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Unternehmen erhalten, Arbeitsplätze sichern - dazu soll die Reform des Insolvenzrechts beitragen. Am Donnerstag, 30. Juni 2011, berieten die Bundestagsabgeordneten über einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/5712) in erster Lesung. Kontroversen gab es unter anderem über die geplante Konzentration der Insolvenzgerichte und das vorgesehene Schutzschirmverfahren. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) plädierte für eine "Kultur der zweiten Chance“ in Deutschland. Mit der Fortentwicklung des Gesetzes wolle die Bundesregierung dem Insolvenzverfahren das "Stigma des Scheiterns“ nehmen.
Viele Unternehmer scheuten den Gang zum Insolvenzgericht und verschleppten die Möglichkeit, ihre Firma zu sanieren, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Dem solle entgegengewirkt werden. Der Einfluss der Gläubiger werde durch die Einrichtung eines vorläufigen Gläubigerausschusses gestärkt, sagte die FDP-Politikerin.
Der Ausschuss solle an der Wahl des vorläufigen Insolvenzverwalters mitwirken. Die Möglichkeit, dass Unternehmer auch während der Insolvenz ihre Firma selber verwalten, werde ausgebaut. Den Besitzern solle "die Angst vor Kontrollverlust“ genommen werden. Leutheusser-Schnarrenberger betonte, die Reform sei nur ein Schritt von mehreren. Zum Thema Verbraucherinsolvenzen beispielsweise seien weitere Regelungen nötig.
Das Insolvenzrecht bestehe nicht nur aus Paragrafen, dahinter versteckten sich immer auch Emotionen, sagte Burkhard Lischka (SPD). "Da gibt es Ansätze, die weisen in die richtige Richtung“, lobte er den Gesetzentwurf im Grundsatz. Es sei wünschenswert, wenn gefährdete Unternehmen rechtzeitiger Insolvenz anmelden. Das geplante Schutzschirmverfahren habe aber einen gewaltigen Pferdefuß: "Der Schutzschirm wird in der Praxis höchst löchrig sein“, prophezeite Lischka.
Sobald bekannt werde, dass ein Unternehmer den Schutzschirm beantragt habe, würden ihm seine Banken sämtliche Kredite kündigen. Dann sei der Unternehmer tatsächlich zahlungsunfähig. In diesem Fall aber werde der Schutzschirm abgezogen. Jetzt sei der Unternehmer gezwungen, das zu tun, was er vermeiden wollte: Insolvenz zu beantragen.
Die Reduzierung der Zahl der Insolvenzgerichte lehnte Lischka ab. "Um die Qualität unserer Gerichte beneiden uns doch andere Staaten“, sagte er. Keine Studie belege, dass kleinere Insolvenzgerichte schlechter arbeiten als große. Es gebe also keine Notwendigkeit, etwas an der bestehenden Situation zu ändern.
Eine Konzentration der Gerichte werde dazu führen, dass auch Menschen in Privatinsolvenz "150 Kilometer und mehr“ zum Gericht fahren müssten. Außerdem würden Netzwerke, in die die Gerichte zurzeit eingebunden seien, zerstört.
Dieser Ansicht widersprach Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU). Bei den Gerichten laufe das Insolvenzrecht "häufig im Schatten“. Teilweise verlegten Unternehmen ihren Sitz nach Großbritannien, weil dort das Verfahren einfacher sei. Den Einwand, die Bürger müssten dann extrem weite Wege auf sich nehmen, wies sie von sich. "So oft braucht man nicht zum Insolvenzgericht“, dass dieser Aufwand nicht zumutbar sei, sagte Winkelmeier-Becker.
Sie lobte die geplante Stärkung der Gläubiger. Diese hätten bisher nur eine Zuschauerrolle gehabt. Der Gläubigerausschuss mache nicht nur Sinn bei der Auswahl des vorläufigen Insolvenzverwalters. Auch in den Wochen danach würden viele wichtige Entscheidungen getroffen. Auch der Schutzschirm sei sinnvoll. Ihn gebe es aber nicht zum Nulltarif. "Der Schuldner muss das mit den Gläubigern gut vorbereiten.“
"Das Ziel des Gesetzentwurfs ist gut, weil so die Möglichkeit besteht, Arbeitsplätze zu erhalten“, sagte Richard Pitterle (Die Linke). Die Pflicht, einen Arbeitnehmer in den Gläubigerausschuss zu berufen, sei positiv. Die Stellung der Arbeitnehmer sei aber nicht ausreichend gestärkt worden. "Gerade im Vorfeld von Insolvenzen“ mühten sich Arbeitnehmer ab, verzichteten auf Lohn und machten Überstunden.
Trete die Insolvenz ein, werde dieses Engagement nicht entlohnt. Pitterle plädierte für strengere Anforderungen an Insolvenzverwalter. Für sie gebe es zu viele Möglichkeiten und Anreize zur Korruption. Ihre Unabhängigkeit werde nur gewährleistet, wenn die Insolvenzgerichte weiterhin das letzte Wort über ihre Einsetzung behielten.
Eine Sanierung, schon bevor das Unternehmen insolvent sei - das müsse das Ziel der Reform sein, sagte Ingrid Hönlinger (Bündnis 90/Die Grünen). "Wir sollten überlegen, sanierungsbedürftigen Unternehmen ein Reorganisationsverfahren zu ermöglichen, eventuell vor einer spezialisierten Kammer für Handelssachen, um so dieses Stigma der Insolvenz zu vermeiden.“
Das Nachbarland Österreich erziele mit dieser Praxis schon gute Erfolge. Bei einem Insolvenzverfahren sei die fachliche Qualifikation und Unabhängigkeit des Verwalters entscheidend. Richter müssten in der Lage sein, die Eignung des Insolvenzverwalters einzuschätzen. Auch in diesem Fall könne es sinnvoll sein, eine Kammer für Handelssachen zu beauftragen. (ske)