Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2010 > Bologna-Prozess
Rund zehn Jahre nach Beginn des Bologna-Prozesses haben Union und FDP einen Antrag vorgelegt, in dem sie die Vollendung des gemeinsamen europäischen Hochschulraums fordern. Der Bundestag berät über die Vorlage am Donnerstag, 4. März 2010, ab 14.45 Uhr in einer 30-minütigen Debatte. Ziel des 1999 mit der Unterzeichnung der so genannten Bologna-Erklärung begonnenen Reformprozesses sei es gewesen, die Mobilität und Beschäftigungsfähigkeit der europäischen Bürger zu verbessern, eine größere Übereinstimmung und Vergleichbarkeit der Hochschulsystem zu erreichen sowie die Attraktivität der europäischen Hochschulbildung im globalen Wettbewerb zu steigern. Damit sei der Bologna-Prozess "eines der herausragenden gesamteuropäischen Projekte der Gegenwart", schreiben die Abgeordneten von CDU/CSU und FDP in ihrem gemeinsamen Antrag (17/905).
Im Vorfeld eines im März geplanten Treffens der Bildungsminister der Bologna-Unterzeichnerstaaten in Wien und Budapest haben die Koalitionsfraktionen nun einen Maßnahmenkatalog vorgestellt, wie der inzwischen rund zehnjährige Bologna-Prozess vollendet und die Länder und Hochschulen weiterhin unterstützt werden können.
In Deutschland sei die Umsetzung der Reformen zwar schon weit voran geschritten, heißt es im Antrag. 80 Prozent aller Studiengänge führten mittlerweile zu den Abschlüssen Bachelor oder Master, an den Fachhochschulen seien sogar schon 96 Prozent der Studiengänge auf die neuen Abschlüsse umgestellt.
Positiv könne auch vermerkt werden, dass inzwischen der Bachelor in der Wirtschaft stärker akzeptiert sei als zu Beginn der Umstellung. Allerdings bestünde in einigen Unternehmen noch "Unsicherheit", wie Bachelorabsolventen im Hinblick auf ihre Kompetenzen und Potenziale fachlich und hierarchisch einzustufen seine, konstatieren die Abgeordneten.
Trotz dieser Fortschritte gäbe es jedoch noch Probleme bei der Umsetzung der Bologna-Reformen. Union und FDP verweisen auf die Studentenproteste, die gezeigt hätten, dass der Bologna-Prozess "an einigen Hochschulen noch nicht die erhoffte Wirkung entfaltet konnte".
Die Kultusministerkonferenz (KMK) habe zwar die Kritik der Studenten aufgegriffen und mit einem Zehn-Punkte-Plan bereits in die richtige Richtung geleitet. Dennoch bleibe die Umsetzung der Bologna-Reformen auch in Zukunft eine Herausforderung für die Bildungspartner in Deutschland.
Union und FDP begrüßen in ihrem Antrag zwar unter anderem, dass die Bundesregierung der Bildung und der Forschung Priorität eingeräumt habe und bis 2015 die Ausgaben dafür auf zehn Prozent des jährlichen Bruttoinlandsproduktes (BIP) steigern wolle. Auch dass sie angekündigt habe, die Finanzmittel in der laufenden Legislaturperiode um zwölf Milliarden Euro zu erhöhen und sich an weiteren Aufwendungen im Bildungsbereich im Umfang von 13 Milliarden Euro zu beteiligen, findet die Zustimmung der Abgeordneten.
Dennoch fordern sie die Bundesregierung auf, weiterhin engagiert für die Vollendung des gemeinsamen Hochschulraums einzutreten und noch mehr als bisher die Mobilität von Studierenden und Wissenschaftler durch Austausch-, Studien- und Forschungsprogramme zu fördern.
Auch die Länder und die Hochschulen müssten insbesondere bei der Umsetzung des aufgestellten Zehn-Punkte-Plans der KMK unterstützt werden. Sie brauchten zudem verlässliche Perspektiven für die Verbesserung der Lehrqualität, fordern Union und FDP.
Zudem müsse geprüft werden, ob die Regeln für den Bezug von BAföG noch "weiter an die Realitäten des Bologna-Studiums angepasst" werden müssen.
Gleichzeitig müssten aber auch die Länder ihrer Verantwortung gerecht werden, um das gemeinsame Ziel der Bildungspartnerschaft von Bund, Ländern und Kommunen zu erreichen, die Bildungsausgaben auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, mahnen die Abgeordneten.
Die Länder dürften ihre eigenen Anstrengungen für die Bildung nicht reduzieren, sondern müssten ebenfalls ihre Bildungsetats weiter steigern. Außerdem sollten die Beschlüsse der KMK, dort wo sie die Zuständigkeit der Länder berührten, zügig umgesetzt werden.
Neben den Forderungen, die die Fraktionen an Bund und Länder stellen, appellieren sie in ihrer Vorlage auch an die Hochschulen: Die Spielräume, die die Strukturvorgaben der KMK hinsichtlich der Dauer von Studiengängen ermögliche, müssten besser genutzt werden. Zudem sei es notwendig, dass sie für die einzelnen Studiengänge Auswahlverfahren entwickelten und die Studierenden auf diese angemessen vorbereiteten, schreiben Union und FDP.
Auch die Qualität der Lehre müsse regelmäßig bewertet und die Ergebnisse veröffentlicht werden. Ferner solle in Zusammenarbeit mit regionalen und lokalen Arbeitgebern über das Angebot der Hochschulen informiert und sich stärker im Bereich der Weiterbildung engagiert werden, fordern die Abgeordneten.
Gleichzeitig könne aber auch die Wirtschaft mehr tun: Diese müsse etwa ihr Engagement für die Arbeitsmarktakzeptanz der neuen Bachelor- und Masterabschlüsse fortsetzen. Insbesondere Industrie- und Handelskammern seien gefordert, ihre Mitglieder darüber zu informieren.
Darüber hinaus appellieren die Koalitionsfraktionen an die Unternehmen, zur Studienfinanzierung durch die Vergabe von Stipendien an Leistungsstarke beizutragen und sich darüber hinaus als "stakeholder" öffentlich und in der Organisation (so etwa in Hochschulräten oder Förderkreisen) für die Universitäten und Fachhochschulen einzusetzen.