken gelautet hat. Sie beschwören hier ein Bild herauf, das meines Erachtens genau dieser Panikmache und Angst Vorschub leistet. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Die Realität!) Ich glaube, dass es entscheidend ist, dass wir zu den eigentlichen Wurzeln zurückkehren. Wir haben an dieser Stelle die Pflicht, das Problem realistisch zu betrachten. (Beifall bei der CDU/CSU) Niemand will humanitäres Elend, will humanitäre Notlage herunterreden. (Beifall bei der CDU/CSU) Die entscheidende Frage ist, ob wir hier an der richtigen Stelle und mit den richtigen Werkzeugen arbeiten. Es tut mir leid, aber notwendig ist das pädagogische Prinzip der Wiederholung. Ansonsten gerät es zu sehr aus dem Blick. Diese Regierung und diese Koalition haben dafür gesorgt, dass genau das im Rahmen eines rechtsstaatlichen Asylkompromisses sichergestellt ist. Herr Veit, der Rechtsstaat ist kein alter Zopf. Menschen kommen hierher, weil sie sich auf diesen Rechtsstaat verlassen wollen und weil es im Normalfall in diesem Rechtsstaat besser funktioniert als an anderer Stelle. 2011 haben wir dafür gesorgt, dass aus Gründen von Beschäftigung, von Schule, von Ausbildung und Studium tatsächlich auch die sogenannte und viel geschmähte Residenzpflicht angegangen und aufgehoben und an dieser Stelle eine Ausnahme gemacht werden kann. Deshalb muss ich, gerade was die Residenzpflicht anbetrifft, noch einmal deutlich sagen: Natürlich kann man sich auf der einen Seite, gerade in Deutschland, nicht immer darauf berufen, dass es sich um einen föderalen Staat handelt, und auf der anderen Seite, wenn es um die Verteilung der Lasten auf die einzelnen Bundesländer geht, sagen: An dieser Stelle interessiert uns das nicht. – Entweder gilt das eine oder das andere. (Beifall bei der CDU/CSU – Rüdiger Veit [SPD]: Stimmt doch gar nicht!) Ich will auch die Situation von Asylheimen nicht he-runterreden. Es gibt ernste Situationen, keine Frage. Es gibt absolut auch Nachbesserungsbedarf, keine Frage. Herr Winkler, nichts für ungut. Aber jedes Asylbewerberheim in Bayern als ein Dreckloch zu bezeichnen, das geht nicht nur zu weit, sondern das sollten Sie definitiv zurücknehmen. Das ist der Lage nicht angemessen. (Kornelia Möller [DIE LINKE]: Ich kenne die! – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt viele!) Asylbewerberheime sind Unterkünfte und Unterbringungsformen, die nicht auf Dauer angelegt sind. Das ist ihr Zweck, das ist der Sinn des Ganzen; denn wir müssen davon ausgehen, dass das Asylverfahren ohne Probleme durchgeführt werden kann. Deshalb noch einmal das Entscheidende: Die Residenzpflicht hat den Sinn, die Erreichbarkeit der Adressaten, die Erreichbarkeit derer, die sich in einem Antragsverfahren befinden, zu erhöhen. (Rüdiger Veit [SPD]: Das geht auch anders, habe ich gerade erklärt! – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Schon einmal gehört, dass es Handys gibt?) – Frau Wawzyniak, zu Ihnen komme ich noch. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: -Besser nicht!) Im Ergebnis geht es darum: Man kann sich doch nicht über die Länge eines Verfahrens mokieren und dann denjenigen, der das Ziel dieses Verfahrens ist, durch das gesamte Bundesgebiet ziehen lassen. Das widerspricht sich definitiv. Denn das Einzige, was wirklich humanitär ist, ist eine Verkürzung des Verfahrens. Das Einzige, was wirklich humanitär ist, ist, Menschen eine Perspektive zu geben, wenn klar ist, dass sie am Ende dieses Verfahrens nicht in diesem Land werden bleiben können. Das ist humanitärer, das ist menschenrechtlicher Einsatz. Alles andere geht daneben. (Beifall bei der CDU/CSU) In Anbetracht der Zahlen, die auf uns zukommen, geht es überhaupt nicht um Panikmache, sondern es geht um Praktikabilität und auch darum, dass sich die wirklich stöhnenden Kommunen organisatorisch darauf vorbereiten müssen. Deshalb kann ich auch an dieser Stelle nur sagen: Es geht darum – ich hoffe, dass Sie das wirklich nicht so gemeint haben –: Natürlich schauen die Länder und diese Welt auf uns, um zu sehen, was wir gerade beim Thema Asylverfahren machen. Nicht jeder Einzelne packt seinen Rucksack wegen 50 Euro. Aber wollen Sie allen Ernstes das Geschäft der Schleuser- und Schlepperbanden betreiben, die genau darauf warten und schauen, was in diesem Land zum Thema Asylverfahren passiert? (Mechthild Rawert [SPD]: Das ist eine -bodenlose Frechheit!) Sie kennen die gesamten Diskussionen, Sie kennen auch die Zahlen der Zuwanderung aus Serbien und Mazedonien, die wir im Augenblick haben. Sie kennen auch die Zahlen über die Asylbewerberverfahren und wissen, dass 99 Prozent keinerlei Aussicht auf Erfolg haben. In diesem Zusammenhang den Innenminister als Verfassungsfeind zu bezeichnen, halte ich für absolut haltlos und muss ich in aller Deutlichkeit zurückweisen. (Beifall bei der CDU/CSU – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ist er! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Würde des Menschen, Artikel 1!) Im Ergebnis läuft es darauf hinaus, dass derjenige, der das Asylrecht in diesem Land wirklich ernst nehmen will, auch derjenige ist, der Integrationspolitik in diesem Land als Grundlage überhaupt erst möglich macht. Ich will das nicht herunterreden, aber entscheidend ist doch, dass diejenigen, die sich aus Flucht vor wirtschaftlicher Problemlage auf den Weg machen, deutlich von denjenigen unterschieden werden müssen, die Asyl suchen, weil sie tatsächlich eine Bedrohung von Leben und Leib zu befürchten haben. Nur wer diese beiden Gruppen unterscheidet, ist in der Lage, Integrationspolitik erfolgreich und praktikabel zu organisieren, sodass wir zu einem gedeihlichen Miteinander kommen. Wer das nicht tut, wird keiner der beiden Gruppen in irgendeiner Art und Weise gerecht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Angelika Krüger-Leißner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Angelika Krüger-Leißner (SPD): Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bilder sagen mehr als Worte. Die derzeitigen Bilder von den Menschen vor dem Brandenburger Tor sprechen schon Bände. Meine Kollegin Kolbe hat berichtet, wie dort Asylbewerber seit Tagen ausharren, um mit ihrer Aktion gegen die restriktive Asylpolitik in unserem Land zu protestieren. Vorschläge für eine menschliche Asylpolitik liegen schon seit vielen Jahren auf dem Tisch, ganz konkret die Anträge der Oppositionsfraktionen aus dem Jahre 2010. Aber die Bundesregierung bewegt sich nicht. Dabei ist ganz offensichtlich, dass das deutsche Asylrecht mit seinen Erschwernissen, seinen Einschränkungen, seinen Sanktionen weit hinter der Zeit zurück ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Restriktionen wie die eingeschränkte Bewegungsfreiheit lassen jedwede Menschlichkeit vermissen. In einer so fortschrittlichen Demokratie wie unserer, in einem so stark ausgeprägten Sozialstaat ist das für mich ein unhaltbarer Zustand. Noch schlimmer ist, dass das Bundesverfassungsgericht dieser Regierung am 18. Juli dieses Jahres bescheinigen musste, dass die Höhe der gewährten Leistungen für Asylbewerber und Flüchtlinge verfassungswidrig ist. Sie wurde aufgefordert, unverzüglich zu handeln. Bis heute ist aber nichts passiert. Von Ihnen kamen nur Ankündigungen, Herr Kober. Ich bin gespannt, wann Sie sie einlösen. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht schon Anfang 2010 in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Neuregelung der Regelsätze für den Bereich SGB II auch Auswirkungen auf die Leistungen der Asylbewerber und Flüchtlinge haben wird. Das heißt, Sie auf der Regierungsbank haben mindestens zwei Jahre geschlafen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wider besseres Wissen!) Ich begrüße in diesem Zusammenhang übrigens die Initiative des Bundesrates, der mit Brandenburg an der Spitze und Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein einfach sagt: Weg mit dem Asylbewerberleistungsgesetz! In unserem Antrag „Mehr Bewegungsfreiheit für Asylsuchende und Geduldete“, den wir hier im letzten Jahr eingebracht haben, wird die Bundesregierung aufgefordert, endlich tätig zu werden. Wir wollen die räumliche Beschränkung für Asylbewerber, die Residenzpflicht, abschaffen. Wir wollen eine einheitliche gesetzliche Neuregelung zugunsten der Asylsuchenden und Geduldeten in unserem Land. Bisher ist die Aufenthaltsgestattung bei Asylbewerbern auf den Landkreis bzw. die Stadt bezogen. Das führt bei vielen Betroffenen zu einer starken Einschränkung der Bewegungsfreiheit und oft auch zu sozialer Isolation. Das kann doch nicht länger gewollt sein. Die Bundesländer sind in dieser Beziehung – Gott sei Dank, muss man sagen – bereits aktiv geworden. In starkem Kontrast zu Ihrer Untätigkeit stehen nämlich mehrere Länderinitiativen zur Lockerung der Residenzpflicht. Berlin und Brandenburg haben das übrigens schon gemacht. Sie haben über Verordnungen geregelt, dass sich Asylbewerber sowohl in dem einen als auch in dem jeweils anderen Land bewegen können. Dennoch gibt es in der Praxis aufgrund der oft sehr bürokratischen und komplizierten Einzelregelungen Einschränkungen. Wir wollen Bewegungsfreiheit unabhängig vom Ermessen einzelner Behörden. Wir wollen Bewegungsfreiheit ohne Gebühren und ohne strafrechtliche Sanktionen. Die Residenzpflicht, über die wir heute debattieren, gibt es innerhalb Europas bemerkenswerterweise nur noch in Deutschland. Dieses Relikt aus dem Jahre 1982 findet sich in keinem anderen europäischen Land. Wir haben eine ganz strikte Bewegungsbeschränkung, wie es sie in keinem anderen Land gibt. Vor diesem Hintergrund empfinde ich die Haltung des Innenministeriums als sehr beschämend. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie, Herr Dr. Schröder, haben das zum Ausdruck gebracht: Sie halten an der Residenzpflicht fest, um damit, wie Sie sagen, eine gleichmäßige Verteilung der mit der Aufnahme von Asylbewerbern verbundenen Belastungen auf die Länder und Kommunen zu erreichen. Sie wollen damit sicherstellen, dass die Asylbewerber stets erreichbar sind. Lieber Herr Kollege Grindel, Sie haben das wiederholt, und auch der Kollege Frieser hat das gesagt. Um das, was Sie wollen, sicherzustellen, reicht eine Wohnortpflicht völlig aus. Das steht so in unserem Antrag. Der Staat sollte weiterhin den Wohnort festlegen. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Vielleicht fragen Sie einmal ein paar SPD-Kommunen!) Ansonsten wird es zu einer deutlichen Mehrbelastung in den Ballungsräumen und den Metropolen in unserem Land kommen. Das wollen wir nicht. (Michael Frieser [CDU/CSU]: Wie machen Sie es dann?) Abschließend möchte ich auf die Demonstranten am Brandenburger Tor zurückkommen. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Krüger-Leißner, tun Sie das bitte mit Ihrem letzten Satz. Angelika Krüger-Leißner (SPD): Ja. – Vielleicht geben diese Demonstranten Ihnen den Anstoß, sich zu bewegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie diese Aktuelle Stunde zum Anlass, um zu handeln! Ihre Ignoranz gegenüber notwendigen Änderungen der Asylgesetze ist unerträglich. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Folgen Sie unseren Vorschlägen! Das wäre ein erster Schritt hin zu einer humaneren Asylbewerber- und Flüchtlingspolitik. Wie gesagt, ein erster Schritt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Tauber für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Peter Tauber (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass es wichtig ist, noch einmal deutlich zu machen, dass wir alle hier in diesem Hohen Hause der Meinung sind, dass das Grundrecht auf Asyl eines der wesentlichen Grundrechte des Grundgesetzes ist. Natürlich sollen sich auch in Zukunft Menschen, die aus rassischen, religiösen oder politischen Gründen verfolgt werden, in Deutschland auf das Asylrecht berufen können. Meine Damen und Herren, Sie werden aber nicht umhinkommen, zuzugeben, dass es immer wieder Menschen gibt, die sich zu Unrecht auf das Recht auf Asyl berufen. Mich stört an der bisherigen Debatte auch, dass manche Redner der Opposition den Eindruck erwecken, dass die Situation in Deutschland für Flüchtlinge und Asyl-bewerber fast schlimmer sei als die in ihren Heimat-ländern. Das können wir so nicht stehen lassen. Lieber Herr Kollege Winkler, wenn Sie solche Fälle, die Sie -beschrieben haben, in den Kommunen kennen, dass Flüchtlinge und Asylbewerber unter unzumutbaren Bedingungen hausen, dann sollten Sie sie benennen und vor Ort Druck auf Landräte und Bürgermeister ausüben. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich in der Zeitung gelesen!) Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es viele Bürgermeister und Landräte gibt, die sich dieser Aufgabe vorbildlich annehmen und sich große Mühe geben, menschenwürdige Rahmenbedingungen für Flüchtlinge in Deutschland zu schaffen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Mir gefällt an dieser Debatte nicht, dass Sie erneut ein Schwarz-Weiß-Bild malen, das der Wirklichkeit nicht gerecht wird. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss auch auf Missstände hinweisen dürfen!) Mein Landkreis wird von einem sozialdemokratischen Landrat geführt. Er macht das gut. Ein Nachbarlandkreis, ebenfalls von einem Sozialdemokraten geführt, steht in Hessen in dem Ruf, auf eine Art und Weise zu agieren, die von allen Flüchtlingsorganisationen auf das Heftigste kritisiert wird. Es kommt also auf die Situation vor Ort an. Sie hat oft nichts mit dem Parteibuch zu tun. Man muss sich die Situation und die Rahmenbedingungen vor Ort anschauen. Wenn etwas nicht in Ordnung ist, kann man es benennen. Es geht aber nicht, hier ein Zerrbild von der Wirklichkeit zu zeichnen und am Ende den Eindruck zu erwecken, dass es Flüchtlingen in ihren Heimatländern vielleicht besser gehen würde als hier in Deutschland. Das kann man so nicht stehen lassen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Genauso wenig kann man den von Ihnen erweckten Eindruck stehen lassen, dass das Sachleistungsprinzip und die Residenzpflicht menschenrechtswidrig seien. Beides ist vom Verfassungsgericht in seinem Urteil nicht infrage gestellt worden; das darf man nicht vergessen. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben sich gar nicht dazu geäußert! – Rüdiger Veit [SPD]: Überflüssig ist es jedenfalls!) Warum ist das Sachleistungsprinzip damals eingeführt worden? Es wurde eingeführt, weil man festgestellt hat, dass die Auszahlungen in bar bei vielen Familien, die nach Deutschland kamen, nicht ankamen, weil das Geld an die Schlepperbanden ging. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das war nie die Idee!) Dieses Prinzip ist also nicht als Repressionsinstrument gegenüber den Flüchtlingen gedacht, sondern dient dazu, den Schlepperbanden das Handwerk zu legen. Diese Seite der Medaille blenden Sie völlig aus. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dasselbe gilt für die Residenzpflicht. Natürlich mag sie im Einzelfall unangenehm sein. Aber wir verlangen im SGB II auch von deutschen Sozialhilfeempfängern, erreichbar zu sein (Rüdiger Veit [SPD]: Das bestreitet nie-mand! – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sollen ja nicht unter-tauchen!) und sich jederzeit zum Beispiel bei Behörden zu melden. Auch hier gilt: Lassen Sie uns den Einzelfall betrachten. Dort, wo man die Residenzpflicht lockern oder abschaffen kann, kann man das tun; das machen auch einzelne Länder. (Rüdiger Veit [SPD]: Zehn, auch Nieder-sachsen übrigens!) Aber dort, wo diese Pflicht – auch aus verwaltungstechnischen Gründen – sinnvoll ist, sollte man daran festhalten. Jetzt habe ich mir, weil ich diesem Hohen Hause erst seit 2009 angehöre, mich aber schon 1991, 1992 und 1993 kommunalpolitisch engagiert habe – das war der Höhepunkt der Asyldebatte in Deutschland –, die Mühe gemacht, mir anzuschauen, was hier in diesem Hohen Hause damals diskutiert worden ist. Ich habe drei Zitate mitgebracht – die möchte ich Ihnen gerne vorlesen –, die ich mir – das sage vorab – nicht in jeder Formulierung zu eigen machen möchte, die ich aber bedenkenswert finde, weil sie ein schönes Schlaglicht auf die Debatte heute werfen. Als Erstes zitiere ich die damalige Bundesministerin Hannelore Rönsch. Sie hat damals gesagt: Ich habe großes Verständnis dafür, daß Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland einen Ausweg aus der Armut zu Hause suchen. Sie versprechen sich bei uns im Land ein Leben ohne den täglichen materiellen Überlebenskampf. Wir alle müssen Verständnis dafür haben. … Wir können die Armutsprobleme dieser Welt nicht allein bei uns in der Bundesrepublik Deutschland lösen. Ich denke, daß es wichtiger ist, daß wir die Anstrengungen verstärken, damit diese Menschen in ihren Heimatländern unter guten Bedingungen leben können. Das zweite Zitat ist von dem Kollegen Wiefelspütz, Sozialdemokrat. Er hat damals in der Debatte gesagt – dies würde ich auf jeden Fall so nicht formulieren wollen, weder damals noch heute, (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann lassen Sie es doch!) aber es ist ganz spannend, es noch einmal zu hören –: Das Problem ist die ungesteuerte, gegenwärtig zu massive Einwanderung nach Deutschland. Es ist nicht nur das Recht der Politik, es ist die Pflicht der Politik, die Zuwanderung nach Deutschland zu -reduzieren, sie steuerbar zu machen und dabei die – durchaus beachtliche – Aufnahme- und Integra-tionskraft der deutschen Gesellschaft nicht zu überschätzen. Das hat ein Kollege aus Ihrer Fraktion gesagt. Den schönsten Satz stelle ich an den Schluss der Debatte. Auch der ist von einem Sozialdemokraten, und den unterschreibe ich voll und ganz. Der Kollege -Wartenberg hat damals in der Debatte gesagt: Die Asyldiskussion in der Bundesrepublik Deutschland ist traditionell schrill. Moralische Grundposi-tionen, pragmatisches Handeln, Übertreibung und Demagogie stehen häufig unvermittelt nebeneinander. Die schrillen Auseinandersetzungen sind häufig genug nicht nur auf der Ebene der Politik zu finden, sondern auch in der veröffentlichten Meinung. Diese Form der Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland hat häufig genug den Blick für die Realitäten verstellt. Genau diesen Blick brauchen wir aber, damit wir den Ansprüchen von Asylbewerbern und Flüchtlingen gerecht werden. Deswegen: Rüsten Sie ein bisschen ab, lassen Sie die Hysterie in der Diskussion, und dann kommen wir auch zu guten Lösungen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 8. November 2012, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 16.57 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Hier Anlagen einfügen!!!!!!!! Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Altmaier, Peter CDU/CSU 07.11.2012 Bartol, Sören SPD 07.11.2012 Becker, Dirk SPD 07.11.2012 Behm, Cornelia BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 07.11.2012 Bülow, Marco SPD 07.11.2012 Daub, Helga FDP 07.11.2012** Dittrich, Heidrun DIE LINKE 07.11.2012 Dobrindt, Alexander CDU/CSU 07.11.2012 Dörflinger, Thomas CDU/CSU 07.11.2012 Freitag, Dagmar SPD 07.11.2012 Funk, Alexander CDU/CSU 07.11.2012 Gabriel, Sigmar SPD 07.11.2012 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 07.11.2012 Griese, Kerstin SPD 07.11.2012 Gröhe, Hermann CDU/CSU 07.11.2012 Humme, Christel SPD 07.11.2012 Hunko, Andrej DIE LINKE 07.11.2012* Dr. Jochimsen, Lukrezia DIE LINKE 07.11.2012 Kammer, Hans-Werner CDU/CSU 07.11.2012 Kampeter, Steffen CDU/CSU 07.11.2012 Klimke, Jürgen CDU/CSU 07.11.2012** Koschyk, Hartmut CDU/CSU 07.11.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 07.11.2012 Laurischk, Sibylle FDP 07.11.2012 Dr. Lauterbach, Karl SPD 07.11.2012 Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine FDP 07.11.2012 Meinhardt, Patrick FDP 07.11.2012 Nahles, Andrea SPD 07.11.2012 Nietan, Dietmar SPD 07.11.2012 Nink, Manfred SPD 07.11.2012 Pawelski, Rita CDU/CSU 07.11.2012 Dr. Ratjen-Damerau, Christiane FDP 07.11.2012 Dr. Reimann, Carola SPD 07.11.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 07.11.2012 Strothmann, Lena CDU/CSU 07.11.2012 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 07.11.2012 Dr. Westerwelle, Guido FDP 07.11.2012 Ziegler, Dagmar SPD 07.11.2012 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung der OSZE Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/11282, Frage 3): Welche finanziellen Spielräume bzw. noch nicht belegten Mittel sind auf Grundlage des Paktes für Forschung und Innovation nach Äußerungen von Bundesministerin Dr. Annette Schavan in der 103. Sitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, wonach die geplante Kooperation zwischen MDC und Charité in Berlin in den kommenden Jahren aus dem Etat der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e. V., HGF, finanziert werden soll, jeweils bei der HGF, der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V., FhG, und der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V., MPG – unter Angabe der prognostizierten Einnahmeverluste bei der FhG aufgrund der von der Bundesregierung vereinbarten neuen Beteiligungsregeln bei dem EU-Programm „Horizon 2020“, die nicht mehr die Vollkosten umfassen –, in 2013 und im Zeitraum bis 2015 noch vorhanden, und in welchem Umfang sind in 2013 und im Zeitraum bis 2015 bei HGF, FhG und MPG Gelder für die bauliche Sanierung von Instituten – unter Angabe des jeweiligen baulichen Sanierungsbedarfs – vorgesehen? Bei der Helmholtz-Gemeinschaft e. V., HGF, der Fraunhofer-Gesellschaft e. V., FhG, und der Max-Planck-Gesellschaft e. V., MPG, werden deren Mittel jeweils vollständig für ihre jeweiligen Forschungsaufgaben benötigt; freie Mittel stehen nicht zur Verfügung. Dank der Wissenschaftsfreiheitsinitiative verfügen diese Einrichtungen jedoch über ein hohes Maß an Flexibilität beim Einsatz ihrer Mittel. In diesem Rahmen unterstützt die HGF die Zusammenführung von Max-Delbrück-Cen-trum, MDC, und Charité für einen Übergangszeitraum. Da die Verhandlungen über die Beteiligungsregeln für das EU-Programm „Horizont 2020“ noch nicht abgeschlossen sind, ist derzeit keine Aussage über Einnahmeverluste oder -zugewinne der FhG möglich. Bei der Fraunhofer-Gesellschaft fallen in den Jahren 2013 bis 2015 Kosten für die bauliche Sanierung von -Instituten in Höhe von circa 40 Millionen Euro jährlich an. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine trennscharfe Differenzierung zum Beispiel zu Erweiterungsbaumaßnahmen oder Umbaumaßnahmen infolge von fachlicher Neuausrichtung von Instituten nicht zu leisten ist. Für die HGF sind im Folgenden die derzeitigen Planungsansätze für Sanierungsmaßnahmen größer 2,5 Millionen Euro mit ihrem jeweiligen Bundesanteil, 90 Pro-zent, dargestellt – jeweils gerundet; nicht enthalten sind Sanierungsmaßnahmen jeweils kleiner als 2,5 Millionen Euro –: für 2013: 22 Millionen Euro ; für 2014: 11 Millionen Euro ; für 2015: 7 Millionen Euro . Bei der MPG fallen in den Jahren 2013 bis 2015 Kosten für die bauliche Sanierung von Instituten in Höhe von circa 50 bis 60 Millionen Euro jährlich an. Die Verhandlungen über die Beteiligungsregeln für das EU-Programm „Horizont 2020“ sind noch nicht abgeschlossen. Demnächst befasst sich das Europäische Parlament damit. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 4): Welche Position – unter Angabe des Zeitplans der Beratung und der beabsichtigten Veranschlagung im Bundesetat – vertritt die Bundesregierung hinsichtlich des EU-Nachtragshaushalts 2012, der nach dem Willen der Europäischen Kommission rund 8,9 Milliarden Euro unter anderem zur weiteren Finanzierung des Studierendenaustauschprogramms Erasmus in diesem Jahr umfassen soll, und inwiefern unterstützt die Bundes-regierung den jüngsten Vorschlag der zypriotischen EU-Ratspräsidentschaft für den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU, MFR, für 2014 bis 2020, der den Vorschlag der Europäischen Kommission im Bereich 1 a, der Wettbewerbsfähigkeit, Bildung, Forschung und Erasmus beinhaltet, nach der Bereinigung um die neu hineingenommenen Ausgaben für CEF, ITER und GMES um mehr als 10 Prozent kürzt, auch vor dem Hintergrund der im Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung gemachten Zusage, dass sich die Bundesregierung in den Verhandlungen dafür einsetzen werde, „dass der EU-Haushalt auf wachstums- und beschäftigungsfördernde Investitionen ausgerichtet wird“, welches bedeute, „dass es nicht zu Kürzungen zulasten von Investitionen in den Struktur- und Kohäsionsfonds sowie im Europäischen Sozialfonds kommen soll“? Aufgrund des engen Zusammenhangs zum EU-Haushalt 2013 soll über den Berichtigungshaushalt Nr. 6/2012 im Rahmen des am 26. Oktober 2012 angelaufenen Vermittlungsverfahrens zur Aufstellung des EU-Haushaltes 2013 entschieden werden. Das Vermittlungsverfahren, in welchem Rat und Europäisches Parlament eine Einigung zum jährlichen Haushalt anstreben, soll mit dem -Ecofin, Budget, am 9. November 2012 erfolgreich abgeschlossen werden. Vor dem Hintergrund der sich vor allem als Folge der Staatsschuldenkrise ergebenden Konsolidierungserfordernisse hat die Bundesregierung ein großes Interesse daran, die sich für den Bundeshaushalt aus dem Berichtigungshaushalt Nr. 6/2012 ergebenden zusätzlichen Belastungen möglichst gering zu halten. Die Bundesregierung wird sich deshalb gemeinsam mit den anderen Nettozahlern so weit wie möglich für Umschichtungen einsetzen. Die konkreten Auswirkungen auf den Bundeshaushalt werden sich erst nach Abschluss der Verhandlungen von Rat und Europäischem Parlament abschätzen lassen. Deutschland tritt dafür ein, die Ausgaben aus dem nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen, MFR, der EU auf 1 Prozent des EU-BNE zu begrenzen. Dazu haben alle Rubriken beizutragen. Aus der 1-Prozent-Forderung ergeben sich notwendige Kürzungen des Kommissionsvorschlags für Instrumente in- und außerhalb des MFR in Höhe von insgesamt 130 Milliarden Euro. Die Präsidentschaft schlägt nur Kürzungen um 53 Milliarden Euro vor. Es sind daher weitere Kürzungen notwendig. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Rene Röspel (SPD) (Drucksache 17/11282, Frage 5): Wie stellt sich die Bundesregierung – wie von der Bundesministerin Dr. Annette Schavan in der FAZ vom 31. Oktober 2012 öffentlich dargelegt – künftig die konkrete Ausgestaltung von vereinfachten Prozessen und Verfahrensabläufen im Rahmen des künftigen EU-Forschungsrahmenprogramms „-Horizon 2020“ vor? Für das kommende Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“, 2014 bis 2020, einigten sich die Mitgliedstaaten im Wettbewerbsfähigkeitsrat am 10. Oktober 2012 auf eine starke Vereinfachung der Förderbedingungen und eine deutliche Verminderung des administrativen Aufwands. Die im 7. Forschungsrahmenprogramm, FRP, administrativ aufwendige Anerkennung der indirekten Projektkosten und die Anwendung aktivitäts- und teilnehmerspezifisch ausdifferenzierter Förderquoten soll ersetzt werden durch eine Pauschale, die sich wie folgt berechnet: Es werden 100 Prozent der direkten Projektkosten sowie eine 25-Prozent-Pauschale darauf für die indirekten Kosten erstattet. Bei marktnahen Projekten ist statt 100 Prozent eine 70-Prozent-Quote geplant, davon sind jedoch die „non-profit legal entities“ – weiterhin bis zu 100 Prozent Erstattung – ausgenommen. Zudem trägt die Anerkennung der Mehrwertsteuer zur Vereinfachung bei. Dies lässt vereinfachte Prozesse und verkürzte Verfahrensabläufe erwarten. Die Verhandlungen über die Beteiligungsregeln für das EU-Programm „Horizont 2020“ sind noch nicht abgeschlossen. Demnächst befasst sich das Europäische Parlament damit. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) (Drucksache 17/11282, Frage 10): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der bisherigen Resonanz und der mit rund 270 Anerkennungen aus Sicht der Fragestellerin eher geringen Erfolgsquote bei Anerkennungsverfahren nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz? Eine erste Vollerhebung zum Vollzug des Anerkennungsgesetzes des Bundes wird von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder Anfang 2013 durchgeführt. Erste repräsentative Daten werden daher nicht vor Mitte 2013 vorliegen. Bisher liegen ausschließlich selektive Vollzugsdaten aus einzelnen Berufsbereichen sowie aus dem Bundesland Hamburg vor, die keine generalisierten Schlussfolgerungen zum Vollzug des Anerkennungsgesetzes zulassen. Die zitierte Zahl von rund 270 Anerkennungen bezieht sich offenbar auf die positiven Anerkennungsbescheide im Bereich der IHK-Berufe, die von der zuständigen Zentralstelle IHK Fosa bis zum 24. Oktober 2012 ausgestellt wurden, und damit nur auf einen kleineren Teil der Berufe, die vom Anerkennungsgesetz umfasst sind. Da das Gros der Anerkennungsinteressierten jedoch nach Rückmeldung aus der Beratung, dem Anerkennungsportal und der Anerkennungshotline über einen reglementierten Beruf verfügt (Ärzte, Krankenschwestern etc.) und für diese Berufe – für die der Vollzug des Bundesgesetzes in Zuständigkeit der Länder erfolgt – noch keine bundesweiten Daten zu abgeschlossenen Verfahren vorliegen, können die IHK-Zahlen nicht als Indikator für die insgesamt unter dem Anerkennungsgesetz abgeschlossenen Verfahren gelten. Die IHK-Zahlen belegen allerdings, dass die neuen Verfahren funktionieren und in starkem Maße zu für die Antragsteller positiven Ergebnissen führen: Von insgesamt 269 zum Stichtag ausgestellten Bescheiden der IHK Fosa bestätigen 171 Bescheide eine volle und 98 eine teilweise Gleichwertigkeit des ausländischen Berufsabschlusses mit der deutschen Referenzqualifikation. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Drucksache 17/11282, Frage 12): Teilt die Bundesregierung die Rechtsauffassung, dass das im Juli 2012 bekannt gewordene Experiment zur Ozeandüngung der Haida Salmon Restoration Corporation nicht gegen internationales Recht und hierbei insbesondere gegen die UN-Convention on Biological Diversity, CBD, verstoßen hat, und, falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dieser Auffassung für die kommenden Diskussionen zum Geoengineering/Climate Engineering? Der Bundesregierung liegen keine gesicherten Erkenntnisse zu dem in der Frage genannten Experiment der Haida Salmon Restoration Corporation vor der Westküste Kanadas vor. Die Regierung Kanadas bemüht sich zurzeit um Aufklärung des Sachverhalts zu dem im Juli 2012 bekannt gewordenen Experiment und wird den Vertragsstaaten der London-Konvention, zu denen auch Deutschland zählt, hierzu berichten. Das Thema wurde auf den am 1. November 2012 beendeten Verhandlungen zu London-Konvention/London-Protokoll, LC/LP, in London diskutiert. Hier wurde eine Stellungnahme (Statement of Concern) verabschiedet, nach der die Vertragsstaaten ihre Besorgnis über das oben genannte Experiment ausdrückten und auf vorangegangene Resolutionen zum Verbot von Meeres-düngungsvorhaben mit Ausnahme von legitimer wissenschaftlicher Forschung verwiesen. Ferner verweist die Stellungnahme auf die Vereinbarung der Vertragsstaaten, zur Bewertung von Meeresdüngungsvorhaben den sogenannten Assessment Framework anzuwenden, um zu entscheiden, ob es sich um legitime Forschungsaktivität handelt. Dieser Stellungnahme schloss sich Deutschland an. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Drucksache 17/11282, Frage 13): Hat sich die Bundesregierung bereits eine abschließende Haltung zum Einsatz von Maßnahmen zur Ozeandüngung zum Entzug von Kohlendioxid aus der Atmosphäre gebildet, und welche Experimente zur Ozeandüngung unter Federführung deutscher Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den nächsten Monaten und Jahren geplant? Die Bundesregierung verweist hier auf ihre Antwort zur Kleinen Anfrage der Abgeordneten René Röspel und andere und der Fraktion der SPD, Bundestagsdrucksache 17/9943, zu Geoengineering/Climate Engineering, dort Fragen 12 und 33. Die Bundesregierung setzt in ihrer nationalen Klimapolitik vollständig auf die Minderung von Treibhausgasemissionen sowie auf Anpassungsmaßnahmen. Ansätze des Geoengineering verfolgt sie dazu nicht. Vor diesem Hintergrund hat die deutsche Delegation anlässlich der bezeichneten Verhandlungen zu London-Konvention/London-Protokoll, LC/LP, in London in der 44. Kalenderwoche folgende zwischen den fachlich betroffenen Ressorts abgestimmte Position vertreten: Meeresdüngung ist keine geeignete Klimaschutzmaßnahme. Forschung zur Ozeandüngung darf keine negativen Auswirkungen auf die Meeresumwelt haben. Weitere Regelungen unter LC/LP sind grundsätzlich anzustreben. Forschungsvorhaben zur Bewertung von Umweltrisiken sind sinnvoll. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden internationalen Diskussion und zahlreicher ungeklärter Fragen hält die Bundesregierung grundsätzlich weitere Forschung und auch Forschungsförderung zu Fragen des Geoengineering für notwendig. Sie sollte mit dem Ziel verbunden sein, die Bewertungskompetenz der Bundesregierung hinsichtlich Geoengineering zu erhöhen, nicht, dessen Einsatz vorzubereiten. Gefragt sind hier nicht nur eine naturwissenschaftliche Theorie- und Modellentwicklung, sondern auch die Bearbeitung der Aspekte wie Akzeptanz, rechtliche Rahmenbedingungen und internationales gesellschaftswissenschaftlichen Konfliktpotenzial. Konkrete Experimente zur Ozeandüngung unter Federführung deutscher Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler sind zurzeit bei der Bundesregierung nicht beantragt oder geplant. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 16): Warum ist die Bundesregierung nicht auf das Angebot einer freiwilligen Selbstverpflichtung zum Betrieb von Reservekraftwerken – zum Beispiel im Entwurf des BDEW im Rahmen der Abstimmung zu einer Selbstverpflichtung der Energiewirtschaft zur Sicherstellung ausreichender Erzeugungskapazitäten vom 25. Juli 2012 – eingegangen, und auf welcher Basis sieht die Bundesregierung aktuell noch Einigungsmöglichkeiten mit der Energiewirtschaft? Es konnte keine Einigung zu wesentlichen Inhalten einer freiwilligen Selbstverpflichtung erzielt werden. Für die Entscheidung für eine gesetzliche Regelung und gegen eine freiwillige Selbstverpflichtung war aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums insbesondere bedeutsam, dass die in Rede stehenden Zusagen zu sehr mit Bedingungen verknüpft waren, um ausreichend Sicherheit über die Verfügbarkeit der Kraftwerke zu erlangen. Anstelle einer Selbstverpflichtung der Branche hat die Bundesregierung am 17. Oktober Formulierungsvorschläge für ein Bündel von gesetzlichen Maßnahmen beschlossen, welche vorübergehend einen Rahmen für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Bereich der Stromversorgung bieten. Über Eckpunkte der geplanten Maßnahmen wurden zusätzlich zu den Fachpolitikern der Regierungsfraktionen auch die der Oppositionsfraktionen mit Schreiben vom 20. September 2012 informiert. Die Maßnahmen sollen in das aktuell laufende Verfahren zur Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Drittes Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften) eingebracht werden. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 17): Wie steht die Bundesregierung zu der von der Europäischen Kommission vorgesehenen Mittelaufstockung für die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, ACER, welche für die fristgemäße Erfüllung der in der Verordnung über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts, REMIT, angelegten Kompetenzen dringend nötig ist, und welche konkreten Schritte tut sie dafür? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, ACER, finanziell so ausgestattet wird, dass ihr die fristgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben aus der Verordnung über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts, REMIT, möglich ist. Die Verfügbarkeit der notwendigen finanziellen und per-sonellen Ressourcen bei ACER ist von zentraler Be-deutung. Die ACER zugeteilte Aufgabe, die Datensammlung und das Monitoring zentral auf europäischer Ebene zu organisieren, ist ein Kernelement im REMIT-Aufsichtsregime, da diese Daten für das nationale Energiehandelsmonitoring und die Durchsetzung der Sank-tionsvorschriften durch die nationalen Regulierungsbehörden von zentraler Bedeutung sind. Die Bundesregierung betrachtet die momentane Ablehnung der Erhöhung des ACER-Budgets bzw. eine mögliche Kürzung mit Sorge, da die Einspareffekte in diesem Bereich vernachlässigbar klein sind, aber ACER ohne diese Mittel diese zentrale Aufgabe nicht bewältigen können wird. In diesem Fall droht eine Situation, in der die Effektivität und Effizienz der Energiehandelsüberwachung nach REMIT grundlegend gefährdet ist. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Fragen 18 und 19): Sind Bohrungen nach Gasvorkommen in Natur- und Landschaftsschutzgebieten – so wie derzeit am Langbürgner See in Bayern geplant – nach Einschätzung der Bundesregierung mit geltendem Bergrecht vereinbar und, wenn ja, wieso? Wieso hat die Bundesregierung keine Vorkehrungen getroffen, dass nicht in Natur- und Landschaftsschutzgebieten nach Gasvorkommen gebohrt werden darf? Zur Frage 18: Bohrungen nach Erdgasvorkommen sind in Natur- und Landschaftsschutzgebieten nach den naturschutzrechtlichen Vorschriften grundsätzlich verboten. Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete sind durch Schutzgebietsverordnungen geschützt. Ausnahmen oder Befreiungen von den Vorschriften – insbesondere den Verboten – der Schutzgebietsverordnungen können nur aufgrund der in den jeweiligen Verordnungen festgelegten Bedingungen durch die zuständigen Behörden der Länder erteilt werden. Das Bundesberggesetz gewährleistet die Beachtung der naturschutzrechtlichen Vorschriften. § 48 Abs. 1 Satz 1 Bundesberggesetz stellt klar, dass die Aufsuchung und die Gewinnung bergfreier und grundeigener Bodenschätze auf Grundstücken, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes einem öffentlichen Zweck gewidmet oder im Interesse eines öffentlichen Zweckes geschützt sind – wie Natur- und Landschaftsschutzgebiete – den allgemein für derartige Tätigkeiten geltenden öffentlich-rechtlichen Verboten oder Beschränkungen unterliegen. Zur Frage 19: Diesbezügliche Regelungen liegen an Land und in der 12-Seemeilen-Zone im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Länder. Anlage 11 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 23): Welches Material hat die Bundesregierung seit 2008 an die malischen Streitkräfte geliefert – bitte aufschlüsseln nach Materialtyp, wert und Lieferjahr –, und welche Ausbildungsmaßnahmen wurden seit 2008 von der Bundeswehr für die malische Armee erbracht – bitte aufschlüsseln nach Art der Maßnahme, Zeitraum und Anzahl der beteiligten Bundeswehrsoldaten? Die Republik Mali war von 1969 bis 1994 und ist seit 2005 erneut Empfängerland im Rahmen des Ausstattungshilfeprogramms der Bundesregierung für ausländische Streitkräfte, AH-P. Mit Billigung des Auswärtigen Ausschusses sowie des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages wurde bisher Ausstattungshilfe im Wert von insgesamt 37,12 Millionen Euro geleistet. Zur Steigerung der Programmeffizienz ist in Mali seit 2005 eine Beratergruppe der Bundeswehr mit zwei Offizieren und fünf Feldwebeln eingesetzt. Nach dem Putsch im März 2012 wurde aufgrund der politischen und der Sicherheitslage die Rückführung der Beratergruppe verfügt. Die Soldaten und deren Familienangehörige haben im April 2012 das Land verlassen. Das Ausstattungshilfeprogramm ruht derzeit. Im Zeitraum 2008 bis 2011 sind im Rahmen des Ausstattungshilfeprogramms unter anderem 18 Lkw, eine Wasseraufbereitungsanlage sowie drei gebrauchte Baumaschinen bereitgestellt worden. Die Lieferung aus dem Jahr 2012 ist kurz nach dem Putsch in Mali eingetroffen und wurde bislang nicht offiziell an die malischen Streitkräfte übergeben. Die Lieferung von Waffen, Munition sowie Maschinen zu deren Herstellung und die Ausbildung an solchen sind im Rahmen der Ausstattungshilfe ausgeschlossen. Es wurden Ausbildungsmaßnahmen in zwei zentralen Ausbildungsbereichen erbracht: in der Pionier- und Pioniermaschinenausbildung unter anderem für die Bereiche Straßenbau, Gewässerüberquerung, Wasseraufbereitung, Feldlagerbau, Minenräumen; in der Berufsausbildung für Bauhauptberufe und Kfz-Wesen. Anlage 12 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Karin Roth (Esslingen) (SPD) (Drucksache 17/11282, Frage 24): Wie beurteilt das BMZ die gewalttätigen Übergriffe gegen die muslimische Minderheit der Rohingya im Bundesstaat Rakhine in Myanmar, und welche konkreten humanitären Hilfsmaßnahmen ergreift bzw. erwägt die Bundesregierung bilateral, multilateral und gemeinsam mit den europäischen Partnern zur Bewältigung des Flüchtlingsproblems in Myanmar? Die Bundesregierung verurteilt die Gewalt im Bundesstaat Rakhine in der Republik der Union Myanmar zwischen den Volksgruppen der muslimischen Rohingya und der buddhistischen Rakhine und ruft alle Seiten zu sofortiger Einstellung der Übergriffe auf. Besonders besorgniserregend ist das erneute Aufflammen von Gewalt seit dem 21. Oktober 2012 nach einer längeren Phase relativer Ruhe. Im Fokus steht zunächst die humanitäre Versorgung der mittlerweile über 100 000 Binnenvertriebenen. Der adäquate Zugang zu den Bedürftigen für die Vereinten Nationen und die internationalen Hilfsorganisationen muss hier noch verbessert werden. Auch müssen die Verantwortlichen für die Gewalt zur Verantwortung gezogen werden. Notwendig aus Sicht der Bundesregierung sind zudem die Rückkehr der Vertriebenen, sobald die Lage dies erlaubt, ein Versöhnungsprozess, der auch die Klärung des rechtlichen Status der Rohingya – insbesondere der Staatsangehörigkeitsfrage – beinhalten sollte, und insgesamt ein Entwicklungskonzept für den Bundesstaat Rakhine. Die Bundesregierung hat 2012 ein humanitäres Hilfsprojekt von Malteser International mit Maßnahmen unter anderem im Hygienesektor sowie zur Verteilung von lebensnotwendigen Bedarfsgegenständen in Flüchtlingslagern im Bundesstaat Rakhine in Höhe von 189 000 Euro finanziert. Die Bundesregierung hat angesichts des großen Bedarfs zugesagt, dort weitere humanitäre Maßnahmen für Binnenvertriebene zu finanzieren. Hierzu befindet sich ein humanitäres Projekt in Höhe von bis zu 200 000 Euro in der Planung. Auf internationaler Ebene hat die Bundesregierung in Myanmar das Länderbüro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, UNOCHA, finanziell mit 100 000 Euro unterstützt. Die EU-Generaldirektion für humanitäre Hilfe, Katastrophenvorsorge und internationale Zusammenarbeit, ECHO, hat 2012 circa 17,5 Millionen Euro für humanitäre Hilfsmaßnahmen in Myanmar, auch in der Rakhine-Region, bereitgestellt. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat bei einem Besuch in Myanmar vor wenigen Tagen weitere 4 Millionen Euro für humanitäre Sofortmaßnahmen in Rakhine angekündigt, wenn der Zugang zu den Bedürftigen garantiert werde. Deutschland ist als größter EU-Beitragszahler an der Finanzierung der humanitären Hilfsmaßnahmen der Europäischen Kommission mit rund 20 Prozent beteiligt. Anlage 13 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Karin Roth (Esslingen) (SPD) (Drucksache 17/11282, Frage 25): Wie ist die Position der Bundesregierung in den Verhandlungen zum MFR 2014 bis 2020 der Europäischen Union im Hinblick auf die geplanten Finanzmittel für das Forschungsprogramm „Horizon 2020“, und in welcher Höhe – relativ und absolut – sollen nach Auffassung der Bundesregierung hiervon Gelder für die Forschung zur Bekämpfung vernachlässigter und armutsassoziierter Krankheiten und Fragen der globalen Gesundheit zur Verfügung gestellt werden? Die Bundesregierung tritt für eine Begrenzung des Mehrjährigen Finanzrahmens, MFR, der Europäischen Union auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens, BNE, ein. In diesem Rahmen fordert die Bundesregierung eine Neustrukturierung des MFR zugunsten von Zukunftsinvestitionen wie Forschung und Innovation. Die Bundesregierung hat sich auf eine konkrete Förderhöhe für einzelne Programme, einschließlich des Forschungsprogramms „Horizont 2020“, jedoch noch nicht festgelegt. Die Position der Bundesregierung zur Verteilung der Mittel auf einzelne Forschungsgebiete und -themen wird nach Festlegung des für „Horizont 2020“ zur Verfügung stehenden Gesamtvolumens festgelegt. Unbenommen davon setzt sich die Bundesregierung gemäß ihrer Internationalisierungsstrategie und der deutschen Hightech-Strategie bei der Ausgestaltung des neuen 8. EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ für eine Stärkung der Gesundheitsforschung ein. Dabei liegt – wie auch im nationalen Rahmenprogramm Gesundheitsforschung – ein Schwerpunkt auf Fragen der globalen Gesundheit und auf der Bekämpfung vernachlässigter und armutsasso-ziierter Krankheiten. Anlage 14 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 26): Um wie viel Prozent möchte die zyprische Ratspräsidentschaft in der von ihr am 30. Oktober 2012 vorgelegten Verhandlungsbox den Vorschlag der Europäischen Kommission vom 29. Juni 2011 für den MFR 2014 bis 2020 in der Teil-rubrik 1 a unter Nichtberücksichtigung der „Connecting -Europe“-Fazilität, von ITER und GMES kürzen, und wie bewertet die Bundesregierung diese Kürzung im Vergleich zu den Kürzungsvorschlägen bei den Direktzahlungen und marktbezogenen Ausgaben in der Rubrik 2? Die Bundesregierung tritt dafür ein, die Ausgaben im Mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens der Europäischen Union zu begrenzen und die Ausgaben gleichzeitig auf die Stärkung von Wachstum und Beschäftigung zu konzentrieren. Der Vorschlag der zyprischen Ratspräsidentschaft reicht bei weitem nicht aus, um diese Anliegen umzusetzen. Zu den unvermeidlichen Anpassungen müssen prinzipiell alle Rubriken beitragen, auch die Rubrik 2. Der Vorschlag der Präsidentschaft vom 29. Oktober 2012 bedeutet für die Rubrik 1 a ohne die „Connecting Europe“-Fazilität und die Großprojekte einen um gut 5 Prozent geringeren Ansatz als im Vorschlag der EUKommission. Bei der Bewertung muss aus Sicht der Bundesregierung aber insbesondere der Status quo als Referenz dienen. Der Vorschlag der EU-Ratspräsidentschaft bedeutet für die Rubrik 1 a eine deutliche Stärkung im Vergleich zum jetzigen Förderzeitraum. Anlage 15 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 27): Sieht die Bundesregierung die im Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung (vergleiche Pressemitteilung der Bundesregierung vom 21. Juni 2012) mit den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen geschlossenen Vereinbarungen bezüglich des MFR 2014 bis 2020 in der von der zyprischen Ratspräsidentschaft am 30. Oktober 2012 vorgelegten Verhandlungsbox als umgesetzt an, und wie gedenkt die Bundesregierung die Vereinbarungen umzusetzen, soweit es aus ihrer Sicht noch nicht passiert ist? Die Bundesregierung setzt sich in den Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union dafür ein, dass der EU-Haushalt auf wachstums- und beschäftigungsfördernde Investitionen ausgerichtet wird, wie es auch mit den Fraktionen im Deutschen Bundestag vereinbart wurde. Da nicht mehr Mittel zur Verfügung stehen, müssen wir die vorhandenen Ressourcen besser nutzen. Die Bundesregierung hat deshalb mehrfach Vorschläge zu einer Verbesserung der Ausgabenqualität in die Diskussion eingebracht. Die zyprische Ratspräsidentschaft hat hier bisher nicht die richtigen Akzente gesetzt. Die Bundesregierung wird sich weiter dafür einsetzen, dass der künftige EU-Haushalt zur Schaffung von Wachstum und Beschäftigung genutzt wird und einen deutlichen Beitrag zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise leistet. Anlage 16 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 28): Wie wirkt sich der gerade von der aktuellen EU-Präsidentschaft vorgelegte MFR im Einzelnen in Bezug auf die Nettozahlerposition Deutschlands, die Rückflüsse aus Agrar-, Struktur- und Kohäsionsfonds sowie die anteilige Finanzierung von ITER (jeweils nach Möglichkeit in Euro) aus, und welche Vorschläge hat die Bundesregierung im Hinblick auf Ankündigungen des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Michael Link, der Finanzrahmen gehe in seinen Sparmaßnahmen nicht weit genug, bleibe hinter erforderlichen Sparmaßnahmen zurück, habe noch nicht die richtigen Akzente, was die Qualität der Ausgaben betreffe (FAZ, 1. November 2012), im Einzelnen – unter Angabe des jeweiligen Finanzvolumens – für das angekündigte „moderne Budget“? Die Bundesregierung strebt zusammen mit anderen Nettozahlern eine Begrenzung aller EU-Ausgaben auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens der Europäischen Union an, um den krisenbedingten Konsolidierungserfordernissen in den einzelnen Mitgliedstaaten auch auf EU-Ebene Rechnung zu tragen. Der von der zyprischen Ratspräsidentschaft vorgelegte Kompromissvorschlag liegt noch immer etwa 80 Milliarden Euro über diesem Ziel. Um auch mit weniger Geld stärkere Impulse für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung zu setzen, setzt sich die Bundesregierung unter dem Stichwort „Better Spending“ für eine signifikante Verbesserung der Ausgabenqualität im EU-Haushalt ein. Auch hier bleibt der Vorschlag der Präsidentschaft noch weit hinter dem Erforderlichen zurück. Die Nettozahlerposition Deutschlands verbessert sich grundsätzlich durch jede Art von Kürzung, da Deutschland in allen Politikbereichen mehr einzahlt, als es an Fördermitteln zurückerhält. Bei den Struktur- und Kohäsionsfonds soll das geplante Sicherheitsnetz für die neuen Bundesländer ausgeweitet werden auf die heutigen Übergangsregionen Leipzig, Lüneburg und Brandenburg Südwest. Das ist ein großer Erfolg für die deutsche Verhandlungsführung; nur Griechenland hatte uns in diesem Anliegen unterstützt. Gleichzeitig soll die Höhe des Sicherheitsnetzes etwas reduziert werden und statt zwei Drittel nur noch 63 Prozent der heutigen Mittel sichern. In der Summe stellen diese beiden Veränderungen aber immer noch eine klare Verbesserung für die neuen Bundesländer gegenüber dem Kommissionsvorschlag dar. In der Agrarpolitik sieht der Präsidentschaftsvorschlag eine Kürzung um etwa 3 Prozent vor. Dadurch würden auch die Agrarrückflüsse nach Deutschland etwas niedriger ausfallen als im Kommissionsvorschlag. Zu ITER hat die Präsidentschaft keinen konkreten Zahlenvorschlag vorgelegt. Anlage 17 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 17/11282, Frage 29): Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die Folgen der mehrwöchigen Belagerung und des Beschusses Bani Walids durch regierungstreue Milizen in Libyen (www.nytimes.com/2012/10/22/world/africa/libyan-town-under-siege-is-a-center-of-resistance.html) und über Art und Herkunft der hierbei zum Einsatz gekommenen Waffen, insbesondere auch über die Hinweise auf den Einsatz chemischer Waffen (www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/3139461/machtvakuum-libyen-angst-um-bani-walid.story), vor? Im Auftrag der libyschen Führung waren bewaffnete Truppen eingesetzt worden, um in Bani Walid mutmaßliche Verbrecher zu verhaften. Die Angriffe dieser Truppen auf Bani Walid haben dazu geführt, dass Tausende von Bewohnern aus der Stadt geflüchtet sind. Die libysche Regierung hat deshalb ein Krisenkomitee eingesetzt und in den benachbarten Städten Nasmah, Tarhuna und Sliten sowie in Sirte und al-Urban Aufnahmestellen für die Flüchtlinge eingerichtet. Bei der militärischen Auseinandersetzung in Bani Walid wurden vermutlich Maschinengewehre und Maschinenkanonen als Flugabwehrwaffen und auch Mörser eingesetzt, welche, auf Pick-ups montiert, innerhalb der libyschen Milizen weit verbreitet sind. Über deren Herkunft ist nichts bekannt. Es liegen keine Hinweise vor, die den erhobenen Vorwurf des Einsatzes von chemischen Waffen belegen. Anlage 18 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 17/11282, Frage 30): Welche Informationen liegen der Bundesregierung zwischenzeitlich über die genaueren Umstände des Abschusses eines türkischen Kampfflugzeugs vom Typ F-4E Phantom am 22. Juni 2012 (dessen Position zum Zeitpunkt des Abschusses, Position sowie Zustand der Wrackteile) vor, und wie -beurteilt die Bundesregierung die zunächst aus Sicht der Fragestellerin sehr einseitigen Stellungnahmen des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, sowie der NATO zugunsten der Türkei anlässlich von Granateinschlägen nahe der syrischen Grenze in der Türkei, vor dem Hintergrund, dass der Oberbefehlshaber der US-Landstreitkräfte in Europa, Generalleutnant Mark P. Hertling, jüngst einräumte, dass der Ursprung der Granaten und wer sie abgefeuert habe, bislang ungeklärt sei (www.state.gov/r/pa/prs/dpb/2012/10/199884.htm)? Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse über den genauen Verlauf des Abschusses vor. Ein offizieller türkischer Untersuchungsbericht wurde bisher nicht veröffentlicht. Laut türkischen Pressemitteilungen bestätigt ein interner Untersuchungsbericht der türkischen Streitkräfte von Mitte September 2012, dass das unbewaffnete Aufklärungsflugzeug im internationalen Luftraum durch eine Luftabwehrrakete abgeschossen worden sei. Festzuhalten bleibt, dass ein Abschuss ohne vorherige Warnung auf ein unbewaffnetes Aufklärungsflugzeug erfolgte, was als unverhältnismäßiger Akt zu werten ist. Was den Beschuss türkischen Territoriums aus Syrien heraus betrifft, ist es seit August dieses Jahres zu unregelmäßigem Beschuss des türkischen Staatsgebiets durch Artilleriegeschosse gekommen, zuletzt am 29. Oktober 2012. Am 3. Oktober 2012 kamen dabei fünf Zivilisten, darunter auch Kinder, ums Leben. Neben der Bundesregierung haben der Generalsekretär der Vereinten Nationen, VN, der NATO-Rat und der EU-Außenrat den Beschuss vom 3. Oktober 2012 scharf verurteilt. Auch Russland trug die Pressemitteilung des VN-Sicherheitsrats zur scharfen Verurteilung der syrischen Angriffe am 5. Oktober 2012 mit. Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, hat gegenüber der Türkei bei seinem Treffen mit dem türkischen Außenminister am 13. Oktober 2012 ausdrücklich die Solidarität als NATO-Partner unterstrichen, gleichzeitig aber auch zur Besonnenheit aufgerufen. Anlage 19 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Fragen 31 und 32): Wie wird das Auswärtige Amt angesichts der bisherigen „Untätigkeit des Auswärtigen Amtes“ im Fall Dadaab durch die Übertragung der Entwicklungsorientierten Not- und Übergangshilfe, ENÜH, vom BMZ auf das Auswärtige Amt – jetzt entwicklungsfördernde und strukturbildende Übergangshilfe, ESÜH – künftig sicherstellen, Fehlsteuerungen zu vermeiden, und wäre es angesichts des von Bundesminister Dirk Niebel konstatierten Kompetenzproblems im Auswärtigen Amt nicht angebracht, die Mittel wieder in jenes Bundesministerium zu geben, das dieses Kompetenzproblem nicht hat (vergleiche Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 31. Oktober 2012)? Welche Maßnahmen werden ab Januar 2013 in und um Dadaab finanziert – bitte genau nach Höhe der Finanzierung, Trägern und Haushaltstiteln aufschlüsseln –, und sind andere in Zusammenhang mit Dadaab stehende Projekte, die zum Teil auch an anderen Orten in Kenia durchgeführt werden, ebenfalls von der Verlagerung der ENÜH vom BMZ auf das Auswärtige Amt – jetzt ESÜH –, betroffen – bitte gegebenenfalls die Projekte einzeln benennen? Zu Frage 31: Die Bundesregierung setzt die humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge in Dadaab fort. Das Auswärtige Amt steht dazu in engem Kontakt mit dem Flüchtlingshochkommissar der Vereinten Nationen und spricht mit seinen Experten über die konkreten Bedürfnisse vor Ort. Das Horn von Afrika bleibt angesichts der aktuellen Lage Schwerpunkt der humanitären Hilfe der Bundesregierung. Mit der Vereinbarung zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, wurde der bis dahin durch das BMZ verwaltete Titel der „Entwicklungsorientierten Not- und Übergangshilfe“ aufgelöst und in den Titel „Humanitäre Hilfe“ des Auswärtigen Amtes überführt. Das Auswärtige Amt hat jetzt die Gesamtzuständigkeit für die humanitäre Hilfe der Bundesregierung, einschließlich der Nahrungsmittelhilfe. Dies erhöht die kurzfristige Reaktionsfähigkeit der Bundesregierung in humanitären Krisen und ermöglicht ein schnelles und kohärentes humanitäres Engagement. Gleichzeitig wurde im BMZ der Bereich der „Entwicklungsfördernden und strukturbildenden Übergangshilfe“ als ein Instrument der mittel- und langfristig aufgelegten Entwicklungszusammenarbeit geschaffen und mit eigenen Finanzmitteln ausgestattet. Die Schaffung dieses Instruments ist zu begrüßen, da damit der Übergang von Sofortmaßnahmen der humanitären Hilfe zu solchen der nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit erleichtert wird. Dieses Instrument kommt dem Anspruch nach, Überlebenshilfe in Entwicklungsmaßnahmen zu überführen, dem sogenannten Linking Relief, Rehabilitation and Development. Zu Frage 32: Das Auswärtige Amt wird das humanitäre Engagement des Flüchtlingshochkommissars der Vereinten -Nationen, UNHCR, in Dadaab weiter unterstützen. Im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, hat das Auswärtige Amt dem UNHCR zugesagt, seine Zuwendungen für 2013 um mindestens 2,2 Millionen Euro aufzustocken, damit der UNHCR die Versorgung der Flüchtlinge im Lager Dadaab aufrechterhalten kann. Damit gewährleistet das Auswärtige Amt eine Förderung des UNHCR mindestens in gleicher Höhe wie zuvor das BMZ. Das Auswärtige Amt wird darüber hinaus auch Projekte des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, IKRK, und von Nichtregierungsorganisationen in -Dadaab weiter fördern. Eine konkrete Auflistung der 2013 umzusetzenden Vorhaben ist jedoch erst möglich, wenn dem Auswärtigen Amt die entsprechenden Projektvorschläge vorliegen. Das BMZ wird im Rahmen der entwicklungsfördernden und strukturbildenden Übergangshilfe um das Flüchtlingslager Dadaab Maßnahmen zur Stabilisierung der Lebensgrundlagen der ortsansässigen Bevölkerung und zur Stärkung friedlicher Konfliktbearbeitung in Höhe von 4,1 Millionen Euro fördern. Das Projekt, das eine Laufzeit von September 2011 bis August 2014 hat, wird durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, umgesetzt. Ferner plant das BMZ die Förderung von Bildungsprojekten in den Flüchtlingslagern Dadaab und Kakuma in Höhe von 1 Millionen Euro. Dieses Vorhaben wird durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, in Kooperation mit dem UNHCR umgesetzt. Anlage 20 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 33): Trifft es zu, dass die Bundesregierung rund 100 Millionen Euro im EU-Haushalt einsparen will (vergleiche www.top -agrar.com), ohne dabei das Budget der Gemeinsamen Agrarpolitik zu kürzen? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, den Mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union 2014 bis 2020 auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens der Europäischen Union zu begrenzen. Dies bedeutet, dass der Vorschlag der EU-Kommission für die Summe der Gesamtausgaben für diese sieben Jahre um mehr als 130 Milliarden Euro in 2011er-Preisen gekürzt werden muss. Zu diesem restriktiven Ansatz müssen alle Ausgabenbereiche beitragen, auch die Gemeinsame Agrarpolitik. Anlage 21 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/11282, Frage 34): Teilt die Bundesregierung das aus Sicht des Fragestellers eher wissenschaftlich begründete Urteil einer strategischen Manipulation der Euro-Barometer-Umfrage durch die Europäische Kommission (vergleiche Höpner/Jurczyk in Leviathan, 3/2012, Seite 345 f.), und inwiefern wird die Bundesregierung gegenüber der Kommission zu dieser Strategie Stellung nehmen, die nach Ansicht des Fragestellers eine Scheinlegitimation der EU darstellt und angesichts der öffentlichen Interpretation durch die Kommission (Beispiele ebenda Seite 341 und 342) eher als Propaganda gesehen werden kann? Die Bundesregierung ist nicht der Ansicht, dass die Europäische Kommission manipulierte Umfragen in Auftrag gibt. Die Bundesregierung sieht daher keinen Anlass, dieses Thema mit der EU-Kommission aufzunehmen. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/11282, Frage 35): Welche weiteren Details kann die Bundesregierung zum Tod von 58 Flüchtlingen am 28. Oktober 2012 bei Gibraltar erläutern, deren tödlicher Schiffbruch nach unterschiedlichen Medienberichten (http://ffm-online.org/2012/10/29/58-tote-bei-gibraltar-pro-asyl-erklarung-29-10-2012-18-uhr) 13 Stunden zuvor von einem Flugzeug im Rahmen der Frontex-Mission Indalo fotografiert worden war, wobei unklar ist, ob es sich um ein deutsches oder ein maltesisches Flugzeug handelte – zumal Malta sich 2011 nicht an Indalo beteiligte –, und ist der Grund für die zu späte Hilfeleistung für die Ertrinkenden darin zu suchen, dass Frontex, die spanischen oder andere Behörden auf einer „Push-back“-Aktion bestanden, damit die Migrantinnen und Migranten von marokkanischen Schiffen aufgegriffen werden und nicht in die EU einreisen (falls nein, bitte anderweitige Gründe ausführen)? In dem genannten Seebereich findet die Frontex-koordinierte Seegrenzenoperation Indalo statt. Deutschland beteiligt sich an dem Einsatz weder mit Schiffen noch mit Hubschraubern bzw. Flugzeugen oder Besatzungen für diese Einsatzmittel. Ziel dieser Frontex-Operation ist die Unterstützung der zuständigen spanischen Behörden bei der Verhinderung von Seewegschleusungen aus Algerien und Marokko kommend nach Spanien. Die Rettung von in Seenot geratenen Schiffen und Booten bzw. den darauf befindlichen Personen entsprechend der sogenannten Frontex-Leitlinien (Beschluss des Rates der Europäischen Union zur Ergänzung des Schengener Grenzkodex hinsichtlich der Überwachung der Seeaußengrenzen im Rahmen der von der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union koordinierten operativen Zusammenarbeit, 2010/252/EU vom 26. April 2010) hat oberste Priorität im Rahmen des Frontex-Einsatzes. Die Verantwortung für die Überwachung und die Kontrolle der EU-Außengrenzen liegt weiterhin bei dem zuständigen EU-Mitgliedstaat, in diesem Fall den spanischen Behörden. Gleiches gilt auch für die Seenotrettung innerhalb der dafür festgelegten Seenotrettungszonen. Der Bundesregierung ist lediglich bekannt, dass sowohl Einsatzkräfte anderer EU-Mitgliedstaaten unter Mandat der Agentur Frontex als auch Einsatzkräfte der spanischen maritimen Search-&-Rescue-Organisation SASEMAR sowie der spanischen Guardia Civil an den Such- und Rettungsmaßnahmen beteiligt waren. Die spanische Regierung hat sich als verantwortlicher Staat die Veröffentlichung eines offiziellen Berichts über das Ereignis vorbehalten. Mangels anders lautender Informationen geht die Bundesregierung davon aus, dass alle Einsatzkräfte die Such- und Rettungsmaßnahmen im Einklang mit internationalem Recht und bestehenden Vereinbarungen und im Rahmen der tatsächlich bestehenden Möglichkeiten durchgeführt haben. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage der Abgeordneten Ula Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 17/11282, Frage 36): Welche konkreten Möglichkeiten hat das Bundesministerium des Innern in seinem Evaluationsbericht zum deutschen Projekt der Beratung des Libanon in Fragen der Grenzsicherheit für eine deutsche (grenz)polizeiliche Unterstützung des Libanon bei der Verbesserung des Grenzmanagements beschrieben (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 39, Plenarprotokoll 17/200, Anlage 26), und inwiefern werden diese Möglichkeiten umgesetzt? Mit der Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen Nr. 1701 (2006) wurde ein Grundstein für die Stabilisierung der Beziehungen zwischen Israel und Libanon gelegt. Die Umsetzung der Resolution dient dabei auch der Stabilität der gesamten Region und ist somit von besonderem außenpolitischen Interesse für die Bundesrepublik Deutschland. Durch die deutsche Beteiligung an der maritimen UNIFIL-Komponente, aber auch durch zusätzliche bilaterale Anstrengungen – wie die Stärkung der libanesischen Kapazitäten in Bezug auf seine See- und Landgrenzen – konnte und kann Deutschland sein Engagement für Resolution 1701 und damit für den Frieden in der Region untermauern. In diesem Kontext nimmt das Grenzberatungsprojekt der Bundespolizei/Zoll einen wichtigen Platz in der deutschen Unterstützung für die internationalen Bemühungen um Stabilität in der Region ein. Der Evaluationsbericht führt die folgenden konkreten Handlungsmöglichkeiten für die deutsche (grenz)polizeiliche Unterstützung des Libanon zur Verbesserung des Grenzmanagements auf: Erstens. Die Struktur des deutschen Engagements könnte an die Umstände und den geänderten Bedarf angepasst werden. Als denkbare Alternativen werden der Einsatz eines Langzeitberaters, eines Polizeiberaters oder eines Bundespolizei-Verbindungsbeamten aufgeführt. Auch die Möglichkeit der Eingliederung in die Deutsche Botschaft wird genannt. Zweitens. Es wird vorgeschlagen, die Unterstützungsleistung für den Bereich der Grenzbehörde, General -Security, in den Feldern der strategischen Beratung, Ausbildungs- und Ausstattungshilfe beizubehalten. Drittens. Es wird die Frage aufgeworfen, ob das Engagement an der Nordgrenze an die EU überführt werden könnte. Der EU-Vertretung stünden für die nächsten drei Jahre rund 3,6 Millionen Euro im Bereich des Grenzmanagements zur Verfügung. Sie verfolge die gleiche Zielrichtung wie das deutsche Engagement, sodass hier Kompetenzen gebündelt werden könnten. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Fra-ge 37): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Gutachten von Professor Dr. Markus Heintzen, welches im Auftrag der Stadt Bonn sowie der Kreise Rhein-Sieg und Ahrweiler zum Berlin-Bonn-Gesetz zu dem Ergebnis kommt, dass sich inzwischen nur noch weniger als 50 Prozent der Bundesministeriumsposten in Bonn befinden würden, und wie viele Bundesministerialarbeitsplätze befanden sich zum 1. Oktober 2012, nach Bundesministerien aufgeschlüsselt, in Bonn und Berlin? Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Anlass, Konsequenzen aus dem von der Stadt Bonn und den Kreisen Rhein-Sieg und Ahrweiler in Auftrag gegebenen Gutachten zu ziehen. Aufgeschlüsselt nach Ministerien ergeben sich zum 1. Oktober 2012 in Bonn und Berlin folgende Ministe-rialarbeitsplätze – angegeben wird immer die Zahl der Stellen/Planstellen (ohne Ersatzplanstellen), weil dies auch die Größen sind, die gegenüber dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages kommuniziert werden –: Bundesministerium Dienstsitz Bonn Dienstsitz Berlin Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 372,80 1.132,50 Auswärtiges Amt 282,50 1.801,00 Bundesministerium des Innern 224,00 1.136,00 Bundesministerium der Justiz 19,00 530,65 Bundesministerium der Finanzen 361,00 1.471,00 Bundesministerium für Arbeit und Soziales 462,40 476,10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und -Verbraucherschutz 664,30 215,00 Bundesministerium der Verteidigung 1.516,00 936,00 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 233,00 228,00 Bundesministerium für Gesundheit 343,80 163,90 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 729,00 626,50 Bundesministerium für Umwelt. Naturschutz und Reaktor-sicherheit 501,20 299,30 Bundesministerium für Bildung und Forschung 683,50 217,50 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 500,50 187,00 Hinzu kommen die nichtministeriellen Arbeitsplätze im Bundeskanzleramt – Bonn: 23,00 und Berlin: 544,00 –, beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien – Bonn: 124,75 und Berlin: 78,00 – sowie im Bundespresseamt – Bonn: 75,00 und Berlin: 408,80. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 38): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen des Rechtsgutachtens von Professor Dr. Markus Heintzen zu den „Strukturellen und aktuellen Problemen des Berlin-Bonn-Gesetzes“, wonach die derzeitige Verteilung der Arbeitsplätze zwischen Bonn und Berlin objektiv rechtswidrig ist, da die gesetzlichen Vorgaben in § 4 Abs. 4 des Berlin-Bonn-Gesetzes nicht eingehalten werden? Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Anlass, Konsequenzen aus dem von der Stadt Bonn und den Kreisen Rhein-Sieg und Ahrweiler in Auftrag gegebenen Gutachten zu ziehen. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 39): Welche Informationen im Einzelnen und seit wann hat die Bundesregierung über die Erkenntnisse der deutschen Sicherheitsbehörden, nach denen radikale Salafisten Anfang des Jahres 2012 eine „beachtliche Geldsumme aus einem arabischen Golfstaat“ für die Finanzierung der seit einem Jahr stattfindenden Koran-Verteilaktion erhalten haben (vergleiche Die Welt vom 16. Oktober 2012)? Sie beziehen sich in Ihrer Fragestellung auf einen Bericht der Zeitung Die Welt, in dem der Journalist Florian Flade die Behauptung aufstellt, dass die Finanzierung der Kampagne „LIES!“ durch eine „beachtliche Geldsumme aus einem arabischen Golfstaat“ erfolgt sei. Der Autor suggeriert dabei, diese Aussage beruhe auf gesicherten Erkenntnissen deutscher Sicherheitsbehörden. Diese Behauptung ist nach Kenntnis der Bundesregierung nicht zutreffend. Über die Finanzierung der Koran-Verteilaktion durch die Regierungen der Golfstaaten liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Soweit Privatspender aus dieser Region die Kampagne unterstützt haben, lässt dies keine Rückschlüsse auf staatlich gesteuerte Aktivitäten zu. Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass die Kampagne „LIES!“ hauptsächlich durch Spenden aus dem deutschsprachigen Raum und den Verkauf kostenpflichtiger Koranübersetzungen finanziert wurde. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 40): Wann wird die Bundesregierung die auf EU-Ebene zur -sogenannten Aufnahmerichtlinie erzielte Einigung, Arbeitsverbote für Asylbewerber dürften neun Monate nicht überschreiten, umsetzen, und beabsichtigt sie, lediglich die gemeinschaftsrechtlichen Mindestvorgaben umzusetzen oder darüber hinaus die Dauer der Arbeitsverbote weiter zu verkürzen oder ganz aufzuheben? Das Rechtsetzungsverfahren für die Neufassung der sogenannten EU-Aufnahmerichtlinie ist noch nicht abgeschlossen. Das Ergebnis des informellen Trilogs wurde durch den Rat, Justiz und Inneres, im Wege einer politischen Einigung am 25. Oktober 2012 angenommen. Die förmliche Verabschiedung durch den Rat und das Europäische Parlament steht noch aus. Ein Abschluss der Verhandlungen wird bis Ende 2012 angestrebt. Über die konkrete Umsetzung der einzelnen Aspekte der Richtlinie wird im Detail während des sich anschließenden Umsetzungsverfahrens entschieden werden. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 41): Wie geht die Bundesregierung mit der Problematik um, dass durch den faktischen Bearbeitungs- und Entscheidungsstopp des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (siehe Debatte des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 24. Oktober 2012) für Flüchtlinge aus Staaten mit hohen Anerkennungsquoten, wie beispielsweise Afghanistan, Iran und Syrien, sich gerade dieser Personenkreis auf unabsehbare Zeit in einer perspektivlosen Lage befindet? Die Bundesregierung weist die Unterstellung der Perspektivlosigkeit der Lage von Asylbewerbern aus Staaten mit einer hohen Anerkennungsquote entschieden zurück. Durch die seitens des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, BAMF, getroffenen Beschleunigungsmaßnahmen ist es bereits gelungen, die durchschnittliche Verfahrensdauer bei Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien von der Antragstellung bis zur Entscheidung auf 1,3 Monate zu senken. Für Erstanträge, die ab dem 1. Oktober 2012 gestellt wurden, beträgt die Verfahrensdauer gegenwärtig durchschnittlich 14 Tage. Alleine im Oktober 2012 wurden 2 347 Entscheidungen zu dem Herkunftsland Serbien und 1 582 Entscheidungen zu Mazedonien getroffen. Die Bundesregierung geht deshalb davon aus, dass die prioritäre Bearbeitung der überwiegend aus wirtschaftlichen Gründen gestellten Asylanträge serbischer und mazedonischer Staatsangehöriger kurzfristig Wirkung zeigen wird, sodass danach die Anträge von Asylbewerbern aus anderen Ländern wieder verstärkt bearbeitet werden können. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Fragen der Abgeordneten Halina Wawzyniak (DIE LINKE) (Drucksache 17/11282, Fragen 42 und 43): Inwieweit wird die Bundesregierung dem Wunsch der hungerstreikenden Flüchtlinge am Brandenburger Tor entsprechen, mit ihnen über ihre politischen Forderungen ins Gespräch zu kommen – durch wen, wann –, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass die Protestierenden offenkundig derart unter den Restriktionen des geltenden Asylsystems leiden, dass sie solche persönlich höchst belastenden Formen des Protests einzugehen bereit sind – Protestfußmarsch über Hunderte Kilometer nach Berlin, Hungerstreik im Freien, bei Kälte, Tag und Nacht? Inwieweit ist die Bundesregierung bereit, die Forderungen der hungerstreikenden Flüchtlinge am Brandenburger Tor bzw. des Protestcamps am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg nach Abschaffung von Sondergesetzen – der Residenzpflicht, der Arbeitsverbote und -restriktionen, des Asylbewerberleistungsgesetzes und der verpflichtenden Lagerunterbringung – zumindest zu prüfen oder aufzugreifen, und inwieweit berücksichtigt die Bundesregierung dabei, dass die Betroffenen sich aktiv und produktiv in die deutsche Gesellschaft einbringen wollen, statt infolge der gesetzlichen Beschränkungen zu Isolation, Untätigkeit und finanzieller Abhängigkeit gezwungen zu sein – bitte ausführen? Zu Frage 42: Frau Staatsministerin Professor Dr. Böhmer, die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, hat die Asylbewerber am Nachmittag des 1. November 2012 getroffen und mit ihnen – gemeinsam mit der Berliner Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen, Frau Dilek Kolat – ein vierstündiges Gespräch geführt. Die Staatsministerin hat sich im Anschluss an das Gespräch vor der Presse zu ihren Eindrücken und Schlussfolgerungen aus dem Gespräch ge-äußert. Der Hungerstreik der Asylbewerber wurde am Abend des 1. November 2012 abgebrochen. Weiterer Gesprächsbedarf besteht aus Sicht der Bundesregierung nicht. In Anbetracht der Tatsache, dass sich derzeit über 50 000 Personen in Deutschland im Asylverfahren und über 20 000 im gerichtlichen Verfahren befinden, ergeben sich aus den vereinzelten Protestfällen für die Bundesregierung keine zwingenden Schlussfolgerungen. Zu Frage 43: Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass Asylbewerber nicht in „Lagern“ untergebracht werden. Unabhängig davon hält die Bundesregierung die angesprochenen Regelungen weiterhin für erforderlich. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 wird das Asylbewerberleistungsgesetz derzeit überarbeitet. Im Übrigen weist die Bundesregierung die in der Frage enthaltenen Unterstellungen zurück. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 44): Inwieweit gibt es gesetzliche Bestimmungen, wonach die Versicherungswirtschaft Kfz-Versicherungstarife nach Lebensalter der Fahrerinnen und Fahrer differenzieren muss oder darf? Weder das Versicherungsaufsichtsrecht noch das Versicherungsvertragsrecht enthalten entsprechende Regelungen. Die für die Prämienkalkulation relevanten Risikomerkmale werden vertraglich – regelmäßig mit den Allgemeinen Versicherungsbedingungen – vereinbart; in die Vertragsfreiheit wird insoweit nicht eingegriffen. Eine entsprechende Vereinbarung stellt auch keine Benachteiligung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, AGG, dar. Sofern man die Berücksichtigung des Alters als „unterschiedliche Behandlung“ ansehen will, ist sie zulässig, wenn sie auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht, insbesondere auf einer versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen (§ 20 Abs. 2 Satz 3 AGG). Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 45): Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um beim Ecofin, Rat für Wirtschaft und Finanzen, am 13. November 2012 einen Beschluss zur Genehmigung der verstärkten Zusammenarbeit für eine Finanztransaktionsteuer gemäß der von der Kommission vorgeschlagenen Beschlussfassung zu erreichen, und mit welchen Vorschlägen zur Ausgestaltung der Steuer – gemäß der interfraktionellen Vereinbarung vom 21. Juni 2012 – wird sich die Bundesregierung im darauffolgenden Prozess einbringen? Die Bundesregierung unterstützt weiterhin mit Nachdruck die Einführung eines gemeinsamen Finanztransaktionsteuersystems, nachdem es ihr gelungen ist, insgesamt zehn weitere EU-Mitgliedstaaten für eine verstärkte Zusammenarbeit in diesem Bereich zu gewinnen. Vor einer Beschlussfassung des Ecofin-Rates über den Vorschlag der EU-Kommission für den Ermächtigungsbeschluss zur verstärkten Zusammenarbeit ist nach den EU-Verträgen die Zustimmung des EU-Parlaments erforderlich. Diese liegt noch nicht vor. Es ist somit davon auszugehen, dass der Ecofin-Rat am 13. November 2012 keine Entscheidung über den Vorschlag der EU-Kommission treffen wird. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand der Bundesregierung plant die EU-Kommission, ihren Vorschlag für die Ausgestaltung einer Finanztransaktionsteuer im Wege der verstärkten Zusammenarbeit nach der Annahme des Ermächtigungsbeschlusses vorzulegen. Die Bundesregierung wird den Vorschlag prüfen und – soweit erforderlich – die vereinbarten Ziele aus dem Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung in die Verhandlungen einbringen. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/11282, Fragen 46 und 47): Welchen Gruppen von Betroffenen, die nicht formal als Verfolgte des NS-Regimes im Sinne des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes anerkannt sind, kann eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 8 a des Einkommensteuergesetzes gewährt werden, und wie soll eine hinreichende Information der Betroffenen und der Beschäftigten in den Finanzbehörden und bei der Deutschen Rentenversicherung erreicht werden (vergleiche Antwort der Bundesregierung vom 4. Oktober 2012 auf meine schriftliche Frage 31 auf Bundestagsdrucksache 17/10925)? Welche Bedingungen – Art der Prüfung, Form, Inhalt und Umfang der Unterlagen – sind bisher als Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung anerkannt worden, und wäre nicht angesichts des zumeist hohen Alters der Betroffenen eine regelhafte Einbeziehung des Verfolgtenstatus nach Entschädigungsrentengesetz sinnvoll? Zu Frage 46: Die Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 8 a Einkommensteuergesetz wird jenen Personen gewährt, die – ohne formal als Verfolgte des NS-Regimes anerkannt zu sein – die Voraussetzungen des § 1 Bundesentschädigungsgesetz, BEG, erfüllen. Nach dieser Vorschrift ist Verfolgter, „wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen oder in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat“. Weitere Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist in jedem Fall, dass in der Sozialversicherungsrente rentenrechtliche Zeiten aufgrund der Verfolgung enthalten sind. Nur dann besteht ein Zusammenhang zwischen der Sozialversicherungsrente und der Verfolgung durch das NS-Regime. Die Finanzbehörden prüfen die Voraussetzungen des § 3 Nr. 8 a EStG, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass die Steuerbefreiung in Betracht kommt. Im Wege der Amtshilfe ist ihnen hierbei die Deutsche Rentenversicherung behilflich. Außerdem werden potenziell Betroffene in Anschreiben der Finanzämter und in Bescheiden auf die Regelung hingewiesen. Zu Frage 47: Die Erhebung der Einkommensteuer obliegt den Finanzbehörden der Länder. Diese haben die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 8 a EStG in vielen Fällen automatisch, aufgrund des Ergebnisses der Amtshilfe durch in- und ausländische Behörden gewährt. Im Übrigen hängt es von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, welche Unterlagen zum Nachweis der Voraussetzungen erforderlich sind. Die Entscheidung hierüber trifft die zuständige Landesfinanzbehörde. Die Prüfung der Voraussetzungen des § 3 Nr. 8 a EStG erfolgt nach einheitlichen Grundsätzen. Abgestellt wird dabei auf die Voraussetzungen des § 1 Bundesentschädigungsgesetz. Eine Ausdehnung der Befreiungsvorschrift auf Personengruppen, die die Voraussetzungen des § 1 Bundesentschädigungsgesetz nicht erfüllen, stünde hierzu im Widerspruch und ist folglich nicht zulässig. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fragen des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Fragen 48 und 49): Wie beurteilt die Bundesregierung das Vorhaben der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, EBRD, Garantien in Höhe von 40 Millionen Euro für die Vermarktung von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln in Osteuropa bzw. der Türkei bereitzustellen – Monsanto Risk Sharing –, und welche Position wird die Bundesregierung bei der Entscheidung über diese Garantiebewilligung Mitte Januar 2013 bei dem Treffen der Mitgliedsländer der EBRD einnehmen? Wie beurteilt die Bundesregierung die möglichen Auswirkungen des Projekts „Monsanto Risk Sharing“ der EBRD auf die agrarwirtschaftlichen Strukturen in (Ost)Europa vor dem Hintergrund der erheblich gestiegenen globalen Konzentration der Saatgutmärkte mit einer dominierenden Marktmacht weniger großer Konzerne wie die Monsanto Agrar Deutschland GmbH, insbesondere im Hinblick auf den Verlust an -Agrobiodiversität, der genetischen Sortenvielfalt bei Nutzpflanzen und der Verfügbarkeit von nichtgentechnisch verändertem Saatgut für die Landwirtschaft? Zu Frage 48: Zu dem Projekt liegen gegenwärtig noch keine konkreten Angaben vor. Die Entscheidung im zuständigen Entscheidungsgremium der EBRD, dem Exekutivdirektorium, ist am 15. Januar 2013 vorgesehen. Die Entscheidungsvorlage der EBRD wird frühestens Ende Dezember 2012 erwartet. Daher kann das Projekt mit seinen Auswirkungen von der Bundesregierung derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Zu Frage 49: Die Auswirkungen des Projekts können von der Bundesregierung nicht beurteilt werden, da die konkrete Entscheidungsvorlage der EBRD noch nicht vorliegt. Auf die Antwort zu Frage 48 wird verwiesen. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Fra-ge 50): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 zum Asylbewerberleistungsgesetz (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11), nach welchem die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde migrationspolitisch nicht zu relativieren ist, bei flüchtlingsrechtlichen Fragen – Residenzpflicht, Existenzminimum, Sachleistungen, Arbeitserlaubnis, Integrationskurse etc. –, und wann wird sie dieses Urteil umsetzen? Die Bundesregierung wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts entsprechend den dort aufgestellten Grundsätzen umsetzen und unverzüglich eine Neuregelung zur Sicherung des Existenzminimums von Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vorlegen. Wie die Neubemessung im Einzelnen erfolgen wird und ob darüber hinaus mit dem Gesetzgebungsvorhaben noch andere Änderungen angestrebt werden, wird innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 51): Hält die Bundesregierung es für zulässig, dass Vermittler beim Jobcenter Arbeitslose – mit oder ohne deutsch klingendem Namen – im Vermittlungsgespräch zu einem eigenen Migrationshintergrund oder einem etwaigen der Eltern befragen, wie mir dies vom Jobcenter in Berlin-Steglitz berichtet wurde, und wie rechtfertigt die Bundesregierung gegebenenfalls solche Fragen? Die Erhebung des Merkmals Migrationshintergrund durch die Agenturen für Arbeit und Jobcenter wird von der Bundesregierung als zulässig erachtet. Sie erfolgt gemäß § 281 Abs. 2 SGB ausschließlich zu statistischen Zwecken. Die Daten werden anonymisiert. Der Gesetzgeber hat bereits mit der Verabschiedung des sogenannten Job-AQTIV-Gesetzes 2001 die Forderung verbunden, Personen mit Migrationshintergrund in den Förderstatistiken der Bundesagentur für Arbeit -gesondert zu berücksichtigen. Mit dem Gesetz zur Einführung der Unterstützten Beschäftigung vom 22. Dezember 2008 wurde eine gesetzliche Grundlage zur -Erhebung des Migrationshintergrundes sowie eine Verordnungsermächtigung durch den Gesetzgeber geschaffen. Die Verordnung zur Erhebung der Merkmale des Migrationshintergrundes (Migrationshintergrund-Erhebungsverordnung – MighEV) wurde am 29. September 2010 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Der Migrationshintergrund soll in der Arbeitsmarkt- und Grundsicherungsstatistik als weiteres soziodemografisches Merkmal eingeführt werden und dort bereits vorhandene Merkmale wie Nationalität ergänzen. Um spezifische arbeitsmarktpolitische Maßnahmen auf Bundesebene steuern und wirksam weiterentwickeln zu können, werden aussagekräftige und detaillierte statistische Daten benötigt. Eine genaue Beobachtung der Arbeitslosigkeit sowie die Analyse des Zugangs einzelner Zielgruppen zu arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sind -dabei unumgänglich. Die Erfassung des Merkmals deutscher oder ausländischer Staatsangehörigkeit ist insbesondere mit Hinblick auf die Veränderungen im Staatsangehörigkeitsrecht und dem verstärkten Zuzug von Spätaussiedlern aus den postkommunistischen Staaten nach 1990 zunehmend weniger geeignet, Zuwanderer zu erfassen. Auch in anderen Bereichen – wie beispielsweise der Schulstatistik – bestehen Initiativen, Personen mit Migrationshintergrund genauer zu berücksichtigen, um den besonderen Bildungsbedarfen und den Anforderungen an Hilfestellungen für diese Personengruppe besser gerecht werden zu können. Auch wird von Europäischen Gremien zunehmend gefordert, Migranten – und damit ein weiterer Personenkreis als der mit ausländischer Staatsangehörigkeit – in Bevölkerungsstatistiken zu berücksichtigen. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 52): Welche Position bezieht die Bundesregierung zu den Forderungen, bei der Novelle des Tierschutzgesetzes kein Verbot des Schenkelbrands bei Pferden einzuführen und den Zeitpunkt für das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration über 2017 hinaus zu verschieben? Die Position der Bundesregierung ergibt sich aus dem von ihr beschlossenen Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes. Dem Deutschen Bundestag steht es als Gesetzgeber frei, das Gesetz auch in abgeänderter Form zu beschließen. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/11282, Fragen 53 und 54): Welche Schlussfolgerungen zieht und welche Aktivitäten unternimmt die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass nach Selbsteinschätzung 94 Prozent der Frauenhäuser für Frauen mit Behinderungen „nicht geeignet“ oder nur „teils-teils geeignet“ sind und lediglich 25 Prozent der Fachberatungsstellen sich als für Frauen mit Behinderungen geeignet erweisen (siehe Unterrichtung durch die Bundesregierung, „Bericht zur Situation der Frauenhäuser, der Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbe-troffene Frauen und deren Kinder“, Bundestagsdrucksache 17/10500)? Was hat die Bundesregierung seit Inkraftreten der UN-Behindertenrechtskonvention am 26. März 2009 zur Verbesserung der Lebenssituation von Frauen und Mädchen mit Behinderungen, insbesondere mit Blick auf die Art. 5, 6, 16, 17, 23, 25 und 31, getan, und welche Ergebnisse wurden dabei erzielt? Zu Frage 53: Die angesprochene Bestandsaufnahme zeigt: Für Frauen mit Behinderungen sind viele Angebote in Abhängigkeit von der Art der Behinderung bislang nur bedingt geeignet: 28 Prozent der Frauenhäuser gaben an, sie seien für Frauen mit Behinderung nicht geeignet; 66 Prozent halten sich für teilweise geeignet; 7 Prozent der Frauenhäuser halten sich für gut geeignet. Probleme werden wegen fehlender barrierefreier, insbesondere rollstuhlgerechter Ausstattung genannt, weniger wegen fehlender perso-neller oder fachlicher Qualifikation. Von den Fachberatungsstellen gaben 9 Prozent an, sie seien für Frauen mit Behinderungen nicht geeignet, 61 Prozent teilweise geeignet; 27 Prozent halten sich für gut geeignet, und 3 Prozent sind auf diese Zielgruppe spezialisiert. Die Bundesregierung ist sehr daran interessiert, dass die Hilfsangebote für Frauen mit Behinderungen geeignet sind. Allerdings fallen die räumliche und personelle Ausstattung sowie die fachliche Ausrichtung der Unterstützungsangebote in die Zuständigkeit der Länder und Kommunen. Die Bundesregierung unterstützt die Qualitätsdiskussion in den Einrichtungen unter anderem durch finanzielle Förderung der bundesweiten Vernetzungsstellen der Frauenhäuser, Frauenhauskoordinierung e. V., sowie der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, bff e. V. Mit finanzieller Förderung des BMFSFJ wurde zudem ein Ratgeber für Beraterinnen „Gut beraten“ durch die Politische Interessenvertretung behinderte Frauen – Weibernetz e. V. erstellt. Als zentrale Maßnahme im Bereich Gewalt gegen Frauen richtet die Bundesregierung derzeit ein bundesweites Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ein. Das Hilfetelefon wird eine wichtige Ergänzung zu den bestehenden Einrichtungen vor Ort gerade für solche Gewaltopfer sein, für die der Weg in eine Beratungsstelle körperlich, sprachlich oder kulturell bedingt eine große Hürde darstellt, wie für Frauen mit Behinderung und Migrantinnen. Im Hilfetelefongesetz, § 4 Abs. 4, ist ausdrücklich geregelt, dass die Angebote des Hilfetelefons barrierefrei und mehrsprachig einzurichten sind. Zu Frage 54: Mit dem Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention vom 15. Juni 2011 wurde eine langfristige Gesamtstrategie zur Umsetzung des Übereinkommens erstellt. Die Aktivitäten der Bundesregierung zur Verbesserung der Lebenssituationen von Frauen und Mädchen mit Behinderungen wurden dabei sowohl in einem eigenen Handlungsfeld „Frauen mit Behinderungen“ als auch als Querschnittsthema „Gender Mainstreaming“ umfassend berücksichtigt und betreffen sowohl die Art. 5, 6, 16, 17, 23, 25 und 31. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BMFSFJ, herausgegebenen Repräsentativstudie „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen“ und der dadurch belegten hohen Gewaltbelastung von Frauen mit Behinderung liegt ein Schwerpunkt auf dem Schutz und der Prävention von Frauen mit Behinderungen vor Gewalt und Diskriminierung. Dazu hat das BMFSFJ unter anderem folgende Projekte gefördert: „Frauenbeauftragte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und den Wohneinrichtungen“ und „Politische Interessenvertretung behinderte Frauen – Weibernetz e. V.“ Der künftige Bericht der Bundesregierung zu den Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen wird die Lebenslagen von Frauen und Mädchen mit Behinderungen berücksichtigen und im Rahmen der Verfügbarkeit der Daten die Indikatoren geschlechterdifferenziert aufbereiten. Anlage 38 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Fragen des Abgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE) (Drucksache 17/11282, Fragen 55 und 56): Sehen die Pläne der Bundesregierung für den Fall, dass sie die Praxisgebühr abschaffen, aussetzen oder umgestalten will, einen Ausgleichsmechanismus für die Krankenkassen vor, die dadurch bevorteilt oder benachteiligt würden? Welche Merkmale an der Versichertenstruktur von Krankenkassen führen zusammen mit den Plänen der Bundesregierung bezüglich der Praxisgebühr zu einer künftigen Besser- oder Schlechterstellung dieser Kassen, gemessen am Status quo? Zu Frage 55: Die die Bundesregierung tragenden Koalitionspartner von CDU, CSU und FDP haben beschlossen, die sogenannte Praxisgebühr zum 1. Januar 2013 abzuschaffen. Die damit verbundenen Fragen werden im Rahmen der Erarbeitung des entsprechenden Gesetzentwurfs geklärt. Im Übrigen können valide Aussagen zu den unterschiedlichen Auswirkungen einer Abschaffung der Praxisgebühr auf die einzelnen Krankenkassen nicht getroffen werden. Zu Frage 56: Auf die Antwort zu Frage 55 wird verwiesen. Tendenziell ist davon auszugehen, dass Krankenkassen mit einem deutlich überproportionalen Anteil an Zuzahlungsbefreiungen durch die seinerzeitige Einführung der Praxisgebühr und weitere deutliche Zuzahlungsanhebungen in Verbindung mit den Härtefallregelungen durch das GKV-Modernisierungsgesetz ab dem Jahr 2004 eher belastet wurden. Etwaige Mehrbelastungen im Zusammenhang mit der Einführung der Praxisgebühr würden somit mit der Abschaffung der Praxisgebühr vermutlich wieder aufgehoben. Anlage 39 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Drucksache 17/11282, Frage 57): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich der in der Fernsehsendung Frontal 21 vom 30. Oktober 2012 erhobenen Vorwürfe, dass die gesetzliche Krankenkasse KKH-Allianz (Ersatzkasse) schwererkrankte Mitglieder zur Kündigung gedrängt haben soll (laut Medienberichten vom 1. November 2012 hat die Aufsichtsbehörde, das Bundesversicherungsamt, bis Anfang der Woche eine Antwort der Krankenkasse eingefordert), und welche Konsequenzen bzw. Sanktionen erachtet die Bundesregierung zum Schutze der Mitglieder für notwendig, sollten sich diese Vorwürfe bestätigen oder ähnliche Vorfälle ereignen? Das Fernsehmagazin Frontal 21 hat in seiner Sendung vom 30. Oktober 2012 den Vorwurf erhoben, die KKH-Allianz habe schwerkranke und damit besonders teure Versicherte dazu aufgefordert, ihre Mitgliedschaft zu kündigen. Die Bundesregierung verfügt abgesehen von der Berichterstattung über keine weiteren Erkenntnisse zu den Vorwürfen gegenüber der KKH-Allianz. Den Mitgliedern einer gesetzlichen Krankenkasse steht nach § 175 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, SGB V, ein Wahlrecht zu, das frei und ohne Einflussnahme Dritter auszuüben ist. Krankenkassen dürfen -niemanden zu einer Kündigung auffordern und keine -Risikoselektion zulasten schwerkranker und teurer Versicherter betreiben. Zu diesen Zwecken dürfen auch die Daten der Versicherten einer Krankenkasse nicht ausgewertet werden. Sollten sich die Vorwürfe gegenüber der KKH-Allianz bewahrheiten, hat sie gegen geltendes Recht verstoßen. Es ist Aufgabe der Aufsichtsbehörden, sicherzustellen, dass die gesetzlichen Krankenkassen Recht und Gesetz einhalten. Sofern ein Rechtsverstoß vorliegt, stehen den Aufsichtsbehörden die allgemeinen Aufsichtsmittel zur Verfügung, um die Rechtsverletzung zu beheben. Das Bundesversicherungsamt als für die KKH-Allianz zuständige Aufsichtsbehörde hat die Krankenkasse um Stellungnahme bis zum 7. November 2012 aufgefordert. Diese Stellungnahme wird zunächst auszuwerten sein. Anlage 40 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Drucksache 17/11282, Frage 58): Ist die Bundesregierung weiterhin der Meinung, dass der derzeit existierende krankheitsorientierte Risikostrukturausgleich, Morbi-RSA, der einen gewissen finanziellen Ausgleich zwischen den einzelnen Krankenkassen auch hinsichtlich des Krankheitszustands ihrer Versicherten und der daraus entstehenden Behandlungskosten erzeugen soll, ausreichend sei bzw. gar reduziert und vereinfacht werden sollte, wie es im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP steht, oder stimmt die Bundesregierung damit überein, dass trotz Morbi-RSA gesunde Versicherte weiterhin für die Krankenkassen das bessere Risiko darstellen und insbesondere bei der Ab-deckung der Leistungsausgaben für multimorbide Versicherte Verbesserungsbedarf besteht? Der Evaluationsbericht des Wissenschaftlichen Beirats zum Jahresausgleich 2009 im Risikostrukturausgleich hat ergeben, dass die Zielgenauigkeit des Morbi-RSA gegenüber dem Alt-RSA deutlich verbessert wurde. Die Berücksichtigung der Morbidität der Versicherten hat zu einer deutlichen Verbesserung bei der Deckung der durchschnittlichen Leistungsausgaben auf Individual-, Gruppen- und Kassenebene geführt. Das heißt, die Finanzausstattung der Krankenkassen mit vielen kranken Versicherten hat sich insgesamt deutlich verbessert. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse vertritt die Bundesregierung weiterhin die Auffassung, dass wesentliche Änderungen des Morbi-RSA derzeit nicht vorzunehmen sind. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Fra-ge 59): Welche Festlegungen des Bundes schreiben vor, dass die Länder die Realwerte statt der Nominalwerte der Vorhaben zum Bundesprogramm des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes, GVFG, anmelden müssen, und wie verhält sich die Bundesregierung dazu, dass nur die aktuellen Nominalwerte die tatsächlichen Gesamtkosten der Vorhaben im GVFG-Bundesprogramm wiedergeben? Im Rahmen des Programms gemäß § 6 Abs. 1 Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, GVFG, unterstützt der Bund die Länder in finanzieller Hinsicht, indem er ihnen Finanzhilfen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden gewährt. Die Anmeldungen für das GVFG-Bundesprogramm erfolgen durch die Länder. Diese beziffern die Gesamtkosten in eigener Zuständigkeit; hier gibt es keine Festlegungen. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Fra-ge 60): Welche Position vertritt die Bundesregierung hinsichtlich der Möglichkeit, eine Gesetzesgrundlage zu schaffen, die definiert, unter welchen Umständen eine Vollschranken- in eine Halbschrankenanlage umgewandelt werden kann, und in welcher Weise beabsichtigt sie in dieser Frage aktiv zu werden? Ob für einen Bahnübergang eine Voll- oder eine Halbschranke zu errichten ist, wird im Rahmen der Planfeststellung unter Berücksichtigung der Belange des kreuzenden Straßenverkehrs verbindlich festgelegt. Maßgebliche Kriterien hierbei sind unter anderem die Dichte der Zugfolge, die Intensität des Straßenverkehrs und die Nutzung durch Fußgänger, insbesondere durch Kinder. Da die Entscheidung, ob ein Bahnübergang mit Halb- oder Vollschranken aus- oder umzurüsten ist, immer das Ergebnis einer Einzelfallbetrachtung darstellt, ist die Schaffung gesetzlicher Vorschriften nicht geplant. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 17/11282, Frage 61): Warum hat die Deutsche Bahn AG nach Kenntnis der Bundesregierung ihre öffentliche Ankündigung vom April 2012 (vergleiche den Tagesspiegel, 27. April 2012, und Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke „Ausbleibende Unterstützung für den Zug der Erinnerung“, Bundestagsdrucksache 17/11227), 30 000 Euro aus Gebühren, die der Zug der Erinnerung an Gebühren entrichtet hatte, an die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“, EVZ, zu spenden, bislang nicht umgesetzt, und inwieweit wird sie diese Ankündigung noch umsetzen? Der Bundesregierung hat zu der Gesamtthematik erst vor wenigen Tagen umfassend im Rahmen der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, Bundestagsdrucksache 17/10939, Stellung genommen. Ergänzend weist die Bundesregierung auf Folgendes hin: Der Bundesregierung ist eine öffentliche Ankündigung der Deutschen Bahn AG, DB AG, vom April 2012 nicht bekannt, wonach die DB AG zugesagt haben soll, 30 000 Euro, die der Zug der Erinnerung in der Vergangenheit an Trassenentgelten entrichtet hatte, an die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“, EVZ, zu spenden. In Anerkennung des Anliegens des Vereins Zug der Erinnerung hat die DB AG bereits 2009 in Abstimmung mit der Bundesregierung eine Spende von 175 000 Euro an die EVZ überreicht, wovon 150 000 Euro dem Verein Zug der Erinnerung zugutegekommen sind. Nach Gesprächen mit verschiedenen Opferverbänden hat sich die DB AG im Jahr 2010 in Abstimmung mit der Bundesregierung dazu entschlossen, weitere Spendenmittel in Höhe von 5 Millionen Euro für humanitäre Projekte der Stiftung EVZ zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung begrüßt es ausdrücklich, dass die DB AG nunmehr zugesagt hat, etwaige Einnahmen aus Trassenentgelten, die aus Fahrten des Zugs der Erinnerung seit Januar 2012 generiert werden, der Stiftung EVZ zukommen zu lassen. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 62): Welche Organisationen und Interessengruppen auch von studentischer Seite sollen zu dem vom Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, vorgeschlagenen Runden Tisch zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum für Studierende, der noch nicht terminiert ist, eingeladen werden, und mit welchen eigenen Initiativen auch finanzieller Art und Vorschlägen über bloße Appelle oder Vorwürfe an die Adresse der Länder, sie seien für den Wohnungsmarkt zuständig, auf der Anklagebank sitze aber der Bundesminister und nicht ein Landesminister (siehe „Ramsauer will Studenten kasernieren“, erschienen in der Financial Times Deutschland vom 17. Oktober 2012), hinaus werden der Bundesminister und die Bundesregierung den Runden Tisch zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum für Studierende zum Erfolg führen? Das Gespräch wird in Kürze terminiert. Die Einzelheiten werden derzeit abgestimmt. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 63): Warum hat die Bundesregierung darauf verzichtet, in der vergangenen Sitzung des Aufsichtsrates der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, FBB, am 1. November 2012 auf die Ablösung des Flughafenchefs Dr. Rainer Schwarz zu drängen, und wird die Bundesregierung weitere Gelder für den Flughafen Berlin Brandenburg, BER, bereitstellen, wenn Dr. Rainer Schwarz im Amt bleibt? Der Bund ist am Stammkapital der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, FBB, mit 26 Prozent beteiligt. Im drittelparitätisch besetzten Aufsichtsrat der FBB, der für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung zuständig ist, sind für den Bund zwei von insgesamt 15 Aufsichtsratsmitgliedern vertreten. Beschlüsse des Aufsichtsrates bedürfen mindestens einer einfachen Mehrheit. Dennoch konnte der Bund erfolgreich auf eine gemeinsame Beschlusslinie im Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 1. November 2012 hinwirken. Der einstimmige Beschluss des Überwachungsorgans zielt auf eine zeitnahe Aufklärung der Ursachen und Folgen sowie der Verantwortlichkeiten – insbesondere unter haftungsrechtlichen Aspekten – ab. Dies erfolgt unter Hereinnahme externen Sachverstands. Die Bundesregierung sieht sich unverändert in der Mitverantwortung, das Projekt Hauptstadtflughafen BER zu verwirklichen und eine entsprechende Kapitalausstattung der Gesellschaft sicherzustellen. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 64): Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Verbesserung des Schienenverkehrs zwischen Deutschland und Polen, und welchen konkreten Zeitplan bezüglich der Umsetzung der Einzelmaßnahmen legt die Bundesregierung derzeit zugrunde? Der Ausbau der grenzüberschreitenden Eisenbahnverbindungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen hat für Deutschland hohe Priorität. Mehrere Ausbauprojekte sind bereits abgeschlossen oder weit vorangekommen, unter anderem der Ausbau der Strecke Berlin–Frankfurt (Oder)–Grenze Deutschland/Polen und der Strecke Berlin–Cottbus–Görlitz. Im Zuge des Ausbaus der grenzüberschreitenden -Strecke Berlin–Frankfurt (Oder)–Grenze Deutschland (Deutschland/Polen) ist der 56 Kilometer lange Abschnitt Erkner–Frankfurt (Oder) bereits seit Dezember 2006 für eine Streckengeschwindigkeit von 160 Kilometer pro Stunde befahrbar, im Dezember 2008 wurde die neue Eisenbahngrenzbrücke über die Oder bei Frankfurt (Oder) in Betrieb genommen. Zwischenzeitlich wurde der Umbau des Bahnhofs Erkner im November 2009 abgeschlossen. Derzeit erfolgt der Ausbau des Abschnittes Berlin–Erkner, der voraussichtlich Ende 2016 fertiggestellt sein soll. Mit dem zweigleisigen Ausbau einschließlich Elektrifizierung der Vorrangstrecke für den Güterverkehr -Hoyerswerda–Horka–Grenze Deutschland/Polen wurde im Frühjahr 2012 begonnen. Ziel ist es, den Ausbau, der abschnittsweise unter Totalsperrung erfolgt, im Jahre 2016 abzuschließen. Zur Fertigstellung des Ausbaus und der Elektrifizierung der Strecke Berlin–Stettin (Szcezcin) hat die deutsche Seite nunmehr Einvernehmen mit der polnischen Seite erzielt. Eine Fertigstellung wird bis 2020 angestrebt. Eine Unterzeichnung des erforderlichen Ressort-abkommens mit Polen wird von beiden Seiten für Dezember 2012 vorbereitet. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/11282, Frage 65): Ist die Bundesregierung bereit, die im Rahmen der Umstrukturierung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, WSV, beabsichtigte Errichtung einer Generaldirektion auch ohne ein Rechtsbereinigungsgesetz durchzuführen, und, wenn ja, welche Aufgaben wird diese zusätzliche Behörde übernehmen, wenn nicht im gleichen Zug die sieben Wasser- und Schifffahrtsdirektionen in Außenstellen umgewandelt werden? Das Zuständigkeitsanpassungsgesetz ist keine Voraussetzung für die Arbeitsaufnahme der neuen zentralen Behörde. Sie wird zunächst die bisher vom BMVBS wahrgenommenen konzeptionellen und operationellen Steuerungsaufgaben in den Bereichen Personal, Organisation und Haushalt sowie die nicht einzelnen Wasser- und Schifffahrtsdirektionen zugewiesenen mittelbehördlichen Fachaufgaben wahrnehmen. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/11282, Frage 66): Welche Investitionen werden an Binnenwasserstraßen der Kategorie „sonstige Wasserstraßen“ in Zukunft noch durchgeführt, wenn die Bundesregierung ihre Pläne im Rahmen der Reform der WSV umsetzt, und was entgegnet die Bundesregierung Wassersportlern und -touristen, die um Instandhaltung und Betrieb der Schleusen von Binnenwasserstraßen fürchten, auf denen kein gewerblicher Gütertransport stattfindet? Für Bundeswasserstraßen, die entsprechend ihres geringen Transportbedarfs als „sonstige Wasserstraße“ eingestuft wurden, bedeutet die Kategorisierung, dass grundsätzlich der bestehende Zustand erhalten werden soll, soweit dies wirtschaftlich vertretbar ist. Anlage 49 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Herbert Behrens (DIE LINKE) (Drucksache 17/11282, Fragen 67 und 68): Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass der MOX-Transport – MOX: Mischoxid – über den Wesertunnel geschickt werden könnte, obwohl dort bei einem Brand die Hitze nicht abziehen kann und der Behälter nur auf einen 30minütigen Brand von 800 Grad Celsius ausgelegt ist, obwohl zum Beispiel ein Propangasbrand 2 000 Grad Celsius erreichen kann? Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, dass der MOX-Transport über die A 27 Richtung Bremen geschickt werden könnte, obwohl der Transport dann zwischen der Abfahrt Uthlede und Schwanewede wegen einer Baustelle voraussichtlich bis zum 21. November 2012 einspurig über 10 Kilometer auf der Gegenseite geführt werden müsste und es dabei durch die Einwirkung von Dritten leicht zu einem Unfall kommen könnte? Aus Gründen des physischen Schutzes von Transporten gegen Einwirkungen Dritter werden keine Angaben zum Transportzeitpunkt und zur Strecke, auf der ein solcher Transport geführt wird, gemacht. Eventuelle Einschränkungen im Straßenverkehr werden bei der Planung der Transporte berücksichtigt, gegebenenfalls wäre die Genehmigung entsprechend anzupassen. Im Hinblick auf die angesprochenen Unterschiede bei den Prüfungen im Rahmen der verkehrsrechtlichen Zulassung eines Behälters für den Transport von zum Beispiel Mischoxid-Brennelementen – Mischoxid = MOX – und realen Brandszenarien weise ich darauf hin, dass ein Behälter so auszulegen ist, dass ein einhüllendes Feuer von mindestens 800 Grad Celsius auch nach 30 Minuten zu keinem Verlust der Integrität des Behälters führt. Bei realen Bränden mögen lokal höhere Temperaturen gemessen werden, jedoch sind diese praktisch nicht einhüllend und wirken auch nicht über die gesamte Zeit von 30 Minuten. An Behältern nachgestellte „realistische“ Unfallszenarien zum Beispiel auch mit Propangasexplosionen haben noch nie zu einem Versagen eines sogenannten Typ-B-Behälters geführt. Anlage 50 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 69): Welche inhaltlichen Punkte sollen nach jetzigem Stand auf der kommenden Sitzung der Deutsch-Tschechischen Kommission am 21. November 2012 in Berlin behandelt werden – bitte möglichst konkrete Angabe inklusive Hinweis, ob sie bereits Bestandteil einer (gegebenenfalls vorläufigen) Tagesordnung sind –, und welche Punkte hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, unabhängig davon bzw. darüber hinaus bislang für sich ins Auge gefasst, die es ansprechen/behandeln möchte (bitte ebenfalls möglichst konkrete Angabe)? Es werden die üblichen Tagesordnungspunkte behandelt, die die gegenseitige Information über legislative und administrative Fragen der Aufsichtsbehörden sowie über den Betrieb der Kernkraftwerke im vergangenen Jahr beinhalten. Ansonsten ist die Abstimmung der Tagesordnung noch nicht abgeschlossen. Anlage 51 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 70): Seit wann liegt dem BMU die Schweizer Studie „Probabilistische Erdbebengefährdungsanalyse für die KKW-Standorte in der Schweiz“ inklusive Anlagen aus dem Jahr 2004 vor (sogenannte Pegasos-Studie), und hat das BMU – unabhängig davon, dass es keine Atomaufsichtszuständigkeit für Schweizer Atomkraftwerke innehat – zu dieser Studie interne Auswertungen/Vermerke erstellt (gegebenenfalls bitte mit Erläuterung)? Der Bericht der damaligen schweizerischen Behörde Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen, HSK, „Neubestimmung der Erdbebengefährdung an den Kernkraftwerksstandorten in der Schweiz (Projekt Pegasos)“ vom Juni 2007 wurde am 27. Juni 2007 Pressevertretern vorgestellt. Er ist auf der Internetseite des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI – Nachfolgeorganisation der HSK – öffentlich zugänglich und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bekannt. Interne Auswertungen/Vermerke des BMU zur Pegasos-Studie – Probabilistische Erdbebengefährdungsanalyse für die KKW-Standorte in der Schweiz – liegen nicht vor. Anlage 52 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Fragen 71 und 72): Inwieweit schließt sich die Bundesregierung der kürzlich veröffentlichten Position der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften e. V., acatech, zu den „Anpassungsstrategien in der Klimapolitik“ an, und plant die Bundesregierung diese Position in ihrer Klimapolitik zu berücksichtigen (bitte mit Begründung)? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass – insbesondere angesichts der aktuellen Sturmereignisse in den USA – die von der acatech getroffene Aussage, dass die Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland für die kommenden Jahrzehnte in der Regel beherrschbar sind (vergleiche www.aca tech.de/de/aktuelles-presse/sonderseiten/anpassung-klimawan del.html), verharmlosend wirkt, und welche Schlüsse zieht sie aus dem Rückzug renommierter Klimaforscher wie Hans von Storch und Wolfgang Cramer sowie Paul Becker vom Deutschen Wetterdienst und Jürgen Schmid vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik, die während der Erarbeitung ihre Mitarbeit wegen fehlender „Tiefe“ aufgekündigt hatten (www.faz.net/aktuell/wissen/klima/klimaforschung-wie-man-wissenschaft-im-regen-stehen-laesst-118948 23.html)? Zu Frage 71: Die Bundesregierung versteht die Anpassung an die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels neben dem Klimaschutz als unverzichtbare zweite Säule einer verantwortungsbewussten Klimapolitik, da auch bei Einhaltung der 2-Grad-Celsius-Obergrenze mit regional unterschiedlichen Klimawandelfolgen zu rechnen sein wird, die Anpassung erforderlich machen. Die Auswirkungen des Klimawandels sind jedoch nur dann durch Anpassungsstrategien zu bewältigen, ohne dass der Anpassungsaufwand ständig zunimmt, wenn der Klimawandel durch konsequenten Klimaschutz begrenzt wird. Die Bundesregierung hat daher bereits im Dezember 2008 die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel vorgelegt und diese mit dem im August 2011 beschlossenen Aktionsplan zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel konkretisiert. Zu Frage 72: In der Sache geht die Bundesregierung davon aus, dass unter der Prämisse, dass die zur Erreichung der international vereinbarten 2-Grad-Celsius-Obergrenze notwendige Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2050 umgesetzt wird, die Folgen des Klimawandels durch geeignete und rechtzeitige Anpassungsmaßnahmen aufgefangen und schwerwiegende wirtschaftliche, ökologische und soziale Auswirkungen in Deutschland vermieden werden können. Bei einem höheren globalen Temperaturanstieg würden die Risiken des Klimawandels allerdings auch für Deutschland zunehmen, wobei sich neben den direkten Auswirkungen in Deutschland auch die indirekten Folgen der Auswirkungen eines beschleunigten Klimawandels in anderen Regionen der Welt auf das international stark vernetzte Deutschland verstärken würden. Deshalb ist und bleibt es vorrangiges Ziel der Bundesregierung, durch konsequente Klimaschutzpolitik den Klimawandel zu begrenzen und gleichzeitig die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass durch die jeweils verantwortlichen staatlichen Ebenen und den privaten Sektor rechtzeitig geeignete Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden. Hierzu ist nicht zuletzt eine weitere Verbesserung und Vertiefung der Wissensbasis über die Klimaerwärmung, mögliche Klimafolgen und ihre Auswirkungen sowie zu geeigneten Anpassungsmaßnahmen erforderlich. Anlagen 24656 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 203. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 7. November 2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 203. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 7. November 2012 24655 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 24672 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 203. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 7. November 2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 203. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 7. November 2012 24671