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Die Pressemitteilung sorgte für Ärger in der Branche: Als Klaus Brähmig, Vorsitzender des Tourismusausschusses, vor dem Hintergrund der politischen Umwälzungen in Tunesien und Ägypten Urlauber wie Reiseveranstalter öffentlich dazu aufrief, ethische Grundsätze bei der Wahl ihrer Reiseziele zu beachten und nicht in Diktaturen "zum Sonnenbaden" zu fahren, erntete er harsche Kritik.
So verwahrte sich etwa der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Tourismus-Wirtschaft, Klaus Laepple, demonstrativ gegen den impliziten Vorwurf des CDU-Bundestagsabgeordneten, die Veranstalter hätten dazu beigetragen, undemokratische Regime zu stabilisieren.
"Der Tourismus ist in vielen Regionen dieser Erde ein unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor, der in erster Linie der Bevölkerung der Urlaubsziele zugute kommt. Nicht das Ausbleiben von Touristen, sondern der Austausch zwischen Reisenden und der einheimischen Bevölkerung kann Reformen anstoßen und damit etwas bewegen", argumentierte Laepple und hielt seinerseits dem Ausschussvorsitzenden vor, die schwierige Lage in Nordafrika zur eigenen Profilierung zu nutzen.
Von solchen Kommentaren lässt sich Klaus Brähmig nicht beirren. 40 bis 50 Prozent der Wertschöpfung geschehe in diesen Ländern durch den Tourismus, sagt er. Geld, das sich die Despoten in die eigene Tasche steckten.
"Es geht mir nicht um einen Boykott, doch ich finde schon, dass die Reiseveranstalter die Möglichkeit haben, ethische Grundsätze ernst zu nehmen und einzufordern - so wie etwa TUI in den achtziger Jahren begonnen hat, beim Bau von Ferienanlagen auch Umweltschutzstandards zu beachten."
Eines aber zeigt der Streit sehr deutlich: In welchem Spannungsfeld sich die Arbeit des Tourismusausschusses bewegt. Es geht um den Touristen als Verbraucher - aber auch um das Reiseland Deutschland und seinen wachsenden Dienstleistungssektor.
Zudem ist Tourismuspolitik eng mit anderen Politikfeldern verknüpft. Die Berührungspunkte sind zahlreich, nicht nur zur Außen- und Menschenrechtspolitik. Werden etwa Flughafenkontrollen wegen Terrorgefahr verschärft, dann hat diese sicherheitspolitische Entscheidung ebenso Auswirkungen auf den Tourismusstandort Deutschland wie etwa der Ausbau von Straßen und Autobahnen, niedrigere Mehrwertsteuersätze oder strengere Raucherschutzauflagen.
Tourismuspolitik ist eine "Querschnittsaufgabe". Ob Verkehr, Soziales, Kultur oder Umwelt - das Themenspektrum, mit dem sich deshalb der Ausschuss für Tourismus im Deutschen Bundestag zu befassen hat, ist breit.
Und doch galt Tourismus lange als "politisches Stiefkind". Erst nach der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990, zu Beginn der zwölften Wahlperiode, wurde das bis dato nur als Unterausschuss bestehende Ressort in einen Hauptausschuss umgewandelt. Damit ist er einer der jüngsten unter den 22 ständigen Ausschüssen im Parlament.
Auslöser für die neue Schwerpunktsetzung: die deutsche Wiedervereinigung. "Man hoffte, mit dem Tourismus auch die wirtschaftliche Angleichung zwischen Ost und West zu fördern", erinnert sich Brähmig, dessen parlamentarische Laufbahn eine bemerkenswerte Parallele aufweist.
Am 2. Dezember 1990, wurde der gebürtige Sachse zum ersten Mal in den Bundestag gewählt. Seitdem ist der 53-Jährige auch Mitglied im Tourismusausschuss - und damit der dienstälteste Tourismuspolitiker im Bundestag.
Dass er sich damals für dieses Politikfeld entschied, war das Ergebnis einer ganz pragmatischen Erwägung: "Ich habe mich gefragt, in welchem Bereich ich - vielleicht neben dem Verkehr - für meinen Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge am meisten tun kann. Und das war der Tourismus."
Im November 2009 hat Brähmig die Leitung des Tourismusausschusses übernommen. Ein Amt, das den parlamentarischen Routinier gereizt hat: "Diesen Job gibt es schließlich in Deutschland nur 22 Mal!" Macht habe er als Ausschussvorsitzender zwar nicht, gibt Brähmig zu, schließlich sei er insbesondere für die Organisation und Moderation der Ausschusssitzungen zuständig, die in Sitzungswochen immer mittwochs von 15 Uhr bis 17.30 Uhr im Paul-Löbe-Haus des Bundestages stattfinden.
Mit dem Amt sei aber großes Ansehen verbunden - und das will Brähmig nutzen, um inhaltliche Schwerpunkte zu setzen. Eine Debatte über ethische Fragen im Tourismus anzustoßen, gehört für ihn dazu.
Neben den Gesetzen, die der Ausschuss mitzuberaten hat, setzen sich die Tourismuspolitiker auch ganz gezielt Themen, mit denen sie sich zum Beispiel in öffentlichen Anhörungen intensiver befassen möchten. In der letzten Legislaturperiode ging es unter anderem um barrierefreies Reisen, die Auswirkungen des Klimawandels und den Einfluss des demografischen Wandels auf den Tourismus. Die letzte Anhörung befasste sich mit dem Thema Gesundheitstourismus.
Als nächstes stehen Freizeitparks und ihre Bedeutung als Wirtschaftsfaktor auf der Tagesordnung des Gremiums. In der Regel fünf Mal im Jahr holt der Ausschuss auf diese Weise Expertenrat ein - die Mehrheit der Anhörungen ist jedoch nicht öffentlich. Was öffentlich, was nichtöffentlich beraten wird, das entscheidet der Vorsitzende immer zusammen mit den Obleuten der Fraktionen.
In dieser Legislaturperiode sind das Marlene Mortler (CDU/CSU) aus Franken, Brähmigs Vorgängerin als Ausschussvorsitzende, Hans-Joachim Hacker (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern, Jens Ackermann (FDP) aus Sachsen-Anhalt , Kornelia Möller (Die Linke) aus München und Markus Tressel (Bündnis 90/Die Grünen) aus dem Saarland. Stellvertretende Vorsitzende ist Rita Pawelski (CDU/CSU) aus Niedersachsen.
Insgesamt hat der Ausschuss für Tourismus 18 Mitglieder. Damit ist er einer der kleineren Ausschüsse im Bundestag, wenngleich er in den 20 Jahren seit seiner ersten Einsetzung stetig gewachsen ist. Noch in der 15. Wahlperiode gehörten ihm 15 Mitglieder an, in der 16. Legislaturperiode waren es 16. In der laufenden 17. Wahlperiode sind es wieder zwei Parlamentarier mehr.
Derzeit stellt die Unionsfraktion sieben Abgeordnete, vier die SPD, die FDP drei. Jeweils zwei Abgeordnete gehören Bündnis 90/Die Grünen und der Linksfraktion an.
Für den Vorsitzenden ist die wachsende Mitgliederzahl auch ein Zeichen für die gestiegene Bedeutung des Politikfelds. "Es gibt mehr Bewusstsein dafür, dass Urlaub nicht nur die schönste Nebensache der Welt ist, sondern auch ein erheblicher Wirtschaftsfaktor", sagt Brähmig.
Tatsächlich ist Tourismus weltweit eine Wachstumsbranche und auch in Deutschland ein wichtiger Wirtschaftszweig. Zum Beleg hat der Ausschussvorsitzende die passenden Zahlen parat: "Rund 57 Milliarden Euro erwirtschaftet die Tourismusbranche, das sind 3,2 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Außerdem arbeiten 2,8 Millionen Menschen in diesem Sektor, mehr als beispielsweise in der Automobilindustrie."
Seit Jahren wächst zudem die Zahl der Übernachtungen insbesondere ausländischer Gäste in Deutschland. 2010 waren es erstmals über 60 Millionen. Ein Rekord. Dementsprechend ist auch die Aufmerksamkeit für Deutschland als Reiseland, das in seiner Entwicklung weiter gefördert werden muss, kontinuierlich gewachsen.
Für Brähmig ist das auch Ergebnis des Engagements der Tourismuspolitiker im Bundestag: "Auf unser Drängen hin hat die Bundesregierung seit der 16. Wahlperiode einen Beauftragten für Tourismus eingesetzt."
Auch die Gelder für die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT), die im Auftrag der Bundesregierung im Ausland für das Reiseland Deutschland wirbt, wurden über die Jahre kontinuierlich erhöht. 2011 erhält die Marketingorganisation mit Sitz in Frankfurt am Main rund 27 Millionen Euro an Bundesmitteln.
Einem Wunsch des Ausschusses ist die Bundesregierung jedoch bislang nicht nachgekommen - ein eigenes Tourismusministerium einzurichten, wie es beispielsweise in Italien existiert. Erst im Februar erteilte der für die Tourismuspolitik der Regierung zuständige Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) bei einem Besuch im Tourismusausschuss solchen Forderungen mit dem Hinweis auf die föderale Struktur des Landes erneut eine Absage.
Ein Mangel? "Tourismus ist in Deutschland Ländersache", stellt Brähmig klar. Dies habe aber zu einer ungünstigen, kleinteiligen Struktur im Tourismus geführt. "Land, Kreis, Kommune - das Kirchturmdenken ist leider sehr verbreitet, und es wäre schon sinnvoll, wenn es eine Person gäbe, die nur die Tourismuspolitik koordinierte. Aber das wird aufgrund unserer föderalen Strukturen sicher ein Wunschtraum bleiben."
Der derzeitige Tourismusbeauftragte der Regierung, Ernst Burgbacher (FDP), sei leider auch gleichzeitig Beauftragter für den Mittelstand.
Als Beispiel, wie kompliziert Tourismuspolitik im Föderalismus sein kann, führt Brähmig die Ferienordnung an. Schon lange wünsche sich die Tourismusbranche einen "längeren Ferienkorridor". Doch bislang sei es nicht gelungen, gemeinsam mit den Kultusministern eine Regelung zu finden, nach der der Zeitraum, in dem die Länder ihre Sommerferien festlegen, ausgedehnt werden kann.
"Dabei würde das nicht einmal Geld kosten", sagt Brähmig. "Die Ferien müssten nur im ersten Bundesland früher beginnen, im letzten später enden, damit die Übernachtungszahlen steigen und mehr Wertschöpfung eintreten kann." Zentralstaaten hätten da ihre Vorteile, bemerkt der Ausschussvorsitzende mit einem Seufzer. Bundesweit einheitliche Tourismusgesetze könnten so manches erleichtern, findet er.
"Wenn ein Reiseveranstalter etwa Reiterferien quer durch Deutschland anbieten möchte, dann hat er es in jedem Bundesland mit anderen Gesetzen zu tun." In solchen Fällen versuche der Ausschuss, mit den zuständigen Referenten in den Ministerien, den Landtagsfraktionen sowie den Verbänden zu sprechen mit dem Ziel, eine Einigung zu erwirken.
Solche Vermittlung ist gefragt, schließlich ist die Tourismusbranche von sehr unterschiedlichen Akteuren geprägt: Da sind zum einen Gastgewerbe, Reiseveranstalter, Reisebüros, Fluggesellschaften, Bus- und Bahnunternehmen sowie Sport- und Freizeitparks mit ihren eigenen Interessen.
Zum anderen profitieren beispielsweise auch Automobilindustrie, Fahrrad- und Bootsbranche oder aber die Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen vom Tourismus. Und nicht zuletzt ist da noch der Urlauber als Verbraucher, mit eigenen Ansprüchen und Rechten.
Keine leichte Aufgabe also für die Tourismuspolitiker, all diese unterschiedlichen Positionen in Ausgleich zu bringen. Umso mehr sieht Brähmig sich und den Tourismusausschuss in der Funktion eines Koordinators. Ziel sei, dafür zu sorgen, dass sich die unterschiedlichen Interessen nicht blockieren. "Leitplanken für die Branche schaffen", bringt es der Vorsitzende auf den Punkt.
Wie das geht? Vor allem im Dialog. Messen wie die Internationale Tourismus-Börse (ITB) in Berlin oder sportliche Großveranstaltungen wie die Frauen-Fußballweltmeisterschaft in diesem Jahr sind willkommene Anlässe, um Kontakte zu knüpfen. Doch die Tourismuspolitiker werden auch selbst initiativ, wenn sie Gäste zum Hintergrundgespräch in den Ausschuss laden.
Seit Beginn der Legislaturperiode waren so neben drei Bundesministern auch die Botschafter von Griechenland, Island und Südafrika zu Gast, um mit den Tourismuspolitikern zum Beispiel über den Klimaschutz, die Auswirkungen des Vulkanausbruchs in Island oder den Einsatz von Körperscannern an Flughäfen zu sprechen. Auch der Generalsekretär der Welttourismusorganisation sowie verschiedene Interessenvertreter waren zu Gast.
Längst nicht alle Gespräche finden aber im Bundestag statt. "Wir versuchen, viel raus zu gehen", sagt Brähmig. Natürlich werde er als Vorsitzender des Ausschusses "traditionell zu allen tourismusrelevanten Sachverhalten" eingeladen. "Zum Däumchendrehen komme ich nicht."
Doch der Vorsitzende geht auch neue Wege. Wie etwa im vergangenen Jahr, als die Tourismuspolitiker auf seine Initiative hin das Funkhaus der Deutschen Welle in Bonn besuchten. Der Grund: Kontakte knüpfen, Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausloten. Das Ziel: Den Tourismusstandort Deutschland in aller Welt noch bekannter zu machen. (sas)