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Die Regierungserklärung von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hat am Freitag, 23. April 2010, im Bundestag zu einem Schlagabtausch zwischen Koalition und Opposition über den richtigen Kurs in der Wirtschaftspolitik geführt. Während der Minister Deutschland wieder nachhaltig auf dem Weg des Wachstums sah, warf die Opposition der Bundesregierung vor, die Zahlen schönzureden. In Wahrheit habe die Koalition kein Konzept, wie sie Wachstum und Beschäftigung nachhaltig sichern könne.
In seiner Erklärung hatte sich Brüderle sehr zuversichtlich gezeigt: Deutschland habe die Krise gut bewältigt. Dass die Arbeitslosigkeit nicht so gestiegen sei, wie zu Beginn der Krise befürchtet, nannte der Minister ein "kleines Jobwunder".
Die aktuelle Lage schätzte er optimistisch ein: "Wir sind gut aufgestellt." Deutschland wachse wieder. Nun müsse es aber darum gehen, so Brüderle, diese Entwicklung zu stabilisieren. "Wir brauchen einen selbsttragenden Wachstumsprozess." Daher werde die Bundesregierung nicht weitere staatliche Unterstützungsmaßnahmen auflegen, sondern wieder stärker auf Eigeninitiative und die Kräfte des freien Marktes setzen.
Brüderle betonte die Bedeutung von Innovation und Kreativität für wirtschaftliche Konsolidierung: "Wir brauchen die Genforschung, Kohlendioxidspeichertechnologie und Elektromobilität." Brüderle kündigte nicht nur für den Herbst ein neues Energiekonzept an, er versprach auch zusätzliche Innovationsimpulse für den Mittelstand, mehr Entflechtung im Gas- und Stromsektor sowie mehr Einsatz auf internationaler Ebene für einen besseren Wettbewerb im Bereich der Rohstoffversorgung.
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Fraktionsvorsitzender der SPD, griff Brüderle jedoch scharf an: Dessen Rede sei keine Leistungsbilanz, sondern ein "Offenbarungseid". Der Minister habe erneut gezeigt, dass er "keinen Kompass und keine Idee" habe. Steinmeier nannte es "unverantwortlich", dass Brüderle den Eindruck erwecke, Deutschlands Wirtschaft sei schon über den Berg. "Wir haben aber noch keinen nachhaltigen Aufschwung", betonte der SPD-Politiker. Vielleicht mache Goldmann Sachs wieder kräftige Gewinne - "aber nennen Sie das eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung?", fragte Steinmeier in Richtung der Regierungsbank. "Oder ist es nicht eher ein Zeichen dafür, dass die Zockerei wieder an Schwung gewinnt?"
Er forderte, die Bundesregierung müsse sich für eine internationale Finanzarchitektur stark machen. "Begreifen Sie doch: Ohne klare Regeln für den Finanzmarkt werden wir keinen nachhaltigen Aufschwung bekommen." Auch die Steuersenkungspläne der schwarz-gelben Regierung kritisierte Steinmeier scharf: Einen Staatshaushalt mit Billionen-Defizit zu konsolidieren und gleichzeitig Steuergeschenke zu machen, könne einfach nicht funktionieren.
Bundesarbeitsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU/CSU) kündigte in ihrer Rede ein neues Gesetzesvorhaben der Bundesregierung an. Die Koalition werde in Kürze ein "Beschäftigungschancengesetz" auf den Weg bringen, mit dem insbesondere Ältere, Alleinerziehende und jungen Menschen gefördert und wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden sollten. "Wir werden uns nicht damit abfinden, dass jede zweite Alleinerziehende eine Langzeitarbeitslose ist und 200.000 arbeitslose Jugendliche schon zu Beginn ihres Arbeitslebens keine Chance haben", betonte die Ministerin.
Skeptische Zwischenfragen, wie sie dieses Gesetzesvorhaben denn finanzieren wolle, angesichts leerer Kassen und neuer Konsolidierungspläne des Finanzministers, die auch den Etat des Arbeitsministeriums betreffen sollen, wollte von der Leyen nicht gelten lassen: "Das ist nicht die Zeit für Zauderer. Was wir brauchen, ist Mut zum Handeln".
Klaus Ernst (Die Linke) warf der Bundesregierung wiederum vor, ihre Politik nicht wirklich durchdacht zu haben. Einerseits müssten Prognosen nach unten korrigiert werden, andererseits spreche Minister Brüderle davon, Deutschland sei "gut aufgestellt". Doch eine wirkliche Konsolidierung sei nur zu erreichen, wenn die "Verteilung des Volksvermögens" nicht wie bisher auseinanderklaffe. "Die Ökonomie kann nicht funktionieren, wenn die Arbeitnehmer keine Lohnzuwächse haben", monierte Ernst.
Es sei zudem nicht zu akzeptieren, dass der Minister in seiner Regierungserklärung weiterhin die Flexibilisierung der Märkte predige. "Dabei war doch gerade die Deregulierung die Ursache für die Krise!" Der Linkspolitiker forderte, die Binnennachfrage zu stärken. Das "Modell Deutschland" habe immer auch auf geregelte Arbeitsbedingungen aufgebaut. Diese seien in der Vergangenheit unter anderem durch Leiharbeit und die Absage an Mindestlöhne ausgehöhlt worden.
Dr. Heinrich Kolb (FDP) lobte im Rückblick das Krisenmanagement der Großen Koalition in der Krise. Gerade die Kurzarbeit sei dabei ein wichtiges Instrument gewesen, um durch die Krise zu kommen. "Jetzt geht es um Exit-Strategien, denn das Ende der Krise ist absehbar. Wir sehen Licht am Ende des Tunnels", sagte der FDP-Politiker.
Um den Aufschwung zu verstetigen, sprach sich Kolb für mehr Entbürokratisierung, Steuervereinfachungen und einen moderaten Zuwachs von qualifizierter Zuwanderung aus. "Nur so haben wir die besten Voraussetzungen für einen Aufschwung!"
Wie zuvor schon Frank-Walter Steinmeier, so kritisierte auch Fritz Kuhn, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, die Schönfärberei der Bundesregierung: "So wachstumsbesoffen wie Sie, Herr Minister Brüderle, sind, müsste Sie eigentlich in eine Ausnüchterungszelle." Es sei höchst unseriös, wie dieser die wirtschaftliche Entwicklung darstelle. In Deutschland gebe auch nicht nur ein Konjunktur-, sondern eine Strukturkrise, merkte der Grüne an. Es dürfe nicht nur darum gehen, möglichst viele "prekäre Arbeitsplätze" zu schaffen, sondern für mehr Sicherheit und Vertrauen bei den Bürgern und in der Wirtschaft zu sorgen, bekräftigte Kuhn.
Brüderle bleibe ein "Ankündigungs-Guru". Tatsächlich sei gerade in Sachen Entflechtung oder erneuerbare Energien wenig von ihm zu erwarten: "Sie bewegen sich rückwärts! Sie sind abhängig von den alten Lobbys – da ist ihr Problem", warf Kuhn dem Minister und der schwarz-gelben Regierung vor.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) betonte, zu einem "selbsttragenden, dauerhaften Aufschwung" gebe es keine Alternative. Darum stärke die Koalition die Märkte und unterstütze eine Steigerung der Effizienz, doch: "Wir müssen uns auch mehr intelligentes Neues einfallen lassen!" Pfeiffer sprach sich daher für die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung aus. Aber auch die kommunalen Finanzen müssten "verstetigt werden", verlangte der Unionspolitiker: "Dieses Auf- und ab der Gewerbesteuer ist nicht der Weisheit letzter Schluss, das merken doch auch die Städte und Gemeinden selbst."
Der Forderung der Opposition nach höheren Reallöhnen erteilte er jedoch eine Absage: "Das ist eine Milchmädchenrechnung!" Mit der Mär, dass diese mehr Aufschwung brächten, müsse endlich aufgeräumt werden, so Pfeiffer. Nicht höhere Löhne, sondern mehr Beschäftigung gäben den Ausschlag. Höhere Löhne schadeten bloß der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und führten zu weniger Aufschwung.