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VI. Das geteilte Deutschland
Die Deutsche Demokratische Republik
2. Die Ära Ulbricht
In der streng hierarchisch gegliederten SED steigt nach dem III. Parteitag der als starker Mann der Partei geltende Walter Ulbricht zum Generalsekretär auf. Nicht nur innerhalb der Führungsgremien der Partei, sondern auch im Staatsapparat wird Ulbricht zur beherrschenden Figur der beiden nächsten Jahrzehnte. Seine politischen Ziele liegen vor allem im systematischen, in Fünfjahrplänen festgelegten, Aufbau der Wirtschaft und in der Festigung der Parteidiktatur nach stalinistischem Muster. Gelingt ihm die Verdrängung und Subordination der politischen Konkurrenten relativ problemlos, erweisen sich seine Wirtschaftsziele als kaum realisierbar, ja als systemgefährdend. Als sich die SED-Führung beharrlich weigert, die Erhöhung der Arbeitsnormen zurückzunehmen, kommt es in der DDR am 17. Juni 1953 zu landesweiten Streiks, bei denen auch der Ruf nach politischer Freiheit immer lauter wird. Nur mit Hilfe sowjetischer Panzer weiß sich die Parteispitze gegen den in offene Gewalt umschlagenden Widerstand zu wehren.
Weder die Kritik der eigenen Bevölkerung noch die von dem neuen KPdSU-Chef Nikita Chruschtschow eingeleitete Entstalinisierung führen zu einer Demokratisierung der Partei- oder Staatsstrukturen. Zwar kann die SED-Führung die Kritik der Bevölkerung im Gefolge einer zeitweilig positiven Wirtschaftsentwicklung dämpfen, doch die von Ulbricht an den Bedürfnissen des Kollektivs orientierte "sozialistische Menschengemeinschaft" bleibt Utopie. Sie wird Ende der 1950er Jahre zunehmend durch einen dramatischen Anstieg der Flüchtlingswelle konterkariert, der die wirtschaftliche und politische Existenz der DDR im Kern bedroht. Um ein völliges "Ausbluten" des Landes zu verhindern, greift Ulbricht mit Rückendeckung aus Moskau am 13. August 1961 zum letzten Mittel: Er riegelt die Sektorengrenze zu West-Berlin mit dem Bau der Mauer ab; wenig später wird auch die innerdeutsche Grenze gesichert.
Die SED entwickelt jetzt mit Blick auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik flexiblere Formen des Machterhalts, den sie vor allem über die Modernisierung des Wirtschaftssystems und eine Anhebung des allgemeinen Wohlstands sicherstellen will. Politische Zugeständnisse bleiben aus. Im Gegenteil: Die 1968 verabschiedete Verfassung schreibt nun ausdrücklich den Führungsanspruch der SED in Staat und Gesellschaft fest. Mit der Niederschlagung reformkommunistischer Bestrebungen in der Tschechoslowakei im August 1968 fühlt sich die Staatspartei schließlich in ihrer Politik bestätigt. Ulbricht ist davon überzeugt, dass die DDR für die sozialistischen Bruderstaaten geradezu modellhaften Charakter besäße. Dieses selbstherrliche und anmaßende Gebaren auch gegenüber der sowjetischen Führungsmacht erzwingt jedoch im April 1971 seinen Rücktritt von allen Parteiämtern, auf den der lange Zeit von ihm protegierte Erich Honecker bereits hingewirkt hat.