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Für die Förderung eines "grünen Wachstums" im Ostseeraum plädiert der Bundestagsabgeordnete Franz Thönnes aus Schleswig-Holstein im Interview. Und dies nicht nur aus ökologischen Gründen: Eine solche Strategie etwa beim Ausbau erneuerbarer Energien birgt seiner Ansicht nach auch ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial in sich. Der SPD-Politiker leitet die Bundestagsdelegation bei der Ostseeparlamentarier-Konferenz, die vom 28. bis 30. August 2011 in Helsinki tagt. Diese vor 20 Jahren gegründete Institution ist das parlamentarische Pendant zum Ostseerat, dem Organ der Regierungen in dieser Weltgegend. Das Interview im Wortlaut:
In Helsinki feiert die Ostseeparlamentarier-Konferenz ihren 20. Geburtstag. Hat sich die Gründung dieser Institution gelohnt?
Unbedingt. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 ging es darum, die Ostsee zu einem Meer der guten Nachbarschaft zu machen, die Kooperation mit den zuvor kommunistischen Anrainerstaaten auf den Weg zu bringen und in diesen Nationen die Demokratie zu festigen, und das alles unter Einbeziehung Russlands. Rückblickend war das ein durchaus gelungener Prozess. Seither haben wir uns vorrangig mit der ökologischen Lage der Ostsee befasst. Zu einem der Erfolge der Konferenz zählt der verstärkte Kampf gegen Schadstoffeinleitungen durch Passagierschiffe. Für Schiffsneubauten tritt 2013 ein entsprechendes Verbot in Kraft, das von 2018 an für alle Passagierschiffe auf der Ostsee gilt. Zunehmend steht auch das Thema Arbeit und Soziales auf der Tagesordnung. Unser Anliegen, aus dem Baltic Sea Labour Network, einem Flaggschiffprojekt der EU-Ostseestrategie, ein ständiges Forum zu machen, wird vom Ostseerat unterstützt. Ziel dieses Netzwerks ist es, in der Region eine nachhaltige Arbeitswelt, die sozial gesicherte Mobilität in grenzüberschreitenden Arbeitsmärkten sowie den Dialog zwischen Gewerkschaften, Arbeitgebern und Regierungen zu fördern.
Nun hat der Parlamentarier-Verbund aber keine konkreten Kompetenzen, was den politischen Einfluss mindert.
Wir werden heute ernster genommen als zu Beginn. Wir sind Gast bei allen größeren internationalen Kongressen in dieser Region. Beim Ostseerat haben wir Rederecht, auch haben wir gemeinsame Arbeitsgruppen gebildet. Mit dem EU-Parlament pflegen wir einen intensiven Austausch. Unsere Konferenz formuliert realisierbare Forderungen, auf deren Umsetzung wir aber mit Nachdruck bestehen. Die Abgeordneten fragen in ihren nationalen und regionalen Parlamenten nach, wie sich die jeweiligen Regierungen dazu verhalten. So gehen wir auch die künftigen Herausforderungen an, den weiteren Einsatz gegen die starke Verschmutzung der Ostsee, den Erhalt der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit der Region gegenüber anderen Weltgegenden bei Wahrung des relativ hohen Sozialstandards, den Ausgleich des sozialen Gefälles zwischen den Anrainerstaaten sowie eine bessere Kooperation in der Energiepolitik.
Beim Treffen in Helsinki dreht es sich nicht zuletzt um die Umweltpolitik. Hat man mit massiven ökologischen Problemen zu kämpfen?
Wenn wir über "grünes Wachstum" diskutieren, dann geht es um mehr als um Umweltpolitik im engeren Sinne. Einem "grünen Wachstum" wohnt ein großes wirtschaftliches Potenzial inne. Dies gilt etwa für Milliardeninvestitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien, wo im gesamten Ostseeraum ein erheblicher Nachholbedarf existiert. Bei Windstromanlagen bieten sich dabei Deutschland und Dänemark wegen ihrer Kompetenz enorme Chancen. Ein anderes Beispiel: Das Frachtaufkommen auf der Ostsee soll um 60 Prozent steigen, weswegen viel Geld in die Schiffssicherheit und in die ökologische Hafengestaltung fließen muss. Der demografische Wandel fordert von den meisten Anrainerstaaten mehr Investitionen in die Gesundheitsvorsorge sowie in eine gute Infrastruktur von Gesundheitseinrichtungen. Das gehört ebenfalls zu einem nachhaltigen Wachstum.
In Helsinki will man über Gefahren debattieren, die von Schiffen ausgehen, etwa durch den Austritt von Öl aus Tankern. Die Schiffe werden doch aber immer sicherer.
Gott sei Dank ist das so. Das ist auch ein Erfolg unserer Bemühungen. So wurden etwa eine bessere technische Überwachung der Schiffe und effektivere Vorschriften für die Nutzung bestimmter Schifffahrtsrouten erreicht. Es bleibt jedoch noch einiges zu tun, nicht zuletzt wegen des zunehmenden Verkehrs auf der Ostsee. So fordern die Deutschen eine Lotsenpflicht in besonders gefährdeten Zonen, worüber in der Konferenz die Meinungen indes auseinandergehen.
Geklagt wird oft über Schadstoffe, die von Flüssen in die Ostsee geschwemmt werden.
Das ist in der Tat ein ernsthaftes Problem. So gelangen allein aus Flüssen jährlich 650.000 Tonnen Stickstoff in die Ostsee. Nicht zuletzt auf unseren Druck hin haben die einzelnen Staaten inzwischen Programme zur Reduzierung dieser Schadstoffeinleitungen verabschiedet. Polen beispielsweise will in nächster Zeit hierfür acht Milliarden Euro investieren.
In großen Ostsee-Hafenstädten stammen 80 Prozent der Luftverschmutzung vom Schiffsverkehr. Tut sich da etwas?
Bei diesem Thema haben wir viele Anstöße gegeben. Zu nennen ist etwa das Konzept Clean Baltic Shipping. Es ist ein Erfolg, dass zwölf große Häfen im Rahmen eines EU-Projekts an der Reduzierung des Schadstoffausstoßes arbeiten wollen. Mit dabei sind Kiel und Rostock, und Lübeck hat eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung der Landstromversorgung von Schiffen inne, womit vermieden werden soll, dass Dieselmotoren im Hafen weiterlaufen müssen.
(kos)