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Nach Beginn der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union am 1. Mai 2011 fordert die Opposition, die Weichen für eine soziale Ausgestaltung der aus ihrer Sicht unzureichenden gesetzlichen Voraussetzungen in Deutschland zu schaffen. Während der abschließenden Beratung der Anträge der Fraktionen SPD (17/4530) und Die Linke (17/5177) im Bundestag am Freitag, 13. Mai 2011, konnten sich Koalition und Opposition in zentralen Fragen zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns sowie einer gesetzlichen Lohnuntergrenze nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Das Plenum folgte den Beschlussempfehlungen zum SPD-Antrag (17/5425) sowie zum Antrag der Linksfraktion (17/5424) und lehnte mehrheitlich beide Initiativen ab.
Während der Aussprache sagte der Unionsabgeordnete Karl Schiewerling, die Arbeitnehmerfreizügigkeit sei gut für Deutschland und Europa. Auch wenn sich möglicherweise Probleme hieraus ergeben würden, "sind die Chancen größer als die Gefahren“. Deutschland sei gut aufgestellt, der Arbeitsmarkt "in einer großartigen Verfassung“.
Die Koalition verschließe andererseits nicht die Augen vor möglichen Risiken, betonte er und verwies insbesondere auf die in jüngster Zeit häufig diskutierte Gefahr eines möglichen Lohndumping-Effekts für den Arbeitsmarkt angesichts der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte. "Wir haben dem vorgebeugt und bereits in verschiedenen Branchen einen Mindestlohn eingeführt, zuletzt in der Zeitarbeit“, sagte Schiewerling.
Zudem sei ein Großteil der deutschen Beschäftigten gar nicht betroffen von der Frage eines Mindestlohns, da für sie "ganze normale Tarifverträge“ gälten. "Wir haben das geregelt, was zu regeln war, und daher besteht überhaupt kein Grund für Pessimismus“, bekräftigte er.
Diese Meinung mochte Josip Juratovic (SPD) nicht teilen. "Wenn Sie so tun, als sei schon alles geregelt, ist dies falsch“, sagte er. Der einzige geregelte Punkt sei der eingeführte Mindestlohn in der Zeitarbeit, "den die SPD der Regierung abgetrotzt hat“, kritisierte Juratovic. Weder gebe es einen flächendeckenden Mindestlohn noch eine effektive Equal-pay-Regelung noch einen Schutz vor Scheinselbstständigkeit.
"Sie wollen sehenden Auges zusehen, wie das Kind in den Brunnen fällt und nachträglich die Menschen zählen, die hiervon betroffen sind“, sagte er. Fünf Millionen Menschen könnten aktuell nicht von ihren Löhnen anständig leben. "Wir brauchen daher einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn“, sagte Juratovic.
Hierdurch könne den Menschen in Deutschland die Angst vor der Arbeitnehmerfreizügigkeit genommen und damit auch fremdenfeindlichen Tendenzen vorgebeugt werden. "Ich kam selbst als Gastarbeiter nach Deutschland und kenne das Gefühl, als Sündenbock abgestempelt zu werden“, sagte Juratovic.
Auch Jutta Krellmann von der Linksfraktion wies auf die Situation der ausländischen Zuwanderer hin. "Es fehlt eine gesetzliche Regelung, die die Menschen, die nach Deutschland kommen, vor Ausbeutung schützt“, bemängelte sie. Viele dieser Arbeitskräfte sprächen kaum oder nicht ausreichend Deutsch und kennten ihre Rechte nicht.
Daher forderte sie den Aufbau eines flächendeckenden Netzes von Beratungsstellen für mobile Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie eine dauerhafte Finanzierung dieser Beratungsstellen. "Wir brauchen vor allem eine rechtliche Beratung für diese Menschen - von Stralsund bis Oberammergau“, sagte sie. Die Fälle, die der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bereits bearbeite, seien "haarsträubend“.
Brigitte Pothmer von Bündnis90/Die Grünen kritisierte, mit dem Ausschöpfen der Übergangsfrist bei der Freizügigkeit "bis zum letzten Tage“ habe die Regierung ausländischen Arbeitskräften "die Tür vor der Nase zugeschlagen“. Dies sei ein Signal, dass diese in Deutschland nicht willkommen seien, monierte Pothmer. Auch wenn Arbeitsministerin von der Leyen "plötzlich die Freizügigkeit als große Chance bezeichnet“, hätten ausländische Fachkräfte längst einen anderen Platz in der Welt gefunden.
"Diese Chance haben Sie leichtfertig vertan“, sagte Pothmer an die Regierung gewandt. Die jährlich prognostizierten 140.000 ausländischen Zuwanderer seien angesichts der "gigantischen Lücke bei Fachkräften ein Tropfen auf den heißen Stein“. (jmb)