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Ein früherer Mitarbeiter des technischen Beratungsunternehmens Lahmeyer International hat am Donnerstag, 10. Februar 2011, vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss über Erkundungsarbeiten seiner Firma am Standort Gorleben berichtet. Mit seinen Schilderungen hat der Projektleiter Geologie Dr. Thomas Diettrich seinem Vorgesetzten, der vor ihm vom Ausschuss vernommen worden war, wesentlich widersprochen. Zugleich äußerte Diettrich äußerte Zweifel an der Eignung Gorlebens. "Unsere Bohrergebnisse waren ein Indiz dafür, dass das Deckgebirge zerklüftet ist“, betonte er.
"Ich sollte Kriterien für die Eignung von Endlagern und zur Endlagerung erarbeiten“, sagte Diettrich. Außerdem habe er Szenarien für einen größten anzunehmenden Unfall (GAU) entwickelt. Sein Vorgesetzter, Abteilungsleiter Prof. Dr. Kurt Schetelig, hatte dagegen den Arbeitsauftrag Lahmeyers in Gorleben in den Jahren 1978 bis 1979 mit reinen Baugrunderkundungen für oberirdische Anlagen beschrieben. "Es ging bei unseren Bohrungen nie nur um die Erkundung des Baugrunds“, entgegnete Diettrich und erklärte, Auszüge aus Papieren zu besitzen, welche das Arbeitsziel der Erkundung auf Endlagereignung skizzieren. 30 Bohrungen hatte Lahmeyer den Angaben zufolge auf dem Gorlebener Gelände vorgenommen.
Der Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestags geht der Frage nach, ob es bei der Entscheidung der Bundesregierung im Jahr 1983, sich bei der Suche nach einem Endlager für radioaktiven Abfall auf den möglichen Standort Gorleben zu beschränken, zu Manipulationen oder Einflussnahmen auf Wissenschaftler gekommen ist.
"Das Wort Manipulation will ich nicht benutzen“, sagte Diettrich, "es gab Daten, die mit anderen Prioritäten beurteilt wurden.“ Messergebnisse seien zweckgebunden interpretiert worden, um die Projektplanbarkeit von Gorleben zu erhöhen. Ursprünglich habe Lahmeyer keinen einzigen Standort favorisiert. Man habe auf einen großen Auftrag zur Prüfung mehrerer Standorte gehofft.
Im Jahr 1981 habe es dann von Behördenseite eindeutige Signale gegeben, sich auf Gorleben zu beschränken. Damit hätten die Einflussnahmen begonnen. "Daten im roten Bereich sind zum Beispiel nachträglich derart eingestuft worden, dass sie im grünen Bereich erschienen“, sagte Diettrich vor dem Ausschuss. Die Erfahrungen seiner Firma seien ebenso außer Acht gelassen worden wie Warnungen vor dem Mineral Anhydrit, welches Hebungen in der Erde verursachen kann.
"Auch wurden aus Schweden importierte Vorschläge zur objektiven Begutachtung von den Behörden nicht beachtet.“ Seine Berichte seien in der Endfassung entschärft, seine Ergebnisse relativiert worden. Auf Fragen der Unionsfraktion sagte er jedoch: "Ich kann mich nicht erinnern, welche Person Einfluss genommen hat.“
Der promovierte Hydrologe berichtete ferner von seinem damaligen Eindruck, die beteiligten Fachpersonen und Universitäten hätten nicht über das nötige Fachwissen zur Bewertung einer Eignung verfügt: "Das lag damals bei der Industrie.“ Es habe kein strategisches Management gegeben. "Das war ein mangelndes Verfahren, das nicht internationalen Standards entsprach. Es war wackelig und unbedarft“, betonte Diettrich. Von Behördenseite sei den Fachkollegen im Baubüro in Lüchow-Dannenberg untersagt worden, über den Sachstand wissenschaftlich zu diskutieren. "Das war nicht gern gesehen“, sagte der 67-Jährige.
Diettrich sagte, der Großauftrag einer Untersuchung mehrerer Standorte sei geschwunden und habe sich auf Gorleben verkleinert. Nach und nach hätten Studenten der Technischen Universität Braunschweig die Lahmeyer-Ingenieure bei der Kontrolle der Bohrungen ersetzt. "Das hat mich verärgert“, erinnerte sich Diettrich.
Während der Sitzung legte die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen einen Vermerk der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) vor. In diesem sei von einem Auftrag für Lahmeyer für hydrologische Arbeiten die Rede, hieß es. Ein anderes Papier dokumentiere umfangreiche Verhandlungen über die Kostengestaltung.
Bereits zuvor hatte der damalige Abteilungsleiter Geologie, Prof. Dr. Kurt Schetelig, über das Ausmaß der Arbeiten der Ingenieursfirma Lahmeyer International in Gorleben berichtet. ”Wir hatten die Eignung des Standorts für große Industrieanlagen zu prüfen“, sagte der spätere Geologie-Professor. Seine Firma habe im Auftrag der Behörden 30 Bohrungen bis zu einer maximalen Tiefe von 100 Metern vorgenommen, sagte Schetelig. Die 1978 begonnenen und bis Mitte 1979 abgeschlossenen Arbeiten hätten eine reine Baugrunderkundung zum Ziel gehabt. ”Lahmeyer sollte nicht zu einer Endlager-Eignung Stellung nehmen.“ Im Zeitraum der Lahmeyer-Bohrungen war nicht nur ein Endlager geplant gewesen, sondern auch ein nuklearer Komplex samt Wiederaufarbeitungsanlage.
Schetelig sagte, die Bohrungen hätten 200 Meter oberhalb des Salzstocks geendet. Eine Aussage über die Eignung des Salzstocks als Endlager sei somit nicht möglich gewesen. Thomas Diettrich, der ehemalige Mitarbeiter von Schetelig bei Lahmeyer, hatte gegenüber einer Zeitung ausgesagt, die Behörden hätten angewiesen, Messergebnisse zu filtern und nur die besten zu untersuchen. Auch seien wissenschaftliche Diskussionen in Fachkreisen untersagt worden.
”Über Filterungen ist mir nichts bekannt“, sagte Schetelig. ”Darüber habe ich überhaupt keine Ahnung.“ Ferner sagte der 74-Jährige, dass seiner Meinung nach die erhobenen Messdaten in Fachkreisen diskutiert worden seien. Es habe eine ausführliche Schilderung in Berichten und Vorträgen gegeben. Auch widersprach er der Darstellung von Diettrich im Zeitungsartikel, wonach Lahmeyer auch mit hydrologischen Arbeiten betraut gewesen sei.
Schetelig gab an, Ende 1979 bei Lahmeyer ausgeschieden zu sein. Er hatte eine Professur für Geologie an der Technischen Universität Darmstadt angenommen. Drei bis vier Jahre nach seinen Arbeiten für Lahmeyer in Gorleben habe er den Auftrag bekommen, acht mögliche Standorte in Deutschland für eine Endlagerung von Atommüll zu begehen.
Grünen-Obfrau Sylvia Kotting Uhl hielt Schetelig ein Papier der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe aus dem Jahr 1977 mit einem Zeitplan vor. Sie zitierte aus einer Tabelle, laut der in Gorleben zuerst Geländearbeiten samt hydrologischen Erkundungen starten sollten, um dann erst nach drei Jahren mit den Baugrunduntersuchungen zu beginnen - welche Lahmeyer schon 1978 begann. Schetelig sagte dazu: ”Ich weiß nicht, ob schon früher hydrologische Untersuchungen existierten.“ (jr)