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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 12. November 2012)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –
Die Scharia soll in Ägypten Grundlage bestimmter Gesetze sein. Das betont der suspendierte Präsident der im Juni aufgelösten Volksversammlung, Mohamed Saad al-Katatni, im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 12. November). „Das gilt vor allem für die Personenstandsgesetzgebung, also Erbrechtsfragen und ähnliches“, sagte al-Katatni, der seit Oktober Vorsitzender der „Freiheits- und Gerechtigkeitspartei“, dem politischen Arm der Muslimbrüder, ist.
Zu den Prinzipien seiner Partei gehöre die Religionsfreiheit. „Jeder kann selbst die Religion wählen, der er angehören möchte. Umgekehrt heißt das auch, dass man sich an deren Gesetzgebung halten muss.“ Für Nicht-Muslime sollen in Ägypten in bestimmten Fragen die Gesetzgebungen ihrer Religionsgemeinschaft gelten. Darüber gebe es in allen Teilen der ägyptischen Gesellschaft einen Konsens, auch unter den Christen. Al-Katatni betonte, dass in der verfassungsgebenden Versammlung über diese Fragen ein Konsens hergestellt werden soll.
Das Interview im Wortlaut:
Wo steht Ägypten knapp zwei Jahre nach der Revolution?
Mohamed Saad Al-Katatni: Ägypten befindet sich derzeit in einer wichtigen Phase des demokratischen Übergangs. Derzeit sind wir damit befasst, eine neue Verfassung zu erarbeiten. Das ist ein wesentliches Element. Wir haben eine neue Regierung gebildet, die inzwischen stabil regieren kann. Jetzt stehen noch einmal Parlamentswahlen an, weil das bisherige Parlament vom Verfassungsgericht aufgelöst wurde.
Wird es nach einem Referendum eine Präsidialrepublik geben oder eine Republik mit starker Stellung des Parlaments?
Al-Katatni: Das neue politische System wird in der Verfassung definiert. Nach den momentanen Debatten dürfte es sich um ein gemischtes System handeln. Das heißt, dass es eine Verteilung der Gewalten auf das Parlament, den Präsidenten und die Regierung geben wird, also weder ein rein parlamentarisches noch ein rein präsidiales System.
Den jungen Demonstranten auf dem Tahrir-Platz ging es um wirtschaftliche Perspektiven und politische Freiheiten, weniger um religiöse Freiheiten. Welche Antworten haben Sie für diese Menschen?
Al-Katatni: Man muss bei den Demonstranten differenzieren. Einige haben konkrete Forderungen nach besserem Lebensstandard. Dann gibt es Demonstranten, die Druck auf die verfassungsgebende Versammlung ausüben wollen, um bestimmte Paragrafen im neuen Verfassungsentwurf durchzubringen. Und dann gibt es – ein eher kleiner Teil – Leute, die auf die Straße gehen mit der Forderung, die verfassungsgebende Versammlung komplett neu zu bilden. Es sollte aber eigentlich so sein, dass die verfassungsgebende Versammlung Vorschläge erarbeitet, die von allen diskutiert werden. Dabei sind wir offen für alle Forderungen. Wir brauchen aber noch etwas Zeit, weil die Regierung derzeit unter sehr schwierigen Umständen arbeitet.
Warum ist es Ihrer Partei so wichtig, dass die Scharia Grundlage der Verfassung wird?
Al-Katatni: Wir haben uns als eine Partei gegründet, die anstrebt, dass die Scharia Grundlage bestimmter Gesetze sein soll. Das gilt vor allem für die Personenstandsgesetzgebung, also Erbrechtsfragen und ähnliches. Der entsprechende Ausschuss hat zugelassen, dass wir auf dieser Grundlage unsere Arbeit als Partei aufnehmen dürfen. Es gibt in allen Teilen der ägyptischen Gesellschaft einen Konsens darüber, auch unter den Christen. Zu den Prinzipien unserer Partei gehört die Religionsfreiheit. Jeder kann selbst die Religion wählen, der er angehören möchte. Umgekehrt heißt das auch, dass man sich an deren Gesetzgebung halten muss. Für Nicht-Muslime gelten die Gesetzgebungen ihrer Religionsgemeinschaft. Das soll in der Verfassung so verankert werden. Wir wollen das Ganze in einer Konsenslösung verabschieden. In der verfassunggebenden Versammlung sind auch die Oberhäupter der verschiedenen christlichen Kirchen vertreten und die können sich da frei äußern.
Welche Rolle wird das Militär künftig in Ägypten spielen?
Al-Katatni: Die Absetzung der Militärführung war ein nötiger Schritt. Es war ein Ziel der Revolution vom 25. Januar, vom starken Einfluss des Militärs wegzukommen. Die Stellung des Militärrates nach der Revolution bedeutete ein Fortleben des früheren Regimes. Seit der Abschaffung der Monarchie kamen alle ägyptischen Präsidenten aus dem Militär: Nasser, Sadat und Mubarak. Die Soldaten sollten in ihre Kasernen zurückkehren und zu ihren eigentlichen Aufgaben zurückkehren: Den Schutz der Grenzen und der Verteidigung des Vaterlandes. Das Militär soll sich nicht mehr in die politischen Angelegenheiten unseres Landes einmischen.
Welche Erwartungen hat Ägypten an Europa?
Al-Katatni: Ägypten verbinden sehr alte gewachsene Beziehungen zu Europa. Der weitere Ausbau dieser Beziehungen liegt im beiderseitigen Interesse. Unter Nasser hat sich Ägypten extrem Richtung Osten gewandt, unter Sadat und Mubarak mehr nach Westen. Wir wollen eine mittlere Position finden und unsere Beziehungen zu Europa ausbauen. Es gibt das Problem illegaler Migrationsströme: Über Ägypten gelangen Menschen nach Griechenland, Italien und in andere europäische Länder. Wenn wir unsere Beziehungen nutzen können, um dagegen vorzugehen, kommt es allen zugute.
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