Plenarprotokoll 17/213 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 213. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen  17/11295,  17/11800, 17/11814) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Katja Dörner, Diana Golze und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge und die Rechte des männlichen Kindes bei einer Beschneidung (Drucksachen  17/11430,   17/11800, 17/11814) Stephan Thomae (FDP) Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) Kerstin Griese (SPD) Diana Golze (DIE LINKE) Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Florian Toncar (FDP) Raju Sharma (DIE LINKE) Dr. Carola Reimann (SPD) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Johannes Singhammer (CDU/CSU) Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Norbert Geis (CDU/CSU) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Christine Lambrecht (SPD) Thomas Heilmann, Senator (Berlin) Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aydan Özo?uz (SPD) Rolf Schwanitz (SPD) (Erklärung nach § 31 GO) Namentliche Abstimmungen Ergebnisse Tagesordnungspunkt 2: Antrag der Bundesregierung: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO auf Ersuchen der Türkei und auf Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung (Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen) sowie des Beschlusses des Nordatlantikrates vom 4. Dezember 2012 (Drucksache 17/11783) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMVg Dr. Rolf Mützenich (SPD) Michael Link, Staatsminister AA Jan van Aken (DIE LINKE) Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 3: Befragung der Bundesregierung: Reform des Verkehrszentralregisters Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Sören Bartol (SPD) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Uwe Beckmeyer (SPD) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Herbert Behrens (DIE LINKE) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Kirsten Lühmann (SPD) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Michael Groß (SPD) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Daniela Ludwig (CDU/CSU) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Gustav Herzog (SPD) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Martin Burkert (SPD) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Herbert Behrens (DIE LINKE) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Kirsten Lühmann (SPD) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Gustav Herzog (SPD) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Tagesordnungspunkt 4: Fragestunde (Drucksache 17/11786) Mündliche Frage 3 Uwe Beckmeyer (SPD) Direktzuweisung der Lkw-Maut an die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Uwe Beckmeyer (SPD) Mündliche Frage 4 Uwe Beckmeyer (SPD) Aufhebung des sogenannten Mautmoratoriums und Überarbeitung der Mauthöheverordnung Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Uwe Beckmeyer (SPD) Mündliche Frage 5 Martin Burkert (SPD) Schaffung einer begrenzten Kreditfähig-keit der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Martin Burkert (SPD) Mündliche Frage 6 Martin Burkert (SPD) Einbindung nichtbundeseigener Eisenbahninfrastruktur in das Schienengüterfernverkehrsnetz und Mittelvergabe für 2013 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär MVBS Zusatzfragen Martin Burkert (SPD) Mündliche Frage 7 Florian Pronold (SPD) Ertragsoptimierte Privatisierung der Transport- und Logistiksparten der Deutschen Bahn AG Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfrage Florian Pronold (SPD) Mündliche Frage 8 Florian Pronold (SPD) Ausschluss von Doppelmandaten bei der Holding und den Infrastrukturgesellschaften der Deutschen Bahn AG Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfrage Florian Pronold (SPD) Mündliche Frage 10 Ulrich Kelber (SPD) Förderung der Umrüstung von Güterwaggons auf lärmmindernde Bremssysteme mit einem Zuschuss nach Schweizer Vorbild Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Ulrich Kelber (SPD) Gustav Herzog (SPD) Mündliche Frage 11 Ulrich Kelber (SPD) Maßnahmen der Bundesregierung für ein EU-weites Umrüstprogramm für laute Güterwaggons Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Ulrich Kelber (SPD) Gustav Herzog (SPD) Mündliche Frage 12 Gustav Herzog (SPD) Berücksichtigung der Bundeswasserstraßen bei der Verteilung von Investitionsmitteln Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfrage Gustav Herzog (SPD) Mündliche Frage 13 Gustav Herzog (SPD) Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Mündliche Frage 14 Kirsten Lühmann (SPD) Präzisierung des Luftverkehrsgesetzes zur Sicherstellung von international wettbewerbsfähigen Betriebszeiten Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfrage Kirsten Lühmann (SPD) Mündliche Frage 15 Kirsten Lühmann (SPD) Neuregelung der Fahrzeugzulassung hin zu einem Onlinezulassungsverfahren Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Mündliche Frage 16 Sören Bartol (SPD) Finanzausstattung der Gemeindeverkehrsfinanzierung bis 2019 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfrage Sören Bartol (SPD) Mündliche Frage 17 Sören Bartol (SPD) Fortsetzung der Städtebauförderung auf dem Niveau des Jahres 2009 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Sören Bartol (SPD) Kirsten Lühmann (SPD) Mündliche Frage 22 Michael Groß (SPD) Anzahl der Sperrungen von Brückenbauwerken an Bundesfernstraßen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfrage Michael Groß (SPD) Mündliche Frage 23 Michael Groß (SPD) Kurzfristige Lösungen im Falle der Sperrung von Brückenbauwerken Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Michael Groß (SPD) Mündliche Frage 50 Jan van Aken (DIE LINKE) Vergabe öffentlicher Fördermittel für die Neupack Verpackungen GmbH & Co. KG in den letzten 20 Jahren Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Jan van Aken (DIE LINKE) Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Ralph Lenkert (DIE LINKE) Mündliche Frage 55 Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Verschiedene Staatsangehörigkeitsangaben für palästinensische Studierende in Deutschland Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Mündliche Frage 69 Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Anzahl der unter psychiatrische Betreuung gestellten Arbeitslosengeld-II-Empfänger Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Panzerlieferungen an Saudi-Arabien – Rüstungsexportentscheidungen der Bundesregierung und Vereinbarkeit mit den geltenden Regeln Klaus Barthel (SPD) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) Inge Höger (DIE LINKE) Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ulrich Lange (CDU/CSU) Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) Dr. Rainer Stinner (FDP) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Erich G. Fritz (CDU/CSU) Christoph Strässer (SPD) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichen Abstimmungen: – Gesetzentwurf der Abg. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) u. a.: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11430, 17/11800 und 17/11814) – Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814) – Änderungsantrag der Abg. Burkhard Lischka u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11815) – Änderungsantrag der Abg. Jerzy Montag u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11816) – Änderungsantrag der Abg. Dr. Carola Reimann u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11835) (Tagesordnungspunkt 1) Christine Buchholz (DIE LINKE) Sylvia Canel (FDP) Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Petra Ernstberger (SPD) Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Michael Groß (SPD) Rudolf Henke (CDU/CSU) Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) Ulrich Kelber (SPD) Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) Kirsten Lühmann (SPD) Dr. Matthias Miersch (SPD) Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Michael Paul (CDU/CSU) Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) Frank Schwabe (SPD) Raju Sharma (DIE LINKE) Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Marlies Volkmer (SPD) Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Heike Hänsel und Andrej Hunko (beide DIE LINKE) zu den namentlichen Abstimmungen: – Gesetzentwurf der Abg. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) u. a.: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11430, 17/11800 und 17/11814) – Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814) – Änderungsantrag der Abg. Burkhard Lischka u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11815) – Änderungsantrag der Abg. Jerzy Montag u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11816) – Änderungsantrag der Abg. Dr. Carola Reimann u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11835) (Tagesordnungspunkt 1) Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Thilo Hoppe und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu den namentlichen Abstimmungen: – Gesetzentwurf der Abg. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) u. a.: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11430, 17/11800 und 17/11814) – Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814) – Änderungsantrag der Abg. Burkhard Lischka u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11815) – Änderungsantrag der Abg. Jerzy Montag u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11816) – Änderungsantrag der Abg. Dr. Carola Reimann u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11835) (Tagesordnungspunkt 1) Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Memet Kilic und Arfst Wagner (Schleswig) (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu den namentlichen Abstimmungen: – Gesetzentwurf der Abg. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) u. a.: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11430, 17/11800 und 17/11814) – Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814) – Änderungsantrag der Abg. Burkhard Lischka u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11815) – Änderungsantrag der Abg. Jerzy Montag u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11816) – Änderungsantrag der Abg. Dr. Carola Reimann u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11835) (Tagesordnungspunkt 1) Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Kerstin Andreae, Cornelia Behm, Volker Beck (Köln), Claudia Roth (Augsburg), Marieluise Beck (Bremen), Katrin Göring-Eckardt, Sven-Christian Kindler, Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln), Dr. Konstantin von Notz, Lisa Paus, Dr. Hermann E. Ott und Josef Philip Winkler (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu den namentlichen Abstimmungen: – Gesetzentwurf der Abg. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) u. a.: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11430, 17/11800 und 17/11814) – Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814) – Änderungsantrag der Abg. Burkhard Lischka u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11815) – Änderungsantrag der Abg. Jerzy Montag u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11816) – Änderungsantrag der Abg. Dr. Carola Reimann u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11835) (Tagesordnungspunkt 1) Anlage 7 Mündliche Frage 1 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Möglichkeit der Fahrradmitnahme im ICE Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 8 Mündliche Frage 2 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufbringung von Tausalz auf Bundesfernstraßen im Winter 2011/2012 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 9 Mündliche Frage 9 Hans-Joachim Hacker (SPD) Kappung der Gewinnabführungsverträge zwischen der Holding und den Infrastruktursparten der Deutschen Bahn AG Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 10 Mündliche Frage 18 Ulrike Gottschalck (SPD) Bereitstellung zweckgebundener Mittel für die Länder zur Finanzierung von Maßnahmen der Wohnraumförderung Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 11 Mündliche Frage 19 Ulrike Gottschalck (SPD) Generationengerechte Gestaltung von Wohnraum Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 12 Mündliche Frage 20 Hans-Joachim Hacker (SPD) Neuregelung der Altschuldenhilfe für ostdeutsche Wohnungsunternehmen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 13 Mündliche Frage 21 Ute Kumpf (SPD) Umsetzung der Koalitionsvereinbarung zur Stärkung der Elektromobilität Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 14 Mündliche Frage 24 Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Weiteres Vorgehen beim Elbe-Saale-Kanal im Zuge des Gutachtens der Firma Planco Consulting GmbH Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 15 Mündliche Frage 25 Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitplan und Kosten der Realisierung des zweistreifigen Neubaus der B 6 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 16 Mündliche Frage 26 Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Finanzierung des vierstreifigen Neubaus der B 30 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 17 Mündliche Frage 27 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus dem Volksbegehren in Brandenburg zum Nachtflugverbot und Schaffung bundesweit einheitlicher Regelungen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 18 Mündliche Fragen 30 und 31 Dr. Bärbel Kofler (SPD) Auswirkungen einer etwaigen Änderung der Auktionierungsverordnung auf die Einnahmen des Energie- und Klimafonds und auf den Preis im Rahmen des CO2-Emissionshandels Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 19 Mündliche Frage 32 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bedeutung und Initiativen des Klubs der Energiewendestaaten im Rahmen der Weltklimakonferenz Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 20 Mündliche Frage 33 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutsche Position zur Stärkung des europäischen Emissionshandels im nächsten Climate Change Committee Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 21 Mündliche Fragen 34 und 35 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einnahmen aus der Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten für den Luftverkehr Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 22 Mündliche Frage 38 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Termine der Beratungskommissionen des BMU im Jahr 2013 Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 23 Mündliche Frage 39 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorliegende Unterlagen zum Grafenrheinfeld-Befund Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 24 Mündliche Fragen 40 und 41 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Praxis der Versendung der Projektsteckbriefe Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 25 Mündliche Frage 42 Oliver Kaczmarek (SPD) Anzahl der Mitglieder des Bundestages mit Bitte um den Versand von Projektsteckbriefen durch das BMBF seit April 2012 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 26 Mündliche Fragen 43 und 44 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Soziale Herkunft der Stipendiaten beim Deutschlandstipendium Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 27 Mündliche Frage 45 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Kompensationen für private Haushalte für die für 2013 angekündigten Strompreis-erhöhungen Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 28 Mündliche Fragen 46 und 47 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Fehlerhafte Strompreiserhöhungsbescheide und Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 29 Mündliche Frage 48 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Regelung der Befreiungstatbestände der Stromnetzentgeltverordnung bis Januar 2013 und Entlastungsvolumen für die übrigen Stromendkunden Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 30 Mündliche Frage 49 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rechtlicher Änderungsbedarf für den Einsatz von Fracking-Technologien Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 31 Mündliche Frage 51 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Änderung der Rüstungsexportrichtlinien Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 32 Mündliche Frage 52 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rolle Saudi-Arabiens bei der Stabilisierung des Nahen Ostens Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 33 Mündliche Fragen 53 und 54 Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Umgehung der gegen den Iran geltenden Sanktionen durch die Türkei bei Erdgaslieferungen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 34 Mündliche Frage 56 Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sicherheitsgefährdung Israels durch den fortgesetzten Siedlungsausbau Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 35 Mündliche Frage 57 Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausladung der Leiterin des Minerva-Zen-trums für Menschenrechte an der Universität Jerusalem von einer Diskussion mit Wissenschaftlern auf Druck von Ministerpräsident Netanjahu Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 36 Mündliche Frage 58 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stimmverhalten der ständigen Sicherheitsratsmitglieder in sogenannten RtoP-Situationen (Gefahr von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und ethnischen Säuberungen) Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 37 Mündliche Frage 59 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Ausgestaltung der EU-Mission in Mali und Rolle der Sicherheitskräfte Malis und der Truppen der Economic Community of West African States (ECOWAS) Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 38 Mündliche Frage 60 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Besetzung des Beirats der Stiftung Datenschutz Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 39 Mündliche Frage 61 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Veröffentlichung völkerrechtlicher Verträge; Wunsch Usbekistans nach Vertraulichkeit bei der Vertragsunterzeichnung des Transitabkommens Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 40 Mündliche Fragen 62 und 63 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bereitstellung der Materialsammlung für das NPD-Verbotsverfahren in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages; Erfolgsaussichten eines Verbotsantrags Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 41 Mündliche Frage 64 Andrej Hunko (DIE LINKE) Verfahren der Datenherausgabe aus der Vorratsdatenspeicherung an Ermittlungsbehörden der USA und Deutschland Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 42 Mündliche Frage 65 Klaus Ernst (DIE LINKE) Überprüfung des Verdachtes auf Scheinselbstständigkeit und Verstöße gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz bei einer Trockenbau GbR Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 43 Mündliche Frage 66 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anteil der Anträge nach dem Ausgleichsleistungsgesetz an den zum 31. Dezember 2011 offenen Anträgen nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) und Anzahl der Alteigentümer mit einer Vormerkung für einen EALG--begünstigten Alteigentümererwerb Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 44 Mündliche Frage 67 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutsche und europäische Umsetzung des in Brüssel vorgestellten Jugendbeschäftigungspakets Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 45 Mündliche Frage 68 Andrej Hunko (DIE LINKE) Etwaiger Verstoß gegen die Europäische Sozialcharta bei von der Troika aus Europäischer Zentralbank, Europäischer Kommission und Internationalem Währungsfonds mit Griechenland vereinbarten Regelungen Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 46 Mündliche Frage 70 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Abfluss der Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik im Jahr 2012 und Übertragung nicht abgeflossener Mittel in das Folgejahr Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 47 Mündliche Frage 71 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Bilanz der Programme „Initiative zur Flankierung des Strukturwandels“ und „Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen“ im Jahr 2012 Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 48 Mündliche Frage 72 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Entwicklung der Zahl von Rehabilitanden in der beruflichen Wiedereingliederung im Verhältnis zur Zahl von Werkstattbeschäftigten Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 49 Mündliche Fragen 73 und 74 Jutta Krellmann (DIE LINKE) Vermittlung von Arbeitskräften durch die Bundesagentur für Arbeit in die Neupack Verpackungen GmbH seit Beginn des dortigen Streiks und mögliche Sanktionen gegen diese Firma Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 50 Mündliche Frage 75 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Flugstunden bemannter und unbemannter Systeme der Luftwaffe und des Heeres in Deutschland und Afghanistan Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 51 Mündliche Frage 76 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verträge im Zusammenhang mit dem Landtransport militärischer bzw. nichtmilitärischer Güter durch Usbekistan und seit 2010 überwiesene Mittel Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 52 Mündliche Frage 77 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus den erheblichen Mängeln der in der Bundeswehr verwendeten Waffen G 36 und P 8 des Herstellers Heckler & Koch Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 53 Mündliche Frage 78 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gemeinsame Übung der KSK-Spezialeinheit der Bundeswehr und der Special Forces der US-Armee Mitte September 2012 in Jordanien Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 54 Mündliche Frage 79 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Änderung der ärztlichen Approbationsordnung im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Inhaltsverzeichnis 213. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 Beginn: 13.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zu unserer Plenarsitzung und rufe gleich den Tagesordnungspunkt 1 auf: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes – Drucksache 17/11295 – – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Katja Dörner, Diana Golze und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge und die Rechte des männlichen Kindes bei einer Beschneidung – Drucksache 17/11430 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) – Drucksache 17/11800, 17/11814 – Berichterstattung: Abgeordnete Andrea Astrid Voßhoff Burkhard Lischka Stephan Thomae Raju Sharma Jerzy Montag Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen drei Änderungsanträge vor. Über die Gesetzentwürfe und die drei Änderungsanträge werden wir später namentlich abstimmen. Wir werden also voraussichtlich fünf namentliche Abstimmungen am Schluss der Aussprache durchführen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann haben wir das so vereinbart. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Stephan Thomae für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Stephan Thomae (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Bundestag und Bundesregierung hatten in einem sehr sachlichen, sehr respektvollen und sehr ernsthaften Verfahren eine schwierige Frage zu meistern. Ich möchte zunächst allen Kolleginnen und allen Kollegen Dank und Respekt aussprechen, die derart konstruktiv an diesem Verfahren mitgewirkt haben. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der LINKEN) Die Beschneidung von Knaben rührt an drei delikate Tabuthemen. Zum Ersten geht es um das Wohl von Kindern. Zu Recht gibt es einen Konsens in unserer Gesellschaft, dass Kinder, die sich nicht selbst schützen und nicht für sich selbst sprechen können, Anspruch auf den Schutz durch staatliche Gewalt haben. Zum Zweiten geht es um die religiösen Gefühle von Menschen und um den Schutz religiöser Minderheiten. Über die Religionsfreiheit gibt es in unserer Gesellschaft keinen derartigen Konsens mehr. Viele Menschen in Deutschland stehen der Religion gleichgültig, manche ablehnend und einige sogar feindselig gegenüber. Zum Dritten stehen Menschen jüdischen Glaubens im Mittelpunkt der Diskussion, und damit geht es auch um ein Stück deutscher Geschichte, bei dem in Deutschland zu Recht weiterhin der Konsens besteht, dass diese Geschichte unser Tun in die Pflicht nimmt. Die Zurückhaltung, bestimmte Dinge nicht einmal zu sagen oder auch nur zu denken, ist in Deutschland in Bewegung geraten. In der Mitte dieses Kräftedreiecks stehen der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung. Auch ich stand schon einmal hier, um den Gesetzentwurf der Bundesregierung, der im Auftrag dieses Parlaments entstanden ist, zu vertreten. Heute will ich mich in meinem zweiten Beitrag zu dem Alternativentwurf und zu den Änderungsanträgen äußern. Der Alternativentwurf aus den Federn der Kolleginnen Dörner und Rupprecht will die Beschneidung erst ab dem 14. Lebensjahr des Knaben erlauben. Darin erblicke ich zwei Probleme. Erstens verlagert dieser Entwurf den frühesten Zeitpunkt einer Beschneidung in eine Lebensphase erwachender oder erwachter Sexualität eines Jungen, in der nach ärztlicher Expertise nicht nur die operativen Wunden langsamer verheilen als bei einem Säugling oder einem Kleinkind. Man erlegt auch die durchaus unvermeidlich schwierige Entscheidung, diesen immerhin nicht zu vernachlässigenden Eingriff an sich vornehmen zu lassen oder ihn abzulehnen mit der Konsequenz, dass man aus der Religionsgemeinschaft seiner Eltern, seiner Familie ausgeschlossen bleibt und an der kulturellen Identität seines eigenen Volkes jedenfalls nicht ganz und gar teilhaben kann, einem Jungen in seiner Pubertät auf. Und das ist kein kluger Weg. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Zweitens löst dieser Alternativentwurf nicht den Konflikt, den zu lösen doch unsere Aufgabe als Gesetzgeber ist, nämlich Eltern jüdischen Glaubens einen Weg freizuhalten – der übrigens in allen Ländern der Welt und auch immer in der deutschen Geschichte freigehalten war –, ihre neugeborenen Söhne gemäß jahrtausendealter Tradition beschneiden zu lassen, ohne sich dabei strafbar zu machen. Dies gelingt dem Alternativentwurf nicht. Es gelingt aber dem Regierungsentwurf, der deshalb dem Alternativentwurf vorzuziehen ist. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Zu dem Regierungsentwurf stehen drei Änderungsanträge zur Abstimmung. Der Änderungsantrag, den die SPD-Kolleginnen und -Kollegen Lambrecht und Lischka verantworten, hat zweierlei zum Inhalt: Zum einen zielt er auf eine Evaluierung des Gesetzes nach Ablauf von fünf Jahren. Damit soll sicher auch Zweiflern eine Zustimmung erleichtert werden, denn gemäß diesem Antrag kann man nach fünf Jahren noch einmal über alles nachdenken und das Thema noch einmal aufrollen. Wir sollten jedoch den Mut haben, heute eine abschließende Regelung zu finden. Die Vertagung auf einen Zeitpunkt in der Zukunft weicht davor zurück. (Christine Lambrecht [SPD]: Wir sollten den Mut haben, ohne Fraktionsdisziplin abzustimmen!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Thomae, darf der Kollege Kilic Ihnen eine Zwischenfrage stellen? Stephan Thomae (FDP): Selbstverständlich, Herr Kollege Kilic, gerne. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Kollege Thomae. – Sie haben den alternativen Gesetzentwurf „unklug“ genannt. Was finden Sie am Regierungsentwurf so klug, wenn ein Säugling in einem medizinisch hochentwickelten Land ohne Arzt, ohne Krankenhaus, ohne entsprechende Betäubung beschnitten werden soll? Ist das aus Ihrer Sicht klug? Stephan Thomae (FDP): Herr Kollege Kilic, vielen Dank für diese Zwischenfrage, mit der ich mich zum Teil schon in meiner ersten Rede befasst habe. Der Regierungsentwurf erlaubt religiösen Beschneidern, innerhalb einer bestimmten Zeit, nämlich in den ersten sechs Monaten nach der Geburt, die Beschneidung vorzunehmen. Nun schwebt uns vielleicht manchmal vor, dass es sich bei diesen Beschneidern um Menschen handelt, die eigentlich Geistliche sind, Theologen, Rabbiner, in der christlichen Version so etwas wie der Dorfpfarrer. Wir müssen aber von der Vorstellung Abschied nehmen, dass es sich dabei um reine Geistliche handelt, die lediglich für die Seelsorge zuständig sind, aber von der Beschneidung eines Kindes – also einem medizinischen Eingriff – keine Ahnung haben. In Deutschland sind, Herr Kollege Kilic, fünf Beschneider jüdischer Konfession tätig, die alle eine medizinische Qualifikation besitzen, die es ihnen erlaubt, diesen Eingriff medizinisch qualifiziert vorzunehmen; zudem haben sie eine lange berufliche Erfahrung. Deswegen glaube ich, dass wir gut daran tun, solchen Beschneidern, die vielleicht nicht so wie andere Ärzte am offenen Herzen oder Knochenbrüche operieren können, die aber insgesamt viel Erfahrung besitzen und sehr wohl in der Lage sind, diesen spezifischen Eingriff vorzunehmen, diese Maßnahme zu erlauben. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Erlauben Sie mir, zu dem Änderungsantrag der Kollegen Lischka und Lambrecht zurückzukehren, der des Weiteren verlangt, die medizinische Ausbildung nichtärztlicher Beschneider durch Rechtsverordnung zu regeln. Das ist genau das, wonach Kollege Kilic gefragt hat. Daraus spricht ein gewisses Misstrauen dahin gehend, dass die Glaubensgemeinschaften nicht selbst dafür Sorge tragen könnten, inwieweit die Beschneider diesen medizinischen Eingriff vornehmen können. Wie ich jedoch gerade ausgeführt habe, ist dem nicht so. Diese Rabbiner sind zum Teil selber Ärzte, die mit der Durchführung dieser Maßnahme Erfahrung haben und diesen Eingriff qualifizierter vornehmen können als viele andere Mediziner in Deutschland. Deswegen halte ich diesen Änderungsantrag für nicht stichhaltig. Die anderen Änderungsanträge befassen sich mit der Frage der Sechsmonatsfrist, innerhalb derer der Eingriff auch von einem anderen als einem Arzt vorgenommen werden kann. Damit aber eröffnen diese beiden Änderungsanträge wiederum das Problem in jenen Fällen, in denen die Beschneidung zum Beispiel wegen einer Frühgeburt oder einer nachgeburtlichen Gelbsucht erst einige Monate nach der Geburt vorgenommen werden kann. Der Regierungsentwurf orientiert sich hier an einer in Israel geübten Praxis; er verschafft auch in solchen Fällen Rechtssicherheit. Eltern können sich also in einer schwierigen Situation an der israelischen Praxis orientieren. Die Änderungsanträge rücken einen Nebenpunkt, nämlich die Frage der zeitlichen Fristen, unnötig in den Mittelpunkt. Denn der Zeitraum, innerhalb dessen eine Beschneidung durch einen nichtärztlichen Beschneider zulässig ist, ist für den Schutz des Kindes eigentlich von geringerer Bedeutung als ein anderer Punkt im Regierungsentwurf: die gesetzliche Maßgabe, dass die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden muss und der religiöse Beschneider bei Vornahme des Eingriffs eine Qualifikation aufweisen muss, die mit der Qualifikation des Arztes vergleichbar ist. Diese Bestimmung sorgt für den eigentlichen Kindesschutz. Denn die Regeln der ärztlichen Kunst sind nicht der freien Auslegung zugänglich. Die Regeln der ärztlichen Kunst können nicht das eine Mal streng und ein anderes Mal lockerer ausgelegt werden. Die Regeln der ärztlichen Kunst sind das Maß der Dinge. Sie sind der höchste Standard – bei der Qualifikation, bei der Aufklärung, bei der Dokumentation, bei der Durchführung und bei der Nachsorge. Insofern bringt der Regierungsentwurf nach Abwägung aller Gesichtspunkte die berührten Grundrechte von Kindern, Eltern und Glaubensgemeinschaft in den besten Ausgleich. Deswegen empfehle ich, diesen Regierungsentwurf heute ohne Änderungen anzunehmen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Frank-Walter Steinmeier für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer in den letzten Wochen in den jüdischen und muslimischen Gemeinden unterwegs war, der wird Verun-sicherung gespürt haben. Insofern weiß jeder, dass eine gesetzliche Regelung zur Beschneidung jedenfalls zur Wiederherstellung von Rechtssicherheit zwingend erforderlich ist, eine Regelung, die unseren jüdischen und muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus meiner Sicht die Aufrechterhaltung eines Ritus erlauben sollte, der für die Ausübung ihrer Religion unverzichtbar ist. Ich finde, der Regierungsentwurf orientiert sich an diesem Ziel; das will ich ausdrücklich einräumen. Insoweit ist er gut. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren aus der Koalition, Sie hätten vielen – und ich glaube, nicht nur aus der Opposition – die Zustimmung einfacher gemacht, wenn Sie an einigen Punkten wenigstens die Bereitschaft zur Diskussion gezeigt hätten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben einige wenige, aber sinnvolle Verbesserungsvorschläge vorgelegt. Es wäre klug gewesen, im Rechtsausschuss wenigstens eine Verständigung über eine Rechtsverordnungsermächtigung hinzubekommen, mit der später zum Beispiel Aufklärungspflichten und Qualifikationsanforderungen an die Beschneider präziser hätten geregelt werden können. Auch den Zeitraum, in dem religiöse Beschneider den Eingriff vornehmen können, hätten wir vernünftig und – da bin ich mir sicher – ohne Verletzung irgendwelcher religiöser Pflichten regeln können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das sind Vorschläge, meine Damen und Herren, die immerhin in Übereinstimmung mit dem Votum des Deutschen Ethikrates formuliert worden sind. Deshalb erstaunt mich schon, dass Sie in einer derart sensiblen Frage nicht mehr Wert auf eine aus meiner Sicht erreichbare gemeinsame Lösung gelegt haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ganz unabhängig von dieser Kritik kann ich mir allerdings nicht vorstellen, dass wir hier in diesem Hause im Streit um die eine oder andere Ergänzung des Regierungsentwurfs am Ende zu einem Votum kommen, das den Ritus religiöser Beschneidungen gesetzlich aufhebt, strafrechtlich sanktioniert oder aber von entsprechenden Voraussetzungen abhängig macht und das faktisch Moslems und Juden ein Leben in Übereinstimmung mit ihren religiösen Grundregeln in unserem Land unmöglich macht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Mechthild Dyckmans [FDP]) Mit Blick auf die Tragweite der heutigen Entscheidung, mit Blick auf eine drohende Veränderung der Lebensumstände derjenigen, die wir eingeladen haben, mit uns zu leben und hier zu arbeiten, und erst recht derjenigen, die wir in Kenntnis ihrer religiösen Rituale aufgefordert und ermutigt haben, jüdisches Leben in Deutschland wiederzubegründen, mit Blick auf all das, meine Damen und Herren, dürfen Kritik und Verärgerung aus meiner Sicht nicht ausreichen, um in diesem Hause ein klares, breites und notwendiges Votum für den Fortbestand religiöser Beschneidung zu verhindern. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich unterstelle: Niemand von uns, auch ich nicht, macht sich die Entscheidung einfach; denn worüber wir entscheiden, das ist ebenso anspruchsvoll wie emotional. Die Beschneidung rührt für viele am Kern der religiösen Identität, für andere am Kern ihrer säkularen, vielleicht auch agnostischen Überzeugungen. So haben das in den letzten Monaten auch viele erfahren. Die E-Mails, die uns zugegangen sind, sind nicht nur zahlreich; sie sind in einem hohen Maße auch völlig unerfreulich. Da werden Befürworter einer gesetzlichen Regelung als Kinderschänder beschimpft; Gegner der Beschneidung werden dem Verdacht ausgesetzt, anti-semitisch zu sein. Beide Vorwürfe sind völlig unangemessen. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) So schwarz und weiß, wie uns das aus den Briefen oder E-Mails entgegenspringt, ist die Frage eben nicht. Im Grundgesetz ist das Kindeswohl zu Recht als hoher Wert definiert. Aber die ganze Wahrheit ist: Es steht eben nicht allein, sondern auf gleicher Ebene mit elterlicher Sorge, Religionsfreiheit und Freiheit der Religionsausübung. Das sind Rechtsgüter desselben verfassungsrechtlichen Ranges. Deshalb – das will ich begründen – trägt für mich folgende Argumentation nicht: Ich bin für das Kindeswohl, und deshalb bin ich automatisch gegen Beschneidung. – Kindeswohl ist auch körperliche Unversehrtheit. Es erschöpft sich aber eben nicht darin, sondern es geht auch um Werte, Sicherheit und Identität. Kindeswohl bedeutet auch Zugehörigkeit. Deshalb wehre ich mich dagegen, einen Ritus, der für einen Teil unserer Mitbürger nun einmal zum Kern ihrer Identität, zum Kern ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft gehört, per se als kindeswohlfeindlich abzustempeln. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich finde es richtig, wenn Juden und Muslime diskutieren, ob bei der Beschneidung alles Notwendige getan wird, um Schmerzen und Beeinträchtigungen für das Kind zu vermeiden, um für sein Wohl und in seinem Sinne zu handeln. Aber aus meiner Erfahrung weiß ich: Das findet doch statt, und nicht mit weniger Sorge als in anderen Familien. Es ist doch gegen jede unserer Erfahrungen, dass das Kindeswohl in jüdischen und muslimischen Familien eine geringere Rolle spielt als in christlichen oder säkularen Familien. Offen gesagt – das zum Schluss –: Ich fühle mich ausgesprochen unwohl mit der Vorstellung, dass ausgerechnet wir Deutsche unseren jüdischen Mitbürgern beibringen, was Inhalt von Lebensschutz und Kindeswohl ist. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Dasselbe gilt für Muslime. Ich fände es sogar unerträglich, wenn wir das erste Land in Europa wären, das nichtärztliche oder ärztliche jüdische Beschneider mit dem Staatsanwalt verfolgt und mit Strafrecht sanktioniert, und das ab morgen, nach mehreren Tausend Jahren Geschichte. Ich vertraue auf die aktuellen und weiterführenden Diskurse in den Religionsgemeinschaften. Für mich bleibt das Prinzip der religiösen Toleranz ein Kern vom großen Erbe der europäischen Aufklärung. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Präsident Dr. Norbert Lammert: Andrea Voßhoff ist die nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Steinmeier, die Kritik, die Sie am Anfang Ihrer Rede geäußert haben, kann ich so nicht stehen -lassen. Zumindest nach meinem Kenntnisstand ist auf politischer Ebene sehr wohl das Gespräch angeboten worden. Was die fachlich-inhaltliche Auseinandersetzung mit den Änderungsanträgen angeht – die von einer Vielzahl aus Ihren Reihen kommt –: Wir haben im Rechtsausschuss – Sie hätten dabei sein müssen, dann hätten Sie es auch gemerkt – inhaltlich sehr intensiv und sehr ausführlich diskutiert. So gesehen ist die Kritik nicht berechtigt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir schließen heute ein Gesetzgebungsvorhaben ab, das nicht in die Kategorie des politischen Alltagsgeschäfts passt, bei dem wir üblicherweise in einem Diskurs politisch unterschied-liche Grundauffassungen vorbringen und dann miteinander bzw. gegeneinander entscheiden. Unsere heutige -Debatte bewegt sich in einer anderen Dimension. Mit dem Urteil des Landgerichts Köln wurde eine öffentliche Diskussion über das Für und Wider der religiös motivierten Beschneidung männlicher Kinder ausgelöst, die vor allem – das ist hier schon gesagt worden – in jüdischen und muslimischen Glaubensgemeinschaften für erhebliche Verunsicherung gesorgt hat. Bei manchen hat sie sogar die Frage aufgeworfen, ob insbesondere jüdisches Leben bei uns noch erwünscht ist. In einer Zeit, in der wir uns darüber freuen, dass jüdisches Leben in Deutschland zunehmend wieder selbstverständlich wird, ist das ein, wie ich finde, untragbarer Zustand. Natürlich stand jeder von uns plötzlich vor der Frage: Wie gehen wir damit um, mit einem jahrtausendealten religiösen Ritual, das in Deutschland bisher zwar erlaubt war, aber in unserer immer säkularer werdenden Welt doch sehr fremd erscheint, mit einer Tradition, die durch das Urteil des Landgerichts Köln infrage gestellt wurde, was eine öffentliche Diskussion ausgelöst hat, deren Tonlage uns manchmal erschrecken musste? Ich hätte mir gewünscht, wir hätten das Urteil eines Landgerichts als das nehmen können, was es ist, nämlich als Einzelfall-entscheidung eines Gerichts ohne Bindungswirkung über den konkreten Fall hinaus. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir konnten das aus bekannten Gründen nicht. Ich bin daher der Mehrheit dieses Hohen Hauses außerordentlich dankbar, dass wir mit dem im Juli dieses Jahres -beschlossenen Entschließungsantrag schnell und unmissverständlich deutlich gemacht haben, dass das, was bisher in Deutschland rechtlich zulässig war, auch weiterhin rechtlich zulässig sein soll. Wir alle haben uns mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt – jeder von Ihnen weiß das –; wir haben -Gespräche geführt, Studien und E-Mails gelesen, und zwar noch intensiver als sonst üblich. Ich persönlich habe in der Zeit viel über die muslimische und die jüdische Religion und die Beschneidung erfahren. Ich bin dankbar für die Informationen, die ich in diesem Zusammenhang erhalten habe. Das Ritual der Beschneidung mag vielen von uns nach wie vor fremd bleiben; aber ich bekenne auch, dass ich mit Respekt erfahren habe, von welch elementarer Bedeutung das sichtbare Zeichen der Beschneidung für die jüdische und die muslimische -Religionsgemeinschaft ist. Unsere Aufgabe im Lichte einer hektischen und teilweise irrlichternden öffentlichen Diskussion ist es nun, die Frage zu beantworten: Passt ein solches sichtbares Zeichen der Religionszugehörigkeit – und das ist die -Beschneidung – weiterhin in unsere Rechtsordnung, in unsere Verfassung, die insbesondere auch die Religion und deren Riten schützt, wenn auch selbstverständlich nicht grenzenlos? Ja, ich bin der Auffassung, es passt auch weiterhin. Bin ich durch meine religiöse Bindung vielleicht voreingenommen? Meine religiöse Erziehung, meine mir von meinen Eltern ungefragt und ohne staatliche Einmischung gegebenen Wurzeln – meine religiöse Bindung, die sie mir mit auf den Weg gegeben haben – waren und sind für mich das wertvollste Rüstzeug meines Lebens, und ich bin dankbar dafür. Ich respektiere, wenn viele andere in ihrem Leben ohne religiöse Bindung und damit ohne die zugehörigen Riten und Symbole auskommen. Sind sie auch voreingenommen, weil ihnen religiöse -Riten in Gänze fremd sind? Sicher nicht. Auch hier gilt: Vielfalt und Toleranz machen uns aus und verpflichten uns zur gegenseitigen Anerkennung. Auch darum geht es bei dem heute anstehenden -Gesetzesvorhaben. Gerade der Gesetzgeber hat dies in besonderer Weise zu berücksichtigen. Das hätte ich mir – es sei mir erlaubt, dies zu sagen – auch vom Land-gericht Köln gewünscht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber der Gesetzgeber hat ebenso einen möglichst unverstellten Blick darauf zu werfen, was unsere Verfassung, was unsere Rechtsordnung zulässt. Er hat einen unverstellten Blick darauf zu werfen, ob insbesondere und -gerade das Kindeswohl, das Recht auf körperliche -Unversehrtheit, das elterliche Sorgerecht und die Religionsfreiheit im Einklang stehen. Ich denke, das haben wir in diesem Haus in mehreren Debatten in den Ausschüssen und in einer umfassenden Anhörung des Rechtsausschusses miteinander getan, auch wenn wir heute zu differenzierten Ergebnissen kommen. Zwei Gesetzentwürfe – das ist gesagt worden – liegen heute neben diversen Änderungsanträgen zur Abstimmung vor. Auch wenn ich dem Gesetzentwurf einer Gruppe von Kolleginnen und Kollegen nicht zustimmen kann, die die Beschneidung von Jungen erst ab dem 14. Lebensjahr unter bestimmten Voraussetzungen erlauben wollen und damit inzidenter das Verbot einer früher durchgeführten Beschneidung mit strafrechtlichen Konsequenzen in Kauf nehmen, weiß ich aus den geführten Diskussionen, dass dieser Gesetzentwurf nicht gegen jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland gerichtet ist. Ich achte auch die Motive der Initiatoren, die die Kindeswohlbelange in ihrem Sinne interpretieren. Ich lege aber auch und besonders Wert auf die Feststellung, dass diejenigen, die dem Gesetzentwurf der Bundesregierung heute zustimmen werden, weder einer Verharmlosung des Eingriffs der Beschneidung das Wort reden noch das Kindeswohl unzureichend im Blick haben. Dies vorausgeschickt sage ich: Der Gruppen-gesetzentwurf, der Beschneidung erst ab dem 14. Lebensjahr erlauben will, ist insbesondere abzulehnen, weil er verfassungsrechtlich bedenklich ist. Das hat uns die Mehrzahl der Sachverständigen in der Anhörung deutlich gemacht. Er könnte einen Verstoß gegen Art. 6 des Grundgesetzes beinhalten. Unsere Verfassung vertraut in Art. 6 die Erziehung der Kinder den Eltern an. Dieses Elternrecht beruht auf der Vorstellung, dass Eltern in aller Regel das Wohl ihres Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution. Bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen und Schlussfolgerungen sollten wir aus voller Überzeugung feststellen, dass jüdische und muslimische Eltern natürlich genau dieses Wohl der Kinder am Herzen liegt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Für den Begriff des Kindeswohls ist nach unserem geltenden Familienrecht daher wesentlich, dass die -Eltern seinen konkreten Inhalt bestimmen, dass sie entscheiden, was nach ihrem Verständnis dem Kindeswohl dienlich ist. Eine grundgesetzliche Schutzpflicht des Staates gegenüber dem Kind ergibt sich nur dort, wo die von den Eltern getroffenen Entscheidungen klar und eindeutig nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar sind, wenn also das Kindeswohl gefährdet ist. Diese Grenze ist bei einem medizinisch nicht indizierten Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, also bei einem Eingriff in die in Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes genannten Rechte, nicht automatisch überschritten. Das Wohl des Kindes – Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Voßhoff, darf Frau Griese eine Zwischenfrage stellen? Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU): – gerne, ja – lässt sich nicht nur biologisch definieren, sondern es bezieht sich auf die gesamte persönliche Entwicklung. – Ich wollte zumindest den Satz beenden. Kerstin Griese (SPD): Ich habe Sie den Satz gerne zu Ende sprechen lassen. – Liebe Frau Kollegin Voßhoff, Sie haben auf die Anhörung verwiesen und gesagt, dass wir dort vieles gelernt haben. Der Kollege Steinmeier hat auch schon appelliert, dass es gut wäre, Anregungen aus diesen parlamentarischen Beratungen aufzunehmen. Deshalb will ich Sie ganz konkret etwas fragen, auch vor dem Hintergrund, dass die Kollegin Dr. Reimann und ich einen Änderungsantrag eingebracht haben, in dem wir fordern, die Frist, innerhalb der speziell ausgebildete Menschen, die nicht Ärzte sind, die Beschneidung vornehmen dürfen, auf zwei Monate zu setzen. Ich stelle meine Frage, weil der Sachverständige Professor Graf, der Leiter des Jüdischen Krankenhauses, in der Anhörung des Rechtsausschusses ausdrücklich gesagt hat, die Frist von sechs Monaten sei zu lang; eine solche Frist sei nicht notwendig. Auch Professor -Hakenberg, Leiter der Urologischen Universitätsklinik in Rostock, hat gesagt, eine Frist von sechs Monaten sei zu lang. Ich erinnere daran, dass Professor Willutzki, der Familienrechtler, der am Gesetzentwurf mitgewirkt hat, ebenfalls gesagt hat, dass es für die Festlegung auf sechs Monate keine Begründung gibt. Wir haben im Ausschuss darüber diskutiert. Vonseiten des BMJ ist eingestanden worden, dass dies eine willkürlich gegriffene Zahl ist. Nun haben wir mit unserem Vorschlag versucht, einen Weg zu finden, der einerseits die Idee des Kollegen Montag, die Frist zu verkürzen, aufgreift, andererseits aber auch unserer Auffassung, dass 14 Tage ein sehr kurzer Zeitraum ist, gerecht wird. Deshalb haben wir zwei Monate vorgeschlagen. In dieser Zeit soll die jüdische Beschneidung von Mohalim vorgenommen werden können. Ich appelliere an Sie, diese Anregung aus der Anhörung aufzunehmen. Uns würde es dann leichter fallen, dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zuzustimmen. Ich glaube, diese Frist festzulegen, ist auch in der Sache richtig. Denn uns haben die Medizinerinnen und Mediziner gesagt: Wenn nicht am achten Tag, wie es in der -jüdischen Religion notwendig ist, oder ein paar Tage später, wenn zum Beispiel Gelbsucht bestand, beschnitten wird, dann sollte man lieber bis zu etwa einem Jahr warten und dann unter Vollnarkose beschneiden. Deshalb frage ich: Können Sie sich diesem Ansinnen anschließen? Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU): Frau Kollegin Griese, ich will Ihnen gern darauf antworten. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: War das eine Frage?) Wir haben ja auch schon im Rechtsausschuss darüber gesprochen. Auf eine ähnliche Frage eines Kollegen der Grünen hat auch schon Herr Thomae geantwortet. Man kann natürlich über die Festlegung der Frist diskutieren. Das haben wir selbstverständlich zugestanden. Aber bei dieser Forderung kommt eines nicht deutlich zum Ausdruck – das muss man auch einmal sagen –: Wir legen ja gerade im zweiten Absatz in der Ausnahmeregelung fest, dass die Mohalim es vergleichbar den Regeln der ärztlichen Kunst tun müssen. Das heißt, all diese Kriterien sind von den Mohalim zu berücksichtigen, Frau Kollegin Griese. Deshalb haben wir gesagt, dass diese Frist von sechs Monaten vertretbar ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Entweder man ist Arzt oder nicht!) Der Gruppengesetzentwurf sieht vor, die Beschneidung erst ab dem 14. Lebensjahr zuzulassen. Dies wäre ein staatliches Verbot, und dies wäre – ich habe das vorhin schon ausgeführt – ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die elterliche Sorge. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie diesen Gesetzentwurf unterstützen, er würde -Eltern, die ihrem Kind weiterhin die Religionszugehörigkeit zugestehen wollen, dazu zwingen, ins Ausland zu gehen. Sie laufen Gefahr, die Eltern zu kriminalisieren. Das kann doch nicht ernsthaft gewollt sein. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung eine, wie ich finde, gute und tragfähige Lösung. Ich wiederhole gerne, was ich im Rechtsausschuss gesagt habe: Ich bin dem Bundesjustizministerium außerordentlich dankbar, Frau Ministerin, dass man gerade bei der Gesetzesbegründung sehr ausführlich war und sehr viel Wert darauf gelegt hat, alle infrage kommenden Faktoren sowie mit-einander kollidierenden Rechte in Abwägung zu bringen und dann zu einem Ergebnis zu kommen, von dem ich meine, dass es verantwortbar ist. Ich hoffe, dass dieses Ergebnis heute eine große Mehrheit finden wird. Wir setzen die Voraussetzungen für die künftige Beschneidung dahin gehend, dass sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden muss, das heißt fachgerecht, hygienisch einwandfrei und natürlich auch mit der im Einzelfall notwendigen Schmerzbehandlung. Ich hätte hier eigentlich noch Ausführungen zur Frist gemacht; zu diesem Bereich habe ich aber bereits im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage der Kollegin Griese etwas gesagt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde mich freuen – auch im Interesse der jüdischen und muslimischen Glaubensgemeinschaften, die verunsichert sind –, wenn wir heute diesen Gesetzentwurf mit großer Mehrheit und im Ergebnis ohne Änderung beschließen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Fraktion Die Linke erhält nun die Kollegin Diana Golze das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie der Abg. Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]) Diana Golze (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat vor einigen Wochen ein, wie ich finde, sehr wichtiges Interview gegeben. Er hat darin gesagt – ich zitiere –: Wir müssen auch begründen, wie wir rechtfertigen, dass die körperliche Züchtigung eines Kindes – zu Recht – verboten ist, aber ihm ein Stück von der Vorhaut abzuschneiden soll in Ordnung sein. Genau zu diesen Rechtfertigungen, zu diesen Gründen, die dafür sprechen, haben wir uns in den letzten Wochen intensiv ausgetauscht, auch in der Anhörung im Rechtsausschuss. Ich möchte einige der Themen, die dort angesprochen worden sind, noch einmal aufgreifen. Da ist zunächst der Punkt der effektiven Schmerzbehandlung. In der Anhörung ist, wie ich finde, sehr deutlich geworden, dass die Anwendung der sogenannten Emla-Salbe, selbst wenn sie durch Schmerzzäpfchen ergänzt wird, aus der Sicht der Medizinerinnen und Mediziner absolut unzureichend ist. Ich frage diejenigen, die sich darüber noch keine Gedanken gemacht haben, ob sie sich einmal den Beipackzettel der Emla-Salbe angeschaut haben. Auf ihm steht – ich zitiere –: Die Wirksamkeit von Emla bei der Blutentnahme an der Ferse von Neugeborenen konnte durch Studien nicht belegt werden. Sie ist also nicht einmal ausreichend, um die Blutentnahme an der Ferse schmerzfrei zu gestalten. Es heißt dann weiter: Bei der Beschneidung von Neugeborenen hat sich die Anwendung … allerdings als unbedenklich erwiesen. Sie ist also unbedenklich, aber nicht effektiv. Deshalb finde ich, es ist zu wenig, wenn es in der Begründung des Regierungsentwurfs heißt, es könne wie bisher gehandhabt weitergehen. Ich werde aus diesem Grund dem Änderungsantrag des Abgeordneten Lischka und anderer zustimmen, in dem eine Rechtsverordnung gefordert wird, in der Mindeststandards auch für die Schmerzbehandlung festgelegt werden. Professor Graf – er ist Arzt am Jüdischen Krankenhaus Berlin – hat in der Anhörung gesagt, dass in seinem Krankenhaus eine Beschneidung mit medizinischer Indikation erst nach dem zweiten Geburtstag des Kindes vorgenommen wird, genau aus den Gründen, dass erst dann eine wirklich wirksame Schmerzprävention erfolgen kann. Meine Vorrednerinnen haben darauf verwiesen, dass die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgen soll. Ein Nichtarzt hat gar nicht die gleichen Möglichkeiten wie ein Arzt: Er darf gar keine wirklich wirksame Anästhesie vornehmen; das verbietet ihm das Arzneimittelgesetz. Die Rechtfertigung: „Wir wollen ja auch, dass die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen wird“, ist also nicht haltbar; denn Nichtärzte dürfen gar nicht handeln, wie ein Arzt es darf. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Deutsche Ethikrat hat eine qualifizierte Schmerzbehandlung gefordert. An diesem Punkt bleibt der Gesetzentwurf der Bundesregierung deutlich hinter den Vorgaben des Deutschen Ethikrates zurück. In meiner Fraktion haben wir sehr sachlich, sehr ausführlich, sehr intensiv über dieses Thema debattiert. Wir haben auch mit einem Betroffenen gesprochen. Er hat auf die Frage, warum erst jetzt solch eine Diskussion geführt wird und Widerstand aufkommt, gesagt: Bis zum Urteil des Landgerichts Köln dachte ich, ich wäre allein auf der Welt mit meinem Schmerz und meiner negativen Einstellung zur Beschneidung. Auch meine Eltern dachten, sie würden im Sinne des Kindeswohls handeln. Heute tut es ihnen unendlich leid, aber es ist nicht rückgängig zu machen. – Die Betroffenen empfinden den Gesetzentwurf der Bundesregierung als zweite Entrechtung. Sie beginnen nun, sich zu organisieren; es gibt -bereits Petitionen dazu. Ich finde diese Debatte daher -äußerst richtig und wichtig. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Debatte zur Beschneidung lief natürlich schon weit vor dem Kölner Urteil. Vor allem unter Kinder- und Jugendärzten ist sie geführt worden, aber auch in den Religionsgemeinschaften selbst, und sie wird auch nach der heutigen Beschlussfassung weitergehen. Werte Kolleginnen und Kollegen, Deutschland hat eine große Schuld auf sich geladen. Menschenrechte sind mit Füßen getreten worden. Jüdinnen und Juden, Muslimen und Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften ist unsägliches Leid zugefügt worden. Ich kann und will und werde das nie vergessen, ausblenden oder nicht berücksichtigen. Meine Generation trägt dafür selbstverständlich die politische Verantwortung. Sie trägt die politische Verantwortung auch dafür, deutlich zu machen, dass Menschenrechte in Deutschland heute zu Recht ein hohes Gut sind, das wir verteidigen müssen. Wir haben als Gesetzgeber die Verantwortung dafür. Kinderrechte haben in den letzten Jahrzehnten zum Glück eine deutliche Aufwertung erfahren. Aber ich kann mich doch nicht glaubhaft für das Recht des Kindes auf Schutz, Förderung und Beteiligung sowie für die Schaffung kindgerechter Lebensverhältnisse einsetzen, wenn ich gleichzeitig sage: Die Rechte des Kindes hören dort auf, wo Religion anfängt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Den Vorwurf, mein Einsatz für Kinderrechte sei nur vorgeschoben und in Wahrheit steckten antisemitische oder muslimfeindliche Einstellungen dahinter, weise ich in aller Deutlichkeit zurück. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich bin sehr froh über die sachliche Debatte hier im Plenum und auch über die kritischen Töne, die zum Beispiel auch aus dem Zentralrat der Juden gekommen sind und zum Ausdruck bringen, dass die Argumente des Kinderschutzes sehr ernst genommen werden. Ich wünsche den jungen Männern, die schon jetzt davon betroffen sind, dass sie den Mut finden, sich anderen anzuvertrauen und ihre Einschätzungen über das, was mit ihnen geschehen ist, öffentlich zu machen. Ich wünsche ihnen die Kraft, die Debatte in die Gesellschaft zu tragen, vor allem in ihre Religionsgemeinschaften. Den zukünftigen Eltern wünsche ich die Chance, für ihre Kinder anders entscheiden zu dürfen, auch wenn der Gesetzentwurf der Bundesregierung heute eine Mehrheit findet. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will über Zweifel reden. Viele draußen und auch viele in meiner Fraktion haben gefragt: Müssen wir das denn regeln? Ist das nach vielen Jahrzehnten, in denen Muslime und Juden in diesem Land Beschneidungen vorgenommen haben, eigentlich notwendig? – Ich kann an dieser Stelle nur sagen: Ja, wir müssen. Ich glaube, wir müssen das sogar sehr klar regeln. Warum? Wir als Deutscher Bundestag sind der Gesetzgeber, und uns obliegt es, den Anforderungen des Strafrechts gerecht zu werden. Das Strafrecht enthält nämlich ein Bestimmtheitsgebot, wonach das, was dort steht, tatsächlich so bestimmt und klar sein muss, dass die Menschen in ihrem Alltag damit umgehen können. Hier sind wir gefordert: Es muss so klar formuliert sein, dass die Tragweite, die Ausnahmen und der Anwendungsbereich der Normen für die Adressaten klar sind. Manche sagen jetzt: Es ging doch lange anders. Niemand wurde bestraft, außer jetzt in Köln, wo eine Entscheidung rechtskräftig gefällt und von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gesprochen wurde. – Ich sage Ihnen aber: Das wird in Zukunft nicht mehr so sein. Deshalb kommen wir um eine Entscheidung in diesem Hause nicht herum. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU) Es wird nicht mehr so sein, weil sich der nächste Richter eben nicht mehr auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum der einwilligenden Eltern beziehen kann. Insofern haben wir als Gesetzgeber jetzt die Aufgabe, für Klarheit zu sorgen. Manche haben gefragt: Können wir nicht ein Moratorium machen? – Ich habe auch darüber nachgedacht. Das Problem ist: Es geht hier um die körperliche Unversehrtheit, das elterliche Erziehungsrecht und die Religionsfreiheit. Diese drei im Grundrechtsteil des Grundgesetzes normierten Bereiche können nicht einfach einem Moratorium unterworfen werden. Denn 365 Tage im Jahr müssen Menschen Entscheidungen treffen. Also sind wir jetzt an der Stelle, an der wir zu einem Ergebnis kommen müssen. Ich gebe für mich als Abgeordnete ganz persönlich zu, dass ich am Anfang des Sommers nach der Gerichtsentscheidung sehr schnell und klar gesagt habe: Ich möchte mit Ja stimmen. – Dann kamen mir nach vielen Veranstaltungen und Diskussionen Zweifel. Ich habe Veranstaltungen mit vielen Jüdinnen und Juden besucht, bei denen Menschen in scharfer Form gesagt haben: Das habt nicht ihr zu entscheiden. Das regeln wir, das ist Ausübung der Religionsfreiheit. – Ich habe darauf geantwortet: Doch, wir müssen das entscheiden; denn der Tatbestand der Körperverletzung ist erfüllt. Ich habe Debatten über die elterliche Sorge und die Frage erlebt, was Eltern dürfen und was nicht, auch Debatten über die Frage, was Eltern als Treuhänder des Kindes – das Kind darf ja nicht selbst entscheiden – dürfen. Bei der elterlichen Sorge und bei der elterlichen Erziehung geht es um eine treuhänderische Aufgabe im Sinne des Kindeswohls. Was dürfen die Eltern, was dürfen sie nicht? Ich habe viele Diskussionen über diese Frage mitgemacht und Zweifel erlebt. Auch in der Debatte über Religionsfreiheit und das Recht der Eltern, das Kind in ihre Gruppe, in ihre Religionsgemeinschaft aufzunehmen, ging es hin und her. Zeitweise wurde mit Blick auf das Judentum und den Holocaust auf die Historie verwiesen. Auch davon will ich meine Entscheidung nicht abhängig machen. Ich sage: Beschneidungen erfüllen den Tatbestand der Körperverletzung. Jetzt ist die Frage, ob es Rechtfertigungsgründe gibt – ähnlich wie im Falle von Notwehr und Notstand –, aufgrund derer man von einer strafrechtlichen Verfolgung absieht. Für Erwachsene gilt: Jeder und jede entscheidet selbst, ob er oder sie in einen bestimmten Eingriff einwilligt. Für minderjährige Kinder machen das die Eltern. Mit dieser Einwilligung nehmen die Eltern das Selbstbestimmungsrecht für ihr Kind wahr. In diesem Zusammenhang haben manche gesagt: Denkt an das Züchtigungsverbot; auch Züchtigungen sind verboten. – Zu Recht haben Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung; für dieses Recht wurde lange gekämpft. Im Bürgerlichen Gesetzbuch steht: Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig. Eine Beschneidung ist aber keine andere entwürdigende Maßnahme oder eine körperliche Bestrafung. Das hat mir also nicht weitergeholfen. Ich komme am Ende zu der Frage, ob Eltern als Treuhänder ihrer Kinder zu dem Ergebnis kommen können: Ja, wir willigen in die Beschneidung ein. – Finde ich, dass das im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit möglich ist, oder meine ich, dass das ein so großes Unrecht ist, dass dies ein strafrechtliches Unwerturteil verlangt? Auch wenn ich das, was zum Beispiel im Judentum konstitutiv für den Bund mit Gott ist, vielleicht nicht verstehe, komme ich zu dem Ergebnis: Die möglichen Folgen will ich nach aller Abwägung, bei allen Zweifeln und Sorgen nicht haben. Ich will nicht, dass im Normalfall nach einer Beschneidung am Ende Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht stehen. Deswegen sage ich Ihnen: Die Konsequenz in der Praxis heißt für mich, Beschneidungen nicht zu kriminalisieren. Ich meine, dass Eltern vor dem Hintergrund der elterlichen Sorge und der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft bei gesunden Kindern und bei Einhaltung der Hygiene verantwortungsvoll zu dem Ergebnis kommen können, einer Beschneidung zuzustimmen. Ich würde mir wünschen, die Religion würde sich erneuern. Aber das entscheide nicht ich, sondern das entscheidet die Religion von innen. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu dem Regierungsentwurf. Ich bitte aber auch die Koalitionsfraktionen, kluge Änderungsanträge, die hier gestellt worden sind, aufzunehmen. Das wäre heute das richtige gesellschaftliche Zeichen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Florian Toncar von der FDP-Fraktion ist der nächste Redner. (Beifall bei der FDP) Dr. Florian Toncar (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen einer Debatte wie der heutigen sollten wir uns, so glaube ich, alle miteinander noch einmal klarmachen, dass eine Beschneidung zumeist nicht irgendeine leicht verschiebbare Beitrittserklärung zu einer Religion ist, sondern dass sie für Juden und für viele Muslime konstitutiv ist. Dabei spielt nicht allein die Religionszuge-hörigkeit eine Rolle, sondern oft auch die soziale Zu-gehörigkeit, also die Zugehörigkeit zur Familie, zur Gemeinschaft und zur Volksgruppe. Sie hat eine ganz hohe Bedeutung, und sie ist nicht leicht verschiebbar oder beliebig nachholbar. Die Beschneidung ist Voraussetzung für die Teilnahme an vielen religiösen oder gemeinschaftlichen Veranstaltungen und damit natürlich auch ein Stück weit die Voraussetzung dafür, dass ein Kind in einem von seiner eigenen Kultur oder Religion geprägten Umfeld unversehrt und gut aufwachsen kann. (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das sollten wir anerkennen, genauso wie wir uns klarmachen sollten, dass gerade Minderheiten oft ein besonders großes Interesse daran haben, dass die Mehrheit ihre Traditionen und Gepflogenheiten, mag sie sie auch nicht immer verstehen, zumindest akzeptiert und auch möglich macht. Die Verunsicherung – nicht nur in den jüdischen Gemeinden, sondern oft auch im Ausland – unter Muslimen oder unter Ärzten war in den letzten Monaten mit Händen zu greifen. Das Urteil des Landgerichts Köln und auch einige Beiträge in der Debatte danach sind von vielen Betroffenen oft auch als Unwerturteil über ihre eigene kulturelle und religiöse Identität angesehen worden. Das gilt für die jüdische Gemeinde mit Blick auf die Geschichte der Juden in Deutschland und in Europa in ganz besonderer Art und Weise, und es ist gut, dass wir diese Verunsicherung heute beenden, indem wir eine gesetzliche Entscheidung treffen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Natürlich gibt es auch Diskussionen im Judentum über den Stellenwert der Tradition der Beschneidung heute und über die Frage, ob das noch wünschenswert ist. Wir sollten diese Diskussion der Religionsgruppe überlassen. Wir sollten ihren Ausgang nicht gesetzgeberisch vorwegnehmen, sondern es der Religionsgruppe überlassen, das zu entscheiden. Vielleicht entscheidet sie es auch von Fall zu Fall ganz unterschiedlich. Vielleicht entwickelt sich die Diskussion auch. Aber es ist nicht Sache des Gesetzgebers, einer solchen Diskussion vorzugreifen. Wir haben im Falle der Beschneidung aus religiösen Gründen mehrere Grundrechte auszugleichen, nämlich die Glaubensfreiheit nach Art. 4 Grundgesetz, das Recht bzw. die Pflicht der Eltern auf bzw. zur Erziehung der eigenen Kinder nach Art. 6 sowie die körperliche Unversehrtheit des Kindes nach Art. 2. Das Grundgesetz verlangt von uns, dass wir diese drei Grundrechte so in Ausgleich bringen, dass von jedem Grundrecht möglichst viel übrig bleibt und dass jedes dieser drei Grundrechte möglichst stark erlebbar und lebbar ist. Dass der Glaube nach Art. 4 und das Erziehungsrecht der Eltern nach Art. 6 des Grundgesetzes besonders stark geschützt sind, war eine Werteentscheidung, die der Parlamentarische Rat 1948 getroffen hat, um den Keimzellen der menschlichen Gemeinschaft Schutz vor zu starker staatlicher Einflussnahme zu geben. Denn der Parlamentarische Rat ist bei der Erarbeitung des Grundgesetzes davon ausgegangen, dass die Familien, das soziale Umfeld und auch die Religionsgemeinschaften Keimzellen menschlicher Gesellschaft sind, in die der Staat nicht eingreifen soll, außer es liegen zwingende Gründe dafür vor. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Ich habe im Übrigen – auch in Vorbereitung der heutigen Debatte und der Beratungen der letzten Wochen – ab und zu an eines gedacht: Viele der damals noch verbliebenen Demokraten, die 1948/49 im Parlamentarischen Rat unser Grundgesetz beraten haben, hätten sich wahrscheinlich nicht vorstellen können, dass nach der Ka-tastrophe des Holocaust in Deutschland noch einmal jüdisches Leben, wie wir es heute haben, entstehen könnte. Das ist etwas, was sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes gewünscht hätten. Ich glaube, sie hätten auch gewollt, dass man dieses Leben möglich macht, ohne dass man dem das Strafrecht oder andere Hürden entgegenstellt. Ich glaube, dass das mit Blick auf die letzten 60 Jahre etwas ist, das sich viele der Gründerväter und -mütter unserer Bundesrepublik so nicht hätten vorstellen können und wofür wir als Deutsche alle miteinander dankbar sein sollten. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Toncar, darf der Kollege Sharma Ihnen eine Zwischenfrage stellen? Dr. Florian Toncar (FDP): Bitte schön. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte sehr. Raju Sharma (DIE LINKE): Herr Kollege Toncar, Sie haben gesagt, diese Frage sollten die Religionsgemeinschaften selbst für sich entscheiden. Ich frage Sie: Können Sie sich bestimmte Rituale von bestimmten Religionsgemeinschaften vorstellen, die die Religionsgemeinschaften nicht selber regeln sollten, sondern bei denen der Gesetzgeber eingreifen sollte? Dr. Florian Toncar (FDP): Herr Kollege, selbstverständlich gibt es auch Grenzen. Das hängt von der Schwere des Eingriffs ab. Dass sie eine Rolle spielt, ist aus der Gesetzesbegründung ohne Weiteres ersichtlich. Aber in dem konkreten Fall, über den wir reden – ich glaube, das ergibt sich nicht nur aus dem Gesetzentwurf selber, sondern auch aus der Anhörung –, ist eine Abwägung getroffen worden, die auch Schutzvorkehrungen für das Kindeswohl enthält und mit der es gelingt, die drei Grundrechte, um die es geht, möglichst schonend miteinander in Einklang zu bringen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Reimann möchte auch noch eine Frage stellen. – Bitte schön. Dr. Carola Reimann (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege, Sie haben sehr auf die Akzeptanz des religiösen Ritus abge-hoben. Wenn ich das richtig sehe, muss der Ritus nach § 1631 d Abs. 2 des BGB, wie ihn der Gesetzentwurf der Bundesregierung vorsieht, gewährleistet sein. Sehen Sie diese Akzeptanz auch gewährleistet, wenn die Frist für die Beschneidung von sechs auf zwei Monate verringert wird? In der Anhörung hatte die Fristsetzung eine große Rolle gespielt. Alle Experten haben gesagt, dass diese sechs Monate eine herausgegriffene Frist sind und dass das auch innerhalb von zwei Monaten gewährleistet ist. Dr. Florian Toncar (FDP): Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich wäre darauf noch eingegangen. Aber ich beantworte das gerne sofort. Die Frist orientiert sich an der Praxis in Israel, in einem Land, das damit, glaube ich, Erfahrung hat und eine solche Frist nicht grundlos oder – wie zum Teil behauptet – sogar willkürlich eingeführt hat. Natürlich stellt sich bei Fristsetzungen immer die Frage, wie sie zustande kommen. Da es sich heute offenbar um ein Hauptthema handelt, möchte ich dazu sagen: Ich glaube nicht, dass die Frage, ob die Frist sechs oder zwei Monate beträgt, letzten Endes entscheidend für das Kindeswohl ist. Von dieser Regelung sind zunächst nur die jü-dischen Gemeinden betroffen. Es geht dabei um fünf nichtärztliche Beschneider, die Beschneidungen gemäß den Geboten des Judentums in Deutschland durchführen und die das in chirurgischer Hinsicht sehr gut können. Da eine Beschneidung in der Regel innerhalb der ersten acht Tage stattfindet – so verhält es sich beim Gros der Fälle; eine spätere Beschneidung ist eher die Ausnahme –, halte ich die Frage nach der Fristsetzung für nicht so entscheidend. Wenn es um das Kindeswohl geht, müssen wir also vor allem die Kinder im Blick haben, die innerhalb der ersten acht Tage beschnitten werden. Das bedeutet nicht, dass die Fristsetzung trivial wäre. Aber ich glaube, dass man beim Kindeswohl von dem Fall ausgehen muss, der die Regel ist. Der Regelfall ist eine Beschneidung innerhalb der ersten acht Tage durch nichtärztliche Beschneider nach den religiösen Geboten des Judentums. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Wie gesagt, es geht darum, drei Grundrechte schonend in Einklang zu bringen. Ich habe das Gefühl, dass im Alternativentwurf sehr einseitig das Kindeswohl betont wird, das übrigens überwiegend körperlich definiert wird. Die seelische Befindlichkeit, die im Zusammenhang mit der Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Gruppe steht, wird gar nicht richtig einbezogen. Zudem bleibt vom Erziehungsrecht der Eltern und von der Glaubensfreiheit im Alternativentwurf relativ wenig übrig. So wird empfohlen, dass das Kind im Alter von 14 Jahren die Entscheidung über den Eingriff selbst treffen soll. Das ist unter medizinischen Gesichtspunkten sowohl in körperlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf die damit verbundenen seelischen Belastungen eigentlich nicht der bessere, sondern der schlechtere Zeitpunkt. Ich glaube, der Alternativentwurf krankt daran, dass Religionsfreiheit und Erziehungsrecht untergewichtet werden, ohne dass das Kindeswohl und die körperliche Unversehrtheit besser geschützt sind. Deswegen denke ich nicht, dass dieser Gesetzentwurf die bessere Alternative darstellt. Ich möchte mich bei der Bundesjustizministerin bedanken. Sie hat im Gespräch mit vielen Betroffenen und denjenigen, die sich damit auskennen, eine insgesamt sehr gelungene Abwägung bei einem schwierigen Thema vorgenommen. Sie leistet damit einen Beitrag dazu, dass religiöse Minderheiten in Deutschland auch in Zukunft rechtssicher leben können, ohne dass die Rechte und die Gesundheit des Kindes vernachlässigt werden. Wir werden deshalb dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zustimmen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält jetzt die Kollegin Marlene Rupprecht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger – Groß und Klein! Kinder sind – sie stehen heute im Mittelpunkt – der lebendige Ausdruck für den Fortbestand des menschlichen Lebens. Deshalb beschäftigen wir uns alle mit großer Ernsthaftigkeit mit dieser Thematik, bei der es um einen Eingriff in das Leben von Kindern geht. Für das Aufwachsen von Kindern sind zuallererst die Eltern zuständig. Nach Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes ist es ihr Recht und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht, Kinder zu erziehen. Das heißt auch, sie in Werten und für Werte zu erziehen, und dazu gehört die religiöse Erziehung ebenfalls. Es ist also ihre Pflicht, Kinder auf das Leben vorzubereiten und ihnen zu helfen, eigenständige Persönlichkeiten und verantwortungsbewusste Mitglieder unserer Gesellschaft zu werden. Da hat sich der Staat nicht einzumischen; aber dieses Recht der Eltern ist ein Verantwortungsrecht und kein Verfügungsrecht. Der Staat hat Kinder als Rechtssubjekte zu respektieren, als Inhaber von Grundrechten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Elternrecht ist nicht grenzenlos. Das haben wir schon des Öfteren diskutiert und auch gesetzlich in § 1631 Abs. 2 BGB geregelt. Im Zusammenhang mit der gewaltfreien Erziehung haben wir dem Elternrecht Grenzen gesetzt. Wir haben in unserem Land das Recht, alles zu glauben und alles zu denken. Dafür stehe auch ich hier ein; aber wir haben nicht das Recht in diesem Land, alles zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wodurch wird nun das Elternrecht begrenzt? Einmal durch die auch bei uns geltenden Allgemeinen Menschenrechte und zum anderen durch unsere nationale Wertebasis, nämlich das Grundgesetz. In Art. 2 Abs. 2 ist jedem Menschen das Recht auf körperliche Unversehrtheit verbrieft. Ich kann nachvollziehen, wenn Menschen dieses Recht hier nicht gefährdet sehen. Sie müssen sich aber mit den Erkenntnissen der Wissenschaft, speziell der Medizin, der letzten 30 Jahre auseinandersetzen: mit den Erkenntnissen der Schmerzforschung, mit der Erkenntnis, wie Gewebe aufgebaut ist, mit den Erkenntnissen der Traumaforschung bis hin zu denen der Psychologie. Dies haben die Fachverbände, die in diesem Bereich die Berufenen sind, getan. Sie haben sich eindeutig und klar dahin gehend geäußert, dass die Beschneidung ein sehr risikobehafteter, ein irreversibler und ein mit lebenslangen Folgen behafteter Eingriff ist. Wenn Sie zu dieser Erkenntnis kommen, müssen Sie dafür sorgen, dass wir, weil der Eingriff so gravierend ist, die Einsicht und die Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen brauchen. Dies haben wir mit unserem Alternativgesetzentwurf gemacht. Wir gehen aufgrund der Erkenntnisse der medizinischen Forschung davon aus, dass der Eingriff so gravierend ist, dass die Einsichtsfähigkeit von Kindern vorausgesetzt werden muss. Das muss generell gelten. Der Gesetzgeber kann nicht individuell entscheiden. Deshalb wollen wir bis zum 14. Lebensjahr der Kinder warten und sie dann fragen, ob sie mit dem Eingriff einverstanden sind. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Rupprecht, darf der Kollege Beck eine Zwischenfrage stellen? Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Wenn er meint, ja. Gerne. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Auch ich war schon einmal so großzügig bei Ihnen. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Genau. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Rupprecht, Sie haben in Ihrer letzten Rede zu diesem Thema hier im Plenum gesagt: Wir wollen nicht, dass Eltern vor den Kadi gestellt werden. – Ich frage Sie, was Ihrer Ansicht nach die Rechtsfolgen Ihres Gesetzentwurfs sind, wenn der Gesetzgeber mehrheitlich Ihrem Entwurf folgen würde. Ich habe diese Frage auch im Menschenrechtsausschuss dem Bundesjustizministerium gestellt. Dies hat mir gesagt: Selbstverständlich kann es dann zu Strafverfolgungen kommen, entweder aufgrund einfacher oder sogar aufgrund schwerer Körperverletzung; denn es ist eine schwere Körperverletzung, wenn man ein Skalpell benutzt und dafür keine rechtsgültige Einwilligung vorliegt. Auf die Frage „Welche Konsequenzen hat das beim Familienrecht?“ antwortete das Justizministerium: Die ganze Palette familienrichterlicher Interventionen ist dann denkbar. – Dies ist zum Beispiel bei einer Familie der Fall, in der schon ein Junge beschnitten ist und in der ein weiterer Junge geboren worden ist. Darf man dieses Kind noch bei den Eltern lassen, die es der Gefährdung einer Beschneidung aussetzen? Ich möchte von Ihnen wissen, was nach Ihrer Vorstellung die Konsequenz Ihres Gesetzentwurfs – Sie sagen, die Eltern sollen nicht vor den Kadi gezogen werden – sein soll. Was folgt Ihrer Ansicht nach aus der Verabschiedung Ihres Gesetzentwurfs in der Rechtswirklichkeit? Warum liegt da Ihrer Meinung nach das Bundes-justizministerium mit seiner Rechtsauffassung falsch? Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Wir nehmen zunächst einmal an, dass ein Gesetz, das wir hier beschließen, beachtet und befolgt wird. Das ist angesichts unseres Gesetzentwurfs eine hohe Zumutung für Eltern. Das bedeutet für Eltern auch Schmerz. Aber in der Abwägung zwischen dem Schmerz der Eltern, etwas nicht zu tun, was sie als Verpflichtung sehen, und dem körperlichen Verändern und dem Schmerz beim Kind sind wir als Initiativgruppe zu der Überzeugung gekommen, dass wir den Schmerz den Erwachsenen – sie haben entwicklungsmäßig den Verstand, es sich klarzumachen – zumuten können, dass hingegen ein solcher Eingriff für ein Neugeborenes, ein kleines Kind eine Überforderung bedeuten würde, dass man ihm aufgrund der Tragweite dessen, was mit ihm – mit Auswirkungen für sein ganzes Leben – geschieht, einen solchen Eingriff nicht zumuten kann. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber was ist die richtige Konsequenz?) – Die Konsequenzen sind dieselben wie beim Regierungsentwurf: Wenn die Fristen nicht eingehalten werden und jemand ohne entsprechende medizinische Ausbildung den Eingriff vornimmt, wenn also jemand nach der Frist, die heute eventuell beschlossen wird – nach dem Regierungsentwurf beträgt sie sechs Monate –, einen solchen Eingriff nicht von einem Arzt durchführen lässt, ist der Vorgang ebenfalls strafrechtlich bewehrt. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also doch vor den Kadi!) Es ist ebenfalls strafrechtlich bewehrt, Herr Beck, wenn jemand eine Beschneidung vornimmt und ein Kind dabei verletzt; denn damit hat er eine Körperverletzung begangen, auch wenn er eigentlich ganz legal gehandelt hat. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass Sie das gegenüber der letzten Sitzung korrigiert haben!) Es gibt also keinen rechtsfreien Raum; das Ganze ist rechtlich klar geregelt. Ich will keine Eltern kriminalisieren. Das haben wir noch nie gemacht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber ich möchte, dass sie die Verantwortung auch für die Kinder übernehmen. Wir wollen deshalb, dass die Beschneidung von Ärzten durchgeführt wird, und zwar von Kinderchirurgen. Wir haben gemeinsam, interfraktionell 2002 festgelegt, dass Kinder von Kinderärzten -behandelt werden und nicht von anderen Medizinern. Ich nehme an, dass dieser Beschluss nicht aufgehoben wird. Wir sind der Überzeugung, dass dieser Eingriff von Kinderchirurgen durchgeführt werden muss. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Ich habe gesagt: Wir muten unseren Eltern viel zu. Ich weiß dies und bin mir der Verantwortung bewusst. Ich stehe für alle, die wir glauben, dass wir Kindern noch wesentlich mehr zumuten. Die Diskussion hat begonnen, und ich hoffe, sie wird in den Religionsgemeinschaften fortgesetzt. Weltweit ist sie im Gange. Der Europarat wird im kommenden Frühjahr einen Bericht über die körperliche Unversehrtheit von Kindern verfassen. Ich hoffe, dass wir damit im Sinne der Kinderrechte einen Schritt weiterkommen. Danke. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Johannes Singhammer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Johannes Singhammer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen heute mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung eine klare Botschaft aussenden: Erstens. Die Beschneidung von Jungen ist zulässig. Zweitens. Alle Zweifel, welche das Landgericht Köln mit seiner Entscheidung vom 7. Mai dieses Jahres aufgeworfen hat, werden damit ausgeräumt. Wir haben sorgfältig beraten, die Argumente des Für und Wider gewichtet, gewertet und gewogen. Jetzt aber ist es an der Zeit, zu entscheiden, und es ist nichts auf die lange Bank zu schieben. Dabei haben wir das Kindeswohl, das elterliche Erziehungsrecht und die Religionsfreiheit zu berücksichtigen. Für uns ist die Religionsfreiheit, die Freiheit der Religionsausübung, ein herausragendes Recht. Für zwei Religionsgemeinschaften ist die Beschneidung von zentraler religiöser Bedeutung. Für Menschen jüdischen Glaubens ist die Beschneidung konstitutiv, ein bindendes Gebot von höchster Bedeutung und zentraler Bestandteil jüdischer Identität. Die Beschneidung steht im Judentum symbolisch für den Bund zwischen Gott und dem jüdischen Volk. Im Islam zählt die Beschneidung zu den Glaubensüberzeugungen; bei den meisten schiitischen Rechtsschulen gilt sie als religiöse Pflicht. In unserem Land, in Deutschland, leben viele Menschen, die von ihrer Religion geprägt sind, die ihr Leben ausrichten an ihren religiösen Überzeugungen. Für andere in unserem Land spielt eine religiöse Überzeugung eine geringe Rolle. Eine nicht geringe Zahl von Menschen lehnt ein religiöses Bekenntnis ebenso ab wie jede Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft. Manche Menschen bei uns in Deutschland, aber auch in Europa sind überrascht von der Wiederkehr des Religiösen. Sie fühlen sich unerwartet mit Religion konfrontiert, wo sie doch nicht mehr damit gerechnet haben, weil sie die Welt für säkularisiert, entzaubert, ernüchtert durch Wissenschaft und Politik gehalten und darin einen unumkehrbaren Prozess gesehen haben. So jedenfalls hat es ein bekannter Soziologe, nämlich Josef Schmid, vor kurzem in einer Rundfunksendung beschrieben. Und nun merken viele Menschen, dass sich ein nicht unbeträchtlicher Teil ihrer Mitbürger wesentlich über eine Beziehung zu Gott definiert. Alle denkbaren Entscheidungen, für oder gegen eine Glaubensgemeinschaft, sind in unserem Land möglich, und sie sind nicht nur möglich, sondern sie sind von unserer Verfassung garantiert – mit der Konsequenz: Was dem einen fremd erscheinen mag, darf der andere für eine unverzichtbare religiöse Identität und Heimat in Anspruch nehmen. Grundsätzlich unterschiedliche Betrachtungsweisen und Überzeugungen lassen sich, wenn es um Religion, um religiöse Überzeugungen geht, weniger durch sonst übliche klassische Kompromisse auflösen. Besser lassen sie sich mit Toleranz und Respekt bewältigen. (Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig!) Dabei nutzt weniger eine theoretische Bereitschaft zur Toleranz, sondern mehr die Fähigkeit zu praktischer -Toleranz. Dieser Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, ist eine in Form gegossene praktische Toleranz. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE] und Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das Kindeswohl bleibt ein sensibler Bereich jeglichen staatlichen Handelns, auch des Handelns des Gesetzgebers. Ich warne aber vor dem Versuch, über das Kindeswohl umfassend festzulegen, was zulässigerweise Inhalt einer Religion ist und was nicht. Der Gesetzentwurf wahrt das Kindeswohl, indem er festlegt: eine fachgerechte Durchführung der Beschneidung, eine effektive Schmerzbehandlung, eine umfassende Aufklärung und eine Beachtung des Kindeswillens, sofern er schon gebildet werden kann. Das elterliche Erziehungsrecht bleibt gewahrt. Dabei spielt eine Rolle, dass die Beschneidung seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden von Eltern praktiziert worden ist. Kinder können sich gegen die Religion ihrer Eltern entscheiden, wenn sie alt genug sind. Dass Eltern für Kinder Entscheidungen übernehmen und – auch aufgrund ihrer religiösen Erfahrungen – das Beste für sie wollen, ist nichts Absonderliches, sondern schlicht etwas Selbstverständliches. Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen. Ich bin froh über das Niveau der Debatte hier bei uns im Hohen Hause, froh darüber, dass die Verknüpfungen und Vergleiche mit der weiblichen Genitalverstümmelung hier nicht mehr vorkommen und keine Rolle mehr spielen; denn sie wären allenfalls mit dem bewussten Willen zum Missverständnis erklärbar. Unser Gesetzentwurf bringt Elternrecht, Kindeswohl und Religionsfreiheit in Einklang, in Balance, ins Gleichgewicht und leistet damit einen wichtigen Beitrag für den inneren Frieden in unserem Land. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Rednerin ist die Kollegin Luc Jochimsen, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es wäre wunderbar, wenn wir freiwillig und selbstbestimmt unser Leben beginnen könnten. Aber die Realität des Anfangs unserer Existenz ist genau das Gegenteil: Wir kommen ungefragt auf die Welt. Wir können uns unsere Eltern nicht aussuchen, auch die Zeit nicht, in die wir hineingeboren werden, oder das Land. Ist Krieg? Herrscht Frieden, -Armut oder Wohlstand? Als Neugeborene, als Säuglinge, als Kleinkinder und Kinder sind wir angewiesen auf Eltern, Familie, auf -Erwachsene, die sich unserer annehmen. Wir sind angewiesen auf ihre Zuwendung und Verantwortung. Über den Anfang unseres Lebens entscheiden sie. Insofern sind die Kinder von den Eltern nicht zu trennen, und auch nicht das Kindeswohl vom elterlichen Willen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Glauben und Religion gehören zu diesem frühen -Eltern-Kind-Verhältnis für Millionen Menschen dazu, auch in unserer weitgehend säkularisierten Gesellschaft. Für Eltern kann der Weg ihres Kindes zu Gott, der Weg in die Religionsgemeinschaft existenziell sein. Da wir insgesamt die Kinder in die Obhut und Verantwortung der Eltern geben und geben müssen, müssen wir auch diese religiösen Haltungen achten. Kein Land auf der Welt verbietet Beschneidungen der Jungen aus religiösen Gründen. Eine Gruppe meiner Fraktion hält den Gedanken für unerträglich, dass Deutschland – ausgerechnet Deutschland! – das erste Land sein sollte, welches nun ein Verbot einführt. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Wie sollen wir in einem solchen Land mit Juden und Muslimen zusammenleben? Stellen wir uns vor, der Alternativvorschlag würde Gesetz und Eltern dürften nur dann in eine Beschneidung aus religiösen Gründen einwilligen, wenn der Sohn das 14. Lebensjahr vollendet hat und selbst einwilligt. Welche Auswirkungen hätte dies auf die Abertausend Jungen unter 14 Jahren, die beschnitten sind, und ihre Eltern in unserem Alltag, beim gemeinsamen Schulsport, bei den üblichen ärztlichen Untersuchungen, im vielfachen Miteinander? „Du bist beschnitten? Das ist aber verboten. Was haben deine Eltern da gemacht? Das ist hierzulande nicht erlaubt!“ Ausgrenzung wird sich verstärken, wo jetzt schon Ausgrenzung stattfindet. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Gefühl der Illegalität wird sich ausbreiten, ein gefährliches Gift im Zusammenleben, und eine Tendenz zur Isolierung, vor allem der jüdischen Minderheit, wird einsetzen. Wenn möglich, geht der jüdische Junge dann in einen jüdischen Kindergarten oder eine jüdische Schule. Wo das nicht möglich ist, wird er als anders empfunden und seine Eltern auch. Eine solche Situation können wir doch nicht wollen. Ich meine sogar, eine solche Situation dürfen wir nicht sehenden Auges schaffen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Machen wir uns nichts vor: Das Zusammenleben mit der jüdischen und muslimischen Minderheit in unserem Land ist nach wie vor nicht selbstverständlich und frei von Ängsten. Ich erachte es als Aufgabe von uns Parlamentariern, gerade im Mehrheit-Minderheiten-Verhältnis hierzulande Rechtssicherheit und Schutz zu schaffen, anstatt Verbote aufzustellen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wie gesagt, kein einziges Land verbietet Beschneidung aus religiösen Gründen. Wir sollten und dürfen es auch nicht. Aus diesem Grund wird eine Gruppe der Linksfraktion für den Gesetzentwurf der Bundesregierung stimmen. Danke sehr. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort der Kollegin Katja Keul, Bündnis 90/Die Grünen. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Obwohl ich den alternativen Gesetzentwurf mitgezeichnet habe, geht es mir wie manchen anderen: Eigentlich wäre mir gar kein Gesetz am liebsten gewesen. Wir können nämlich mit einer einfachgesetzlichen Regelung gar nicht beschließen, ob die Beschneidung eines Kindes rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Letztlich kommt es bei dieser Frage auf eine verfassungsrechtliche Abwägung von Grundrechtsgütern an. Die Grundrechte sind oft genannt worden: das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern. Zu welchem Ergebnis man an dieser Stelle auch kommt: Das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit können wir mit einer Regelung im Sorgerecht nicht außer Kraft setzen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Ich verstehe den Alternativentwurf daher auch primär als eine deklaratorische Klarstellung gegenüber den Eltern, eine Klarstellung dahin gehend, dass wir die Beschneidung eines 14-Jährigen mit seiner Einwilligung für mit unserer Rechtsordnung vereinbar halten. Das ist insofern eine Verbesserung im Hinblick auf den bisherigen Zustand, aber auch die weitestgehende, die wir meiner Auffassung nach anbieten können. Worum geht es bei dieser grundrechtsrelevanten Entscheidung? Zunächst einmal kann es nicht darum gehen, eine Abwägung zwischen der Religionsfreiheit der Eltern und der körperlichen Unversehrtheit des Kindes vorzunehmen; denn die Religionsfreiheit eines Menschen kann nach unserer Grundwerteordnung niemals einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines anderen Menschen legitimieren, und das Kind ist unstreitig ein eigenes Rechtssubjekt. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN) Es kann daher nur um das Recht der Eltern auf religiöse Erziehung und um die Religionsfreiheit des Kindes selbst gehen. Deshalb knüpft der Alternativentwurf auch konsequent an das Alter der Religionsmündigkeit des Kindes an. Das Erziehungsrecht der Eltern wiederum bezieht sich zweifelsohne auf die Vermittlung von religiösen Werten und Normen. Eine Einwilligung in nicht medizinisch indizierte Eingriffe ist allerdings auch sonst nicht vom elterlichen Sorgerecht umfasst. Der Arzt kann auch auf meinen ausdrücklichen Wunsch ohne medizinische Veranlassung bei meinem Kind kein Blut abnehmen und dazu eine Spritze setzen. Wenn schon ein solch kleiner ärztlicher Eingriff nicht in meinem elterlichen Ermessen steht, kann es ein deutlich schwererer erst recht nicht. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN) Ein solcher Eingriff bleibt rechtswidrig. Ob der Staat in diesen Fällen allerdings zum Mittel der Strafverfolgung greifen will, ist eine ganz andere Frage. Niemand hat in dieser Debatte verlangt, die Eltern muslimischer und jüdischer Kinder strafrechtlich zu verfolgen. Diese wiederholte Unterstellung gegenüber den Unterzeichnern des Alternativentwurfs weise ich ebenso zurück wie den Vorwurf des Antisemitismus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Der Staat kann seine Schutzpflicht zwar nicht einfach aufheben, der Staat hat allerdings durchaus ein Ermessen, mit welchen Mitteln er dieser Schutzpflicht Nachdruck verleihen will. Ohne Strafantrag des Verletzten und ohne öffentliches Interesse bleibt eine Körperverletzung schon jetzt nach § 230 StGB ohne strafrechtliche Ahndung. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN) Auf diesem Wege können die Existenz und die Bedeutung religiöser Zeremonien rechtlich angemessen berücksichtigt werden. Und so ist es bisher schon immer geschehen, da es trotz der langjährigen Auseinandersetzung unter Juristen bei uns und in aller Welt um die rechtliche Bewertung der Beschneidung niemals zur Verurteilung islamischer oder jüdischer Eltern gekommen ist. Wenn mir jetzt an dieser Stelle entgegengehalten wird, das sei nun aber wegen des Kölner Urteils für die Zukunft zu befürchten, dann möchte ich doch für etwas mehr Vertrauen in unsere rechtsstaatlichen Institutionen plädieren. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) Wem dieses Vertrauen nicht ausreicht und wer auf Nummer sicher gehen will, der müsste die Voraussetzungen der Straffreiheit tatsächlich normieren. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Keul, darf der Kollege Volker Beck Ihnen eine Zwischenfrage stellen? Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein danke, ich habe mit dem Kollegen Beck schon ausführlich diskutiert. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN) Vor einer solchen gesetzgeberischen Herausforderung standen wir Anfang der 90er-Jahre schon einmal. Beim Abtreibungsrecht haben wir bis heute die Situation, dass die Abtreibung zwar rechtswidrig, aber unter bestimmten Umständen nicht strafbar ist. Auch bei dieser grundrechtsrelevanten Konstellation wollte man den Eingriff nicht strafrechtlich verfolgen, weil alle wussten, dass er ohnehin vorgenommen würde. Das Bundesverfassungsgericht sah jedoch wegen Art. 1 Grundgesetz keine Möglichkeit, den Eingriff generell für rechtmäßig zu erklären. Der Staat hat an dieser Stelle Rücksicht genommen auf gesellschaftliche Realitäten und ungewünschte Nebenaspekte einer möglichen Strafverfolgung und hat ausdrücklich geregelt, unter welchen Umständen die Strafbarkeit entfallen soll. Wer also meint, es gäbe tatsächlich einen Regelungsbedarf im Hinblick auf die Straffreiheit von Beschneidungen, hätte konsequenterweise diesen Weg gehen müssen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN) Eine Regelung im Sorgerecht kann dagegen nur präzisieren, nicht aber einen grundrechtswidrigen Eingriff für rechtmäßig erklären. Auch den Änderungsanträgen, die sich auf der Grundlage des Koalitionsentwurfs auf die Berücksichtigung des kindlichen Willens beziehen, kann ich nicht zustimmen. Diese Änderungsanträge versuchen die Quadratur des Kreises. Soll das Sorgerecht der Eltern die Beschneidung eines Säuglings mit umfassen, kommt es auf einen entgegenstehenden Willen des Kindes gerade nicht an. Kinder haben eben kein Recht, sich dem Erziehungsrecht ihrer Eltern zu entziehen; deswegen ist es ja auch ein Erziehungsrecht. Soll es auf den Willen des Kindes ankommen, dann kann dies konsequenterweise frühestens ab der Religionsmündigkeit gelten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zum Ende. Ich betone noch einmal abschließend: Niemand will muslimischen oder jüdischen Eltern die Staatsanwaltschaft ins Haus schicken. Der von der Mehrheit des Hauses vorgelegte Gesetzentwurf ist allerdings schlicht nicht geeignet, die von ihm selbst anvisierte und für nötig befundene Rechtsklarheit herzustellen. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Norbert Geis für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Norbert Geis (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann in dieser Sache zwar verschiedener Auffassung sein. Eines kann man aber festhalten, nämlich dass diese Debatte im gesamten Gesetzgebungsverfahren sowohl hier im Bundestag als auch im Bundesrat sowie in den Ausschüssen zur Versachlichung des Themas beigetragen hat. Diese Feststellung, anknüpfend an die diesbezügliche Bemerkung von Herrn Thomae, scheint mir wichtig zu sein. Das Gleiche gilt auch für die Diskussion draußen in der Bevölkerung. Hier ist versucht worden und wird weiter versucht, sachlich Argument gegen Argument abzuwägen. Allerdings, Frau Kollegin Keul, glaube ich nicht, dass man die Möglichkeit der Beschneidung allein auf Straffreiheit stützen kann. Vielmehr muss ein klares Wort dazu gesprochen werden, dass die Beschneidung nicht nur straffrei, sondern darüber hinaus rechtsgemäß ist, dass sie im Einklang steht mit unserer Rechtsordnung. Das will der vorgelegte Gesetzentwurf erreichen, und insbesondere deswegen unterstützen wir ihn. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir diskutieren über dieses Thema, weil die Frage aufgekommen ist, ob ein Arzt oder eine Person, die von einer Religionsgemeinschaft dazu besonders autorisiert und ausgebildet worden ist, sich strafbar macht, also gesetz- und rechtswidrig handelt, wenn sie ein noch nicht einsichts- und urteilsfähiges Kind aus nichtmedizinischen Gründen beschneidet und hierzu die Einwilligung der Eltern vorliegt. Das ist die Frage, um die es geht. In anderen europäischen Ländern spielte diese Diskussion seit Jahrtausenden keine Rolle. Nun liegt jedoch das Urteil des Landgerichts Köln auf dem Tisch, und wir haben uns auch im Bundestag mit dieser Frage zu befassen. Man kann an dieser Frage nicht vorbeigehen, weil Unsicherheit in der Bevölkerung, insbesondere bei den Ärzten, entstanden ist. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung versucht, hier Klarheit zu schaffen, und ich meine, dies ist auch gelungen. Es gibt in der Rechtswissenschaft verschiedene Meinungen darüber, ob die Beschneidung, wenn sie aus religiösen Gründen vorgenommen wird, überhaupt tatbestandsmäßig im Sinne des § 223 StGB ist, ob sie also nicht sozial adäquat ist. Zum einen gibt es die Meinung, dass die Einwilligung der Eltern diese Tat rechtfertigt. Zum anderen gibt es die Meinung – sie wird auch hier teilweise vertreten –, dass die Beschneidung trotz Einwilligung der Eltern eine Körperverletzung bleibt und deshalb strafrechtlich zu verfolgen ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Bundesregierung lässt die beiden genannten Fragen offen und entscheidet sich dafür, zu sagen, dass die Beschneidung im Einklang mit unserer Rechtsordnung steht. Es stellt sich zunächst einmal die Frage, was mit der Einwilligung der Eltern gemeint ist, die Voraussetzung für die Beschneidung ist. Die Einwilligung der Eltern basiert auf Art. 6 Grundgesetz, die sogenannte elterliche Sorge, die den Eltern zusteht. Das Recht aus Art. 6 Grundgesetz ist kein klassisches – – Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Ströbele würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Norbert Geis (CDU/CSU): Lassen Sie mich diesen Gedanken gerade zu Ende führen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ja, gerne. – Einen kleinen Augenblick, Herr Ströbele. Norbert Geis (CDU/CSU): Die Frage, ob die Einwilligung der Eltern ein Recht nach Art. 6 Grundgesetz ist, ist zu bejahen. Art. 6 Grundgesetz ist kein klassisches Freiheitsrecht, sondern die Anerkennung des Staates, dass Eltern zusammen mit ihren Kindern, in der Familie, in einem Raum leben können, in dem der Staat zunächst einmal nichts zu suchen hat, sondern ihm nur das Wächteramt zugewiesen worden ist. Das ist, glaube ich, eine Voraussetzung, die man sich vergegenwärtigen muss, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass die Beschneidung mit unserer Rechtsordnung in Einklang steht. – Jetzt bitte, Herr Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Geis, ich bin trotzdem nicht überzeugt, dass der Vorschlag der Bundesregierung der richtige ist. Wirft nicht jede gesetzliche Regelung, die Sie hier treffen – wenn Sie sagen: „Das und das ist erlaubt“, oder: „Das und das ist das Recht der Eltern“ –, die Frage auf: Was ist denn, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind? Muss man dann nicht, wenn der Gesetzgeber überhaupt tätig wird, den Schluss ziehen: „Wenn der Gesetzgeber den einen Fall geregelt hat, dann meint er, das Recht der Eltern beziehe sich nicht auf den Rest“? Ich will es ganz konkret machen. Nehmen wir den in Art. 1 des Regierungsentwurfes vorgesehenen § 1631 d Abs. 2 BGB. Darin steht, dass in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes auch jemand, der nicht Arzt ist, eine Beschneidung durchführen kann. Was ist, wenn jemand, der nicht Arzt ist, nach sechs Monaten und drei Tagen eine Beschneidung durchführt? Sagen Sie nicht dadurch, dass Sie dieses Gesetz überhaupt machen, dass es in diesem Falle nicht mehr das Recht der Eltern ist, eine wirksame Einwilligung abzugeben? Deshalb sage ich: Manchmal ist es besser, gar kein Gesetz zu machen, als ein Gesetz zu machen, das ununterbrochen neue, zusätzliche Fragen aufwirft. Wir haben das Strafgesetzbuch seit mehr als 140 Jahren, und mir ist in diesem Zusammenhang nicht eine einzige Verurteilung bekannt, völlig zu Recht. Norbert Geis (CDU/CSU): Lieber Herr Ströbele, ich glaube, dass ein Gesetz notwendig ist, weil im Land, zum Beispiel bei den Ärzten, Verwirrung entstanden ist. Die Ärzte haben die Furcht, sich strafbar zu machen, wenn sie eine Beschneidung vornehmen. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Personen, die dazu durch die Religionsgemeinschaften besonders autorisiert sind. Deswegen glaube ich, dass es schon notwendig ist, eine gesetzliche Regelung zu treffen. Ich unterstütze das ganz ausdrücklich. Ich möchte im Laufe meiner Ausführungen zu Ihrer weiteren Frage Stellung nehmen. Sie gehen, wie ich meine, auf ein Kernelement ein. Es geht um die Frage, welchem Ziel die Gewährung dieses Elternrechts nach unserer Verfassung dient. Ziel ist die Wahrung des Kindeswohls. Das Elternrecht heißt elterliche Sorge und hat keinen anderen Zweck und Sinn, als für das Kindeswohl zu sorgen. Nun muss man sich fragen: Was ist unter Kindeswohl zu verstehen? Ist eine Beschneidung im Sinne des Kindeswohls? Ich komme zu dem Ergebnis, dass die Eltern das ihnen von der Verfassung eingeräumte Recht haben, darüber zu entscheiden, was richtig und was falsch für das Kind ist, was dem Kindeswohl entspricht und was nicht. Nicht der Staat hat das Interpretationsrecht, nicht die Ärzte, nicht die Gesellschaft oder sonst irgend-jemand, sondern zunächst haben allein die Eltern das -Interpretationsrecht, zu entscheiden, was dem Wohl des Kindes entspricht. Wenn die Frage geklärt ist, ob den Eltern das Interpretationsrecht bezüglich des Kindeswohls zusteht, dann stellen sich weitere Fragen, nämlich ob das auch die -Entscheidung über die Beschneidung erfasst – wie ich vorhin schon gefragt habe – und ob die Beschneidung dem Kindeswohl entspricht oder nicht. Hier muss man zubilligen, dass der Staat dies durch den freiheitlichen Raum ermöglicht, den er den Eltern zur Verfügung stellt. Natürlich ist nicht jede Entscheidung, die Eltern angeblich im Sinne des Kindeswohls treffen, wirklich im Sinne des Kindeswohls. Dann darf der Staat aufgrund seines Wächteramtes eingreifen. Die Frage ist, ob die Beschneidung dazugehört. Der Gesetzentwurf sagt ganz klar: Die Beschneidung gehört dazu. In dem Gesetzentwurf wird nicht nach den Motiven gefragt, es wird nicht gefragt, aus welchen Gründen die Beschneidung vorgenommen wird. Der Gesetzentwurf lässt dies offen, und zwar aus gutem Grund; denn es gibt vielerlei Gründe dafür, dass eine Beschneidung dem Kindeswohl entsprechen kann. Aber es gibt natürlich auch Gerichte, die unter Umständen sagen – diese Möglichkeit muss der Gesetzentwurf auch offenlassen –: Eine Beschneidung etwa aus kosmetischen Gründen entspricht nicht dem Kindeswohl. Da stellt sich natürlich die Frage: Könnte ein Gericht nicht auch sagen: Eine Beschneidung, die aus religiösen Gründen vorgenommen wird, entspricht nicht dem Kindeswohl? Wir leben im Zeitalter des Relativismus. Da ist es durchaus möglich, dass man den Einfluss der Religion zurückdrängt. Hier kommt Art. 4 Grundgesetz ins Spiel. Wir haben die Religionsfreiheit, und die Eltern haben die Pflicht und auch die Verantwortung, für das Kind die vielleicht wichtigste Entscheidung, nämlich ob und, wenn ja, welcher Religion es angehört, zu treffen. Hier kommt der Aspekt ins Spiel, der schon öfters erwähnt worden ist, dass nämlich für die Juden die Beschneidung ein konstitutives Element ist. Man kann nicht Jude werden, man kann nicht Mitglied des Bundes von Abraham und Gott werden – der über alle Jahrtausende hinweg bis heute getragen wurde –, wenn die Beschneidung nicht vorgenommen worden ist. Das haben wir zu respektieren. Ich glaube, dass der vorliegende Gesetzentwurf Klarheit schafft. Ich hoffe sehr, dass wir eine große Mehrheit dafür finden. Ich danke Ihnen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Christine Lambrecht für die SPD-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Christine Lambrecht (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Monaten der intensiven Debatte über den Umgang mit der Beschneidung von männlichen Kindern haben wir heute über zwei Gesetzentwürfe und mehrere Änderungsanträge zu entscheiden. Bei beiden Gesetzentwürfen steht das Kindeswohl im Mittelpunkt, und zwar völlig zu Recht; denn es geht um kleine Jungs, die noch nicht für sich selbst sprechen können. Obwohl in beiden Gesetzentwürfen das Kindeswohl in den Mittelpunkt gestellt wird, werden unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen. Der Entwurf der Kollegin Rupprecht und anderer -enthält nach einer Abwägung zwischen dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, der elterlichen Sorge und der Religionsfreiheit die Schlussfolgerung, dass Beschneidung in Deutschland möglich sein soll, aber nur durch einen Arzt, unter Narkose und ab einem Alter des -Jungen von 14 Jahren. Ich weiß, dass die Unterstützer dieses Gesetzentwurfs wollen, dass jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland auch in Zukunft möglich ist. Tatsächlich wäre die Konsequenz aus diesem Gesetzentwurf aber – das haben wir schon mehrere Male gehört; das muss jedem bewusst sein –, dass dieses Leben entweder nicht mehr möglich wäre oder Eltern, -Beschneider, Ärzte, die an diesem Ritual weiterhin festhalten, mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müssten. Dessen muss man sich bewusst sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Auch wenn es für viele von uns ein fremdes Ritual darstellt, ist es für das Judentum konstitutiv, dass Jungen am achten Tag ihres Lebens beschnitten werden, von einem Mohel, in der Synagoge, ohne Narkose. Da stellt sich die Frage: Können wir das vor dem Hintergrund unseres Grundgesetzes und unserer Wertvorstellungen zulassen? Ich sage: Ja. Ich möchte das erläutern: Dieses jahrtausendealte Ritual ist im Judentum von so großer Bedeutung, dass es sogar durchgeführt wird, wenn dieser achte Tag auf Jom Kippur fällt, auf den höchsten Feiertag im Judentum, an dem sonst fast alles jüdische Leben stillsteht. Das verdeutlicht die Bedeutung des Ganzen: Durch diese Beschneidung – auch wenn es uns fremd ist; ich sage es noch einmal – wird der Junge mit Gott verbunden. Was im Judentum aber noch wichtiger ist als der Grundsatz der Beschneidung, ist ein Grundsatz, der sich – ich bitte um Verständnis, wenn ich das nicht ganz -korrekt ausspreche – Pikuach Nefesch nennt. Dieser Grundsatz im Judentum besagt, dass die Gefährdung von Gesundheit und Leben unter allen Umständen zu -vermeiden ist. Das heißt, dass kein Junge beschnitten werden darf, wenn eine Gefährdung der Gesundheit oder gar des Lebens droht. Das ist ein ganz klarer Grundsatz, der über dem Grundsatz der Beschneidung steht. Im Kern geht es hier um die Frage, ob die elterliche Sorge das Recht umfasst, in eine nicht medizinisch indizierte Beschneidung, eine gefährliche Körperverletzung – man muss es so deutlich aussprechen –, einzuwilligen. Die elterliche Sorge muss zum Wohle des Kindes aus-geübt werden. Aber was ist das Kindeswohl in genau diesem Fall? Ist es wirklich ausschließlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit? Ich meine, das Kindeswohl ist viel umfassender zu begreifen. Wir alle sind uns einig, dass das Kindeswohl ganz klar eine gewaltfreie -Erziehung umfasst. Es umfasst meiner Einschätzung nach aber auch die Entscheidung der Eltern darüber, dass das Kind im gesellschaftlichen Umfeld der Familie als akzeptiertes Mitglied aufwachsen und sich entwickeln kann. Diese Möglichkeit wäre nicht gegeben, wenn die Eltern die Entscheidung über eine Beschneidung nicht treffen könnten. Ganz klar ist: Die elterliche Sorge muss verantwortungsvoll ausgeübt werden. Das heißt, immer dann, wenn die Gesundheit des Kindes in Gefahr ist, muss von dieser Beschneidung abgesehen werden. Hiervon haben mich zahlreiche Gespräche mit jüdischen Eltern überzeugt. Diese haben ein zutiefst eigenes Interesse daran, ihre Söhne keiner gesundheitlichen Gefährdung auszusetzen, zum Beispiel, wenn das Kind als Frühchen mit einem ganz geringen Gewicht auf die Welt kommt oder eine Erkrankung, zum Beispiel eine Gelbsucht aufweist. Dann kommt der Grundsatz Pikuach Nefesch zum -Tragen. Dann ist eine solche Beschneidung ganz klar verboten. Ich halte es für richtig, dass der Regierungsentwurf vorsieht, diese Regelung im Bereich der Personensorge anzusiedeln – genau da gehört er hin – und die Entscheidung bei den Eltern belässt. Ich hätte mir aber gewünscht – das muss ich noch einmal deutlich sagen –, dass einige Unklarheiten, die aus meiner Sicht sehr wohl vorhanden sind, im Interesse der Rechtssicherheit hätten geklärt werden können. Deswegen haben der Kollege Lischka, andere Kollegen und ich einen Änderungsantrag vorgelegt, der insbesondere die Frage der ärztlichen Aufklärung über die Risiken, über mögliche Folgen einer solchen Beschneidung regelt. Es wird klargestellt, dass darüber aufgeklärt werden muss, und zwar mit entsprechendem Sachverstand. An dieser Stelle möchte ich noch einmal an Sie, die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, appellieren: Stimmen Sie diesem Änderungsantrag zu. Er enthält Klarstellungen und ermöglicht dennoch gemäß dem Regierungsentwurf die Beschneidung des männlichen Kindes am achten Tag in der Synagoge ohne Narkose entsprechend dem jüdischen Ritual. Stimmen Sie diesem Änderungsantrag im Interesse der Rechtssicherheit zu. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Lassen Sie mich zum Schluss noch ganz kurz auf einen Vorwurf eingehen – Präsident Dr. Norbert Lammert: Das muss aber jetzt ganz zügig erfolgen. Christine Lambrecht (SPD): – das mache ich ganz zügig –, der mich in den letzten Wochen und Monaten – das muss ich zugeben – sehr betroffen gemacht hat. Mir wurde vorgeworfen, ich würde, wenn ich jetzt heute hier zustimme, Tür und Tor dafür öffnen, dass auch weibliche Genitalverstümmelung in Zukunft möglich wird, weil auch das ein religiöses -Ritual ist. Ich glaube, man muss schlicht und ergreifend darstellen: Weibliche Genitalverstümmelung ist nicht nur in Deutschland strafbar, sondern sie ist sogar eine Menschenrechtsverletzung. Dies haben die Vereinten Nationen bereits im Jahr 1995 klargestellt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deswegen kann doch niemand eine Verbindung zwischen der männlichen Beschneidung, über die es niemals eine solche Entscheidung gegeben hat, und einer -Menschenrechtsverletzung herstellen. Niemand kann behaupten, ich wäre, weil ich die männliche Beschneidung zulasse, mit einer Menschenrechtsverletzung einverstanden. Ich sage an dieser Stelle ganz klar: Wer sich heute für diesen Regierungsentwurf – mit den Änderungen, um die ich noch einmal bitte – entscheidet, öffnet keineswegs die Tür für weibliche Genitalverstümmelung. Diese muss in Deutschland strafbar bleiben. Vielen Dank für Ihre Geduld. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Thomas Heilmann, Senator (Berlin): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und -Herren! Das Kölner Urteil – das hat auch die heutige -Debatte wieder gezeigt – hat uns alarmiert. Es hat uns Wertungswidersprüche aufgezeigt und unsere Toleranz gegenüber Muslimen und Juden durchaus infrage gestellt. Im Ergebnis aber – das kann man heute sagen – hat das Urteil durchaus Positives bewirkt. Dies möchte ich gerne darstellen. Die Fragen, die das Urteil aufgeworfen hat, können wir heute gut beantworten. Mit diesen Antworten leben wir besser als vor dem Urteil. Wir haben ein religiöses Ritual besser verstanden – dies gilt jedenfalls für mich –, seinen Wert für Muslime und Juden wahrgenommen und gleichzeitig den dahinterstehenden Grundrechtewiderstreit deutlich gemacht. Es hat eine Debatte gegeben, und sie hat – bei allem Disput im Einzelnen; diesen gibt es auch heute – ein klares und eindeutiges Signal gesetzt. Unser Signal heute heißt: Jüdisches und muslimisches Leben ist bei uns in Deutschland willkommen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Im Sommer war das durchaus anders. Nach dem -Kölner Urteil kamen zuerst die Leitung des Jüdischen Krankenhauses in Berlin, später weitere Ärzte, Bürger, -Rabbiner und Muslime zu mir und zur Staatsanwaltschaft in Berlin. Sie alle trugen sehr besorgt vor, sie wüssten nicht, ob sie sich mit der Ausübung ihrer Religion strafbar machen. Lieber Herr Ströbele, ich kann Ihnen versichern: Kein Gesetz ist keine Lösung. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat mir sehr deutlich gemacht, dass sie ohne die Entschließung im Deutschen Bundestag vor der Sommerpause nach Abwägung aller Details Beschneidungen verfolgt hätte. Deshalb war der Beschluss, also der ernsthafte Wille des Gesetzgebers, es zu dulden, durchaus strafvermeidend und hat eine aus meiner Sicht furchtbare Debatte für Deutschland vermieden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Senator Heilmann, würden Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Beck gestatten? Thomas Heilmann, Senator (Berlin): Ja, gestatte ich. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schönen Dank, Herr Senator. – Sie haben eben noch einmal betont, dass mit diesem Gesetzentwurf das Zeichen gesetzt werden soll, dass jüdisches und muslimisches Leben in unserem Land gewollt und gewünscht ist. Könnten Sie diese Aussage vielleicht um den Satz erweitern, dass jüdisches und muslimisches Leben auch zu den Bedingungen der Juden und Muslime gewünscht ist und nicht nur zu unseren Bedingungen? Ich möchte das kurz erklären. Ich habe einige Jahre als Integrationsbeauftragte gearbeitet, und wir haben sehr hitzige Debatten über das Thema Leitkultur geführt. Es ging immer um die Frage: Wo ist das Recht auf Differenz? Wo müssen wir denen, die mit anderen Wertvorstellungen zu uns kommen, das Recht einräumen, ihr -Leben so einzurichten, dass sie einen Teil davon behalten können? Schließlich wollen wir nur Integration und nicht Assimilation. Könnten Sie der Überlegung folgen, dass wir uns mit einer Setzung „Diesem inhärenten Teil des jüdischen und des muslimischen Glaubens können wir keinen Raum einräumen“ stark in Richtung einer Assimilationsaufforderung bewegen, statt das Recht auf Differenz und Vielfalt zu betonen, die eine Politik der Vielfalt eigentlich beinhalten muss? Thomas Heilmann, Senator (Berlin): Mit Verlaub, ich kann in meinen acht Minuten jetzt keine ganze Integrationsdebatte ausrollen. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das wird nicht angerechnet, Herr Senator!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Aber wenn Sie etwas lauter sprechen würden, würde das, was Sie erläutern wollen, auch ein bisschen besser zu verstehen sein. Thomas Heilmann, Senator (Berlin): Ich kann Ihre Frage insofern eindeutig bejahen, als dass „willkommen“ heißt, dass sie ihre Identität wahren dürfen und sie nicht abgeben müssen. Darum geht es auch in diesem Einzelfall. Heißt das, dass sie dann alles dürfen, was sie mitgebracht haben? Natürlich nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP]) Ich fühle mich jetzt, ehrlich gesagt, leicht überfordert, das nun in aller Breite als Antwort auf Ihre Frage auszuführen. Heute können wir sagen – wenn ich fortfahren darf –, dass die Frage der Zulässigkeit der Beschneidung auch schnell und zügig beantwortet wird. Das ist zuallererst – ich habe es eben erwähnt – Ihrer Initiative, lieber Herr Kauder, zu verdanken. Ihnen, Frau Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger, ist aus meiner Sicht ein Gesetzentwurf gelungen, der heute in diesem Haus und am Freitag im Bundesrat eine breite Mehrheit erwarten kann. Somit kann ich in Berlin rasch Antwort geben. Das ist nicht selbstverständlich, und dafür danke ich heute. Es ist nach meiner festen Überzeugung nicht nur eine zügige und klare Antwort gelungen, sondern es ist vor allem die richtige Antwort gelungen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Denn mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz wird nicht entschieden, dass und wann Beschneidungen an Knaben zu befürworten sind. Ich selbst gehöre nicht zu den Befürwortern einer Beschneidung, wenn sie an nicht einwilligungsfähigen Knaben vorgenommen wird. Mehr noch, ich begrüße es sogar, wenn sich Eltern trotz ihres Glaubens zu einem Verzicht auf eine Beschneidung ihres Sohnes durchringen können. Der Diskurs über die Beschneidung und ihre Begleitumstände ist aus meiner Sicht erwünscht – insofern gebe ich auch der linken Seite des Hauses durchaus recht –, gerade wenn er ausgewogen, sachlich und nicht feindlich geführt wird. Was das Gesetz aber festlegen muss, ist, dass das Strafrecht in dieser Debatte nichts zu suchen hat; darum geht es im Kern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Strafrecht sichert die wichtigsten Regeln unseres Zusammenlebens im Interesse eines friedlichen Mitei-nanders in unserer Gesellschaft. Zu diesem Rechtsfrieden gehört insbesondere, dass die Strafjustiz nur als Ultima Ratio des Rechts eingesetzt wird, der Staat sich also zurückhält. Der Staat vertraut seinen Bürgern – allen Bürgern: Er vertraut seinen christlichen Bürgern genauso wie den atheistischen, seinen muslimischen Bürgern genauso wie seinen jüdischen Bürgern, und zwar gerade im Hinblick auf die Erziehung, Pflege und Liebe zu ihren Kindern. Die Zurückhaltung des Strafrechts ist eine Errungenschaft des Rechtsstaats. Wesentliche Elemente dieser Entwicklung waren und sind die Trennung von Kirche und Staat und der in Deutschland geltende Religionsfrieden. In dieser Tradition – dieser Hinweis kam bisher nicht vor – hat schon der Staat Preußen – wohlgemerkt: per Gesetz von 1806 – Beschneidungen in Deutschland ausdrücklich gestattet. Die damalige gesetzlich normierte Wertung stellen wir heute wieder her. Für die, die es nicht wissen: Sie ist letztlich über den Nationalsozialismus verloren gegangen. Den Juden wurde vor fast 2 000 Jahren durch die Eroberung Jerusalems durch die Römer und den damit einhergehenden Massenmord ihr Staatsgebiet genommen. Die seitdem in alle Welt zerstreuten Juden fanden über die Jahrhunderte ihren bewundernswerten Halt in ihrer Religion. Identität fanden und finden sie eben nicht in einer Heimat, die sie nicht hatten, sondern in ihrem Bekenntnis, zu dem gehört, dass der Bund mit Gott in der Beschneidung seinen Ausdruck findet. Der Islam hat diese Tradition in abgewandelter Form übernommen. Der jahrtausendelange Überlebenskampf des jüdischen Volkes, der in der Schoah bekanntermaßen einen furchtbaren Höhepunkt erreicht hat, war auch deshalb erfolgreich, weil zur jüdischen Identität Rituale wie die Beschneidung gehören, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) mit denen der Bund mit ihrem Gott symbolisiert wird – jenem Gott, der seinem Volk Beistand zugesagt hat, auf den es in den finstersten Stunden der Geschichte hoffen durfte. Das verdient mehr als unseren Respekt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Das verdient, dass wir als Staat diese Tradition im Wortsinne anerkennen, also erkennen und achten. Die Beschneidung der Knaben ist kein Symbol der Unterdrückung, wie etwa die Beschneidung von Mädchen, sondern ein Zeichen des Überlebenskampfes und des Bekenntnisses. Darin liegt der Unterschied. Deswegen werten wir auch unterschiedlich. Auch Muslime beanspruchen zu Recht unser Verstehen und unser Respektieren in gleicher Weise wie die Juden. Die Beschneidung ist integraler Bestandteil des Islam. Ohne sie gibt es für viele Muslime keine rituelle Reinheit. Auf der Basis eines solchen Anerkenntnisses lässt sich dann das Gespräch über denkbare Weiterentwicklungen der Beschneidung gut führen – mit und vor allem innerhalb der Religionsgemeinschaften. Der alternative Gesetzentwurf, der eine Beschneidung erst ab 14 Jahren vorsieht, leistet das gerade nicht. Deshalb kann man zwar die gute Absicht anerkennen, aber es wird eben genau zu dem führen, was wir nicht wollen, nämlich zur Einschaltung der Staatsanwaltschaft. In den letzten Monaten wurde aus meiner Sicht Gutes bewirkt. Wir haben nicht verschleiert, sondern deutlich gemacht, dass legitime Weltsichten und Normen in Deutschland aufeinandertreffen. Sie zu versöhnen, ist die Voraussetzung für eine gedeihliche Zukunft unseres Landes. Der ausgewogene Gesetzentwurf der Bundesregierung leistet einen wertvollen Beitrag dafür, dass unsere Gesellschaft zusammenwächst und das wechselseitige Verständnis größer wird. Dafür brauchen wir Respekt, Argumente und Debatten, aber eben keine strafrechtlichen Sanktionen. Deshalb unterstütze ich den neuen Gesetzentwurf ausdrücklich. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Jerzy Montag. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich unterstütze den Gesetzentwurf der Bundesregierung aus der vollen Überzeugung heraus, dass der Deutsche Bundestag als Gesetzgeber in Deutschland Eltern, die sich für eine Beschneidung ihrer Kinder aussprechen, nicht den Vorwurf machen sollte, sie verstießen gegen das Gesetz und würden ihre elterlichen Sorgfaltspflichten überschreiten. Wir wollen ihnen auch nicht den Vorwurf machen, dass sie eine Körperverletzung an ihren Kindern begehen. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Aber auch dieser Gesetzentwurf könnte noch verbessert werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Kindeswohl an zwei Stellen nicht ausreichend beachtet wird und er deswegen eine Änderung erfahren sollte. Beim ersten Punkt geht es um die Beachtung des kindlichen Willens. Wir müssen uns klar werden: Der Gesetzentwurf, über den wir gleich abstimmen, behandelt Beschneidungen an nicht einsichtsfähigen und nicht urteilsfähigen Kindern. Das sind nicht nur Babys. Nicht einsichts- und nicht urteilsfähig sind Kinder bis zum 14., manchmal bis zum 16. Lebensjahr. Es geht also um Jungen bis zu diesem Alter. Ich sage Ihnen: Wenn ein 13-jähriger Junge eindeutig und klar erklärt, er möchte nicht beschnitten werden, dann muss die Antwort des Gesetzes klar sein: Dieser Wille ist zu beachten. Der Fehler im Gesetzentwurf der Bundesregierung ist hier, dass diese Beachtung nicht grundsätzlich stattfindet. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und der FDP) In der Begründung auf Seite 18 lesen wir, dass die Eltern in Ausnahmefällen eine solche Meinung ihres 13jährigen Sohnes berücksichtigen könnten. Mir ist das zu wenig. Deswegen habe ich den Änderungsantrag gestellt, dass dann, wenn die Kinder alt genug sind, um eine klare Position zu beziehen, diese auch zu achten und eine Einwilligung gegen eine Erklärung des Kindes nicht zulässig ist. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Der zweite Punkt, der mir am Herzen liegt, ist die in Abs. 2 des neuen § 1631 d BGB geregelte Ausnahme. Bei der Beschneidung handelt es sich um einen medizinisch nicht indizierten operativen Eingriff. Ein medizinisch nicht indizierter operativer Eingriff muss nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden; das bedeutet: mit einer narkotisierenden Schmerzlinderung. Wir müssen jetzt also nach einer Lösung suchen, die das unbedingte Erfordernis des Kindeswohls – Schmerzlinderung – auf der einen Seite mit den Erfordernissen – ich sage das klar und deutlich – der jüdischen Kultusgemeinde, also der jüdischen Religion, auf der anderen Seite in Einklang bringt. Das ist möglich! Das ist deswegen möglich, weil, wie uns jedenfalls Ärzte gesagt haben, in den ersten 14 Lebenstagen leichte operative Eingriffe an Babys, wenn sie überhaupt vorgenommen werden, ohne Narkotisierung stattfinden, weil die Narkotisierung den Babykörper mehr belastet als der Eingriff selbst. Wir haben also mit der 14-Tage-Frist eine Frist, die medizinisch begründet ist, die vom Kindeswohl begründet ist und die die Möglichkeit der Beschneidung nach dem jüdischen Glauben am 8. Tag durch einen Mohel belässt. Die beiden Änderungsanträge, die wir jetzt zur Abstimmung stellen, sind nicht gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung gerichtet. Wir werden für diesen Gesetzentwurf stimmen. Aber wir könnten ihn besser machen. Wir könnten die Zustimmung in diesem Hause vergrößern. Ich bitte Sie herzlich, das noch einmal zu bedenken und den beiden Änderungsanträgen, die Kollegen und ich eingebracht haben, zu folgen. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Bevor ich der Kollegin Özo?uz als letzter Rednerin das Wort erteile, darf ich diejenigen, die im Saal stehen, bitten, Platz zu nehmen, zumal, bevor wir in die Abstimmungen eintreten, noch einige Erläuterungen zum Abstimmungsverfahren erfolgen. Bitte schön, Frau Kollegin. (Beifall bei der SPD) Aydan Özo?uz (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir sind nun am Ende der Debatte angelangt. Daher möchte ich nur noch auf wenige Punkte Bezug nehmen, die mir besonders wichtig sind. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist eine der zentralen Errungenschaften der Aufklärung. Aufklärung bedeutet auch, dass zum Beispiel Weltreligionen ihre Berechtigung im weltanschaulich neutralen Staat haben. Wir sind eine plurale und äußerst heterogene Gesellschaft in Deutschland. Das ist auf der einen Seite eine große Chance. Denn jeder und jede kann eine individuelle Lebensplanung und individuelle Priorisierung vornehmen; natürlich stets im Rahmen unseres Grundgesetzes. Auf der anderen Seite ist es aber auch anstrengend und erfordert ständige Mühen, anzuerkennen und manchmal auch auszuhalten, dass Menschen unterschiedliche Auffassungen darüber haben, was für sie wichtig ist oder nicht und was für sie richtig oder falsch ist. Was diese Debatte in meinen Augen erschwert, sind, wie häufig, die Emotionen. Inhaltlich wird hier von mehreren der Anstoß gegeben, darüber nachzudenken, ob eine jahrtausendealte Tradition heute noch ihre Richtigkeit hat und ob sie tatsächlich nützt oder nicht. In meinen Augen kann eine solche Frage oder Anregung niemals falsch sein. Ich würde mir eine gute und sachliche Debatte – und zwar hauptsächlich, wenn ich das einmal so sagen darf, innerhalb der Religionsgemeinschaften – darüber wünschen, auch wenn es zunächst einmal einige Irritationen darüber gab, dass ein solcher Stein durch ein Gerichtsurteil ins Rollen gebracht wurde. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Aber wir hier in diesem Hause können den Religionsgemeinschaften diese Debatte nicht abnehmen. Wir führen eine andere Debatte. Es ist mir auch ein besonderes Anliegen, auszudrücken, dass wir uns immer wieder die Mühe machen sollten, diejenigen, die ein ernsthaftes Anliegen haben – ich schaue einmal Marlene Rupprecht extra an –, deutlich von denjenigen zu unterscheiden, die jede Gelegenheit nutzen, um sich selbst und die eigenen Überzeugungen über die Lebensweise anderer zu stellen. Ich möchte erwähnen, dass es leider auch bei dieser Debatte, so etwa in Bürgerbriefen oder Mails, seit dem Urteil des Kölner Landgerichts in Teilen eine Begleitmusik gab, die überheblich, streckenweise verletzend und zum Teil respektlos bis hin zu islamophob und antisemitisch war. Das, glaube ich, dürfen wir alle nicht akzeptieren und hinnehmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In Klammern darf ich hinzufügen: Fast ein wenig absurd mutet es auch an, dass Muslime in diesen letzten Wochen und Monaten fast ein Stück erleichtert darüber sein mussten, dass das Urteil auch Jüdinnen und Juden in Deutschland betrifft. Sie haben selber immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass man gar nicht wissen möchte, wie diese Debatte sonst verlaufen wäre. Ich möchte das einfach mal kritisch gesagt haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Nicht anders, Frau Kollegin! Nicht anders!) Es geht doch heute um Folgendes: Der Deutsche Bundestag kann nicht darüber entscheiden, wie Religionsgemeinschaften – in diesem Fall Islam oder Judentum – sich inhaltlich definieren und wie sie ihre Überlieferungen und Glaubensschriften deuten. Das ist ausdrücklich weder das Recht noch die Aufgabe des Deutschen Bundestags. Wir können und wollen heute festlegen, dass die Anhänger verschiedener Religionsgemeinschaften ihre Religionen bei uns leben können. Eine besondere Herausforderung ist dabei natürlich auch, dass hier im Hause nur sehr wenige diesen Glaubensgemeinschaften – also der muslimischen, dem Islam, oder auch der jüdischen Glaubensgemeinschaft – angehören und das Bild entsteht, dass hier Mehrheiten über Minderheiten urteilen. Ich respektiere – das zu sagen ist mir ganz wichtig – die Meinung derjenigen Kolleginnen und Kollegen, die sich gegen die Beschneidung von Jungen aussprechen oder diese erst ab dem 14. Lebensjahr ermöglichen wollen, auch wenn ich persönlich diese Überzeugung nicht teile. Denn ich halte es nicht für einen richtigen Weg – das hat in meinen Augen auch nichts mehr mit Auseinandersetzung und Verständigung zu tun –, wenn wir in Zukunft durch ein Verbot die staatsanwaltschaftliche Verfolgung ermöglichen und damit Juden und Muslime sehr pauschal kriminalisieren. Ich bezweifle stark, dass Deutschland sich damit einen Gefallen tun würde, ausgerechnet mit einem solchen Weg weltweit eine Vorreiterstellung einzunehmen. Zu guter Letzt möchte ich noch sagen – das wurde in der ersten Beratung sehr schön dargestellt –, dass sich weder Juden noch Muslime vorwerfen lassen müssen, dass sie ihre Kinder weniger lieben und achten oder auf ihr Wohl nicht allergrößten Wert legen würden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Damit möchte ich diese Debatte beschließen und noch einmal für die Änderungsanträge von Burkhard Lischka und Kerstin Griese werben. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Ich bitte diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die mit weiteren Wünschen nach Zwischenfragen oder Kurzinterventionen nicht zum Zuge gekommen sind, um Verständnis. Wir haben statt der vereinbarten Debattenzeit von 90 Minuten jetzt zwei Stunden über das Thema diskutiert. Das ist sicherlich auch angemessen. Aber wir haben noch unsere weitere Tagesordnung zu bewältigen, was mich zu einer Anregung führt. Es kommt jetzt wiederum verständlicherweise eine Reihe der für die spätere Tagesordnung vorgesehenen angemeldeten Fragen für die Fragestunde mit dem Hinweis auf schriftliche Beantwortung im Tagespräsidium an. Ich habe den Eindruck, dass wir möglicherweise für die Fragestunde nicht die vorgesehenen zwei Stunden brauchen, sondern uns vielleicht vorab auf eine oder eineinhalb Stunden verständigen könnten. Ich bitte daher darum, vielleicht während der namentlichen Abstimmung zwischen den Geschäftsführern eine Verständigung herbeizuführen. Darauf können dann auch die weiteren Planungen für den späteren Nachmittag und Abend abzielen. Vielleicht kann das während der ersten namentlichen Abstimmung zwischen den Geschäftsführern geklärt werden. Bevor wir nun zur Abstimmung kommen, bitte ich um Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Abstimmungsverfahren einschließlich des Hinweises, dass mir mehrere schriftliche Erklärungen nach § 31 unserer Geschäftsordnung zu den einzelnen Anträgen bzw. zum Gesetzentwurf vorliegen sowie die Bitte um eine mündliche Erklärung des Kollegen Schwanitz, die ich nachher zwischen den Abstimmungen aufrufen werde.1 Interfraktionell ist vereinbart, zuerst über den Gesetzentwurf der Abgeordneten Marlene Rupprecht und weiterer Abgeordneter abzustimmen. Danach werden wir über die drei Änderungsanträge zum Gesetzentwurf der Bundesregierung und anschließend über diesen Gesetzentwurf in veränderter oder nicht veränderter Form abstimmen. Zu den Gesetzentwürfen wie auch zu den Änderungsanträgen ist jeweils namentliche Abstimmung verlangt. Zur Feststellung der Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen werde ich die Sitzung jeweils unterbrechen müssen, weil das Abstimmungsergebnis von Bedeutung für den jeweils folgenden Abstimmungsgegenstand ist. Bitte vergewissern Sie sich vor der Stimmabgabe, ob die Stimmkarte, die Sie verwenden, Ihren Namen trägt. Darf ich fragen, ob irgendjemand Einwände gegen die vorgeschlagene Reihenfolge und das Verfahren der Abstimmung erhebt? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir das einvernehmlich so beschlossen. Wir stimmen zunächst über den von den Abgeord-neten Marlene Rupprecht, Katja Dörner, Diana Golze und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge und die Rechte des männlichen Kindes bei einer Beschneidung ab. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksachen 17/11800 und 17/11814, diesen Gesetzentwurf auf Drucksache 17/11430 abzulehnen. Es ist dazu eine namentliche Abstimmung verlangt. Ich darf die Schriftführerinnen und Schriftführer bitten, mir ein Zeichen zu geben, wenn die Urnen jeweils doppelt besetzt sind. – Alle Urnen sind ordnungsgemäß besetzt. Ich eröffne damit die erste namentliche Abstimmung. Darf ich fragen, ob noch jemand im Saal anwesend und stimmberechtigt ist, der seine Stimmkarte für die erste namentliche Abstimmung nicht abgegeben hat? – Das ist jedenfalls für uns erkennbar nicht der Fall. Dann schließe ich die erste namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses unterbreche ich die Sitzung. (Unterbrechung von 15.10 bis 15.17 Uhr) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der ersten namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge und die Rechte des männlichen Kindes bei einer Beschneidung bekannt – hier handelt es sich um den Gesetzentwurf der Kollegin Rupprecht und weiterer Kolleginnen und Kollegen –: abgegebene Stimmen 584. Mit Ja haben gestimmt 91, mit Nein haben gestimmt 462, 31 Mitglieder des Hauses haben sich der Stimme enthalten. Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 583; davon ja: 91 nein: 461 enthalten: 31 Ja CDU/CSU Olav Gutting Andreas Mattfeldt SPD Ingrid Arndt-Brauer Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Klaus Brandner Ulla Burchardt Ingo Egloff Karin Evers-Meyer Elke Ferner Angelika Graf (Rosenheim) Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Christel Humme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Steffen-Claudio Lemme Kirsten Lühmann Caren Marks Hilde Mattheis Gerold Reichenbach René Röspel Karin Roth (Esslingen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Bernd Scheelen Ewald Schurer Rolf Schwanitz Dr. Carsten Sieling Rüdiger Veit Ute Vogt Andrea Wicklein Dagmar Ziegler DIE LINKE Agnes Alpers Herbert Behrens Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Eva Bulling-Schröter Sevim Da?delen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Annette Groth Heike Hänsel Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Katja Kipping Jan Korte Katrin Kunert Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Thomas Lutze Ulrich Maurer Cornelia Möhring Wolfgang Neškovi? Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Katja Dörner Bettina Herlitzius Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Maria Klein-Schmeink Sylvia Kotting-Uhl Agnes Krumwiede Monika Lazar Friedrich Ostendorff Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Valerie Wilms Nein CDU/CSU Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Rainer Arnold Dr. Hans-Peter Bartels Sören Bartol Sabine Bätzing-Lichtenthäler Uwe Beckmeyer Gerd Bollmann Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Dr. Eva Högl Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Katja Mast Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Thomas Oppermann Aydan Özo?uz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Dr. Carola Reimann Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Anton Schaaf Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Dr. Marlies Volkmer Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Patrick Döring Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jan van Aken Christine Buchholz Dr. Martina Bunge Roland Claus Werner Dreibus Nicole Gohlke Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Dr. Lukrezia Jochimsen Harald Koch Caren Lay Sabine Leidig Ulla Lötzer Dorothée Menzner Niema Movassat Petra Pau Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Axel Troost Kathrin Vogler BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Priska Hinz (Herborn) Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Sven-Christian Kindler Ute Koczy Tom Koenigs Oliver Krischer Fritz Kuhn Renate Künast Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Markus Tressel Daniela Wagner Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Enthalten CDU/CSU Norbert Schindler SPD Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Klaus Barthel Dr. Peter Danckert Dagmar Freitag Michael Groß Gustav Herzog Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Stefan Rebmann Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Christoph Strässer FDP Dr. Erwin Lotter Torsten Staffeldt DIE LINKE Dr. Dietmar Bartsch Jutta Krellmann Dr. Gesine Lötzsch Kornelia Möller Thomas Nord Sabine Stüber Alexander Ulrich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Dr. Anton Hofreiter Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Tabea Rößner Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zum gleichen Gegenstand. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 17/11800 und 17/11814, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf der Drucksache 17/11295 anzunehmen. Hierzu liegen drei Änderungsanträge vor. Wir kommen zunächst zum Änderungsantrag der Abgeordneten Burkhard Lischka, Christine Lambrecht, Rainer Arnold und weiterer Abgeordneter auf der Drucksache 17/11815. Die Abgeordnete Viola von Cramon-Taubadel hat die Teilung der Frage nach § 47 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages beantragt – das ist vorhin erläutert worden –, der die Änderungsantragsteller nicht widersprechen. Deswegen soll zunächst über Nr. 2 des Änderungsantrags – hier geht es um das Inkrafttreten und die Evaluationspflicht – einfach abgestimmt werden. Danach soll über den Rest des Änderungsantrags namentlich abgestimmt werden. Wir kommen jetzt also zu Nr. 2 des Änderungsantrags auf Drucksache 17/11815. Wer stimmt für diesen Teil des Änderungsantrags? – Wer stimmt dagegen? – Das Zweite ist die Mehrheit, so ist hier oben die übereinstimmende Auffassung. Damit ist dieser Teil des Änderungsantrags abgelehnt. Wir stimmen jetzt über den übrigen Teil des Änderungsantrags auf der Drucksache 17/11815 auf Verlangen der SPD-Fraktion namentlich ab. Ich darf deswegen die Schriftführerinnen und Schriftführer bitten, wieder die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Ich eröffne die zweite namentliche Abstimmung. Ist noch ein Mitglied anwesend, das seine Stimmkarte für die zweite namentliche Abstimmung nicht abgegeben hat? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich die zweite namentliche Abstimmung und bitte um Auszählung. Bevor ich die Sitzung unterbreche, bis wir das Ergebnis dieser namentlichen Abstimmung erhalten, möchte ich Sie noch um Zustimmung zu einer kleinen Änderung im Ablauf der heutigen Plenarsitzung bitten. In der Zwischenzeit ist unter den Fraktionen eine Verständigung darüber erfolgt, dass die Fragestunde im weiteren Verlauf unserer heutigen Tagesordnung nicht zwei Stunden, sondern eine Stunde dauern soll. Darf ich dazu Ihr Einvernehmen feststellen? – Dann haben wir die einschlägigen Vereinbarungen in dieser Weise korrigiert. – Ich bedanke mich. Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 15.25 bis 15.30 Uhr) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich darf Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung mitteilen – hier geht es um den -Änderungsantrag der Kollegen Lischka, Lambrecht und anderer –: Zu dieser zweiten Abstimmung liegen 579 Stimmkarten vor. 69 Kollegen haben sich enthalten. Mit Ja haben gestimmt 131, mit Nein haben gestimmt 379. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen : 579; davon ja: 131 nein: 379 enthalten: 69 Ja SPD Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Dr. Karl Lauterbach Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Thomas Oppermann Aydan Özo?uz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Annette Sawade Anton Schaaf Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Dagmar Ziegler FDP Frank Schäffler DIE LINKE Dr. Dietmar Bartsch Matthias W. Birkwald Eva Bulling-Schröter Roland Claus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Diana Golze Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Jan Korte Caren Lay Ralph Lenkert Stefan Liebich Thomas Lutze Dorothée Menzner Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Neškovi? Jens Petermann Richard Pitterle Paul Schäfer (Köln) Sabine Stüber Dr. Axel Troost Kathrin Vogler Harald Weinberg BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Harald Ebner Kai Gehring Thilo Hoppe Nicole Maisch Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Krista Sager Dr. Gerhard Schick Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Nein CDU/CSU Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Bärbel Bas Dirk Becker Elke Ferner Michael Gerdes Klaus Hagemann Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Christel Humme Fritz Rudolf Körper Christian Lange (Backnang) Steffen-Claudio Lemme Caren Marks Andrea Nahles Dietmar Nietan René Röspel Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Bernd Scheelen Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Peer Steinbrück Rüdiger Veit Andrea Wicklein Manfred Zöllmer FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Patrick Döring Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Steffen Bockhahn Christine Buchholz Sevim Da?delen Werner Dreibus Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Heike Hänsel Inge Höger Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Katrin Kunert Sabine Leidig Michael Leutert Ulla Lötzer Ulrich Maurer Thomas Nord Petra Pau Ingrid Remmers Michael Schlecht Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Alexander Süßmair Frank Tempel Halina Wawzyniak BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Dr. Thomas Gambke Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Markus Kurth Monika Lazar Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Manuel Sarrazin Ulrich Schneider Dorothea Steiner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Enthalten CDU/CSU Norbert Schindler SPD Sabine Bätzing-Lichtenthäler Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Ulla Burchardt Karin Evers-Meyer Dagmar Freitag Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Michael Groß Dr. Eva Högl Hans-Ulrich Klose Karin Roth (Esslingen) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Dr. Carsten Sieling Wolfgang Tiefensee Brigitte Zypries DIE LINKE Herbert Behrens Dr. Martina Bunge Andrej Hunko Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jutta Krellmann Dr. Gesine Lötzsch Cornelia Möhring Yvonne Ploetz Dr. Kirsten Tackmann Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Renate Künast Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Tobias Lindner Jerzy Montag Dr. Konstantin von Notz Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Elisabeth Scharfenberg Hans-Christian Ströbele Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wir kommen nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Jerzy Montag, Kerstin Andreae, Volker Beck und weiterer Abgeordneter auf der Drucksache 17/11816. Auch hier ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführer, mir ein Zeichen zu geben, wenn die Urnen besetzt sind. – Ich eröffne die dritte namentliche Abstimmung. Ist noch ein Kollege anwesend, der seine Stimme in der dritten namentlichen Abstimmung nicht abgegeben hat? Ich schließe den dritten Abstimmungsvorgang und bitte, auch hier das Ergebnis ähnlich schnell wie bei den ersten beiden Vorgängen auszuzählen. Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 15.35 bis 15.40 Uhr) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich darf Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der dritten namentlichen Abstimmung mitteilen – hier geht es um den -Änderungsantrag der Kollegen Jerzy Montag, Kerstin Andreae und weiterer Abgeordneter –: abgegebene Stimmen jetzt wieder 581. Enthaltungen 82, mit Ja -haben gestimmt 71, mit Nein 428. Damit ist dieser -Änderungsantrag abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 581; davon ja: 71 nein: 428 enthalten: 82 Ja CDU/CSU Jürgen Hardt Rudolf Henke SPD Klaus Barthel Dr. h. c. Gernot Erler Michael Gerdes Gustav Herzog Oliver Kaczmarek Franz Müntefering Frank Schwabe Sonja Steffen Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Waltraud Wolff (Wolmirstedt) FDP Christian Ahrendt Björn Sänger DIE LINKE Dr. Dietmar Bartsch Eva Bulling-Schröter Dr. Rosemarie Hein Katja Kipping Michael Leutert Stefan Liebich Niema Movassat Petra Pau Paul Schäfer (Köln) Dr. Axel Troost Kathrin Vogler Harald Weinberg BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Viola von Cramon-Taubadel Agnes Brugger Ekin Deligöz Harald Ebner Hans-Josef Fell Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Priska Hinz (Herborn) Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Ulrich Schneider Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Markus Tressel Daniela Wagner Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Andrea Astrid Voßhoff Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dagmar Freitag Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Rolf Hempelmann Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Christel Humme Josip Juratovic Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Fritz Rudolf Körper Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Steffen-Claudio Lemme Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Thomas Oppermann Heinz Paula Johannes Pflug Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Anton Schaaf Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Patrick Döring Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Steffen Bockhahn Christine Buchholz Dr. Martina Bunge Sevim Da?delen Heidrun Dittrich Werner Dreibus Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Heike Hänsel Inge Höger Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Katrin Kunert Sabine Leidig Ulla Lötzer Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Wolfgang Neškovi? Thomas Nord Jens Petermann Ingrid Remmers Michael Schlecht Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Alexander Süßmair Frank Tempel Johanna Voß Halina Wawzyniak BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Dr. Thomas Gambke Bettina Herlitzius Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Agnes Krumwiede Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dorothea Steiner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Enthalten CDU/CSU Dr. Stefan Kaufmann Norbert Schindler Stefanie Vogelsang SPD Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Sören Bartol Uwe Beckmeyer Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Marco Bülow Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Dr. Edgar Franke Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Michael Groß Bettina Hagedorn Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Dr. Eva Högl Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Dr. Karl Lauterbach Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hilde Mattheis Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Aydan Özo?uz Joachim Poß Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix Michael Roth (Heringen) Carsten Schneider (Erfurt) Ewald Schurer Stefan Schwartze Dr. Carsten Sieling Franz Thönnes Dagmar Ziegler FDP Michael Kauch DIE LINKE Herbert Behrens Matthias W. Birkwald Roland Claus Dr. Diether Dehm Dr. Dagmar Enkelmann Diana Golze Dr. Gregor Gysi Andrej Hunko Dr. Lukrezia Jochimsen Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Ralph Lenkert Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Richard Pitterle Yvonne Ploetz Sabine Stüber Dr. Kirsten Tackmann Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Katja Dörner Dr. Anton Hofreiter Ute Koczy Undine Kurth (Quedlinburg) Tabea Rößner Krista Sager Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wir kommen nun zu dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Carola Reimann, Kerstin Griese, Sabine Bätzing-Lichtenthäler und weiterer Abgeordneter auf der Drucksache 17/11835. Auch hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich darf die Schriftführerinnen und Schriftführer bitten, ihre Plätze einzunehmen und mir zu signalisieren, wenn sie alle an den vorgesehenen Stellen versammelt sind. – Ich eröffne die vierte namentliche Abstimmung. Ich darf den Kollegen Koeppen bitten, sich bei mir zu melden. Hat ein anwesendes Mitglied des Hauses seine Stimmkarte für die vierte namentliche Abstimmung – hier geht es um den Änderungsantrag der Abgeordneten Reimann und anderer – noch nicht eingeworfen? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich auch diese namentliche Abstimmung und bitte um Auszählung.2 Nun erteile ich dem Kollegen Schwanitz das Wort zu einer persönlichen Erklärung. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die sich im Saal aufhalten, sich zu setzen. Rolf Schwanitz (SPD): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Ich gebe diese Erklärung auch im Namen meines Fraktionskollegen Rüdiger Veit ab. Sehr geehrte Damen und Herren! Der Schutz und die Weiterentwicklung der bürgerlichen Rechte gehören zum Kernbereich der demokratischen und offenen Gesellschaft. Deutschland hat seit 1949 viele ebenso große wie schwierige gesellschaftliche Diskussionen erlebt, an deren Ende sich das Parlament für die Stärkung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger entschieden hat, und meist wurden diese Entscheidungen im Konflikt und gegen die traditionellen Gepflogenheiten in der Gesellschaft getroffen. Erinnert sei zum Beispiel an die Diskussionen über die Gleichstellung der Frau im Familien- und Eherecht in den 50er- und 70er-Jahren, an die Gleichstellung unehelicher Kinder und an die bis heute nicht abgeschlossene Debatte über die Rechte von kranken und zu pflegenden Menschen in Deutschland. Auch und gerade die Rechte der Kinder unterliegen in Deutschland und weltweit einer solchen rechtspolitischen Entwicklung, die bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Jahrtausendelang wurden Kinder zum Besitztum der Eltern gezählt, mussten sich bedingungslos unterordnen und waren ausschließlich einer elterlichen Gewalt unterworfen. Spätestens seit der Kinderrechtskonvention ist aber anerkannt, dass Kinder eigenständige Träger von Rechten sind, dass allen Kindern die Menschenrechte zustehen, dass Kinder ein Recht auf Entwicklung haben und dass dabei das Wohl des Kindes stets Vorrang besitzt. Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf der Bundesregierung ist in meinen Augen ein rechtspolitischer Rückschritt und ein schwerer Rückschlag für die immer noch unzureichend geregelten Rechte der Kinder in Deutschland. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Gesetzentwurf relativiert das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit. Er legitimiert eine dauerhafte, irreversible und medizinisch nicht notwendige Verletzung des kindlichen Körpers. Er ignoriert die schweren gesundheitlichen Risiken und Folgen, die mit dieser Körperverletzung verbunden sind, und basiert deshalb auf einer fehlerhaften Güterabwägung. Der Gesetzentwurf sichert keine adäquate Schmerzbehandlung des Kindes, er erlaubt den schweren medizinischen Eingriff auch durch nicht hinreichend qualifiziertes, nichtärztliches Personal, eine Regelung, die in Deutschland sowohl dem geltenden Recht als auch den üblichen medizinischen und rechtspolitischen Standards widerspricht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) All dies meint die Bundesregierung so regeln zu müssen, weil nur so den Erwartungen und Traditionen von Religionsgemeinschaften entsprochen werden kann. Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht Dieter Grimm hat unlängst in der Süddeutschen Zeitung unter der Fragestellung „Was schuldet der Staat der Religion?“ darauf hingewiesen, dass – ich zitiere – „keiner Religionsgemeinschaft die öffentliche Infragestellung oder Kritik ihrer Glaubensinhalte, ihrer religiösen Praxis und ihrer Ansprüche an die Gläubigen erspart werden“ kann. Ich teile diese Einschätzung ausdrücklich. Es ist dem säkularen Rechtsstaat deshalb nicht erlaubt, die Grundrechte Einzelner wegen der tradierten Praxis von Glaubensgemeinschaften zurückzusetzen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Eine solche Zurücksetzung ist auch dann nicht erlaubt, wenn alle Religionsgemeinschaften dies in einer seltenen Eintracht mit großem Nachdruck fordern. Die Rechte des Kindes werden im Gesetzentwurf zugunsten der Rechtssicherheit religiöser Gewohnheiten bewusst verleugnet. Dazu ist auch das Parlament nicht legitimiert; denn dies ist mit der Wertestruktur des Grundgesetzes nicht vereinbar. Deshalb kann ich dieses Gesetz nur als unrichtiges Recht, nur als gesetzliches Unrecht begreifen. (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zum Schluss kann ich der Mehrheit im Parlament auch eine Verfahrenskritik nicht ersparen: Mit der Art und Weise, wie mit den Gesetzentwürfen im Parlament umgegangen wurde, wie sie beraten worden sind, ist man der Schwere der zu entscheidenden Sachverhalte in keiner Weise gerecht geworden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das betrifft vor allem die kurze Beratungszeit und die Tatsache, dass im federführenden Ausschuss noch nicht einmal den kritischen Betroffenengruppen eine Teilnahme an der Anhörung eröffnet worden ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bedenkt man zum Beispiel, dass der Gesetzentwurf zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs seit 18 Monaten im federführenden Rechtsausschuss liegt und die Beratungen darüber bis heute kein Ende gefunden haben, so erscheint das hier gewählte Eilverfahren unverhältnismäßig und unangemessen. All dies kann in meinen Augen nur eine Konsequenz haben: die Ablehnung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung. Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere mündliche Erklärungen zur Abstimmung liegen mir nicht vor. Ich kann Ihnen nun das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der vierten namentlichen Abstimmung mitteilen – hier ging es um den Änderungsantrag der Abgeordneten Carola Reimann, Kerstin Griese und weiterer Abgeordneter –: abgegebene Stimmen wieder 581. Enthaltungen 49, mit Ja haben gestimmt 153, mit Nein haben gestimmt 379. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 581; davon ja: 153 nein: 379 enthalten: 49 Ja CDU/CSU Rudolf Henke Dr. Norbert Lammert SPD Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Sören Bartol Sabine Bätzing-Lichtenthäler Uwe Beckmeyer Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Dr. Eva Högl Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Thomas Oppermann Aydan Özo?uz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Dr. Carola Reimann Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Anton Schaaf Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Dagmar Ziegler FDP Michael Kauch DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Eva Bulling-Schröter Dr. Rosemarie Hein Katja Kipping Ralph Lenkert Stefan Liebich Niema Movassat Paul Schäfer (Köln) Dr. Axel Troost Kathrin Vogler Harald Weinberg BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Priska Hinz (Herborn) Bärbel Höhn Thilo Hoppe Sven-Christian Kindler Tom Koenigs Oliver Krischer Fritz Kuhn Renate Künast Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Dr. Hermann E. Ott Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Ulrich Schneider Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Ulla Burchardt Ingo Egloff Elke Ferner Gabriele Fograscher Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Christel Humme Steffen-Claudio Lemme Kirsten Lühmann Caren Marks René Röspel Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Bernd Scheelen Rolf Schwanitz Rüdiger Veit Andrea Wicklein Manfred Zöllmer FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Agnes Alpers Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Christine Buchholz Dr. Martina Bunge Sevim Da?delen Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Heike Hänsel Inge Höger Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Jan Korte Katrin Kunert Sabine Leidig Michael Leutert Ulla Lötzer Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Wolfgang Neškovi? Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Ingrid Remmers Michael Schlecht Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Frank Tempel Johanna Voß Halina Wawzyniak BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Bettina Herlitzius Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Agnes Krumwiede Markus Kurth Monika Lazar Friedrich Ostendorff Dorothea Steiner Markus Tressel Dr. Valerie Wilms Enthalten CDU/CSU Norbert Schindler SPD Klaus Barthel Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groß Hans-Ulrich Klose Hilde Mattheis Ullrich Meßmer Gerold Reichenbach Karin Roth (Esslingen) Annette Sawade Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Ewald Schurer Dr. Carsten Sieling Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Brigitte Zypries DIE LINKE Herbert Behrens Roland Claus Dr. Diether Dehm Dr. Gregor Gysi Andrej Hunko Dr. Lukrezia Jochimsen Harald Koch Jutta Krellmann Caren Lay Dr. Gesine Lötzsch Yvonne Ploetz Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Katja Dörner Dr. Anton Hofreiter Ingrid Hönlinger Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Tobias Lindner Lisa Paus Tabea Rößner Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wir kommen nun zur Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Ich darf diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen bitten. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Das war eine deutliche Mehrheit bei zahlreichen Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Auch hierzu ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich darf um ein Zeichen bitten, wenn die Urnen besetzt sind. – Ich eröffne die fünfte und letzte namentliche Abstimmung zu diesem Themenkomplex. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme für die letzte namentliche Abstimmung – hier geht es um den Gesetzentwurf der Bundesregierung – nicht abgegeben hat? – Alle, die sich jetzt noch melden, kommen zu spät. Ich schließe damit die fünfte namentliche Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, das Ergebnis auszuzählen. Wir werden es, wie üblich, nach Vorliegen während des nächsten Tagesordnungspunktes bekannt geben.3 Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Beratung des Antrags der Bundesregierung Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO auf Ersuchen der Türkei und auf Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung (Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen) sowie des Beschlusses des Nordatlantikrates vom 4. Dezember 2012 – Drucksache 17/11783 – Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Die Fraktionen sind damit einverstanden. Dann haben wir das so beschlossen. Ich darf als erstem Redner in unserer Debatte für die Bundesregierung das Wort Herrn Bundesminister Dr. Thomas de Maizière erteilen. Bitte schön, Herr Bundesminister. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Türkei ist das vom syrischen Bürgerkrieg am meisten betroffene Land. Mehr als 150 000 syrische Flüchtlinge befinden sich mittlerweile in der Türkei. Die Türkei ist in einer außergewöhnlich großzügigen und offenherzigen Weise auf diese Flüchtlinge zugegangen, im Übrigen – nur ganz leise gesagt – besser als manches EU-Land. Bis heute gab es zahlreiche Grenzverletzungen von syrischer Seite mit Toten unter der türkischen Zivilbevölkerung. Syrien verfügt über eine große Anzahl von Raketen, die nahezu jeden Ort in der Türkei erreichen könnten. Diese Raketen sind auch mit chemischen Waffen bestückbar. Ich sage ausdrücklich: Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass Syrien die Absicht haben könnte, diese Waffen einzusetzen, aber die Fähigkeit dazu besitzt Syrien. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass sich die Menschen in der Türkei zunehmend von der Lage in Syrien bedroht fühlen und sich Sorgen machen. Dies gilt erst recht, wenn – meine Damen und Herren, ich sage das mit Bedacht und ganz vorsichtig – dieser Bürgerkrieg vielleicht schon bald in die Schlussphase übergeht, wofür es einige Anzeichen gibt. Am 21. November dieses Jahres hat die Türkei die NATO zum Schutz ihrer Bevölkerung und ihres Territoriums um Unterstützung gebeten. Konkret wurden die modernen Flugabwehrraketensysteme Patriot zur Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO durch die Türkei angefragt. Die USA, die Niederlande und Deutschland verfügen über diese Systeme. Der Nordatlantikrat hat dieser Bitte durch seinen Beschluss vom 4. Dezember entsprochen. Mit der Stationierung der Patriot-Systeme sollen eine Ausweitung der bewaffneten Auseinandersetzungen über Syrien hinaus und eine Beeinträchtigung der Sicherheit der Türkei gerade verhindert werden. Wir sind bereit, uns – gemeinsam mit den Niederlanden und den USA – mit zwei Feuereinheiten Patriot an dieser Maßnahme zu beteiligen. Für den Einsatz unserer Soldaten sind drei Punkte entscheidend: Erstens. Der Einsatz erfolgt ausschließlich zu defensiven Zwecken: zum Schutz der türkischen Bevölkerung und des türkischen Staatsgebietes. Zweitens. Eine Einrichtung oder Unterstützung einer Flugverbotszone in Syrien wird explizit ausgeschlossen. Das steht so in dem türkischen Antrag, das steht so in dem Beschluss der NATO, und das ist auch im Bundestagsmandat klar niedergelegt. Drittens. Unsere Soldaten werden dem NATO-Oberbefehlshaber und den NATO-Kommandostrukturen unterstellt. Das heißt: Nur die NATO ist zur Führung unserer Soldaten beauftragt, und nur die NATO kann über einen gegebenenfalls erforderlichen Einsatz entscheiden. Ein Stationierungsort – ich weiß, dass das in den Ausschusssitzungen heute eine Rolle gespielt hat – wird in enger Abstimmung mit den beteiligten Nationen und der Türkei in Kürze festgelegt. Dieser Ort wird sich nicht in unmittelbarer Nähe der türkisch-syrischen Grenze befinden. Er wird aber natürlich so gewählt, dass man von dort aus den Schutzauftrag erfüllen kann. Die Wirkung bleibt auf türkisches Gebiet begrenzt, um das unmissverständlich zu sagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich weiß, dass dies, wenn es darum geht, zuzustimmen, für viele ein wichtiger Punkt ist. Deswegen lege ich auf diesen Punkt besonderen Wert. Die personelle Obergrenze wird auf bis zu 400 Soldatinnen und Soldaten festgelegt. Ich will dazu ganz kurz etwas sagen: Natürlich werden für ein Patriot-Modul aus zwei Feuereinheiten nur etwa 170 Soldatinnen und Soldaten benötigt. Es werden aber zusätzlich Soldaten benötigt, damit das System aufgebaut und dauerhaft einsatzbereit gehalten werden kann. Damit sind Kräfte der Einsatz- und Führungsunterstützung, Sanitätskräfte, Kräfte für logistische und sonstige Unterstützung, aber auch die Militärseelsorge usw. gemeint. Im Mandatsumfang und in der Mandatsbeschreibung sind auch Soldatinnen und Soldaten enthalten, die Aufgaben in der Aufklärung und Überwachung erfüllen. Diese versehen unter dem Kommando der NATO ihren Dienst in den AWACS-Flugzeugen und liefern dort einen wichtigen Beitrag für ein umfassendes Lagebild. Wann und wie diese AWACS-Aufklärungsflugzeuge eingesetzt werden, entscheidet wiederum der NATO-Oberbefehlshaber. Das liegt in seiner Befugnis und ist gängige Routine. Im Zusammenhang mit diesem Einsatz haben wir, um verfassungsrechtlich auf der sicheren Seite zu sein, die Beteiligung an den AWACS-Flügen mit mandatiert. Ich glaube, auch das ist ein Schritt zu auf manche, die sich sonst vielleicht schwergetan hätten, diesem Einsatz zuzustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]) In der NATO und in der Türkei sind noch einige Details offen, zum Beispiel der genaue Umfang dessen, was die Türkei an Unterstützungsleistungen zur Verfügung stellt. Wir haben deshalb eine gewisse Personalreserve von etwa 50 Soldatinnen und Soldaten vorgesehen, die in den 400 enthalten ist. Ich bitte um Verständnis dafür, dass diese Zahl jetzt nicht detaillierter begründet werden kann; aber ich glaube, die Obergrenze gibt genügend Sicherheit. Ich will noch ein Wort zur Mandatsdauer sagen. Wir hoffen, dass der Einsatz nicht bis zum 31. Januar 2014 dauert. Es könnte sein, dass die Auseinandersetzung um das Assad-Regime in die Schlussphase kommt. Trotzdem schlagen wir ein Mandat für fast 14 Monate vor, um auch hier auf der sicheren Seite zu sein und den Grundsatz, dass wir Mandate in der Regel für ein Jahr erteilen bzw. verlängern, beizubehalten. Wenn wir Soldaten in die Türkei entsenden, dann ist das ein klares Zeichen an die Türkei und an die internationale Völkergemeinschaft, dass die Sicherheit der Türkei alle Bündnispartner angeht. Wir Deutsche haben Jahrzehnte davon profitiert, dass unsere Partner uns das Gefühl einer verlässlichen Sicherheit gegeben haben. Jetzt sind wir in der Lage – ich füge hinzu: und in der Pflicht –, einmal unseren Teil beizutragen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es ist an uns, zu zeigen, dass das für uns selbstverständlich ist und dass es uns ernst ist mit unserer internationalen Verantwortung und unserer Bündnissolidarität. Wir haben dieses Mandat umfangreich konsultiert und in den Ausschüssen im Wege der Selbstbefassung beraten. Dafür bedanke ich mich. Ich hoffe sehr auf eine breite Unterstützung durch dieses Parlament. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Als Nächstes gebe ich unserem Kollegen Dr. Rolf Mützenich für die Fraktion der Sozialdemokraten das Wort. Bitte schön, Kollege Rolf Mützenich. (Beifall bei der SPD) Dr. Rolf Mützenich (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn derzeit nur wenig darauf hindeutet: Wir alle wünschen den Menschen in Syrien, dass die Waffen schweigen und Frieden endlich wieder eine Chance bekommt. Wir danken denen, die sich für eine Waffenruhe einsetzen, an erster Stelle dem Beauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationalen, Lakhdar Brahimi. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Umso mehr sage ich in Richtung der Landesregierungen, aber auch der Bundesregierung: Ich hätte mir schon gewünscht, dass insbesondere der Zuzug von Familienangehörigen zu ihren syrischen Verwandten, die derzeit in Deutschland wohnen, etwas einfacher möglich wäre und dass wir vielleicht auch ohne andere Partner bereit wären, stärker Flüchtlinge aufzunehmen. Ich finde, das gehört genauso in diese Debatte. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Rainer Stinner [FDP]) Meine Damen und Herren, zu Beginn dieser Debatte war nach meinem Dafürhalten durchaus Skepsis angebracht. Diese Skepsis hat die Bundesregierung meiner Meinung nach mit zu verantworten, weil sie zunächst einmal die Frage gestellt hat: Brauchen wir überhaupt ein Mandat? Dann ging es um AWACS und vieles andere. Es wurden Fragen aus dem Parlament heraus vorgetragen. Dies haben einige Kolleginnen und Kollegen dieses Parlaments so kommentiert: Wir müssen uns fremdschämen. – Das ist nicht mein Verständnis von einem Parlament, wie wir mit einem Mandat umzugehen haben. Wir müssen vorher unsere Fragen stellen, unsere Skepsis äußern (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) und, wie ich glaube, durchaus auch einen Hinweis an die Bundesregierung geben dürfen. Ich finde, dieses Verfahren hat sich gelohnt. In dem Mandat, das dem Deutschen Bundestag heute vorliegt, sind die Kriterien, unter denen die Bundeswehr in die Türkei gehen kann und denen sich die türkischen Streitkräfte im Rahmen dieses Mandats unterzuordnen haben, besonnen, unabhängig und sorgfältig erörtert worden. Ich finde, auch das ist eine wichtige Festlegung, weil die Türkei jetzt in internationale Strukturen und Regeln eingebettet ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das ist auch ein wichtiges Zeichen dieses Mandates und, ich denke, ein Erfolg der Diskussion, die dieser Deutsche Bundestag gemeinsam geführt hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Elke Hoff [FDP]) Ich glaube, die rein defensive Stationierung, die defensive Aufstellung der Raketen, ist, wie es auch in dem Brief des türkischen Botschafters bei der NATO zum Ausdruck gekommen ist, als Zeichen an die internationale Politik und in Richtung der Sicherheitspolitik richtig und wichtig. Dadurch werden weiter Chancen eröffnet, zu einer diplomatischen Lösung zu kommen. Wir haben heute im Ausschuss erfahren, dass die Patriot-Systeme – und offensichtlich auch die niederländischen Systeme – rund 100 Kilometer von der Grenze entfernt stationiert werden. Dass sie nicht in den syrischen Luftraum hineinwirken werden, ist ein wichtiger Beitrag dazu, die defensive Struktur zu unterstreichen. Gleichzeitig ist dieses Mandat auch rechtsfest gemacht worden. Wir haben heute im Auswärtigen Ausschuss in der Tat noch Fragen an die Bundesregierung gestellt, die nach meinem Dafürhalten befriedigend beantwortet worden sind, soweit dies möglich war. Wir haben über die Äußerung von Rasmussen gesprochen. Herr Staatsminister Link, Sie haben die Antworten sozusagen in einen gewissen Rahmen eingebunden. Wir haben auch über die roten Linien gesprochen. Diese Debatte muss, wie ich finde, in den nächsten Wochen weiter erfolgen. Sie endet nicht mit dem Mandat. Die Herausforderungen sind letztlich vorhanden, insbesondere was die Rolle einzelner Nationen betrifft. (Beifall des Abg. Sönke Rix [SPD]) Der Iran und Russland haben Bedenken gegen die Stationierung geäußert. Vielleicht wird der eine oder andere gleich auf Russland und den Iran zu sprechen kommen. Meine Bitte in diesem Zusammenhang ist, zu überlegen, ob das wirklich gute Ratgeber sind – gerade diese beiden Länder, die nichts unversucht gelassen haben, mit Waffenlieferungen diesen Konflikt anzuheizen. Deswegen: Vorsicht vor Ratgebern, die in diesem Konflikt bisher leider nicht die diplomatische Rolle übernommen haben, wie wir es uns gewünscht hätten! (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zur Realität und zur Wahrheit gehört mit dazu: Syrien bedroht die Region mit einer Mehrzahl von Waffen und Trägersystemen, die über mehrere Hundert Kilometer reichen. Wenn ich das richtig gelesen habe – es gibt dazu unterschiedliche Äußerungen –, wird von mehreren Hundert bis zu tausend gesprochen. Wir müssen bedenken: In der vergangenen Woche sind vonseiten der syrischen Streitkräfte das erste Mal Scud-Raketen auf Aleppo abgeschossen worden. Auch das gehört nach meinem Dafürhalten mit zu einer angemessenen und wahrheitsgemäßen Bedrohungsanalyse. Verantwortung trägt das Regime Assad an der Brutalisierung dieses Konfliktes in den ersten Monaten. Meine Damen und Herren, ob wir wollen oder nicht, ist mit dieser Entscheidung erneut die Rolle Deutschlands in Partnerschaften und Bündnissen angesprochen worden. Ich hatte gedacht, dass diese Fragen, die es in den letzten Wochen und Monaten immer wieder an Deutschland gegeben hat, nach einer langen Politik -verschiedener und auch unterschiedlich getragener Bundesregierungen eigentlich nicht mehr erforderlich sind. Dabei geht es um die Frage der Verlässlichkeit in Bündnissen. Diese Frage ist auch deshalb aufgekommen, weil die Bundesregierung sie sowohl in europapolitischen Zusammenhängen als auch insbesondere im Zusammenhang mit der Libyen-Entscheidung – vielleicht auch -unbewusst – auf den Tisch gebracht hat. Wenn ein polnischer Außenminister fragt, ob Deutschland noch verlässlich ist, und sagt, ihm sei ein Deutschland lieber, das seine Rolle übernimmt, dann müssen bei uns, so glaube ich, die Alarmglocken schlagen. In dieser Frage hier übernehmen wir Verantwortung. Dass aber im Zusammenhang mit diesem Mandat die Frage nach der Verlässlichkeit hintergründig wieder aufgekommen ist, hat mich erschreckt. Wir Sozialdemokraten rufen nicht Hurra, aber wir entziehen uns auch nicht der Verantwortung in Form einer Ohne-mich-Politik, die ansonsten von einer immer stärker vernetzten Welt gut lebt. Als Sozialdemokraten wissen wir: Entspannungspolitik war nur im Bündnis möglich. Die erfolgreiche Politik von Willy Brandt, von Egon Bahr, von Helmut Schmidt und vielen anderen wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht Bündnispartner zu dieser Entspannungspolitik gestanden hätten. Zum Abschluss will ich Willy Brandt zitieren. Am 7. August 1983 hat in der Washington Post gestanden: Meine sozialdemokratische Partei hat das Bündnis mit dem Westen unterstützt und mitgeholfen, seine Politik zu gestalten. Unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern und Verteidigungsministern hat die Bundeswehr … ihren Beitrag zur westlichen Sicherheit erhöht. Die westlichen Demokratien werden Partner der Sicherheit bleiben, und wir werden Partner im Atlantischen Bündnis bleiben. Auch im Sinne dieser Interpretation werden wir am Freitag mit großer Mehrheit dem Mandat zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Rolf Mützenich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich dem nächsten Redner, Herrn Staatsminister Michael Link, das Wort gebe, darf ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung bekannt geben – es ging um den Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes –: abgegebene Stimmen 580. Mit Ja haben gestimmt 434, mit Nein haben gestimmt 100, Enthaltungen 46. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 580; davon ja: 434 nein: 100 enthalten: 46 Ja CDU/CSU Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Sören Bartol Sabine Bätzing-Lichtenthäler Uwe Beckmeyer Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Gabriele Fograscher Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Dr. Eva Högl Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Burkhard Lischka Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Thomas Oppermann Aydan Özo?uz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Mechthild Rawert Stefan Rebmann Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Anton Schaaf Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Frank Schwabe Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Helga Daub Reiner Deutschmann Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jan van Aken Christine Buchholz Dr. Martina Bunge Roland Claus Werner Dreibus Nicole Gohlke Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Dr. Lukrezia Jochimsen Harald Koch Caren Lay Ulla Lötzer Dorothée Menzner Petra Pau Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Axel Troost BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Priska Hinz (Herborn) Bärbel Höhn Sven-Christian Kindler Tom Koenigs Fritz Kuhn Renate Künast Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Markus Tressel Daniela Wagner Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Olav Gutting Dr. Egon Jüttner Andreas Mattfeldt SPD Ingrid Arndt-Brauer Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Ulla Burchardt Ingo Egloff Karin Evers-Meyer Elke Ferner Dagmar Freitag Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Christel Humme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Steffen-Claudio Lemme Kirsten Lühmann Caren Marks Gerold Reichenbach René Röspel Karin Roth (Esslingen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Bernd Scheelen Ulla Schmidt (Aachen) Ewald Schurer Rolf Schwanitz Dr. Carsten Sieling Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Dagmar Ziegler FDP Christian Ahrendt Sylvia Canel Heiner Kamp Burkhardt Müller-Sönksen Torsten Staffeldt DIE LINKE Agnes Alpers Herbert Behrens Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Sevim Da?delen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Annette Groth Heike Hänsel Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Katja Kipping Jan Korte Katrin Kunert Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Thomas Lutze Ulrich Maurer Cornelia Möhring Wolfgang Neškovi? Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Johanna Voß Halina Wawzyniak Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Katja Dörner Harald Ebner Kai Gehring Bettina Herlitzius Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Agnes Krumwiede Monika Lazar Friedrich Ostendorff Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Valerie Wilms Enthalten CDU/CSU Eckhard Pols Norbert Schindler Bernhard Schulte-Drüggelte SPD Klaus Barthel Dr. Peter Danckert Petra Ernstberger Dr. Edgar Franke Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groß Rolf Hempelmann Gustav Herzog Gabriele Lösekrug-Möller Hilde Mattheis Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Dr. Sascha Raabe Dr. Carola Reimann Carsten Schneider (Erfurt) Dr. Martin Schwanholz FDP Dr. Erwin Lotter Dr. Martin Neumann (Lausitz) DIE LINKE Dr. Dietmar Bartsch Eva Bulling-Schröter Jutta Krellmann Dr. Gesine Lötzsch Kornelia Möller Niema Movassat Alexander Ulrich Kathrin Vogler Harald Weinberg Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Agnes Brugger Dr. Anton Hofreiter Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Oliver Krischer Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Tobias Lindner Tabea Rößner Krista Sager Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fahre in der Rednerliste fort und erteile nun, wie angekündigt, Herrn Staatsminister Michael Link das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Michael Link. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will gleich zu Anfang den Dank der Bundesregierung dafür ausdrücken, dass sich der Bundestag bereit erklärt hat, diesen Mandatsantrag so schnell zu behandeln – wir wissen, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist –, gleichzeitig aber auch gründlich. Es ist darauf hingewiesen worden: Die Ausschüsse, der Auswärtige Ausschuss und der Verteidigungsausschuss, haben sich heute Morgen bereits in Selbstbefassung damit befasst. Das zeigt, was unser bewährtes parlamentarisches Verfahren leistet, nämlich einerseits die Grundlage für den Charakter der Bundeswehr als Parlamentsarmee zu erhalten und andererseits trotzdem, wo nötig, Schnelligkeit, Präzision und Gründlichkeit unter einen Hut zu bringen. Das ist ein ganz wichtiges Signal, das wir hier gemeinsam geben. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Außenminister Westerwelle nimmt heute in Marrakesch am Treffen der Gruppe der Freunde des syrischen Volkes teil. Einige von Ihnen werden es bereits über die Agenturen gehört haben: Die Gruppe hat heute in Marrakesch beschlossen, die Nationale Koalition der syrischen Revolution als die legitime Vertretung des syrischen Volkes anzuerkennen, und damit deren Einbindung in den politischen Prozess deutlich vorangetrieben. Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten aus Punkt 13 der Erklärung zitieren und werde den Fraktionen diese Erklärung, die heute in Marrakesch verabschiedet wurde, auch nachher zur Kenntnis geben. Darin wird ausdrücklich gesagt – ich übersetze frei –, dass die Nationale Koalition als die Dachorganisation, unter der sich die syrischen Oppositionsgruppen versammeln und arbeiten, anerkannt wird. Das ist – weil es dazu Fragen gab – das, was heute in Marrakesch zu diesem Thema beschlossen wurde. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Abenteuerlich!) Es bleibt auf jeden Fall dabei, dass die Lage in Syrien extrem unübersichtlich ist. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Hänsel aus der Fraktion Die Linke? Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Während der Einbringung bitte nicht. Ich möchte das im Zusammenhang darstellen. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben es gehört, Frau Kollegin. – Herr Staatsminister, bitte fahren Sie fort. Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die Lage in Syrien bleibt unübersichtlich, und die Verbrechen des syrischen Regimes gegen seine Bevölkerung gehen weiter. Vieles deutet darauf hin, dass sich das Regime in seiner Endphase befindet. Unser Bündnispartner Türkei hat deshalb die NATO um Unterstützung gebeten, und die NATO hat am vergangenen Dienstag beschlossen, diese Unterstützung zu gewähren. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist konkrete Bündnissolidarität im Sinne einer gegenseitigen Rückversicherung. Das zeigt auch: Die NATO ist kein Schönwetterbündnis, sondern steht zusammen, wenn es darauf ankommt. Daran, Kollege Mützenich, lassen wir auch keinen Zweifel. Wir verstehen natürlich, dass es kritische Fragen gibt. Sie sind auch aus Sicht der Bundesregierung selbstverständlich immer willkommen. Aber gerade in Sachen NATO ist es, glaube ich, völlig klar, dass bei Bündnisfragen Bündnissolidarität immer an erster Stelle steht. Daran haben wir niemals einen Zweifel gelassen. Im Gegenteil: Wir haben das von Anfang an in den Vordergrund gestellt und dann zusammen an diesem Mandat gearbeitet. In der Tat, weil wir eine möglichst große Unterstützung auch hier im Hause anstreben, war es dabei auch wichtig, dass aus allen Fraktionen immer wieder die eine oder andere kritische Frage kommt. Die Oppositionsfraktionen haben kritisch gefragt. Aber lassen Sie mich versichern: Kein Abgeordnetenmandat zählt hier geringer. Auch die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen haben sehr präzise und konkret nachgefragt, wie das eine oder andere im Mandat formuliert sein könne. Insofern ist das, glaube ich, ein Punkt, den wir – das darf ich als Abgeordneter sagen – in diesem Bereich gemeinsam hinbekommen haben. Es geht, wie gesagt, konkret um die Verlegung der Patriot-Systeme. Zu der Mandatsobergrenze, der Bestückung, der Personenzahl und der Zahl der Mannschaften, hat der Verteidigungsminister bereits Ausführungen gemacht. Lassen Sie mich deshalb noch auf einige wichtige politische Elemente dieses Mandatsantrags eingehen. Der Einsatz der zu verlegenden Systeme erfolgt – das möchte ich ausdrücklich wiederholen – zu rein defensiven Zwecken. Das hat die Türkei in ihrem Ersuchen auch ausdrücklich so festgehalten, und der NATO-Rat hat es bekräftigt. Das Einsatzgebiet ist so definiert, dass die Systeme nicht zur Errichtung einer Flugverbotszone im syrischen Luftraum oder zu anderen offensiven Maßnahmen beitragen können. Das ist im Mandatstext festgehalten. Gerade weil heute noch einmal die Diskussion aufkam, möchte ich ausdrücklich festhalten: Die Systeme werden dem militärischen Oberbefehlshaber der NATO, dem SACEUR, unterstellt, der durch den NATO-Rat politisch mandatiert ist. Das ist ausdrücklich so der Fall. All diese Punkte waren in den Gesprächen im NATO-Rat wichtige Anliegen. Sie belegen, wie gesagt, den rein defensiven Charakter. Es geht ausschließlich um den Schutz der Bevölkerung und des Territoriums unseres türkischen Alliierten. Daran werden sich auch die deutschen Besatzungen beteiligen, die – wie bisher – routinemäßig zur Überwachung des Luftraums in AWACS-Flugzeugen eingesetzt sind. Aus Gründen der Mandatsklarheit sind auch diese Einsätze im Mandatsantrag der Bundesregierung erwähnt. Auch diese Soldaten sind von der Personalobergrenze des Mandats gedeckt. Was nun die Standorte der Patriot-Einheiten angeht, so haben wir uns hier eng mit unseren türkischen und niederländischen Verbündeten abgestimmt. Die gegenwärtigen Planungen laufen auf eine Verlegung in die Stadt Kahramanmaras hinaus, die rund 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt liegt. In jedem Fall werden wir das berücksichtigen, was im Mandatsantrag eindeutig festgelegt ist. Die Patriot-Systeme werden nicht in den syrischen Luftraum hineinwirken. Mit ihrer Reichweite von rund 70 Kilometern können sie das auch gar nicht. Auch dies belegt den defensiven Charakter des Einsatzes noch einmal. Darauf hat auch der Außenminister bei der Vorbereitung ausdrücklich hingewiesen. Mit der Patriot-Verlegung schaffen wir eine glaubwürdige Abschreckung und einen effizienten Schutz gegen ein syrisches Regime, das in seinem Untergang auch zu Verzweiflungstaten in der Lage sein könnte. Die Türkei hat die berechtigte Sorge, dass sich solche Taten auch gegen sie richten. Angesichts des syrischen Raketenarsenals und dessen Reichweite teilen wir diese Sorge und leisten unseren Beitrag zum Schutz unseres Verbündeten. Ich möchte auf Punkt 6 der Erklärung von Marrakesch, die wir nachher an Sie verteilen, hinweisen, in dem die heute in Marrakesch versammelten Außenminister den Einsatz der NATO und die Patriot-Stationierung in der Türkei als einen Beitrag zur Reduzierung der Bedrohung der Türkei ausdrücklich begrüßen. Eine breite Unterstützung aus diesem Hohen Hause wäre ein wichtiges Signal für die Angehörigen der Bundeswehr, die wir in die Türkei entsenden wollen. Wir wären dankbar für ein möglichst starkes und geschlossenes Signal in diesem Bereich. Auch die Türkei selbst, glaube ich, wäre dafür dankbar. Es ist ein wichtiger Schritt der gegenseitigen Rückversicherung. Was wir hier machen, ist gelebtes Bündnis, auch in der offenen Debatte um das Mandat, das wir Ihnen zur Entscheidung vorlegen. Wir bitten nach der endgültigen Befassung der Ausschüsse um – wie beantragt – eine zeitnahe Abstimmung am kommenden Freitag. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Staatsminister Michael Link. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke unser Kollege Jan van Aken. Bitte schön, Kollege Jan van Aken. (Beifall bei der LINKEN) Jan van Aken (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie wollen einen völlig neuen Auslandseinsatz der Bundeswehr beschließen. 400 deutsche Soldaten samt Patriot-Raketen sollen in der Türkei stationiert werden, und zwar direkt an der syrischen Grenze. 25 Millionen Euro soll uns das kosten. (Zuruf von der CDU/CSU: Das fängt ja schon falsch an!) Ich frage mich – ich glaube, das geht ganz vielen Menschen draußen genauso –: Warum eigentlich? Sie nennen genau zwei Gründe für diesen neuen Bundeswehreinsatz: Die Türkei sei bedroht, und man müsse einem NATO-Partner zur Seite stehen. Sie wissen doch ganz genau, dass der erste Grund komplett falsch und der zweite auch nicht ganz richtig ist. Kommen wir zum ersten Grund. Sie behaupten, es gebe eine Bedrohung der Türkei durch Syrien. Sie alle wissen doch ganz genau, dass das kompletter Unsinn ist. (Beifall bei der LINKEN) Das Assad-Regime in Syrien hat die Türkei nicht bedroht und bedroht sie auch jetzt nicht. Assad weiß doch ganz genau, dass nur eine einzige Rakete aus Syrien Richtung Türkei fliegen muss, und schon ist die gesamte Militärmacht der NATO da und würde einmarschieren. Innerhalb weniger Tage wäre das Assad-Regime hinweggefegt. Das wäre politischer Selbstmord, und Assad weiß das natürlich. (Michael Brand [CDU/CSU]: Auf welcher Seite stehen Sie denn?) Herr de Maizière, Sie haben die Chemiewaffen angesprochen. Sie können jetzt aber nicht die gleiche Panik mit Hinweis auf die Chemiewaffen schüren wie vor zehn Jahren im Zusammenhang mit den Biowaffen im Irak. (Beifall bei der LINKEN) Sie wissen ganz genau, dass die syrischen Chemiewaffen überhaupt nichts mit dem Einsatz der Patriot-Systeme zu tun haben. Ich finde, Herr de Maizière, wenn Sie noch einmal diese Chemiewaffen anführen, dann sollen Sie wirklich viele Jahre – eingeklemmt zwischen Colin Powell und George W. Bush – im Fegefeuer schmoren. (Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) Natürlich gab es in den letzten Wochen Granateneinschläge auf türkischem Gebiet; dabei sind Menschen gestorben. Das ist schlimm. Aber selbst die türkische Regierung hat gesagt: Das waren Fehlschläge; das war nicht gegen die Türkei gerichtet. – Die Türkei fühlt sich also gar nicht bedroht. Aber Sie begründen nun einen Auslandseinsatz der Bundeswehr mit einer angeblichen Bedrohung der Türkei. Sie wissen, dass das nicht stimmt. Damit ist der erste Grund schon einmal hinfällig. (Beifall bei der LINKEN) Ich komme zum zweiten Grund, den Sie nennen. Das ist die Bündnistreue: Ein NATO-Partner ist bedroht. Da muss man doch helfen. – Dazu will ich eines klarstellen; denn darüber gibt es in der Bevölkerung eine große Verwirrung und Missverständnisse: Deutschland muss überhaupt nichts. Deutschland muss auch in Afghanistan nichts, Deutschland musste auch im Irak nichts, in Libyen nichts, und auch jetzt, im Fall der Türkei, gibt es keinen einzigen Vertrag, der die Bundesregierung zwingt, deutsche Soldaten in den Nahen Osten zu schicken. Das ist schon einmal die erste Bemerkung dazu. Dann muss man sich genau anschauen, wofür die Türkei jetzt Beistand haben möchte. Sie blenden völlig aus, dass die Türkei doch ganz eigene Interessen in der Region verfolgt, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) dass sie seit vielen Jahren – im Moment ganz beson-ders – daran arbeitet, zur Regionalmacht zu werden. Das ist der Grund, warum die türkische Regierung syrische bewaffnete Rebellen unterstützt, womit sie schon jetzt Teil des syrischen Bürgerkriegs geworden ist. (Michael Brand [CDU/CSU]: Auf welcher Seite stehen Sie denn eigentlich?) Sie können doch keine, Sie dürfen keine Bündnistreue zeigen, weil die Türkei ganz eigene Interessen verfolgt. (Beifall bei der LINKEN) Mit diesem Einsatz kann Deutschland direkt Konfliktpartei im Nahen Osten werden. Das ist doch ein Pulverfass. Es genügt ein Funke in Syrien oder im Iran, und – paff! – schon ist die Bundeswehr mitten in einem neuen Kriegsgebiet. Deshalb wird die Linke diesen Antrag ablehnen. (Beifall bei der LINKEN) Anstatt militärisch aufzurüsten, könnten Sie auf ziviler Ebene helfen. Das ist schon angesprochen worden. Warum helfen Sie nicht einmal ganz anders? Warum helfen Sie nicht den Menschen in Syrien auch dadurch, dass Sie syrische Flüchtlinge nach Deutschland lassen? (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Machen Sie doch die Grenzen auf für die Menschen, die im Moment unter diesem Bürgerkrieg leiden! Sie machen die Grenzen zu und versuchen, mit deutschen Soldaten an der syrischen Grenze zu helfen. Ich glaube, das können Sie nicht wirklich ernst meinen. Am besten wäre den Menschen in Syrien natürlich mit einer schnellen Beendigung des Bürgerkriegs geholfen. Dafür bedarf es Länder und Institutionen, die eine politische Lösung wollen, das Ziel einer Lösung verfolgen und die vermitteln können. Aber diese Rolle haben Sie völlig aufgegeben. Jetzt, da Sie deutsche Soldaten an die syrische Grenze entsenden, können Sie nicht mehr Vermittler sein, auf gar keinen Fall. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Rainer Stinner [FDP]: Das ist doch Unsinn! – Weiterer Zuruf von der FDP: Das ist Quatsch!) Dieser Militäreinsatz ist das Gegenteil von Hilfe. Er wird die Situation weiter eskalieren lassen. Deswegen lehnen wir ihn ab. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege Omid Nouripour. Bitte schön, Kollege Omid Nouripour. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ein Partnerstaat um Beistand bittet, dann braucht man sehr gute Gründe, wenn man nicht Ja sagen will. Deshalb wäre es höchste Zeit, dass die Bundesregierung uns einmal erklärt, warum sie eigentlich nicht, so wie die Türkei es sich gewünscht hat, diesem Land bei der Unterstützung der Flüchtlinge, die über die Grenzen gekommen sind, hilft. Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass die Türkei die gesamte Last trägt und kaum Unterstützung seitens der Europäischen Union findet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Diese Begründungsverpflichtung besteht aber auch dann, wenn die Türkei um ein Waffensystem zum eigenen Schutz bittet. Kommen wir zur Frage der Bedrohung. Herr Kollege van Aken, ich bin ein wenig verwirrt; denn Sie haben vieles gesagt, was ich richtig finde. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist bedenklich!) Aber eines haben Sie ausgeblendet. Sie haben gesagt, Assad habe gar keinen Grund, die Türkei anzugreifen. Ich teile diese Meinung; das wäre hoch irrational. Aber Sie verkennen, dass wir es in Syrien mittlerweile mit einem zerfallenden Staat zu tun haben, in dem nicht mehr klar ist, wie lange welche Kommandostrukturen halten werden. Deshalb greift die Analyse der Bedrohungssituation, die Sie gerade dargelegt haben, ein Stückchen zu kurz. Auf der anderen Seite reicht es nicht, nur auf die Bündnisverpflichtung zu verweisen. Wir als Parlament, das die Armee entsendet, haben Prüfaufträge. Es geht nicht nur darum, zu schauen, welche Risiken es für die Soldatinnen und Soldaten gibt, sondern auch darum, zu analysieren, in welches politische Umfeld wir sie schicken. Ich finde die einen, die sofort Nein sagen, genauso suspekt wie diejenigen, die sofort Ja sagen. Ich bin ziemlich stolz darauf, dass meine Fraktion viele Diskussionen geführt hat und wir ernsthaft viele Fragen gestellt haben, von denen viele beantwortet worden sind. Ich komme gleich darauf zurück. Wir werden morgen eine Sondersitzung unserer Fraktion haben, in der wir abschließend miteinander sprechen werden. Uns geht es um zwei Dinge. Das eine ist, dass in das syrische Territorium nicht hineingewirkt werden darf. Das ist nicht nur deswegen wichtig, weil das völkerrechtswidrig wäre, sondern auch deswegen, weil wir nicht wollen, dass die NATO in diesen Konflikt hineingezogen wird; denn das hätte ein riesiges Eskalationspotenzial. Nicht in das türkische Gebiet hineinzuwirken, das steht jetzt im Mandat. (Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Steht drin!) Wir haben als Bedingung formuliert: Das Kommando muss bei der NATO sein. Auch das steht jetzt im Mandat. Wir haben gefordert, dass die Flugverbotszone von Patriots nicht unterstützt werden darf. Auch das steht im Mandat. Ich bin dafür sehr dankbar. Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass unsere Soldatinnen und Soldaten nicht dort stehen sollen, wo sie einfach beschossen werden können, und zwar deswegen, weil das ein Politikum wäre und weil es auf der anderen Seite der Grenze einen Haufen von Provokateuren gibt. Ich gebe dem Kollegen van Aken recht: Es sind in erster Linie nicht die Anhänger von Assad, die einen Nutzen davon hätten, die NATO in einen Konflikt hineinzuziehen, der mittlerweile dschihadistisch, der mittlerweile regional, konfessionell und ethnisiert ist. Deshalb ist die Frage des Standortes so unglaublich wichtig. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Deshalb ist es so wichtig, dass die Systeme nicht direkt an der Grenze stehen. Uns ist heute im Ausschuss gesagt worden: Erst morgen wird entschieden. – Vieles spricht dafür, dass es so kommen wird, wie es heute im Ausschuss gesagt worden ist: Die Bundesregierung hat auch diese Bedingung erfüllt. Man muss den morgigen Beschluss also abwarten. Wesentlich ist das, was wir an Bedingungen gestellt haben. Deren Erfüllung ist aus unserer Sicht notwendig, damit es nicht zu einer Rutschbahn kommt, damit die NATO in Syrien nicht Bürgerkriegspartei wird. Es ist schlicht nicht ganz seriös, wenn man Bedingungen nennt, sie werden erfüllt, und dann macht man sich von dannen. Insofern werde ich meiner Fraktion morgen empfehlen, dem Mandat zuzustimmen. (Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Prima!) Ich will zum Schluss aber noch eines sagen: Wir machen das nicht, um der Bundesregierung aus der Libyen-Patsche zu helfen. Wir machen das wegen der Sache und weil wir eine lange Abwägung vorgenommen haben. Wir sehen nämlich, dass in diesem Fall nicht nur die Bündnissolidarität zählt, sondern dass der Einsatz auch Sinn machen kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Omid Nouripour. – Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU Dr. Andreas Schockenhoff. Bitte schön, Kollege Schockenhoff. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über vier Jahrzehnte haben die Nordatlantische Allianz und unsere Verbündeten die Freiheit und Sicherheit Deutschlands verteidigt. Wenn sich heute ein Bündnispartner bedroht fühlt, sollte unsere Solidarität deshalb eine Selbstverständlichkeit sein. Die CDU/CSU wird deshalb der Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO durch die Stationierung von Patriot-Systemen in der Türkei zustimmen. Wir stehen an der Seite unseres Bündnispartners Türkei. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die Luftangriffe des Assad-Regimes auf syrische Städte und Dörfer an der türkischen Grenze bedrohen auch die türkische Bevölkerung. Erst in der vergangenen Woche sind bei Luftangriffen auf die syrische Stadt Ras al-Ain an der türkischen Grenze zum wiederholten Male Geschosse in einer benachbarten türkischen Stadt eingeschlagen. Das gesamte Bündnis kann diese Bedrohung eines Bündnispartners nicht ignorieren. Dies gilt erst recht, da niemand darauf vertrauen kann, dass das untergehende Assad-Regime nicht auch seine Scud-Raketen oder gar chemische Massenvernichtungswaffen einsetzt. Der Kollege Mützenich hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dieses Regime im vergangenen Jahr immer wieder auf zynische Weise seine Irrationalität und Unmenschlichkeit unter Beweis gestellt hat. Die Patriot-Stationierung soll eine abschreckende und damit deeskalierende Wirkung haben. Die Stationierung der Patriots und die Geschlossenheit der NATO sind unzweideutige Signale an das Assad-Regime, den Konflikt in Syrien nicht weiter über die Landesgrenzen hinauszutragen. Der Einsatz der Bundeswehr erfolgt ausschließlich auf NATO-Gebiet. Er ist rein defensiv. Es geht nicht um eine Flugverbotszone in Syrien oder gar um ein aktives Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg. Beides wird in dem von der Bundesregierung vorgelegten Mandat eindeutig ausgeschlossen. Das haben die Vorredner hinreichend dargelegt. Wichtig ist uns dabei allerdings auch, dass das Handeln der Bündnispartner, auch das der Türkei, in den politischen Ordnungsrahmen der Allianz eingebunden ist. Das heißt im konkreten Fall: Die deutschen Patriots und ihr Bedienungspersonal werden voll in die NATO-Kommandostruktur eingegliedert und damit dem NATO-Oberbefehlshaber unterstellt – und niemandem sonst. Ein Zweites ist für uns politisch wichtig: Es hat seit der Libyen-Entscheidung immer wieder im Bündnis, vor allem hinter vorgehaltener Hand, Äußerungen gegeben, die Zweifel an der Verlässlichkeit Deutschlands als Bündnispartner zum Ausdruck brachten. Solche Zweifel waren nicht gerechtfertigt. Aber es war zu spüren, dass derartige Zweifel beispielsweise ein Hindernis für die notwendige Vertiefung der Zusammenarbeit in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bedeuteten; ich nenne nur die Stichworte „Pooling“ und „Sharing“. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Bündnispartner wissen: Auf Deutschland können sie sich verlassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, viel zu lange schon lesen wir täglich Berichte über Bombardierungen syrischer Städte durch Assads Luftwaffe – mit vielen zivilen Toten. Insgesamt kamen schon über 40 000 Menschen ums Leben. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir uns dann nicht auch die Frage stellen, ob es keinen eindeutigeren Fall für eine Schutzverpflichtung der internationalen Gemeinschaft gibt als das massenhafte Töten von Zivilisten in Syrien, das es zu unterbinden gilt? Da der UN-Sicherheitsrat bis heute blockiert ist und keine wirksamen Maßnahmen ergreifen konnte, war kein anderer Weg möglich, als die syrische Opposition mit Waffen zu versorgen, um das syrische Regime zu stoppen. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Was sagen Sie gerade?) – Ja, ich sage das ganz offen, und ich sage das auch mit dem Hinweis darauf, dass durch das monatelange Nichthandeln des UN-Sicherheitsrates auch Kräfte wie al-Qaida in Syrien tätig geworden sind, die die Lage – insbesondere dann auch nach einem Ende des Assad-Regimes – nur noch schwieriger machen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich sage in aller Deutlichkeit: Diejenigen, die den Sicherheitsrat in der Syrien-Frage immer wieder blockiert haben, tragen dafür eine Mitverantwortung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wir hoffen, dass das Jahr 2013 das Jahr des freien -Syrien wird, wie es der französische Außenminister -Fabius gestern formuliert hat. Wir begrüßen daher die Entscheidung der Bundesregierung, die Beziehungen zum jetzigen Regime auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Wir hoffen, dass dann der syrische Opposi-tionsblock als die legitime Vertretung des syrischen Volkes zu einer Befriedung der Bevölkerungsgruppen in der Lage ist. Dafür werden ihm die EU und die Freunde Syriens jede politische und wirtschaftliche Unterstützung geben müssen. Bis das erreicht wird, besteht die Gefahr – darauf haben Sie, Herr Mützenich und Herr Staatsminister Link, hingewiesen –, dass das Assad-Regime in seiner Irrationalität den Einsatz von chemischen Waffen und weitere Eskalationen zu verantworten haben wird. Ich hoffe nicht, dass wir über konkrete Maßnahmen beraten müssen, weil diese rote Linie überschritten wurde. Ich bin mir aber sicher, dass erst recht nach einem Sturz des Assad-Regimes das syrische Volk unsere Solidarität und Unterstützung braucht. Deswegen ist am Freitag ein breites Votum für die Stationierung von Patriot-Raketen ein wichtiges Signal, dass wir im Bundestag gemeinsam auch längerfristig, über diese Entscheidung hinaus, dem geschundenen syrischen Volk helfen wollen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Dr. Andreas Schockenhoff war der letzte Redner in unserer Aussprache, die ich damit auch schließe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/11783 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Sie sind damit einverstanden; ich höre keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie einverstanden sind, kommen wir zum Tagesordnungspunkt 3, den ich damit auch aufrufe: Befragung der Bundesregierung (Unruhe) – Ich darf Sie bitten, sicherzustellen, dass die Befragung auch möglich ist. Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Reform des Verkehrszentralregisters. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer. Bitte schön, Herr Bundesminister, Sie haben das Wort. Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist etwas ungewohnt, nicht vom Rednerpult aus zu sprechen. Die Usancen der Regierungsbefragung legen es dem Redner auf, vom Platz aus zu sprechen. Deswegen stehe ich jetzt hier an der Regierungsbank. Meine Damen und Herren, das Bundeskabinett hat heute die Reform des Verkehrszentralregisters oder – wie es im Umgangsdeutsch heißt – die Punktereform durch Beschluss eines Entwurfs zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und der Fahrerlaubnisverordnung gesetzgeberisch auf den Weg gebracht. Diesem Kabinettsbeschluss ging eine lange Vorarbeit voraus. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren eine ausgesprochen intensive Abstimmung mit den Ländern betrieben. Wir haben vor allen Dingen erstmals eine sehr umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung hergestellt, indem wir in den ersten Mai-Wochen dieses Jahres eine dreiwöchige Internetanhörung mit über 30 000 Eingaben durchgeführt haben, die wir in mehreren Punkten auch berücksichtigt haben. Sowohl bei der Länderanhörung als auch bei der Internetanhörung hat sich gezeigt, dass diese Materie von einer ausgesprochen großen Überparteilichkeit, von einer Unabhängigkeit von den Fraktionsgrenzen geprägt ist. Es ist also eine Materie mitten aus dem praktischen Alltag der Öffentlichkeit heraus. Es hat sich auch eines gezeigt: Entgegen unseren Erwartungen sind bei der Internetanhörung weniger Klagen darüber gekommen, dass etwas strenger wird, sondern – im Gegenteil; das hat uns überrascht – es sind in hohem Maße Verschärfungen gefordert worden. Das ist erklärbar mit dem übergeordneten Ziel, das wir mit dieser Reform verbinden, nämlich mehr Verkehrssicherheit herzustellen. Das ist das überragende Ziel. Deswegen setzen wir auch an der Fahreignung eines Verkehrsteilnehmers an. Deswegen wird das Verkehrszentralregister auch in Fahreignungsregister umbenannt. Es geht also immer um die Frage: Gibt der Verkehrsteilnehmer die Gewähr dafür, dass er zuverlässig und regelkonform am Straßenverkehr teilnimmt? Das gilt übrigens nicht nur für Fahrzeughalter, also für Personen mit motorisierten Fahrzeugen jeder Art, sondern auch für Radfahrer oder – theoretisch und praktisch – für Fußgänger. Das wird gerne übersehen, ist aber nicht minder wichtig. Wir wollen damit auch erreichen, dass das ganze System einfacher wird, dass es gerechter und vor allen Dingen auch überschaubarer, transparenter wird. Die wichtigsten Änderungen in einem kurzen Überblick: In Zukunft wird jeder Verstoß für sich verjähren. Jeder Punkt, der in Zukunft gegeben wird, wird für sich abgebaut und nicht in komplizierten gegenseitigen Verwebungen stehen, die im Grunde genommen nur noch ganz wenige ausgewiesene Experten im Detail überblickt haben. Mit Punkten werden außerdem nur noch solche Verstöße geahndet, die wirklich verkehrssicherheitsrelevant sind. Verstöße, die nicht die Sicherheit gefährden, werden in Zukunft nicht mehr erfasst, beispielsweise das Einfahren in eine Umweltzone ohne die erforderliche Plakette. Dafür gab es nach dem alten System bisher einen Punkt. In Zukunft wird das nicht mehr der Fall sein, weil das nicht die Sicherheit gefährdet. Gleichwohl – das will ich betonen – muss derjenige, der dabei erwischt wird, künftig mit 80 Euro Verwarngeld rechnen. Wir haben in Zukunft eine klare Differenzierung nach drei Punktekategorien. In die Kategorie ein Punkt fallen schwere Verstöße, in die Kategorie zwei Punkte besonders schwere Verstöße und in die Kategorie drei Punkte besonders schwere Verstöße, die mit einem Straftat-bestand verbunden sind. Das ist beispielsweise der Fall, wenn zu einer Fahrt unter Alkoholeinfluss Fahrerflucht hinzukommt. In Zukunft haben wir auch eine sehr klare Einstufung in unterschiedliche Kategorien. Wenn drei Punkte angesammelt sind, kommt es zu einer Vormerkung, der Betroffene wird also noch nicht informiert. Bei vier und fünf Punkten kommt es zu einer Ermahnung, das heißt, er wird informiert und ihm wird Hilfe angeboten, wie er sich bessern kann. Bei sechs und sieben Punkten kommt es zu einer Verwarnung. Dabei wird auch ein Seminar angeordnet. Bei acht Punkten kommt es schließlich zum Entzug der Fahrerlaubnis. Das war bisher bei 18 Punkten der Fall. Also: Es wird nicht bei 18 Punkten, sondern bereits bei acht Punkten der Führerschein entzogen. Dafür gibt es aber nicht, wie bisher, bis zu sieben Punkte für eine Tat, sondern nur bis zu drei Punkte. Wir werden die Eintragungsgrenze von bisher 35 Euro auf 55 Euro anheben. Das heißt, ab 60 Euro wird ein Punkt eingetragen. Auch dieser Vorschlag, dass hier schärfer zugegriffen werden soll, kam aus der öffentlichen Anhörung. Es gibt aber einige Ausnahmen: Das BMU hat beispielsweise verlangt, dass für das -Einfahren in eine Umweltzone ohne Plakette ein Verwarngeld von 80 Euro fällig werden soll, auch wenn es dafür keinen Punkt mehr gibt. Das waren in Kürze der Hintergrund und die wichtigsten Bestandteile dieser Reform. Ich bedanke mich. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Eine Fülle von Fragestellern hat sich schon gemeldet. Erster Fragesteller ist unser Kollege Sören Bartol. Sören Bartol (SPD): Herr Minister Ramsauer, vielen Dank für Ihre Ausführungen. – Ich habe eine Frage: Schließen Sie bei der Umstellung des geltenden Systems eine Amnestie, also eine Streichung von Punkten, generell aus? Wenn nein: Für welche Fälle können Sie sich eine Streichung von Punkten vorstellen? Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Bei der Umstellung vom alten System auf das neue System wird wie folgt vorgegangen: Am Stichtag – das ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens – wird festgestellt, welcher Punktestand für einen Verkehrsteilnehmer beim Verkehrszentralregister – so heißt es noch bis zu diesem Zeitpunkt – aufgelaufen ist. Dieser Punktestand wird dann in das neue System umgerechnet. Dabei wird so vorgegangen, dass dieser erreichte Punktestand zunächst um diejenigen Punkte bereinigt wird, für die im neuen System keine Punkte gegeben werden. Das ist keine Amnestie, sondern eine Bereinigung. (Lachen bei der SPD) – Ich verstehe nicht. Sie sind die ersten Lacher. (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Ihre Leute haben auch gelacht!) Liebe Kollegen aus der Sozialdemokratie und von den Grünen – nur ein Grüner ist noch verblieben, das ist ja ziemlich wenig; die interessieren sich nicht dafür –, mit Ihren Länderkollegen habe ich ausgesprochen ernsthaft zusammengearbeitet, und ich bin außerordentlich dankbar, dass ich sozialdemokratische und grüne Länder-kollegen habe, die so sachgerecht arbeiten. Das möchte ich an dieser Stelle auch einmal gesagt haben. In diesem Zusammenhang möchte ich einen grünen Kollegen zitieren, nämlich den Kollegen Hofreiter, der in der Schweriner Volkszeitung am 14. November dieses Jahres Folgendes gesagt hat: (Gustav Herzog [SPD]: Herr Präsident!) Vizepräsident Eduard Oswald: Ja, ist schon klar. Ich brauche keinen Hinweis, ich mache das schon. – Herr Bundesminister, Sie haben nicht die Erfahrung wie so manch anderer, der öfter an dieser Stelle steht. Ich weise darauf hin, dass wir uns -gemeinsam ein Zeitkontingent für die Beantwortung der Fragen gegeben haben. Ich wäre dankbar, wenn Sie -jeweils kurz antworteten. Für die Frage haben Sie eine Minute und für die Antwort auch eine Minute. Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Okay; dann mache ich das schneller. – Der Kollege Hofreiter hat gesagt: Eine Amnestie für … rücksichtslose Raser und Drängler ist ein falscher und gefährlicher Weg. Da hat er vollkommen recht. Ich unterstreiche diesen Satz ausdrücklich. Allerdings muss ich festhalten: Erstens gibt es keine Amnestie und zweitens schon gleich keine solche; denn Drängler und Raser werden in Zukunft heftigst bepunktet. Für diese Leute brechen schwere Zeiten an. Das sind andere Verkehrssünder als diejenigen, die in eine Umweltzone einfahren oder die im Sommer, wenn überall die Volksfeste stattfinden, einen Festwagen mit einer Girlande schmücken, die das Kennzeichen verdeckt, und die deshalb bisher einen Punkt bekommen haben. Da gibt es einen großen Unterschied. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Bundesminister, Sie haben gerade eben etwas versprochen. Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Kurze Antwort: Keine Amnestie. Vizepräsident Eduard Oswald: Jawohl, kurze Antworten, kurze Fragen. – Der nächste Fragesteller kommt jetzt aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Stephan Kühn. Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, folgende Frage: Sie wollen das freiwillige Aufbauseminar zum Punkteabbau abschaffen. Mich würde interessieren, ob Sie die bisherigen Aufbauseminare in der Evaluierung für nicht erfolgreich halten. Gab es sozusagen Wiederholungstäter, die das Instrument missbraucht haben? Wenn nun diese Abbaumöglichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen, wie geht man mit denjenigen um, die das „Begleitete Fahren mit 17“ als Erwachsene unterstützen sollen, oder speziell mit Taxifahrern, die ja auch sehr schnell in eine solche Situation geraten können und dann keine Möglichkeit mehr haben, Punkte abzubauen? Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Konkrete Antwort: Die Erfahrungen mit dem freiwilligen Aufbauseminar zum Punkteabbau, bei dem man bisher drei oder vier Punkte abbauen konnte, wenn man sich der Zahl von 18 Punkten genähert hat, waren so – das haben alle Praktiker gesagt, egal ob Fahrlehrer, Polizei oder Verkehrspsychologen –, dass ein überwiegender Anteil der Teilnehmer in die Schulungen hineingeht, dort das angeordnete Seminar absitzt, wieder -hinausgeht und dann genau so weiterfährt wie vorher. Da muss ich sagen, dass damit nicht viel bewirkt ist. Deshalb bieten wir jetzt einem Verkehrsteilnehmer, der mit vier Punkten auffällig wird, die Möglichkeit an, freiwillig an einem solchen Seminar teilzunehmen, allerdings ohne dass er damit Punkte abbauen kann. Eine Ausnahme machen wir in solchen Fällen, in denen – das ist Ihr Punkt – jemand als Erwachsener für das „Begleitete Fahren ab 17“ eingetragen ist, sodass diese Person nicht über die Drei-Punkte-Grenze kommt. Hierbei dürfen nicht mehr als zwei Punkte aufgelaufen sein. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Bundesminister. Nächster Fragesteller ist der Kollege Uwe Beckmeyer. Uwe Beckmeyer (SPD): Herr Bundesminister, es geht ja um Vereinfachung. Worin sehen Sie die Vereinfachung bei der Anwendung des Tattagsprinzips zur Berechnung des Punktestandes, welches weiterhin eine einjährige Überliegefrist erfordert, die sich an die Tilgungsreife anschließt und nach der erst die endgültige Tilgung der Punkteeintragung erfolgt? Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege Beckmeyer, das ist in der Tat ein schwer zu erklärendes Phänomen, das unter heftiger Mitwirkung des Bundesjustizministeriums zustande kam. (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD) – Da muss ich selbst etwas schmunzeln; das gebe ich zu. Aber wissen Sie, wenn man Juristen darübergehen lässt, dann – – (Heiterkeit) Das ist ein fraktionsübergreifendes Phänomen; ich glaube, da sind wir alle uns einig. Insofern, Herr Beckmeyer, danke für die Frage. Ich habe sie mir selbst oft gestellt. Ich versuche, es Ihnen zu erklären: Mit dem Tattag kommen die Punkte zustande, aber erst mit dem Tag der Rechtskraft – das kann in Deutschland bis zu eineinhalb Jahren dauern – beginnt die Tilgungsfrist. Wir setzen beginnend am Zeitpunkt des Eintritts der Tilgungsreife, also wenn die Punkte getilgt sind – wir haben hier Fristen von zwei Jahren, fünf Jahren oder gar zehn Jahren, je nach Schwere des -Delikts –, eine Überliegefrist von einem Jahr drauf, um sicherzustellen, dass erfasst wird, ob zwischen dem Tag der Rechtskraft und der Tilgungsreife eine neue Tat begangen wurde, die angesichts der dabei erworbenen Punkte zu einer Maßnahme führt. – Das ist die kürzestmögliche Antwort, lieber Herr Kollege Beckmeyer. Ich lade Sie ein, zu mir zu kommen. Ich erkläre es Ihnen gerne auch noch grafisch. (Heiterkeit) Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Bundesminister, es gibt auch die Chance, bestimmte Dinge hinterher im Protokoll nachzulesen, um sich das wirklich zu vergegenwärtigen. Vielen Dank. – Herbert Behrens ist der nächste Fragesteller. Herbert Behrens (DIE LINKE): Herr Minister, Sie haben auf die Bedeutung der Seminare hingewiesen, die dazu führen sollen, dass die Delinquenten zu einem besseren Fahrverhalten kommen. Diese Seminare werden wohl um die 600 Euro kosten. Bei bestimmten Vergehen, wie Trunkenheit am Steuer, ist es durchaus üblich, dass Bußgelder nach Tagessätzen erhoben werden. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, auch die Kosten von Fahreignungsseminaren nach Tagessätzen zu berechnen, entsprechend der Schwere des Vergehens? Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Darf ich einmal nachfragen? Ich habe jetzt den Kern Ihrer Frage nicht ganz verstanden: Welche Verbindung stellen Sie zwischen den Tagessätzen und den Kosten eines solchen Seminars her? Herbert Behrens (DIE LINKE): Es ist in der Tat so, dass je nachdem, welches Vergehen ein Delinquent verursacht hat – etwa bei Trunkenheit am Steuer –, gesagt wird: Das Bußgeld für das Vergehen wird in Tagessätzen, gemessen am Einkommen, erhoben. Gleichwohl liegt die Gebühr für die verpflichtende Teilnahme an Eignungsseminaren, wenn ich es richtig lese, statisch bei 600 Euro. Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Jetzt habe ich es verstanden. Vielen Dank. – Man muss bei dem, was im künftigen Fahreignungsregister aufläuft, zwischen der Sphäre der Gerichte und dem, was die Behörden auferlegen, unterscheiden. Die Gerichte sind in ihrer Sphäre – innerhalb der gegebenen Leitplanken des Gesetzes und der Rechtsprechung – in ihrem -Urteil darüber, welches Einkommen und welche Tagessätze sie zugrunde legen, quasi frei. Völlig unabhängig davon ist die Frage, welche Maßnahme auferlegt wird. Wenn ein Besserungsseminar oder gar eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet wird, dann müssen die entsprechenden Kosten getragen werden. Ich sehe im Grunde genommen keine praktikable Möglichkeit, auch bei den Kosten dieser Maßnahmen nach Einkommen oder ähnlichen sozial -relevanten Größen zu differenzieren. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt unsere Kollegin Frau Kirsten Lühmann. Bitte schön, Frau Kollegin Lühmann. Kirsten Lühmann (SPD): Herr Minister, es geht nochmals um die schon mehrfach angesprochenen Kurse, die, wie wir gehört haben, recht teuer sind. Wenn ich es richtig verstanden habe, kann man jederzeit freiwillig an einem solchen Kurs teilnehmen. Dies hat aber im Hinblick auf das Fahreignungsregister nur eine Auswirkung: Wenn man innerhalb der ersten zwei Jahre nach Teilnahme an einem solchen Kurs die von Ihnen erwähnte Grenze von sechs oder sieben Punkten überschreitet, kann der Kurs nicht noch einmal angeordnet werden. Wenn man also freiwillig am Kurs teilgenommen hat – so habe ich das gelesen –, kann die nochmalige Teilnahme nicht angeordnet -werden. Jetzt könnte man sagen: Das hat auch keine Wirkung. Wenn man aber in Ihrem Entwurf weiterliest, sieht man, dass dort steht: Wenn man zweimal innerhalb von zwei Jahren einen solchen Kurs angeordnet bekommt, dann wird der Führerschein entzogen. Ich bitte um eine Erklärung Ihrerseits. Heißt das: Wenn ich genug Geld habe oder clever genug bin, dann mache ich freiwillig einen Kurs, wodurch beim ersten Mal der Kurs nicht angeordnet und deshalb beim zweiten Mal die Fahrerlaubnis nicht entzogen wird? Ich kaufe mir also ein bisschen Zeit, weil so erst beim dritten Mal der Führerschein entzogen wird? Das ist doch eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen, die diese Möglichkeit nicht ausschöpfen können, weil sie nicht das Geld haben oder diese Regelung nicht kennen. Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Es ist allgemein festzustellen, dass im Straßenverkehr jeder gleich zu behandeln ist. Das darf nicht von sozialen Kriterien abhängen, zum Beispiel was jemand verdient oder ob er Arbeit hat oder nicht. Die Regeln müssen überall gleich angewandt werden. Zu den Seminaren. Es ist in der Tat so: Wenn es zu einer Ermahnung kommt, dann kann der Betroffene freiwillig – ohne dass das zu einem Punkteabbau führt – ein Seminar besuchen. Das angeordnete Seminar muss absolviert werden, bevor der Führerschein entzogen wird. Ich bitte Sie, den komplexen Fall, den Sie vorge-tragen haben, sauber zu Papier zu bringen. Wir werden Ihnen dann schriftlich die Regelung, die für Ihren speziellen, fast künstlich verkomplizierten Fall gilt, differenziert darlegen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Nächster Fragesteller, unser Kollege Michael Groß. Michael Groß (SPD): Ich habe eine Frage zu einem Punkt, den Sie in Ihrer Einführung zweimal erwähnt haben: das Fahren in einer Umweltzone ohne gültige Plakette. Sie haben dargestellt, dass es dafür demnächst keinen Punkt mehr gibt; stattdessen wird das Bußgeld von 40 auf 80 Euro erhöht. Können Sie das vor dem Hintergrund, dass verschiedene Gutachten die Wirksamkeit von Umweltzonen infrage stellen, begründen? Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Bei Gutachten muss man immer schauen, wer sie schreibt. Aus eigener früherer wissenschaftlicher Tätigkeit weiß ich sehr genau, wie das mit Gutachten ist. Man muss immer darauf achten: Wer schreibt welche Gutachten? Außerdem können Sie zu jedem Gutachten ein Gegengutachten in Auftrag geben. So viel zum Thema Gutachten im Allgemeinen. Sie haben Gutachten genannt, die die Wirksamkeit von Umweltzonen infrage stellen. Damit wird die Wirksamkeit aber noch lange nicht verneint. Ich sage Ihnen eines: Wenn ein älterer Verkehrsteilnehmer versehentlich ohne Umweltplakette widerrechtlich in die Innenstadt fährt, dann wird dadurch nicht die Umwelt in dieser Innenstadtlage verpestet. Das sind Ausnahmefälle. Vor allen Dingen führt dies nicht zu einer Gefährdung der Sicherheit. Wir knüpfen an die Frage der Verkehrssicherheit an, an die Sicherheitsgefährdung als solche. Deswegen haben sich BMJ, BMU und mein Ressort auf den Kompromiss geeinigt, dass wir der Vereinfachung wegen zwar keinen Punkt mehr geben, aber gleichwohl 80 Euro nehmen. Auch von diesen 80 Euro geht eine abschreckende Wirkung aus, sodass Ihre Befürchtung, dass Ortskerne verpestet werden, nicht eintreffen wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Es folgt eine Fragestellung aus der Fraktion der CDU/CSU. Frau Kollegin Daniela Ludwig. Daniela Ludwig (CDU/CSU): Herr Minister, Sie haben in Ihrem Eingangsstatement erwähnt, dass Sie im Hinblick auf die Reform eine umfangreiche Bürgerbeteiligung durchgeführt haben. Ich möchte vorausschicken: Es haben sich nicht wenige an der Reform von Flensburg – wie es im Volksmund so schön heißt – versucht und sind meistens daran gescheitert, weil das sehr kompliziert ist. Ich möchte festhalten, dass es in meinen Augen gelungen ist, für Transparenz und Vereinfachung zu sorgen. Mich würde trotzdem interessieren – ich gehe davon aus, Ihr Haus verfügt über entsprechende Zahlen –: Wie viele Bürger haben sich aktiv an der Onlinediskussion beteiligt? Und können Sie uns etwas zu den inhaltlichen Schwerpunkten sagen? – Vielen Dank. Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin Ludwig, an dieser Internetumfrage haben sich über 30 000 Personen beteiligt. Allein die Zahl der Seitenaufrufe liegt im sechsstelligen Bereich; die genaue Zahl müsste ich heraussuchen. Interessant ist auch die durchschnittliche Verweildauer auf der Seite: siebeneinhalb Minuten. Das ist sensationell lang. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) – Ich finde, das ist sehr lang. (Ulrich Kelber [SPD]: Man findet nichts! -Genau!) In diesen drei Wochen standen in einem Schaltraum – ich glaube, von 7 bis 22 Uhr – sechs Experten und Expertinnen zur Verfügung, die telefonisch oder per E-Mail eingehende Fragen beantwortet haben. Dies zeigt, wie gut, wichtig und ertragreich es ist, die Öffentlichkeit zu beteiligen. Man kann auch sagen: Dies ist der allererste Gesetzentwurf einer Bundesregierung, der in der Internetöffentlichkeit zustande gekommen ist. Ich glaube, auch das ist ein Wert an sich, getreu dem Grundsatz, Betroffene zu Beteiligten zu machen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Nächster Fragesteller ist der Kollege Gustav Herzog. Bitte schön. Gustav Herzog (SPD): Herr Bundesminister – – Bei diesem Mikrofon braucht man Geduld. (Kirsten Lühmann [SPD]: Das braucht man bei dieser Regierung öfter! – Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: SPD und Technik!) – Herr Kollege, ich bin nominiert. (Heiterkeit – Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: Ich auch!) Herr Bundesminister, Stichtage sind immer eine schwierige Angelegenheit. Für den Rechtsunterworfenen kann es durchaus interessant sein, ob er für seine Tat nach altem oder nach neuem Recht sanktioniert wird. Deswegen die Frage: Angenommen, Ihr Praktikant fährt heute viel zu schnell und kassiert Punkte, hat aber gute Anwälte und stellt fest, dass er nach neuem Recht besser behandelt würde. Jetzt hat er die Tat aber sozusagen noch unter altem Recht begangen. Können Sie mir als Nichtjuristen die entsprechende Übergangsregelung erläutern? Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege Herzog, auf den ersten Teil Ihrer Frage, der mit Ihrer Aussage, dass Sie nominiert sind, zu tun hat, kann ich nicht antworten, weil ich diesen Teil der Frage nicht verstanden habe. (Gustav Herzog [SPD]: Das hat was mit dem Zwischenruf von der Regierungsbank zu tun!) – Ach so, das hatte nichts mit Fahreignung zu tun. Dann habe ich das falsch verstanden. (Heiterkeit – Gustav Herzog [SPD]: Die habe ich auch, Herr Minister! Ohne Punkte!) – Ich höre Ihnen besonders aufmerksam zu. Ich möchte Ihnen die Sache mit den Stichtagen noch einmal erläutern. Das Inkrafttreten des neuen Fahreignungsregisters erfolgt am Monatsersten des sechsten Monats nach Verkündung des Gesetzes. Wenn das Gesetz beispielsweise am 20. Juni 2013 verkündet wird, tritt das Gesetz am Monatsersten des sechsten folgenden Monats in Kraft, also am 1. Dezember. Alle Punkte, die bis dahin aufgelaufen sind – das Auflaufen der Punkte beginnt mit dem Tattag; das habe ich vorhin erläutert –, werden nach altem Recht behandelt. Alles, was ab diesem Stichtag aufläuft, wird nach neuem Recht behandelt. Die Punktestände werden nach einem gewissen Muster umgerechnet, das ich Ihnen gerne erläutere. – Die Lampe blinkt noch nicht. Die Uhr ist abgeschaltet. (Zuruf von der SPD: Solidarische Hilfe! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich kann Ihnen das gerne erläutern. – Einen Augenblick, bitte. Vizepräsident Eduard Oswald: Wir haben ja noch lange Zeit. Bitte. (Heiterkeit) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Die Überführung der Punkte erfolgt nach folgendem Muster: Ein Punktestand von ein bis drei Punkten vor dem Stichtag wird umgerechnet in einen neuen Punkt. Vier oder fünf alte Punkte werden in zwei neue Punkte umgerechnet. Sechs oder sieben alte Punkte werden in drei neue Punkte umgerechnet. Acht, neun oder zehn alte Punkte werden in vier neue Punkte umgerechnet. 11, 12 oder 13 alte Punkte werden in fünf neue Punkte umgerechnet. 14 und 15 alte Punkte werden in sechs neue Punkte umgerechnet. 16 und 17 alte Punkte werden in sieben neue Punkte umgerechnet. 18 und mehr alte Punkte entsprechen acht neuen Punkten und somit dem Entzug der Fahrerlaubnis. (Gustav Herzog [SPD]: Ich habe null Punkte!) Vizepräsident Eduard Oswald: Gustav Herzog hat alles verstanden wie auch der Präsident hier oben. (Heiterkeit) Martin Burkert ist der nächste Fragesteller. Martin Burkert (SPD): Herr Minister, ich will Sie fragen, was Sie unternommen haben oder unternehmen werden, um zu verhindern, dass es bei den Fahreignungsseminaren, die zukünftig erforderlich sind, in Flächenländern, also zum Beispiel bei uns in Bayern, im ländlichen Raum, zu Kapazitätsproblemen kommt. Denn im Entwurf ist vorgesehen, dass nur noch drei Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmer an dieser verkehrspädagogischen Maßnahme teilnehmen dürfen und dass das Seminar innerhalb von drei Monaten absolviert werden muss. Ich gehe davon aus, dass bei so etwas nicht mit Praktikanten gearbeitet werden kann. Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Lieber Kollege Martin Burkert, das ist eine Frage, die inhaltlich all den Sorgen zuwiderläuft, die an mich he-rangetragen werden. Mir ist von den Betroffenen gesagt worden, es führe möglicherweise zu erheblichen Überkapazitäten bzw. einer erheblichen Unterbeschäftigung der hierfür derzeit bestehenden Kapazitäten in den Bereichen Schulung, Verkehrspsychologie und Verkehrs-pädagogik, weil das bisherige freiwillige Absitzen entfällt. Man befürchtet also keine Kapazitätsengpässe, sondern man befürchtet, dass Überkapazitäten entstehen. Wir werden sehen, wie es sich entwickelt. Wir werden das genau beobachten. Eines ist mir dabei wichtig: Wir arbeiten an einer deutlichen strukturellen und inhaltlichen Verbesserung des Fahreignungsseminars. Die Bundesanstalt für Straßenwesen arbeitet sehr stark wissenschaftlich, also auch verkehrspsychologisch und verkehrspädagogisch. Wir wollen, dass die Fahreignungsseminare psychologisch und pädagogisch noch besser und nachhaltiger wirken, damit der- oder diejenige, der oder die solch ein Seminar absolviert hat, sich dann im Straßenverkehr tatsächlich sicherheitskonformer und regelkonformer verhält, als es bislang der Fall war. (Martin Burkert [SPD]: Ihr Wort in Gottes Ohr!) Vizepräsident Eduard Oswald: Danke. – Jetzt Stephan Kühn. Bitte schön, Kollege Stephan Kühn. Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, ich habe eine Frage dazu, dass Sie künftig nur noch Punkte für Verstöße, die tatsächlich verkehrssicherheitsrelevant sind, vergeben wollen. In diesem Zusammenhang ist im Entwurf neben dem Thema Umweltzone vom Kennzeichenmissbrauch die Rede gewesen. Nun ist Kennzeichenmissbrauch zum Beispiel im Zusammenhang mit Fahrerflucht aus meiner Sicht durchaus verkehrssicherheitsrelevant. Ich habe nicht alle Details der finalen Fassung des Entwurfs lesen können. Daher frage ich, ob weiterhin vorgesehen ist, dass Kennzeichenmissbrauch, der bei einer Unfallflucht durchaus verkehrssicherheitsrelevant sein kann, nicht mit Punkten bestraft werden soll. Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Bei der Ahndung und Verfolgung solcher Delikte, wie Sie sie gerade darstellen, Herr Kollege Kühn, sind andere Bestandteile der Tat sicherlich wesentlich virulenter und wichtiger als die Frage, was mit dem Kennzeichen passiert ist. Hier gilt die alte Volksweisheit: Das große Wasser nimmt das kleine mit. Wir denken dabei an folgende Fälle – ich wiederhole es noch einmal –, die wir alle kennen: Wenn zum Beispiel im Mai und Juni die Umzüge und Feste bei uns im Land stattfinden, kann es sein, dass geschmückte Festwagen ein Stück über öffentliche Straßen fahren müssen und ein Kennzeichen durch ein Banner, ein Schmucktuch oder eine Girlande verdeckt ist. Ich bin schon des Öfteren heftigst angegangen worden nach dem Motto: Jetzt nehmen wir uns die Zeit und schmücken ein Pferdegespann, einen Festwagen, und wenn wir so das Stück bis zum Beginn des Festzuges fahren, erwischt uns die Polizei und wir müssen bezahlen. – Da sollte man die bisherigen Regelungen wirklich überdenken und diese Fälle anders behandeln als solche, in denen mit einem Auto vorsätzlich schwere Straftaten begangen werden und damit die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer gefährdet wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Nächster Fragesteller: Kollege Herbert Behrens. Herbert Behrens (DIE LINKE): Herr Minister, Sie haben gesagt, dass sich an der Diskussion im Internet etwa 30 000 Menschen beteiligt haben. Ich habe die Kollegin Ludwig so verstanden, dass sie auch nach den Schwerpunkten der Beiträge gefragt hat. Darauf haben wir noch keine Antwort. Sie haben Anregungen vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat oder vom Kollegen Luksic, der sagte, freiwillige Seminare sollten auch zum Punkteabbau führen, und möglicherweise auch andere Vorschläge aus der Internetdiskussion offenbar nicht aufgenommen. Warum haben Sie das nicht getan? Was wir jetzt sehen, unterscheidet sich ja nicht sehr groß von dem ursprünglichen Entwurf. Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege Behrens, wir haben uns mit allen Verkehrssicherheitsverbänden – davon gibt es eine ganze Reihe – intensivst beratschlagt, ebenso mit anderen Verbänden wie Automobilklubs oder Fahrradklubs, kurz: mit allem an verbandlicher Organisation, was sich mit der Straßenverkehrssicherheit befasst. Wir haben – das gehört zu dem übergreifenden Ansatz, von dem ich eingangs gesprochen habe – hier wirklich breiteste Übereinstimmung erzielt. Ich habe noch einmal die Unterlagen zur Bürgerbeteiligung herausgesucht. Es waren 160 000 Seitenaufrufe; diese Zahl wollte ich noch nennen. Sie haben gefragt: Was haben die Bürgerinnen und Bürger gefordert? Ich nenne nur einige Beispiele: Es wurde eine größere Differenzierung bei den Punkten gefordert. Dafür haben wir gesorgt. Ursprünglich waren nur zwei Punkte vorgesehen: einer für schwere und zwei für besonders schwere Vergehen. Nun sind wir auf drei Punkte hochgegangen. Wir haben das mit dem Parlament immer wieder intensiv abgestimmt. Ich erinnere mich an ein langes Telefonat mit dem Kollegen Luksic; er schaut gerade her. (Heiterkeit – Zuruf von der FDP: So schnell geht das!) – So schnell geht das. Viele haben eine Änderung des Bußgeldkatalogs in Form von Erhöhungen gefordert. Gefordert wurden auch Maßnahmen zur Steigerung der Verkehrssicherheit, zum Beispiel mehr Kontrollen. Wir bekommen – das ist interessant – zwei Arten von Beschwerden: Wir bekommen Beschwerden über zu viele Kontrollen; wir bekommen aber auch Beschwerden über zu wenige Kontrollen. Je betroffener jemand ist – zum Beispiel wenn er an einer Durchgangsstraße wohnt –, desto mehr Kontrollen verlangt er. Das ist das Phänomen der mehreren Wahrheiten. Gefordert wurde auch, den Punkteabbau weiter zu ermöglichen. Auch hier haben wir reagiert. Ich könnte hier noch mehr ausführen zu Punkten, die von den Bürgerinnen und Bürgern unterstützt worden sind – ich weiß nicht, ob Sie das noch interessiert –; aber hier blinkt es rot. Ich breche an dieser Stelle ab. Vizepräsidentin Petra Pau: So ist das, Herr Minister. Trotzdem herzlichen Dank für die umfassende Beantwortung. Ich habe noch zwei Wortmeldungen zur Befragung der Bundesregierung, lasse die auch noch zu und werde das dann entsprechend unseren Regeln auf die Fragestunde anrechnen. – Die Kollegin Lühmann hat das Wort. Kirsten Lühmann (SPD): Herr Minister, ich muss noch einmal auf die Frage des Kollegen Kühn eingehen. Ich glaube, da gab es ein Missverständnis. Wenn ich den Kollegen Kühn richtig verstanden habe – wenn ich ihn falsch verstanden habe, stelle ich diese Frage –, ging es ihm nicht um ein Fahren mit verdecktem oder verdrecktem Kennzeichen, wie Sie es bei den Festumzügen erlebt haben – das kostet 10 Euro; das kann, glaube ich, jede Vereinskasse tragen –, sondern dem Kollegen Kühn ging es um Kennzeichenmissbrauch. Kennzeichenmissbrauch – wenn jemand an einem Fahrzeug, das nicht zugelassen ist, ein Kennzeichen anbringt, das den Anschein eines amtlichen Kennzeichens erweckt, oder wenn jemand an einem Fahrzeug, das zugelassen ist, ein anderes Kennzeichen anbringt – ist eine Straftat. Wenn ich nur das mache, dann ist das zwar eine Straftat, aber das zieht kein Fahrverbot nach sich. Ich tue das dann allerdings mit einer gewissen Intention. Diese Intention könnte eine andere Straftat sein. Vielleicht werde ich aber entdeckt, bevor ich diese andere Straftat, wie zum Beispiel Tanken, ohne zu bezahlen, oder Unfallflucht, begehe. Wenn ich also vor dieser anderen Straftat erwischt werde, dann habe ich nur die Straftat des Kennzeichenmissbrauchs begangen, wofür ich kein Fahrverbot und nach den von Ihnen jetzt vorgesehenen Regelungen auch keine Punkte bekommen würde. Halten Sie das bei einem so schweren Vergehen wie dem Kennzeichenmissbrauch für sinnvoll? Noch einmal: Es geht nicht um ein verdrecktes oder verdecktes Kennzeichen. Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich verstehe Sie schon. – Nein, das hielte ich in der Praxis natürlich für nicht gerechtfertigt. Deswegen steht es dem Gericht bei Vorliegen einer solchen Straftat, bei entsprechenden Erkenntnissen über eine solche Art von Vorsatz letztlich selbstverständlich frei, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Diese kann dann nur entsprechend den gegebenen Regelungen wiedererlangt werden, zum Beispiel durch das Ableisten eines Seminars oder möglicherweise durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung. (Kirsten Lühmann [SPD]: Das geht juristisch nicht, Herr Minister!) Vizepräsidentin Petra Pau: Auch diese Debatte müssen Sie anderswo fortsetzen. – Der Kollege Gustav Herzog hat noch eine Nachfrage. Das ist dann auch die letzte bei diesem Tagesordnungspunkt. Gustav Herzog (SPD): Herr Bundesminister, Sie haben in Ihren einleitenden Worten ja mit der Bürgerbeteiligung begonnen. Ich finde es gut, dass sich so viele Tausend Menschen über das Internet mit einer Eingabe an der Diskussion beteiligt haben. Sie haben im Frühjahr aber auch eine Hochglanzbroschüre herausgegeben. Dazu stelle ich meine Fragen – Sie können sie auch gerne schriftlich beantworten –: Wie viele Bürgerinnen und Bürger haben sich aufgrund der Hochglanzbroschüre an dem Diskussionsprozess beteiligt? Können Sie mir sagen, was die jeweiligen Instrumente, also die Schaltung im Internet und die Hochglanzbroschüre, gekostet haben? Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich habe damals die Eckpunkte dieser Reform vorgestellt. Entweder wollen wir Transparenz der Gesetzgebung oder wir wollen sie nicht. Gleichzeitig haben wir an dem Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung bei der Planung von Großvorhaben im Verkehrssektor gearbeitet. Ich wollte damit demonstrieren, dass wir auch in der Gesetzgebung Transparenz herstellen und die Möglichkeit breitester Bürgerbeteiligung garantieren wollen. Dazu, dass jetzt daran herumgekrittelt und gesagt wird, dass das zu teuer ist, kann ich nur sagen: Transparente Demokratie und Bürgerbeteiligung müssen ihr Geld auch wert sein. (Gustav Herzog [SPD]: Wie viel?) Ich stelle das ganz klar fest. Sie sind es vielleicht gewohnt, alles in die Schemata von Tarifverträgen hineinzupressen. Solche Dinge tue ich nicht. Es ist schlicht und einfach Erbsenzählerei, das zu einer Informationsbroschüre zu fragen, die übrigens keine Hochglanzbroschüre war, sondern ein einfaches Faltblatt, das mit minimalen Kosten hergestellt werden kann. Ich würde das sofort wieder tun. Dass es richtig war, zeigt die Tatsache, dass es uns regelrecht aus den Händen gerissen worden ist. Das war eine richtige Maßnahme und ist ein hervorragender Beitrag zur Bürgerbeteiligung. Ich bedanke mich für mein Haus und für die Bundesregierung bei allen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes, die von dieser Bürgerbeteiligung Gebrauch gemacht haben, und ich bedanke mich auch deshalb dafür, weil dadurch sehr viel praktisches Wissen in diese Gesetzgebung eingeflossen ist. (Ulrich Kelber [SPD]: Sie sind nach einer Zahl gefragt worden! Das ist eine Unverschämtheit gegenüber dem Parlament!) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich beende die Befragung der Bundesregierung. Danke, Herr Minister. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf: Fragestunde – Drucksache 17/11786 – Ich rufe die mündlichen Fragen auf Drucksache 17/11786 in der üblichen Reihenfolge auf. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann zur Verfügung. Bevor wir zu den Fragen kommen, mache ich darauf aufmerksam, dass es im Laufe des Nachmittags die Verständigung zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern gegeben hat, dass wir die Fragestunde auf maximal 60 Minuten begrenzen. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Sehr gut!) Die Fragen 1 und 2 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter sollen schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Uwe Beckmeyer auf: Warum hat sich der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, trotz öffentlicher Zusicherung nicht für die Umsetzung des Auftrages aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP eingesetzt, in den Bundeshaushalten für die Jahre 2012 und 2013 eine Direktzuweisung der Lkw-Maut an die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH, VIFG, vorzunehmen, und plant die Bundesregierung eine Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode? Bitte, Herr Staatssekretär. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beantworte die Frage wie folgt: Der Koalitionsvertrag sieht lediglich die Prüfung einer direkten Zuweisung der Einnahmen aus der Lkw-Maut an die VIFG vor. Feste Zeitvorgaben gibt es darin nicht. Die Prüfung ist abgeschlossen. Eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode erfolgt daraufhin nicht. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Uwe Beckmeyer (SPD): Kann die Bundesregierung Medienberichte bestätigen, wonach der Bund bereit ist, auf einen Teil seiner Schadenersatzforderungen gegenüber dem Betreiberkonsortium Toll Collect GmbH zu verzichten? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege, diese Presseberichte kann ich nicht bestätigen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Uwe Beckmeyer (SPD): Welche Bedingungen müssten aus Sicht der Bundesregierung erfüllt werden, um entsprechende Verabredungen mit den Beklagten zu erfüllen? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Da es um laufende Verhandlungen geht, kann ich darüber hier keine Auskunft geben. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zur Frage 4 des Kollegen Uwe Beckmeyer: Inwieweit teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass das sogenannte Mautmoratorium vor dem Hintergrund der inzwischen eingeführten Lkw-Maut auf vierspurigen Bundesstraßen nicht länger aufrechtzuerhalten ist, und wird das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung innerhalb der nächsten zehn Monate eine neue Verordnung zur Festsetzung der Höhe der Autobahnmaut für schwere Nutzfahrzeuge vorlegen, um Euro6-Fahrzeuge einzubeziehen und eine Internalisierung externer Kosten zu erreichen? Bitte, Herr Staatssekretär. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich beantworte die Frage wie folgt: Das Mautmoratorium bezieht sich darauf, die Lkw-Mautsätze in dieser Legislaturperiode nicht zu erhöhen, während die Einführung der Lkw-Maut auf vier- und mehrstreifigen Bundesstraßen als eine Ausweitung des mautpflichtigen Streckennetzes anzusehen ist. Diese Strecken besitzen einen autobahnähnlichen Ausbaustandard und unterliegen denselben Mautsätzen wie Autobahnen, sodass das Mautmoratorium auch weiterhin Bestand hat. Nach Vorlage der relevanten Ergebnisse des in Arbeit befindlichen neuen Wegekostengutachtens ist vorgesehen, neue Mautsätze mit Gültigkeit ab Oktober 2013 noch in dieser Legislaturperiode zu beschließen. Euro-6-Fahrzeuge sollen Bestandteil dieser Regelung sein, eine Internalisierung externer Kosten hingegen nicht. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur Nachfrage. Uwe Beckmeyer (SPD): Herr Staatssekretär, ist der Abschluss des Schiedsverfahrens zwischen Bund und Toll Collect nach Einschätzung der Bundesregierung die Voraussetzung dafür, dass der Bund Anteile an dem Unternehmen an neue Gesellschafter verkaufen kann? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Der Abschluss des Schiedsverfahrens hängt vor allem davon ab, dass wir erst einmal einen Vorsitzenden des Schiedsgerichts bekommen, nachdem der bisherige Vorsitzende ausgefallen ist. Von daher kann man den Abschluss dieses Schiedsverfahrens noch nicht absehen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Uwe Beckmeyer (SPD): Herr Staatssekretär, wann soll die Beratergruppe Maut 2015 erste Ergebnisse vorlegen? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Die Beratergruppe Maut wird bis dahin nichts vorlegen. Vielmehr haben wir bereits ein Wegekostengutachten in Auftrag gegeben, das in der ersten Hälfte 2013 vorgelegt werden soll. Daraufhin werden die Mautsätze neu berechnet und dementsprechend umgesetzt. Von einem Zeitpunkt 2015 kann hier keine Rede sein. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zur Frage 5 des Kollegen Martin Burkert: Warum hat sich der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, trotz öffentlicher Zusicherungen nicht für die Umsetzung des Auftrags des Koali-tionsvertrags, die rechtlichen Voraussetzungen für eine begrenzte Kreditfähigkeit der VIFG zu schaffen, eingesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird (vergleiche Koalitionsvertrag, Seite 35)? Bitte, Herr Staatssekretär. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich beantworte die Frage wie folgt: Der Koalitionsvertrag sieht die Prüfung der Kreditfähigkeit der VIFG vor. Ein Auftrag zu ihrer Herstellung oder feste Zeitvorgaben sind damit nicht verbunden. Die Einführung einer Kreditfähigkeit der VIFG in dieser Legislaturperiode wird nicht erfolgen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Martin Burkert (SPD): Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung überhaupt irgendwelche Maßnahmen ergriffen, wie in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, um die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft weiterzuentwickeln? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Wir befinden uns in einem ständigen Dialog mit der Gesellschaft. Wir halten ihre Arbeit für ausgezeichnet und unterstützen sie nachdrücklich. Vizepräsidentin Petra Pau: Die zweite Nachfrage. Martin Burkert (SPD): Ich frage nach: Welche Rolle wird die VIFG im Rahmen der Planungen für den Bundesverkehrswegeplan 2015 spielen? Spielt sie überhaupt eine Rolle? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Die Erstellung des Bundesverkehrswegeplans wird durch die Länder, die DB Netz AG sowie die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und natürlich durch unser Haus bestimmt. Die VIFG hat dabei keine spezifische Aufgabe. Vizepräsidentin Petra Pau: Damit kommen wir zur Frage 6 des Kollegen Martin Burkert: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, eine rechtliche Voraussetzung für die Finanzierung nichtbundeseigener Eisenbahn-infrastruktur für die Einbindung in das Schienengüterfernverkehrsnetz zu schaffen, nicht umgesetzt, und auf welcher Grundlage sollen die vom Bundeshaushaltsgesetzgeber für das Jahr 2013 bereits zur Verfügung gestellten Mittel vergeben werden? Bitte, Herr Staatssekretär. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich bin dem Kollegen Burkert sehr dankbar für diese Frage, die ich wie folgt beantworte: Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung setzt den Auftrag des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und FDP um. Die Ressortabstimmung und die Anhörung der Länder und Verbände zu einem entsprechenden Gesetzentwurf sind eingeleitet. Das Gesetzesvorhaben schafft die Grundlage für die Vergabe der Mittel, die der Bundeshaushaltsgesetzgeber für das Jahr 2013 zur Verfügung gestellt hat. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur Nachfrage. Martin Burkert (SPD): Vielen Dank. – Welche Bewertungskriterien werden für die Förderung dieser nichtbundeseigenen Eisenbahnstrecken angesetzt, und wann ist konkret mit einem ersten Mittelabfluss zu rechnen? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Mit einem Mittelabfluss ist, wenn der Gesetzentwurf durch dieses Hohe Haus verabschiedet wird, im Jahr 2013 zu rechnen. Als Förderkriterium gilt, dass es sich um Strecken handelt, bei denen Investitionen in die In-frastruktur vorgenommen werden. Dabei muss es sich um Schienengüterfernverkehr handeln. Dieser ist definiert als Verkehr auf einer Strecke von mindestens 50 Kilometern. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Martin Burkert (SPD): Werden bei diesen Güterfernverkehrsstrecken nur Eigentümer dieser Strecken anspruchsberechtigt sein, oder ist es auch möglich, dass Pächter diese Mittel beantragen können? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Wir haben in dem Gesetzentwurf vorgesehen, dass Antragsteller immer die Eigentümer der jeweiligen In-frastruktur sein müssen. Das ergibt sich logischerweise daraus, dass nur sie die Investitionen rechtssicher vornehmen können. Die Maßnahmen werden dann eingereicht und von uns mit 50 Prozent bezuschusst. Das lässt den Ländern die Möglichkeit, eine eigene Regelung über die anderen 50 Prozent zu schaffen. Da wollen wir nicht eingreifen. Wir beziehen uns nur auf die bundesseitige Förderung. Sie wird für solche Strecken bei 50 Prozent liegen. Vizepräsidentin Petra Pau: Damit kommen wir zur Frage 7 des Kollegen Florian Pronold: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, eine ertragsoptimierte Privatisierung der Transport- und Logistiksparten der Deutschen Bahn AG schrittweise einzuleiten, trotz persönlicher Zusicherung nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass dies in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich beantworte die Frage nach der Kapitalprivatisierung wie folgt: Die Voraussetzungen für eine solche -Kapitalprivatisierung sind derzeit nicht gegeben. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Florian Pronold (SPD): Herr Staatssekretär, gibt es Pläne der Bundesregierung oder der sie tragenden Fraktionen zu einer solchen Kapitalprivatisierung, wie man aus manchen Andeutungen in den Medien schließen kann? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Solche Medienberichte kann ich nicht bestätigen. Im Übrigen sollten wir uns in der Politik nicht auf Medienberichte fokussieren. Ich kann nur feststellen: Solche Bestrebungen gibt es derzeit nicht. Vizepräsidentin Petra Pau: Zweite Nachfrage? – Sie verzichten. Dann kommen wir zur Frage 8 des Kollegen Florian Pronold: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, bei der Deutschen Bahn AG Doppelmandate bei der Holding und den Infrastrukturgesellschaften auszuschließen, trotz öffentlicher Zusicherung nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass dies in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird? Bitte, Herr Staatssekretär. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Frage der Doppelmandate ist Teil des Vertragsverletzungsverfahrens zum ersten Eisenbahnpaket. Das Urteil steht noch aus. Anschließend wird die Bundesregierung das weitere Vorgehen prüfen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre erste Nachfrage. Florian Pronold (SPD): Sehen Sie es denn gerade in der aktuellen Debatte um Stuttgart 21, wo der Vorstand Dr. Kefer eine solche Doppelfunktion wahrnimmt, nicht als problematisch an, dass Sie für diese Trennung nicht gesorgt haben? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Dr. Kefer ist eine herausragende Persönlichkeit mit einer hohen Fachkompetenz, und deswegen sehe ich das als nicht problematisch an. Vizepräsidentin Petra Pau: Ich sehe, Sie haben nicht den Wunsch nach einer zweiten Nachfrage. Dann erlaube ich mir den Hinweis an die fragenden Kolleginnen und Kollegen und an die Mitglieder der Bundesregierung – wir haben uns im Präsidium gerade noch einmal vergewissert –: Wir haben die Regeln für die Fragestunde nicht geändert. Daraus folgt – das auch als Erklärung für diejenigen, die unsere Debatte hier verfolgen –, dass diejenigen, die fragen, und diejenigen, die antworten, sich zu diesem Zwecke erheben, sich also gegenüberstehen. Offensichtlich sind einige nach dem unüblichen Ablauf des heutigen Plenartags etwas erschöpft und haben diese Regel vergessen. Aber wir machen ab sofort so weiter. Die Frage 9 des Kollegen Hans-Joachim Hacker wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Ulrich Kelber auf: Wie bewertet die Bundesregierung das Modell für Lärmschutz, bei dem die Umrüstung von Güterwaggons auf lärmmindernde Bremssysteme neben gespreizten Trassenpreisen auch mit einem nahezu 100Prozent-Zuschuss gefördert wird, wie es beispielsweise in der Schweiz umgesetzt wird, und welche Konsequenzen erwartet die Bundesregierung daraus im Hinblick auf die ab 2020 in der Schweiz verbotenen Graugussbremsen auf den Schienengüterverkehr in Deutschland? Bitte, Herr Staatssekretär. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich antworte wie folgt: Die Bundesregierung hat mit dem Netzfahrplan 2012/2013 ein lärmabhängiges Trassenpreissystem eingeführt. Die Förderung des Bundes in Höhe von maximal 152 Millionen Euro über acht Jahre für die Umrüstung von Bestandsgüterwagen auf lärm-arme Verbundstoffbremssohlen unterliegt der beihilferechtlichen Genehmigung durch die EU-Kommission. Die von der Schweiz geleistete Förderung kann daher nicht in gleicher Weise von einem EU-Mitgliedstaat gewährt werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass bis 2020 etwa 80 Prozent der Bestandsgüterwagen umgerüstet sein werden. Das von der Schweiz beabsichtigte faktische Verbot der Graugusssohle ab 2020 schafft einen zusätzlichen Anreiz zur Umrüstung. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Ulrich Kelber (SPD): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Aufgrund welcher Erkenntnisse geht die Bundesregierung davon aus, dass 80 Prozent der Güterwaggons bis 2020 umgerüstet sein werden? Die derzeitige Umrüstungsgeschwindigkeit – auch aufgrund eines Zuschusses, der sich im Vergleich zur Schweiz im Promillebereich bewegt – lässt eher eine Fertigstellung der Umrüstung im Jahr 2200 vermuten. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Die Zahlen sind Bestandteil unseres Lärmschutz-programms. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Ulrich Kelber (SPD): Auf welcher Grundlage kommt man mit Blick auf das Lärmschutzprogramm zu der Ansicht, dass die Geschwindigkeit der Umrüstung der Güterwaggons unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Zuschuss der Bundesregierung im Vergleich zum Schweizer -Programm nur im Promillebereich bewegt, derartig zunimmt, dass die Umrüstung bis 2020 80 Prozent der Waggons umfasst und nicht erst – hochgerechnet – im Jahr 2200 endet? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Wir gehen davon aus, Herr Kollege, dass alle, die Eisenbahngüterverkehr betreiben bzw. ihn steigern wollen – eine solche Steigerung ist das erklärte Ziel der Bundesregierung –, ein Interesse daran haben, die Akzeptanz des Schienengüterfernverkehrs zu erhöhen. Dafür sind Verbesserungen am Rad-Schiene-System notwendig. Deswegen gehen wir davon aus, dass wir mindestens 80 Prozent erreichen werden. Vizepräsidentin Petra Pau: Dazu hat nun der Kollege Gustav Herzog eine Nachfrage. Gustav Herzog (SPD): Herr Staatssekretär, welches Interesse soll nach Ihrer Meinung ein Wageninhaber bei einem Aufschlag auf den Trassenpreis von 1 Prozent und deutlich erhöhten Betriebskosten haben, schon jetzt umzurüsten? Warum sollte er mit der Umrüstung nicht bis kurz vor 2020 warten? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege, das gilt sicherlich für die K-Sohle in besonderem Maße, weil die Kosten hier höher sind als bei der LL-Sohle. Wir gehen davon aus, dass ab 2013 die LL-Sohle genehmigt wird, sodass wir sie einsetzen lassen können. Dann werden die Kosten wesentlich geringer sein. Das heißt, der Anreiz für eine Umrüstung wird wesentlich höher sein. Vizepräsidentin Petra Pau: Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Ulrich Kelber auf: Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung unternommen, um ein EU-weites Umrüstprogramm für laute Güterwaggons zu erreichen, um damit den Schienenlärm bis 2020 zu halbieren? Bitte, Herr Staatssekretär. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat sich im Rahmen der Erarbeitung der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraumes sowie auf Arbeitsebene wiederholt für die einheitliche Handhabung von lärmabhängigen Trassenpreissystemen eingesetzt, um Anreize für die Umrüstung lauter Güterwagen zu schaffen. Hinsichtlich eines faktischen Verbots der lauten Graugussbremssohlen wirbt die Bundesregierung für eine EU-weite Regelung schon ab 2013, die möglichst zeitnah wirksam werden soll. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Ulrich Kelber (SPD): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Ihre Antwort hat nicht ganz zu meiner Frage gepasst. In meiner Frage geht es um ein Umrüstprogramm, aber nicht um ein einheitliches System für Trassenpreise, auch nicht um einheitliche Grenzwerte für neue Güterwaggons und auch nicht um ein entsprechendes Verbot. Ich frage daher nach: Gibt es einen konkreten Zeitpunkt, zu dem die Bundesregierung bei der Europäischen Kommission in Brüssel für ein europäisches Umrüstprogramm geworben hat, bei dem es dann die von Ihnen bei der Beantwortung meiner letzten Frage erwähnten beihilferechtlichen Probleme nicht geben würde? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: In einer ganzen Reihe von Gesprächen hat die -Bundesregierung darauf gedrungen, dass es zu einem Programm kommt. Bis zum heutigen Tage ist darüber -jedoch noch nicht entschieden. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Ulrich Kelber (SPD): Ich komme auf meine Frage zurück. Bitte nennen Sie mir konkret einen Anlass, bei dem die Bundesregierung diesen Wunsch in Brüssel vorgebracht hat, damit ich diesen Zeitpunkt prüfen kann. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Damit Sie es intensiv prüfen können, werde ich diese Frage schriftlich beantworten. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Gustav Herzog stellt noch eine Nachfrage. Gustav Herzog (SPD): Ich stelle eine weitere Frage zu Europa, Herr Staatssekretär. Die Kommission hat vorgeschlagen, das Beihilferegime kurzfristig nicht zu genehmigen, und Sie mussten umplanen. Können Sie mir sagen, auf welcher Ebene die Verhandlungen mit der Kommission geführt worden sind? Waren der Minister persönlich oder Sie als zusätzlicher Parlamentarischer Staatssekretär im Einsatz? Wie wichtig hat die Bundesregierung das Thema, auch was den persönlichen Einsatz betrifft, genommen? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich weiß nicht, ob ich „zusätzlich“ bin, aber auf jeden Fall ist von allen Ebenen hierauf Einfluss genommen worden. (Gustav Herzog [SPD]: Auch vom Minister?) Vizepräsidentin Petra Pau: Wir bleiben beim Kollegen Gustav Herzog. Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Gustav Herzog auf: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, „die … verstärkte Berücksichtigung der Bundeswasserstraßen bei der Verteilung von Investitionsmitteln fortsetzen“ zu wollen, nicht umgesetzt und die Mittel für den Ausbau und Erhalt von Bundeswasserstraßen im Vergleich zum Jahr 2009 gesenkt (vergleiche Koalitionsvertrag, Seite 39)? Bitte, Herr Staatssekretär. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Der Koalitionsvertrag wurde im Hinblick auf die Entwicklung der Investitionen im Bereich der Bundeswasserstraßen umgesetzt. Die Ansätze der in den Kapiteln 1203 und 1202 veranschlagten Investitionen liegen seit 2009 rund 10 Prozent über den Ansätzen von 2008 und sind seitdem auf dem verstärkten Niveau gehalten worden. Die bereitgestellten Mittel für Ausbau und Erhalt der Bundeswasserstraßen stiegen in diesem Zeitraum sogar von 590 Millionen Euro auf im Mittel gleichbleibend rund 780 Millionen Euro. Die Entwicklung der Soll-ansätze für die Wasserstraßeninvestitionen ist einer Tabelle zu entnehmen, auf die ich hinweisen möchte. Ich kann die einzelnen Zahlen vorlesen, wenn der Kollege Herzog es wünscht. – Ich sehe, der Kollege wünscht das. 2008 standen für Investitionen insgesamt 800 Millionen Euro zur Verfügung, für Um-, Aus- und Neubau sowie Erhaltung 590,159 Millionen Euro. 2009 standen für Investitionen 889,800 Millionen Euro zur Verfügung, für Um-, Aus- und Neubau sowie Erhaltung 783,331 Millionen Euro. 2010 standen für Investitionen 863,526 Millionen Euro zur Verfügung, für Um-, Aus- und Neubau sowie Erhaltung 743,555 Millionen Euro. 2011 waren es für Investitionen 878,217 Millionen Euro, für Um-, Aus- und Neubau sowie Erhaltung 786,977 Millionen Euro. 2012 standen für Investitionen insgesamt 882,200 Millionen Euro zur Verfügung, für Um-, Aus- und Neubau sowie Erhaltung 795,661 Millionen Euro. Im Mittelwert der Jahre – das dürfte für die Diskussion interessant sein – sind Investitionen von insgesamt 878,436 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden, für Um-, Aus- und Neubau sowie Erhaltung 777,381 Millionen Euro. Zusätzlich wurden 2009 bis 2011 aus dem Konjunkturprogramm I insgesamt 430 Millionen Euro und aus dem Konjunkturprogramm II weitere 350 Millionen Euro bereitgestellt. Des Weiteren werden ab 2012 aus dem Infrastrukturbeschleunigungsprogramm I mit einem Ansatz von 1 000 Millionen Euro für den Neubau der fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel 300 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Außerdem sind im Infrastrukturbeschleunigungsprogramm II, das heute vom Haushaltsausschuss genehmigt wurde, für Bundeswasserstraßenvorhaben 140 Millionen Euro mit Fälligkeit in den Jahren 2013 und 2014 eingeplant. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Gustav Herzog (SPD): Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die präzise -Beantwortung. – Die aufstockenden Mittel aus den Konjunkturprogrammen I und II haben wir gemeinsam -beschlossen, und zwar in einer schwierigen Zeit. Jetzt haben Sie die zusätzlichen Mittel angesprochen, die noch on top kommen. Halten Sie es für hilfreich für die Planung und Umsetzung von Baumaßnahmen im Wasserstraßenbereich, wenn immer um Weihnachten herum der Bundesminister um zusätzliches Geld nachsucht, er es bekommt und dann geschaut wird, wo man es investieren kann? Wäre es nicht besser, die Mittel langfristig zu erhöhen? Ich bin für die Mittel für Brunsbüttel und freue mich über die Mittel für die Moselschleuse. Teilen Sie meine Auffassung, dass hier – bei Bauprojekten, deren Planung und Umsetzung Jahre dauern – eine langfristige Aufstockung wesentlich besser wäre? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Die Bitte des Ministers hat nichts mit Weihnachten zu tun, sondern hängt einfach damit zusammen, dass in diesem Zeitraum die Haushaltsplanberatungen laufen und somit entsprechende Beschlüsse und deren Umsetzung anstehen. Sicher ist es gut, dass wir zusätzliche Mittel bekommen haben. Wir freuen uns sehr darüber. Ich freue mich auch sehr, dass Sie uns dabei unterstützen und sich ebenfalls freuen, dass wir die Schleusenreparatur in Trier ebenso wie die in Brunsbüttel und viele andere Maßnahmen finanzieren können. Insgesamt muss man sagen: Für ein Bauressort, für ein Verkehrsressort ist es immer sinnvoll, über viele Jahre einen Plafond für die Mittel zu haben und diesen Plafond anzuheben. Sie wissen, dass sowohl der Minister als auch ich uns seit vielen Jahren dafür einsetzen, diesen Mittelansatz insgesamt zu erhöhen. Vizepräsidentin Petra Pau: Wie ich sehe, verzichten Sie auf die zweite Nachfrage, Herr Herzog. Dann kommen wir zur Frage 13 des Kollegen Gustav Herzog: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, ein Gesetz zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vorzulegen, noch nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird (vergleiche Koalitionsvertrag, Seite 39)? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Für die im 5. Bericht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zur Reform der WSV des Bundes genannten organisatorischen Veränderungen ist kein WSV-Reformgesetz erforderlich. Die WSV-Reform ist damit in dieser Legislaturperiode nach Beschluss des Verkehrsausschusses und des Haushaltsausschusses umgesetzt. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre erste Nachfrage, Herr Herzog. – Sie verzichten. Dann kommen wir schon zur Frage 14 der Kollegin Kirsten Lühmann: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, eine gesetzliche Initiative zur Präzisierung des Luftverkehrsgesetzes mit dem Ziel, international wettbewerbsfähige Betriebszeiten sicherzustellen, vorzulegen, trotz öffentlicher Zusicherung nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird (vergleiche Koalitionsvertrag, Seite 38)? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Der Lärmschutz der Bevölkerung, insbesondere in der Nacht, hat für die Bundesregierung einen hohen Stellenwert. Zu den nachteiligen Auswirkungen des Flugverkehrs gehören leider auch Lärmbelastungen. Wichtig ist, dass im Umgang mit Lärm auf den größtmöglichen Ausgleich aller Interessen gesetzt wird und dass bestmög-liche Kompromisse und Lösungen gefunden werden. -Insoweit hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wichtige Hinweise zur Anwendung des Luftverkehrsgesetzes gegeben. Die Bundesregierung hat zur Kenntnis genommen, dass hiernach auch weiterhin in Deutschland Nachtflüge grundsätzlich zugelassen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies jedoch wegen der betroffenen Lärmschutzinteressen der Flughafenanwohner mit einem gesteigerten Rechtfertigungszwang verbunden. Es muss hiernach ein über das allgemeine Verkehrsbedürfnis deutlich hinausgehender gesteigerter Bedarf für die Durchführung von Nachtflügen dargelegt werden, differenziert nach Kernstunden und Randstunden der Nacht. Angesichts dieser klaren Darlegung des Gerichts sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit einer Präzisierung des Luftverkehrsgesetzes. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Kirsten Lühmann (SPD): Das nehme ich zur Kenntnis. – Was sagt die Bundesregierung zu den Wünschen der Luftverkehrswirtschaft? Die Luftverkehrswirtschaft weist nämlich darauf hin, mit der bestehenden Regelung habe sie keine ausreichende Planungssicherheit. Sie wünscht sich von der Bundesregierung, dass sie diese Planungssicherheit wieder bekommt. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin, Planungssicherheit haben wir. Es gibt hier ein Gerichtsurteil. Das haben wir umzusetzen und zu beachten. Von daher gibt es eigentlich keine offenen Fragen. Vizepräsidentin Petra Pau: Haben Sie eine zweite Nachfrage? Kirsten Lühmann (SPD): Nein. – Das sieht die Wirtschaft anders. Also müssen wir das so stehen lassen. Ich stelle fest, dass wir das unterschiedlich sehen. Vizepräsidentin Petra Pau: Gut. – Dann kommen wir zur Frage 15 der Kollegin Lühmann: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, eine weitere Entbüro-kratisierung der Fahrzeugzulassung zu prüfen und über eine Neuregelung im Sinne eines Onlinezulassungsverfahrens zu entscheiden, trotz öffentlicher Zusicherung noch nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird (vergleiche Koalitionsvertrag, Seite 40)? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat entsprechend der Vereinbarung im -Koalitionsvertrag mehrere Rechtsvorschriften verabschiedet, die der Entbürokratisierung der Fahrzeugzulassung dienen, darunter die Ermöglichung landesrechtlicher Ausnahmen von der Fahrzeug-Zulassungsverordnung – das ist die Verordnung zur landesrechtlichen Regelung von Ausnahmen von der Fahrzeug-Zulassungsverordnung vom 24. November 2010 – und die Verordnung zur Verringerung von Meldepflichten. Außerdem wurden, wie ebenfalls im Koalitionsvertrag erwähnt, die Pilotverfahren des Onlinezulassungsverfahrens fortgesetzt und durch das Statistische Bundesamt auf ihre Entlastungswirkung für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung überprüft. Das steht in der Studie Einfacher zur Fahrzeugzulassung des Statis-tischen Bundesamtes von September 2011. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass für die bundesweite Einführung entsprechender Lösungen keine weiteren Änderungen von Rechtsvorschriften erforderlich sind. Da den Ländern die Ausführung des Zulassungsrechts als eigene Angelegenheit obliegt, wurde ihnen empfohlen, die Schlussfolgerungen im praktischen Verwaltungsvollzug umzusetzen. Darüber hinaus wird das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf der Grundlage der Ergebnisse der Projektgruppe „Kfz-Wesen“ einen Vorschlag für weiter gehende Regelungen für die internetbasierte Zulassung erarbeiten. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur Nachfrage. Kirsten Lühmann (SPD): Bis zur Vorlage dieses Vorschlags habe ich keine weitere Nachfrage. Vizepräsidentin Petra Pau: Dann kommen wir zur Frage 16 des Kollegen Sören Bartol: Warum hat sich Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer trotz öffentlicher Zusicherungen nach drei Jahren nicht für eine Umsetzung des Auftrags des Koalitionsvertrags, bis Mitte der Legislaturperiode über die Höhe der Finanzausstattung für die ehemalige Gemeindeverkehrsfinanzierung bis 2019 zu entscheiden, eingesetzt, und wird die Bundesregierung die Finanzausstattung auf dem bisherigen Niveau fortführen oder erhöhen? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Die Antwort lautet wie folgt: Im Zuge der Beratungen zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrages haben Bund und Länder vereinbart, dass eine Entscheidung über die Höhe der vom Bund für den Zeitraum 2014 bis 2019 zur Aufgabenerfüllung der Länder zu zahlenden Kompensation nach Art. 143 c des Grundgesetzes, so-genannte Entflechtungsmittel, zum Beispiel zur Verbesserung der kommunalen Verkehrsverhältnisse, im Herbst dieses Jahres erfolgt. Der Bund hat in verschiedenen Gesprächen Bereitschaft zu einer Verständigung signalisiert; eine Einigung mit den Ländern konnte dennoch bislang nicht erfolgen. Die Gespräche unter Federführung des BMF werden fortgesetzt. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur Nachfrage. Sören Bartol (SPD): Erst einmal vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Frage. Sie haben sie allerdings nicht ganz beantwortet. Ich habe ja auch gefragt, welches Niveau Sie anstreben. Meine Nachfrage: Halten Sie es für ausgeschlossen, dass in den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss im Ergebnis eine Fortführung der Mittel auf dem bisherigen Niveau bis 2019 beschlossen wird, und sehen Sie nicht auch die Gefahr, dass im Moment Projekte, die notwendig sind, jetzt auf die lange Bank geschoben werden, weil nichts vorangeht? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Im Vermittlungsausschuss liegt dazu bisher nichts. Aber es gibt Verhandlungen zwischen Bund und Ländern. In der Tat ist es so, dass wir uns wünschen, möglichst schnell zu einem Abschluss zu kommen, weil Planungs- und Investitionssicherheit für die Länder und für die Kommunen gegeben sein müssen. Deswegen drängen wir sehr stark auf einen schnellen Abschluss der Verhandlungen. Vizepräsidentin Petra Pau: Nachfrage? – Sie verzichten auf die zweite Nachfrage. Dann kommen wir gleich zu Ihrer Frage 17, Kollege Bartol: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer trotz gegenteiliger öffentlicher Zusicherung den Auftrag des Koalitionsvertrags, dass „die Städtebauförderung … auf bisherigem Niveau“ fortgeführt wird, nicht umgesetzt und seit 2009 die Fördermittel kontinuierlich zusammengestrichen (vergleiche Koalitionsvertrag, Seite 41)? Bitte, Herr Staatssekretär. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich beantworte die Frage wie folgt: Der Bund hat für die Städtebauförderung im Jahr 2009 Finanzhilfen in Höhe von rund 570 Millionen Euro bereitgestellt, im Jahre 2010 in Höhe von rund 535 Millionen Euro und in den Jahren 2011 und 2012 in Höhe von jeweils 455 Millionen Euro. Im Jahr 2013 werden im dritten Jahr in Folge wiederum 455 Millionen Euro bereitgestellt werden. Die Annahme des Fragestellers, dass die Fördermittel kontinuierlich zusammengestrichen worden sind, trifft somit offensichtlich nicht zu. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur Nachfrage. Sören Bartol (SPD): Lieber Herr Staatssekretär, das ist offensichtlich eine falsche Antwort. Natürlich haben Sie die Mittel für die Städtebauförderung gekürzt; das wissen Sie. Sie können nicht Mittel dazurechnen, die nicht in die Systematik der Städtebauförderung gehören. Deswegen bitte ich Sie, Ihre Antworten präziser zu fassen. Konkrete Nachfrage. Sie wissen, dass gerade die Mittel für das Programm „Soziale Stadt“ massiv gekürzt worden sind. Wie bewerten Sie die Kritik der Städte und Kommunen, dass gerade durch Ihre Kürzungspolitik Projekte vor Ort jetzt eingestellt werden müssen oder neue Projekte erst gar nicht begonnen werden können? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geschätzter Herr Kollege, die Mittel – ich habe sie genannt – sind nicht gekürzt worden, sondern fortgeschrieben worden, zumindest für die Jahre 2011, 2012 und 2013. Richtig ist, dass innerhalb des Programms Ansätze erhöht worden sind und Ansätze gekürzt worden sind. Dass bei erhöhten Ansätzen natürlich immer große Freude bei betroffenen Kommunen und Ländern herrscht, ist klar. Wo Kürzungen vorgenommen werden müssen, ist Kritik da; das ist auch klar. Aber im Endeffekt stehen insgesamt die Mittel zur Verfügung, die wir vorgesehen haben, auch wieder für den Haushalt 2013. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Sören Bartol (SPD): Lieber Kollege Staatssekretär, Sie sind ja nicht ganz so leicht zu fassen. Ich glaube, Ihre Regierungszeit begann schon etwas früher, und da waren die Mittel höher. Das war auch in der Frage so angelegt, nämlich: seit 2009. Seitdem sind die Mittel nicht auf der gleichen Höhe geblieben. Sie können jetzt gern noch einmal versuchen, das zu präzisieren. Wie bewerten Sie denn den Umstand, dass der Haushaltsausschuss in seinen Beratungen in der Bereinigungssitzung die Mittel für das Programm „Soziale Stadt“ um weitere 10 Millionen Euro gekürzt hat, und was sagen Sie den Leuten vor Ort? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Der Bundesregierung steht es nicht zu, dem Hohen Haus irgendwelche Vorgaben zu machen und Bewertungen abzugeben. Natürlich habe ich meine persönliche Meinung; die spielt hier aber keine Rolle. Wenn das Hohe Haus eine solche Vorgabe macht und das im Haushalt so beschlossen wird, haben wir als Regierung das zu akzeptieren und auszuführen. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Lühmann hat noch eine Nachfrage. Kirsten Lühmann (SPD): Herr Staatssekretär, ich finde es bemerkenswert, wie Sie den Parlamentarismus erklärt haben. Meine Frage ist: Was hat denn die Bundesregierung getan und welche Argumente hat sie dem Haushaltsausschuss vorgelegt, damit dieser die Kürzungen nicht beschließt? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Wir haben einen Haushaltsentwurf gemacht, auf dessen Grundlage dann die Beratungen begonnen haben. Während der Beratungen haben wir immer wieder für unsere Position geworben; wir haben den Beschluss aber so hinzunehmen, wie er gefasst worden ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Fragen 18 und 19 der Kollegin Gottschalck wie auch die Frage 20 des Kollegen Hacker und die Frage 21 der Kollegin Kumpf werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Michael Groß auf: Wie viele Brückenbauwerke bundesweit an Bundesfernstraßen sind dem Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer bekannt, die konkret zurzeit gesperrt sind bzw. drohen innerhalb eines Jahres gesperrt zu werden (bitte konkret benennen)? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Bauwerksprüfungen von Brücken im Zuge von Bundesfernstraßen werden im Rahmen der Auftragsverwaltung durch die Länder durchgeführt. Der Zustand wird kontinuierlich, systematisch und umfassend geprüft. Die sich daraus ergebenden Bauwerks- und Zustandsdaten werden jährlich jeweils zum 1. März und zum 1. September durch die Länder an die Bundesanstalt für Straßenwesen geliefert, die auf dieser Basis jeweils eine aktuelle Auswertung erstellt. Entsprechende statistische Auswertungen werden in der Regel auch in den Verkehrsinvestitionsbericht aufgenommen. Diese Daten sind jedoch nicht tagesaktuell. Dem Bundesministerium sind keine konkreten Zahlen zu zurzeit gesperrten Brücken bzw. zu Brücken, bei denen innerhalb eines Jahres eine Sperrung droht, bekannt. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Michael Groß (SPD): Ist es richtig, dass Sie speziell die Länder vor zwei Jahren aufgefordert haben, Problembrücken aufzuzeigen und Ihnen zu melden? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Das ist richtig. Michael Groß (SPD): Aber anscheinend gibt es darüber keine Liste, die aktuell verwendbar ist. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Doch, es gibt diese Listen, die aktuell verwendbar sind. Diese können Sie auch einsehen. Vizepräsidentin Petra Pau: Damit kommen wir zur Frage 23 des Kollegen Groß: Welche kurzfristigen Lösungen bietet Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer in Zusammenarbeit mit den Bundesländern an, um dem Problem gesperrter Bundesfernstraßenbrücken, den damit zusammenhängenden Staus, dem Verkehrschaos sowie der in diesem Zusammenhang stehenden stärkeren Belastung von Ausweichstrecken zu begegnen? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich gebe dazu folgende Antwort: Bei Brückensperrungen ist zu unterscheiden zwischen geplanten Maßnahmen, um zum Beispiel Brückensanierungsarbeiten durchzuführen, und kurzfristig erforderlichen Maßnahmen, zum Beispiel aufgrund von Unfallschäden oder plötzlich auftretenden Brückenschäden. Soweit Brückensperrungen im Rahmen von Sanierungsarbeiten, wie zum Beispiel einer Deckenerneuerung oder dem Austausch von Farbe an Übergängen, erforderlich sind, erfolgt selbstverständlich durch die zuständige Landesstraßenbauverwaltung eine Abstimmung zu Art, Umfang und Dauer der Maßnahme, wobei auch die möglichen Umleitungsstrecken einbezogen werden. Bei kurzfristig erforderlichen Brückensperrungen, die jedoch relativ selten sind, sind derartige Abstimmungen in der Regel nicht im Voraus möglich, da jeweils die -aktuelle regionale und bei weiträumigen Umleitungen auch überregionale Verkehrssituation einzubeziehen ist. Grundsätzlich erfolgen aber eine kurzfristige Berücksichtigung im Verkehrsfunk sowie im Rahmen der Straßenverkehrstelematik und eine entsprechende Beschilderung. Gegebenenfalls sind auch kurzfristige Anpassungen im Netz, zum Beispiel durch Ummarkierungen in Knotenpunkten oder bei Anschlussstellen, von den Landesstraßenbauverwaltungen zu prüfen. In relativ kurzer Zeit kann in begrenztem Umfang auch Festbrückengerät mit Spannweiten von bis zu 80 Metern als provisorisches Ersatzbauwerk zum Einsatz kommen. Ein Beispiel hierfür ist die Brücke Dormagen für die A 57 nach dem Brandschaden. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre erste Nachfrage, bitte. Michael Groß (SPD): Jetzt war zu lesen, dass einer Ihrer Staatssekretäre in NRW mit einem Schutzhelm unterhalb einer Brücke – Stichwort: Sperrung A 1 – unterwegs war und zugesagt hat, dem Land Nordrhein-Westfalen 1 Million Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Avisieren Sie jetzt jedem Land zusätzlich 1 Million Euro für die Planung neuer Brücken? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Wenn Schäden auftreten und gehandelt werden muss, ist das Ministerium jederzeit in der Lage – egal, in welchem Bundesland und auf welcher Autobahn oder Bundesstraße –, Hilfestellung auch finanzieller Art zu geben. Wir sind dafür verantwortlich, dass der Verkehrsfluss gewährleistet ist. Bei der Brücke in Leverkusen, die Sie ansprechen, geht es darum, Ermittlungen darüber anzustellen, ob die Brücke in Zukunft standsicher ist und ob sie auch für den Schwerlastverkehr wieder freigegeben werden kann, was dafür gemacht werden muss bzw. welche Notwendigkeiten bestehen. Das soll sehr kurzfristig geschehen. Daneben sollen Planungen aufgenommen werden für den Ersatzbau dieser Brücke. Ich finde es nur richtig und gut, dass sowohl die Auftragsverwaltung des Landes NRW als auch das Bundesverkehrsministerium sich schnell darauf verständigt haben, die erforderlichen Mittel bereitzustellen, um einen zügigen Ablauf zu gewährleisten. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Michael Groß (SPD): Das heißt, Sie haben ein Konzept, das Sie verfolgen, und Sie wissen genau, welche Brücken demnächst saniert werden müssen. Stehen die notwendigen Haushaltsmittel auch zur Verfügung? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Im Rahmen der Mittel, die wir den Ländern zuweisen, stehen auch Mittel für die Brückensanierung – auch für den Ersatzneubau – zur Verfügung. Jedoch würden wir gerne mehr Geld einsetzen, weil wir die zunehmende Problematik sehen. Die Brücken sind zum Teil aus den 60er-, 70er-Jahren und nicht für den heutigen Schwerlastverkehr ausgelegt. Deswegen müssen wir an vielen Stellen noch zusätzliche Maßnahmen vornehmen, die eigentlich so nicht eingeplant waren, für die wir aber das Geld dann bereitstellen werden. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Fragen 24 und 25 des Kollegen Kühn werden schriftlich beantwortet, wie auch die Frage 26 der Kollegin Brugger und die Frage 27 der Kollegin Behm. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. – Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche zur Verfügung. Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Gerd Bollmann auf. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Der ist aber nicht da. Vizepräsidentin Petra Pau: Dann verfahren wir mit Frage 28 und auch mit Frage 29 des Kollegen Bollmann, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Fragen 30 und 31 der Kollegin Kofler sollen schriftlich beantwortet werden, wie auch die Fragen 32 und 33 des Kollegen Ott. Die Fragen 34 und 35 der Kollegin Paus werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich schaue einmal: Auch der Kollege Schwabe ist nicht im Saal. Dann verfahren wir mit den Fragen 36 und 37 des Kollegen Schwabe, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Fragen 38 und 39 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl sollen schriftlich beantwortet werden. Damit, Frau Staatssekretärin, herzlichen Dank für die Vorbereitung und Übermittlung der Antworten an die Kolleginnen und Kollegen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Auch hier -sollen die Fragen 40 und 41 der Kollegin Schieder, die Frage 42 des Kollegen Kaczmarek sowie die Fragen 43 und 44 des Kollegen Swen Schulz schriftlich beantwortet werden. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto zur Verfügung. Die Frage 45 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann sowie die Fragen 46 und 47 der Kollegin Höhn sollen schriftlich beantwortet werden. Die Fragen 48 und 49 des Kollegen Krischer werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 50 des Kollegen Jan van Aken auf: Wann und in welcher Höhe hat das Unternehmen Neupack Verpackungen GmbH & Co. KG in den zurückliegenden 20 Jahren öffentliche Fördermittel im Rahmen der Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung erhalten? Bitte, Herr Staatssekretär. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Kollege van Aken, wie Sie sicherlich wissen, ist die Beantwortung einer solchen Frage in einer mündlichen Fragestunde aus vielerlei Gründen nicht zulässig. Dagegen spricht zunächst einmal das Datenschutzrecht. Die -Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unterliegt Art. 12 Grundgesetz, was die Bundesregierung natürlich auch bei der Beantwortung parlamentarischer Fragen beachten muss. Einfachgesetzlich sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse den Sozialdaten gleich-gestellt; auch sie unterliegen dem Sozialgeheimnis nach § 35 SGB I. Die Informationen – jetzt komme ich schon zu -Ratschlägen und Anregungen – dürfen daher nur dann weitergegeben werden, wenn das Geheimhaltungsinte-resse wirksam geschützt ist. Eine Unterrichtung im Rahmen des parlamentarischen Informationsanspruchs kann daher nur in nichtöffentlicher, vertraulicher oder geheimer Form in Betracht gezogen werden. Ich rege an, Herr Kollege van Aken, dass Sie, wenn Sie wirklich eine Antwort auf Ihre Fragen wünschen, in schriftlicher Form nachfragen, damit wir Ihnen über den Weg der Verschlusssache antworten können. Vizepräsidentin Petra Pau: Haben Sie trotzdem Nachfragen? – Dann haben Sie natürlich das Wort. Jan van Aken (DIE LINKE): Auf jeden Fall habe ich Nachfragen. – Zunächst einmal: Ich werde meine Frage schriftlich einreichen. Dann werde ich die Antwort wahrscheinlich als Verschlusssache zugesandt bekommen. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Zugesandt nicht, aber einsehen können Sie sie. Jan van Aken (DIE LINKE): Das werde ich dann machen. Es ist schade, dass Sie über diese Daten nichts sagen können. Aber, wie man in Hamburg sagt: Es ist, wie es ist. Ich habe trotzdem eine Nachfrage: Die Firma Neupack wird seit über 40 Tagen bestreikt, weil sie keinen Tarifvertrag abschließen will, weil sie Billiglöhne zahlt. Viele der Beschäftigten müssen aufstocken. Da stellt sich mir doch die Frage, ob Sie oder die Bundesregierung es eigentlich richtig finden, dass öffentliche Fördermittel und Steuergelder an Betriebe fließen, die Billiglöhne zahlen und die keinen Tarifvertrag abschließen. Ich halte es für eine sehr gute Idee, in die Kriterien für die Vergabe solcher öffentlichen Fördermittel das Kriterium „gute Arbeit“ aufzunehmen, das heißt, kein Geld für Firmen, die keine Tarifverträge abschließen. Das Ganze wäre auch keine Weltrevolution. Wie Sie wissen, gibt es Bundesländer, in denen es beispielsweise Höchstquoten für Leiharbeitnehmer gibt. Können Sie sich also vorstellen, Kriterien wie „gute Arbeit“, „keine Auf-stockerlöhne“ und „Tarifverträge“ mit in Ihre Förder-programme aufzunehmen? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege van Aken, auch durch die Hintertür kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Sie haben eben unterstellt, dass das Unternehmen Neupack öffentlich-rechtliche Förderleistungen bekommt. Das kann ich Ihnen aber aus den eben geschilderten Gründen nicht bestätigen. Ich denke auch, dass eine Verknüpfung dieser beiden Punkte, also die Tarifgebundenheit eines einzelnen Unternehmens und öffentliche Fördermittel, sehr schwierig sein wird. Deswegen ist es, glaube ich, nicht sehr sinnvoll, jetzt am Beispiel Neupack solche grundsätzlichen Fragen zu erörtern. Das würde meines Erachtens zu weit führen. Vizepräsidentin Petra Pau: Haben Sie eine zweite Nachfrage? Jan van Aken (DIE LINKE): Nicht wirklich. – Ich weiß aber nicht, warum das zu weit führen würde. Sie könnten doch generell antworten, aber das wollen Sie nicht. Dann kann ich mir die zweite Frage im Grunde sparen. Ich bedanke mich. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege van Aken, es gibt gesetzliche Kriterien. Es liegt nicht im Ermessen des Bundeswirtschaftsministeriums, welche Fördermittel verteilt werden, sondern hierfür gibt es klare Kriterien. Wenn Sie diese Kriterien ändern wollen, wenn Sie andere, zusätzliche Kriterien einführen möchten, dann steht Ihnen dafür der parlamentarische Weg offen. Aber Sie können jetzt doch nicht von mir als Staatssekretär verlangen, Ihnen zu sagen, ob ich das für gut hielte oder nicht. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Doch!) – Nein, darum geht es nicht. Es ist die Aufgabe des -Parlamentes, der Regierung Kriterien vorzugeben, nach denen Fördermittel verteilt werden. Wir vergeben die Fördermittel getreu den gesetzlichen Bestimmungen, im Einklang mit den Gesetzen. Die Gesetze machen Sie, das Parlament, und die Bundesregierung fühlt sich daran gebunden. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Das werden wir dann entsprechend tun! Ich bedanke mich!) Vizepräsidentin Petra Pau: Gleichwohl hat die Kollegin Zimmermann eine Nachfrage. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, Sie wissen vielleicht, dass gerade bei Neupack Stundenlöhne von 8 Euro und darunter gezahlt werden. Das bedeutet natürlich, dass die Kolleginnen und Kollegen aufstocken müssen. Da stellt sich für uns schon die Frage, inwieweit es nach Ansicht der -Bundesregierung vertretbar ist, dass Unternehmen ihr Geschäftsmodell darauf aufbauen, dass die Kolleginnen und Kollegen so wenig verdienen und sich noch Zuschüsse vom Amt holen müssen. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Liebe Frau Kollegin Zimmermann, ich weiß nicht, ob bei Neupack 8 Euro in der Stunde oder mehr oder weniger gezahlt werden. Ich kenne allerdings die Presse-berichte, dass es dort einen sehr heftigen und langandauernden Streik gibt. Welche Löhne dort aber tatsächlich gezahlt werden, weiß ich nicht. Es ist auch nicht die Aufgabe des Bundeswirtschaftsministeriums, dort nachzufragen. Ich sage Ihnen in aller Klarheit: Es ist auch nicht die Aufgabe der Bundesregierung, hier einzelne Unternehmen und deren Lohnpolitik zu bewerten. Es steht Ihnen als Abgeordnete des Deutschen Bundestages absolut frei, hier einen solchen Wunsch zu äußern. Die Bundesregierung hat sich in diesen Fällen jedoch neutral zu verhalten. Hierfür bitte ich um Verständnis. Vizepräsidentin Petra Pau: Die letzte Nachfrage hierzu stellt der Kollege Lenkert. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, ich habe mir einmal die Mühe -gemacht, auszurechnen, wie hoch die Fördermittel pro Arbeitsplatz, also die Investitionszuschüsse, in etwa sind. Das sind in etwa 40 000 bis 45 000 Euro pro geschaffenen Arbeitsplatz. Gerechtfertigt wird dies mit den Mehreinnahmen, die durch die wirtschaftliche Belebung und die höheren Steuerzahlungen erzielt werden. Wie ist die Haltung der Bundesregierung – unabhängig von der Firma und vom Einzelfall –, wenn mit solchen Fördermitteln Arbeitsplätze geschaffen werden und die Mitarbeiter danach zum Aufstocken zum Arbeitsamt gehen müssen? Haben Sie als Bundesregierung – Sie -haben ja auch ein Gesetzgebungsvorschlagsrecht – die Absicht, die Förderrichtlinien dahin gehend zu über-arbeiten, dass zukünftig Unternehmen, die keine Mindestlöhne zahlen und das Aufstocken nicht verhindern, von Fördermaßnahmen der Bundesregierung ausgeschlossen werden? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege, Sie haben gleich eine ganze Fülle von Unterstellungen gemacht, die ich in dieser Form nicht bestätigen kann und möchte. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob bei dem Unternehmen Neupack überhaupt eine Tarifgebundenheit vorliegt oder ob 8 Euro Stundenlohn gezahlt werden. Das kann ich Ihnen nicht bestätigen. Ich kann Ihnen aus den eben genannten Gründen auch nicht bestätigen, ob es – etwa sogar in der Höhe, die Sie eben genannt haben – irgendwelche -öffentlichen Fördermittel gibt. Klar ist, dass Fördermittel nach klaren Kriterien vergeben werden. Diese Kriterien können Sie selbst einsehen. Mir ist im Moment nicht bekannt, dass es irgendwelche Initiativen der Bundesregierung mit dem Ziel gibt, diese Kriterien zu verändern. Aber Ihre Fraktion ist selbstverständlich in der Lage, einen Antrag zu stellen und darin zu fordern, dass die Förderkriterien beispielsweise berücksichtigen, dass Tarifgebundenheit, Mindestlöhne und was auch immer gegeben sind. Die Frage ist – ich kann sie ebenfalls nicht beantworten –, ob es in diesem Bereich überhaupt Mindestlöhne gibt. Denn Mindestlöhne sind, wie Sie wissen, nicht in allen Bereichen vorgesehen. Fragen Sie mich deswegen jetzt nicht nach konkreten Einzelheiten bei der Firma Neupack. Es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung, Fragen zu solchen Einzelfällen zu beantworten; das überlasse ich Ihnen. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Frage 51 der Kollegin Keul soll schriftlich beantwortet werden. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. – Danke, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht die Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verfügung. Die Frage 52 der Kollegin Keul wie auch die Fragen 53 und 54 des Kollegen Koppelin werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 55 der Kollegin Dittrich auf: Welche Gründe führen nach Kenntnis der Bundesregierung dazu, dass für palästinensische Studierende in der Bundesrepublik Deutschland, vor allem angesichts der Anerkennung des Beobachterstatus Palästinas am 29. November 2012 vor den Vereinten Nationen, in den ausgestellten Pässen der Autonomiebehörde Palästinas jeweils verschiedene Staatsangehörigkeitsangaben wie „Keine“ oder „Staatenlos“ oder „Sonstige asiatische Länder“ eingetragen werden? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Abgeordnete, bei den von der Palästinensischen Behörde ausgestellten Dokumenten handelt es sich um ein „Passport/travel document“ mit Bezug auf das Osloer Interimsabkommen von 1995, also nicht um einen Reisepass im klassischen Sinne, wie wir ihn kennen. Die -Dokumente enthalten in Übereinstimmung mit dem insoweit maßgeblichen Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrtorganisation lediglich in der maschinenlesbaren Zone mit „PSE“ eine Angabe zur Nationalität. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Ich hatte in meiner Frage nach der Angabe der Nationalität gefragt: Wie kann es sein, dass „Keine“ oder „Staatenlos“ oder „Sonstige asiatische Länder“ eingetragen wird? Ich habe auch gefragt, ob es Änderungen bei den Eintragungen gibt, seit Palästina bei den Vereinten Nationen den Beobachterstatus beantragt hat und genehmigt bekam. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Nein, Änderungen gibt es nicht; es bleibt so, wie es ist. Ich erläutere es noch einmal: Das Osloer Interims-abkommen von 1995 sieht vor, dass die Palästinensische Behörde für die palästinensischen Bewohner des Westjordanlands und des Gazastreifens von Israel anerkannte Reisedokumente erstellen kann. Das Interimsabkommen präzisiert, dass diese Reisedokumente ihre Inhaber dazu berechtigen, über die sicheren Übergänge zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland und über Ausreisepunkte in Israel ins Ausland zu reisen. Was den Status anbelangt, kann ich nur wiederholen, Frau Abgeordnete, dass die Aufwertung Palästinas zum Beobachterstaat in der VN-Generalversammlung an den visarechtlichen Bestimmungen, die ich Ihnen vorgetragen habe, nichts ändert. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben eine zweite Nachfrage. Bitte. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Mit welchen Staatsangehörigkeiten reisen die palästinensischen Studierenden überwiegend ein, und welche Eintragung gibt es, wenn sie aus dem Gebiet des Gaza-streifens oder aus dem Westjordanland kommen? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich habe ein solches Visadokument, einen solchen Passport dabei. Ich weiß nicht, ob Sie das kennen; Sie können es sich gerne ansehen. Es ist so, wie ich es Ihnen sagte: Die einzige Eintragung, die es gibt, ist „PSE“. Sie steht für „Occupied Palestinian Territory“. Es gibt keine anderen Eintragungen. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Frau Staatsministerin. Die übrigen Fragen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes werden schriftlich beantwortet. Es handelt sich um die Fragen 56 und 57 der Kollegin Kerstin Müller, die Frage 58 des Kollegen Tom Koenigs und die Frage 59 der Kollegin Sevim Da?delen. Auch die Fragen zum Geschäftsbereich des Bun-desministeriums des Innern werden schriftlich beant-wortet. Es handelt sich um Frage 60 des Kollegen Dr. Konstantin von Notz, Frage 61 der Kollegin Viola von Cramon-Taubadel sowie um die Fragen 62 und 63 des Kollegen Volker Beck. Die Frage 64 des Kollegen Andrej Hunko zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Auch die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen werden schriftlich beantwortet. Es handelt sich um Frage 65 des Kollegen Klaus Ernst und Frage 66 der Kollegin Cornelia Behm. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 67 des Kollegen Gehring und die Frage 68 des Kollegen Hunko werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 69 der Kollegin Heidrun Dittrich auf: Wie viele Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II sind nach Kenntnis der Bundesregierung unter Betreuung gestellt worden, nachdem sie vom Jobcenter zu einer psychiatrischen Begutachtung gesandt wurden? Der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel steht bereit, um diese Frage zu beantworten. – Bitte, Herr Staatssekretär. Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Verehrte Frau Kollegin, der Bundesregierung liegen zu der Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II, die unter Betreuung gestellt worden sind, nachdem sie vom Jobcenter zu einer psychiatrischen Begutachtung gesandt wurden, keinerlei Informationen vor. Vizepräsidentin Petra Pau: Haben Sie dazu noch eine Nachfrage? Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Welche Maßnahmen können Sie ergreifen, um sich diese Informationen zu beschaffen? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass uns keine Informationen vorliegen. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das haben wir ja verstanden!) Es ist so, dass die Jobcenter unter Umständen, die ich Ihnen gerne näher erläutere, psychologische Gutachten einholen können. Aber in gar keinem Fall wird durch diese psychologischen Dienste begutachtet, ob die Notwendigkeit einer Betreuung gegeben ist. Daher ist klar, dass weitere Untersuchungen nicht möglich sind. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Als Expertin für den sozialen Bereich, vor allem für die Bundesagentur für Arbeit, könnte ich der Bundesregierung einen Tipp geben. Monatlich wird die Arbeitslosenstatistik erstellt. Sie haben daher die Möglichkeit – ich denke, Ihre Computer lassen das zu –, dort eine Rubrik einzuführen, in der aufgeführt wird, was das Jobcenter unternimmt und wohin das Jobcenter die Menschen zur psychiatrischen Begutachtung sendet. Das heißt, Sie könnten diese Daten erheben. Vizepräsidentin Petra Pau: Das war jetzt keine Nachfrage, Herr Staatssekretär; vielmehr hat die Kollegin einen Hinweis zu Protokoll gegeben. – Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Alle übrigen Fragen werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Panzerlieferungen an Saudi-Arabien – Rüstungsexportentscheidungen der Bundesregierung und Vereinbarkeit mit den geltenden Regeln Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Klaus Barthel für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Klaus Barthel (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat diese Aktuelle Stunde heute beantragt, weil wir in Bezug auf die Rüstungsexporte gegenüber diesem Parlament und der Öffentlichkeit riesigen Aufklärungs, Diskussions- und vor allen Dingen Korrekturbedarf sehen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist doch gespenstisch, dass einerseits heute im federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Technologie – auf Antrag der Koalition wohlgemerkt – der Rüstungsexportbericht für das Jahr 2010 beraten wird, dieser dann 2013 im Plenum beraten werden soll und er von Vorgängen handelt, die zwei bis drei Jahre zurückliegen, und andererseits in der Öffentlichkeit über mehrere aktuelle, sehr fragwürdige Rüstungsexportentscheidungen der Bundesregierung diskutiert wird. Es handelt sich dabei um mögliche Entscheidungen, die eine Abkehr von den bisher geltenden Richtlinien bedeuten, die einen Paradigmenwechsel nicht nur in der Rüstungsexportpolitik, sondern möglicherweise in der gesamten Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik bedeuten. Es ist doch ein Stück aus dem Tollhaus, dass unseren Anträgen, den Bundestag zeitnäher, umfassender und zunächst vertraulich über Rüstungsexportgenehmigungen zu informieren, immer wieder entgegengehalten wird: Das ist alles wegen Sicherheitsinteressen und zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ganz geheim. Gleichzeitig wird, ohne dass irgendein sozusagen undichter Abgeordneter auch nur ein Blatt Papier oder eine Mail gesehen hat, in den einschlägigen Medien über Rüstungsexporte berichtet. Aktuell geht es um Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien, vorher ging es um Algerien und davor um Indonesien usw. Sie, liebe Abgeordnete der Koalition, müssen später etwas vertreten, was Sie eigentlich gar nicht wissen dürfen und was Sie auch gar nicht begründen können. Dann sagen die einen, wie heute Vertreter der Bundesregierung im Auswärtigen Ausschuss: Es gibt keinen Paradigmenwechsel. – Die anderen sagen aber etwas anderes. Das kann man alles nachlesen. Die Aussagen der Kanzlerin in der sogenannten Strausberger Rede will ich aus Zeitgründen gar nicht erst zitieren. Verteidigungsminister de Maizière sagte – das steht im Spiegel –: „Das Thema ‚Ertüchtigung statt Einmischung‘ ist richtig.“ Er redet von der Erweiterung der Märkte und von Absatzchancen für Rüstungsgüter. Der Fraktionsvorsitzende Kauder, ein großer Kämpfer gegen die Christenverfolgung, sagte der Welt am Sonntag zur Verteidigung der Panzerlieferungen: Die Saudis mögen selbst judenfeindlich sein, (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!) aber sie sorgen auch dafür, dass der Iran die Juden nicht ins Meer treiben kann. Das ist das alte Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Er gibt sogar zu, dass es Menschenrechtsverletzungen gibt und es leichter ist, Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern als deutsche Bibeln. Ich möchte einmal wissen, wie diese Äußerungen, die wir alle hören, zu verstehen sind. Nicht zu vergessen die FDP. Frau Hoff sagte: Die Bundesregierung wird sicher noch aktiver als bisher die deutsche wehrtechnische Industrie im harten internationalen Wettbewerb unterstützen müssen. Nennen Sie mir eine gültige Rüstungsexportrichtlinie oder ein Gesetz, wodurch solche Äußerungen irgendwie abgedeckt sind. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE]) Schauen wir in den Rüstungsexportbericht 2011 – klare Sprache –: Der Anteil der Einzelausfuhrgenehmigungen an sogenannte Drittstaaten beträgt mittlerweile 42 Prozent – ein Jahr vorher waren es 29 Prozent –, und das bei einem gleichzeitigen Anstieg des Gesamtvolumens der Genehmigungen. Als ich im Mai dieses Jahres hier ausgeführt habe, dass der deutsche Rüstungsexport in den letzten fünf Jahren um mehr als 50 Prozent schneller gewachsen ist als der weltweite Rüstungshandel, vermerkte das Protokoll einen interessanten Zwischenruf aus den Reihen der CDU/CSU: „Das ist doch erfreulich!“ Wenn das alles keine Hinweise auf einen Paradigmenwechsel im Bereich des Rüstungsexports sein sollen, dann soll uns die Bundesregierung das hier einmal erklären, anstatt sich hinter Geheimhaltung zu verschanzen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn das alles nicht so ist, wie wir behaupten, dann stimmen Sie bitte wenigstens in der Schlussberatung im Plenum im nächsten Jahr den Anträgen von SPD und Grünen zu, in denen nichts anderes als die Einhaltung der bisherigen Regeln und die Einführung parlamentarischer Kontrollen gefordert wird. Sie brauchen keine Angst zu haben – Ihre Reden kenne ich schon –; denn wir fordern das in Zukunft auch von einer rot-grünen Koalition. (Lachen bei der FDP – Franz Obermeier [CDU/CSU]: Sieben Jahre!) Beweisen Sie einmal Weitsicht – das ist in Ihrem eigenen Interesse –, und unterstützen Sie diese Anträge. Sie könnten das vielleicht brauchen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Andreas Lämmel für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Barthel, wir führen hier eine Debatte aufgrund von Zeitungsmeldungen. (Klaus Barthel [SPD]: Dann sagen Sie doch, ob die stimmen oder ob sie nicht stimmen!) Diese Debatte führen wir zum wiederholten Mal auf Ihren Antrag hin. Sie sitzen nicht im Bundessicherheitsrat, ich sitze nicht im Bundessicherheitsrat. Selbst wenn Sie dort säßen, könnten Sie hier nicht an das Pult treten und Erklärungen dazu abgeben, weil die Sitzungen des Bundessicherheitsrates geheim sind. (Klaus Barthel [SPD]: Ja, eben! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer sagt denn das?) – Herr Barthel, bevor Sie sich weiter aufregen: Die ganze Konstruktion des Bundessicherheitsrates und die Entscheidungskriterien stammen aus rot-grünen Zeiten. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Unsinn! Der ist von 1962! – Klaus Barthel [SPD]: Sie verlassen doch die rot-grünen Richtlinien!) Man muss doch einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass die Bundesregierung auf der Basis der von Ihnen geschaffenen Grundlagen Entscheidungen fällt. (Klaus Barthel [SPD]: Gar nicht wahr! – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das macht es aber auch nicht besser!) Herr Barthel, Sie dürfen nicht einfach alles durchei-nanderrühren. Sie dürfen der Öffentlichkeit nicht suggerieren, dass die SPD der Heilsbringer ist, und darauf verweisen, dass wir Ihre Anträge nächstes Jahr, wenn Sie regieren, vielleicht brauchen. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön, dass Sie auch unterstellen, dass wir sicher regieren!) Wir haben jetzt zwei Anhörungen im Wirtschaftsausschuss durchgeführt, eine Anhörung zum Rüstungs-export und die andere zum Außenwirtschaftsgesetz. Herr Barthel, ich weiß nicht, ob Sie dabei waren; vielleicht konnten Sie der Debatte ja nicht folgen. Ich sage Ihnen daher: Kein einziger Gutachter hat die Dinge, die Sie vorschlagen – ich habe das heute extra im Protokoll nachgelesen –, positiv gesehen. (Klaus Barthel [SPD]: Das stimmt doch überhaupt nicht! Sie waren nicht bei der Anhörung!) Alle Gutachter haben gesagt, dass man sich genau überlegen muss, ob man Änderungen des Modus will, ob man im Rahmen des Parlaments wirklich ein Geheimgremium braucht, das über Entscheidungen der Regierung zeitnah unterrichtet wird. Das wissen Sie ganz genau. Es wurden große Vorbehalte bezüglich der Modelle in Großbritannien und Schweden, die immer genannt werden – auch gestern wieder bei der Anhörung –, angeführt. (Klaus Barthel [SPD]: Von wem denn? Von der Rüstungsindustrie!) Sie können im Protokoll nachlesen, dass berichtet wurde, unter welchem Druck aufgrund der großen Aktenberge die Abgeordneten in Großbritannien stehen und dass sie diese Entscheidungen daher überhaupt nicht nachvollziehen können. (Klaus Barthel [SPD]: Stimmt doch gar nicht!) Die Anträge der SPD werden nicht besser. (Klaus Barthel [SPD]: Wir reden jetzt aber gar nicht über die Anträge! Sagen Sie doch mal was zu den Panzern für Saudi-Arabien!) Sie schreiben immer das Gleiche. Ich sage es noch einmal: Entscheidungsgrundlage der Bundesregierung heute sind die Kriterien, die Sie aufgestellt haben. Wenn Sie die Entscheidungen jetzt kritisieren, dann kritisieren Sie das, was Sie früher gemacht haben. Das ist ganz einfach. Sie müssen sich einmal an Ihre eigene Nase fassen und überlegen, ob das, was Sie in Gang gesetzt haben, möglicherweise falsch war. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben keine Panzer nach Saudi-Arabien geliefert!) Ich möchte noch etwas anmerken, damit deutlich wird, dass die Heuchelei auf diesem Gebiet keine Grenzen kennt. Der oberste Lobbyist für die Rüstungsindus-trie – er war auch bei der letzten Anhörung anwesend – ist ein Mitglied der SPD. Sie sollten vielleicht einmal mit diesem Herrn sprechen und ihn fragen, warum er für die Wehrwirtschaft lobbyiert. Wir sagen: Die Wehrwirtschaft ist ein sehr wichtiger Industriezweig in Deutschland. Das sagen sogar die Gewerkschaften. Herr Barthel, Sie vertreten doch die Gewerkschaften. Die Gewerkschaften schreiben uns, dass wir dafür sorgen sollen, dass die wehrtechnische Industrie in Deutschland erhalten bleibt, dass sie genügend Möglichkeiten hat, ihre Produkte abzusetzen. – Mir ist klar, dass Sie das über die Gewerkschaften nicht hören wollen; deshalb hören Sie mir gerade wohl nicht zu. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt denn das Auswärtige Amt dazu?) Ich will noch einmal deutlich sagen: Die Heuchelei bei Ihnen kennt keine Grenzen. Es wäre sinnvoll, in einer ruhigen Atmosphäre darüber zu sprechen, wie man erreichen kann, dass der Rüstungsexportbericht zeitnaher ins Plenum kommt. Ich habe schon mehrfach von diesem Rednerpult aus gesagt, dass auch ich es nicht gut finde, dass wir erst jetzt über den Rüstungsbericht von 2011 diskutieren. Aber das ändert nichts an den Entscheidungskriterien. Diese beiden Themen muss man auseinanderhalten. Der Exportbericht ist praktisch ein Blick nach hinten. Wir sollten zeitnäher darüber beraten, aber auch das würde nichts daran ändern, dass die Grundlagen, auf denen die Entscheidungen getroffen werden, von Ihnen geschaffen wurden. (Klaus Barthel [SPD]: Das stimmt doch nicht!) Ich sehe der Beratung Ihrer Anträge sehr zuversichtlich entgegen. Dem Betrachter der Szene fällt mittlerweile auf, dass Sie nicht um des Themas willen hier diskutieren, sondern dass Sie auf der Grundlage von Zeitungsmeldungen versuchen, der Öffentlichkeit zu suggerieren, dass die Entscheidungen bereits getroffen wurden. Dies kann ich nicht bestätigen, Herr Barthel, und Sie wissen es genauso wenig wie ich. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Inge Höger hat für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Inge Höger (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Rüstungsgeschäfte sind todsichere Geschäfte. Jede Waffe findet ihren Krieg. Die deutsche Rüstungsindustrie ist inzwischen drittgrößter Waffenlieferant weltweit. Das ist ein Skandal. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutsches Kriegsgerät wird immer ungenierter an Diktatoren und in Spannungsgebiete geliefert. Entgegen anderen Behauptungen schaffen Rüstungsexporte weder Frieden noch Stabilität. Die aktuell diskutierte Lieferung von Radpanzern des Typs Boxer an Saudi-Arabien ist nur das neueste Beispiel einer ganzen Reihe verheerender Entscheidungen des Bundessicherheitsrates. Im letzten Sommer wurde der Export von Leopard-2-Panzern nach Saudi-Arabien genehmigt, auch wenn immer noch die Rede davon ist, dass man dies ja nicht wisse, weil es ja geheim ist. Ich denke, dass diese Meldung richtig war. Die Spezialausrüstung dieser Panzer ermöglicht Einsätze gegen Barrikaden und im Häuserkampf. In diesem Sommer haben deutsche Soldaten beim Schießtraining mit ebendiesen Panzern assistiert. Seit Bekanntwerden dieser Exportgenehmigung fordern viele Menschen: Legt den Leo an die Kette! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall freuen sich sicherlich über die Umsatzsteigerung durch den Export des Leos und des Boxers. Für all diejenigen, die Frieden und Menschenrechte noch ernst nehmen, ist der Export dieser Hightechkriegsgeräte eine Tragödie. Ein Inhaber einer dieser Firmen hat behauptet, er habe nie gewusst, dass Rüstungsexporte getätigt werden. Das muss ich anzweifeln; denn wenn man Aktien hält und im Aufsichtsrat sitzt, dann weiß man das auch. Allein die Lobeshymnen, die die Rüstungsindustrie selber über das Gefechtsfahrzeug Boxer singt, sollten einen Export insbesondere in Krisenregionen undenkbar machen. Experten schwärmen davon, dass die gestiegenen militärischen Anforderungen hinsichtlich einer großen Mobilität durch die hohe Geschwindigkeit des Boxers erfüllt werden. Die Radpanzer können sowohl gegen feindliche Armeen als auch gegen Demonstranten im eigenen Land eingesetzt werden. Es darf nicht sein, dass wieder einmal deutsche Waffen für den Häuserkampf und für den Bürgerkrieg geliefert werden! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber nicht nur für die innenpolitischen Situationen sind Waffenlieferungen in den Nahen und Mittleren Osten brandgefährlich. Gleiches gilt für die außenpolitische Situation: Wer die Golfstaaten gegen den Iran aufrüstet, der verschärft das Wettrüsten und erhöht die Kriegsgefahr in der gesamten Region. Ähnliches gilt für Waffenlieferungen an Israel. In derselben unsäglichen Sitzung des Bundessicherheitsrates, in der der Export an die Saudis angebahnt wurde, wurde eine Lieferung von Abschussgeräten für Panzerfäuste und für bunkerbrechende Munition an Israel genehmigt. Es besteht die Gefahr, dass diese Waffen für den Häuserkampf bei einer Bodenoffensive in Gaza eingesetzt werden. Die Bundesregierung bestärkt somit Israel auf dem Weg in die militärische Sackgasse. Wer politische Lösungen will, der muss sich für Verhandlungen und Abrüstung einsetzen. Waffenlieferungen sind das falsche Signal. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutsche Waffen und deutsche Soldaten machen die Welt nicht besser und nicht sicherer. Statt Konflikte friedlich zu lösen, werden deutsche Truppen geschickt oder deutsche Waffen geliefert. Dies kommt einer Bankrotterklärung der deutschen Außenpolitik gleich. (Beifall bei der LINKEN) Wir erleben hier eine Bundesregierung, die Macht-politik und die Verfolgung von wirtschaftlichen Interessen über alle rechtlichen und moralischen Erwägungen stellt. Diese Tradition begann aber lange vor Frau Merkel. Die zur Schau gestellte Entrüstung von Rot-Grün ist heuchlerisch. (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Aha!) Es war die rot-grüne Regierung, die im Verhältnis zur Kohl-Regierung die deutschen Rüstungsexporte mehr als verdoppelt hat. (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Aha!) Rot-Grün genehmigte die Lieferung von Komponenten für Panzer, Kampfflugzeuge und Maschinengewehre an Saudi-Arabien. (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Aha!) Diese Liste ließe sich fortsetzen. Exkanzler Schröder sorgte – teils persönlich –, wenn Regierungsdelegationen arabische Staaten besucht haben, für die Anbahnung von Rüstungsgeschäften. Diese unselige Tradition setzt Frau Merkel nun fort. Damit wird eines klar: Die angeblich restriktiven Regelungen der deutschen Rüstungsexportpolitik haben viel zu viele Schlupflöcher. Die Gesetzeslage muss geändert werden. Wir brauchen ein eindeutiges und vollständiges Verbot von Rüstungsexporten. (Beifall bei der LINKEN) Stoppt den Export von Rüstungsgütern in alle Welt! (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Dr. Martin Lindner hat nun für die FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Ich werde heute nicht zu dem Thema Ihrer Anträge sprechen; dazu findet eine gesonderte Beratung statt. Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde sind etwaige Exporte von Panzern nach Saudi-Arabien. Sie sollten sich wenigstens an die selbst gewählte Thematik halten! (Klaus Barthel [SPD]: Das haben wir gemacht! Im Unterschied zu Herrn Lämmel!) Eine zweite Vorbemerkung, an meine Vorrednerin gerichtet: Man muss entschieden trennen zwischen etwaigen Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien oder anderswo und Hilfen, die wir selbstverständlich an unseren Hauptverbündeten in dieser Region – Israel – leisten. (Klaus Barthel [SPD]: Das gilt aber nicht für Lieferungen an Saudi-Arabien!) Es ist für diese Bundesregierung und diese Koalition selbstverständlich, dass wir Israel auf allen Ebenen beistehen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Klaus Barthel [SPD]: Was hat das jetzt mit Lieferungen an Saudi-Arabien zu tun?) Daran wird sich, jedenfalls solange wir regieren, überhaupt nichts ändern. (Klaus Barthel [SPD]: Kommen wir zu den Panzern für Saudi-Arabien!) Zu den etwaigen Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien. Ich habe mir die politischen Grundsätze, die Rot-Grün damals selbst so aufgestellt hat, noch einmal vor Augen gehalten. Unter „Allgemeine Prinzipien“ heißt es: 3. Genehmigungen für Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern werden grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen Repression … missbraucht werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die in Rede stehenden Panzer Boxer und Leopard 2 sind nicht primär geeignet, um Aufruhr oder innere Aufstände niederzuschlagen. (Klaus Barthel [SPD]: Primär oder nicht? – Christoph Strässer [SPD]: Sie sind nicht primär geeignet, hier zu reden! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Zum Küstenschutz!) – Ihre heilige Einfalt bei diesen Dingen kann und will ich nicht stören, aber diejenigen, die ein bisschen inte-ressierter sind und versuchen, sich sachlich damit zu beschäftigen, kommen zu dem Ergebnis, dass dies primär Waffen sind, die dazu geeignet sind, wenige Menschen über ein militärisches Gefechtsfeld zu transportieren. Die Waffen, die unter Ihrer Verantwortung nach Saudi-Arabien geliefert wurden, beispielsweise 1 200 Panzerfäuste, sind dagegen wesentlich geeigneter zur Aufruhrbekämpfung als ein Radpanzer, der mehrere Millionen Euro teuer (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht es doch nicht besser!) und eher dazu geeignet ist, sich defensiv über ein Gefechtsfeld zu bewegen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Sehen Sie sich die Nachrichten an!) Aber wie gesagt: Wer sich sachlich nicht damit beschäftigen will und in seiner Welt abgeschlossen ist, der braucht sich mit solchen Details nicht aufzuhalten. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber mit Panzerfäusten gehen Sie nicht gegen Menschen, sondern gegen Panzer vor!) Ich komme zu dem nächsten Punkt. Der Beachtung der Menschenrechte in bestimmten Bestimmungs- und Endverbleibsländern wird bei der Entscheidung über Exporte von Kriegswaffen besonderes Gewicht beigemessen. Man kann sich natürlich darauf zurückziehen – wie Sie das tun – und sagen: Wir mischen uns nicht ein; wir exportieren in diese Länder gar nicht. – Ich sage Ihnen aber: Wenn Sie es mit den Menschenrechten ernst meinen, dann sollten Sie eher überlegen, ob es nicht gerade im Sinne eines positiven Einflusses in diesen Regionen und Ländern wesentlich besser wäre, Sicherheitspartnerschaften mit ihnen zu begründen und zu unterhalten. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das denn für ein absurdes Argument? Unglaublich!) Auf diese Weise würden wir nämlich durch eine Interdependenz in den Beziehungen über ganz andere Einflussmöglichkeiten verfügen, als wenn wir einseitig von der Lieferung energetischer oder nichtenergetischer Rohstoffe aus diesen Ländern abhängig sind. (Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Warum liefern Sie dann nicht auch an Nordkorea? – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch unsäglich! Sie sind auch dafür, dass man der Mafia Waffen verkauft!) Sie müssen sich einfach einmal den Unterschied zwischen Ländern wie China, den USA und uns anschauen, wenn es um Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien geht. Sie werden dann zu folgendem Ergebnis kommen: Bezogen auf ihre Gesamtexporte sind China und die USA wesentlich stärker in Saudi-Arabien engagiert als wir. Sie können sich also in etwa ausrechnen, wer dort wesentlich stärker Einfluss nehmen kann als wir. Ich glaube, wenn Sie das nüchtern überlegen, dann werden Sie zum Ergebnis kommen, dass man gerade beispielsweise über Schulungen und Wartungen ganz andere Möglichkeiten hat, langfristig positiv in diesen Ländern Einfluss zu nehmen, (Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Dann nach Nordkorea!) als wenn man sich einfach bequem an den Rand stellt. Dadurch kann man vielleicht in der einen oder anderen Diskussion im Wahlkreis besser bestehen, (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich! Unerhört! Hussein! Mubarak! Gaddafi!) aber verantwortungsvolle Politik sieht nicht so, sondern ganz anders aus: Gerade in diesen Regionen muss man versuchen, über alle möglichen Sicherheitspartnerschaften und Rohstoffpartnerschaften in unserem Sinne positiv etwas zu bewirken. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann Panzerlieferungen!) Dadurch kann man wesentlich mehr erreichen als durch populistische Anträge und das Bemühen, vor der einen oder anderen Galerie zu glänzen. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, Sie wollten nicht über Anträge reden!) Das ist das typische Gehabe einer Opposition, und das werden Sie auch immer bleiben. (Zuruf von der LINKEN: Ja, ja!) Sie, die SPD, müssen sich aber wirklich überlegen, ob Sie sich als große Oppositionsfraktion auf diese Ebene hinabführen lassen (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf Ihre Ebene lieber nicht!) oder nicht versuchen und sich bemühen wollen, gemeinsam mit uns berechtigte Fragen, wie zur lückenhaften Information des Parlaments, zu stellen und sich hier ein wenig redlicher, ehrlicher und verantwortungsbewusster – auch aufgrund Ihrer Verantwortung in den vergangenen Jahren, als Sie selbst in Regierungsverantwortung waren – zu zeigen und zu versuchen, die Dinge in schwierigen Regionen der Welt – das wissen Sie genau; da gibt es kein Schwarz und kein Weiß, sondern sehr viel Grau – in die richtige Richtung zu manövrieren. Dies kann man dort langsam versuchen. (Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Das kommt ausgerechnet von Ihnen!) Dann sind Sie auch herzlich eingeladen, hier ernsthaft zu diskutieren. Mit Populismus und Schaumschlägerei wie von der ganz linken Seite des Hauses und teilweise von den Grünen sollten Sie als SPD nichts zu tun haben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Unmöglich! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass Sie in einem Jahr nicht mehr dabei sind! – Zuruf von der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Katja Keul für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, das Schlimmste in dieser Debatte haben wir hinter uns. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das müssen Sie erst noch beweisen!) Ich möchte mit einem Zitat beginnen: Körperstrafen wie z. B. das Auspeitschen werden regelmäßig vollzogen, Dissidenten werden inhaftiert, Geständnisse erzwungen, Frauen werden -wesentliche Menschenrechte vorenthalten, minderjährige Mädchen zwangsverheiratet, freie Meinungsäußerung ist nur teilweise möglich, die Religionsausübung für nicht-muslimische Religionen verboten … Das ist keine Aussage einer Nichtregierungsorganisation und auch keine Aussage eines staatlichen Geheimdienstes. Das ist ein Zitat aus dem aktuellen und öffentlichen Menschenrechtsbericht der Bundesregierung. (Klaus Barthel [SPD]: Hört! Hört!) Warum dürfen wir das dann nicht endlich im Zusammenhang mit Rüstungsgeschäften thematisieren? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Meinen Sie im Ernst, dass das zu mehr diplomatischen Verwicklungen führt als Ihr schriftlicher Bericht? Das hätte ich übrigens gern auch das Auswärtige Amt gefragt, das aber nicht mehr vertreten ist. (Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Oder das Verteidigungsministerium!) Der wahre Grund, warum Sie über Panzerlieferungen auf die Arabische Halbinsel lieber im Geheimen entscheiden, ist doch schlicht, dass es Ihnen unangenehm ist, Ihre Gründe zu nennen und zu Ihrer Entscheidung zu stehen. Immer wieder versichern Sie uns in jeder Antwort, dass Sie sich an die Grundsätze, die sogenannte Rüstungsexportrichtlinie, halten wollen. Darin werden aber systematische Menschenrechtsverletzungen als Ausschlusskriterium deutlich benannt. Jetzt müsste Herr Westerwelle, wenn er da wäre, einmal erklären, was systematische Menschenrechtsverletzungen anderes sein sollen als das, was wir in dem in Ihrem Ressort erstellten Bericht beschrieben finden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Mit Blick auf die Kanzlerin sage ich ganz deutlich: Wer autokratische Regime aufrüstet, macht sich mitschuldig, wenn die gelieferten Waffen eines Tages gegen die Bevölkerung eingesetzt werden oder gar den internationalen Frieden bedrohen. Über diesen Umstand kann auch die sogenannte Merkel-Doktrin nicht hinweghelfen, wonach wir seit neuestem strategische Partner durch deutsche Waffen ertüchtigen, um damit eigene Militäreinsätze zu vermeiden. Schlau daran ist, dass Rüstungsexporte hinter verschlossener Tür genehmigt werden, während Militäreinsätze dummerweise immer im Parlament diskutiert werden müssen. (Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Das System habt ihr doch selber erfunden!) Weniger schlau ist, zu glauben, der Feind meines Feindes sei automatisch mein strategischer Partner. Das ist keine Doktrin, sondern schlicht mangelnder strategischer Weitblick. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Klaus Barthel [SPD]: Dummheit!) Wir können davon ausgehen, dass die Haltbarkeit deutscher Panzer deutlich länger währt als die aktuellen Frontverläufe und Interessenkoalitionen im Nahen und Mittleren Osten. Wenn das kein Spannungsgebiet im Sinne der Richtlinie ist, dann gibt es wohl weltweit kein Spannungsgebiet. Geben Sie doch endlich ehrlich zu, dass in Ihrer neuen Doktrin kein Platz für die alten Grundsätze ist. Nicht einmal die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands eignen sich zur Begründung solcher Exporte. Die Sorgen und Nöte der deutschen Rüstungsindustrie sind hausgemacht. Der Kalte Krieg ist seit über 20 Jahren vorbei. Die Bundeswehr wird grundlegend umgebaut und verkleinert; ihre Hauptaufgabe ist längst nicht mehr die Panzerschlacht um die Lüneburger Heide. Alles hat sich verändert – nur die Rüstungsindustrie nicht. Wir leisten uns weiterhin industrielle Fertigungskapazitäten für ein Fähigkeitsspektrum, das die Bundeswehr längst nicht mehr braucht. Allein in Deutschland gibt es mit Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann zwei Hersteller, die sich auf Panzerbau spezialisiert haben. Der Exportdruck der Industrie rührt daher, dass wir längst weniger staatlichen Eigenbedarf haben und unsere Bündnispartner ihre Militärhaushalte massiv zusammenstreichen. (Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: So ist es!) Bald wird die Hälfte der deutschen Rüstungsexporte in Staaten außerhalb von EU und NATO gehen. Die Ausnahme wird so immer mehr zur Regel. An einer Konsolidierung der europäischen Rüstungsindustrie führt aber langfristig kein Weg vorbei. Um diesen Prozess politisch zu steuern, müssten wir in Europa zunächst einmal gemeinsam militärische Kernfähigkeiten definieren. Was an Wehrindustrie nicht mehr gebraucht wird, muss auf zivile Produktion umgestellt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Hierzu könnte der Staat Anreize liefern und bei Bedarf Hilfestellung leisten. Technologien, die sich bei geringer Produktionskapazität nicht wirtschaftlich rechnen, aber zum sicherheitspolitischen Kernbereich gehören, müssen dann eben anderweitig gefördert werden; dann allerdings transparent und nicht geheim. Haben Sie endlich den Mut, sich dieser Debatte im Parlament und in der Öffentlichkeit zu stellen! Wir Grüne fordern seit langem weniger Geheimhaltung und mehr parlamentarische Beteiligung. Wir wollen die freiwilligen Grundsätze der Bundesregierung im Hinblick auf Menschenrechte und Spannungsgebiete endlich verbindlich in Gesetzesform beschließen und die Möglichkeit eröffnen, die Genehmigungen von Rüstungsexporten langfristig im Wege der Verbandsklage gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Kirchen haben diesen Vorschlag in ihrem am Montag vorgestellten Bericht der GKKE ausdrücklich gelobt. Erfreulicherweise wird auch in Ihren eigenen Reihen der Widerstand immer lauter. Als Erster kritisierte Herr Polenz: Man muss über diese Fragen grundsätzlich öffentlich reden können. – Der Kollege Stinner wünscht sich inzwischen ein Gremium des Bundestages, das vor kritischen Rüstungsentscheidungen informatorisch eingeschaltet wird. (Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Guter Vorschlag!) Selbst der Parlamentarische Staatssekretär Schmidt findet, es bestehe ein legitimes Interesse an der Information, ob die Richtlinie eingehalten wird. (Klaus Barthel [SPD]: Hört! Hört!) Ich begrüße es sehr, dass nach jahrelangem Verharren in alten Denkmustern endlich Bewegung in Ihre Reihen einzieht. (Klaus Barthel [SPD]: Nicht bei Herrn Lindner!) Lassen Sie uns etwas daraus machen. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Ulrich Lange für die Unionsfraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ulrich Lange (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Wirtschafts- und Handelsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist zunächst auf dem freien weltweiten Austausch von Wirtschaftsgütern aufgebaut. Eine Ausnahme davon sind Rüstungsgüter, und dies seit Jahrzehnten. Mit dieser Aktuellen Stunde versuchen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ein bisschen den Eindruck zu vermitteln, als ob Rüstungsexporte etwas Negatives sind. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sind sie ja auch!) – Jawohl: Schwerter zu Pflugscharen; (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ich müsste jetzt eigentlich zitieren, was der Kollege Grund vorhin gesagt hat. – Sie unterliegen aber, glaube ich, in unserem Land sehr strengen Exportkontrollen. Ein Blick in die derzeitigen Richtlinien der Rüstungsexportkontrolle zeigt, dass man sowohl begründen als auch argumentieren muss, wenn man ausführt. (Klaus Barthel [SPD]: Dann tun Sie das doch! Wir sind gespannt!) Sie verlangen eine sorgfältige Abwägung außenpolitischer und sicherheitspolitischer Aspekte, die Berücksichtigung von Menschenrechtsargumenten, Konfliktprävention und die Beachtung der Menschenrechte in den Empfängerländern. (Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Jetzt kommen wir mal zu Saudi-Arabien! – Klaus Barthel [SPD]: Jetzt mal konkret!) – Jawohl, wir sind uns einig. (Klaus Barthel [SPD]: Eben nicht!) Warum sind wir uns einig, meine Damen und Herren vor allem der SPD? Weil wir uns an den Kodex halten, den Sie selber in der rot-grünen Koalition aufgestellt haben. (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!) Die aktuell gültigen politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern haben Sie festgelegt, (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) und an die halten wir uns. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Tun Sie nicht! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!) – Daran halten wir uns. Liebe Kollegin der Grünen, Ihre wiedergewählte Parteivorsitzende Claudia Roth war sogar in der interministeriellen Arbeitsgruppe dabei, als diese Richtlinien aufgestellt worden sind. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Deswegen wollen wir die doch als Gesetz beschließen! – Klaus Barthel [SPD]: Die kritisieren wir doch nicht, sondern dass Sie davon abweichen!) Deshalb verstehe ich nicht, wieso Sie uns das, was Sie selber beschlossen haben, jetzt vorhalten. Es ist schön, dass Sie sich jetzt kurz vor Weihnachten einig sind, was den großen Weltfrieden betrifft. Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass es 2004 nach dem Ende des Waffenembargos gegen Libyen – Libyen ist vorhin angesprochen worden – die rot-grüne Regierung war, die erste Rüstungsexporte dorthin zugelassen hat. Ich halte das Ganze für etwas pharisäerhaft angesichts der Tabelle, in der aufgeführt ist, wann wir die bisher höchste Zahl an Rüstungsexporten hatten, (Klaus Barthel [SPD]: Jetzt!) nämlich 2007. Die Exportanträge damals sind unter Rot-Grün eingegangen und genehmigt worden. Wenn Sie uns das jetzt vorhalten, Kollege Barthel, dann muss ich nur nachschauen, wie viele Anträge wir auch in der Großen Koalition genehmigt haben. Also bleiben wir doch bitte bei den Fakten. Verantwortungsbewusste Rüstungs-exportpolitik sollten wir anerkennen. (Klaus Barthel [SPD]: Keine Panzer an Saudi-Arabien!) Auch ist die wehrtechnische Industrie ein nicht unerheblicher Wirtschaftsfaktor in der Bundesrepublik Deutschland, wenn man so wie wir verantwortungsbewusst damit umgeht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun Sie aber nicht!) Zur Parlamentskontrolle: Beim Bundesausfuhramt gehen jährlich circa 16 000 Genehmigungsanträge ein. Über mehr als 2 000 wird unter Beteiligung des Auswärtigen Amtes und zum Teil des Bundesministeriums für Verteidigung entschieden. Ich weiß nicht, wie wir eine sinnvolle Kontrolle durch das Parlament durchführen sollten. (Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Aber wir wissen das! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erklären wir Ihnen dann schon!) Dass das Ganze außerdem Sache der Exekutive und nicht bei uns angesiedelt ist, brauche ich, glaube ich, nicht zu erörtern. Wenn ich diese Debatte heute verfolge, dann frage ich mich, wie Kunden bzw. Empfängerländer, denen wir rechtmäßig liefern, zukünftig mit uns und unseren Firmen umgehen, wenn hier alles in dieser Form in der Öffentlichkeit diskutiert wird. (Klaus Barthel [SPD]: Hoffentlich gehen die Saudis nicht so damit um, wie wir das glauben!) Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist, um solche Geschäfte zu stützen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Eine Ausdehnung der parlamentarischen Kontrollrechte ist unseres Erachtens derzeit nicht sinnvoll. Eine Vielzahl von politischen, wirtschaftlichen und praktischen Problemen steht auf der Tagesordnung. Ich glaube, die geltende Rüstungskontrolle, die sich an den Maßstäben von Rot-Grün orientiert und an die wir uns halten, ist der richtige Weg. Wir haben ein funktionierendes Kon-trollsystem. Wir werden es weiter stärken. (Klaus Barthel [SPD]: Es finden aber keine statt! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können wir es auch als Gesetz beschließen! Dann spricht ja nichts dagegen!) Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße, dass Herr Staatssekretär Otto nicht mehr ganz alleine auf der Regierungsbank sitzt. (Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: Ich auch!) Er könnte mehr Gesellschaft haben. Schließlich geht es hier um ein Thema des Bundessicherheitsrats; dieser ist etwas größer als die Versammlung auf der Regierungsbank. Ich will ein paar Anmerkungen zur Geschichte von Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien machen. Fangen wir einmal im Jahr 1990 an. Damals gab es die Anfrage nach der Lieferung von Fuchs-Spürpanzern. Die damalige Kohl-Regierung hat die Betreffenden – quasi mit langen Zähnen – hingehalten. Nach der Bundestagswahl und erneuten Erörterungen in der Bundesregierung gab es plötzlich im Februar 1991 eine Genehmigung. Wo-rüber man sich schon damals wunderte, war der Preis: 36 gebrauchte Panzer für 446 Millionen D-Mark. Experten sagten, 100 Millionen D-Mark seien realistisch. Man hat dann später gerichtliche Nachforschungen darüber anstellen können. Ich lese Ihnen vor, was die Süddeutsche Zeitung über den Abschluss des Thyssen-Henschel-Prozesses am 12. Januar 2007 – es hat lange gedauert – geschrieben hat: Im Gesamtpreis … waren etwa 220 Millionen sogenannter Provisionen versteckt. Der Löwenanteil davon ging mutmaßlich an Mitglieder der saudischen Königsfamilie. 28 Millionen aber kassierte der Lobbyist Karlheinz Schreiber. Ein Großteil dieses Geldes lagerte er auf Schweizer Rubrikkonten, deren Bezeichnungen verschlüsselt auf die Personen verwiesen, denen das Geld zugedacht war – „Holgart“ zum Beispiel für den früheren Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls. „Winter“ stand für Winfried Haastert, „Jürglund“ für Jürgen Maßmann. Beide waren Manager bei Thyssen Henschel. Die Geschichte ist sicherlich dem einen oder anderen noch geläufig. (Zuruf von der CDU/CSU: Was wollen Sie damit sagen?) Es gab Haftstrafen auf Bewährung für die Manager. Herr Schreiber und Herr Pfahls haben versucht, sich durch Flucht der Strafverfolgung zu entziehen. Man hat sie dann eines Tages doch vor Gericht stellen können und beide zu Haftstrafen verurteilt. Ein Ausfluss dieses Skandals, der damit noch nicht zu Ende war, war die Parteispendenaffäre 1999. Im Jahr 1991 ist 1 Million D-Mark von Herrn Schreiber an den damaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep übergeben worden. Niemand kann sagen, warum. 1994 wurden 100 000 D-Mark an Herrn Schäuble übergeben. Niemand weiß, warum. Es handelte sich eben um Spenden. 1999 wurde daraus eine Affäre, in deren Folge der damalige Parteivorsitzende Schäuble zurücktrat und Frau Merkel die Chance bekam, CDU-Vorsitzende zu werden. Heute hat sie als Bundeskanzlerin erneut über Lieferungen an Saudi-Arabien zu entscheiden. Ich kann ihr nur zurufen: Vorsicht bei Saudi-Arabien! Das ist ganz dünnes Eis. Bei der Lieferung deutscher Panzer an Saudi-Arabien geht es um eine Korruptionsgeschichte. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zur Lieferung von Eurofightern von Großbritannien nach Saudi-Arabien wollte das Unterhaus einen Untersuchungsausschuss einrichten. Es ist zwar nicht dazu gekommen. Aber hier war von Korruption nicht allein die Rede. Vielmehr hat man dazu entsprechende Unterlagen gesammelt. Ich erinnere an ein Projekt der EADS, die Absicherung der saudischen Grenze. Eine britische Firma ist in diesem Zusammenhang Gegenstand einer Untersuchung britischer Antikorruptionsermittler. Jetzt reden wir über Leopard- und Boxer-Panzer. Ich hoffe, dass das in Ordnung ist. Wir können die Bundesregierung ja fragen. (Klaus Barthel [SPD]: Das stellt sich in zehn Jahren heraus! – Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Was unterstellen Sie damit? Das ist ungeheuerlich!) Unser Problem besteht darin, dass Sie ein Geschäft zu verteidigen versuchen, von dem Sie noch gar nicht sagen können, ob es überhaupt genehmigt ist. Worüber reden wir hier eigentlich? (Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Ihr habt die Aktuelle Stunde beantragt, nicht wir!) Das ist das Problem der Rüstungsexportpraxis. Wir brauchen eine Information des Parlaments, wenn es im Bundessicherheitsrat positive Entscheidungen gegeben hat, insbesondere dann, wenn diese mit einem Strategiewechsel verbunden sind. Die Aussage von Frau Bundeskanzlerin, neue Partnerschaften zu suchen, ist schon -zitiert worden. Dazu kann ich nur sagen: Über Partnerschaften in der Welt kann man reden. Die wollen wir suchen. Wir haben eine solche mit Indien und wollen sie mit Australien. Aber Saudi-Arabien ist ganz bestimmt kein strategischer Partner und kein Partner für den Rüstungsexport aus Deutschland. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Eine strategische Rede war das auch nicht!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Stinner für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Rainer Stinner (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selten konnte man erleben, dass das deutsche Sprichwort „Das Sein prägt das Bewusstsein“ so dokumentiert wird wie in dieser Debatte. (Zuruf von der LINKEN: Das ist von Marx!) Wenn ich höre, wie Herr Barthel und Frau Keul und jetzt auch Herr Bartels Saudi-Arabien skizzieren und kritisieren, dass in dieses schlimme Land Waffen exportiert werden, (Klaus Barthel [SPD]: Panzer!) sie aber mit keinem Wort erwähnen, dass auch in ihrer Regierungszeit Saudi-Arabien kein Hüter von Menschenrechten und kein Ausbund an Rechtsstaatlichkeit war, die damaligen Bundesregierungen aber dennoch Waffen nach Saudi-Arabien geliefert haben, dann kann ich doch mit Fug und Recht sagen, dass hier offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen wird. Als Sie, Frau Keul, an der Regierung waren, war das alles in Ordnung, wenn wir an der Regierung sind, dann ist das falsch. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen es für alle gleich regeln! – Zuruf von der SPD) – Ich komme gleich zu dem Unterschied der Waffen. Ich sehe in Ihren Reihen viele Waffenexperten; darauf würde ich gerne eingehen. Ich finde es fabelhaft, wie Sie über Panzerfäuste geredet haben. Das war ganz großartig. Das zeugt von großem Wissen darüber, was man mit Panzerfäusten macht. Ich gehe davon aus, dass diese Bundesregierung in gleicher Art und Weise ihre Verantwortung wahrnimmt, wie das vorherige Bundesregierungen gemacht haben, (Klaus Barthel [SPD]: Können Sie das denn beweisen?) unter einem Außenminister Fischer und unter einem Außenminister Steinmeier, einer von den Grünen, der andere von der SPD, die auch Waffenexporte nach Saudi-Arabien gebilligt haben. Da ging es um Teile für gepanzerte Fahrzeuge im Jahr 1999, um Handfeuerwaffen, Revolver, Pistolen, Munition, Herstellungsausrüstung für Teile von Maschinenpistolen, Herstellungsausrüstung für Handfeuerwaffen, Maschinengewehre etc. pp. Jetzt sage ich Ihnen etwas dazu: Wenn Sie mir erzählen wollen, dass die Bedrohung für Aufständische durch Panzer, die schwerfällig sind, größer ist als die durch Maschinengewehre, (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Nichts kapiert!) dann kann ich nur feststellen, dass Sie die Zahl der Menschen, die bei der Aufstandsbekämpfung in den letzten Jahrzehnten umgekommen sind, überhaupt nicht kennen. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Keine Ahnung!) Mit der Lieferung von Maschinengewehren bedrohen Sie Aufständische viel mehr, als wenn Sie Boxer und andere Fahrzeuge liefern würden. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Natürlich! So ist es!) Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass diese Bundesregierung mit derselben Verantwortung, die ich früheren Bundesregierungen zugestanden habe, ihre Aufgabe wahrnimmt. Ich komme zum zweiten Aspekt, zur Information. Ich bin hier angesprochen worden. Ich persönlich gestehe zu – das habe ich auch öffentlich gesagt –, dass ich mit der Informationspolitik nicht zufrieden bin. Hier muss ich an die Bundesregierung appellieren und sagen: Dafür, dass geleakt wird, haben Sie die Verantwortung, meine Damen und Herren von der Bundesregierung. Dass wir als Abgeordnete dafür in Anspruch genommen werden, finde ich nicht gut. Wenn es so ist, dass Sie nicht dichthalten können, dann müssen wir etwas daran ändern. (Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In unseren Fraktionen reden wir darüber. Wir haben uns noch keine abschließende Meinung gebildet. Deshalb kann ich auch noch kein Ergebnis hier verkünden. Aber ich sehe das Problem sehr wohl. Ich habe das sehr offen angesprochen. Da mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube. (Klaus Barthel [SPD]: Das wäre schon mal was!) Lassen Sie mich noch auf ein drittes Thema eingehen, das ich für sehr wichtig halte. Wir müssen uns ehrlich machen, was die Rolle der deutschen wehrtechnischen Industrie betrifft. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Darüber habe ich geredet! – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Gute Idee!) Da gilt für mich folgender Dreisatz: Erstens. Ich bin dafür, dass wir weiterhin eine Bundeswehr haben. Ich glaube, alle hier vertretenen Parteien bis auf die Linke sind dafür. Zweitens. Ich bin nachhaltig dafür, dass diese Bundeswehr nicht nur mit ausländischen Waffen ausgestattet wird. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber das hat ja auch keiner gesagt!) – Wenn Sie diesen beiden Punkten zustimmen, liebe Frau Keul, dann folgt daraus: Drittens. Da weder Sie noch wir noch irgendeine Partei wollen, dass unser Wehretat so hoch ist, dass wir eine veritable deutsche Rüstungsindustrie erhalten können, damit sie die Bundeswehr ausstatten kann, kommt das Thema Rüstungsexport zwangsläufig ins Spiel, (Klaus Barthel [SPD]: Aber dafür opfern wir nicht die Menschenrechte!) wenn wir eine ehrliche Debatte führen wollen. Frau Keul, Sie haben nach meinen ersten beiden Punkten genickt: Jawohl, eine Bundeswehr zu haben, ist richtig. Jawohl, auch Sie sind dafür, dass wir die Bundeswehr nicht nur mit amerikanischen, britischen, tschechischen und was auch immer für Waffen ausstatten. – Die Konsequenz daraus ist, dass eine wehrtechnische Industrie in Deutschland weiterhin notwendig ist. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine europäische!) – Richtig. Ich habe ja gar nichts gegen eine europäische wehrtechnische Industrie. Ich habe gar nichts gegen Konsolidierung. Aber dieses Thema wird für Sie doch nicht besser, wenn wir sagen: Die Panzer bauen jetzt die Franzosen, und die Franzosen, also Europäer, exportieren Panzer dorthin, wo sie Ihrer Meinung nach nicht hinsollen. Das löst Ihr Problem doch in keiner Weise. Daher ist das nicht glaubwürdig. Sie müssen sich dieser Debatte stellen. Sie können ja sagen: Wir wollen das alles nicht. Sie können sagen – das sagen die Damen und Herren von der Linken –: Wir wollen keine Bundeswehr. Sie können auch sagen: Wir wollen keine wehrtechnische Industrie. Das müssen Sie dann aber auch gegenüber den Betrieben vertreten. Herr Barthel, tun Sie das bitte! Wir gehen sehr gern gemeinsam mit Ihnen in Betriebe der wehrtechnischen Industrie. Wir gehen sehr gern gemeinsam mit Ihnen zu den Betriebsräten. Wir gehen sehr gern gemeinsam mit Ihnen zu Betriebsversammlungen. Dann möchte ich einmal sehen, wer von uns beiden dabei besser aussieht. Frohes Gelingen! Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Die Opposition denkt, wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Dr. Rolf Mützenich spricht nun für die SPD-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dr. Rolf Mützenich (SPD): Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte diese Aktuelle Stunde gern dazu benutzen, das Selbstverständnis dieses Parlamentes zu referieren oder zumindest ein bisschen zu stärken. Ich versuche, das gegenüber allen Fraktionen zu tun. Wir sollten nämlich als Parlament erst einmal so auftreten, dass wir in der Außenpolitik noch stärker mitreden können, als wir es in den letzten Jahren geschafft haben. Die Außenpolitik war lange Jahre, ja Jahrzehnte eigentlich immer nur ein Gebiet der Bundesregierung. Es ist durchaus schwer gewesen, das Parlament stärker in die Verantwortung einzubeziehen. Die Bundesverfassungsgerichtsurteile über eine Parlamentsarmee und viele andere Dinge gehören letztlich mit dazu. Deswegen glaube ich – das ist mein Selbstverständnis –, dass die derzeitige Praxis bei der Frage der Rüstungsexporte vordemokratisch ist. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir brauchen eine andere Form der Mitbestimmung, der Mitberatung und letztlich auch der Empfehlung. Ich finde, zu einem Parlament, das ein gewisses Selbstverständnis und auch eine gewisse Stärke einzubringen hat, gehört auch, diese Forderung aufzustellen. Das ist etwas, was ich mir als Abgeordneter wünsche. Insofern wäre es mir schon recht gewesen, wenn auch das Bundeskanzleramt heute Abend mit dabei wäre; denn es sitzt auch dem Bundessicherheitsrat vor. Ich finde zwar schön, dass die im Bundessicherheitsrat vertretenen einzelnen Ressorts hier anwesend sind, aber ich hätte mir letztlich schon gewünscht, dass gerade das Bundeskanzleramt hier das hört, was ein selbstbewusstes Parlament in diese Debatte mit einbringen will. Ein Weiteres. In der Tat kritisieren Sie oft genug und, wie ich glaube, in einzelnen Teilen zu Recht das, was Vorgängerregierungen getan haben. Aber Sie vergessen dabei immer einen Aspekt: Abgeordnete meiner Fraktion haben bestimmte Entscheidungen auch zu rot-grüner Zeit – darauf bin ich stolz – kritisiert. Da hätte ich Sie gern an unserer Seite gehabt. Eine solche Kritik kennzeichnet ein selbstbewusstes Parlament, das mit der Frage der Rüstungsexporte umgeht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Sie hätten ja die Parlamentsbeteiligung einführen können!) Ich finde, dieses Parlament verdient schon, dass wir über die Rüstungsexporte kritisch diskutieren, egal wer in der jeweiligen Situation die Koalition stellt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, ich würde mir schon wünschen, dass Sie mit der Bundeskanzlerin hinter verschlossenen Türen – ich glaube, da gehört diese Sache erst einmal hin – über die gefährliche Gratwanderung reden, die sie hinsichtlich der Rüstungsexporte in den letzten Monaten offensichtlich begonnen hat. Weil sie weiß, dass es bei den Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern nicht populär ist, (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das stimmt nicht!) für Auslandseinsätze einzutreten, hat sie die Schlussfolgerung gezogen: Dann liefere ich doch lieber Waffen an andere Länder. Ich glaube, der eine oder andere in den Koalitionsfraktionen weiß, welch gefährliche Gratwanderung die Bundesregierung hier gerade zu machen versucht. Schauen wir uns noch einmal die Zahlen der Rüstungsindustrie an: Die Rüstungsindustrie ist doppelt so stark gewachsen wie die deutsche Industrie insgesamt. Das ist doch bereits die Antwort auf diese neue Doktrin. Damit bin ich bei einem weiteren Aspekt, der für ein selbstbewusstes Parlament spricht. Bitte helfen Sie dabei mit, die Bundesregierung auf einen anderen Weg zu bringen! Man darf Waffenlieferungen nicht mit deutscher souveräner Außenpolitik verwechseln. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch von den Koalitionsfraktionen, wir haben noch einige Monate in dieser Legislaturperiode. Ich bin Herrn Stinner, Herrn Polenz und vielen anderen sehr dankbar, die gesagt haben: In der Tat, da gibt es Nachbesserungsbedarf. – Ich habe Sie vor einigen Tagen eingeladen und gesagt: Lassen Sie uns darüber reden und möglicherweise auch Vorschläge einbringen! Wenn ich aus der heutigen Ausschusssitzung referieren darf: Sie wollen ja auch mehr Information. Sie wollen im Grunde genommen auch den souveränen Abgeordneten in die Diskussion bringen, mit dem Ziel, die Bundesregierung zu beraten und von bestimmten Entscheidungen abzuhalten. Dann lassen Sie es uns doch gemeinsam tun und die Bundesregierung auf einen neuen Weg bringen! Liebe Kolleginnen und Kollegen, geben Sie sich einen Ruck! Ich glaube, gerade die bundesrepublikanische Politik hätte es verdient, dass nicht nur über eine andere Rüstungsexportpolitik diskutiert wird, sondern dass das Parlament auch stärker einbezogen wird. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Erich G. Fritz hat nun für die Unionsfraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffen wir auf einen sachlichen Beitrag!) Erich G. Fritz (CDU/CSU): Herr Barthel, Sie haben ja nur das Spiel gespielt: Die einen sind die Bösen, die anderen die Braven oder die Guten. Ich glaube, solange die Debatte so läuft, wird man eine konstruktive Auseinandersetzung um den richtigen Weg eher verhindern als befördern. Das Kanzleramt übrigens – wenn ich das eben sagen darf – hat sich entschuldigt. (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das wusste ich nicht! Entschuldigung!) – Deshalb sage ich es ja. – Die Vertreter sind bei einer parallel stattfindenden Ausschusssitzung. Bismarck hat einmal gesagt, dass sich das Schicksal einer Nation in der Außenpolitik entscheidet. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Strauß hat einmal gesagt: Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nimmt, dem soll der Arm abfallen! – Gegenruf des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]: „Der Frieden muss bewaffnet sein“, habe ich mal von euch gehört!) – Es gibt in der Hinsicht bestimmt noch weitere gute Zitate, die wir austauschen können. Richtig ist, dass wir Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Frage einer wehrtechnischen Basis, einer Bündnisfähigkeit, einer Kooperationsfähigkeit und der Entwicklung einer europäischen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nicht jeweils getrennt voneinander behandeln sollten. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir den Versuch machen, das zusammenzudenken. (Klaus Barthel [SPD]: Ja, ja!) Nur dann wird ein Schuh daraus. (Klaus Barthel [SPD]: Dazu braucht man aber Informationen!) Ganz klar ist: Sie haben diese Aktuelle Stunde unter Vortäuschung falscher Tatsachen angemeldet. (Klaus Barthel [SPD]: Nein!) Das Thema haben Sie gar nicht verfolgt. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Kritisieren Sie mal den Bundestagspräsidenten nicht so hart! – Klaus Barthel [SPD]: Wenn Sie an der Sache vorbeireden, können wir nichts dafür!) Es ging Ihnen um die Fortsetzung der Diskussion, die wir heute Morgen schon in zwei Ausschüssen in, ich finde, vergleichsweise guter Art geführt haben. Worum geht es? Es geht im Kern um den Vorwurf, die jetzige Rüstungsexportpolitik unterscheide sich massiv von der der Vorgängerregierung. (Klaus Barthel [SPD]: Ja! So ist es auch!) Dafür gibt es von den Zahlen her keinen Beleg. (Klaus Barthel [SPD]: Doch!) – Nein. Der zweite Vorwurf ist, es gebe einen Paradigmenwechsel. (Klaus Barthel [SPD]: Ja!) Den entwickeln Sie aus zwei Sätzen der Bundeskanz-lerin – aus zwei Sätzen! – (Klaus Barthel [SPD]: Nein! De Maizière! Kauder!) in der Strausberger Rede. Der eine Satz lautet, es sei darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoller sein kann, Partner, Sicherheitspartner auszustatten, (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Jetzt kommen wir zum Punkt!) anstatt eigene Soldaten hinzuschicken. Diesen Gedanken halte ich für legitim. (Klaus Barthel [SPD]: Aber ja!) Ich möchte, dass es eine ausführliche Debatte darüber gibt (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das möchte ich auch!) und dass so etwas nicht sofort als Kampfmittel instrumentalisiert wird. Richtig ist doch, dass die rüstungspolitischen Grundsätze der Bundesregierung immer lange getragen haben, dass sich aber auf dieser Strecke die außen- und sicherheitspolitische Lage permanent verändert hat (Klaus Barthel [SPD]: Darüber müssen wir -reden!) und dass jede Bundesregierung vor der Notwendigkeit stand, darauf jeweils adäquat zu reagieren. (Klaus Barthel [SPD]: Also doch Paradigmenwechsel!) Wenn ich bei dieser Debatte hier Frau Keul gewesen wäre, hätte ich die ganze Rede darauf beschränkt, den Menschenrechtsbericht zu Saudi-Arabien vorzulesen. Der ist nämlich noch viel spannender als das, was sie zitiert hat. Ich glaube, jeder im Parlament kann verstehen, dass nach diesem Menschenrechtsbericht alleine der Gedanke an solche Lieferungen, wie sie jetzt angeblich im Raume stehen – wir wissen es ja gar nicht; es hat offensichtlich auch keine Beschlüsse gegeben –, dazu führt, dass nicht nur Fragen entstehen, sondern auch Emotionen. Das ist mir auch ganz klar. Das geht mir doch nicht anders. Aber man kann nur dann eine Antwort darauf finden, wenn man sich einer umfassenden Debatte stellt. (Klaus Barthel [SPD]: Richtig! Das sagen wir doch! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Ich habe von diesem Pult aus schon mehrfach gesagt – deshalb bin ich jetzt ein bisschen sauer, dass ich nicht zitiert worden bin –, (Heiterkeit – Zuruf von der SPD: Entschuldigung! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nächstes Mal!) dass das jetzige Vorgehen eine Zumutung für das Parlament ist und nicht so bleiben kann. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich habe mich sehr gefreut, dass nicht nur Herr Stinner heute Abend hier, sondern dass unser Koalitionspartner sowohl im Auswärtigen Ausschuss als auch im Wirtschaftsausschuss dezidiert gesagt hat, dass er ebenfalls für eine solche Veränderung ist. (Klaus Barthel [SPD]: Dann macht mal!) Ich habe Kollegen von Ihnen schon vor vier, fünf -Monaten gesagt: Wenn ihr aufhört, das Thema ständig in der Weise zu behandeln, dann wird es leichter, darüber zu reden und etwas zu ändern, als wenn dauernd dieser Verteidigungsdruck da ist. Es ist doch ganz klar, dass jede Regierung – egal, wie sie aussieht – Verantwortung übernehmen muss in der Frage: Sind wir kooperationsfähig und in der Lage, Ausrüstung zur Verfügung zu stellen, etc.? – Ich bin sicher, dass wir einen Weg finden werden, der das, was wir gemeinsam beklagen, ein Stück weit verändert. Ob es möglich sein wird – die Anhörungen haben ja eine Fülle von Material dafür geboten –, alles sozusagen in der öffentlichen Debatte auszutragen, weiß ich nicht. Ich glaube eher, nein. Aber dass die Arbeitsteilung „Wir tagen geheim, und ihr als jeweilige Mehrheitsfraktionen verteidigt das“ so nicht bleiben wird, da bin ich ganz sicher. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde ist der Kollege Christoph Strässer aus der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Christoph Strässer (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Fritz, herzlichen Dank für Ihre Rede. Ich glaube, sie führt uns auf den richtigen Pfad. Sie haben zwei Stichwörter genannt, die ich gerne aufgreifen möchte. Das ist – das wird Sie nicht wundern – das Thema Menschenrechte in Saudi-Arabien, aber es ist auch das Thema eines Paradigmenwechsels. Ich erlaube mir ganz einfach, Herr Stinner und Herr Lindner, einen früheren gemeinsamen Parteivorsitzenden von uns zu zitieren, nämlich Hans-Dietrich -Genscher. Sie wissen wahrscheinlich, dass ich bis 1982 in der FDP gewesen bin. (Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: Ein Jungdemokrat seinerzeit!) Hans-Dietrich Genscher hat am 2. November 2012 in der Zeit eine, wie ich finde, bemerkenswerte Feststellung in Richtung der aktuellen und früheren Rüstungsexportpolitik getroffen. Er hat gesagt – so jedenfalls das Zitat –: Die deutsche Zurückhaltung in der Rüstungsexportpolitik hat sich auch rückblickend als richtig erwiesen, und man sollte daran festhalten. Zitat von Hans-Dietrich Genscher. Vielleicht hören Sie auf ihn. Er hat das natürlich angesichts der aktuellen Diskussion über die möglichen, wahrscheinlichen, jedenfalls in der Öffentlichkeit stehenden Exporte von Panzern nach Saudi-Arabien gesagt. Ich sage nur: Recht hat der Mann. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist die eine Geschichte. Die zweite Geschichte, Herr Lindner und Herr Stinner, ist: Sie haben die unterschiedliche Qualität von Waffen bei der Aufstandsbekämpfung angesprochen. Ich will das an dieser Stelle nicht auf Saudi-Arabien beschränken, sondern Sie – Sie wissen es möglicherweise; auch das hat mit deutscher Rüstungsexportpolitik zu tun – auf ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen die Firma Heckler & Koch hinweisen. Die Firma Heckler & Koch – das scheint sich zu bestätigen – hat mehr als 4 000 G-36-Gewehre an vier Provinzen in Mexiko geliefert. Diese vier Provinzen, insbesondere Chiapas, wurden von allen Bundesregierungen bisher als so gefährlich eingestuft, dass Rüstungsexporte dorthin schlichtweg untersagt waren. Dort sind diese Gewehre jetzt aufgetaucht. Ich halte es für einen Skandal, dass wir dies aus der Öffentlichkeit erfahren und hier im Parlament nicht diskutieren. Das ist ganz schlimm. Diese G-36-Gewehre sind die modernsten auf dem Markt. Dies muss aufhören. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zu Saudi-Arabien. Herr Lindner, ich fand es bemerkenswert, wie Sie über das Thema Menschenrechte gesprochen haben. Ich glaube, Sie unterliegen immer noch dem Irrglauben, dass man Menschenrechte dadurch verteidigen bzw. verwirklichen kann, dass man Panzer und Waffensysteme an menschenverachtende Regime liefert. Nichts anderes ist das saudi-arabische Regime. Es steht in der Hierarchie der Menschenrechte an unterster Stelle. Ich will Ihnen diese Tatsache nicht verschweigen. Das Thema Frauenrechte ist schon angesprochen worden. Wir sind uns über das, was dort passiert, einig. Frauen, die heiraten wollen, stehen unter der Vormundschaft ihres Mannes. Wenn sie ein Studium aufnehmen wollen, stehen sie unter der Vormundschaft ihres Ehemannes. Es gibt weitere Beispiele. Ich will jetzt aber ein Thema aufgreifen, das heute überhaupt noch keine Rolle gespielt hat. Das ist das Allerschlimmste. Es ist das Thema Todesstrafe. Ich kann wirklich nicht akzeptieren, dass wir einem Regime Waffen liefern, das im Jahr 2011 mindestens 86 Menschen hingerichtet hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie sollten sich über den Charakter dieses Regimes im Klaren sein. Wenn wir argumentieren wie Frau Merkel, wie Herr Kauder und andere, dann haben wir das Thema „lessons learnt“ noch nicht begriffen. Punkt 2 der Rüstungsexportrichtlinien besagt nicht, dass zwischen Menschenrechten und anderen Interessen abzuwägen ist, sondern er besagt, dass Menschenrechte ein besonderes Gewicht haben. Unter diesem Aspekt sind natürlich auch solche Entscheidungen zu diskutieren. Es ist völlig klar, dass der Export von Waffen nach Saudi-Arabien, in diese Region überhaupt – das ist meine feste Überzeugung nach den Erfahrungen, die wir in Libyen, in Syrien, in Jordanien und anderen Ländern gemacht haben – diese Region nicht stabilisiert, sondern destabilisiert. Hinterher werden wir wieder aufgefordert, wenn die Menschen auf die Straßen gehen, denjenigen die Waffen abzunehmen, denen wir sie geliefert haben. Das haben wir gelernt. Daraus sollten wir Schlüsse ziehen und Schluss machen mit Rüstungsexporten in diese Länder. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 13. Dezember 2012, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen heute Abend noch ein wenig Erholung. (Schluss: 19.18 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Binder, Karin DIE LINKE 12.12.2012 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 12.12.2012 Djir-Sarai, Bijan FDP 12.12.2012 Fischer (Göttingen), Hartwig CDU/CSU 12.12.2012 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 12.12.2012 Gabriel, Sigmar SPD 12.12.2012 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 12.12.2012 Göppel, Josef CDU/CSU 12.12.2012 Gottschalck, Ulrike SPD 12.12.2012 Grindel, Reinhard CDU/CSU 12.12.2012 Kramme, Anette SPD 12.12.2012 Dr. Lamers (Heidelberg), Karl A. CDU/CSU 12.12.2012 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 12.12.2012 Nink, Manfred SPD 12.12.2012 Ortel, Holger SPD 12.12.2012 Dr. Ratjen-Damerau, Christiane FDP 12.12.2012 Schlecht, Michael DIE LINKE 12.12.2012 Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12.12.2012 Thönnes, Franz SPD 12.12.2012 Dr. Wadephul, Johann CDU/CSU 12.12.2012 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 12.12.2012 Werner, Katrin DIE LINKE 12.12.2012 Dr. Westerwelle, Guido FDP 12.12.2012 Zapf, Uta SPD 12.12.2012 Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichen Abstimmungen: – Gesetzentwurf der Abg. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) u. a.: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11430, 17/11800 und 17/11814) – Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814) – Änderungsantrag der Abg. Burkhard Lischka u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11815) – Änderungsantrag der Abg. Jerzy Montag u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11816) – Änderungsantrag der Abg. Dr. Carola Reimann u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11835) (Tagesordnungspunkt 1) Christine Buchholz (DIE LINKE): Ich habe heute für den Gesetzentwurf der Regierung gestimmt, weil er die Beschneidung minderjähriger Jungen, wie bisher üblich, durch ausgebildete Beschneider und Ärzte erlaubt. Das Gesetz ist nötig geworden, weil das Kölner Urteil die für Juden und Muslime identitätsstiftende Praxis nicht nur infrage, sondern auch potenziell unter Strafe stellt. Der alternative Gesetzentwurf aus den Reihen der Opposition, der Beschneidung erst ab 14 Jahren erlauben will, gibt keine Antwort auf die Frage, wie eine Strafe durchgesetzt werden soll. Er ignoriert die Folgen für das Zusammenleben in einer multikulturellen, multireligiösen Gesellschaft. Ich befürchte, sollte er eine Mehrheit bekommen, würde er ein Klima der Denunziation und der Verunsicherung schaffen. Das Kindeswohl von jüdischen und muslimischen Jungen wird durch ein Verbot nicht verbessert. Im Gegenteil: Sie würden in einem Klima der Diskriminierung und Strafverfolgung aufwachsen. Ein Verbot würde die Situation von Juden und Muslimen in Deutschland verschlechtern, die bereits vor dem Kölner Urteil in ihrem Alltag mit Antisemitismus und wachsendem antimuslimischen Rassismus konfrontiert waren. Ich möchte eine offene, vielfältige und solidarische Gesellschaft. Der Kampf gegen Rassismus und das Eintreten für Minderheitenrechte und Religionsfreiheit ist für mich Kern eines linken Selbstverständnisses. Nicht zuletzt läuft ein Verbot innerjüdischen und innermuslimischen Reformprozessen zuwider. Ich teile die Einschätzung des Generalsekretärs des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer; „Ja wir müssen über vieles reden. (…) Aber wir kommen ja gar nicht dazu, darüber in Ruhe miteinander zu diskutieren, auch in der jüdischen Gemeinde, weil ständig Leute mit dem Finger auf uns zeigen und uns schulmeisterlich als Kinderschänder beschimpfen oder die Beschneidung mit Folter und Verstümmelung gleichsetzen und von blutigen Ritualen schwadronieren, was mit der geübten Beschneidungspraxis nichts zu tun hat.“ Aus all diesen Gründen habe ich heute für den Gesetzentwurf der Bundesregierung gestimmt, der die Religionsfreiheit von religiösen Minderheiten in Deutschland bekräftigt. Sylvia Canel (FDP): Das Landgericht Köln hat durch sein Urteil vom 7. Mai 2012 die Beschneidung minderjähriger Jungen aus religiösen Gründen als rechtswidrige Körperverletzung eingestuft und damit eine grundsätzliche öffentliche Diskussion ausgelöst. Die Bundesregierung kündigte daraufhin an, rituelle Beschneidungen nach jüdischer und islamischer Tradition durch ein Gesetz legitimieren zu wollen. Der jetzt vorgelegte Antrag beinhaltet wegweisende Kompromisse, die jedoch die Belange der UN-Kinderrechtskonvention nicht ausreichend berücksichtigen. Das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und damit die Freiheit des Einzelnen, über sich selbst und seinen Körper bestimmen zu können, sollte über den konkurrierenden Rechtsgütern wie dem Recht der Eltern auf Religionsfreiheit und Erziehungsfreiheit stehen. Grundsätzlich sollte sich jede Bürgerin und jeder Bürger selbst entscheiden können, welcher Religion sie oder er sich anschließen möchte, und grundsätzlich gehört die Teilnahme an religiösen Ritualen zum Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen. Es ist jedoch darauf hinzuwirken, dass eine Beschneidung erst in einem Alter erfolgen darf, in dem der Betroffene seine Zustimmung selbst geben und die Irreversibilität seiner Entscheidung verstehen kann. Meiner Meinung nach sollten die Unantastbarkeit der Würde des Menschen, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Religionsfreiheit des Individuums dazu führen, dass die Gesellschaft keine religiös motivierten Körperverletzungen an Kindern erlaubt. Kinderrechte dürfen nicht da aufhören, wo Religion anfängt. Ich stimme daher dem eingebrachten Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht zu. Zielführender wäre eine zeitlich befristete Aussetzung von Strafverfolgung unter bestimmten medizinisch indizierten Bedingungen, ähnlich wie beim § 218 StGB verfahren wurde. Viele religiös motivierten Rituale haben sich im Laufe der Zeit durch Aufklärung geändert und heute symbolischen Charakter angenommen. Es wäre wünschenswert, wenn die Regierung Anstrengungen unternehmen und durch eine Aufklärungskampagne eine Entwicklung zur Symbolisierung der religiösen Beschneidungen unterstützen würde. Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute haben wir über einen Gesetzentwurf über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes zu entscheiden. Ich habe mich mit einer Entscheidung, wie ich mich zu dieser Frage verhalten soll, extrem schwergetan. Im Sommer hatte ich mich deshalb zum übereilten Antrag der Regierungsfraktionen – Bundestagsdrucksache 17/10331 – enthalten, in dem ein Gesetzentwurf zur rechtlichen Zulässigkeit von fachgerechten Beschneidungen von Jungen in medizinisch nicht indizierten Fällen gefordert wurde. Meine Hauptbegründung war, dass aufgrund der Eile, in der der Antrag entstanden ist, keine Zeit war, diese komplexe Thematik ausreichend zu erörtern. Nach ausführlichen Diskussionen im Bundestag, in der Bundestagsfraktion mit externen Referentinnen und Referenten, in der Partei, aber auch mit muslimischen und jüdischen Gemeindevertretern und Gemeindevertreterinnen möchte ich eine Straffreiheit für Familien, die ihre Jungen beschneiden lassen möchten, sicherstellen. Die Frage, ob das religiöse Ritual der Jungenbeschneidung noch zeitgemäß ist und notwendigerweise zur jüdischen oder muslimischen Identität gehört, kann ich nicht beantworten. Diese Frage sollte meines Erachtens jedoch auch nicht von der Mehrheitsgesellschaft beziehungsweise durch staatliche Intervention oder gar Kriminalisierung beantwortet werden. Aus meiner Sicht muss die Debatte in den betroffenen Religionsgemeinschaften selbst geführt werden. Und dort wird sie – wie auch die Anhörung der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen gezeigt hat – auf individueller Ebene geführt und höchst unterschiedlich beantwortet. Die gesellschaftliche Diskussion über Beschneidung war in den letzten Monaten allerdings neben der wichtigen Sorge um das Kindeswohl bedauerlicherweise auch von Hysterie und althergebrachten Vorurteilen über „archaische Rituale“ geprägt. Nach langer Überlegung stimme ich somit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu, da er wichtige, dem Kindeswohl dienende Kriterien für die religiös motivierte Beschneidung von Jungen formuliert. Ohne die Möglichkeit einer rechtmäßigen Beschneidung würde dagegen aus meiner Sicht für viele Juden und Muslime ein religiöses Leben in Deutschland erheblich erschwert. Bei einem Verbot der religiös motivierten Beschneidung von Jungen müssten Beschneidungen strafrechtlich verfolgt werden. Das bedeutet in der Praxis für Familien und Ärzte, die an einer Beschneidung beteiligt wären, dass sie anschließend mit dem Jugendamt oder gar einem Strafbefehl rechnen müssten. Dasselbe würde auch für Familien gelten, die eine Beschneidung im Ausland vornehmen ließen und anschließend nach Deutschland zurückkehrten. Eine solche Wahl der Mittel kann und möchte ich keineswegs unterstützen und ist mit meinen Vorstellungen einer modernen Einwanderungs- und Integrationspolitik sowie einer pluralistischen Gesellschaft unvereinbar. Ich habe auch dem Änderungsantrag meines Fraktionskollegen Jerzy Montag und anderer zugestimmt, der eine Sondernorm des Familienrechts vorsieht, nach der der Kindeswillen bei älteren Kindern berücksichtigt werden soll, die – wenn auch noch nicht im Rechtssinne einwilligungsfähig – doch eine klare Vorstellung davon haben, was mit ihnen geschehen soll, und die sich deutlich gegen eine Beschneidung wenden. Zudem habe ich der Forderung des Änderungsantrags des Kollegen Montag nach einer Begrenzung der Frist der Sonderreglung der Beschneidung durch Nichtärzte von sechs Monaten auf zwei Wochen zugestimmt, da diese Frist für die Bedürfnisse des jüdischen Bekenntnisses ausreicht. Des Weiteren habe ich einem Teil des Änderungsantrags des Kollegen Burkhard Lischka und der Kollegin Christine Lambrecht – und anderer – zugestimmt, die eine Evaluierung der Regelungen des Gesetzes innerhalb von fünf Jahren durch das Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit fordern. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich stimme dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Regelung der Beschneidung zu. Trotz anderer Auffassung in einzelnen Punkten ist es aus meiner Sicht nach dem viel zitierten Urteil des Landgerichts Köln und der sich anschließenden vielfältigen – und teils hochemotionalen – Debatten unausweichlich, zu einer konkreten gesetzlichen Regelung zu gelangen. Nach reiflicher Abwägung der betroffenen Rechtsgüter, vor allem aber nach dezidierter Prüfung des Sachverhalts bezogen auf das Kindeswohl halte ich die rechtliche Zulässigkeit von nicht medizinisch indizierten Beschneidungen für richtig. Daraus resultiert auch meine Zustimmung zum Gesetzentwurf. Nichtsdestotrotz erscheinen Änderungen am vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung fachlich geboten. Dies betrifft vor allem die Berücksichtigung des Kindeswillens sowie die Fristsetzung für die Durchführung der Beschneidung durch eine Person ohne ärztliche Ausbildung. Diese aus meiner Sicht erforderlichen Regelungen sind in einem Änderungsantrag (Bundestagsdrucksache 17/11816) dargelegt, der jedoch im federführenden Ausschuss leider nicht die erforderliche Mehrheit erhalten hat. Ich gehe davon aus, dass es durch eine -weitere gesellschaftliche und auch wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema auch zu Modifikationen in der genannten Weise der Gesetzesregelung kommen kann. Trotz der ausgeführten Schwächen sehe ich in dem Gesetzentwurf eine tragfähige Regelung. Ganz unstreitig ist die Beschneidung, wie jede Operation, ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Kindes. Demgegenüber steht jedoch das Recht des Kindes auf eine gute Förderung seiner Entwicklung, zuvörderst verantwortet und erbracht durch die Eltern. Diese Förderung umfasst eben auch weltanschauliche Aspekte, wozu in vielen Fällen zwingend die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft gehört. Diese – identitätsstiftende – Zugehörigkeit nicht zu ermöglichen, stellte nicht nur für die Eltern, sondern auch für das betroffene Kind eine nicht zu unterschätzende Einschränkung dar. In der jüdischen und den muslimischen Glaubensgemeinschaften ist die Beschneidung ein absolut essenzielles Element. Diese beiden Ebenen gilt es innerhalb einer „Kindeswohlprüfung“ abzuwägen. Ich komme dabei zu dem Schluss, dass die Beschneidung als Zeichen der religiösen Zugehörigkeit zulässig sein soll, sofern sie fachgerecht durchgeführt wird. Es ist richtig, dass die Eltern stellvertretend für ihr Kind in diesen vergleichsweise geringfügigen Eingriff einwilligen können. Es gibt etliche, ungleich schwerwiegendere erzieherische Entscheidungen und Maßnahmen, die ebenfalls mit gutem Grund kein staatliches Eingreifen nach sich ziehen. Die im Gesetz formulierten und für die Umsetzung vorgesehenen Kriterien für eine rechtmäßige Beschneidung sollten zudem dazu beitragen, dass der Eingriff mit geringstmöglichen Belastungen für das Kind einhergeht. Dies wäre bei einer Nichtregelung oder gar einem Verbot nicht zu erwarten, weil dann gewiss eine Vielzahl von Beschneidungen im Verborgenen und nicht fachgerecht durchgeführt würde. Überdies ist es oftmals hochproblematisch, strittige Fragen zu religiösen Symbolen und Handlungen mittels strafbewehrter Gesetzesnormen klären zu wollen. Die bisweilen schablonenhafte Einordnung der Beschneidung als Kindeswohlgefährdung droht die – absolut richtige! – Ächtung und Verfolgung von Tatbeständen wie Kindesmisshandlung, Vernachlässigung oder sexualisierter Gewalt, aber auch gewaltsamer Erziehung in der öffentlichen Wahrnehmung aufzuweichen. Dies würde die gerade in den letzten Jahren sehr konstruktiv verlaufende Kinderschutzdebatte belasten. Damit soll jedoch nicht impliziert werden, dass kritische Haltungen zur Beschneidung illegitim wären, im Gegenteil. Diese Diskussionen sollen jetzt und auch weiterhin geführt werden und zur kritischen Reflexion auf allen Seiten, das heißt auch in den Religionsgemeinschaften, beitragen. Das kann aber nur sinnvoll in gesellschaftlichen Diskursen erfolgen. Dabei sollte die Grenze zu den massiven Kindeswohlgefährdungen im Blick behalten werden. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die in den letzten Monaten zunehmend emotionaler und teilweise aggressiver werdende Debatte um eine gesetzliche Regelung der Beschneidung hat mich zu der Entscheidung gebracht, keinem der beiden vorgelegten Gesetzentwürfe zuzustimmen. Ich habe mich sogar entschlossen, beide abzulehnen, weil ich eine Entscheidung am heutigen Tage für falsch halte. Beide Gesetzentwürfe schaffen nicht die gesellschaftlich tragfähige Grundlage, um die mit der Problematik der Beschneidung von einwilligungsunfähigen Jungen aufgeworfenen Fragen achtsam zu lösen. Stattdessen plädiere ich eindringlich für den Vorschlag eines Moratoriums zur Klärung der gesetzlichen Regelung der Jungenbeschneidung sowie die Einsetzung eines Runden Tisches. Die Plötzlichkeit, mit der das Kölner Urteil eine Debatte über die Jungenbeschneidung ausgelöst hat, und die heftigen Reaktionen sind ein Warnsignal. Sie sind auch Ausdruck einer ungeklärten Situation, ebenso von Ängsten und Aggressionen innerhalb unserer Gesellschaft, die nicht durch eine übereilte Gesetzesänderung ausbalanciert werden können, sondern durch eine Regelung im Hauruckverfahren sogar noch verschärft zu werden drohen. In einer unzureichend reflektierten Ermöglichung – „Freigabe“? – der Beschneidung von Jungen sehe ich große Gefahren für unser Rechtssystem, weil dadurch das Selbstbestimmungsrecht und die körperliche Unversehrtheit von Kindern gefährdet werden. Die Beschneidung selbst ist kein harmloser Eingriff. Gleichzeitig ist eine traditionelle Praxis, die seit Jahrtausenden gepflegt wird, nicht durch eine schnelle Gesetzesentscheidung zu regeln. Viele Mitglieder des Bundestages haben in den vergangenen Monaten in ihren Beiträgen erkennen lassen, dass sie sich nach eigener Auffassung mit den komplexen medizinischen, juristischen, religiösen und kulturellen Dimensionen dieser Frage noch nicht mit der gebotenen Ausführlichkeit befassen konnten. Auch den jüdischen und muslimischen Gemeinden in Deutschland ist mit einer Regelung nicht gedient, die auf keiner umfassenden politischen Debatte ruht. Mir ist ausdrücklich daran gelegen, mit den jüdischen und muslimischen Gemeinden in einen intensiven Dialog zu treten und gemeinsam nach einer guten und vor allem gut begründeten Lösung zu suchen. Der Deutsche Bundestag hat gute Erfahrungen damit gemacht, sich bei wichtigen Entscheidungen prinzipieller Art Zeit zu lassen. Dafür trete ich auch in dieser Frage ein. Petra Ernstberger (SPD): Im Respekt vor religiösen Traditionen und Ritualen wünsche ich mir eine Rechtslage in Deutschland, die die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen erlaubt. Leider sehe ich in keinem der vorliegenden Regelungspfade eine angemessene Lösung. Ich habe erhebliche Bedenken, dass die Beschneidung durch eine Person ohne Approbation toleriert werden soll. Zweifelsfrei handelt es sich um einen chirurgischen Eingriff. Zweifelsfrei verursacht er Schmerzen. In Respekt vor dem Grundrecht der Ausübung der Religionsfreiheit ist es nach meiner Auffassung geboten, dieses Ritual mit den ansonsten in Deutschland üblichen medizinischen Standards bei Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit zu verbinden. Den Gesetzentwurf, der eine Beschneidung aus religiösen Gründen erst ab einem Lebensalter von 14 Jahren erlaubt, lehne ich ab. Auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist für mich in seiner Ursprungsversion nicht zustimmungsfähig. Die Änderungsanträge der SPD-Fraktion zum Entwurf der Bundesregierung sind notwendige und sinnvolle Verbesserungen. Dies gilt insbesondere für den Antrag, der eine Fristverkürzung auf zwei Monate für einen derartigen Eingriff durch eine nicht approbierte Person vorsieht. Ich bedauere sehr, dass es vonseiten der die Regierung tragenden Fraktionen kein Interesse an einem interfraktionellen Dialog gegeben hat, der eine von einer -äußerst breiten Mehrheit getragene Entscheidung ermöglicht hätte. Da heute keine Lösung zur Abstimmung steht, der ich umfänglich zustimmen kann, werde ich mich der Stimme enthalten. Zugleich fühle ich mich verpflichtet, mich in der gesellschaftlichen Debatte weiter für Beschneidung aus religiösen Gründen durch approbierte Personen einzusetzen. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eltern haben gerade in den ersten Lebensjahren eine große Verantwortung für das Wohl ihrer Kinder. Sie müssen nicht nur täglich dafür sorgen, dass ihre Kinder mit allem Notwendigen versorgt werden und mit liebevoller Zuwendung aufwachsen, sondern sie müssen weitere Entscheidungen für die Entwicklung des Kindes treffen. Dazu gehören auch Entscheidungen, ob und in welchem Maß ein Kind nach religiösen Werten erzogen wird. Die religiös begründete Entscheidung von Eltern zur Beschneidung von Jungen ist getragen vom Wunsch der Eltern, eine möglichst gute Entwicklung des Kindes nach den Werten der eigenen Religion zu ermöglichen. Sie wollen das Beste für ihr Kind und folgen damit den Vorgaben ihrer Religion, die ihnen in ihrem Leben Halt und Orientierung gibt. Als Vater habe ich persönlich Entscheidungen zum Wohl meiner Kinder getroffen. Dabei wäre eine Entscheidung zu einer Beschneidung undenkbar gewesen. Diesen irreversiblen Eingriff bewerte ich als einen erheblichen Eingriff in das spätere Selbstbestimmungsrecht des Kindes. Ungeachtet dessen respektiere ich die Religiosität anderer Menschen. Und ich nehme wahr, dass andere Menschen aus ihrem Glauben heraus zu anderen Entscheidungen kommen, auch und gerade wenn es um das Wohl ihrer Kinder geht. Bei meiner Entscheidungsfindung zum Gesetzentwurf zur Beschneidung habe ich abgewogen, welche Auswirkungen eine Beschneidung auf die Entwicklung von Jungen hat. Und ich habe meine Entscheidung in Kenntnis der Tatsache getroffen, dass in keinem Land dieser Welt eine Beschneidung von Jungen unter Strafe gestellt ist. Deshalb habe ich mich entschieden, dem Antrag der Bundesregierung zuzustimmen, der im Kern die strafrechtliche Freiheit der Beschneidung zusichert, sofern sie fachgerecht durchgeführt wird. Mit dieser Entscheidung ist keinesfalls eine Zustimmung zur Beschneidung verbunden. Es ist nur die Frage, wie ich und unsere Gesellschaft eine jahrhundertealte Tradition der Beschneidung brechen kann. Und da ist mir im Zuge der Debatte klar geworden, dass das Mittel des Strafrechtes der falsche Weg ist. Die Debatte um die Beschneidung hat mir zusätzlich Motivation und Antrieb gegeben, die repressionsfreie Erziehung und Anleitung von Kindern zu verantwortungsvollen, selbstbestimmten Menschen als zentrales Ziel zu beachten und mich im Gespräch und der Auseinandersetzung insbesondere auch mit Religionsgemeinschaften dafür einzusetzen. Michael Groß (SPD): Durch das Urteil des Kölner Landgerichts vom 7. Mai 2012 ist die religiöse Beschneidung als rechtswidrige Körperverletzung gewertet worden. Für den Bundestag bedeutet das Urteil, mit einem entsprechenden Gesetz die notwendige Grundlage zur Rechtssicherheit zu schaffen. 1990 wurde erstmalig der Vorrang des Kindeswohls in einer UN-Menschenrechtskonvention verankert. Die UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, überlieferte Traditionen abzuschaffen, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind. Dies war auch die Grundlage des Gesetzes zur gewaltfreien Kinder-erziehung im Jahre 2000 durch die damalige rot-grüne Bundesregierung. Unsere demokratische Gesellschaft beruht auf unserer Verfassung und den darin für jede Bürgerin und jeden Bürger verankerten Grundrechten. Mit der heutigen Entscheidung müssen verschiedene grundrechtlich verbürgte Positionen gegeneinander abgewogen werden: das Recht auf die freie Persönlichkeitsentfaltung, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Religionsfreiheit und das Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Ich habe mir in meinem Wahlkreis in persönlichen Gesprächen sowohl mit Vertretern der jüdischen Gemeinschaft als auch mit Vertretern muslimischer Religionsgemeinschaften zum Thema „Beschneidung des männlichen Kindes“ ein Bild von den grundlegenden Positionen machen können. Insbesondere die religiöse Bedeutung der Beschneidung, der Zeitpunkt der Beschneidung und die Frage, wer Beschneidungen durchführen sollte, waren wichtige Gesprächspunkte. Die Beschneidung männlicher Kinder hat in der jüdischen und muslimischen Religion eine lange Tradition, ist aber unterschiedlich ritualisiert. Eine Beschneidung muss aber aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung und Konstituierung für den Glauben erlaubt sein. Dabei steht für mich das Wohl des Kindes im Mittelpunkt, ohne die Religionsfreiheit und die zentrale Bedeutung für viele Menschen infrage stellen oder abwerten zu wollen. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Kinder bis zur eigenen freien Mitentscheidung ist aus meiner Sicht als höchstes Gut vorrangig zu betrachten. Eine Einsichtsfähigkeit des Kindes sollte gewährleistet sein, und seine Wünsche sollten Berücksichtigung finden. Selbstverständlich ist die Beschneidung unter fachmedizinischer Kontrolle durchzuführen. Da die vorliegenden Gesetzentwürfe weder dem Kindeswohl in vollem Umfang noch der Frage der Religionsfreiheit zufriedenstellend gerecht werden und aus meiner Sicht in zu kurzer und nicht umfassender Beratung erstellt wurden und keiner meine vollumfängliche Zustimmung findet, werde ich mich bei den Abstimmungen enthalten. Die vorliegende Gesetzentwürfe werden aus meiner Sicht die aufgeworfenen Fragen nicht lösen. Das in unserem Land gelebte verfassungsgemäße Verständnis von Demokratie sieht die Kinder zuerst als schutzbedürftige Individuen. Dieses Grundrecht wird mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung geschwächt. Aus meiner Sicht ist ein Moratorium nötig und ein Runder Tisch mit Sachverständigen, Vertretern aller Religionsgemeinschaften und Fachleuten einzusetzen, um wissenschaftlich, juristisch und religiös fundiert zur Erarbeitung einer Regelung mit breiter Akzeptanz zu diskutieren. Rudolf Henke (CDU/CSU): In der öffentlichen -Anhörung des Rechtsausschusses am 26. November 2012 zur Beschneidung über die Bundestagsdrucksachen 17/11295 und 17/11430 hat der Sachverständige Professor Dr. med. Hans Kristof Graf wörtlich ausgeführt: „Ich möchte hiermit zum Ausdruck bringen, dass wir den Entwurf der Regierung unterstützen. Einschränkend möchte ich aber auch sagen, dass wir den Zeitraum sechs Monate nicht unbedingt für plausibel halten, was den ersten Absatz angeht. Wir können durchaus auch mit der Einschränkung auf 14 Tage, entsprechend dem Antrag von Herrn Montag, gut leben.“ Einschränkend hat er -hinzugefügt, dass 14 Tage auch sehr kurz gegriffen seien, wenn man zum Beispiel Neugeborene mit einer Gelbsucht nehme, die durchaus auch einen größeren Zeitraum benötigen. Der Sachverständige Professor Dr. Oliver Hakenberg hat ausgeführt: „Die Deutsche Gesellschaft für Urologie begrüßt den Gesetzentwurf der Bundesregierung.“ Zu den Änderungsanträgen: „Auch wir sind der Meinung, dass diese sechsmonatige Zeitspanne zu weit gefasst ist, und sehen dafür keinen vernünftigen Grund.“ Die Sachverständige Dr. med. Antje Yael Deusel hat unter anderem ausgeführt: „Die Beschneidung findet in der Regel am achten Lebenstag des männlichen Säuglings statt; außer wenn medizinische gesundheitliche Einschränkungen bestehen. Hier ist die U2 von besonderer Wichtigkeit, auch die Familienanamnese und eventuelle Zusatzuntersuchungen. Eine ärztliche Beratung der Eltern ist in diesem Zusammenhang erforderlich, und hierbei sollte dann auch gleich die angehende Opera-tionsaufklärung beider Elternteile über die Beschneidung und die Komplikationsmöglichkeiten erfolgen.“ Der Sachverständige Prof. Siegfried Willutzki hat ausgeführt: „Bei der Sechsmonatsfrist, wie sie im Gesetz für den nichtärztlichen Beschneider vorgesehen ist, habe ich ähnliche Bedenken, wie sie auch von Herrn Graf angeführt worden sind. Ich denke, dass der Vorschlag in dem Gruppenantrag von Herrn Montag und anderen eine durchaus sinnvolle Lösung darstellen könnte.“ Der Sachverständige Professor Dr. Hans Michael -Heinig hat unter anderem ausgeführt: „Zum Änderungsantrag Jerzy Montag und andere möchte ich Folgendes anmerken ... Die für § 1631 d Abs. 2 BGB vorgeschlagene Fristverkürzung reflektiert den Umstand, dass eine lege artis durchgeführte Beschneidung einer schmerz-therapeutischen Begleitung bedarf. Und die kann aus arznei- und betäubungsmittelrechtlichen Gründen zumindest ab einem gewissen Alter nur von einem Arzt vorgenommen werden. Gegenwärtig dominieren nach meiner Wahrnehmung die Stimmen, die in den ersten Wochen die seitens der Mohalim in Deutschland angewendete schmerztherapeutische Behandlung für fachgerecht halten. Darüber lässt es sich trefflich diskutieren, und wo genau zwischen 14 Tagen und 6 Monaten die Grenze zu ziehen ist, das genau ist eine Frage der ärztlichen Kunst. Und bei der Festlegung solcher ärztlichen Fachstandards pflegt sich der Gesetzgeber sonst mit -guten Gründen zurückzuhalten, gerade auch, um der -Dynamik wissenschaftlicher Entwicklungen bestmöglich Rechnung zu tragen.“ Der Sachverständige Aiman A. Mazyek hat ausgeführt: „Für uns ist die Herabsetzung von sechs Monaten auf zwei Wochen oder eine andere Zeit nicht von Belang, und wir haben dazu keine Vorbehalte.“ Auf Nachfrage hat der Sachverständige Professor Dr. med. Hans Kristof Graf aus dem Jüdischen Krankenhaus Berlin geschildert: „Es ist Usus in unserer Klinik, bis einschließlich zur zweiten Lebenswoche mit Emla-Creme vorzugehen. Danach – das ist einfach ein Abkommen, was wir mit unseren Anästhesisten und mit den Chirurgen geschlossen haben – führen wir eine Vollnarkose durch.“ Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen habe ich in der CDU/CSU-Fraktion den Antrag gestellt, die Frist von sechs Monaten im Gesetzentwurf der Bundesregierung auf zwei Wochen zu verkürzen, und dafür etliche Unterstützung, jedoch keine Mehrheit erreicht. Da ich eine Frist von sechs Monaten für zu lang halte, um die eigentliche Beschneidung durch einen nichtärztlichen Mohel durchzuführen zu lassen, stimme ich in der namentlichen Abstimmung des Deutschen Bundestages für den von Herrn Montag vorgelegten Antrag zur Verkürzung der Frist von sechs Monaten auf 14 Tage. Sollte dieser Änderungsantrag nicht angenommen werden, stimme ich danach für den Änderungsantrag der Kolleginnen Reimann und Griese zur Verkürzung der Frist von sechs Monaten auf zwei Monate. Aus Gründen des religiösen Friedens in Deutschland stimme ich auf jeden Fall für den aus der Abstimmung der Änderungsanträge hervorgehenden Gesetzentwurf der Bundesregierung. Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der Folge des Urteils des Kölner Landgerichts vom 7. Mai 2012, in dem die Beschneidung eines Jungen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet wurde, kam es zu großen Verunsicherungen, zum einen bei jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, zum anderen bei Ärztinnen und Ärzten. Dem Urteil kommt weit über die Religionsgemeinschaften und Fachkreise hinaus große Aufmerksamkeit zu. Dies geschieht aus gutem Grund, denn betroffen sind mehrere grundrechtssensible Bereiche. Der Staat muss auf diese Verunsicherungen reagieren und Rechtssicherheit schaffen. Dabei hat er die schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe, sowohl die körperliche Unversehrtheit jedes Einzelnen zu schützen als auch die Religionsfreiheit zu gewährleisten und außerdem das Elternrecht auf Erziehung zu berücksichtigen. Muslimisches und jüdisches religiöses Leben müssen in Deutschland weiterhin möglich sein. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit nur in begründeten Fällen zulässig sind und vor allem medizinisch korrekt und ohne unnötige Schmerzen durchgeführt werden. Vor einigen Monaten hatte ich dafür plädiert, eine intensive, vielschichtige und facettenreiche Diskussion zu führen und nicht vorschnell zulasten des einen oder anderen Grundrechtes zu entscheiden. Mir war es wichtig, das Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Religionsgemeinschaften, Medizinerinnen und Medizinern und anderen Fachleuten zu suchen, alle Argumente abzuwägen und auszuwerten, alle möglichen Blickwinkel einzunehmen und auch die Konsequenzen zu berücksichtigen, die die verschiedenen Möglichkeiten mit sich bringen. In den vergangenen Monaten habe ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundestag auf verschiedenen Ebenen diese Gespräche gesucht und geführt. In einem Fachgespräch der grünen Bundestagsfraktion und in verschiedenen Einzelgesprächen habe ich mich umfassend informiert. Das Bundesjustizministerium hat einen Entwurf vorgelegt, der aus meiner Sicht in die richtige Richtung geht. Ich finde es richtig, eine Regelung im Familienrecht zu treffen und nicht im Strafrecht. Hinsichtlich der Beachtung des Kindeswillens gibt es allerdings Verbesserungsmöglichkeiten. Ich meine, dass einsichts- und urteilsfähige Jungen selbst in die Beschneidung einwilligen müssen. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer solchen Einwilligung ist, dass der betroffene Junge vor der Beschneidung umfassend durch denjenigen über den Eingriff aufgeklärt wird, der den Eingriff vornimmt. Äußert sich der Junge ablehnend -gegenüber dem bevorstehenden Eingriff, darf die Beschneidung nicht durchgeführt werden. Damit das Kindeswohl optimale Berücksichtigung finden kann, ist weiterhin erforderlich, dass auch ein Junge, der noch nicht im Rechtssinne einsichts- und urteilsfähig ist, seine Beschneidung ablehnen kann. Vor allem aber halte ich den im Regierungsentwurf vorgesehenen Ausnahmezeitraum, wonach in den ersten sechs Monaten nach der Geburt auch nichtärztliche Beschneiderinnen und Beschneider eine Beschneidung durchführen dürfen, für zu lang. Diese dürfen, anders als Ärztinnen oder Ärzte, keine Narkosemittel einsetzen. Sie arbeiten mit schmerzlindernden Salben und Zäpfchen. Das Narkoserisiko ist nach ärztlicher Auskunft gerade in den ersten 14 Tagen nach der Geburt eines Kindes sehr hoch, sodass bei der Beschneidung in dieser Zeit grundsätzlich keine Narkosen erfolgen. Nach Ablauf von vierzehn Tagen kann nur noch ein Arzt oder eine Ärztin die Abwägung zwischen Narkose- und Schmerzrisiko vornehmen. Deshalb halte ich es für richtig, die Frist für die Tätigkeit nichtärztlicher Beschneiderinnen und Beschneider auf vierzehn Tage nach der Geburt des Kindes zu begrenzen. Ich stimme deshalb dem Änderungsantrag Nr. 17/11816 zu und enthalte mich bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU): Nach reiflicher Überlegung und sorgfältiger Abwägung aller Argumente für und gegen die oben angegebene gesetzliche Regelung der Beschneidung des männlichen Kindes habe ich mich entschieden, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ausschlaggebend für meine Entscheidung ist die Tatsache, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit eines Kindes höher zu werten ist als Religionsfreiheit oder Elternrecht. Der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form ordnet jedoch das Kindesrecht sowohl dem Elternrecht als auch der Religionsfreiheit unter. Die Beschneidung von Jungen erfolgt meist ohne medizinische Indikation und ist deshalb als Körperverletzung zu werten. Durch die Schmerzforschung ist bewiesen, dass Kinder bereits ab der 24. Schwangerschaftswoche Schmerzen empfinden und dass diese umso nachhaltigere Auswirkungen haben, je jünger die Kinder sind. Von einer Allgemeinanästhesie bei Neugeborenen raten Experten aufgrund der physischen Unreife ab. Kinder unter drei Jahren sind besonders gefährdet, Anästhesiekomplikationen zu erleiden. Die im Begründungstext des Gesetzes aufgestellte Behauptung, mit der männlichen Beschneidung sei „nur eine geringfügige Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit verbunden“, entspricht nicht der Realität. Nach der aktuellen Forschungslage handelt es sich bei der männlichen Vorhaut nicht um ein unnützes Gewebe, sondern um ein Organ. Dieses besitzt eine den Lippen oder Fingerspitzen vergleichbare Empfindlichkeit. Das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit wiegt in meinen Augen mehr als Religionsfreiheit oder Elternrecht. Ulrich Kelber (SPD): Die Entscheidung über die durch das Kölner Gerichtsurteil notwendig gewordene gesetzliche Regelung medizinisch nicht notwendiger Genitalbeschneidung von Jungen ist eine schwierige Abwägung zwischen Grundrechten der Kinder, Elternrechten, gesellschaftlichen Debatten und der Frage der praktischen Auswirkungen eines Gesetzes. Um zu einer Entscheidung zu kommen, habe ich in den letzten Monaten über ein Dutzend ausführliche Gespräche mit Kinderschutzorganisationen, Ärzten, Religionsgemeinschaften, Juristen und Einzelpersonen geführt. Ich unterstütze mit meinem Votum die gesetzliche Erlaubnis der Beschneidung unter folgenden Standards: eine verpflichtende ärztliche Aufklärung der Eltern, eine altersgerechte Einbeziehung des Kinderwillens, eine der ärztlichen Kunst entsprechende örtliche Betäubung und Behandlung des Kindes sowie eine medizinisch abgesicherte Ausbildung der die Beschneidung durchführenden Personen. Die Ausgestaltung dieser Standards ist durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung alleine nicht ausreichend gewährleistet. Daher habe ich den Änderungsantrag Lambrecht/Lischka und andere unterstützt, der diese Bedingungen enthält. Es ist sehr bedauerlich, dass CDU/CSU und FDP ihre Abgeordneten unter Fraktionszwang gesetzt und diesen Änderungsantrag abgelehnt haben. Was sind nun die „Regeln der ärztlichen Kunst“? CDU/CSU und FDP haben unnötig erneut Rechtsunsicherheit für Kinder, Eltern und Ärzte geschaffen. Den Ausschlag für meine Zustimmung zu einer gesetzlichen Grundlage, die die Beschneidung unter Einhaltung dieser Standards erlaubt, hat – neben anderen Überlegungen – vor allem die Befürchtung gegeben, dass ein Verbot die Beschneidungen nur in Hinterhöfe und ins Ausland verdrängt, wo eventuell schlechtere Bedingungen herrschen und damit dem Kindeswohl geschadet würde. In der Abwägung allein zwischen den Grundrechten des Kindes – Selbstbestimmung, körperliche Unversehrtheit – und den Rechten der Eltern – Ausübung der Religion, Recht auf religiöse Erziehung und Einbeziehung der Kinder – hätten die Grundrechte des Kindes ansonsten überwogen. Im Einzelnen: Kinder haben Grundrechte von Geburt an. Ich gehöre der Gruppe von Bundestagsabgeordneten an, die die Kinderrechte sogar explizit im Grundgesetz, unserer Verfassung, verankern will. Das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Selbstbestimmung lassen sich aus Art. 2 des Grundgesetzes unmittelbar ableiten. Diese Grundrechte des Kindes setzen den Elternrechten Grenzen. In der Abwägung überwiegen diese Grundrechte auch bei dem medizinisch – trotz neuerer Erkenntnisse über das Neuronalgewebe in der Vorhaut – eher kleinen Eingriff der Beschneidung aus meiner Sicht das Recht der Eltern auf freie Ausübung ihrer Religion und auf die -Erziehung ihrer Kinder. Dabei habe ich durchaus berücksichtigt, dass zur Ausübung des Elternrechts auf -Erziehung ihrer Kinder selbstverständlich auch die Einbeziehung der Kinder in die eigenen religiösen Vorstellungen gehört. Neben die Abwägung von Rechten gehört auch die Berücksichtigung der gesellschaftlichen Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung. Das Verbot der Beschneidung würde von vielen Angehörigen der großen religiösen Minderheit der Muslime in Deutschland als Zurückweisung und Missachtung ihrer Religion empfunden. Die jüdische Gemeinde in Deutschland wiederum ist schon angesichts der Möglichkeit, dass gerade Deutschland mit seiner schrecklichen Vergangenheit der organisierten Verfolgung und Ermordung der Juden Europas als einziges Land die Beschneidung als Grundlage der vollen Religionszugehörigkeit männlicher Juden verbieten oder beschränken könnte, zu Recht alarmiert. Diese gewichtigen Gründe, die für das Beibehalten der Erlaubnis der Beschneidung sprechen, haben für meine Entscheidung eine große Rolle gespielt. Was letztendlich für mich den Ausschlag gegeben hat, eine gesetzliche Regelung zu unterstützen, die die Beschneidung unter bestimmten Bedingungen erlaubt, ist vor allem die praktische Seite eines möglichen gesetzlichen Verbotes in Deutschland: Wegen der Bedeutung der Beschneidung in der muslimischen und jüdischen Religion wäre davon auszugehen, dass selbst ein Verbot oder die Beschränkung der medizinisch nicht notwendigen Beschneidung nicht zu einem Ende dieser religiösen Praxis führen würde. Erstens würde der Streit in die Arztpraxen und Krankenhäuser verschoben, die dann über die medizinische Notwendigkeit entscheiden müssten. Bei 95 Prozent der männlichen Neugeborenen liegt eine Phimose vor, die sich in den meisten Fällen bis zum Schulalter löst. Wie sollte aber dann die Entscheidung bei Kleinkindern getroffen werden? Zweitens drohte eine Durchführung der Beschneidung dann außerhalb von Arztpraxen und Krankenhäusern – wo heute zum Beispiel über 70 Prozent der Beschneidungen muslimischer Jungen stattfinden – in Hinterhöfen und im benachbarten Ausland. Schlechtere hygienische Bedingungen und der zusätzliche Stress einer Reise schadeten allerdings dem Kindeswohl erheblich. Deswegen lehne ich ein Verbot der Beschneidung im Interesse der Kinder selbst ab! Als Fazit bleibt: Eine Debatte über die Notwendigkeit der Beschneidung von Jungen schon in einem Alter, wo der eigene Wille nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht werden kann, muss innerhalb der muslimischen und jüdischen Religionsgemeinschaft selbst geführt werden und kann nicht von außen durch eine gesetzliche Regelung erzwungen bzw. ersetzt werden. Eine rechtliche Regelung der Beschneidung mit einer Gewährleistung der Einhaltung hoher ärztlicher Standards erscheint mir als die beste Lösung im Sinne des Kindeswohls. Eine weitere persönliche Anmerkung: Dass CDU/CSU und FDP die Debatte über die Beschneidung zu einer parteipolitischen Machtdemonstration im Deutschen Bundestag genutzt haben, ist nur schwer erträglich. Kindeswohl und die Rolle unserer Religionsgemeinschaften sollten nicht für Zwecke der Parteitaktik missbraucht werden. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich kann beiden Gesetzentwürfen nicht zustimmen. Ich habe mich sogar entschlossen, beide abzulehnen, weil ich eine Entscheidung am heutigen Tage für falsch halte. Beide Gesetzentwürfe schaffen nicht die gesellschaftlich tragfähige Grundlage, um die mit der Problematik der Beschneidung von einwilligungsunfähigen Jungen aufgeworfenen Fragen achtsam zu lösen. Stattdessen plädiere ich eindringlich für den Vorschlag eines Moratoriums zur Klärung der gesetzlichen Regelung der Jungenbeschneidung sowie die Einsetzung eines runden Tisches. Die Plötzlichkeit, mit der das Kölner Urteil eine Debatte über die Jungenbeschneidung ausgelöst hat und die heftigen Reaktionen sind ein Warnsignal. Sie sind auch Ausdruck einer ungeklärten Situation, ebenso von Ängsten und Aggressionen innerhalb unserer Gesellschaft, die nicht durch eine übereilte Gesetzesänderung ausbalanciert werden können. In der Ermöglichung der Beschneidung der Jungen sehe ich allerdings große Gefahren für unser Rechtssystem, weil dadurch das Selbstbestimmungsrecht und die körperliche Unversehrtheit von Kindern gefährdet werden. Die Beschneidung selbst ist kein harmloser Eingriff. Gleichzeitig ist eine traditionelle Praxis, die über Jahrtausende gepflegt wird, nicht durch eine schnelle Gesetzesentscheidung zu regeln. Mir ist ausdrücklich daran gelegen, mit den jüdischen und muslimischen Gemeinden in den Dialog zu treten und zu einer guten Lösung beizutragen. Der Deutsche Bundestag hat gute Erfahrungen damit gemacht, sich bei wichtigen Entscheidungen prinzipieller Art Zeit zu lassen. Dafür trete ich auch in dieser Frage ein. Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die bei Muslimen und Juden aus religiösen Gründen vorgenommene Beschneidung von Jungen – Zirkumzision – erfüllt nach deutschem Recht den Straftatbestand der Körperverletzung gemäß §§ 223 bis 231 StGB. Mögliche Rechtfertigungsgründe wie Notwehr, Nothilfe oder Notstand greifen hier nicht. Hinsichtlich der vom Gesetzgeber im Bereich der Körperverletzung geschaffenen Möglichkeit der Einwilligung – § 228 StGB – bleibt offen, ob diese auch die Einwilligung der Eltern zur Beschneidung eines eine Woche alten Jungen einschließt. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit trifft in der Debatte um die Beschneidung männlicher Kinder auf das Grundrecht der Religionsfreiheit, das durch Grundgesetz, aber auch durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Europäische Menschenrechtskonvention gewährleistet wird. Anspruch auf Schutz haben sowohl Religionen als auch Weltanschauungen. Der Grundrechtsberechtigte hat dabei die Freiheit, eine religiöse oder weltanschauliche Handlung vorzunehmen, während es andererseits dem Staat verboten ist, die Bürgerinnen und Bürger zu einer religiösen oder weltanschaulichen Handlung zu verpflichten. Im Falle der Beschneidung betrifft die Religionsfreiheit sowohl die des betroffenen Kindes als auch die der Eltern bzw. der jeweiligen religiösen Gemeinschaft. Die Beschneidung von Jungen ist im Islam und im Judentum ein jahrtausendealter Bestandteil ihres religiösen Lebens, dessen Respektierung bislang nie infrage stand. Doch gibt es zunehmend ein Bewusstsein dafür, dass die Beschneidung einen erheblichen Eingriff in den Körper des männlichen Kindes darstellt und gravierende medizinische Folgen für die Betroffenen hat bzw. haben kann. Die Bagatellisierung dieser Folgen ist unangemessen. Das Strafrecht gerät hier in ein grundsätzliches Dilemma, es ist als Ultima Ratio zur Lösung des gesellschaftlichen Konfliktes meines Erachtens nicht geeignet. Gebraucht wird ein gesellschaftlicher Konsens über die Reichweite elterlicher Rechte, der Religionsfreiheit und des uneingeschränkten Rechtes jedes Menschen auf körperliche Unversehrtheit. Die Klärung dieser Fragen bedarf einer längeren und breiteren Debatte. Die Fragen heute abschließend zu entscheiden, ist nach meinem -Dafürhalten verfrüht. Es fehlt für ein gesicherteres ethisches und juristisches Urteil eine solide Grundlage medizinischer Daten. Wir haben zahlreiche Studien, wir haben viele Empfehlungen. Ein abschließendes Urteil ist aber noch nicht möglich. Ein neues Gesetz, gleich, ob es die Zirkumzision verbietet oder erlaubt, wird zum derzeitigen Zeitpunkt der öffentlichen Diskussion nur unzureichend gerecht. Notwendig ist ein transparenter Dialog in Form eines Runden Tisches, an dem alle betroffenen Gruppierungen in einem zweijährigen Verfahren eine für alle Beteiligten weitgehend akzeptable Lösung erarbeiten. Ich bin davon überzeugt: Eine endgültige Entscheidung sollte nicht von oben herab oder ungeachtet der Bedenken und Gesichtspunkte der jeweils anderen Seite getroffen werden. Der Runde Tisch sollte daher auch nicht hinter verschlossenen Türen, sondern öffentlich tagen. Eine zweijährige Befristung eines Runden Tisches zum Thema „Beschneidung von männlichen Kindern“ nimmt sich die für die Entscheidungsfindung notwendige Zeit, ohne deren notwendigen Abschluss aus den Augen zu verlieren. Aus diesen Erwägungen heraus werde ich mich in der heutigen Abstimmung der vorliegenden Gesetzentwürfe und Änderungsanträge zum Thema „Beschneidung des männlichen Kindes“ der Stimme enthalten. Gabriele Lösekrug-Möller (SPD): Im Respekt vor religiösen Traditionen und Ritualen wünsche ich mir eine Rechtslage in Deutschland, die die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen erlaubt. Leider sehe ich in keinem der vorliegenden Regelungspfade eine angemessene Lösung. Ich habe erhebliche Bedenken, dass die Beschneidung durch eine Person ohne Approbation toleriert werden soll. Zweifelsfrei handelt es sich um einen chirurgischen Eingriff. Zweifelsfrei verursacht er Schmerzen. In Respekt vor dem Grundrecht der Ausübung der Religionsfreiheit ist es nach meiner Auffassung geboten, dieses Ritual mit den ansonsten in Deutschland üblichen medizinischen Standards bei Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit zu verbinden. Den Gesetzentwurf, der eine Beschneidung aus religiösen Gründen erst ab einem Lebensalter von 14 Jahren erlaubt, lehne ich ab. Auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist für mich in seiner Ursprungsversion nicht zustimmungsfähig. Die Änderungsanträge der SPD-Fraktion zum Entwurf der Bundesregierung sind notwendige und sinnvolle Verbesserungen. Dies gilt insbesondere für den Antrag, der eine Fristverkürzung auf zwei Monate für einen derartigen Eingriff durch eine nicht approbierte Person vorsieht. Ich bedauere sehr, dass es vonseiten der die Regierung tragenden Fraktionen kein Interesse an einem interfraktionellen Dialog gegeben hat, der eine von einer -äußerst breiten Mehrheit getragene Entscheidung ermöglicht hätte. Da heute keine Lösung zur Abstimmung steht, der ich umfänglich zustimmen kann, werde ich mich der Stimme enthalten. Zugleich fühle ich mich verpflichtet, mich in der gesellschaftlichen Debatte weiter für Beschneidung aus religiösen Gründen durch approbierte Personen einzusetzen. Kirsten Lühmann (SPD): In der Frage nach einer gesetzlichen Regelung der religiösen Beschneidung von Jungen sind verschiedene Grundrechte gegeneinander abzuwägen: das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf freie Religionsausübung. Das Kind als individuelles Rechtssubjekt steht den Eltern als Erziehungsberechtigte gegenüber. Die Abwägung der verschiedenen Rechtsgüter, von denen jedes für unseren Rechtsstaat fundamentale Bedeutung hat, die aber in diesem Fall einander entgegenstehen, ist keine einfache Frage, und es gibt darauf keine einfache Antwort. Im Gegenteil, sie erfordert eine grundsätzliche Diskussion, für die ich mir mehr Zeit gewünscht hätte, als wir sie jetzt hatten. Sinnvoll wäre aus meiner Sicht ein Moratorium von zwei Jahren gewesen, in dem auf eine strafrechtliche Verfolgung verzichtet worden wäre und das Raum für eine intensive sachbezogene Auseinandersetzung mit allen Argumenten und allen Betroffenen gegeben hätte. Für mich steht fest, dass jüdisches und muslimisches Leben und Kultur feste Bestandteile der Gesellschaft in Deutschland sind. Das Grundgesetz garantiert das Recht auf freie Religionsausübung und macht keinen Unterschied zwischen den Glaubensgemeinschaften. Allerdings muss sich die Ausübung der Religionsfreiheit im Rahmen der geltenden Gesetze bewegen. Jede Regelung hat dem Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit den Stellenwert einzuräumen, den unser Grundgesetz zum Ausdruck bringt. Wir haben in den vergangenen Monaten zahlreiche Gespräche mit Fachleuten geführt, bei denen Befürworter wie Gegner zu Wort gekommen sind, die die Beschneidung aus medizinischer, religiöser und rechtlicher Sicht bewertet haben. Die Tatsachen, dass der Eingriff irreversibel ist, schwerwiegende Folgen haben kann und ein unbeschnittenes Kind in Deutschland kaum Diskriminierung ausgesetzt ist, haben mich zu der Überzeugung geführt, dass die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen erst mit Erreichen der Religionsreife, also mit 14 Jahren, und nur mit der Einwilligung des Betroffenen durchgeführt werden sollte. Dr. Matthias Miersch (SPD): Mit Respekt vor religiösen Traditionen und Ritualen wünsche ich mir eine Rechtslage in Deutschland, die die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen erlaubt. Leider sehe ich in keinem der vorliegenden Regelungspfade eine angemessene Lösung. Ich habe erhebliche Bedenken, dass die Beschneidung durch eine Person ohne Approbation toleriert werden soll. Zweifelsfrei handelt es sich um einen chirurgischen Eingriff. Zweifelsfrei verursacht er Schmerzen. In Respekt vor dem Grundrecht der Ausübung der Religionsfreiheit ist es nach meiner Auffassung geboten, dieses Ritual mit den ansonsten in Deutschland üblichen medizinischen Standards bei Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit zu verbinden. Den Gesetzentwurf, der eine Beschneidung aus religiösen Gründen erst ab einem Lebensalter von 14 Jahren erlaubt, lehne ich ab. Auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist für mich in seiner Ursprungsversion nicht zustimmungsfähig. Die Änderungsanträge der SPD-Fraktion zum Entwurf der Bundesregierung sind notwendige und sinnvolle Verbesserungen. Ich bedauere sehr, dass es vonseiten der Regierungsfraktionen kein Interesse an einem interfraktionellen Dialog gegeben hat, der eine von einer äußerst breiten Mehrheit getragene Entscheidung ermöglicht hätte. Da heute keine Lösung zur Abstimmung steht, der ich umfänglich zustimmen kann, werde ich mich der Stimme enthalten. Zugleich fühle ich mich verpflichtet, mich in der gesellschaftlichen Debatte weiter für die Beschneidung aus religiösen Gründen durch approbierte Personen einzusetzen. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am 7. Mai 2012 hat eine kleine Strafkammer des Landgerichts Köln entschieden, die Beschneidung eines Jungen habe nicht dem Kindeswohl gedient. Die Zustimmung der Eltern sei daher unbeachtlich und der Eingriff selbst eine rechtswidrige Körperverletzung. Obwohl dies nicht unmittelbar für vergleichbare Fälle gilt, ist eine -erhebliche Rechtsunsicherheit entstanden. Seit dieser -Entscheidung diskutieren wir daher das Thema Beschneidung und die möglichen Konsequenzen einer gesetzlichen Regelung. Es ist eine der schwersten Entscheidungen, die ich in meiner bisherigen Tätigkeit als Abgeordnete zu treffen habe – auch wenn ich die Zeit genutzt habe, um alle Aspekte gründlich zu bedenken. Bei der Frage, ob die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen straffrei bleiben soll oder nicht, geht es im Grundsatz um die Abwägung dreier Anliegen: um das Recht auf freie Religionsausübung, um das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und um die Ausübung des elterlichen Sorgerechtes und dessen Grenzen. Alle drei Anliegen haben – je für sich genommen – einleuchtende und überzeugende Argumente, die bei der Frage der Beschneidung nicht einwilligungsfähiger Jungen unversöhnlich und unvereinbar aufeinandertreffen. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes steht außer Frage. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass das Entfernen der Vorhaut bei minderjährigen Jungen ein unwiderruflicher körperlicher Eingriff ist. Auf der anderen Seite steht das Grundrecht auf die freie Ausübung der Religion. Ebenfalls zu Recht wird argumentiert, dass es sich bei der Beschneidung um ein zentrales religiöses Ritual handelt, das für die Angehörigen muslimischen Glaubens sehr wichtig, für gläubige Juden sogar unverzichtbar ist. Daraus folgt, dass es bei dieser Entscheidung keinen Kompromiss und auch keinen Mittelweg gibt, der die widerstreitenden Positionen abschließend in Einklang bringt. Denn die Problematik lässt sich nicht allein durch die Forderung lösen, dass die Beschneidung erst erfolgen darf, wenn die betroffenen Kinder 14 Jahre alt und einwilligungsfähig sind und somit selbst entscheiden können – wie im Gesetzentwurf 17/11430 zur Abstimmung steht. Für die religiöse Überzeugung vieler Eltern, insbesondere jüdischen Glaubens, ist dieser Zeitpunkt schlicht zu spät. Die Thora schreibt die Knabenbeschneidung am achten Tag nach der Geburt definitiv vor. Ausnahmen sind nur in wenigen Fällen aufgrund der Gesundheit des Säuglings möglich. Das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit nehme ich sehr ernst. Aber als Nichtgläubige habe ich großen Respekt vor dem Glauben anderer. Deshalb kann ich mich nicht dazu durchringen, einem Gesetzentwurf zuzustimmen, der den religiösen Brauch der Beschneidung unter Strafe stellt. Dabei ist es für mich zweitrangig, ob das Verbot der Beschneidung zu strafrechtlichen Maßnahmen führen würde oder nicht. Denn unabhängig davon werden sich die jüdischen und muslimischen -Eltern kriminalisiert fühlen. Zudem sehe ich die Gefahr, dass viele Eltern, die die Beschneidung ihrer Söhne aus religiösen Gründen für unverzichtbar halten, ihre Kinder entweder heimlich oder im Ausland beschneiden lassen würden. Das hieße, dass für einen Eingriff nach den Regeln der ärztlichen Kunst keine Garantie mehr bestünde. Das wäre erst recht nicht im Sinne des Kindeswohls. Den Status quo beizubehalten, ist ebenfalls keine Option. Denn ohne eine explizite gesetzliche Klarstellung, dass die Beschneidung von Jungen zulässig sein kann, wäre sie automatisch eine Körperverletzung. Deshalb kommt eine Enthaltung für mich nicht infrage. Ich werde von daher dem Gesetzentwurf zur Regelung der Beschneidung, den die Bundesregierung vorgelegt hat, zustimmen. Allerdings kommt es auch auf die Umstände der Beschneidung an. Ich unterstütze ausdrücklich zwei Änderungsanträge meines Fraktionskollegen Jerzy Montag. So soll die Ausnahmeregelung, wonach die Beschneidung auch von Nichtärzten mit entsprechender Qualifikation – zum Beispiel von jüdischen Beschneidern, den Mohalim – vorgenommen werden kann, von 6 Monaten auf 14 Tage begrenzt werden. Der Gesetzentwurf ermöglicht bisher Beschneidungen durch Nichtärzte – und das heißt notwendigerweise ohne Narkose – bis zum sechsten Lebensmonat. Eine Begründung dafür ist nicht ersichtlich und für Beschneidungen nach jüdischem Ritus ist diese Frist nicht nötig. Die Regeln der ärztlichen Kunst lassen körperliche Eingriffe ohne Narkose nur für die ersten 14 Lebenstage zu. Weiter brauchen wir als Gesetzgeber nicht zu gehen und sollten dies auch nicht tun. Darüber hinaus soll eine „Berücksichtigung des Willens des Kindes“ ins Gesetz aufgenommen werden. Vor allem für ältere Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht -erreicht haben, aber ihre mögliche Ablehnung des -Beschneidungsrituals bereits deutlich in Gesten oder Worten zum Ausdruck bringen können, muss der Kindeswillen im Gesetz stärker berücksichtigt werden. Meine Positionierung bedeutet nicht, dass ich die -Beschneidung aus religiösen Gründen befürworte – im Gegenteil. Ich hoffe darauf, dass die jüdischen und die muslimischen Religionsgemeinschaften eine offene -Diskussion über den alten Brauch der Beschneidung führen und ihre Traditionen kritisch reflektieren. Denn auch Religionen und deren Ausübung ändern sich kontinuierlich. Einen solchen Wandel kann man den Religions-gemeinschaften aber nicht „von außen“ aufzwingen, schon gar nicht durch das Strafrecht. Gerade wenn es um Glaubensfragen geht, müssen sich Veränderungen innerhalb der Religionsgemeinschaften entwickeln. Die Debatte in der Gesellschaft und im Deutschen Bundestag zur Beschneidung kann die Diskussion innerhalb der -Religionsgemeinschaften nicht ersetzen, aber anstoßen. Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Der Gesetzentwurf, ebenso wie die vorgelegten Gruppenanträge, finden nicht meine Zustimmung. Die Sachlichkeit der öffentlichen Debatte, auch der im Bundestag, sowohl im Plenum als auch in den -Ausschüssen, begrüße ich sehr. Mein Dank gilt den Rednerinnen und Rednern aller Fraktionen, unabhängig von ihrer jeweiligen inhaltlichen Position, für den Respekt, den sie für die unterschiedlichen Anschauungen ihrer Kollegen zum Ausdruck gebracht haben. Das Landgericht Köln hat mit seinem Urteil vom 7. Mai 2012 die Beschneidung minderjähriger Jungen aus religiösen Gründen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet. Grundsätzlich entfaltet die Entscheidung über den konkreten Einzelfall hinaus keine rechtliche Bindung, dennoch zeigte das Urteil, dass eine grundsätzliche öffentliche Diskussion und Bewertung der religiösen Beschneidungen geboten ist. Ich halte die Form, in der die gesetzliche Regelung zustande gekommen ist, der Komplexität der Thematik für nicht angemessen. Aus meiner Sicht hätte die Debatte über religiöse -Beschneidungen ohne Präjudiz und Vorfestlegung, wie sie der interfraktionelle Antrag vom 19. Juli 2012 vorgenommen hat, erfolgen sollen. Grundsätzlich erkenne ich die Beschneidung als konstitutives Element des jüdischen und muslimischen Glaubens an. Aus meiner Sicht ist es jedoch auch weiterhin geboten, zu prüfen, ob die Beschneidung nicht auch in einem Alter erfolgen kann, in dem das Kind selbst in der Lage ist, seine Zustimmung zu geben. Ein solcher Gedanke ist im Antrag 17/11430 der Gruppe um die Abgeordneten Rupprecht, Dörner, Golze unter andere wiedergegeben. Eine Regelung, deren Kern die Zustimmung des Kindes im religionsmündigen Alter darstellt, ist zu begrüßen. Eine adäquate Auseinandersetzung mit der religiösen Beschneidung bedarf aus meiner Sicht neben den Beratungen in den zuständigen Ausschüssen des Bundes-tages, wie sie stattgefunden hat, auch einer Einbeziehung des Ethikrates. Die Einsetzung einer Enquete-Kommission wäre aus meiner Sicht das geeignete Instrument gewesen, um der Komplexität des Themas gerecht zu werden. Durch ein solches breit angelegtes Verfahren wären die Mitglieder des Bundestages in die Lage versetzt worden, auch zu -einer Meinungsbildung über weitere Grenzfälle zwischen religiöser Praxis und rechtsstaatlichen Erfordernissen, wie dem Umgang mit dem rituellen Schlachten – Schächten –, zu kommen. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Beschneidung kleiner Jungen ist eine sehr schwierige, denn sie berührt mehrere Grundrechte: die Freiheit der Religion und das Erziehungsrecht der Eltern auf der einen Seite, das Recht auf körperliche Unversehrtheit auf der anderen. Grundsätzlich bin ich fest davon überzeugt, dass man es Religionsgemeinschaften in unserem Rechtsstaat nicht erlauben sollte, in andere Grundrechte einzugreifen, dass ihnen aber eine aktive und gegebenenfalls auch institutionelle Rolle im öffentlichen Leben zukommt. Wenn Religion, die für viele Menschen eine zentrale Rolle in ihrem Leben spielt, Teil der politischen Debatte wird, dann werden auch religiöse Traditionen mit Gegenmeinungen konfrontiert, dann müssen sie sich mit der Realität der Gegenwart auseinandersetzen. Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass sich katholische Organisationen am Verfahren der Schwangerschaftskonfliktberatung beteiligen. Diese Diskussion im Hinblick auf die Beschneidung von Jungen ist auch in den jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften im Gange. Dennoch – das zeigen auch die öffentlichen Meinungsäußerungen der letzten Monate – ist für die große Mehrheit der betroffenen Gläubigen die Beschneidung noch immer ein essenzielles Element ihrer religiösen Identität. Sie zu verbieten, würde für viele Jüdinnen und Juden, Muslimas und Muslime eine Ausübung ihrer religiösen Identität in diesem Land deutlich erschweren oder verunmöglichen. Es bestünde zudem die Gefahr, dass der Eingriff in die sprichwörtlichen Hinterzimmer verlagert würde, wo das Kindeswohl in deutlich größerer Gefahr ist, als das bei der gegenwärtigen Praxis der Fall ist. Auch die medizinischen Folgen sind handhabbar: Für einige Regionen der Welt – wenn auch nicht für unsere – wird die Beschneidung gegenwärtig sogar noch von der Weltgesundheitsorganisation als Standardeingriff indiziert und aus medizinischen Gründen auch hierzulande regelmäßig durchgeführt. Deswegen ist es geboten, jetzt rechtliche Klarheit zu schaffen und den Eingriff – unter Berücksichtigung des größtmöglichen Schutzes der Kinder – zu regeln und zu erlauben. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung auf der Bundestagsdrucksache 17/11295 kommt dieser Vorstellung am nächsten. Damit erhalten wir eine Grundlage für die lebendige religiöse Vielfalt in diesem Land. Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Zur Abstimmung des unter Tagesordnungspunkt 1 der heutigen Plenardebatte aufgerufenen Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes in der Fassung der Bundestagsdrucksache 17/11295 erkläre ich: Nach dem Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012 (Aktenzeichen 151 Ns 169/11) hat es in der Öffentlichkeit eine intensiv geführte Diskussion um die aus -religiösen Gründen durchgeführte Beschneidung Minderjähriger gegeben. Am 9. Oktober 2012 hat das Bundeskabinett einen Vorschlag zur rechtlichen Regelung beschlossen, die heute in zweiter bzw. dritter Lesung als Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Bundestagsdrucksache 17/11295) beschlossen werden soll. Danach obliegt es der elterlichen Sorge, aus religiösen Gründen eine Beschneidung durchführen zu lassen, vorausgesetzt, sie erfolgt nach den Regeln der ärztlichen Kunst einschließlich einer Schmerzbehandlung (Betäubung). Die Regelung hat in der vorliegenden Fassung sowohl bei zahlreichen Bürgern meines Wahlkreises als auch bei mir aufgrund der im Ergebnis pauschalen Zulassung der Beschneidung eine erhebliche Zahl an offenen Fragen aufgeworfen. Meine Position zu dieser Frage möchte ich nachfolgend wie folgt darstellen und begründen: Sowohl im Judentum als auch im Islam gilt die Beschneidung als symbolischer Akt mindestens zur Festigung oder auch zur Begründung der Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft. Jedoch zeigen sich schon zwischen diesen beiden Religionen bedeutende Unterschiede. Das zeigt, wie komplex das Thema ist und welche unterschiedlichen Ansätze es gibt, mit diesem religiös bzw. sozialintegrativ bedeutungsvollen Ritual umzugehen. Im Islam, in dem sich der Akt der Beschneidung nicht direkt aus dem Koran ergibt, sondern aus den überlieferten Berichten des Propheten Mohammed („hadithe“) abgeleitet wird und als sogenannte sunna ausgestaltete nachzuahmende Gewohnheit in der Glaubensgemeinschaft verankert ist, ist ein einheitlicher Zeitpunkt zur Beschneidung nicht festgelegt. Daher findet die Beschneidung, auch als Akt der Glaubensbestätigung und je nach den Vorgaben der unterschiedlichen religiösen Rechtsschulen, von sieben Tagen nach der Geburt bis zur Pubertät statt. In der jüdischen Religion wird die Tradition der Beschneidung beim Mann auf die Bibelverse 10 bis 14 des 17. Kapitels im 1. Buch Mose (Genesis) gestützt, in denen die Prozedur ausdrücklich als symbolischer Akt des Bundes Abrahams mit Gott beschrieben ist, der bei Knaben am achten Tag nach der Geburt vorgenommen werden soll. Der Vorgang gilt daher als Initiationsakt beim Mann, mit dem eine gefestigte Bindung des Menschen zu Gott eingegangen wird. Deshalb findet im Judentum auch die Namensgebung für das Kind gleichzeitig mit der Beschneidung statt. Die Tradition des jüdischen Glaubens zeigt daher aus meiner Sicht, sowohl anhand der zeitlichen Nähe zur Geburt des Kindes als auch anhand der zeitgleichen Namensgebung, Parallelen zur initiierenden christlichen Taufe. Die islamische Tradition einer Beschneidung im Kindes- oder Jugendlichenalter weist hingegen eher Parallelen zur christlichen Tradition der Kommunion oder Konfirmation auf, die als Bestätigung der Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft gesehen werden kann. Sowohl der Akt der Aufnahme des Kindes in die Glaubensgemeinschaft als auch der Akt der Bestätigung der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft sind für alle Religionen grundlegende und wichtige Rituale, die es zu respektieren gilt. Die Aufnahme in eine Religionsgemeinschaft und die aktive Ausübung der Religion sind daher richtigerweise als Grundrecht durch Art. 4 des Grundgesetzes unter einen hohen Schutz gestellt. Ein mindestens ebenso hoher Schutz kommt jedoch dem Grundrecht eines jeden Menschen auf körperliche Unversehrtheit zu. Dieses Recht leitet sich aus dem Recht auf Leben ab und gehört damit zu den höchsten Schutzgütern unserer gesellschaftlichen Grundordnung. Von den Religionsgemeinschaften wird vorgetragen, das Kind spüre, insbesondere bei den im Judentum im Alter von acht Tagen vorgenommenen Beschneidungen, den Schmerz kaum und die Beschneidung leiste zudem einen wichtigen Beitrag für die Hygiene des Mannes sowie im Schutz vor Geschlechtserkrankungen. Beide Argumente sind mindestens umstritten. Nach neuesten psychologischen Erkenntnissen führen Schmerzerfahrungen von Säuglingen und Kleinstkindern zu psychotraumatischen Reaktionen, die das Kind in seiner Entwicklung schädigen können. Ebenso sind unter den heutigen Hygienestandards in Deutschland Beschneidungen in ihrer medizinischen Wirkung weitestgehend überflüssig. Fest steht aber, dass das Risiko einer Entzündung nach einer Beschneidung, die unter Umständen lebenslange Probleme – etwa beim Wasserlassen – nach sich zieht, stets gegeben und nicht auszuschließen ist. Viele Muslime oder Juden empfinden oder – je nach Alter – beschreiben den Eingriff nicht nur als extrem schmerzhaft, sondern, sofern er unter dem Eindruck der religiösen Gemeinschaft oder der Eltern erfolgt, als Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Auch das Recht auf eine „von vorzeitigen sexuellen Erlebnissen ungestörte Gesamtentwicklung des Kindes“ (Begründung zum 4. Strafrechtsänderungsgesetz, in Kraft getreten am 23. November 1973, BGBl. I 1973, S. 1725; Bundestagsdrucksache 6/3521), die sich für Kinder in besonderer Weise aus dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ableitet, muss bei einem irreversiblen Eingriff im Genitalbereich hinterfragt werden. Juristisch gesehen stellt die Beschneidung nach aktuell geltender Rechtslage eine vorsätzlich herbeigeführte Verletzung der körperlichen Integrität mit der Folge eines krankhaften Zustands, also mindestens eine Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB, dar. Eine Rechtfertigung dieses Tatbestands ist nicht gegeben, da eine Einwilligung durch einen Minderjährigen weitestgehend ausgeschlossen ist und auch die Eltern, nach überwiegender Meinung, zurzeit nicht zum Nachteil des Kindes über dessen körperliche Unversehrtheit verfügen dürfen. Eine medizinische Notwendigkeit kommt als Rechtfertigung ebenfalls nicht in Betracht. Daher ist das Urteil des Landgerichts Köln zu der aus religiösen Gründen durchgeführten Beschneidung, auch aus meiner Sicht als Jurist, einwandfrei hergeleitet. Ob der vorliegende Gesetzentwurf einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhielte, bezweifle ich angesichts des hohen Rangs der körperlichen Unversehrtheit in unserer Verfassungsordnung. Nach meiner Meinung muss es aber nicht nur juristischer, sondern auch gesamtgesellschaftlicher Konsens sein, dass die Beschneidung – zumindest in Bezug auf die Durchführung – den Anforderungen unserer Grundrechte genügt. Mindestens eine unnötige Schmerzerfahrung des Kindes muss daher ausgeschlossen sein. Hier stellt sich das Problem, dass eine Narkose für einen acht Tage alten Säugling ein hohes medizinisches Risiko birgt, eine Beschneidung ohne Narkose aber erst recht eindeutig gegen das in Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes normierte Recht auf körperliche Unversehrtheit verstößt. Daher sind aus meiner Sicht die Religionsgemeinschaften gefordert, den Staat und die Gesellschaft bei der Lösung dieses Konflikts zu unterstützen und an einer Fortentwicklung der Religionsausübung hin zu einer Art und Weise derselben mitzuwirken, die im Einklang mit der Verfassung und den Grundrechten des Landes steht, das sich die Gläubigen selbst als Lebensraum ausgewählt haben. Denn der deutsche Staat hat zwar einerseits mit Blick auf die Religionsfreiheit eine – auch historisch bedingt – größere Verantwortung als andere Staaten. Im Wege der gelebten Integration darf es hier aber andererseits auch keine Denkverbote geben, die jeden Versuch der Veränderung polemisierend als Verbot der Religionsausübung – womöglich mit Hinweis auf die deutsche Vergangenheit – bewusst fehlinterpretieren. Vielmehr darf auch der Gedanke nicht tabuisiert werden, dass die Ausübung des Islam bzw. des Judentums in Deutschland an die Werteordnung unseres Staates angepasst werden kann und muss, um die Interessen des Staates an der -Einhaltung der Grundrechte einerseits und die der Religionsgemeinschaft an einer ungestörten Religionsausübung andererseits in Einklang zu bringen. Das Argument, die Glaubensausübung müsse in allen Staaten der Welt gleich sein, kann hier schon deswegen nicht überzeugen, weil sich insbesondere im Hinblick auf die Tradition der Beschneidung weder religionsübergreifend noch innerhalb der einzelnen Religionsgemeinschaften eine weltweit einheitliche Anwendung erkennen lässt. Problematischste Komponente in der Debatte ist zudem die fehlende Möglichkeit zur Einwilligung des Betroffenen in einen Vorgang, der irreversible körperliche Folgen hat. Aus meiner Sicht wäre ein pragmatischer Kompromiss zwischen den beiden Maximalforderungen, einerseits die religiös veranlasste Beschneidung bedingungslos zuzulassen und andererseits das Mindestalter für eine Einwilligung zur Beschneidung auf 18 Jahre anzuheben, sinnvoll. Eine solche Kompromisslösung könnte darin liegen, das Alter für den Eintritt in die Glaubensgemeinschaft an das Bekenntnisalter in anderen Religionen anzupassen. Denkbar wäre hier ein Mindestalter von 14 Jahren, in dem sich etwa auch evangelische christliche Kinder mit der Konfirmation für oder gegen den Verbleib in der Religionsgemeinschaft entscheiden, in dem Kindern ein Rechts- bzw. Unrechtsbewusstsein im Wege der Straffähigkeit zugetraut wird und ab dem den Kindern auch gesetzlich gemäß § 5 Satz 1 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung -(RelKErzG) die Entscheidung darüber zusteht, zu welchem religiösen Bekenntnis sie sich halten wollen. Fest steht, dass weder das bedingungslose sofortige Verbot noch die bedingungslose Zulassung der religiös bedingten Beschneidung den persönlichen Grundrechten gerecht wird. Ebenso ist klar, dass eine Regelung dieser Frage nicht einseitig durch die Justiz, die Politik oder die Religionsgemeinschaften geschaffen werden kann. Vielmehr ist es richtig und wichtig, dass auf einer breiten Basis von Medizinern, Glaubensgemeinschaften, Politik, Kinder- und Jugendschützern und Elternvertretern an einer konsensualen Lösung gearbeitet wird. Auch damit die Beschneidung nicht in den illegalen und damit unkontrollierbaren Bereich abgedrängt wird, halte ich ein sofortiges Verbot der Beschneidung nicht für das richtige Mittel. So gesehen ist der vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregierung für mich eine gute Grundlage, für eine bestimmte Zeit dieses Problem zu lösen. Da es sich bei einer religiös bedingten Beschneidung aber um einen schweren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit handelt, der meiner Meinung nach auf Dauer nicht in unserer Gesellschaft geduldet werden sollte, halte ich die vorgeschlagene Regelung nur für eine Übergangszeit für vertretbar. Vielmehr halte ich es für richtig, ein festes Datum festzulegen, bis zu dem sich die Vertreter der Religionsgemeinschaften über ihre Vorstellung von der Ausübung ihres Glaubens in den für alle Bürger gleichsam geltenden Regelungen unseres Staates erklären müssen, bevor in letzter Konsequenz der Staat für die Einhaltungen dieser Regelungen sorgen muss. Deshalb bin ich für die Schaffung einer Übergangsfrist von zum Beispiel fünf Jahren, in der religiös bedingte Beschneidungen zum Beispiel auf Grundlage des jetzt vorgeschlagenen erweiterten Sorgerechts der Eltern noch legal durchgeführt werden dürfen, bevor sie – wenn keine andere rechtskonforme Lösung erarbeitet werden konnte – danach verboten sind. Mir ist klar, dass diese Forderung einen komplizierten Prozess mit vielen schwierigen Diskussionen erzeugt und sich auf dem Weg zu einer Lösung viele Unwägbarkeiten ergeben werden. Dennoch ist aus meiner Sicht keiner der beiden anderen Wege – bedingungsloses Verbot oder bedingungslose Zulassung der Beschneidung – in gleicher Weise geeignet, einen verfassungskonformen Zustand herzustellen, der sowohl der Tradition und der Überzeugung der Religionsgemeinschaften als auch den Grundrechten der Kinder gerecht wird. Eine konkrete zeitliche Begrenzung für den Inhalt der hier vorliegenden – allenfalls als Übergangslösung tauglichen – gesetzlichen Regelung, ist nach wie vor in dem Gesetzentwurf nicht enthalten. Solange für die Lösung des beschriebenen Konflikts zwischen den Interessen der Beteiligten nicht ein konkreter zeitlicher Horizont vorgegeben ist, wird der Gesetzentwurf trotz der erheblichen rechtlichen Bedenken, die durch das Urteil des Landgerichts Köln zum Ausdruck kommen, die Beschneidung in der derzeitigen Form unverändert zulassen. Ein angemessener Ausgleich der angesprochenen Rechtspositionen wird damit dauerhaft verstellt. Daher werde ich dem Gesetz in der hier vorliegenden Fassung nicht zustimmen. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute befasst sich der Deutsche Bundestag mit verschiedenen Gesetzentwürfen und Änderungsanträgen zum Thema „Beschneidung des männlichen Kindes“. Seit dem Urteil des Landgerichts Köln vom Juni 2012 wird das Thema öffentlich und sehr kontrovers diskutiert. Die Zeit war aber meines Erachtens noch nicht ausreichend, um sich bei diesem schwierigen Sachverhalt ein angemessenes Urteil zu bilden, das sowohl der Ausübung der Religionsfreiheit auf der einen Seite und dem Wohl des Kindes und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit auf der anderen Seite gleichermaßen gerecht wird. Im Vorfeld zu dieser Entscheidung habe ich das Gespräch mit Verbänden, Betroffenen, religiösen Vertreterinnen und Vertretern, Medizinerinnen und Medizinern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gesucht. Die Erfahrungen und Einschätzungen waren höchst unterschiedlich. Es erreichten mich in den vergangenen Wochen auch viele Schreiben von Bürgerinnen und Bürgern. Meine Beobachtung ist, dass in dieser Frage viele Menschen ähnlich zerrissen sind, wie ich es selbst bin. In den vergangenen Jahren, sowohl während meines beruflichen als auch während meines politischen Engagements, war mir die Beachtung und Durchsetzung von Kinderrechten immer ein wichtiges Anliegen. Die körperliche Unversehrtheit insbesondere von Kindern hat für mich daher höchste Priorität. Da Risiken und negative Folgen, körperlich wie psychisch, bei der Beschneidung von Jungen nicht ausgeschlossen werden können, kann ich dem Regierungsentwurf nicht zustimmen. Laut dieses Gesetzentwurfes dürfen nichtärztliche Beschneider die Zirkumzision aus religiösen Gründen durchführen. Dies birgt weiterhin erhebliche Risiken. Gleichzeitig ist die freie Glaubensausübung ein wichtiger Bestandteil unseres Grundgesetzes, und die Beschneidung stellt in Judentum und Islam einen wichtigen rituellen Akt dar. Ich kann daher auch dem alternativen Gesetzentwurf nicht zustimmen; denn er will die bisherige Praxis der beiden Glaubensgemeinschaften stark einschränken. Dennoch dürfen religiöse Gebote und Traditionen meines Erachtens keinen Freifahrtschein für eine Körperverletzung darstellen. Auch Religion muss sich den heutigen Rechts- und Wertevorstellungen anpassen, und umstrittene religiöse Handlungen sollten nicht unreflektiert fortgeführt werden. Reformen sind in den meisten Religionen nötig. Diese Reformen dürfen allerdings nicht von oben aufgezwungen sein, sondern müssen von den Glaubensgemeinschaften selbst ausgehen. Im Fall der Beschneidung im Judentum gab es hier bereits im 19. Jahrhundert erste Ini-tiatoren, unter anderem Theodor Herzl, die sich gegen die Beschneidung ausgesprochen haben. Hier sind die Glaubensgemeinschaften aufgefordert, ihre Religionsriten selbst zu überdenken und sich die Frage zu stellen, ob in einer aufgeklärten Gesellschaft nicht auf gewisse Handlungen verzichtet werden könnte. Diese Debatte können und wollen wir nicht forcieren, sie braucht aber Zeit. Der Zeitdruck, der durch das Urteil des Kölner Landgerichts entstanden ist, und die damit verbundene Rechtsunsicherheit ist bei dieser Auseinandersetzung nicht hilfreich. Vielmehr wäre es wichtig, sich die Zeit zu nehmen, einen breiten und gesamtgesellschaftlichen Dialog zu diesem schwierigen Thema zu führen. In dieser Debatte sollte auch die Möglichkeit eines Runden Tisches mit allen beteiligten Parteien und Bevölkerungsgruppen genutzt werden. Da die Gesetzentwürfe meiner Ansicht nach der Abwägung dieser wichtigen verfassungsrechtlichen Güter nicht ausreichend gerecht werden und es darüber hinaus zu diesem Zeitpunkt nicht zwingend notwendig ist, eine gesetzliche Regelung vorzulegen, bin ich zu dem Entschluss gekommen, mich bei den Abstimmungen der Gesetzentwürfe zu enthalten. Enthaltung wird zwar oft als das schwächste Abstimmungsverhalten betrachtet. In diesem Fall sehe ich aber gute Gründe für eine Enthaltung und wünsche mir eine weitere intensive Debatte zu diesem Thema. Ulla Schmidt (Aachen) (SPD): Im Respekt vor religiösen Traditionen und Ritualen wünsche ich mir eine Rechtslage in Deutschland, die die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen erlaubt. Ich finde es wichtig, eine gesetzliche Änderung herbeizuführen, da sonst der Straftatbestand im Raum stehen würde. Leider sehe ich in keinem der vorliegenden Regelungspfade eine angemessene Lösung. Ich habe erhebliche Bedenken, dass die Beschneidung durch eine Person ohne Approbation toleriert werden soll. Zweifelsfrei handelt es sich um einen chirurgischen Eingriff. Zweifelsfrei verursacht er Schmerzen. In Respekt vor dem Grundrecht der Ausübung der Religionsfreiheit ist es nach meiner Auffassung geboten, dieses Ritual mit den ansonsten in Deutschland üblichen medizinischen Standards bei Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit zu verbinden. Dies beinhaltet für mich zwingend die Durchführung durch einen Arzt, da es sich um einen medizinischen Eingriff handelt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist für mich in seiner Ursprungsversion nicht zustimmungsfähig. Ich bedauere sehr, dass es vonseiten der die Regierung tragenden Fraktionen kein Interesse an einem interfraktionellen Dialog gegeben hat, der eine von einer -äußerst breiten Mehrheit getragene Entscheidung ermöglicht hätte. Da heute kein Gesetzentwurf zur Abstimmung vorliegt, der von Anfang an eine ärztliche Hinzuziehung oder eine Zusammenarbeit des Mohel mit einem Arzt vorsieht, werde ich die Gesetzentwürfe ablehnen. Zugleich fühle ich mich verpflichtet, mich in der gesellschaftlichen Debatte weiter für eine Beschneidung aus religiösen Gründen durch approbierte Personen einzusetzen. Frank Schwabe (SPD): Ich habe Respekt vor religiösen Traditionen. Und es ist ein großes Glück für Deutschland, dass es jüdisches Leben in Deutschland gibt. Dass Muslime in Deutschland leben, empfinde ich ebenso als Bereicherung. Beides muss so bleiben können. Ich habe eine Meinung zu bestimmten religiösen Traditionen und Ritualen, die in die körperliche oder auch seelische Unversehrtheit eingreifen. Ich würde mir wünschen, dass manche Traditionen und Rituale deshalb überdacht und verändert werden. Ich nehme zustimmend zur Kenntnis, dass es in den Religionen solche Diskussionen gibt. Ich würde mir wünschen, dass die jetzige Debatte des Deutschen Bundestages nicht missverstanden wird, sondern einen hilfreichen Beitrag zu einer solchen Debatte leistet. Aber der Deutsche Bundestag kann am Ende eine solche Religionsdebatte nicht entscheiden. Er muss abwägen zwischen dem Recht des Kindes auf Unverletztlichkeit und der Möglichkeit der Religionsausübung in Deutschland. Ich fände eine Regelung sinnvoll, die den Kindern bzw. Jugendlichen eine Entscheidung über die Beschneidung zu einem Zeitpunkt ermöglichen würde, zu dem sie zu einer eigenen Entscheidung in der Lage sind. Ich nehme aber zur Kenntnis, dass eine deutliche Mehrheit der Religionsgelehrten eine solche für die jüdische Religion zurzeit nicht für möglich hält. Deshalb kann ich mich der Notwendigkeit der Ermöglichung von Beschneidungen nicht entziehen. Mir ist klar, dass sie erfolgen werden, und ich will, dass sie geregelt unter höchstmöglichen Schutzmaßnahmen für die Kinder stattfinden. Mir ist ganz wichtig, dass solche Eingriffe unter einwandfreien medizinischen Umständen stattfinden und dass entsprechende Vorkehrungen zur wirklich effektiven Schmerzlinderung getroffen werden. Wenn es um spätere Beschneidungen geht, muss zweifelsfrei geklärt sein, dass eine Ablehnung durch das Kind eine solche Beschneidung unmöglich macht. Leider sehe ich in keinem der vorliegenden Regelungsentwürfe eine angemessene Lösung. Ich habe erhebliche Bedenken, dass die Beschneidung durch eine Person ohne ausreichende ärztliche Ausbildung toleriert werden soll. Zweifelsfrei handelt es sich um einen chi-rurgischen Eingriff. Zweifelsfrei verursacht er erhebliche Schmerzen, auch im frühesten Babyalter. In Respekt vor dem Grundrecht der Ausübung der Religionsfreiheit ist es nach meiner Auffassung geboten, dieses Ritual mit den ansonsten in Deutschland üblichen medizinischen Standards bei Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit zu verbinden. Den Gesetzentwurf, der eine Beschneidung aus religiösen Gründen erst ab einem Lebensalter ab 14 Jahren erlaubt, lehne ich ab. Auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist für mich in seiner Ursprungsversion nicht zustimmungsfähig. Die Änderungsanträge der SPD-Fraktion zum Entwurf der Bundesregierung sind notwendige und sinnvolle Verbesserungen. Dies gilt sowohl für den Antrag, der eine Fristverkürzung auf zwei Monate für einen derartigen Eingriff durch eine nicht approbierte Person vorsieht, als auch für den Antrag, zu klaren Regelungen zur Durchführung von Beschneidungen zu kommen. Ich bedauere sehr, dass es vonseiten der die Regierung tragenden Fraktionen kein Interesse an einem interfraktionellen Dialog gegeben hat, der eine von einer -äußerst breiten Mehrheit getragene Entscheidung ermöglicht hätte. Da heute keine Lösung zur Abstimmung steht, der ich umfänglich zustimmen kann, werde ich mich zur Regierungsvorlage der Stimme enthalten. Zugleich fühle ich mich verpflichtet, mich in der gesellschaftlichen Debatte weiter für die Ermöglichung der Beschneidung aus religiösen Gründen durch medizinisch geeignete Personen einzusetzen. Das gilt so lange, bis sich aus den innerreligiösen Debatten selbst eine andere Möglichkeit abzeichnet. Raju Sharma (DIE LINKE): Der Bundestag hatte heute über zwei Gesetzentwürfe zur Regelung von Beschneidungen an männlichen Kindern abzustimmen. Nach dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf sollen Eltern zukünftig wirksam in die Beschneidung ihrer minderjährigen Jungen einwilligen können, sofern sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen wird und das Kindeswohl nicht gefährdet ist. Dabei soll es zukünftig erlaubt sein, dass zumindest Beschneidungen von unter sechs Monate alten Säug-lingen auch von medizinischen Laien durchgeführt werden. Ich lehne den Gesetzentwurf der Bundesregierung unter anderem aus folgenden Gründen ab: Das Kölner Landgericht hat in seinem Urteil vom 7. Mai 2012 auf der Grundlage der bestehenden Gesetze für Recht erkannt, dass eine rein religiös motivierte Beschneidung eines vierjährigen Jungen rechtswidrig war. Weil es wegen dieser Einzelfallentscheidung öffentliche Proteste gab, hat sich eine Mehrheit des Bundestages im Rahmen einer Sondersitzung dafür ausgesprochen, die bestehenden Gesetze zu ändern, um die religiös motivierte Beschneidung zukünftig zu erlauben. Die Verunsicherung, die das Urteil des Landgerichts Köln ausgelöst hat, ist aus meiner Sicht verständlich, zumal die Beschneidung minderjähriger Jungen sowohl im Judentum als auch im Islam eine lange Tradition hat, die auch in Deutschland über viele Jahre offen und öffentlich praktiziert worden ist, ohne dass ihre rechtliche Zulässigkeit bisher in Zweifel gezogen wurde. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass es in den vergangenen Jahrzehnten eine am Kindeswohl ausgerichtete Fortentwicklung des Rechts durch Gesetze und internationale Vereinbarungen gab, zu deren Einhaltung sich auch Deutschland verpflichtet hat. Über lange Zeit herrschte in Deutschland eine extensive Auslegung des Elternrechts, die den Eltern eine sehr weitgehende Entscheidungsfreiheit in allen Angelegenheiten des Kindes einräumte und zum Beispiel auch das Recht auf körperliche Züchtigung umfasste, das lediglich in Fällen schwerer Kindesmisshandlungen eine Grenze fand. Vor diesem Hintergrund stand auch das Recht von Eltern, im Namen des Kindes in eine Beschneidung einzuwilligen, rechtlich nie in Zweifel. Mittlerweile hat sich jedoch ein anderes Rechtsverständnis durchgesetzt, das Kinder als eigenständige Träger von Rechten begreift. Verankert wurde dieses Verständnis weltweit in der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 und in Deutschland unter anderem konkretisiert mit der im Jahr 2000 – von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und PDS gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion – durchgesetzten Einfügung eines „Rechts auf gewaltfreie Erziehung“ in § 1631 Abs. 2 BGB. Das Dilemma, vor dem die Glaubensgemeinschaften und der staatliche Gesetzgeber stehen, ergibt sich somit durch eine Kollision irdischer Gesetze mit – in diesem Fall von den betroffenen Glaubensgemeinschaften als zentral betrachteten – religiösen Geboten. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass der religiöse Glaube des mündigen Menschen zu respektieren und zu schützen ist. Doch für die Religionsfreiheit gilt, was für alle Freiheiten in einem demokratischen Rechtsstaat gilt: Sie ist nicht unbeschränkt. Der Staat hat nicht die Aufgabe, die Religionsausübung zu gestalten. Er hat aber die Aufgabe, Interessen der unterschiedlichen Beteiligten abzuwägen und einen Rahmen vorzugeben, in dem sich alle in dieser Gesellschaft bewegen müssen. Innerhalb dieses Rahmens liegt es in der Eigenverantwortung und in der Gestaltungshoheit jeder Glaubensgemeinschaft, Wege zu finden, die Ausübung ihrer jeweiligen religiösen Gebote mit der staatlichen Rechtsordnung in Einklang zu bringen. Die Beschneidung von Jungen mag bei entsprechender medizinischer Indikation dem Kindeswohl entsprechen; ein derartiger nicht umkehrbarer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und in das Selbstbestimmungsrecht eines jungen Menschen kann jedoch nicht allein mit den auf religiösen Traditionen begründeten Wünschen der Eltern gerechtfertigt werden. Gemeinsam mit 65 weiteren Abgeordneten der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken habe ich einen alternativen Gesetzentwurf zur Beschneidung minderjähriger Jungen eingebracht, der die unterschiedlichen Interessen meines Erachtens angemessen berücksichtigt. Nach diesem Gesetzentwurf ist eine Beschneidung nicht zulässig bei einem Kind unter 14 Jahren. Danach muss der – einsichts- und urteilsfähige – -Jugendliche selbst in den Eingriff einwilligen. Die Beschneidung muss von einem Facharzt oder einer Fachärztin vorgenommen werden, und das Kindeswohl muss berücksichtigt werden. Dass die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Altersgrenze nicht an die Volljährigkeit – 18 Jahre –, sondern an die Religionsmündigkeit – 14 Jahre – anknüpft, ist ein Kompromiss, den ich im Hinblick auf die weiteren Anforderungen für die Zulässigkeit einer Beschneidung für vertretbar halte. Ich stimme für diesen alternativen Gesetzentwurf. Den Gesetzentwurf der Bundesregierung lehne ich ab. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor rund einem halben Jahr haben wir in unserer Fraktion intensiv darüber diskutiert, ob wir die Bundesregierung auffordern sollen, einen Gesetzentwurf zur rechtlichen Regelung der Beschneidung vorzulegen. Die Situation war eigentlich unzumutbar: Mitten in der Sommerpause sollte das Parlament überstürzt und ohne viel Bedenkzeit eine Entscheidung in einer hochsensiblen Angelegenheit fällen, für die ein langer und gut organisierter Debattenprozess notwendig gewesen wäre. Deshalb habe ich im Sommer dem Antrag an die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, nicht zugestimmt. Heute sehe ich, gerade im Lichte des vorliegenden Entwurfs und der Diskussion darüber, dass dies eine richtige Entscheidung war. Ich kann heute keinem der beiden heute vorliegenden Gesetzentwürfe zustimmen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass keine gesetzliche Lösung der Beschneidungsfrage die beste Lösung ist. Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang, dass das Urteil eines Landgerichts eine hektische Gesetzgebung auslöst. Das Kölner Urteil vom 7. Mai 2012 blieb zunächst ohne Folgen – es endete mit Freispruch, hätte zukünftig kein anderes deutsches Gericht gebunden, jedoch von anderen Gerichten korrigiert werden können. Bis zu dem Zeitpunkt lehnte kein anderes Gericht in Deutschland in Zivil-, Sozial- oder Strafrechtsverfahren die Beschneidung von Jungen ab. Das Urteil brauchte ganze sechs Wochen, bis es mediale Aufmerksamkeit erlangte. Es hat auch keine spürbare Verfolgung durch weitere Strafverfahren ausgelöst. Aber es hat zweifellos unter den Jüdinnen und Juden genau wie unter den Musliminnen und Muslimen Verunsicherung ausgelöst. Allein, es gibt Zweifel daran, ob dieser Verunsicherung durch hektische Gesetzgebung begegnet werden kann. Im Gegenteil schaffen die vorgelegten Gesetzentwürfe – insbesondere der der Bunderegierung – neue Unsicherheiten. Dieser Gesetzentwurf schafft mehr Probleme, als er vorgibt zu lösen. Er schützt das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Jungen ungenügend und entfernt sich damit von Entscheidungen, die wir beispielsweise mit dem Recht auf gewaltfreie Erziehung in der Vergangenheit getroffen haben. Er schafft juristische Grauzonen – übrigens auch in der Abgrenzung gegenüber bestimmten Formen der weiblichen Genitalverstümmelung. Er definiert Straftatbestände gegenüber Eltern und Ärzten, wenn die im Gesetz genannten Bedingungen nicht eingehalten werden. Dieser Gesetzentwurf wird vermutlich nicht dazu führen, dass es weniger Beschneidungen geben wird als zuvor. Bei der ohne medizinische Indikation vorgenommenen Beschneidung von nicht religionsmündigen Jungen handelt es sich um eine nicht reversible lebenslange Veränderung ihres sexuellen Empfindens. Mit dem Gesetzentwurf wird von den Religionsgemeinschaften der Druck genommen, sich mit alternativen Riten auseinanderzusetzen. In den Monaten der Diskussion um die Rechtmäßigkeit der Beschneidung hat die Frage der Alternativen insbesondere zur jüdischen Beschneidung nur am Rande eine Rolle gespielt. Dabei höre ich auch aus jüdischen Gemeinden in Deutschland, dass über symbolische Beschneidungen diskutiert wird. Dabei wird am achten Tag nur eine Aufnahmezeremonie – Brit Shalom – durchgeführt, ähnlich wie bei jüdischen Mädchen. In Israel entscheiden sich schätzungsweise 3 Prozent der Eltern für eine symbolische Beschneidung, Tendenz steigend; fast 30 Prozent der Eltern sehen die Beschneidung kritisch. Hier findet eine Entwicklung statt, die sicherlich auch in Deutschland eine Chance hätte. Doch sie muss aus den Gemeinden selbst kommen, sie kann nicht durch Strafrecht erzwungen werden. Hier sehe ich auch das große Manko des Gesetzentwurfs von Marlene Rupprecht und weiteren Kolleginnen und Kollegen. Seine Stärke ist, dass er die Frage des Kindswohls und den Schutz der körperlichen Unversehrtheit in den Mittelpunkt stellt und besser löst als der Gesetzentwurf der Bundesregierung. Er konfrontiert die Religionsgemeinschaften jedoch zu schnell und zu radikal mit einer neuen Rechtslage, ohne ihnen Zeit einzuräumen, einen Diskurs über alternative Riten zu führen und diese zu entwickeln. Der Gesetzentwurf stellt die Gläubigen vor vollendete Tatsachen, statt einer Entwicklung von innen heraus eine Chance zu geben. Das Signal an die jüdische und muslimische Religionsgemeinschaft ist deshalb eines, das ich nicht senden möchte. Mir scheint ein Aussetzen des Gesetzentwurfs und eine weitere Beratung mit und vor allen Dingen in den betroffenen Religionsgemeinschaften die beste Lösung zu sein. Die Religionsgemeinschaften, aber auch wir als Gesellschaft insgesamt brauchen mehr Zeit und einen stärkeren Austausch über Alternativen. Eine übereilte gesetzliche Regelung ist weder nötig noch der sensiblen Frage angemessen. Deshalb kann ich beiden Gesetzentwürfen nicht zustimmen. Was spricht eigentlich dagegen, mit jenem ungeregelten Rechtszustand weiter zu leben, mit dem wir über Jahrzehnte gelebt haben, der prägend für fast alle Staaten Europas ist – und an dem auch das Urteil des Landgerichts Köln in der Praxis nichts geändert hat? Dr. Marlies Volkmer (SPD): Wir müssen mit der gesetzlichen Regelung eine Abwägung vornehmen zwischen Kindeswohl, Elternrecht und Religionsfreiheit. In dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung wird dem Kindeswohl zu wenig Geltung verschafft. Leider wurden die Änderungsanträge zum Gesetzentwurf abgelehnt, die zu einer stärkeren Verankerung des Kindeswohls geführt hätten. Das betrifft die verkürzte Frist, in der ein nichtärztlicher Beschneider die Beschneidung durchführen darf, Standards für nichtärztliche Beschneider, die zwingende ärztliche Untersuchung und ärztliche Aufklärung der Eltern vor dem Eingriff und die gesetzliche Festlegung, dass eine Beschneidung nicht durchgeführt werden darf, wenn das Kind einen entgegenstehenden Willen zum Ausdruck bringt. Aus diesem Grund kann ich dem Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht zustimmen. Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich stimme dem Gesetzentwurf der Bundesregierung über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Bundestagsdrucksache 17/111295) zu. Dieser Gesetzentwurf garantiert die Straffreiheit der -Beschneidungen minderjähriger Jungen. Meine Entscheidung begründe ich wie folgt: Nur aufgrund der – unter Verfassungsrechtlern isolierten – Rechtsauffassung einer kleinen Strafkammer des Kölner Landgerichts wurde es notwendig, die gängige Praxis der Beschneidung von Jungen gesetzlich zu regeln, da das Kölner Urteil und die anschließende Debatte zu tiefgreifender Verunsicherung bei Ärzten und jüdischen und muslimischen Eltern geführt haben. Jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland darf nicht kriminalisiert werden. Die 4 000 Jahre alte Praxis der Aufnahme in die religiöse Gemeinschaft mittels der männlichen Beschneidung ist ein zentrales Gebot im Judentum und auch im Islam wichtig. Es ist daher von der Religionsausübungsfreiheit der Kinder geschützt. Die religiöse Beschneidung im Judentum und Islam berührt den Kern abrahamitischer Religionen. Sie stellt für viele Gläubige den Schritt zur vollwertigen Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft dar, daher ist die Entscheidung der Eltern zweifelsohne im Sinne des Kindeswohls. Denn selbstverständlich gilt für die Beschneidung von Jungen der gleiche Grundsatz, der auch in allen anderen Fällen dem deutschen Kindschaftsrecht zugrunde liegt: niemand ist mehr am Wohl des Kindes interessiert als die Eltern. Und genau aus diesem Grund darf das Elternrecht nur im Falle einer Kindeswohlgefährdung begrenzt werden. Diese liegt bei einer fachlich korrekt und unter medizinischen Standards durchgeführten Beschneidung nicht vor. Des Weiteren umfasst die Personensorge der Eltern grundsätzlich auch das Recht, bei Einhaltung medizinischer und hygienischer Standards in eine nichtmedizinisch indizierte Beschneidung ihres nicht einsichts- und urteilsfähigen Sohnes einzuwilligen. In beiden Religionsgemeinschaften findet dieser Eingriff in Europa in der Regel durch fachkundiges Personal statt. Deshalb begrüße ich die im Gesetz vorgesehene Regelung, dass in der frühesten Lebensphase der Jungen auch eine von den Religionsgemeinschaften dafür speziell ausgebildete Person für die Durchführung befähigt wird. Häufig handelt es sich hier um Ärztinnen und Ärzte mit einer Zusatzausbildung. Der Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung, wobei es nach meiner Ansicht noch Verbesserungspotenzial gegeben hätte. Aus meiner Sicht ist die sechsmonatige Frist nach der Geburt, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, für eine nicht medizinisch notwendige Beschneidung ohne Narkose zu lang. Deshalb habe ich auch einem Änderungsantrag (Bundestagsdrucksache 17/11816), diese Ausnahmefrist auf 14 Tage zu verkürzen, zugestimmt. Zudem möchte ich das Recht des Kindes stärken. Das Kind muss, soweit es dazu schon in der Lage ist, auch schon vor dem 14. Lebensjahr von ärztlicher Seite über den Eingriff aufgeklärt werden. Selbstverständlich muss der Junge dann auch die Möglichkeit zum Widerspruch haben, wenn er den Eingriff nicht wünscht. Den alternativen Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 17/11430) lehne ich ab. Würde er beschlossen, könnten Eltern nicht mehr in eine Beschneidung ihrer Söhne einwilligen, wenn diese das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Damit würden insbesondere die religiös motivierten Beschneidungen jüdischer und muslimischer Jungen unterbunden. Die Konsequenz wäre entweder, dass jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland stark eingeschränkt oder sogar unmöglich gemacht würde, oder dass Eltern, die ihre Söhne dennoch beschneiden lassen – sei es im In- oder Ausland – strafrechtliche und familienrechtliche Konsequenzen zu spüren bekämen. Dies käme einer Kriminalisierung der religiös motivierten Beschneidung im Kindesalter gleich. Jüdisches und muslimisches Leben muss in Deutschland auch in Zukunft möglich sein. Ich halte es deshalb für richtig, dass durch diese Gesetzesänderung ausdrücklich klargestellt wird, dass ich mich zu einer demokratischen und multikulturellen Gesellschaft bekenne, in der ich die neue Entstehung jüdischen Lebens in Deutschland unterstütze und Muslimas und Muslime willkommen heiße. Persönlich sehe ich die medizinisch nicht notwendige Beschneidung eines gesunden Jungen sehr kritisch, es steht mir aber auch nicht zu, Juden und Muslimen hinsichtlich religiöser Fragen Ratschläge zu erteilen. Für vielleicht wünschenswerte Reformen religiöser Traditionen sind die Religionsgemeinschaften selbst verantwortlich und diese nicht von außen zu oktroyieren. Dies stünde den Schutzrechten religiöser Minderheiten diametral entgegen. Allerdings ist die Abstimmung dieses Tagesordnungspunktes als namentliche Abstimmung aufgerufen worden. Das halte ich für falsch und dem Anlass nicht angemessen. Eine namentliche Abstimmung dient in der Regel der Demonstration einer politischen Haltung und ihres Nachweises. Ein so schwieriges, weil stark mit religiösen Bräuchen und Gefühlen verbundenes, ja befrachtetes Thema wie die Beschneidung ist meines Erachtens der politischen Haltungsdemonstration und dem damit einhergehenden Bekenntnisdrang kaum zugänglich. Jede Sicht auf dieses Thema hat im Zweifel ihre Berechtigung und sollte gleichermaßen respektiert werden. Der „Nachweis der richtigen Gesinnung“ qua namentliche Abstimmung ist meines Erachtens hier völlig unangebracht. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Heike Hänsel und Andrej Hunko (beide DIE LINKE) zu den namentlichen Abstimmungen: – Gesetzentwurf der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach) u. a.: Entwurf -eines Gesetzes über den Umfang der Per-sonensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11430, 17/11800 und 17/11814) – Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814) – Änderungsantrag der Abgeordneten Burkhard Lischka u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11815) – Änderungsantrag der Abgeordneten Jerzy Montag u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11816) – Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Carola Reimann u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11835) (Tagesordnungspunkt 1) Wir haben aus folgenden Gründen den alternativen Gesetzentwurf der kinderpolitischen Sprecherinnen von SPD, Linken und Grünen mitunterzeichnet und gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung gestimmt: Erstens. Die Beschneidung ist ein schmerzvoller und mit Risiken behafteter chirurgischer Eingriff. Die irreversible Entfernung des hochsensiblen, erogenen und funktional wichtigen Körperteils kann dauerhafte physische, psychische und sexuelle Auswirkungen haben. Ein derart schwerwiegender Eingriff in die körperliche -Unversehrtheit des Kindes darf nur mit dessen ausdrücklicher Einwilligung vorgenommen werden. Die Altersgrenze von 14 Jahren – Religionsmündigkeit – ist ein schlüssiges Alter für diese Einwilligung. Zweitens. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes muss mit dem Recht auf Religionsfreiheit -abgewogen werden. Das Recht auf Religionsfreiheit -beinhaltet sowohl das Recht der verschiedenen Religionsgemeinschaften, ihre religiöse Praxis leben zu können, als auch das Recht des Kindes, seine Religion frei zu wählen oder keine Religion zu wählen. Unter Abwägung der verschiedenen Rechtsgüter kommen wir zur Auffassung, dass diese Abwägung in dem alternativen Gesetzentwurf besser gelöst ist. Wir sind nicht der Meinung, dass mit dem Gesetzentwurf die religiöse Praxis etwa von Muslimen oder Juden in Deutschland verunmöglicht würde. Verunmöglicht würde lediglich die Irreversibilität bestimmte religiöser Riten. Die Geschichte der Religionen zeigt, dass religiöse Riten sich verändert haben, ohne den religiösen Kern zu berühren. Drittens. Jede Form der Kriminalisierung von Juden oder Muslimen in Deutschland aufgrund ihrer religiösen Riten lehnen wir ab. Wir begrüßen es, dass die Regelung zur Beschneidung im alternativen Gesetzentwurf ins Recht der elterlichen Sorge eingeordnet wird und explizit nicht ins Strafrecht. Wir verstehen das so, dass weder eine staatsanwaltliche Verfolgung aus eigener Initiative noch die Anzeige Dritter ermöglicht werden soll. -Aufgrund der unnötig kurzen Beratungsfrist konnte für uns juristisch nicht ausreichend geklärt werden, ob für dieses Ziel auch strafrechtliche Aspekte geregelt werden müssten. Viertens. Wir bedauern es zutiefst, dass von der Bundesregierung die gesetzliche Regelung zur Beschneidung im Eiltempo durch den Bundestag gebracht wurde. Unseres Erachtens wäre eine umfassende gesellschaftliche Debatte etwa in einem Zeitraum von zwei Jahren notwendig gewesen. Wir kritisieren ferner, dass bei der interfraktionellen Anhörung keine Betroffenen gehört wurden, wie es bei der Anhörung der Linksfraktion der Fall war. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Thilo Hoppe und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu den namentlichen Abstimmungen: – Gesetzentwurf der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach) u. a.: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11430, 17/11800 und 17/11814) – Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814) – Änderungsantrag der Abgeordneten Burkhard Lischka u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11815) – Änderungsantrag der Abgeordneten Jerzy Montag u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11816) – Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Carola Reimann u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11835) (Tagesordnungspunkt 1) Wir halten beide heute zur Abstimmung vorgelegten Gesetzentwürfe bezüglich der Beschneidung von Jungen für ungeeignet, dem komplexen Thema und den darin innewohnenden Zielkonflikten gerecht zu werden. Unserer Meinung nach wäre eine Art Moratorium besser gewesen, um mehr Zeit zu haben, um mit allen Beteiligten eine Vorgehensweise zu suchen, die das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf freie Religionsausübung besser ausbalanciert. Die Zirkumzision ist kein „kleiner Eingriff“. Sie verursacht bei Nichtbetäubung erhebliche Schmerzen und führt zum unwiderruflichen Verlust eines zwar kleinen Teils des Körpers, der jedoch mit zu den erogensten Zonen zählt. Andererseits kann einer Jahrtausende alten Tradition, die für zwei Weltreligionen – Judentum und Islam – identitätsstiftend ist, nicht mit Mitteln des Strafrechts begegnet werden. Ein gesetzliches Verbot der Beschneidung von Jungen vor dem 14. Lebensjahr würden viele jüdische und muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger als diskriminierend und Angriff auf ihr Recht auf Religionsausübung auffassen. Außerdem wäre zu befürchten, dass Beschneidungen dann im Ausland oder unter bedenklichen Bedingungen im Verborgenen stattfänden. Wir werden deshalb den Gesetzentwurf, der ein Beschneidungsverbot für unter 14-jährige Jungen vorsieht, ablehnen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung versucht zwar, aufgrund der Verunsicherung, die durch das „Kölner Urteil“ ausgelöst wurde, Rechtssicherheit herzustellen. Er birgt aber die Gefahr, dass hinterfragungswürdige Praktiken der Beschneidung als staatlich akzeptiert festgeschrieben werden. Werden die Änderungsanträge zu diesem Gesetzentwurf, die eine Tolerierung der Beschneidung an die Einhaltung weiterer Bedingungen knüpfen und eine Überprüfung des Gesetzes nach einer gewissen Frist einfordern und damit die Vorläufigkeit dieser Regelung betonen, nicht angenommen, werden wir auch diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, sondern uns der Stimme enthalten. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Memet Kilic und Arfst Wagner (Schleswig) (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu den namentlichen Abstimmungen: – Gesetzentwurf der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach) u. a.: Entwurf -eines Gesetzes über den Umfang der Per-sonensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11430, 17/11800 und 17/11814) – Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814) – Änderungsantrag der Abgeordneten Burkhard Lischka u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11815) – Änderungsantrag der Abgeordneten Jerzy Montag u. a. zum Gesetzentwurf der -Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11816) – Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Carola Reimann u. a. zum Gesetzentwurf der -Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11835) (Tagesordnungspunkt 1) Wir stimmen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes – Bundestagsdrucksache 17/11295 – zu. Dieser Gesetzentwurf garantiert die Straffreiheit der Beschneidungen minderjähriger Jungen. Unsere Entscheidung begründen wir wie folgt: Nur aufgrund der – unter Verfassungsrechtlern isolierten – Rechtsauffassung einer kleinen Strafkammer des Kölner Landgerichts wurde es notwendig, die gängige Praxis der Beschneidung von Jungen gesetzlich zu regeln, da das Kölner Urteil und die anschließende Debatte zu tiefgreifender Verunsicherung bei Ärzten und jüdischen und muslimischen Eltern geführt haben. Jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland darf nicht kriminalisiert werden. Die 4 000 Jahre alte Praxis der Aufnahme in die religiöse Gemeinschaft mittels der männlichen Beschneidung ist ein zentrales Gebot im Judentum und auch im Islam wichtig. Es ist daher von der Religionsausübungsfreiheit der Kinder geschützt. Die religiöse Beschneidung im Judentum und Islam berührt den Kern abrahamitischer Religionen. Sie stellt für viele Gläubige den Schritt zur vollwertigen Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft dar, daher ist die Entscheidung der Eltern zweifelsohne im Sinne des Kindeswohls. Denn selbstverständlich gilt für die Beschneidung von Jungen der gleiche Grundsatz, der auch in allen anderen Fällen dem deutschen Kindschaftsrecht zugrunde liegt: Niemand ist mehr am Wohl des Kindes interessiert als die Eltern. Genau aus diesem Grund darf das Elternrecht nur im Falle einer Kindeswohlgefährdung begrenzt werden. Diese liegt bei einer fachlich korrekt und unter medizinischen Standards durchgeführten Beschneidung nicht vor. Des Weiteren umfasst die Personensorge der Eltern grundsätzlich auch das Recht, bei Einhaltung medizinischer und hygienischer Standards in eine nicht medizinisch indizierte Beschneidung ihres nicht einsichts- und urteilsfähigen Sohnes einzuwilligen. In beiden Religionsgemeinschaften findet dieser Eingriff in Europa in der Regel durch fachkundiges Personal statt. Deshalb begrüßen wir die im Gesetz vorgesehene Regelung, dass in der frühesten Lebensphase der Jungen auch eine von den Religionsgemeinschaften dafür speziell ausgebildete Person für die Durchführung befähigt wird. Häufig handelt es sich hier um Ärztinnen und Ärzte mit einer Zusatzausbildung. Der Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung, wobei es nach unserer Ansicht noch Verbesserungspotenzial gegeben hätte. Aus unserer Sicht ist die sechsmonatige Frist nach der Geburt, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, für eine nicht medizinisch notwendige Beschneidung ohne Narkose zu lang. Deshalb haben wir auch einem Änderungsantrag – Bundestagsdrucksache 17/11816 –, diese Ausnahmefrist auf 14 Tage zu verkürzen, zugestimmt. Zudem möchten wir das Recht des Kindes stärken. Das Kind muss, soweit es dazu schon in der Lage ist, auch schon vor dem 14. Lebensjahr von ärztlicher Seite über den Eingriff aufgeklärt werden. Selbstverständlich muss der Junge dann auch die Möglichkeit zum Widerspruch haben, wenn er den Eingriff nicht wünscht. Den alternativen Gesetzentwurf – Bundestagsdrucksache 17/11430 – lehnen wir ab. Würde er beschlossen, könnten Eltern nicht mehr in eine Beschneidung ihrer Söhne einwilligen, wenn diese das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Damit würden insbesondere die religiös motivierten Beschneidungen jüdischer und muslimischer Jungen unterbunden. Die Konsequenz wäre entweder, dass jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland stark eingeschränkt oder sogar unmöglich gemacht würde oder dass Eltern, die ihre Söhne dennoch beschneiden lassen – sei es im In- oder Ausland – strafrechtliche und familienrechtliche Konsequenzen zu spüren bekämen. Dies käme einer Kriminalisierung der religiös motivierten Beschneidung im Kindesalter gleich. Jüdisches und muslimisches Leben muss in Deutschland auch in Zukunft möglich sein. Wir halten es deshalb für richtig, dass durch diese Gesetzesänderung ausdrücklich klargestellt wird, dass wir uns zu einer demokratischen und multikulturellen Gesellschaft bekennen, in der wir die neue Entstehung jüdischen Lebens in Deutschland unterstützen und Muslimas und Muslime willkommen heißen. Persönlich sehen wir die medizinisch nicht notwendige Beschneidung eines gesunden Jungen sehr kritisch, es steht uns aber auch nicht zu, Juden und Muslimen hinsichtlich religiöser Fragen Ratschläge zu erteilen. Für vielleicht wünschenswerte Reformen religiöser Traditionen sind die Religionsgemeinschaften selbst verantwortlich; sie sind diesen nicht von außen zu oktroyieren. Dies stünde den Schutzrechten religiöser Minderheiten diametral entgegen. Allerdings ist die Abstimmung dieses Tagesordnungspunktes als namentliche Abstimmung aufgerufen worden. Das halten wir für falsch und dem Anlass unangemessen. Eine namentliche Abstimmung dient in der Regel der Demonstration einer politischen Haltung und ihres Nachweises. Ein so schwieriges, weil stark mit religiösen Bräuchen und Gefühlen verbundenes, ja befrachtetes Thema wie die Beschneidung ist unseres Erachtens der politischen Haltungsdemonstration und dem damit einhergehenden Bekenntnisdrang kaum zugänglich. Jede Sicht auf dieses Thema hat im Zweifel ihre Berechtigung und sollte gleichermaßen respektiert werden. Der „Nachweis der richtigen Gesinnung“ qua namentlicher Abstimmung ist unseres Erachtens hier völlig unangebracht. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Kerstin Andreae, Cornelia Behm, Volker Beck (Köln), Claudia Roth (Augsburg), Marieluise Beck (Bremen), Katrin Göring-Eckardt, Sven-Christian Kindler, Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln), Dr. Konstantin von Notz, Lisa Paus, Dr. Hermann E. Ott und Josef Philip Winkler (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu den namentlichen Abstimmungen: – Gesetzentwurf der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach) u. a.: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11430, 17/11800 und 17/11814) – Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814) – Änderungsantrag der Abgeordneten Burkhard Lischka u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11815) – Änderungsantrag der Abgeordneten Jerzy Montag u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11816) – Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Carola Reimann u. a. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 und 17/11835) (Tagesordnungspunkt 1) Wir stimmen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung über den Umfang der Personensorge bei einer -Beschneidung des männlichen Kindes (Bundestagsdrucksache 17/11295) zu, der die Straffreiheit der Beschneidungen minderjähriger Jungen garantiert. Die Personensorge der Eltern umfasst grundsätzlich auch das Recht, bei Einhaltung medizinischer und hygienischer Standards in eine nicht medizinisch indizierte Beschneidung ihres nicht einsichts- und urteilsfähigen Sohnes einzuwilligen. Nur aufgrund der – unter Verfassungsrechtlern isolierten – Rechtsauffassung einer kleinen Strafkammer des Kölner Landgerichts wurde es notwendig, die gängige Praxis der Beschneidung von Jungen gesetzlich zu regeln, da das Kölner Urteil und die anschließende Debatte zu tiefgreifender Verunsicherung bei Ärzten und jüdischen und muslimischen Eltern geführt haben. Wir sind uns einig, dass jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland nicht kriminalisiert werden darf. Die 4 000 Jahre alte Praxis der Aufnahme in die religiöse Gemeinschaft mittels der männlichen Beschneidung ist ein zentrales Gebot im Judentum und auch im Islam wichtig. Es ist daher von der Religionsausübungsfreiheit der Kinder geschützt. Die religiöse Beschneidung im Judentum und Islam berühren den Kern abrahamitischer Religionen. Sie stellt für viele Gläubige den Schritt zur vollwertigen Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft dar, daher ist die Entscheidung der Eltern zweifelsohne im Sinne des Kindeswohls. Denn selbstverständlich gilt für die Beschneidung von Jungen der gleiche Grundsatz, der auch in allen anderen Fällen dem deutschen Kindschaftsrecht zugrunde liegt: Niemand ist mehr am Wohl des Kindes interessiert als die Eltern. Und genau aus diesem Grund darf das Elternrecht nur im Falle einer Kindeswohlgefährdung begrenzt werden. Diese liegt bei einer fachlich korrekt und unter medizinischen Standards durchgeführten Beschneidung nicht vor. In beiden Religionsgemeinschaften findet dieser Eingriff in Europa in der Regel durch fachkundiges Personal statt. Deshalb begrüßen wir die im Gesetz vorgesehene Regelung, dass in der frühesten Lebensphase der Jungen auch eine von den Religionsgemeinschaften dafür speziell ausgebildete Person für die Durchführung befähigt wird. Häufig handelt es sich hier um Ärztinnen und Ärzte mit einer Zusatzausbildung. Der Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung, wobei es nach unserer Ansicht noch Verbesserungspotenzial gegeben hätte. Aus unserer Sicht ist die sechsmonatige Frist nach der Geburt, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, für eine nicht medizinisch notwendige Beschneidung ohne Narkose zu lang. Deshalb haben wir auch einem Änderungsantrag, diese Ausnahmefrist auf 14 Tage zu verkürzen, zugestimmt. Zudem möchten wir das Recht des Kindes stärken. Das Kind muss, soweit es dazu schon in der Lage ist, auch schon vor dem 14. Lebensjahr von ärztlicher Seite über den Eingriff aufgeklärt werden. Selbstverständlich muss der Junge dann auch die Möglichkeit zum Widerspruch haben, wenn er den Eingriff nicht wünscht. Den alternativen Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 17/11430) lehnen wir ab. Würde er beschlossen, könnten Eltern nicht mehr in eine Beschneidung ihrer Söhne einwilligen, wenn diese das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Damit würden insbesondere die religiös motivierten Beschneidungen jüdischer und muslimischer Jungen unterbunden. Die Konsequenz wäre entweder, dass jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland stark eingeschränkt oder sogar unmöglich gemacht würde oder dass Eltern, die ihre Söhne dennoch beschneiden lassen – sei es im In- oder Ausland – strafrechtliche und familienrechtliche Konsequenzen zu spüren bekämen. Dies käme einer Kriminalisierung der religiös motivierten Beschneidung im Kindesalter gleich. Jüdisches und muslimisches Leben muss in Deutschland auch in Zukunft möglich sein. Wir halten es deshalb für richtig, dass durch diese Gesetzesänderung ausdrücklich klargestellt wird, dass wir uns zu einer demokratischen und multikulturellen Gesellschaft bekennen, in der wir die neue Entstehung jüdischen Lebens in Deutschland unterstützen und Muslimas und Muslime willkommen heißen. Die teilweise oder vollständige Entfernung der Penisvorhaut greift zweifelsohne in die körperliche Integrität des zu Beschneidenden ein. Rechtswidrig wird sie jedoch nur, wenn bei minderjährigen Jungen keine Einwilligung der Eltern vorliegt oder diese gegen die guten Sitten verstößt. Grundsätzlich üben die Eltern die elterliche Sorge für ihre Kinder eigenverantwortlich und einvernehmlich aus. Damit ist die freie Entscheidung der Eltern die Regel. Zu diesem Schluss kommt auch der Ethik-rat. Dieser Argumentation folgend ist der körperliche Eingriff einer Vorhautbeschneidung bei Jungen mit Einwilligung und vorliegender Einvernehmlichkeit der Eltern bei Einhaltung hygienischer und medizinisch-fachlicher Standards keine Straftat. Die weibliche Genitalverstümmelung dagegen ist eine schwere, nicht zu rechtfertigende Körperverletzung, von der Art und der Begründung des Eingriffs mit der Beschneidung von Jungen nicht zu vergleichen, und ist daher in jedem Fall strafbar. Bei der Beschneidung von Jungen handelt es sich um einen klassischen Grundrechtskonflikt, der im Wege der praktischen Konkordanz auszugleichen ist, wobei jede Grundrechtsposition optimal zu verwirklichen ist. Das Kindeswohl und die anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit, elterlichen Sorge und Religionsfreiheit sind in der Pro-blemlösung einander so zuzuordnen, dass jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt. Der vorgelegte Gesetzentwurf erfüllt diesen Anspruch. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 1): Welche Initiativen unternimmt oder beabsichtigt die Bundesregierung gegenüber der Deutschen Bahn AG, um die Fahrradmitnahme im ICE zu ermöglichen, und ab wann könnte frühestens die Fahrradmitnahme im ICE aus Sicht der Bundesregierung möglich sein? Im Nationalen Radverkehrsplan 2020 hat die Bundesregierung die Verknüpfung des Fahrrads mit anderen Verkehrsmitteln als eigenständiges Handlungsfeld benannt. Vor diesem Hintergrund bleibt auch die Weiterentwicklung der Intermodalität von Rad- und Eisenbahnverkehr ein wichtiges Ziel der Bundesregierung. Sie erkennt an, dass die Mitnahme von Fahrrädern in Zügen des Fernverkehrs der unternehmerischen Verantwortung und betriebswirtschaftlichen Bewertung der Eisenbahnverkehrsunternehmen unterliegt. Der Bund hat aber im Nationalen Radverkehrsplan 2020 seine Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die Eisenbahnunternehmen für die Kundinnen und Kunden des Fernverkehrs in eigener Verantwortung attraktive Angebote für die Fahrradmitnahme bereitstellen. Die Bundesregierung begrüßt in diesem Zusammenhang die Ende Oktober 2011 zwischen DB AG und ADFC beschlossene Mobilitätspartnerschaft, um den Umweltverbund zwischen Fahrrad und Bahn weiter zu verbessern. Die Einführung der Mitnahme von Fahrrädern im ICE hängt von der Verfügbarkeit geeigneter Fahrzeuge ab. Hierzu wird auf die unternehmerische Verantwortung der DB Fernverkehr AG gemäß Antwort auf Frage 58 der Kleinen Anfrage auf Drucksache 17/9506 und die Antwort auf Frage 13 der Kleinen Anfrage auf Drucksache 17/8929 verwiesen. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 2): In welcher Menge wurde in welchen Bundesländern in den Wintern 2011/2012 nach Kenntnis der Bundesregierung Tausalz auf Fernstraßen des Bundes aufgebracht? Gemäß Angabe der Straßenbauverwaltungen der Länder wurden im Winter 2011/2012 auf Bundesfernstraßen folgende Mengen Tausalz eingesetzt: Länder BAB BStr. t t BW 32 013 54 788 BY 68 383 46 956 BE 1 878 179 BB 11 859 6 567 HB 891 350 HH 2 602 496 HE 19 781 17 353 MV 7 812 7 962 NI 19 667 21 092 NW 26 702 18 909 RP 20 841 20 719 SL 6 381 2 179 SN 17 755 17 280 ST 10 983 15 972 SH 6 301 5 647 TH 17 488 13 919 Summe: 271 336 250 367 Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/11786, Frage 9): Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, die Gewinnabführungsverträge zwischen der Holding und den Infrastruktursparten der Deutschen Bahn AG zu kappen, trotz öffentlicher Zusicherung nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass dies in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird? Das angesprochene Thema ist Teil des Prüfauftrags in der Koalitionsvereinbarung im Hinblick auf die Finanzierung der Bahn und die Stärkung der Unabhängigkeit des Netzes. Der Bund und die DB AG haben sich verständigt, zur Verbesserung der Finanzierung der Bahn die Dividendenausschüttung zu erhöhen und im Rahmen des „Finanzierungskreislaufs Schiene“ zusätzliche Mittel für Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur bereitzustellen. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Ulrike Gottschalck (SPD) (Drucksache 17/11786, Frage 18): Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, zeitnah über die Frage zu entscheiden, ob der Bund den Ländern auch nach dem Jahr 2013 weiterhin zweckgebundene Mittel zur Finanzierung von Maßnahmen der Wohnraumförderung zur Verfügung stellt, trotz öffentlicher Zusage nicht umgesetzt (vergleiche Koalitionsvertrag, Seite 42)? Sowohl Grundgesetz als auch Koalitionsvereinbarung enthalten einen Prüfauftrag zur Fortführung der Kompensationszahlungen an die Länder von 2014 bis 2019. Die Federführung liegt beim Bundesministerium der Finanzen. Im Zuge der Beratungen zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags haben Bund und Länder vereinbart, dass eine Entscheidung über die Höhe der vom Bund für den Zeitraum 2014 bis 2019 zur Aufgabenerfüllung der Länder zu zahlenden Kompensationen nach Art. 143 c des Grundgesetzes („Entflechtungsmittel“) im Herbst dieses Jahres erfolgt. Der Bund hat in verschiedenen Gesprächen seine Bereitschaft zu einer Verständigung signalisiert. Eine Einigung mit den Ländern ist noch nicht erfolgt. Die Gespräche werden fortgesetzt. Bundesminister Dr. Peter Ramsauer ist nach wie vor zuversichtlich, dass sich Bund und Länder zügig auf ein für alle Seiten akzeptables Ergebnis einigen werden. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Ulrike Gottschalk (SPD) (Drucksache 17/11786, Frage 19): Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, den Wohnraum alten- und generationsgerecht zu gestalten, trotz öffentlicher Zusage nicht umgesetzt, und wie ist in diesem Zusammenhang das Auslaufen der Mittel für das Bundesprogramm der KfW Bankengruppe „Altersgerecht Umbauen“ zu bewerten (vergleiche Koalitionsvertrag, Seite 73)? Der Auftrag aus dem Koalitionsvertrag, Wohnraum alters- und generationengerecht zu gestalten, wird von der Bundesregierung durch verschiedene Maßnahmen umgesetzt. Im Rahmen des Konjunkturpakets I hat die Bundesregierung befristet für die Jahre 2009 bis 2011 jeweils rund 80 bis 100 Millionen Euro für die Zinsverbilligung von Darlehen und für Investitionszuschüsse für das KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ bereitgestellt. Damit wurden Investitionsanreize für alters- und behindertengerechte Anpassung von Wohnungsbestand und Wohnumfeld gesetzt. Das Programm stand selbst nutzenden Wohnungseigentümern, privaten Vermietern und Mietern sowie Wohnungsunternehmen und -genossenschaften zur Verfügung. Seit Programmbeginn im April 2009 wurden hiermit bis Ende 2011 insgesamt rund 82 500 Wohneinheiten altersgerecht saniert und Investitionen von rund 1,4 Milliarden Euro angestoßen. Die KfW setzt seit dem 1. Januar 2012 das Programm „Altersgerecht Umbauen“ in der Darlehensvariante in modifizierter Form als Eigenmittelprogramm fort. Die Förderung des altersgerechten, das heißt barrierefreien/barrierearmen Umbaus ist außerdem in den Entwurf des gegenwärtig im parlamentarischen Verfahren befindlichen Altersvorsorgeverbesserungsgesetzes aufgenommen worden (sogenanntes Wohnriestern). Damit erhalten förderberechtigte Eigentümer die Möglichkeit, die Riester-Förderung auch für die rechtzeitige bauliche Vorsorge im Alter einzusetzen. Schwerpunkte der Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik der Bundesregierung im Bereich „Alters-gerechtes Bauen und Wohnen“ werden die weitere -Sensibilisierung und Beratung der Eigentümer von Wohngebäuden sowie der bauplanenden und bauausführenden Berufe für den Abbau von Barrieren bleiben. Dazu tragen auch Modellvorhaben zum altersgerechten Umbau von Wohnungsbestand und Infrastruktur des BMVBS bei. Sie wurden 2010 gestartet und erproben die Rahmenbedingungen für die praktische Umsetzbarkeit des Barriereabbaus. Die Ergebnisse der Ende 2012 abgeschlossenen Modellvorhaben sollen zur Weiterentwicklung des Förderinstrumentariums und zur Netzwerkbildung genutzt werden. Ferner unterstützt das BMFSFJ mit Modellvorhaben zum selbstständigen Wohnen älterer Menschen unter anderem mit Maßnahmen im unmittelbaren Wohnumfeld, zum Beispiel durch Förderung von Nachbarschaftshilfe, Dienstleistungen und ehrenamtlichem Engagement. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/11786, Frage 20): Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, eine Neuregelung der sogenannten Altschuldenhilfe für ostdeutsche Wohnungsunternehmen vorzulegen, trotz öffentlicher Zusicherung nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird (vergleiche Koalitionsvertrag, Seite 41)? Hinsichtlich der städtebaulichen Bedeutung einer Anschlussregelung für die Ende 2013 auslaufende Altschuldenhilfe nach § 6 a Altschuldenhilfegesetz hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 2010 ein Gutachten „Altschuldenhilfe und Stadtumbau“ in Auftrag gegeben, mit dem auch ein in der Koalitionsvereinbarung enthaltener Prüfauftrag umgesetzt wurde. Der Gutachter sieht keine Notwendigkeit für weitere Altschuldenhilfe. Um die künftige Entwicklung einzubeziehen, lässt das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung das Gutachten aktualisieren. Die Bundesregierung sieht wie der Gutachter die Priorität in der Städtebau- und Wohnraumförderung. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Ute Kumpf (SPD) (Drucksache 17/11786, Frage 21): Wie setzt die Bundesregierung ihre Aussagen aus dem Koalitionsvertrag „Wir wollen Deutschland zu einem Leitmarkt für Elektromobilität machen und dabei bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straßen bringen“ um angesichts des aktuellen Bestands von 47 000 Hybrid- und 4 500 reinen Elektroautos bei 43 Millionen Pkw und angesichts der Kritik der Expertenkommission Forschung und Innovation, EFI, im Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2012, dass nicht in Deutschland ein Leitmarkt Elektromobilität entsteht, sondern China Vorreiter sein wird? Die Bundesregierung hält an dem ambitionierten Ziel, Deutschland als Leitmarkt zu etablieren und bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straßen zu bringen, nach wie vor fest. Die deutsche Industrie soll durch technologische Innovationen zu einem Leitanbieter für Elektromobilität werden. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, diese Ziele in einer gemeinsamen Anstrengung mit Industrie, Wissenschaft und gesellschaftlichen Organisationen erreichen zu können. Es ist erforderlich, gemeinsam Prozesse zu gestalten und zu optimieren. Über die zielführenden Wege und Maßnahmen befinden sich alle Beteiligten in einem kontinuierlichen und konstruktiven Austausch. Der in der Nationalen Plattform Elektromobilität, NPE, realisierte Schulterschluss zwischen allen maßgeblichen Interessengruppen ist weltweit beispielgebend. Die Unterstützung der Bundesregierung für Forschung und Entwicklung von über 1 Milliarde Euro wird sich in der technologischen Attraktivität deutscher Elektrofahrzeuge in Zukunft auszahlen. Im Rahmen der NPE haben die deutschen Autohersteller angekündigt, dass in den Jahren 2013 und 2014 die Serienproduktion ausgereifter Elektrofahrzeuge anlaufen soll. Die Gesamtheit der verfügbaren Fahrzeuge wird somit schon bald die Wahrnehmbarkeit der Elektromobilität und die Nutzerakzeptanz deutlich erhöhen und somit eine breitere Marktdurchdringung einleiten. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 24): Wie ist das weitere Vorgehen der Bundesregierung in Bezug auf den Elbe-Saale-Kanal (Saale-Seitenkanal), und wird die Bundesregierung auf Basis des Gutachtens der Firma Planco Consulting GmbH vom Juli 2012 die weitere Planung für den Kanal einstellen (bitte Begründung angeben)? Die planfestgestellte Maßnahme „B 6 Ausbau westlich Cossebaude“ beinhaltet den grundhaften Ausbau mit Regelquerschnitt der Bundesstraße westlich der Ortslage Cossebaude. Die genehmigten Gesamtkosten betragen 9,8 Millionen Euro, davon entfallen 7,7 Millionen Euro auf den Bund, 0,2 Millionen Euro auf die Stadt Dresden, 1,5 Millionen Euro auf die DB AG und 0,4 Millionen Euro auf unterschiedliche Medienträger. Die Eisenbahnkreuzungsvereinbarung wird aktuell verhandelt. Sperrpausen für den dringend erforderlichen Ersatzneubau der Straßenüberführung werden seitens der DB AG frühestens ab 2015 in Aussicht gestellt, da die unterführte Bahnstrecke derzeit als Umleitungs-strecke genutzt wird. Für die ebenfalls in Verhandlung stehende Vereinbarung mit Vattenfall (Rohrbahnbrücke am Pumpspeicherwerk Niederwartha) wird derzeit eine geänderte technische Lösung erarbeitet. Das Land Sachsen, hier das zuständige Landesamt für Straßenbau und Verkehr, beabsichtigt ab Herbst 2013 mit bauvorbereitenden Maßnahmen (Baumfällungen, Baufeldfreimachungen) zu beginnen. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 25): Wann soll mit der Realisierung des planfestgestellten zweistreifigen Neubaus der B 6 begonnen werden, und wie werden die Kosten im Einzelnen verteilt? Die begrenzten Investitionsmittel, die dem Bund für Infrastrukturmaßnahmen an Bundeswasserstraßen zur Verfügung stehen, zwingen zur Priorisierung von Maßnahmen und zur Konzentration der Investitionsmittel auf dringende Ersatz- und Erhaltungsinvestitionen. Der für Ausbaumaßnahmen verfügbare Anteil ist durch die laufenden Maßnahmen bereits so weit ausgeschöpft, dass bei der aktuell gültigen Investitionslinie für Wasserstraßeninfrastrukturmaßnahmen auf absehbare Zeit praktisch keine Spielräume für den Beginn neuer Maßnahmen bestehen. Dies betrifft auch den Ausbau der Saale-Mündungsstrecke. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 26): Inwiefern stellt die Bundesregierung sicher, dass für die Finanzierung des vierstreifigen Neubaus der B 30 über die im Infrastrukturbeschleunigungsprogramm II vorgesehenen 1 Million Euro in 2013 und 2 Millionen Euro in 2014 hinaus in den kommenden Jahren ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen und das Projekt in absehbarer Zeit auch vollständig umgesetzt werden kann? Durch die zusätzlichen Mittel des Infrastrukturbeschleunigungsprogramms II kann die Finanzierungssituation im Bundesfernstraßenbau im Jahr 2013 verbessert werden. Die Zusatzmittel sind dabei auf die Jahre 2013 und 2014 beschränkt. Über die nach diesem Zeitraum im Detail bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten ist dann im Lichte der jeweils beschlossenen Haushalte zu entscheiden. Dies schließt auch die vorgeschlagene Neubaumaßnahme im Zuge der B 30 ein. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 27): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem erfolgreichen Volksbegehren in Brandenburg, mit dem die Bürgerinnen und Bürger ihre Forderung nach einem Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr deutlich machten, und aus welchen Gründen verweigert sich die Bundesregierung bislang, das Nachtflugverbot bundesweit einheitlich zu regeln? Volksbegehren und ihre Auswirkungen liegen in der jeweiligen Zuständigkeit der Länder. Auch die Festlegung von Betriebszeiten der Flughäfen erfolgt im Rahmen von luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren durch die zuständigen Länderbehörden. Mit der bestehenden Gesetzeslage kann lokalen Besonderheiten Rechnung getragen werden. Zudem haben die zuständigen Landesbehörden die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des Nachtfluges zu berücksichtigen. Anlage 18 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler (SPD) (Drucksache 17/11786, Fragen 30 und 31): Welche Auswirkungen auf die Einnahmen des Energie- und Klimafonds hätte es nach Ansicht der Bundesregierung, wenn die Änderung der Auktionierungsverordnung – sogenanntes Backloading – nicht erfolgen würde und somit nicht 900 Millionen Zertifikate vom Markt zurückgehalten würden? Stimmt die Bundesregierung mit vielen Marktteilnehmern überein, dass ein positives Abstimmungsergebnis zum Vorschlag zur Änderung der Auktionierungsverordnung – Backloading – noch in diesem Jahr einen stützenden Effekt auf den CO2-Preis haben würde? Zu Frage 30: Die Bundesregierung hat zu der Möglichkeit, dass die von der EU-Kommission vorgeschlagene Verschiebung von Auktionsmengen nicht beschlossen werden sollte, bereits vor zwei Wochen im Zuge einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Drucksache 17/11454) geantwortet. Diese Antwort gilt im Hinblick auf die obenstehende Frage nach wie vor. Danach erstellt die Bundesregierung keine eigenen Prognosen zur Entwicklung des CO2-Preises. Die Europäische Kommission hat mit dem sogenannten Back-loading-Vorschlag vom 12. November 2012 eine Folgenabschätzung, Impact Assessment, vorgelegt und dabei Prognosen von Marktanalysten zur Entwicklung des CO2-Preises für den Fall wiedergegeben, dass kurzfristig keine Maßnahmen ergriffen werden. Für die drei kommenden Jahre bewegen sich diese Preiserwartungen der Marktanalysten zwischen 4,50 Euro und 8 Euro pro Zertifikat. Die Bundesregierung ist sich bewusst, dass es bei den Einnahmen des EKF aus dem Emissionshandel zu Schwankungen kommen kann. Vor diesem Hintergrund sieht § 4 Abs. 4 des Gesetzes zur Errichtung des Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“, EKFG, vor, dass der EKF zum Ausgleich eines Finanzierungsdefizits ein Liquiditätsdarlehen aus dem Bundeshaushalt erhalten kann. Von dieser Ermächtigung wird die Bundesregierung im Bedarfsfall Gebrauch machen und den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vorab unterrichten. Zu Frage 31: Die EU-Kommission wird die vorgeschlagene Änderung der EU-Auktionsverordnung in diesem Jahr nicht mehr zur Abstimmung im zuständigen Komitologieausschuss stellen. Anlage 19 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 32): Welche Initiativen hat die Bundesregierung mit Blick auf die Ergebnisse der Weltklimakonferenz in Doha für den vom Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Peter Altmaier, propagierten Klub der Energiewendestaaten auf den Weg gebracht, und was soll das Plus eines solchen Klubs gegenüber bestehenden Initiativen sein? Die erneuerbaren Energien haben in den letzten Jahren ein beeindruckendes Wachstum verzeichnet, begleitet von großem technologischem Fortschritt und verbunden mit drastischen Kostensenkungen. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist eines der wichtigsten Instrumente zur Reduzierung von Treibhausgasen. Immer mehr Staaten betrachten den Ausbau erneuerbarer Energien in Verbindung mit der Steigerung der Energieeffizienz als eine zentrale Säule einer modernen Energieversorgung, die Versorgungssicherheit gewährleistet und von der Impulse für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung und ein klimaverträgliches Wachstum ausgehen. Während der Klimakonferenz in Doha hat Bundesminister Altmaier seine Idee, einen Renewables Club zu gründen, vorgestellt und verschiedene Gespräche mit progressiven Vorreiterstaaten des Ausbaus erneuerbarer Energien geführt, die sich interessiert an der Idee zeigten. Diese Gespräche werden in den nächsten Wochen weitergeführt. Was ist das Plus eines solchen Klubs? Deutschland war eines der Vorreiterländer beim Ausbau und bei der Förderung der erneuerbaren Energien. Gegenwärtig greifen immer mehr Staaten erneuerbare Energien auf und diskutieren die Neuausrichtung ihrer Energiepolitik. Dies ist ein idealer Zeitpunkt für Deutschland, um gerade mit weiteren progressiven Vorreiterstaaten den Schulterschluss zu suchen und neues internationales politisches Momentum für einen weiteren Ausbau der Erneuerbaren zu schaffen. Die Bundesregierung möchte mit einem solchen Klub aus Vorreiterstaaten aus diesem Grund auf internationaler Ebene neue politische Akzente setzen und die Chancen einer zukünftigen modernen und klimaverträglichen Energieversorgung, die zu einem wachsenden Anteil auf erneuerbaren Energien beruht, aufzeigen und international diskutieren. Der Renewables Club soll die Funktion erfüllen, andere Staaten weltweit davon zu überzeugen, dass verstärkte Investitionen in erneuerbare Energien wirksamen Klimaschutz, wirtschaftliches Wachstum und damit gesamtgesellschaftlichen Nutzen mit sich bringt. Anlage 20 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 33): Welche Position wird die Bundesregierung zur Stärkung des europäischen Emissionshandels im Zusammenhang mit den entsprechenden Vorschlägen der Europäischen Kommission im nächsten Climate Change Committee auf europäischer Ebene einnehmen, und was wird dort ihr vorrangiges Anliegen sein? Die EU-Kommission wird die vorgeschlagene Änderung der EU-Auktionsverordnung in diesem Jahr nicht mehr zur Abstimmung im zuständigen Komitologieausschuss stellen. Anlage 21 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Fragen der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Fragen 34 und 35): Auf der Grundlage welcher Annahmen und Daten, unter anderem zu Zertifikatspreisen und zur Anzahl von Flügen, hat die Bundesregierung geschätzt, dass die Einnahmen durch die Versteigerungen von Treibhausgasemissionszertifikaten für den Luftverkehr voraussichtlich 35 Millionen Euro nicht übersteigen werden (siehe Bundestagsdrucksache 17/11387), und welcher Teilbetrag der 35 Millionen Euro entfällt nach den Schätzungen der Bundesregierung dabei auf die Versteigerungen von Treibhausgasemissionszertifikaten für Langstreckenflüge? Rechnet die Bundesregierung damit, aufgrund der An-kündigung der EU-Kommissarin für Klimapolitik, Connie Hedegaard, die Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten für Flüge mit Start oder Ziel außerhalb der Europäischen Union auszusetzen, die erwarteten Einnahmen aus der Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten für den Luftverkehr korrigieren zu müssen? Zu Frage 34: Die Europäische Kommission hat bisher noch keine offizielle Schätzung über die Versteigerungsmengen im Luftverkehr je Mitgliedstaat veröffentlicht. Diese richten sich gemäß Art. 3 d (3) der Richtlinie 2003/87/EG nach den dem Mitgliedstaat zuzuordnenden Luftverkehrs-emissionen des Jahres 2010. Daher stützte sich die Bundesregierung bei ihren Berechnungen auf grobe Schätzungen auf Basis vorhergehender Jahre. Demnach belief sich die erwartete deutsche Versteigerungsmenge für das Jahr 2012 auf rund 6 Millionen Luftverkehrsemissionsberechtigungen, die mit dem damaligen Marktpreis für Emissionsberechtigungen des Jahres 2012 von etwas über 7 Euro je Tonne CO2 und unter Berücksichtigung eines im Markt bestehenden Abschlages für die Luft-verkehrsemissionsberechtigungen multipliziert wurde. Konservativ geschätzt ergeben sich so die in der Bundestagsdrucksache genannten Einnahmen. Eine Schätzung über den Anteil der außereuropäischen Flüge an der oben genannten groben Schätzung der gesamten Menge an Luftverkehrsemissionsberechtigungen liegt der Bundesregierung nicht vor, siehe dazu auch die Antwort zur nächsten Frage. Zu Frage 35: Der Vorschlag der Kommission sieht vor, die Durchsetzung der Pflichten für im Jahr 2012 durchgeführte -außereuropäische Flüge auszusetzen. Entsprechend soll die Versteigerungsmenge angepasst werden, sodass weiterhin 15 Prozent der im Umlauf befindlichen Gesamtmenge an Luftverkehrsemissionsberechtigungen versteigert wird. Hierzu hat die Kommission noch keine Zahlen vorgelegt. Sie hat angekündigt, zunächst die Versteigerungsmenge je Mitgliedstaat zu ermitteln, die sich auf die Emissionen der innereuropäischen Flüge des Jahres 2012 bezieht. Je nach Menge der zuzuordnenden Emissionen dieser Flüge auf die Mitgliedstaaten ergibt sich so die Mindestversteigerungsmenge je Mitgliedstaat. In dem Maße, wie Luftverkehrsbetreiber auch die Pflichten für außereuropäische Flüge erfüllen und nicht durch Rückgabe der kostenlosen Zuteilung den Verzicht auf die Sanktionierung nutzen, kann sich diese Menge noch erhöhen. Die endgültige Auktionsmenge kann daher erst nach Ablauf der Abgabefrist für die Luftverkehrsberechtigungen am 30. April 2013 ermittelt werden. Die Bundesregierung erwartet, dass die deutsche Versteigerungsmenge im Luftverkehr für das Jahr 2012 um über zwei Drittel geringer ausfallen wird als ursprünglich erwartet. Anlage 22 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 38): Wann werden im Jahr 2013 die Beratungskommissionen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, also die Reaktor-Sicherheitskommission, die Strahlenschutzkommission und die Entsorgungskommission und ihre jeweiligen Fachausschüsse, tagen (bitte mit Angabe des genauen Datums und vollständiger Angabe aller bis dato geplanten Termine; bitte entsprechend wie meine mündliche Frage 1, Plenarprotokoll 17/186, Anlage 3 beantworten)? Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit übergibt eine Liste der Termine der Reaktor-Sicherheitskommission, RSK, der Strahlenschutzkommission, SSK, und der Entsorgungskommission, ESK, sowie der Ausschüsse im Jahre 2013. Für die SSK ist für 2013 bisher nur der erste Sitzungstermin festgelegt, da gegenwärtig die Mitglieder neu berufen werden und erst danach weitere Terminfestlegungen getroffen werden können. Demgemäß stehen auch die Termine der Ausschüsse noch nicht fest. Anlage 23 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 39): Um welche „vorliegenden Unterlagen“ handelt es sich konkret in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 22 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 17/11788 (bitte Datumsangabe), und welche Unterlagen, Untersuchungsergebnisse etc. wurden dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit seit dem 25. Mai 2011 zu dem auf Bundestagsdrucksache 17/11600 thematisierten Grafenrheinfeld-Befund übermittelt (bitte ebenfalls mit Datumsangabe; siehe hierzu Antwort zu den Fragen 33 bis 35 auf Bundestagsdrucksache 17/11788)? Unter „vorliegenden Unterlagen“ zu Frage 22 sind die Akten des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, zu verstehen. In diesen befinden sich keine Dokumente, die Ihre Frage betreffen. Bei den in der Antwort zu Bundestagsdrucksache 17/11600 Frage 33 genannten Unterlagen handelt es sich um ein Gutachten des TÜV Süd zu von der Firma AREVA durchgeführten Bruchzähigkeitsmessungen und Zugversuchen am ausgebauten Stutzenanschlussstück der Volumenausgleichsleitung, VAL, im Rahmen der Schadensanalyse. Dieses Gutachten wurde dem BMU vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit mit Schreiben vom 9. August 2012 zugeschickt. Das Gutachten enthält die Bewertung der im Rahmen der Untersuchungen ermittelten Werkstoffkenndaten im Vergleich zu den bei der Befundbewertung und Berechnung angenommenen Werten. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) (Drucksache 17/11786, Fragen 40 und 41): Kann das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, für jeden der seit April 2012 versandten Projektsteckbriefe eine individuelle Informationsanfrage des jeweiligen Mitglieds des Bundestages dokumentieren, und ist das BMBF bereit, eine entsprechende Übersicht mit der Anzahl der Fragesteller dem Deutschen Bundestag zur Verfügung zu stellen? Wie wurde durch die Leitung des BMBF die Veränderung der Praxis der Versendung der Projektsteckbriefe, wie im Schreiben der Bundesministerin Dr. Annette Schavan an Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert vom 21. März 2012 angekündigt, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BMBF bekannt gemacht? Zu Frage 40: Zu Zeiten der Großen Koalition wurde von den damaligen Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD der Wunsch gegenüber dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, geäußert, über Vorhaben der Projektförderung in den jeweiligen Wahlkreisen informiert zu werden. Mit der Einführung der sogenannten Projektsteckbriefe im Frühjahr 2009 wurde dieser Bitte entsprochen. Nach Bildung der christlich-liberalen Koalition haben die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP den Wunsch geäußert, auch weiterhin auf diese Weise informiert zu werden. Mit Schreiben an Herrn Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert vom 21. März 2012 hat Frau Bundesministerin Dr. Annette Schavan darauf hingewiesen, dass das BMBF auf Wunsch gerne bereit ist, jeden Abgeordneten des Deutschen Bundestages schriftlich über neue Projekte in seinem Wahlkreis zu informieren. Daraufhin haben sich mehrere Kollegen aus der SPD-Fraktion (insgesamt 5), der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (3) und der Fraktion Die Linke (1) schriftlich, telefonisch oder per E-Mail an das BMBF gewandt und um regelmäßige Information gebeten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind entsprechend informiert worden. Zu Frage 41: Die für die Bearbeitung der Projektsteckbriefe zuständige Arbeitseinheit im BMBF, das Referat Kabinett und Parlament, war über das Schreiben der Bundesministerin Dr. Annette Schavan an Herrn Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert informiert. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Drucksache 17/11786, Frage 42): Wie viele Mitglieder des Bundestages haben seit April 2012 – aufgeschlüsselt nach Fraktionszugehörigkeit – um die Übersendung von Projektsteckbriefen durch das BMBF gebeten? Zu Zeiten der Großen Koalition wurde von den damaligen Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD der Wunsch gegenüber dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, geäußert, über Vorhaben der Projektförderung in den jeweiligen Wahlkreisen informiert zu werden. Mit der Einführung der sogenannten Projektsteckbriefe im Frühjahr 2009 wurde dieser Bitte entsprochen. Nach Bildung der christlich-liberalen Koalition haben die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP den Wunsch geäußert, auch weiterhin auf diese Weise informiert zu werden. Frau Bundesministerin Dr. Annette Schavan hat Herrn Bundestagspräsident Dr. Lammert mit Schreiben vom 21. März 2012 mitgeteilt, dass das BMBF gerne bereit ist, alle Abgeordneten über besondere neue Projekte in ihren Wahlkreisen zu informieren, wenn der Wunsch besteht. Daraufhin haben sich fünf Kollegen der SPD-Fraktion, drei Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und eine Kollegin der Fraktion Die Linke im BMBF gemeldet und um Unterrichtung gebeten. Dieser Bitte wird gerne entsprochen. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/11786, Fragen 43 und 44): Wie verteilen sich die rund 11 000 Deutschlandstipendien hinsichtlich der sozialen Herkunft der Stipendiaten (sozio-ökonomischer Status, soziale Herkunftsgruppe, Bildungsstand der Eltern)? Wie viele der rund 11 000 Deutschlandstipendien sind auf der Grundlage besonderer sozialer, familiärer oder persönlicher Umstände vergeben worden, die sich beispielsweise aus der familiären Herkunft oder einem Migrationshintergrund ergeben haben (§ 3 des Stipendienprogramm-Gesetzes)? Zu Frage 43: Ausweislich der aktuellen Bundesstatistik zum Deutschlandstipendium für das Jahr 2011 liegt der Anteil der BAföG-Empfängerinnen und -empfänger bei den Deutschland-Stipendiatinnen und -stipendiaten mit etwa 24 Prozent in der gleichen Größenordnung wie in der Studierendenschaft insgesamt. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten entsprechen somit in sozialer Hinsicht dem Querschnitt der Studierenden in Deutschland. Das spricht für die soziale Sensibilität der Auswahlverfahren an den Hochschulen. Die Bundesstatistik für das Jahr 2012 wird voraussichtlich Ende Mai 2013 veröffentlicht werden. Zu Frage 44: Laut Gesetz ist neben dem Leistungskriterium die Berücksichtigung des persönlichen Hintergrunds, das heißt besonderer sozialer, familiärer oder persönlicher Umstände, die sich zum Beispiel aus der familiären Herkunft oder einem Migrationshintergrund ergeben, ebenso wie die Berücksichtigung eines gesellschaftlichen Engagements der Bewerberinnen und Bewerber bei der Auswahl der Stipendiatinnen und Stipendiaten als Regelfall vorgeschrieben (§ 3 Satz 2 des Stipendienprogramm--Gesetzes – StipG). Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/11786, Frage 45): Welche Kompensationen plant die Bundesregierung angesichts der Anfang 2013 in Kraft tretenden massiven Strompreiserhöhungen für private Haushalte ähnlich den für das Jahr 2013 durch die Bundesregierung gewährten Kompensationen der Belastungen durch Stromkosten für energieintensive Unternehmen? Generell ist bezahlbare Energie für alle Haushalte und Unternehmen eines der zentralen Ziele im Energiekonzept der Bundesregierung und damit Leitfaden für ihre Energiepolitik. Die Bundesregierung hat allerdings stets auch darauf hingewiesen, dass die mit der Energiewende verfolgten Ziele nicht zum Nulltarif zu erreichen sein werden. Um zusätzlichen Kostenbelastungen zu begegnen, stehen den privaten Haushalten verschiedene Möglichkeiten offen. Zum einen können sie die Möglichkeiten des Wettbewerbs nutzen. Sie können prüfen, welche -Potenziale für Einsparungen sich aus einem Lieferantenwechsel ergeben. Grundsätzlich gibt es hier noch nennenswerte Potentiale. Zum Beispiel werden nach dem aktuellen Monitoringbericht 2012 von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt immer noch knapp 40 Prozent der Haushaltskunden im Rahmen von Grundversorgungsverträgen beliefert. Zum Zweiten können die Privatverbraucher prüfen, welche Energieeinsparpotenziale bestehen, um auf diese Weise höhere Preise für die gelieferte Kilowattstunde durch einen niedrigeren Verbrauch zu kompensieren. Dazu kann das bestehende Angebot der unabhängigen Energieberatung für private Haushalte genutzt werden, um Menschen konkret und unmittelbar zu helfen. Die Bundesregierung fördert seit Ende der 70er-Jahre die Energieberatung über die Verbraucherzentralen. Ergänzend weise ich auf bestehende sozialrechtliche Möglichkeiten einschließlich der regelmäßigen Anpassung der Regelbedarfe hin. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fragen der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Fragen 46 und 47): Wie viele Haushalte sind nach Informationen der Bundesregierung von fehlerhaften – zum Beispiel zu spät verschickten – Strompreiserhöhungsbescheiden betroffen, und bei -welchen Anbietern häufen sich nach Kenntnis der Bundes-regierung die Verbraucherbeschwerden? Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor einem -systematischen Vorgehen der Versorger, durch zeitliche -Diskrepanzen zwischen dem Datum des Poststempels und der Datierung des Erhöhungsbescheids die Frist für Widersprüche zu verkürzen? Zu Frage 46: Der Bundesregierung liegen keine entsprechenden Angaben vor. Ob privatrechtliche Erklärungen eines Stromlieferanten, die auf eine Preiserhöhung im Rahmen eines laufenden Stromliefervertrags zielen, in dem erfragten Sinne „fehlerhaft“ sind, ist zudem eine Rechtsfrage, zu deren Beantwortung die rechtsanwendenden Behörden bzw. die Gerichte berufen sind. Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf die -Tätigkeit der rechtsanwendenden Behörden und der 2011 auf Grundlage des Energiewirtschaftsgesetzes -eingerichteten Schlichtungsstelle Energie. Sofern sich hieraus nachlaufend statistische Erkenntnisse ergeben, gehe ich davon aus, dass diese zu gegebener Zeit und in geeigneter Form verfügbar sein werden. Zu Frage 47: Der Bundesregierung liegen keine Hinweise auf ein solches systematisches Vorgehen vor. Grundsätzlich können die Verbraucherinnen und -Verbraucher ihre Interessen schon heute auf verschiedene Weise wahrnehmen. Ihnen steht neben allgemeinen zivilrechtlichen Instrumentarien seit 2011 insbesondere der Weg zur Schlichtungsstelle Energie offen, die wir auf Grundlage der Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes neu geschaffen haben. Ein Bedarf für weitergehende Maßnahmen ist derzeit nicht erkennbar. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 48): Welche konkreten Regelungen will die Bundesregierung bis zum Januar 2013 bei den Befreiungstatbeständen nach § 19 Abs. 2 der Stromnetzentgeltverordnung vornehmen, von der die FAZ (4. Dezember 2012, „Netzagentur will ein Drittel weniger Betriebe befreien“) berichtet, und mit welchem Entlastungsvolumen dadurch rechnet die Bundesregierung für die übrigen Stromendkunden bei den Netzentgelten? Die Bundesregierung prüft derzeit die Regelung des § 19 Abs. 2 der Stromnetzentgeltverordnung vor dem Hintergrund der auf nationaler und europäischer Ebene geäußerten Kritik darauf, ob sie in ihrer jetzigen Fassung sachgerecht ist. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 49): Welchen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung an den rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz der Fracking-Technologie als Ergebnis der Fachtagung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie des Umweltbundesamtes „Internationale Tagung zu Fracking“ am 3. Dezember 2012 in Berlin und warum? Die Bundesregierung prüft derzeit auf der Basis der Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe – „Abschätzung des Erdgaspotenzials aus dichten Tongesteinen, Schiefergas, in Deutschland“ – und der Studie des Umweltbundesamtes – „Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten – Risikobewertung, Handlungsempfehlungen und Eva-luierung bestehender rechtlicher Regelungen und Verwaltungsstrukturen“ – Anpassungen des rechtlichen Rahmens. In diese Prüfung werden auch die Beiträge aus der oben genannten Fachtagung einbezogen. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 51): Plant die Bundesregierung, die Rüstungsexportrichtlinien zu ändern und innerhalb der NATO oder der EU auf sogenannte weiße Listen für Rüstungsexporte hinzuwirken? Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, hält die Bundesregierung an den derzeit geltenden Rüstungsexportbestimmungen fest. Politische Diskussionen innerhalb der NATO über die Befähigung von NATO-Partnern zur Übernahme von mehr Verantwortung im Krisenmanagement lassen dabei bestehende nationale Regelungen zur Rüstungsexportkontrolle sowie den Gemeinsamen Standpunkt des Rates betreffend die gemeinsamen Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern vom 8. Dezember 2008 unberührt. Anlage 32 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 52): Welche Rolle nimmt nach Auffassung der Bundesregierung Saudi-Arabien bei der „Stabilisierung“ des Nahen Ostens ein, und welchen Beitrag können Leopard-2- und Boxer-Panzer zu dieser Stabilisierung leisten? Das Königreich Saudi-Arabien ist für die Bundes-regierung ein wichtiger Partner: politisch, wirtschaftlich sowie bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Dies gründet sich unter anderem auf die gewichtige Stimme Riads in der arabischen Welt sowie darauf, dass Saudi-Arabien eine zentrale Rolle bei der Lösung regionaler Konflikte spielt. Lassen Sie mich diesbezüglich drei Beispiele anführen: Erstens. Saudi-Arabien hat 2002 die sogenannte Arabische Friedensinitiative für den Nahen Osten initiiert. Sie legt die Bedingungen für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen arabischen Staaten und Israel fest. Dies ist unseres Erachtens bis heute ein zentraler Baustein der Bemühungen um eine Lösung des Nahostkonfliktes. Zweitens. Saudi-Arabien hat eine zentrale Rolle bei den Bemühungen um einen friedlichen und geordneten Machtwechsel im Jemen gespielt. Die Tatsache, dass der ehemalige jemenitische Staatspräsident Ali Abdullah -Saleh in einen Machtverzicht einwilligte und Jemen die Chance auf einen politischen Neuanfang hat, wäre ohne den politischen Druck und erhebliche finanzielle Beiträge Saudi-Arabiens zur Stabilisierung Jemens nicht denkbar gewesen. Drittens. Die kritische Haltung Saudi-Arabiens gegenüber dem Assad-Regime ist mitentscheidend für den klaren Kurs der Arabischen Liga. Frühzeitig hat sich Saudi-Arabien international dafür eingesetzt, dass politischer Druck auf Syrien ausgeübt wird, um die dortigen Repressionen zu beenden. Anlage 33 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) (Drucksache 17/11786, Fragen 53 und 54): Hat die Bundesregierung Erkenntnisse und Informationen darüber, dass die Türkei für aus dem Iran importiertes Erdgas mit Gold bezahlt? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Türkei mit der Bezahlung an den Iran durch Gold die gegen den Iran beschlossenen Sanktionen umgeht? Zu Frage 53: Der Bundesregierung ist bekannt, dass die Türkei laut Angaben des türkischen Statistikamtes im Jahr 2011 rund 18,7 Prozent und in den ersten neun Monaten des Jahres 2012 rund 18,4 Prozent ihres Bedarfs mit iranischem Gas deckte. Der stellvertretende türkische Ministerpräsident Ali Babacan erklärte am 23. November 2012 bei einer Befragung im türkischen Parlament, diese Gaslieferungen würden in türkischer Lira abgerechnet. Iran habe hierfür in der Vergangenheit in der Türkei Gold erworben. Zu Frage 54: Die gegen Iran gerichteten Sanktionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, VN, zuletzt VN-Sicherheitsresolution 1929 vom 9. Juni 2010, sehen keine Verbote hinsichtlich des Imports von Gas aus Iran oder des Goldhandels mit Iran vor. Die Türkei hat sich nicht an die durch die EU verhängten restriktiven Maßnahmen angeschlossen. Die EU und insbesondere auch die Bundesregierung setzen sich dafür ein, dass die durch die EU verhängten restriktiven Maßnahmen gegen Iran auf eine möglichst breite internationale Basis gestellt werden und nicht durch Iran über Drittstaaten unterlaufen werden können. Hierzu stehen sowohl die EU als auch die Bundesregierung mit einer Vielzahl von Ländern, darunter auch der Türkei, in engem Kontakt. Die Türkei hat wiederholt erklärt, sich an die durch den VN-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen gegen Iran zu halten. Sie hat darüber hinaus nach Kenntnis der Bundesregierung keine weitergehenden Sanktionsmaßnahmen gegen Iran verhängt. Anlage 34 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 56): In welcher Weise hat die Bundesregierung in den deutsch-israelischen Regierungsverhandlungen das Dilemma angesprochen, dass sie sich einerseits erklärtermaßen der Sicherheit Israels verpflichtet sieht und andererseits diese Sicherheit durch den fortgesetzten Siedlungsausbau gefährdet ist? Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat auch in diesem Zusammenhang bekräftigt, dass die Sicherheit Israels Teil der deutschen Staatsräson ist. Leider gab es in den letzten Wochen wieder Anlass, dies noch einmal sehr deutlich zu machen, als Israel durch Raketen aus dem Gazastreifen angegriffen wurde. Der israelische Siedlungsbau in den besetzten Gebieten ist nach Ansicht der Bundesregierung und der Europäischen Union völkerrechtswidrig und ein Hindernis auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung. Die israelische Siedlungspolitik entzieht dem Friedensprozess Glaubwürdigkeit und kann faktisch eine verhandelte Endstatuslösung deutlich erschweren. Dies gilt insbesondere für die Bebauung des El-Sektors. Diese Auf-fassung hat die Bundeskanzlerin auch im Rahmen ihrer Gespräche bei den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen deutlich gemacht. Anlage 35 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 57): Wie hat die Bundesregierung darauf reagiert, dass die zu der Diskussion mit Wissenschaftlern aus beiden Staaten eingeladene Leiterin des Minerva-Zentrums für Menschenrechte an der Hebräischen Universität Jerusalem, Professorin Dr. Rivka Feldhay, auf Druck des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wegen ihrer politischen Positionen kurzfristig ausgeladen wurde? Die Einladung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfolgte in Abstimmung mit der israelischen Regierung. Es ist richtig, dass die israelische Regierung gegenüber der Einladung von Frau Professor Feldhay Vorbehalte geltend gemacht hat. Die Wertschätzung der Bundesregierung für die -Verdienste von Frau Professor Feldhay im Rahmen der deutsch-israelischen Wissenschaftskooperation steht -außer Frage. Anlage 36 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 58): Wie hat sich die Bundesregierung zu den von Liechtenstein, Singapur, Malaysia, Slowenien, Spanien, Frankreich und der Schweiz am 26. November 2012 während der offenen Debatte über die Arbeitsweisen des Sicherheitsrates unterbreiteten Vorschläge positioniert, dass die ständigen Sicherheitsratsmitglieder in RtoP-Situationen – Gefahr von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und ethnischen Säuberungen – von der Einlegung eines Vetos -absehen oder dies begründen sollen, und wie hat sie ihre -Haltung begründet? Die Gruppe der „Small 5“ – Costa Rica, Jordanien, Liechtenstein, Schweiz und Singapur – hat bereits im Jahr 2011 im Rahmen eines Entwurfs für eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen, VN, einen umfangreichen Katalog mit Vorschlägen zur Verbesserung der Arbeitsmethoden des VN-Sicherheitsrats vorgelegt. Darunter gab es unter anderem die Empfehlung, dass die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats darauf verzichten, von ihrem Vetorecht Gebrauch zu machen, wenn der Sicherheitsrat Maßnahmen zur Verhinderung oder Beendigung von Genoziden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu entscheiden hat. Deutschland hat die Vorschläge der S5 in den laufenden Debatten zur Reform des Sicherheitsrats begrüßt. Die S5 haben ihren Entwurf vor der geplanten -Abstimmung am 16. Mai 2012 nicht zuletzt wegen des heftigen Widerstands der ständigen Mitglieder des -Sicherheitsrats zurückgezogen, sodass es zu keiner Abstimmung kam. Die Bundesregierung hat diesen Schritt auch öffentlich bedauert. Die Staaten der S5-Gruppe und zuletzt auch Frankreich haben sich öffentlich für einen Verzicht der ständigen Mitglieder auf ihr Vetorecht in diesen spezifischen Fällen ausgesprochen. Bei der jährlichen Debatte des Sicherheitsrats zu seinen Arbeitsmethoden am 26. November 2012 standen jedoch weder der Vorschlag der S5 als solcher noch -speziell die Vetofrage im Mittelpunkt. Grundlage der Debatte war ein Konzeptpapier der indischen Monatspräsidentschaft im Sicherheitsrat, das sich vor allen Dingen auf die Verbesserung der Interaktivität des Sicherheitsrats mit der Mitgliedschaft der Vereinten Nationen konzentrierte. Deutschland hat sich in der Debatte für eine offene und transparente Zusammenarbeit des Sicherheitsrats mit der breiten Mitgliedschaft der Vereinten Nationen ausgesprochen. Gleichzeitig hat der deutsche Vertreter erneut die grundsätzliche Haltung der Bundesregierung bekräftigt, dass die Sicherheitsratsreform eine Paketentscheidung erfordert, die sowohl die Strukturreform durch Erweiterung der Mitgliedschaft des Rates als auch die Reform seiner Arbeitsmethoden umfasst. Anlage 37 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 17/11786, Frage 59): Welche Positionen hat die Bundesregierung in den zuständigen Gremien der Europäischen Union hinsichtlich der Frage eingenommen, ob vornehmlich die geplante EU-Mission selbst für ihren Schutz sorgen soll oder bei dieser Aufgabe vor allem die Sicherheitskräfte Malis und die Truppen der ECOWAS (Economic Community of West African States) eine Rolle spielen sollen, und welche Haltung haben hierzu die anderen EU-Staaten eingenommen? Die Bundesregierung beobachtet die Lage in der Republik Mali mit Sorge. Die aktuellen Ereignisse in Mali stellen einen Rückschritt und eine Gefahr für die Stabilität der gesamten Sahelregion dar. Die Bundesregierung verurteilt den erzwungenen Rücktritt des Premierministers durch das Militär. Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, hat gestern noch einmal klargestellt, dass unsere Hilfsangebote unter der Bedingung bestehen bleiben, dass der Prozess zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Mali glaubhaft durchgeführt wird. Nur mit einem geordneten politischen Prozess wird Mali aus dieser Krise herausfinden. Aus diesem Grund ist dieser politische Prozess für uns das entscheidende Kriterium für eine deutsche oder eine europäische Unterstützung. Übergangspräsident Dioncounda Traoré, der neue Premierminister Diango Cissoko sowie alle politischen Führer des Landes müssen verantwortlich handeln und die Arbeit mit einer zivilen Übergangsregierung fortsetzen. Die politische Lage in Bamako muss sich zunächst stabilisieren. Im Licht der aktuellen Entwicklungen muss dann entschieden werden, welche Konsequenzen sich für die weiteren Planungen für eine mögliche GSVP-Ausbildungsmission der Europäischen Union in Mali ergeben. Bereits alle bisherigen Überlegungen innerhalb der EU zur Frage des Schutzes der Mission standen unter dem Vorbehalt einer Risikoanalyse, um belastbare Aussagen treffen zu können. Das gilt unverändert. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 60): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den bislang bekannt gewordenen Absagen der für den Beirat der Stiftung Datenschutz in der Satzung ursprünglich vorgesehenen Mitglieder, und nach welchen Kriterien soll eine etwaige Neubenennung von Mitgliedern des Beirats erfolgen? Das Bundesministerium des Innern hat alle Vorschlagsberechtigten gebeten, entsprechend der Satzung Mitglieder für den Beirat vorzuschlagen. Ob sie ihr Vorschlagsrecht wahrnehmen, ist alleinige Entscheidung der Vorschlagsberechtigten. Konsequenzen sind damit für die Bundesregierung nicht verbunden. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 61): Kann über eine Abweichung von der nach § 76 Abs. 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien grundsätzlich vorgesehenen Veröffentlichung völkerrechtlicher Verträge auch von einem einzelnen Regierungsmitglied entschieden werden, und wie ist diese Abweichung im Fall der unmittelbaren Entsprechung des bei der Vertragsunterzeichnung am 13. April 2010 vorgebrachten Wunsches des usbekischen Verteidigungsministers nach Vertraulichkeit des Inhalts des Abkommens über den Transit von Personal und von Gütern durch das Hoheitsgebiet der Republik Usbekistan und die Nutzung des Verkehrsumschlagknotens am Flughafen Termes durch den Bundesminister der Verteidigung innerhalb der Bundesregierung abgestimmt und aktenkundig gemacht worden (vergleiche Antwort auf meine schriftliche Frage 2 auf Bundestagsdrucksache 17/11283 und Antwort der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper, vom 28. November 2012 auf eine diesbezügliche Nachfrage)? Nach § 76 Abs. 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien kann von einer Veröffentlichung völkerrechtlicher Verträge mit Zustimmung des Auswärtigen Amtes ausnahmsweise abgesehen werden, wenn zwingende Gründe einer Veröffentlichung entgegenstehen. Bei der Entscheidung der Bundesregierung hierüber können auch Wünsche der Vertragsparteien berücksichtigt werden. Zu den Gründen für eine solche Entscheidung hat die Bundesregierung Ihnen bereits dargelegt – unter anderem in Schreiben der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper, vom 2. November, 22. November und 28. November des Jahres –, dass die usbekische Seite um eine vertrauliche Behandlung des Inhalts des infrage stehenden Abkommens gebeten hat. Diese Bitte wurde bei der Unterzeichnung des Abkommens am 13. April 2010 in Taschkent in mündlicher Form vom Verteidigungsminister der Republik Usbekistan, Generalmajor Kabul Raimovich Berdiyev, vorgetragen. Die Bundesregierung hat dem Wunsch nach Vertraulichkeit vor dem Hintergrund des Schutzes der bilateralen Beziehungen sowie dem deutschen Interesse an der vereinbarten Nutzung des Flughafens Termes im Rahmen der weiteren Sicherheitsinteressen Deutschlands in der Region entsprochen. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Fragen des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Fra-gen 62 und 63): Warum hat der Bundesminister des Innern angekündigt, das Material für das NPD-Verbotsverfahren nur in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Verfügung zu stellen, obwohl es angeblich kein Material enthält, das mit geheimdienstlichen Mitteln erlangt wurde und alle V-Leute abgeschaltet sind, und warum hat der Bundesinnenminister öffentlich bislang nicht erklärt, ob er die Beweise für einen erfolgreichen Verbotsantrag für ausreichend hält oder nicht? Welche Beweise der Materialsammlung für das NPD-Verbot sind geeignet, den Anforderungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, EGMR, die verlangt, dass von der zu verbietenden Partei eine akute und konkrete Gefahr für die Demokratie ausgeht, zu genügen, und wie bewertet der Bundesinnenminister die Beweislage hinsichtlich der Frage, ob sie den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des EGMR an Parteienverbote genügen? Zu Frage 62: Die Innenministerkonferenz hat in ihrem Beschluss vom 22. März 2012 um die Erstellung einer Materialsammlung gebeten, in das neben Material ohne Quellenrelevanz auch das von den quellenführenden Stellen ausgewählte Material mit möglicher Quellenrelevanz einfließt. Der Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist in einer Vorfassung auch auf dieses quellenrelevante Material eingegangen und war daher in den Verschlusssachengrad GEHEIM eingestuft. Durch die ausschließliche Verwendung von quellenfreiem Material konnte die Endfassung des Berichts in den Verschlusssachengrad VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH herabgestuft werden. Es ist daher nicht mehr erforderlich, den Bericht nur in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Verfügung zu stellen. Dem Beschluss der Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 5. Dezember 2012 zufolge halten die Innenminister und -senatoren der Länder sowie der Bundesminister des Innern das vorgelegte quellenfreie Material zwar für eine geeignete Grundlage, das NPD-Verbotsverfahren mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfolgreich abschließen zu können. Über die Erfolgsaussichten eines Parteiverbotsverfahrens gibt es im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aber nach Auffassung des Bundesministers des Innern nach wie vor erhebliche Risiken. Zu Frage 63: Den Fraktionsvorsitzenden aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien ist der Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines neuen NPD-Verbotsverfahrens mit Stand 9. November 2012, VS-NfD, zur Verfügung gestellt worden. Der Bericht enthält auf den Seiten 111 ff. umfangreiche Ausführungen zu den Anforderungen an Parteiverbote nach der Europäischen Menschenrechtskonvention, EMRK, und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, EGMR. Zu prüfen sind aufgrund des vorliegenden Sachverhalts Art. 11 Abs. 2 EMRK und insbesondere Art. 17 EMRK (Missbrauch der Konventionsrechte). Nach der EMRK ist ein Parteiverbot grundsätzlich gerechtfertigt, wenn es einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel steht. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/11786, Frage 64): Welche verschiedenen Instanzen bzw. deren Abteilungen müssen jeweils an den Rechtshilfeersuchen beteiligt werden, über die Ermittlungsbehörden aus den USA und Deutschland – Bund und Länder – Vorratsdaten aus der Telekommunikation austauschen, wie es das Magazin heise online am 6. Oktober 2012 unter anderem für einen „Elefantenpfad“ beschreibt, wonach der Ablauf über Bundeskriminalamt, Auswärtiges Amt, State Department, Justice Department, FBI bis zu neun Monate dauere – bitte auch die zugrunde liegenden Abkommen anführen und schildern, wenn der Prozess juristisch oder diplomatisch abgekürzt werden kann –, und inwiefern gelten diese Verfahren auch für die Herausgabe von Daten aus der Cloud, was nach Berichten von heise online -europäische Schutzbestimmungen verletzt (6. Dezember 2012)? Bitte erlauben Sie, dass ich auf die Frage in gedanklichen Abschnitten antworte. Erstens. Rechtsgrundlage für Rechtshilfeersuchen zur Übermittlung von Telekommunikationsdaten ist im Wesentlichen der Vertrag vom 14. Oktober 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen in Verbindung mit dem Zusatzvertrag vom 18. April 2006 zu dem vorbezeichneten Vertrag. Solche Ersuchen zur Übermittlung von Daten aus der Telekommunikation richten sich im Einzelnen nach Art. 12 Nr. 1 dieses Rechtshilfevertrags vom 14. Oktober 2003. Zweitens. Im ersten Teil der Frage erkundigen Sie sich nach den beteiligten Instanzen an Rechtshilfeersuchen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland. Hierzu gilt: Bei der Rechtshilfe in Strafsachen für Ersuchen um Übermittlung von Telekommunikationsdaten findet der justizministerielle Geschäftsweg Anwendung. Rechtshilfeersuchen werden zwischen dem Bundesamt für Justiz einerseits und dem US-amerikanischen Justizministerium andererseits übermittelt. In dringenden Fällen können Ersuchen zwischen den Justizministerien der Länder – Landesjustizverwaltungen – einerseits und dem US-amerikanischen Justizministerium andererseits übermittelt werden. So sieht es der deutsch-amerikanische Rechtshilfevertrag in Art. 2 vor. Ersuchen um Datensicherung können in Eilfällen auch von den Kontaktstellen eines von den G8-Staaten initiierten 24/7-Netzwerkes übermittelt werden. Deutsche Kontaktstelle ist das Bundeskriminalamt. Die Herausgabe und Verwertung in diesem Verfahren gesicherter Daten setzt dann aber wiederum ein justizielles Rechtshilfeersuchen voraus. Diese Erläuterungen beziehen sich ausschließlich auf die Übermittlung von Telekommunikationsdaten. Eine sogenannte und von Ihnen in Ihrer Frage erwähnte Vorratsdatenspeicherung, das heißt eine Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten von einem Anlass unabhängig und unabhängig von einem gerichtlichen Beschluss, findet in Deutschland nicht statt. Drittens. Der zweite Teil Ihrer Frage betrifft den Zugang der Ermittlungsbehörden zu Daten, die im Wege des Cloud Computing gespeichert wurden. Bei der Frage, auf welchem Weg auf Daten zugegriffen werden kann, die in der Cloud gespeichert sind, sind verschiedene Fallkonstellationen zu unterscheiden: Ausgangspunkt ist dabei, dass der Zugriff auf die Daten in dem Staat erfolgt, in dem sie lagern oder in dem der Cloud Provider seinen Sitz hat. Der Zugriff erfolgt nach den strafverfahrensrechtlichen Regelungen in diesem Staat. Dieser Staat ist, falls erforderlich, um Rechtshilfe zu ersuchen. In der ersten Phase sind die Daten schnell zu sichern. Anschließend muss die Herausgabe und Verwertung der Daten unter sorgfältiger Prüfung rechtsstaatlicher Standards ermöglicht werden. Die Voraussetzungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind unterschiedlich, wenn der berechtigte Nutzer die Daten selbst und freiwillig auf seinen Rechner zurückholt, wenn er das Passwort bekannt gibt oder die Daten nicht gesichert sind, aber ein deutscher Ermittler am ausländischen Standort hoheitlich tätig wird, oder wenn der berechtigte Nutzer nicht mit der Rückholung der Daten einverstanden ist. Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den USA erfolgt dabei auf der Grundlage des deutsch-amerikanischen Rechtshilfevertrages und des Übereinkommens des Europarates über Computerkriminalität, das die USA gezeichnet und in Kraft gesetzt haben. Danach ergibt sich Folgendes: Handelt der Nutzer selbst, ist weder für die Datensicherung noch für die Datenverwertung ein Rechtshilfeersuchen erforderlich. Handelt ein Polizeibeamter, ist für die Datensicherung dann kein Ersuchen erforderlich, wenn die Daten öffentlich zugänglich sind oder der Nutzer zustimmt, Art. 32 Buchstaben a und b des Übereinkommens des Europarates über Computerkriminalität. Handelt ein Polizeibeamter und stimmt der Nutzer nicht zu, ist für die Datensicherung nach allgemeinen Grundsätzen ein Rechtshilfeersuchen zu stellen, wobei der Geschäftsweg zwischen den Polizeibehörden stattfindet, Art. 29 des genannten Übereinkommens. Handelt ein Polizeibeamter, ist für die anschließende justizielle Verwertung der Daten regelmäßig ein justi-zielles Rechtshilfeersuchen nach allgemeinen Grundsätzen erforderlich, unabhängig davon, ob die Daten öffentlich zugänglich sind, der Nutzer zustimmt oder nicht zustimmt. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) (Drucksache 17/11786, Frage 65): Wurde eine Trockenbau GbR in S. durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit wegen des Verdachts auf Scheinselbstständigkeit sowie wegen diverser Verstöße gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz überprüft und, wenn ja, mit welchem Ergebnis? Die Bundesregierung kann aufgrund der allgemeinen Hinweise in der Fragestellung keine Auskunft erteilen, ob die Finanzkontrolle Schwarzarbeit eine Trockenbau GbR in S. überprüft hat. Im Übrigen dürften Informationen, die Rückschlüsse auf individualisierbare Personen und Unternehmen zulassen, aus Gründen des Datenschutzes nicht weitergegeben werden. Soweit Ermittlungshandlungen vorgenommen worden sein sollten, wäre die zuständige Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens alleine auskunftsberechtigt. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 66): Wie hoch ist nach Kenntnis bzw. Schätzung der Bundesregierung der Anteil der Anträge nach dem Ausgleichsleistungsgesetz an den gemäß der Statistik des Bundesamts für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, BADV, zum 31. Dezember 2011 offenen 23 544 Anträgen nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz, EALG, und wie viele Alteigentümer, die noch keinen Ausgleichsleistungsbescheid erhalten haben, haben sich bei der Bodenverwertungs- und verwaltungs GmbH für einen nach dem EALG begünstigten Alteigentümererwerb vormerken lassen? Der Anteil der Anträge nach dem Ausgleichsleistungsgesetz an den gemäß der Statistik des Bundesamts für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, BADV, noch insgesamt offenen Anträgen lässt sich nicht genau bestimmen, da bei der Antragserfassung nicht nach den Kriterien „Entschädigungsgesetz“ oder „Ausgleichsleistungsgesetz“ differenziert wird. Schätzungsweise dürften in den Ende 2011 noch offenen Anträgen zwischen 2 800 bis 3 000 Anträge nach dem Ausgleichsleistungsgesetz enthalten gewesen sein. Per 30. November 2012 haben sich bei der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH 263 Alteigentümer, die noch keinen Ausgleichsleistungsbescheid erhalten haben, vormerken lassen. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 67): Macht sich die Bundesregierung das von EU-Kommissar Laszlo Andor am 5. Dezember 2012 in Brüssel vorgestellte Jugendbeschäftigungspaket unter anderem mit dem Instrument einer „Jugendgarantie“ vollständig oder nur teilweise zu eigen, und für welche Finanzierungsinstrumente wird sich die Bundesregierung zur Umsetzung des Pakets auf EU-Ebene einsetzen? Die Europäische Kommission hat am 5. Dezember 2012 ein Paket zur Förderung der Jugendbeschäftigung beschlossen. Die Bundesregierung begrüßt das Paket und die Ausrichtung auf die Vermittlung in reguläre Arbeit und Ausbildung. Die darin enthaltenen Vorschläge gehen in die richtige Richtung. Zum einen enthält das Paket einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Einführung einer Jugendgarantie. Zentral ist dabei der Ansatz sicherzustellen, dass allen jungen Menschen unter 25 Jahren binnen vier Monaten, nachdem sie arbeitslos werden oder die Schule verlassen, eine hochwertige Arbeitsstelle oder Weiterbildungsmaßnahme oder ein hochwertiger Ausbildungs- bzw. Praktikumsplatz angeboten wird. Im Empfehlungstext finden sich darüber hinaus Vorschläge, die die Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Jugendgarantie berücksichtigen sollen. Die Bundesregierung hat sich bereits im Vorfeld des Europäischen Rats am 28. Juni 2012 in Übereinstimmung mit den Fraktionen von CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen für eine Vereinbarung der Mitgliedstaaten zur Einführung der sogenannten Jugendgarantie mit den nun vorgelegten zentralen Eckpunkten eingesetzt. Der Ansatz der Jugendgarantie ist aus Sicht der Bundesregierung besonders wichtig, um den Übergang von der Schule in die Ausbildung zu unterstützen und Jugendliche im Arbeitsmarkt zu halten. Er erfordert klare Zuständigkeiten und gute Koordinierung. Für den Ansatz der frühen Aktivierung sind passgenaue Maßnahmen insbesondere durch funktionierende öffentliche Arbeitsverwaltungen von großer Bedeutung. Mit dem ESF stehen Finanzierungsinstrumente zur Unterstützung der Maßnahmen auf EU-Ebene zur Verfügung. Wie der Ansatz der Jugendgarantie im Einzelnen umgesetzt wird, liegt im Verantwortungsbereich der Mitgliedstaaten. Die einzelnen Elemente des Empfehlungsvorschlags werden zurzeit geprüft und können noch nicht weiter bewertet werden. Neben dem Vorschlag für Ratsempfehlungen enthält das Paket der Kommission insbesondere drei weitere Initiativen: Die Kommission leitet die zweite Phase der Sozialpartnerkonsultation über einen Qualitätsrahmen für Praktika ein. Wenn die Sozialpartner keine Einigung erzielen, wird die KOM im Jahr 2013 dem Rat einen eigenen Vorschlag unterbreiten. Hier bleiben zunächst die Gespräche der Sozialpartner abzuwarten. Um den Ansatz der Dualen Ausbildung im Kreis der Mitgliedstaaten weiter zu verbreiten, will die Kommission eine europäische Allianz für Ausbildung ins Leben rufen. Die Initiative ist zu begrüßen. Grundsätzlich positiv sieht die Bundesregierung auch die weiteren Ankündigungen der Kommission für Initiativen zur Stärkung der Mobilität auf dem Europäischen Arbeitsmarkt. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/11786, Frage 68): Was wird die Bundesregierung im Europarat und in der Europäischen Union unternehmen, um den Verstoß gegen die Europäische Sozialcharta durch die von der Troika aus Europäischer Zentralbank, Europäischer Kommission und Internationalem Währungsfonds mit der griechischen Regierung vereinbarten, arbeitsrechtlichen Regelungen zu beenden, nachdem der Europäische Ausschuss für soziale Rechte entschieden hat, dass zwei dieser Regelungen unmittelbar illegal sind, und kann die Bundesregierung ausschließen, dass weitere Maßnahmen der von der Troika mit Griechenland festgelegten Memoranda of Understanding gegen die Europäische Menschenrechtskonvention bzw. die Europäische Sozialcharta verstoßen? Die in der Frage dargestellten Sachverhalte betreffen ausschließlich das Verhältnis zwischen Griechenland und dem Europarat. Vor diesem Hintergrund sieht die Bundesregierung derzeit keinen eigenen Handlungsbedarf. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/11786, Frage 70): Wie gestaltet sich der Abfluss der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik im Jahr 2012 (bitte absolut und relativ nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch den aktuellen Stand sowie voraussichtlich bis Jahresende 2012 angeben), und wie steht die Bundesregierung vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Krisentendenzen auf dem Arbeitsmarkt zu dem Vorschlag, die nicht abgeflossenen Mittel ins Folgejahr zu übertragen? Rechtskreis SGB III Für den Bereich der Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, SGB III, teilt die BA mit, dass sie mit Stand Ende November 2012 für Ermessens- und Pflichtleistungen der aktiven Arbeitsförderung insgesamt rund 8,3 Milliarden Euro ausgegeben hat. Bis zum Jahresende erwartet sie Ausgaben von rund 9,4 Milliarden Euro. Die Haushaltsansätze betragen insgesamt rund 11 Milliarden Euro. Die BA teilt mit, dass sie beruhend auf einem vorgelagerten Planungsprozess in ihren Agenturen für das Haushaltsjahr 2013 auskömmliche Ansätze ermittelt hat. Diese sind unter Berücksichtigung der ökonomischen Eckwerte der Bundesregierung in den festgestellten Haushalt der Bundesagentur für 2013 eingeflossen. Nach dem Haushaltsplan für das Jahr 2013 gilt die nach § 71 b Abs. 5 SGB IV in Verbindung mit § 71 c SGB IV zu bildende Eingliederungsrücklage als im Haushaltsansatz des Eingliederungstitels veranschlagt und ist in der Jahreszuteilung an die Agenturen für Arbeit berücksichtigt. Rechtskreis SGB II Im Rechtskreis des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, SGB II, wurden bis Ende November 2012 ins-gesamt rund 3,3 Milliarden Euro für Leistungen zur -Eingliederung in Arbeit – einschließlich der Sonderprogramme des Bundes – verausgabt. Bezogen auf den Haushaltsansatz 2012 von 4,4 Milliarden Euro entspricht dies einem Mittelabfluss von etwas mehr als 74 Prozent. Bis zum Jahresende wird mit Ist-Ausgaben von etwa 3,8 Milliarden Euro gerechnet. Damit würde die Ausschöpfungsquote bei über 86 Prozent liegen. Es kann derzeit jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass der Ansatz für die Verwaltungskosten SGB II im Rahmen der gegenseitigen Deckungsfähigkeit – beide Ansätze zusammen bilden ein sogenanntes Gesamtbudget – noch einen Betrag von bis zu 100 Millionen Euro zur Verstärkung benötigen wird. Damit würde sich die Ausschöpfung des Eingliederungsbudgets auf etwa 3,9 Milliarden Euro bzw. fast 90 Prozent erhöhen. Auf der Grundlage der haushaltsrechtlichen Bestimmungen zu § 45 Bundeshaushaltsordnung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales – wie in den vergangenen Jahren – Anfang 2013 im Rahmen der Rechnungslegung für das Haushaltsjahr 2012 prüfen, ob und in welcher Höhe Ausgabenreste beim Titel 685 11 – Leistungen zur Eingliederung in Arbeit – gebildet werden können. Die Inanspruchnahme von Ausgaberesten bedarf der Einwilligung des Bundesministeriums der Finanzen. Die Einwilligung setzt allerdings voraus, dass zusätzliche Ausgabemittel innerhalb der folgenden drei Monate zur Erfüllung entsprechender Verpflichtungen erforderlich sind und eine kassenmäßige Einsparung innerhalb des Verfügungsrahmens des Einzelplans sichergestellt ist. Denn es werden keine Kassenmittel, sondern lediglich die Ermächtigung zur Leistung von zusätzlichen Ausgaben übertragen. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/11786, Frage 71): Wie erfolgreich haben sich 2012 die Programme „Initiative zur Flankierung des Strukturwandels“ und „Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen“ gestaltet hinsichtlich des Mittelabflusses, der Teilnehmerzahlen sowie der Eingliederungsquote bzw. Abschlussquote (bitte jeweils absolute und relative Zahlen gegenüber dem Vorjahr nennen), und wie bewertet die Bundesregierung diese Zahlen? Die Bundesagentur für Arbeit teilte Folgendes mit: Für die Initiative zur Flankierung des Strukturwandels stehen im Jahr 2012 400 Millionen Euro zur Verfügung. Hiervon wurden bis November 2012 rund 247 Millionen Euro verausgabt. Damit fielen die Ausgaben 6,1 Prozent höher aus als im Vorjahr (November 2011: 232 Millionen Euro). Für das Programm WeGebAU stehen im Jahr 2012 280 Millionen Euro bereit. Die Ausgaben belaufen sich bis November 2012 auf rund 105 Millionen Euro (2011: 199 Millionen Euro). Damit wurde 47,4 Prozent weniger verausgabt als im Vorjahr. Bis Oktober 2012 waren 24 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in das Sonderprogramm IFlaS eingetreten (bis Oktober 2011: 18 000). Dies sind 31 Prozent mehr als im Vorjahr. Bis Oktober 2012 waren rund 11 400 Zugänge in das Sonderprogramm „WeGebAU“ zu verzeichnen (bis Oktober 2011: rund 22 700 Zugänge). Dies sind 49,7 Prozent weniger Eintritte als zum Vorjahreszeitpunkt. Die Eingliederungsquote für Teilnehmerinnen und Teilnehmer an geförderten Maßnahmen im Rahmen von IFlaS lag im Oktober 2012 bei 61,9 Prozent, im Oktober 2011 bei 56,9 Prozent. Der Wirkungserfolg konnte damit gegenüber dem Vorjahr um 8,7 Prozent gesteigert werden. Im Jahr 2011 wurde in rund 70 Prozent der Förderfälle mit Abschluss der Maßnahme ein anerkannter Berufsabschluss angestrebt. Letztlich kann aufgrund der Länge der Maßnahmen derzeit noch keine valide Aussage zur Wirkungsorientierung bzw. Arbeitsmarktwirkung getroffen werden. Eine Auswertung der Abschlussquote ist der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit derzeit nicht möglich. Die Initiative zur Flankierung des Strukturwandels leistet einen wertvollen Beitrag zur Fachkräftesicherung: Mit der Förderung wird arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Geringqualifizierten ermöglicht, einen anerkannten Berufsabschluss bzw. berufsanschlussfähige Teilqualifikationen zu erwerben. Außerdem können arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Personen, die in den Beruf zurückkehren oder wieder einsteigen, eine berufliche Weiterbildungsförderung erhalten, wenn die Qualifizierung für ihre berufliche Integration in den Arbeitsmarkt erforderlich ist. Die Mittelvolumina für IFlaS wurden in den vergangenen Jahren kontinuierlich von 250 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 400 Millionen Euro im Jahr 2012 erhöht. Die bis November 2012 verausgabten Mittel entsprechen somit bereits dem Haushaltsansatz aus dem Jahr 2010. Für das Sonderprogramm Weiterbildung Geringqua-lifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen – WeGebAU – stehen im Jahr 2012  30 Millionen Euro mehr zur Verfügung als im Jahr 2011. Die gegenüber dem Vorjahr rückläufigen Eintrittszahlen sind unter anderem auf die nach wie vor gute Auftragslage der Unternehmen insbesondere in den produzierenden Branchen zurückzuführen. Zudem wurde das Programm stärker auf die Förderung Geringqualifizierter mit dem Ziel des Erwerbs eines Berufsabschlusses ausgerichtet. Infolgedessen hat sich der Anteil längerer Maßnahmen – also solcher über 24 Monate – im Zeitraum Januar bis September 2012 im Vergleich zum Vorjahr bereits von rund 6 Prozent auf 14 Prozent erhöht. Die Agenturen für Arbeit treffen ihre Förderentscheidungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, der arbeitsmarktlichen Situation sowie unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Eine noch stärkere Inanspruchnahme der BA-Sonderprogramme zur beruflichen Weiterbildungsförderung – insbesondere des Programms WeGebAU – wäre aus Sicht der Bundesregierung wünschenswert. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/11786, Frage 72): Wie beurteilt die Bundesregierung im Lichte der UN--Behindertenrechtskonvention die Tatsache, dass die Zahl von Werkstattbeschäftigten im Zeitraum von 2006 (256 000) bis 2011 (291 000) um 35 000 (plus 22 Prozent) anstieg und gleichzeitig die Zahl der Rehabilitanden in der beruflichen Wiedereingliederung von 2005 (326 000) bis 2011 (209 000) um 117 000 Rehabilitanden (minus 36 Prozent) sank, und welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um dieser Tendenz entgegenzutreten? In den Werkstätten für behinderte Menschen waren im Jahr 2006  268 000 und im Jahr 2011  297 000 Menschen mit Behinderungen beschäftigt. Dies ist eine Zunahme von 10,8 Prozent. Die Gründe für diesen Anstieg sind darin zu sehen, dass durch den medizinischen Fortschritt zunehmend auch Menschen mit Behinderungen, die in Werkstätten beschäftigt sind, länger arbeitsfähig bleiben. Die Zunahme ist nicht darauf zurückzuführen, dass vermehrt Menschen mit Behinderungen in Werkstätten aufgenommen werden, denn die Zahl der Neueintritte in die -Werkstätten ist seit längerem rückläufig: Während die Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2008 noch 16 411 Zugänge im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich verzeichnet hat, waren es im Jahr 2011 nur noch 14 778. Die der Frage offenbar zugrunde liegende Vermutung, die steigende Zahl von Werkstattbeschäftigten stehe in Zusammenhang mit einem Rückgang von Rehabilita-tionsmaßnahmen, ist also nicht begründet. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/11786, Frage 73 und 74): Inwiefern war die Bundesagentur für Arbeit bzw. waren ihre Vermittlungsstellen daran beteiligt, seit dem Beginn des Streiks bei der Firma Neupack Verpackungen GmbH & Co. KG am 1. November 2012 Arbeitskräfte in das Unternehmen zu vermitteln (bitte sowohl für inländische und ausländische -Arbeitskräfte beantworten und konkrete Fälle mit Anzahl und Einsatzdauer nennen), und inwiefern kann sie gegebenenfalls ausschließen, dass diese als Streikbrecher missbraucht -werden? Wann hat die Neupack Verpackungen GmbH & Co. KG den Streik bei der Bundesagentur für Arbeit angezeigt, und, wenn nein, mit welchen Sanktionen hat das Unternehmen nun zu rechnen? Zu Frage 73: Während des Streiks wurden nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit von den Agenturen für Arbeit keine Bewerber an die Firma vermittelt. Grundsätzlich gilt, dass die Agentur für Arbeit in einen durch einen -Arbeitskampf unmittelbar betroffenen Betrieb nur dann vermitteln darf, wenn die Arbeitnehmerin oder der -Arbeitnehmer dies verlangt (§ 36 Abs. 3 SGB III). Insoweit werden entsprechende Arbeitsangebote nur mit Zustimmung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers (und des Arbeitgebers) unterbreitet. Zu Frage 74: Die genannte Firma hat die Agentur für Arbeit am 9. November 2012 über einen Streik ab dem 1. November 2012 informiert. Nach § 320 Abs. 5 SGB III haben Arbeitgeber bei Ausbruch und Beendigung eines -Arbeitskampfes der Agentur für Arbeit unverzüglich Anzeige zu erstatten. Nach § 404 Abs. 2 Nr. 25 SGB III handelt ordnungswidrig, wer die Anzeige nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstattet. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 2 000 Euro geahndet werden (§ 404 Abs. 3 SGB III). Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 17/11786, Frage 75): Wie hat sich die Anzahl der Flugstunden bemannter und unbemannter Systeme der Luftwaffe und des Heeres in den letzten zehn Jahren in Deutschland und Afghanistan entwickelt, und geht die Bundesregierung davon aus, dass sich die Gesamtzahl der Flugstunden der Bundeswehr durch die Anschaffung weiterer unbemannter Systeme weiter erhöhen wird? Aufgrund der Kurzfristigkeit, der Differenziertheit der Fragestellung sowie des nachgefragten Zeitraumes von zehn Jahren kann die Anfrage nicht vollumfänglich beantwortet werden. Daher wird exemplarisch die Flugstundenentwicklung der letzten Jahre, beginnend ab 2004, auf der Grundlage vorhandener Daten für die Bereiche strahlgetriebener Kampfflugzeuge und unbemannter Luftfahrzeugsysteme aufgezeigt. Gleichwohl lässt sich anhand dieser Informationen eine Tendenz in Bezug auf die Flugstundenentwicklung erkennen. Die Bundeswehr wird in der Zielstruktur über 225 strahlgetriebene Kampfflugzeuge vom Typ TORNADO und EUROFIGHTER verfügen. In der gegenwärtigen Übergangsphase wird auch noch das Waffensystem PHANTOM F-4F betrieben. In 2011 haben diese Luftfahrzeugtypen insgesamt 21 391 Flugstunden erflogen. Dies entspricht im Vergleich zum Jahr 2004, in dem 46 944 erflogen wurden, einer Reduktion von mehr als 50 Prozent. Im Bereich der unbemannten Luftfahrzeugsysteme (Unmanned Aircraft Systems/UAS) ist ein Anstieg von etwa 1 800 Flugstunden in 2004 auf circa 8 400 in 2011 zu verzeichnen. Dieser Anstieg ist im Wesentlichen auf die Einsatzverpflichtungen der Streitkräfte zurückzuführen. Insbesondere für die unbemannten Systeme der High und Medium Altitude Long Endurance, HALE/MALE, Kategorie – also die Systeme, die durch die Luftwaffe betrieben werden bzw. werden sollen – stellt die Verkehrszulassung nach europäischen und deutschen Standards eine besondere Herausforderung dar, die es vor weiterführenden Entscheidungen hinsichtlich des Betriebs außerhalb Afghanistans zu klären gilt. Die Bundeswehr steht hierzu in Kontakt mit der Industrie und durchläuft parallel zahlreiche, interne Abstimmungsprozesse hinsichtlich der Beschaffungsvorhaben und dem Betrieb künftiger UAS. Ergebnisse werden nicht vor der ersten Jahreshälfte 2013 erwartet. Daher ist eine belastbare Aussage über die zukünftige Entwicklung der zu erwartenden UAS-Flugstunden zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Abschließend kann jedoch festgehalten werden, dass die Flugstundenabnahme im Bereich der bemannten Luftfahrzeuge seit 2004 deutlich größer wiegt als die Zunahme der Flugstunden durch unbemannte Luftfahrzeugsysteme, was in der Gesamtbetrachtung zu einem deutlichen Rückgang der Gesamtflugstunden geführt hat. 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Flugstunden Kampfflugzeuge 46 944 44 056 45 703 39 982 38 435 34 265 31 250 21 391 Flugstunden UAS – Lw 2 413 4 736 davon Einsatz 2 413 4 736 Flugstunden UAS – Heer 1 815 2 130 2 027 2 369 2 958 3 879 3 691 3 727 davon Einsatz 1 400 1 630 1 245 1 549 1 698 2 485 2 213 1 695 Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 76): Mit welchen staatlichen bzw. privaten usbekischen bzw. nichtusbekischen Partnern im Logistikbereich (bitte gesondert namentlich auflisten) bestehen seitens der Bundesregierung Verträge im Zusammenhang mit dem Landtransport militärischer bzw. nichtmilitärischer Güter über usbekisches Hoheitsgebiet, und welche Beträge sind seit 2010 jährlich an diese Partner jeweils für die beiden Gütergruppen überwiesen worden (bitte einzeln auflisten)? Die Bundesregierung unterhält selbst keine Verträge mit staatlichen bzw. privaten usbekischen Partnern im Logistikbereich im Zusammenhang mit dem Transport militärischer bzw. nicht militärischer Güter über usbekisches Hoheitsgebiet. Für Landtransporte von Deutschland nach Usbekistan, Termez, oder Afghanistan und zurück wird sowohl für den Straßen- als auch den Schienentransport auf mit EUansässigen Unternehmen abgeschlossene Rahmenverträge zurückgegriffen. Es handelt sich dabei aktuell um die Firmen IMEX Speditions- und Handelsgesellschaft mbH, Straßentransport, sowie DSV Air & Sea A/S, Schienentransport. Bei den durch Deutschland beauftragten Landtransporten wird gegenüber den Rahmenvertragspartnern nicht zwischen militärischen bzw. nichtmilitärischen Gütern unterschieden. Durch die bestehenden Transitabkommen – insbesondere mit Usbekistan – ist der Transport bestimmter militärischer Güter, wie zum Beispiel geschützte Fahrzeuge, Waffen usw., eingeschränkt. Die für die Landtransporte zu zahlenden Beträge umfassen grundsätzlich die Gesamtkosten für die logistische Dienstleistung auf der gesamten Wegstrecke, also von Deutschland nach Usbekistan, Termes, bzw. Afghanistan und zurück („door-to-door-Vertrag“). Eine Rechnungslegung für Teilstrecken ist kein Bestandteil der Rahmenverträge und kann daher vom jeweiligen Rahmenvertragspartner nicht verlangt werden. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Fra-ge 77): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den durch die Wehrtechnischen Dienststellen der Bundeswehr festgestellten, die persönliche Sicherheit der Soldaten gefährdenden erheblichen Mängel an den in der Truppe verwendeten Waffen G 36 und P 8 je des Oberndorfer Herstellers Heckler & Koch GmbH (vergleiche ZDF, Frontal 21 am 27. November 2012) hinsichtlich künftiger Beschaffungsaufträge an dieses Unternehmen, und teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass keinerlei solche Aufträge mehr verantwortbar sind, auch weil schon bei vielen früheren Anlässen (vergleiche den Spiegel vom 14. August 2010 und 10. November 2011) – wie etwa Waffenexporten in Spannungsgebiete – die gewerberechtliche Zuverlässigkeit von Heckler & Koch GmbH fraglich war? Die fachtechnischen Prüfungen am Gewehr G 36 haben die bisherige Bewertung des Bundesministeriums der Verteidigung, dass für die aufgetretenen Effekte physikalische Gesetzmäßigkeiten ursächlich sind, bestätigt. Es wurde kein Mangel am Gewehr G 36 festgestellt. Die Bundeswehr hat aufgrund der Untersuchungsergebnisse keine Veranlassung, Mängel bzw. Abweichungen von den vertraglichen Vereinbarungen oder Gewährleistung geltend zu machen. Das Sturmgewehr G 36 ist zuverlässig und auch weiterhin tauglich für die Erfordernisse der Bundeswehr im Ausbildungsbetrieb und in den laufenden Einsätzen. Die Pistole P 8 wurde 1994 in die Bundeswehr eingeführt und ist die Standardfaustfeuerwaffe der Bundeswehr für die Selbstverteidigung der Soldatinnen und Soldaten. Sie ist auf eine Nutzungsdauer von 10 000 Schuss spezifiziert. Ab 2006 wurden vereinzelt Rissbildungen an Verschlüssen, beginnend ab 2007 einzelne – im Verschluss liegende – gebrochene Schlagbolzen bei der Pistole P 8 gemeldet. Dieses hat keine sicherheitsrelevanten Auswirkungen, eine Schützengefährdung liegt nicht vor. Als Konsequenz wurde in 2009 das Verschleißverhalten der Pistole P 8 untersucht. Für neu zu beschaffende Pistolen wurden Verbesserungen mit dem Konstruktionsstand A1 festgelegt. Mit dem Konstruktionsstand A1 wird dem starken Nutzungsgrad der Waffe und der damit verbundenen hohen Schussbelastung Rechnung getragen und das Nutzungspotenzial der Waffe über die spezifizierte Nutzungsdauer von 10 000 Schuss hinaus deutlich verbessert. Die Treffleistung gegenüber Pistolen im alten Konstruktionszustand ist unverändert, womit die Gleichwertigkeit aller Varianten gegeben ist. Waffen, die ihre Verschleißgrenze erreichen, werden gegen Waffen mit dem Konstruktionsstand A1 ausgetauscht. Hiervon abgesehen werden Waffen im Rahmen der Technischen Materialprüfung regelmäßig durch die Waffenprüfer der Bundeswehr untersucht und falls erforderlich instandgesetzt. Zur Zuverlässigkeit der Firma Heckler & Koch im vergaberechtlichen Sinne, also zur Eignung dieses Bewerbers/Bieters, bestehen nach Bewertung des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, BAAlNBw, keine Bedenken. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 78): Bestätigt die Bundesregierung, dass sich die Spezialeinheit Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr nach Mitte September dieses Jahres in Jordanien etwa zu Übungen auf dem King Abdullah II Special Operations Training Center gemeinsam mit US Special Forces aufgehalten hat und, gegebenenfalls, mit welchem Auftrag, etwa zur Vorbereitung eines Einsatzes in Syrien für den Fall des Einsatzes von Chemiewaffen durch syrische Sicherheitskräfte (vergleiche den Spiegel vom 4. Dezember 2012)? Das Kommando Spezialkräfte, KSK, hat bisher keine Übungen am King Abdullah II Special Operations Training Center in Jordanien durchgeführt. Personal des KSK hat sich vom 21. bis 25. Mai 2012 und vom 26. August bis 4. September 2012 zu Gesprächen über die Ausbildungsmöglichkeiten in Jordanien aufgehalten. Von der Durchführung von Ausbildungsvorhaben des KSK in Jordanien wurde aufgrund der aktuellen Lage im Nahen Osten bis auf Weiteres Abstand genommen. Anlage 54 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/11786, Frage 79): Wie beurteilt die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt, Behinderung nicht mit Krankheit gleichzusetzen, die Vorschläge der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e. V. vom 6. Dezember 2012, die ärztliche Approbationsordnung im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention so zu ändern, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen und mit Behinderungen – auch durch die Einführung eines Prüfungsfaches „Medizin und Menschenrechte“ – in Ausbildung und Prüfung angehender Ärzte anders einbezogen werden (siehe www.kobinet-nachrichten.org vom 6. Dezember 2012)? Die Bundesregierung anerkennt, dass die ärztliche Ausbildung auch auf die Belange von Menschen mit Behinderung ausgerichtet sein muss. Hierauf hatte zuletzt der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen im Oktober 2011 anlässlich der Ersten Verordnung zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte, ÄApprO, hingewiesen und konkrete Änderungen der Approbationsordnung vorgeschlagen: In den Zielen der ärztlichen Ausbildung (§ 1 ÄAppO) sollten ausdrücklich die besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen Erwähnung finden. Bei der Zulassung zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (§ 27 ÄAppO) sollte deutlich gemacht werden, dass die Universitäten in ihren Studienordnungen zu den Anforderungen und zum Verfahren bei der Erbringung der Leistungsnachweise die besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen berücksichtigen müssen. Die konkreten ergänzenden Formulierungsvorschläge des Beauftragten wurden nicht aufgegriffen, weil sich die aktuell angestrebte Änderung der Approbationsordnung für Ärzte im Sinne der Sicherstellung einer flächendeckenden bedarfsgerechten und wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung im Wesentlichen auf Regelungen zur Stärkung der Allgemeinmedizin in der ärztlichen Ausbildung und zur gezielten Nachwuchsgewinnung und Förderung der Medizinstudierenden beschränkte. Um dieses gesundheitspolitisch wichtige Vorhaben möglichst zügig zu verabschieden, wurde auf Änderungen in anderen Bereichen verzichtet, insbesondere, wenn sich daraus zusätzliche Belastungen für die Universitäten hätten ergeben können. Diese Thematik soll aber bei der nächsten Änderung der Ausbildungsinhalte geprüft und in geeigneter Form aufgegriffen werden. Die Vorschläge zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte der Leben in Deutschland, ISL, e. V. vom 6. Dezember 2012 werden dabei einbezogen. Anlagen 1Anlagen 2 bis 6 2 Ergebnis Seite 26104 C 3 Ergebnis Seite 26110 C ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 26146 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26147 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 26160 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26161