Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2011 > Mindestlohn
Mit Umsetzung der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit zum 1. Mai 2011 befürchten die Fraktionen von SPD und Bündnis90/Die Grünen noch mehr Druck auf Niedriglöhne. In eigenen Gesetzentwürfen, die am Donnerstag, 10. Februar 2011, in einer rund 90-minütigen Debatte im Bundestag beraten werden, treten die beiden Fraktionen deshalb nochmals für die Einführung eines gesetzlichen und flächendeckenden Mindestlohnes ein.
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gestatte es fast allen EU-Bürgern nahezu ohne Einschränking eine Beschäftigung in Deutschland aufzunehmen, schreibt die Grünen-Fraktion (17/4435). "Die bis dahin geltende langjährige Übergangszeit wurde von der Bundesregierung nicht genutzt, um für faire Wettbewerbsregeln auf dem Arbeitsmarkt und effektive Maßnahmen gegen Lohndumping zu sorgen".
Auch die SPD-Fraktion verlangt, dass der nationale Arbeitsmarkt mittels eines Mindestlohns geschützt wird (17/4665). CDU/CSU und FDP lehnen einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn ab.
Beide Fraktionen verweisen darauf, dass es in 20 europäischen Ländern einen gesetzlichen Mindestlohn und in sechs anderen Ländern Mindestlohnregelungen gebe. Gleichzeitig zähle Deutschland zu den europäischen Ländern mit dem höchsten Anteil an Niedriglohnbeschäftigung.
Über fünf Millionen Menschen arbeiteten für weniger als acht Euro pro Stunde, mindestens 1,2 Millionen für weniger als fünf Euro pro Stunde. Weit über eine Million Menschen müssen ihr Einkommen durch staatliche Leistungen aufstocken. "Nur Beschäftigte in Deutschland werden bislang nicht flächendeckend durch eine Lohnuntergrenze vor Sozialdumping geschützt", schreiben die Grünen.
"Dem Wettbewerb mittels Dumpinglöhnen muss Einhalt geboten werden”, erklärt auch die SPD-Fraktion Ein fairer Wettbewerb sollte über Produktivität und Qualität der Leistung und nicht über Lohndumping ausgetragen werden. Lohndumping belaste nicht nur die Abeitnehmer, sondern auch seriös arbeitende Unternehmen und verdränge diese vom Markt. Erfahrungen mit Mindestlöhnen in anderen europäischen Ländern widerlegten auch das Hauptargument der Kritiker, Mindestlöhne vernichten Arbeitsplätze und verhindern Wettbewerb.
Nach Überzeugung der SPD-Fraktion muss ein gesetzliche Mindestlohn so festgelegt werden, dass ein Arbeitnehmer sicher sein kann, bei Vollzeittätigkeit ohne öffentliche Hilfe den eigenen Lebensunterhalt bestreiten zu können. "Der Deutsche Gewerkschaftsbund schlägt einen Mindestlohn von 8,50 Euro vor”, schreiben die Sozialdemokraten.
Nach Vorstellung der SPD-Fraktion soll eine Mindestlohnkommission geschaffen werden, die jährlich einen Vorschlag für eine untere Lohngrenze unterbreitet. Die Zusammensetzung sowie die Rechte und Pflichten der Kommission sollten gesetzlich geregelt werden.
Auch Bündnis 90/Die Grünen verlangen in ihrem Antrag Maßnahmen gegen Auswüchse am Arbeitsmarkt und die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohnes in Höhe von 7.50 Euro sowie darüber hinausgehende Branchen-Mindestlöhne. Eine Mindestlohnkommission soll eine Lohnuntergrenze festlegen, die einen Stundenlohn von 7,50 Euro nicht unterschreiten dürfe. "Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz wird für alle Branchen geöffnet, um auch Mindestlöhne deutlich oberhalb der gesetzlichen Lohnuntergrenze zu ermöglichen", heißt es in dem Antrag weiter.
Mit dem Start der Arbeitnehmerfreizügigkeit werde Lohndumping in Deutschland weiter zunehmen, wenn dies nicht über einen flächendeckenden Mindestlohn verhindert wird, erklärt die Fraktion Bündni90/Die Grünen. Dafür sprächen auch die Prognosen der Bundesagentur für Arbeit. Union und FDP hätten es versäumt, einen fairen Wettbewerbsrahmen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit herzustellen.
Für die Umsetzung will die Fraktion das Arbeitnehmerentsendegesetz ändern, damit die Aufnahme aller Branchen ermöglicht wird. "So wird ein EU-rechtskonformer Rahmen für fairen Wettbewerb geschaffen", heißt es in dem Antrag. Die Öffnung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für alle Branchen sei unverzichtbar.
Eine Beschränkung auf Tarifverträge einzelner Branchen, wie sie das Gesetz bisher vorsieht, sei weder europarechtlich notwendig noch inhaltlich zu rechtfertigen. Die Festlegung von einheitlichen Arbeitsbedingungen sei eine Grundbedingung, um eine weitere Abwärtsspirale zu verhindern. (sn)