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Der geplanten Erweiterung des Euro-Rettungsschirms (EFSF) und der vorgesehenen Beteiligung des Bundestages an Entscheidungen zum Rettungsschirm stimmen Sachverständige weitestgehend zu. Dies wurde am Montag, 19. September 2011, bei einer öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses unter Vorsitz von Petra Merkel (SPD) deutlich. Dabei ging es einerseits um den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP „zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus" (17/6916) sowie um einen Antrag der Koalitionsfraktionen „Parlamentsrechte im Rahmen zukünftiger europäischer Stabilisierungsmaßnahmen sichern und stärken" (17/6945).
Danach soll das Ausleihvolumen des EFSF von bisher 240 Milliarden Euro auf rund 440 Milliarden Euro angehoben werden. Dadurch würde der deutsche Anteil an Kreditbürgschaften für überschuldete Euro-Länder von 123 Milliarden Euro auf 211 Milliarden Euro steigen.
Außerdem soll mit dem Gesetzentwurf das Aufgabenspektrum des EFSF erweitert werden. Dazu gehören vorsorgliche Kreditlinien, Darlehen an Regierungen zur Kapitalisierung von Finanzinstituten sowie Interventionen am Sekundärmarkt.
Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Dr. Jens Weidmann, betonte in seiner Stellungnahme, dass es nicht erforderlich sei, die bestehenden Grundprinzipien der Währungsunion zu verändern. Allerdings sei eine Reform der Instrumente zur Krisenprävention und -lösung notwendig. Die geplanten Veränderungen würden jedoch in der konkreten Ausgestaltung die Gefahr bergen, dass der vereinbarte institutionelle Rahmen zunehmend geschwächt werde und an Konsistenz verliere.
Kritisch sieht Weidmann die Käufe am Sekundärmarkt. Es gebe effizientere Mittel, um Staaten zu helfen. „Eine direkte Unterstützung ist immer besser als eine indirekte", sagte er.
Für EFSF-Geschäftsführer Klaus Regling hat Europa seit Ausbruch der Schuldenkrise umfassende Maßnahmen zur Krisenprävention und -bewältigung auf den Weg gebracht. „Bei vollständiger Umsetzung auf nationaler und europäischer Ebene wird die Währungsunion in Zukunft besser funktionieren", betonte er.
Sollte es zu Liquidationsengpässen einzelner Staaten kommen, könne ein Rettungsmechanismus mit flexiblen Instrumenten, wie sie im Gesetzentwurf vorgeschlagen werden, helfen, die notwendigen Anpassungsmaßnahmen in einzelnen Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Es werde „Zeit gekauft", bis diese Anpassungsmaßnahmen ihre Wirkung entfalten. Alle Instrumente seien an „strikte Auflagen" geknüpft. Die Währungsunion wäre daher keine Transferunion, so Regling.
Eher kritisch sieht Prof. Dr. Henrik Enderlein von der Hertie School of Governance den Gesetzentwurf: „Zu wenig, zu spät", schreibt er in seiner Stellungnahme. Weder werde mit diesen Änderungen eine tragfähige Lösung für Griechenland präsentiert noch gebe es eine klare Strategie, die zum Ende der Anleiheankäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) führe. „So besteht die Gefahr, dass nun ein Gesetz verabschiedet wird, dass bereits überholt ist", betonte er.
Für Prof. Dr. Christoph M. Schmidt vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung stellt sich „eher früher als später" das Problem, dass die Ausweitung der effektiven EFSF-Darlehenskapazitäten durch die parallele Ausweitung der ihr zu Verfügung stehenden Instrumente konterkariert werde. Die Hoffnung, dass mit dem erweiterten ESFS das Programm der EZB zum Aufkauf von Staatsanleihen endgültig beendet werde, dürfte sich nicht erfüllen, erklärte er in seiner Stellungnahme.
Dr. Daniela Schwarzer, Stiftung Wissenschaft und Politik, begrüßt grundsätzlich, dass Kredite zur Bankenrekapitalisierung vergeben werden können. Hier stelle sich allerdings die Frage, ob nicht künftig auch eine direkte Rekapitalisierungsmöglichkeit ins Auge gefasst werden sollte.
Auch für Prof. Dr. Rudolf Hickel von der Universität Bremen sind die unter strengen Auflagen einzusetzenden Instrumente „sinnvoll". Sie würden zu einer Kompetenzerweiterung des Rettungsschirms führen, die der Stabilisierung auf den Finanzmärkten diene und die Ansteckungsgefahr reduziere. Er kritisierte jedoch, dass zwar „Zeit gekauft" werde, es aber an einer vernünftigen Sanierungsstrategie fehle.