Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2010 > Finanztransaktionssteuer
Über die Einführung einer Finanztransaktionsteuer diskutiert der Bundestag am Freitag, 18. Juni 2010, ab etwa 10.25 Uhr. Eine solche Steuer auf Geschäfte etwa mit Aktien, Wertpapieren oder Derivaten wird von den Oppositionsfraktionen gefordert, die sich davon eine Verringerung des spekulativen Handels und eine Stabilisierung der Finanzmärkte versprechen und so auf die Wirtschafts- und Finanzkrise reagieren wollen. Im Anschluss an die75-minütige Debatte stimmen die Abgeordneten über vier Anträge ab, zu denen der Finanzausschuss allesamt Ablehnung empfohlen hat (17/2133).
Im Antrag der SPD (17/527) fordern die Parlamentarier die Bundesregierung auf, sowohl die europäischen Partner als auch die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) davon zu überzeugen, dass eine internationale Finanztransaktionsteuer ökonomisch, ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll wäre.
Sollte dies nicht zeitnah gelingen, soll sich die Regierung für eine Finanztransaktionsteuer innerhalb der EU einsetzen oder kurzfristig ein Gesetz vorlegen, "das die Einführung einer nationalen Börsenumsatzsteuer in Deutschland zum Inhalt hat". Zur Begründung heißt es, eine solche Steuer von 0,5 bis 1,5 Prozent des Transaktionswertes könne "erhebliche Einnahmen" erzielen; dies sehe man etwa in Großbritannien, der Schweiz, Irland und Polen.
Die Sozialdemokraten betonen, die Ursachen der weltweiten Finanzkrise lägen "in weltweit liberalisierter Regulierung und Aufsicht als Ergebnis einer marktradikalen Ideologie, bei der es nur um die Maximierung von Profit, Kapitalrenditen und höchstmögliche Boni" gegangen sei.
Die Folgen dieser Gier müssten nun alle tragen - eine Finanztransaktionsteuer sei dagegen ein Instrument, um sicherzustellen, "dass ein Teil der enormen Kosten der Krise dort hereingeholt wird, wo die Spekulation die schlimmsten Blüten" getrieben habe. Die große Zustimmung zu der Petition "Steuer gegen Armut" belege, dass viele Menschen eine Veränderung der Regeln auf den Finanzmärkten wollten.
Für eine solche Veränderung spricht sich auf die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aus. In ihrem Antrag (17/1422) heißt es, es sei ungerecht, dass die Umsätze mit Aktien und Derivaten innerhalb der EU "weitgehend frei von Besteuerung" sei. Auch Finanztransaktionen müssten wie andere Produkte und Dienstleistungen mit einer Umsatzsteuer belegt werden.
Von einer Steuerbefreiung profitierten diejenigen, die an den Kapitalmärkten aktiv seien. Die Belastungen für Kleinanleger durch die vorgeschlagene Steuer wären nur "äußerst gering", während sie hauptsächlich Finanzmarktakteure betreffen würde, die häufige Transaktionen vornehmen - so würde schon ein geringer Steuersatz von 0,01 Prozent zu einem "fairen Finanzierungsbeitrag öffentlicher Güter führen".
Wie die Sozialdemokraten wollen auch die Bündnisgrünen eine Finanzumsatzsteuer auf EU-Ebene und perspektivisch auf globaler Ebene. Immerhin habe das EU-Recht den grenzüberschreitenden Handel mit Wertpapieren erst möglich gemacht. Um den Mitgliedstaaten einen Anreiz für die "effektive Erhebung der Finanzumsatzsteuer" zu geben, soll nach Ansicht der Grünen ein Teil der Steuereinnahmen in den nationalen Haushalten verbleiben.
Auch die Fraktion Die Linke fordert die Einführung einer Finanztransaktionsteuer, die "die Aufblähung und Verselbstständigung der Finanzmärkte wirksam" bekämpfen könne. In dem Antrag der Fraktion (17/518) heißt es, die Steuer würde gerade solche Akteure finanziell belasten, "die mit kurzfristigen, zumeist spekulativen und höchst gefährlichen Geschäften im globalen Finanzkasino den schnellen Euro verdienen wollen". Die Steuer sei politisch wünschenswert und technisch "problemlos möglich" und soll deshalb in Juli ab dem 1. Juli 2010 mit einem Steuersatz von mindestens 0,01 Prozent erhoben werden.
In einem zweiten Antrag (17/518) fordert die Fraktion außerdem eine Sonderabgabe in Höhe von 0,15 Prozent im Jahr ihrer Verbindlichkeiten für private Finanzinstitute, "die direkt oder indirekt von Staatshilfen profitiert haben". Die Steuerzahler der Bundesrepublik hafteten im Zuge der Bankenrettung mit 480 Milliarden Euro für heimische Finanzinstitute; die Staatsverschuldung sei infolge der Stützungsmaßnahmen für die Banken allein im Jahr 2008 um 53,5 Milliarden angestiegen.
Dennoch handelten viele Banken, als habe es die Krise nie gegeben. Die vorgeschlagene "Finanzkrisen-Verantwortungsgebühr" werde dafür sorgen, dass die Verursacher der Krise für die Kosten der Bankenrettung aufkommen müssten und eine Abwälzung der Spekulationsverluste auf die Allgemeinheit vermieden werden könne.