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Anschaulich für Fremdenführer und politischen Unterricht wäre es, wenn der Satz noch stimmte: "In der Rheinaue stehen drei Villen für die Bonner Erfolgsgeschichte der Demokratie: die Villa Hammerschmidt des Bundespräsidenten, das Palais Schaumburg des Bundeskanzlers und die Villa Dahm als Sitz des Interfraktionellen Clubs der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft." So zitierte noch im Jahr 2009 ein vom Haus der Geschichte der Bundesrepublik und der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebener Reiseführer ("Bonn. Orte der Demokratie"). Aber leider war der Dreiklang dieser weißen Gründerzeitvillen am Rhein damals schon zerstört.
Denn die Stadt Bonn hat unter der Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) die denkmalgeschützte Villa Dahm dem in seinem architektonischen Wesen eigentlich unbönnschen Wolkenkuckucksheim eines "Weltkonferenzentrums" (WCCB) geopfert.
Sie ließ im Juni 2006 den Abriss durch einen eigentlich gar nicht existierenden "Investor" zu und opferte für einen modernen Bauklotz ein Millionengeschenk des Bundes. Der hatte nach dem Abschied des Bundestages von Bonn im Jahr 1999 die von ihm renovierte und vorbildlich erhaltene Villa der "Parlamentarischen" der Stadt geschenkt.
Dieser nach britischem Vorbild 1951 entstandene Club der Abgeordneten war nach seiner Gründung aus seinem ersten Sitz im Bonner "Bergischen Hof" 1955 in die Dahlmannstraße 7 eingezogen.
Seit dem Umzug nach Berlin wurde das ursprüngliche Doppelhaus der Bonner Brüder und Geschäftsleute Dahm noch als Sitz von Stiftungen genutzt, bis im früher vorbildlich maßvollen Bonn der Größenwahn ausbrach und die Stadt in die bis heute nicht beseitigte, von ihr selbst gestellte Millionenfalle des WCCB- Skandals tappte.
Der Abriss war der erste Teil jenes Skandals. Die im Verhältnis zur Villa nichtssagenden, aber unter Denkmalschutz stehenden bescheidenen ehemaligen Abgeordneten- Wohnungen wurden dagegen erhalten. Der in Berlin angekommene Bundestag hatte dort zunächst zu viel mit sich zu tun, sodass sein Haushaltsauschuss den geharnischten Protest unterließ.
Immerhin protestierte 2004 die seit 1999 im vormaligen Berliner Palais des Reichstagspräsidenten gegenüber dem Reichstagsgebäude vorzüglich untergebrachte Parlamentarische Gesellschaft mit ihrer damaligen Präsidentin Elke Leonhard gegen die Abrisspläne. Leider vergeblich.
Auf Vorschlag ihres Ehrenpräsidenten, Professor Otto Wulff, wurde in Berlin einstimmig eine "Resolution zum Erhalt der Villa Dahm" beschlossen: "Die für die politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland so wichtige Gründerzeitvilla von 1870" stehe für ein "parlamentarisches Gemeinschaftsbewusstsein und die vertrauensvolle Begegnung über Parteigrenzen hinweg... Wie wohl kein Verfassungsorgan gilt die Parlamentarische Gesellschaft als Tochter des Bundestages, und ihr einstiger Sitz in Bonn bildet mit den sich zum Rhein erstreckenden ehemaligen Gebäuden des Bundestages und des Bundesrates ein gemeinsames historisches Ensemble, das nicht zerstört werden darf."
Aber es wurde. Gott sei Dank hatte die Parlamentarische Gesellschaft Glück und setzte in Berlin beinahe nahtlos fort, was und wie sie es in Bonn begonnen hat.
Diese Kontinuität hängt mit Gründergeist und -geschichte dieser Gesellschaft zusammen. Und mit ihren bis heute handelnden Personen.
Am Anfang standen Persönlichkeiten, die aus dem Untergang der Weimarer Republik, der Herrschaft des Hasses und der Vorurteile während der NS-Barbarei und des 2. Weltkrieges gelernt hatten. Sie wollten es nicht bei einem Lippenbekenntnis "Nie wieder" belassen und parlamentarische Kollegialität über den Parteienstreit stellen.
In diesem Geist trafen sich die Gründer der Gesellschaft am 1. April 1951 im "Bergischen Hof", nachdem sie in London auf Einladung des liberalen britischen Abgeordneten Stephen King Hall das Unterhaus und den diskreten, Parteigrenzen überwindenden Club der Hansard Society kennengelernt hatten.
Zwei der drei Gründungsvorsitzenden waren Diplomaten und alle ausgewiesene Gegner Hitlers: der liberale Vordenker Karl Georg Pfleiderer, der Sozialdemokrat Gerhard Lütkens ("Lord Cord" genannt) und der CSU-Mitbegründer Josef Ernst Fürst Fugger von Glött. Ihre Nachfolger setzten es fort und festigten diese Tradition der Kontinuität von Bonn in Berlin.
Für das Amt des Vorsitzenden der Parlamentarischen Gesellschaft hat bis heute die jeweils stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht. So kam mit Hedwig Meermann(SPD) die erste Frau zu dieser Ehre (1972 bis 1976), nachdem die Frauen als Clubmitglieder von Elisabeth Lüders über Helene Weber bis Annemarie Renger schon längst aus dem Herrenclub eine Koedukationsgesellschaft gemacht hatten.
Hedwig Meermann half damals diskret, Feindseligkeiten zu überwinden. Zum Beispiel durch den gemeinsamen Auftritt gegnerischer Politiker in einem Wahlkampfjahr vor der von ihr mit gegründeten Vereinigung der ehemaligen Abgeordneten, die nun in Berlin ihren Sitz ebenfalls im Palais des Clubs hat. Aber jährlich einmal nach Bonn kommt.
Von 1991 bis 1999 war Reinhard Freiherr von Schorlemer (CDU) Präsident des Übergangs von Bonn nach Berlin. In Niedersachsen bei Osnabrück geboren, aus westfälischem katholischen Uradel stammend und mit politischer Familientradition in der Zentrumspartei. Was ihn nicht an der vertrauensvollen interfraktionellen Zusammenarbeit hinderte.
Erst recht nicht mit seiner Vizepräsidentin Elke Leonhard (SPD), die dann von 1999 bis 2006 die Präsidentin war - dank der damaligen Stärke der SPD und ihrer eigenständigen Persönlichkeit. Sie ist eben nicht nur die Frau und Mitautorin des berühmten Zeitzeugen und Publizisten Wolfgang Leonhard. Sie hat der allmählich "alt" werdenden Parlamentarischen frischen Glanz gegeben.
Das verbindet sie mit dem älteren, sprachgewandten und geistesgegenwärtigen jetzigen Präsidenten Heinz Riesenhuber(CDU), seit 2006 in dem ihm liegenden Amt und zugleich Alterspräsident des gegenwärtigen 17. Bundestages. Der "Mann mit der Fliege" und ehemalige Bundesforschungsminister ist der Bauherr eines Umbaus im Palais. Er empfindet sich als Hüter einer "leisen Kultur des Parlaments" und damit eines noch strikteren Club-Charakters.
Der Gründergeist Die Satzung, die sie alle bisher in Bonn und Berlin verwirklichten, entspricht jenem positiven Gründergeist von 1951: "Die Parlamentarische Gesellschaft setzt sich das Ziel, die menschlichen, sachlichen und politischen Beziehungen im Kreise der Mitglieder der Parlamente des Bundes und der Länder zu pflegen."
Unterdessen ist dieses "Grundgesetz" des Clubs erweitert um den Hinweis auf die europäischen Institutionen und der Parlamentarischen vergleichbare Gesellschaften des Auslandes. Diese Pflege der parlamentarischen Kultur des Miteinandersprechens bei allem notwendigen Streit ist von Anfang an gelungen - und gelingt auch heute in Berlin.
Dem guten Geist des Clubs dienten die Personalentscheidungen seit 1951: erste Geschäftsführerin wurde "Betta" Gräfin Werthern, die bis 1984 als "First Lady" des Clubs die Atmosphäre prägte, durchaus parlamentarisch im Sinne des Begriffes (parlare), ohne selbst Abgeordnete zu sein.
Das galt auch für ihre Nachfolgerin Ingrid von Hagen (bis 2000), die den Umzug nach Berlin zu meistern hatte. Ihr folgte die Kunsthistorikerin Heinke Sudhoff. Seit 2003 ist mit Bernd Wichterich zum ersten Mal ein Mann der Geschäftsführer.
Nicht zu vergessen die Marketenderei. Essen und trinken hält Leib und Seele gerade im politischen Betrieb zusammen. Zum Beispiel mit "Herrn Ende". Dieser Kellner sorgte, nachdem der Club 1955 in seine Villa an der Dahlmannstraße 7 eingezogen war und er eine bescheidene Wohnung im Dachgeschoss neben dem Zimmer des Präsidenten erhalten hatte, bis 1970 für einen vorzüglichen und diskreten Service.
Er wurde ebenfalls zur legendären Figur der Geschichten und Anekdoten zur Geschichte, wie sie seit je in dieser Gesellschaft gedeihen. Und er hatte eine ähnliche Funktion wie später Osvaldo Cempellin ("Ossi") in der vom Abgeordneten Detlef Kleinert (FDP) durchgesetzten "Kneipe" im Berliner Palais.
Elke Leonhard zitierte beim Festakt zum 50jährigen Bestehen der Gesellschaft am 15. Oktober 2001 in diesem Sinne Carlo Schmid als einen der führenden Köpfe beim Aufbau des Parlamentarismus in Bonn: "Die jungen Parlamentarier sollten begreifen, dass sich oft um den weißen Tisch herum in der Politik besser vorankommen lässt als an den grünen Tischen. Ich verrate damit kein Geheimnis, dass die wichtigsten Kompromisse an den weißgedeckten Tischen dieses Hauses gefunden worden sind."
Dafür spricht, dass nach der Einbindung der zuerst ziemlich unparlamentarisch auftretenden Grünen unterdessen auch "Die Linke" im Berliner Club angekommen ist. Neben Susanne Kastner (SPD), Eckart von Klaeden (CDU/CSU) und Jürgen Koppelin (FDP) ist Petra Pau von der Linksfraktion hier wie im Bundestag eine der Vizepräsidentinnen. (her)