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Auch besonders gezüchtete Kühe sollen nicht mehr patentiert werden dürfen. © dpa picture alliance/dpa
Ein Verbot von Patenten für Nutztiere und Pflanzen verlangen SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die beiden Fraktionen haben dazu zwei Anträge im Bundestag eingebracht, die dieser am Donnerstag, 1. Juli 2010, ab 14.25 Uhr in einer 45-minütigen ersten Lesung berät. In ihren Vorlagen fordern Sozialdemokraten und Grüne die Bundesregierung auf, das nationale Patentrecht zu überarbeiten und sich auf europäischer Ebene für eine Änderung der geltenden Biopatentrichtlinie einzusetzen. Auch traditionelle Verfahren der Pflanzen- und Tierzucht sollen nach Auffassung der Opposition nicht mehr patentierbar sein.
Die SPD verweist in ihrem Antrag „Keine Patente auf Pflanzen und Tiere“ (17/2016) darauf, dass seit Jahren die Anzahl der Anmeldungen für Biopatente beim Europäischen Patentamt (EPA) in München steige und zunehmend "auslegungsbedürftige und lückenhafte“ Rechtsgrundlagen genutzt würden, um immer weitergehende Ansprüche einzelner Firmen durchzusetzen.
Dies habe "gravierende Folgen für die Fragen der Ernährung und Landwirtschaft“, warnt die Fraktion in ihrem Antrag. Der Versuch sei offenkundig, mit Hilfe des Patentrechts individuelle Rechte auf immer weitere Teile der Nahrungsmittelkette der Bevölkerung auszudehnen.
Diese Entwicklung beobachten auch die Bündnisgrünen mit Sorge: In ihrem Antrag "Patentierung von Pflanzen, Tieren und biologischen Züchtungsverfahren stoppen“ (17/2141) monieren sie, dass das EPA immer wieder "zu weitreichende Patente“ auf Pflanzen, Tiere und Züchtungsverfahren erteile.
So seien bereits Sojabohnen, Weizen, Sonneblumen, Brokkoli und sogar Kühe und Schweine patentiert worden, die Eigenschaften hatten, die entweder durch genetische Verfahren oder durch konventionelle Züchtungsverfahren von den Patentantragstellern erzielt worden seien.
Diese "problematische Patenterteilungspraxis des EPA im Zusammenhang mit lebender Materie“ sei auch in einer Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages am 11. Mai 2009 mehrheitlich auf die Kritik der Sachverständigen gestoßen, so die Fraktion in ihrem Antrag, den sie nun bereits zum zweiten Mal in den Bundestag einbracht hat. Ein Jahr zuvor war die Vorlage an der SPD gescheitert, deren Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) den Ausgang anhängiger Beschwerdeverfahren abwarten wollte.
Die Vielzahl der Einsprüche - etwa vom Deutschen Bauernverband, von Greenpeace oder Züchtungsunternehmen - gegen solche Biopatente beim EPA zeige aber, dass "dringender regulatorischer Handlungsbedarf“ bestehe, argumentieren die Grünen. Auf die Selbstkontrolle des EPA und zukünftige Entscheidungen seiner Großen Beschwerdekammer zu vertrauen reiche nicht aus, so die Fraktion.
Gesetze und Richtlinien müssten strenger und vor allem klarer formuliert werden. Ähnlich wie die SPD sieht die Sprecherin der Grünen für Ernährungspolitik und Agrotechnik, Ulrike Höfken, das Risiko, dass die Monopolisierung von genetischen Ressourcen eine "schleichende Enteignung der Allgemeinheit“ zur Folge haben könnte, die die Arbeit von Landwirten, Züchtern und Forschern gefährde.
Daher pochen Bündnis 90/Die Grünen auf eine Änderung der europäischen Biopatentrichtlinie. Patente auf Gene dürften nur noch in Verbindung mit einer konkreten Anwendung erteilt werden. Außerdem müsse der Geltungsbereich der Patente auf diese konkrete Anwendung reduziert werden, so dass andere Anwender die gleiche DNA-Sequenz nutzen und für andere Anwendungen patentieren lassen könnten.
"Blankoscheck-Ansprüche zu Lasten späterer Züchtung und Forschung müssen verhindert werden“, fordert Höfken. Auch müsse in der Richtlinie unmissverständlich klargestellt werden, dass auf Verfahren, die auf Kreuzung oder Züchtung basierten, keine Patente erteilt werden dürften.
Das sieht die SPD genauso: Sie verlangt, dass der in der Richtlinie bislang verwendete Begriff "im Wesentlichen biologische Verfahren“ deutlicher abgegrenzt werden müsse. Zudem solle sichergestellt werden, dass für diese Verfahren und die daraus hervorgegangenen Pflanzen und Tiere keine Patente erteilt werden können - auch wenn ein technischer Verfahrensschritt dazukomme.
Das Ziel sei, Patente auf Pflanzen, Tieren sowie Züchtungsverfahren zu verbieten. So wollen Sozialdemokraten neben einer Änderung der europäischen Biopatentrichtlinie auch erreichen, dass im deutschen Patentrecht bio-ethische und sozialethische Einwände stärker berücksichtigt werden können.
Kritisch merken ferner beide Oppositionsfraktionen in ihren Anträgen an, dass die Patentverteilung durch das Europäische Patentamt überprüft werden müsse.
So plädieren SPD und Grüne dafür, die Kontrollmechanismen und insbesondere das Finanzierungsmodell des EPA zu verbessern, um eine kontinuierliche, institutionelle und unabhängige bioethische Beratung sicherzustellen. Gerade diese war in der Vergangenheit von Kritikern in Zweifel gezogen worden.
So monierte etwa Dr. Christoph Then, Patent-Experte und Berater von Greenpeace, dass sich das EPA zu sehr als "Serviceinstitution der Industrie“ begreife. Patente seien bislang möglichst industriefreundlich geprüft und erteilt worden.
Die Evangelische Kirche kritisiert zudem, dass es dem Amt an Unabhängigkeit des EPA fehle - finanziere es sich doch über Patentgebühren. Eine Reform des Biopatentrechts fordern deshalb neben Kirchen und Umweltverbänden auch die Landwirte: Die "unklaren Formulierungen“ der Patentrichtlinie ermöglichten entgegen der ursprünglichen Intention eine zu weitreichende Patentierung genetischen Materials und Züchtungsverfahren, heißt es in einer Stellungnahme des Deutschen Bauernverbands vom 18. Mai 2010.
Diese Kritik scheint nun Gehör zu finden: So hat neben SPD und Grünen auch die Bundesregierung angekündigt, Patente auf landwirtschaftliche Nutztiere und Nutzpflanzen unterbinden zu wollen. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) erklärte Anfang Juni gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel": "Es gibt Grenzen, die wir nicht überschreiten dürfen.“ Um die Vielfalt der genetischen Ressourcen zu erhalten, dürften Landwirte und Züchter nicht durch Biopatente eingeschränkt werden.
Aigners Vorstoß, ebenso wie die parlamentarischen Initiativen von SPD und Grünen, kommt kurz vor einer wegweisenden Entscheidung des Europäischen Patentamtes: Ab 20. Juli 2010 prüfen dort Fachleute der Behörde, ob zwei Patente gültig sind, die bei Brokkoli und Tomaten nicht nur bestimmte Züchtungstechniken schützen, sondern auch die daraus entstehenden Pflanzen.
Beschwerden von mehreren Organisationen hatte es zuvor aber nicht nur gegen diese Biopatente, sondern auch gegen Patente auf genetisch veränderte Schweine und Kühe gegeben. Im Fall der Kühe mit erhöhter Milchleistung wies das Patentamt im März zwar alle Einsprüche ab, das umstrittene "Schweinepatent“ aber zog es Ende April 2010 schließlich zurück.